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Die Kulturbranche in Zeiten einer Pandemie – Wie Museen zu einem digitalen Erlebnis werden können White Paper

Die Kulturbranche in Zeiten einer Pandemie

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Die Kulturbranche in Zeiten einer Pandemie – Wie Museen zu einem digitalen Erlebnis werden können

White Paper

Für wen ist dieses White Paper geeignet?

Das White Paper richtet sich in erster Linie

an alle kulturschaffenden Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen eines Museums und dient

als Guide insbesondere für kleinere

Museumsinstitutionen, die in ihren digitalen

Angeboten noch nicht sehr fortgeschritten

sind. Nach einer Einführung in die Branche

folgen Handlungsempfehlungen, die den

Schritt in die Digitalisierung fördern sollen.

Experteninterview

Dr. phil. Lutz Fichtner

Herr Dr. Fichtner ist Leiter der Abteilung Bildung und Vermittlung des Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, das Kunst, Kultur und Naturgeschichte vereint. Seine Zuständigkeiten sind neben der Realisierung zielgruppenspezifischer Angebote wie Kurse zur Kulturvermittlung auch die Organisation von Großveranstaltungen des Museums. Er gibt als Experte in diesem White Paper Impulse und Einschätzungen, wie die Museumsbranche aufgestellt ist und wie sich diese in Zukunft weiterentwickeln wird.

Nora Tany Schecker Dialogmarketing & E-Commerce

[email protected]

„Kultur bereichert das Leben mannigfach“ Dr. Lutz Fichtner

Mit etwa 111.662.229 Millionen Besuchern in Deutschland (Stand

2018) stellen Museen einen wichtigen Ort für kulturelle Begegnungen

und Inspiration in einer Gesellschaft dar. In diesem Kontext stand

besonders lange die Frage im Raum, inwieweit Kultureinrichtungen

wie Museen von einer digitalen Strategie profitieren können, denn

obwohl Museen das kulturelle Erbe - vorrangig in der Offline-Welt -

bewahren, gehören sie nicht zu den Vorreitern des Digitalisierungs-

Zeitalters. Zwar nimmt die Zahl der digitalen Angebote in der

Museumslandschaft besonders bei großen Museumsinstitutionen

rasant zu, jedoch boten in Deutschland im Jahr 2018 nur etwa 2,7%

der Museen etwa einen virtuellen Austellungsrundgang an. Besonders

während der Corona-Pandemie und des damit einhergehenden

Shutdowns wurde die Notwendigkeit der digitalen Angebote außerhalb

eines Museumsbesuches jedoch deutlicher denn je. Dabei ist die

digitale Transformation, die viele Aktivitäten der Museen betrifft, aktuell

noch ein sehr punktueller Prozess. Gründe hierfür sind besonders die

fehlenden finanziellen und personellen Mittel, von denen die

Kulturbranche besonders geprägt ist.

„Inzwischen haben Museen einen deutlich besseren Stand, wobei die

großen Museen auf Grund ihrer besseren Finanzlage deutlich im

Vorteil sind und deshalb auch umfassendere Projekte umsetzen

können – es ist und bleibt eine Budgetfrage“, so Fichtner vom

Hessischen Landesmuseum Darmstadt.

1. Der digitale Wandel der Museen

1[1]

Die globale Corona-Pandemie traf auch die Kulturbranche in

hohem Ausmaß und zwang die Museumshäuser zur Schließung.

Durch die fehlenden Einnahmen durch Eintrittskarten, Cafés und

Museum-Shops vermerkten die Einrichtungen einen finanziellen

Verlust im vierstelligen Bereich in der Woche, nicht zuletzt

aufgrund des weltweiten Rückgangs des Tourismus. Die Krise

hatte erhebliche Auswirkungen auf die Museen auf der ganzen

Welt und zeigte dabei auch das Potenzial, das aus der Krise

hervorkam. So kam es zu einem regelrechten Digitalisierungs-

Schub der Kultureinrichtungen, der zu einem breiten Spektrum an

digitalen Museumsangeboten geführt hat. Besonders die

personelle Situation in den Museen wurde verändert und häufig

die Personalaufgaben umverteilt, um den Anforderungen gerecht

zu werden. „Wir konnten uns auf Aufgaben und Projekte

konzentrieren, die mangels Zeit und personeller Ressourcen

immer wieder verschoben werden mussten: je nach Fachbereich

und Abteilung waren das sehr unterschiedliche Dinge“ beschreibt

Fichtner. Auch das Landesmuseum Darmstadt baute schnell

neue Themenspektren für die eigenen Social-Media-Kanäle aus

und führte unter anderem für die jüngere Zielgruppe einen

Podcast ein. Zudem erstellten Sie eine Stellenausschreibung für

einen Digital Scout.

Fast 70% der Museen haben während der Pandemie ihre Online-

Präsenz erweitert und ein umfassendes digitales Angebot

geschaffen. Sie vermerkten daraufhin einen deutlichen Anstieg

der Online-Besuche. Besonders beliebt waren dabei Formate wie

Material zur Weiterbildung und Videos der Ausstellungen.

2. Museen in Zeiten der Corona-Pandemie

4 von 5 Museen haben ihr digitales Angebot

erweitert

70% der Museen haben ihre Social-

Media-Präsenz ausgebaut

16% der Museen haben das Budget für die

Realisierung von Online-Aktivitäten erhöht

2

Fakten

[2],[3]

Aus den Erkenntnissen der Branchensituation vor und auch nach der Corona-Pandemie ergeben sich Handlungsempfehlungen, die Museen in Zukunft ergreifen können. Herr Fichtner betont in diesem Zusammenhang, dass neben den Personalressourcen und den finanziellen Mitteln auch eine visionäre Strategie Voraussetzung sei. Bevor Museen also digitale Maßnahmen umsetzen, benötigt es zunächst eine detaillierte Strategieausarbeitung, die von allen internen Ebenen getragen werden sollte.

Warum brauchen Museen eine digitale Strategie?

Der allgemeine Ist-Zustand der Digitalisierung in den Kulturinstitutionen und im

speziellen in den Museen, zeigt deutlich, dass eine digitale Strategie mit festen

personellen Zuständigkeiten zwingend

erforderlich ist. Nicht nur um sich einen

Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, sondern

auch, um langfristig neue Wege zu finden,

mit seinen Besuchern in Interaktion zu treten

und ein Museum auf eine neue Art digital

erlebbar zu machen.

Was ist bei einer digitalen Strategie zu beachten?

Für die Entwicklung einer langfristigen

Strategie bedarf es einer besonders

interdiszipl inären Herangehensweise.

Besonders die bei Kulturinstitutionen

herrschende Ressourcenknappheit in Bezug

auf Budget und Personal sollte bei der

Erarbeitung einer Digitalstrategie für Museen

im Mittelpunkt stehen.

3. Handlungsempfehlungen – Digitale Konzepte für das Museum

von Morgen

Best Practice Die digitale Strategie des Städel

Museum Frankfurt

https://www.staedelmuseum.de/de/digitale-strategie

Tools Canvas-Modell für die Erarbeitung

einer digitalen Strategie

https://www.cogapp.com/digital-strategy-canvas

Digital Engagement Framework

https://digitalengagementframework.com/

digenfra3/

3[4]

Aber auch die Stärken des Museums und die genaue Zielgruppe sollten analysiert

werden. Ziel ist es, Risiken und Potenziale bestmöglich abschätzen zu können. Für

die Analyse kann beispielsweise die Canvas-Methode hinzugezogen werden.

D ig i ta le Angebote so l l ten ke ineswegs e inen analogen

Museumsbesuch ersetzen, sondern diesen auch unabhängig einer

Pandemie sinnvoll ergänzen. In diesem Zusammenhang bietet

besonders die eigene Webseite nach wie vor eine wichtige Grundlage

für eine vielseitige Kommunikation. Dabei sollte die Webseite modern

aufbereitet und ggf. aktualisiert werden und vor allem auf mobilen

Endgeräten responsiv aufrufbar sein.

Ein Instrument, das auch für kleinere Museumshäuser ein hohes Potenzial für die

Webseite bietet ist ein Museums-Blog. Mit diesem lassen sich unterschiedliche

Themen aufgreifen und für die Zielgruppe aufbereiten. Dabei kann sich das

Museum mit Blog-Artikeln als ein Experte auf seinem Gebiet positionieren. Die

Themenfelder, die auf einem Blog aufgegriffen werden können sind dabei vielfältig,

so können neue Ausstellungen angeworben und

optional externe Gast-Blogbeiträge von Experten

aus der Branche veröffentlicht werden. Aber auch

über die Schwierigkeiten der Museumsbranche

hinsichtlich z.B. der Finanzierung, während oder

auch unabhängig einer Pandemie, kann berichtet

werden. Die Zielgruppe eines Museums-Blogs

reicht daher von Kulturtinteressierten bis hin zu

Journalisten.

Der Vorteil eines Museums-Blogs liegt neben dem

finanziell wenigen Aufwand, deutlich in der

Unabhängigkeit von anderen Aktivitäten. Durch

optimales Suchmaschinenmarketing lassen sich

die Beiträge auch noch nach einiger Zeit aufrufen,

so dass sie auch einen langfristigen Nutzen haben.

Webseite

4

Best Practice Bloginspirationen

https://www.tanjapraske.de/museumsblogroll/

Tools Redaktionsplan und Content

Planung

https://www.textbroker.de/8-tools-fuer-die-content-

planung

Relevant ist die regelmäßige Frequenz sowie die Festlegung der Themen der Blog-

Artikel, die fest definiert sein sollten. Ein Hilfsmittel stellt hierfür ein umfassender

Redaktionsplan dar.

Um das digitale Angebot zu erweitern und zusätzlich eine jüngere

Zielgruppe zu erreichen, eignen sich besonders Social-Media-

Kanäle als Ergänzung zur eigenen Webseite. Diese sollten

ausgebaut werden, da diese auch während eines Shutdowns

jederzeit und an jedem Ort abrufbar sind. Social-Media-Kanäle wie

Instagram oder YouTube bieten viel Potenzial, Wissen zu vermitteln,

Informationen bereitzustellen und mit den Besuchern in Interaktion

zu treten. Der Museums-Blog ist dabei eine kanalübergreifende Komponente, die

für die Sozialen Medien aufbereitet werden kann. Damit sich Besucher auch

außerhalb eines Museumsbesuches weiterbilden können, besteht die Möglichkeit,

sonst stattfindende Workshops oder Kurse digital umzusetzen. E-Learning-Videos

beispielsweise können interaktiv mit einem Quiz spielerisch umgesetzt werden.

Dabei können verschiedene Themen und Epochen zur Auswahl gestellt werden,

um jedem Nutzer sein Interessensfeld zu bieten.

Die zusätzliche Einführung von Hashtags auf Instagram lässt mit den Besuchern

eine virtuelle Interaktion zu. Neben virtuellen Museumsrundgängen begleitet von

z.B. Kuratoren lassen sich zudem „Behinde the scence“- Formate umsetzen mit

Einblicken, die der Besucher sonst nicht zu sehen bekommt, wie etwa die

Restaurierung von Gemälden und Sammlungen. Live-Videos auf Instagram

eigenen sich besonders für Interviews mit Mitarbeitern oder Branchenexperten.

Themen, die während einer Pandemie aufgegriffen werden könnten, wären

besonders im Museumssektor der Vergleich von Damals und Heute,

beispielsweise mit der Frage, wie bekannte Werke in „Social Distancing“-Form

aussehen würden oder ob es diese Form der sozialen Distanz auch schon in

anderen Epochen gegeben hat. Besonders wichtig bei allen digitalen

Maßnahmen ist, eine ausgiebige Erfolgsmessung durchzuführen. Nur so können

Inhalte in Zukunft stetig verbessert und auf die Bedürfnisse der eigenen

Zielgruppe ausgerichtet werden. 5

Social-Media-Kanäle

4.Fazit

Museen sind ein Ort der kulturellen Begegnung, sie fördern Kreativität und

vermitteln Wissen. Bereits jetzt kristallisiert sich heraus, dass es einen

bahnbrechenden Wandel der Museumslandschaft in den nächsten Jahren geben

wird. Zahlreiche positive Referenzprojekte unterschiedlicher Museen, besonders

während der Corona-Pandemie, legen das Potenzial für die digitale Transformation

in dieser Branche offen, die auch unabhängig von einer Pandemie von Relevanz

ist. Besonders zu beachten ist, eine individuelle Strategie für die Museen zu

entwickeln, die auf Budget- und Personalkapazitäten angepasst ist. Dabei gilt es

Potenziale und Risiken gut abzuschätzen. Fichtner nennt zusätzlich eine Vielzahl

an Abhängigkeiten, damit das zukünftige

Museum 4.0 gelingt: zum einen muss stets

der Wandlungsprozess einer Gesellschaft

berücksichtigt werden aber auch „die

Kontemplation in einer reizüberfluteten

Gesel lschaft . “ Nur durch kul turel les

Infotainment können sich Museen in Zukunft

wettbewerbsfähig machen und Kulturgut auf

neuen Wegen vermitteln.

Quellen

[1] „Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2018“ aus dem Institut für Museumsforschung (2019), Heft 73 https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/institut-fuer-museumsforschung/forschung/publikationen/materialien-aus-dem-institut-fuer-museumsforschung/ [2] Köhne, Eckart (2020): Museen in Zeiten von Corona: es geht um die Zukunft!https://www.museumsbund.de/museen-in-zeiten-von-corona-es-geht-um-die-zukunft/[3] Network of European Museum Organizations (2020): „Survey on the impact of the COVID-19 situation on museums in Europe - Final Report“ https://www.ne-mo.org/advocacy/our-advocacy-work/museums-during-covid-19.html [4] Schoder, Angelika (2019): Let’s get Digital: Zur Entwicklung einer Digitalstrategie für Museen https://musermeku.org/digitalstrategie/

„Fun, engaging and creative digital offers will be part of museums’ digital future“ Network of European Museum Organizations

6[2]