1
H. Zwipp • Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der TU Dresden Die Lisfranc-Arthrodese nach Fehlheilung W enn man bedenkt, daß Lisfranc (1790–1847) ein Chirurg der Napoleoni- schen Armee war, der dieser tarso-meta- tarsalen Gelenkreihe dadurch seinen Namen überlieferte, daß er innerhalb einer Minute einen zundrigen Vorfuß zum Lebenserhalt des Soldaten absetzte, so bleibt es heute nach über 150 Jahren in einer sonst fortschrittlichen Unfallchir- urgie unverständlich, daß der Erhalt dieses funktionell bedeutenden Gelenkes nach wie vor vernachlässigt bleibt. Bei kaum einer anderen Gelenkverletzung des Fußes wird in einem Drittel der Fälle die Diagnose initial völlig übersehen, ein häufig begleitendes Kompartmentsyn- drom nicht oder zu spät erkannt und In- kongruenzen des Gelenkes durch ge- schlossene Repositionsmanöver und perkutane Spickdraht-Osteosynthesen zurückgelassen. Wenn man bedenkt, daß nach einer eigenen, noch unveröffentlichten Ver- gleichsstudie der „activity level“ nach dem Kitaoka-Midfoot-Score nach korri- gierender Lisfranc-Arthrodese zwar ver- doppelt werden und annähernd 3/4 des Normalen erreichen kann, so überzeugt die vergleichende offene, primäre Ein- richtung der Lisfranc-Reihe mit tempo- rärer Schraubenfixation durch eine nahezu vollständige Wiederherstellung des Patienten. Lange Leidenswege mit unvertretbaren Arbeits- und Gehunfä- higkeitsperioden bleiben dem meist po- lytraumatisierten und sonst gut rehabi- litierten Patienten durch eine konse- quente Diagnostik und offene Frühkor- rektur erspart. Selbst die Automobilin- dustrie versucht nach Einführung des Gurts und des Airbags, die nunmehr noch oft verbleibenden Fußfrakturen durch Verbesserungen des Fußraumes zu reduzieren. Wenn man bedenkt, daß noch nach der BG-Rehastatistik ’90 Verletzungen der Knöchel- und Fußregion 18,4 % aller stationären Behandlungsfälle ausma- chen, Komplikationen in dieser Region von allen Skelettverletzungen mit 19,3 % am häufigsten sind und Rehamaßnah- men kostenmäßig mit 21,2 % den ersten Platz einnehmen, so bleibt es unver- ständlich, daß bei 5tägigen BDC-Semi- naren und selbst bei AO-Trauma-Basis- kursen zur Facharztvorbereitung und Weiterbildung dem gesamten Fuß nur 20 Minuten Zeit geschenkt werden. Un- ter diesen Aspekten ist es um so erfreuli- cher, daß „Der Unfallchirurg“ dem Lis- franc-Gelenk sogar das Leitthema wid- met. H. Zwipp Der Unfallchirurg 12·99 917 Unfallchirurg 1999 · 102: 917 Springer-Verlag 1999 Editorial

Die Lisfranc-Arthrodese nach Fehlheilung

  • Upload
    h-zwipp

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

H. Zwipp · Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der TU Dresden

Die Lisfranc-Arthrodese nachFehlheilung

Wenn man bedenkt, daû Lisfranc(1790±1847) ein Chirurg der Napoleoni-schen Armee war, der dieser tarso-meta-tarsalen Gelenkreihe dadurch seinenNamen überlieferte, daû er innerhalbeiner Minute einen zundrigen Vorfuûzum Lebenserhalt des Soldaten absetzte,so bleibt es heute nach über 150 Jahren ineiner sonst fortschrittlichen Unfallchir-urgie unverständlich, daû der Erhaltdieses funktionell bedeutenden Gelenkesnach wie vor vernachlässigt bleibt. Beikaum einer anderen Gelenkverletzungdes Fuûes wird in einem Drittel der Fälledie Diagnose initial völlig übersehen, einhäufig begleitendes Kompartmentsyn-drom nicht oder zu spät erkannt und In-kongruenzen des Gelenkes durch ge-schlossene Repositionsmanöver undperkutane Spickdraht-Osteosynthesenzurückgelassen.

Wenn man bedenkt, daû nach einereigenen, noch unveröffentlichten Ver-gleichsstudie der ¹activity levelª nachdem Kitaoka-Midfoot-Score nach korri-gierender Lisfranc-Arthrodese zwar ver-doppelt werden und annähernd 3/4 desNormalen erreichen kann, so überzeugtdie vergleichende offene, primäre Ein-richtung der Lisfranc-Reihe mit tempo-rärer Schraubenfixation durch einenahezu vollständige Wiederherstellungdes Patienten. Lange Leidenswege mitunvertretbaren Arbeits- und Gehunfä-higkeitsperioden bleiben dem meist po-lytraumatisierten und sonst gut rehabi-litierten Patienten durch eine konse-quente Diagnostik und offene Frühkor-rektur erspart. Selbst die Automobilin-dustrie versucht nach Einführung desGurts und des Airbags, die nunmehrnoch oft verbleibenden Fuûfrakturendurch Verbesserungen des Fuûraumeszu reduzieren.

Wenn man bedenkt, daû noch nachder BG-Rehastatistik '90 Verletzungender Knöchel- und Fuûregion 18,4 % allerstationären Behandlungsfälle ausma-

chen, Komplikationen in dieser Regionvon allen Skelettverletzungen mit 19,3 %am häufigsten sind und Rehamaûnah-men kostenmäûig mit 21,2 % den erstenPlatz einnehmen, so bleibt es unver-ständlich, daû bei 5tägigen BDC-Semi-naren und selbst bei AO-Trauma-Basis-kursen zur Facharztvorbereitung undWeiterbildung dem gesamten Fuû nur20 Minuten Zeit geschenkt werden. Un-ter diesen Aspekten ist es um so erfreuli-cher, daû ¹Der Unfallchirurgª dem Lis-franc-Gelenk sogar das Leitthema wid-met.

H. Zwipp

Der Unfallchirurg 12´99 917

Unfallchirurg1999 ´ 102: 917 � Springer-Verlag 1999 Editorial