Die Medienpdagogik_im Deutschsprachigen Raum

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  • Die Medienpdagogik imdeutschsprachigen Raum

    Autor: Heinz Moser

    Erschienen 2012 in Enzyklopdie Erziehungswissenschaft Online(ISSN 2191-8325), Ausgabe , 19 Seiten, (Seite 1)

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 1

    Heinz Moser

    Die Medienpdagogik

    im deutschsprachigen Raum

    19 Seiten Aus: Enzyklopdie Erziehungswissenschaft Online; ISSN 2191-8325 Fachgebiet/Unterberschrift: Medienpdagogik, Medienpdagogik international hrsg. von Dorothee Meister, Friederike von Gross und Uwe Sander Beltz Juventa Weinheim und Basel 2012, DOI 10.3262/EEO18120261

    Abstract: Der Beitrag fasst die Entwicklung der Medienpdagogik im deutschsprachi-gen Raum zusammen, wobei neben der institutionellen Verschiedenheit der gemeinsa-me theoretische Diskurs in Deutschland, sterreich und der Schweiz betont wird. Die-ser zeigt sich an den Diskussionen um Medienkompetenz und Medienbildung, die ln-derbergreifend gefhrt werden. Gemeinsam ist aber auch, dass die Medienpdagogik trotz einer verstrkten Verankerung an Hochschulen und im Bildungswesen immer noch als eine angesichts der gesellschaftlichen Relevanz unterschtzte Disziplin wahr-genommen wird.

    Schlsselbegriffe: Bewahrpdagogik, Medienkompetenz, Medienbildung, Deutschland, sterreich, Schweiz

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  • EEO | Medienpdagogik 2

    Inhalt

    1. Von der medienerzieherischen Bewahrpdagogik zu den aktiven Mediennutzern .............................................................................. 3

    2. Das Profil der deutschsprachigen Medienpdagogik ................................................ 5

    2.1 Medienkompetenz als Schlsselbegriff ............................................................. 5

    2.2 Medienbildung und/oder Medienkompetenz ..................................................... 7

    2.3 Medienpdagogik und der angloamerikanische Mediendiskurs ........................ 9

    3. Die deutschsprachige Medienpdagogik und ihre lnderspezifische Ausdifferenzierung ................................................................................................. 11

    3.1 Die Institutionalisierung an Hochschulen und in Fachverbnden .................... 12

    3.2 Professionalisierung der Medienpdagogik ..................................................... 12

    3.3 Medienpdagogik im Schulsystem .................................................................. 13

    3.4 Der ungesicherte Status der Medienpdagogik ................................................ 14

    4. Fazit ........................................................................................................................ 16

    Literatur ......................................................................................................................... 17

    Das Nachdenken ber Medien war seit der Entwicklung von Medien immer Teil des Diskurses ber Erziehung. Seit der Industrialisierung der Buchpro-duktion als dem ersten Massenmedium im 19. Jahrhundert nahmen die P-dagogen den Kampf gegen die so genannte Schundliteratur auf. Wie stark bereits damals der gesamte deutschsprachige Raum in einer gewissen Ein-heit prsent war, belegen Blaschitz/Seibt (2008), wenn sie hervorheben, dass sich aufgrund der Schrift Das Elend unserer Jugendliteratur des Hamburger Lehrers August Wolgast auch in sterreich die Stimmung gegen minderwer-tige Literatur verstrkt habe. hnliche Einflsse lassen sich fr die Schweiz nachweisen, wo der Gymnasiallehrer Otto von Greyerz fr eine kindertmli-che aber auch literarischen Kriterien gengende Jugendliteratur pldierte (vgl. Moser 2000, S. 191). Jugendschtzerische Bestrebungen bndelten sich danach im Schweizerischen Jugendschriftenwerk (SJW), das ber Jahrzehnte im Direktvertrieb an die Schulen gute Jugendschriften herausgab.

    Die in den kulturbedingten Mastben anspruchsvoller Literatur liegen-den Grundberlegungen zu den Gefahren der Medien waren im deutsch-sprachigen Raum staatenbergreifend; allein die konkreten pdagogischen Manahmen mussten sich an die unterschiedlichen staatlichen, regionalen und lokalen Rahmenbedingungen anpassen. Auf diese Weise bildeten sich verankert in den Mastben der literarischen Klassik im deutschsprachi-gen Raum erste gemeinsame Diskurse zu medienpdagogischen Fragen her-aus. In der Schweiz richteten sich in der Folge die Diskussionen im deutsch-sprachigen Teil immer stark an der deutschen Medienpdagogik aus, wh-rend dem franzsischsprachigen Teil die franzsischen Diskurse nher lagen und bis heute immer noch liegen.

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 3

    Angelehnt an die Entwicklung der Medientechnologien folgte nach der Er-findung des Films die pdagogische Verurteilung oberflchlicher Filme, spter die Kritik an Comics, am Fernsehen und am Computer. Jede Ent-wicklungsstufe, welche durch neue Leitmedien gekennzeichnet wurde, nahm hnliche Argumentationsmuster auf, um diese am neuen Medium zu messen. Generell waren es bewahrpdagogische Anliegen, welche immer wieder zu medienkritischen Auseinandersetzungen fhrten. Bekannt waren in den 1960er-Jahren die Schriften von Ulrich Beer, der die Medien als Ge-heime Miterzieher der Jugend bezeichnete. Die Zeitschriften und Illustrierten waren fr ihn eine Analphabeten-Bibel, Film und Fernsehen der Traumal-tar, der Rundfunk die Schall-Dusche. Noch nie sei die Erziehung so schwer gewesen, noch nie seien Eltern, Erzieher und Lehrer einer so peinlich-unheimlichen Erziehungskonkurrenz ausgesetzt gewesen wie durch jene der Medien (Beer 1960, S. 58). Diese frhe Medienpdagogik nach dem zweiten Weltkrieg war einerseits sehr stark moralisch aufgeladen, indem sie sich ge-gen die zerstrerischen Wirkungen der Medien emprte. Dann aber ber-nahm sie auch praktische Ratgeberfunktionen mit einfachen Ratschlgen zur Medienerziehung durch Erzieherinnen und Erzieher.

    Erst ab dem Ende der Sechzigerjahre begann sich im deutschsprachigen Raum ein an den theoretischen Ansprchen der Erziehungswissenschaft ori-entierter medienpdagogischer Diskurs zu entwickeln. Infolge der zuneh-menden Wichtigkeit der Medien fr die Sozialisation der Heranwachsen-den wurden an Universitten und Hochschulen erste Lehrsthle fr diesen Bereich eingerichtet.

    Das staatenbergreife Muster der medienpdagogischen Reflexionen im deutschsprachigen Raum hat fr den vorliegenden Beitrag Konsequenzen: In den folgenden Abschnitten dieses Beitrags (00) sollen weniger Diffe-renzen zwischen den deutschsprachigen Staaten (Deutschland, Schweiz, s-terreich) aufgezeigt werden; vielmehr soll nachgezeichnet werden, wie sich aus den bewahrpdagogischen Anfngen im 19. Jahrhundert so etwas wie ei-ne deutschsprachige Medienpdagogik mit charakteristischen Schlsselbe-griffen wie Medienkompetenz und Medienbildung entwickelte. Im vierten Teil soll dann der institutionelle Blick spezifischer auf die drei Lnder und ihre Unterschiede gelenkt werden

    1. Von der medienerzieherischen Bewahrpdagogik zu den aktiven Mediennutzern

    Auch in den wissenschaftlichen Diskursen der Medienpdagogik wirkte die bewahrpdagogische Ausgangssituation nmlich die Kinder von den nega-tiven Folgen der Medien zu schtzen noch lange nach. So orientierte man sich in den 1980er-Jahren u.a. an den Schriften des amerikanischen Medi-enwissenschaftler Neil Postman, der an den visuellen Massenmedien (Film,

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    Fernsehen) kritisierte, dass sie alle gesellschaftlichen Probleme ffentlich machten. Whrend die Buchkultur die Kinder schrittweise in die Diskurse der Erwachsenen eingefhrt habe, sei dies bei den visuellen Medien nicht mehr mglich. Als Konsequenz ergebe sich: Wir befinden uns mitten im Prozess der Austreibung einer zweihundert Jahre alten Idee vom jungen Menschen als Kind und ihrer Ersetzung durch die Vorstellung vom jungen Menschen als Erwachsenen (Postman 1983, S. 142). Der Gedanke eines allumfassenden Schutzes der Kinder vor den Wirkungen der Medien wurde dann jedoch Schritt fr Schritt berwunden, wobei aber gleichzeitig fach-fremde Experten diese Warnungen vor den unheilvollen Medieneinflssen bernahmen. Der Neurologe Manfred Spitzer warnt z. B. in seinem Bestsel-ler vor den Bildschirmen, welche die Gesundheit der Kinder gefhrdeten. So sei bei Kindern das Sitzen vor dem Bildschirm die wichtigste Ursache fr bergewicht mit all den damit verbundenen ungnstigen krperlichen und seelischen Folgen (Spitzer 2005).

    Nicht weniger medienkritisch eingestellt war die Linke der Achtund-sechzigergeneration, die sich hinter den Ideen der Frankfurter Schule sam-melte. Auch fr diese stark in der Kulturkritik verwurzelte Denktradition blieben die Massenmedien Verfhrer der unteren Schichten und Klassen der Gesellschaft. Der Einfluss der Medien diene dazu, sie zu pazifizieren und ihnen durch Bilder und Texte ein falsches Leben erstrebenswert zu machen. Medien klrten nicht ber die wirklichen Machtverhltnisse auf, sondern manipulierten die Medienkonsumenten. So wurde Gnther Wallraff mit sei-ner Reportage ber die Arbeitsweise der BILD-Redaktion (1977) zur Ikone einer linken Medienkritik und eines investigativen Journalismus, der jenseits aller brgerlichen Ideologie aufzeigte, wie es bei der Bildzeitung wirklich zuging.

    Faktische Handlungsspielrume versuchte dagegen Hans Magnus Enzens-berger mit seiner Baukastentheorie der Medien zu beschreiben. In seinem Aufsatz im Kursbuch (Enzensberger 1985) betont er im Rahmen emanzi-patorischer berlegungen die prinzipielle Reversibilitt der Medien, wonach Produzenten und Konsumenten nicht eindeutigen Rollen zugeordnet werden knnen. Er spricht von einer mobilisierenden Kraft der Medien, die auch dann ihre Potenziale entfalten knnten, wenn sie in groe Monopole einge-bunden sind. Enzensberger schreibt provokativ. Zum ersten Mal in der Ge-schichte machen die Medien die massenhafte Teilnahme an einem gesell-schaftlichen und vergesellschafteten produktiven Prozess mglich, dessen praktische Mittel sich in der Hand der Massen selbst befinden (Enzensberger 1985, S. 420). Zwar lieen Apparate wie Fernsehen und Film faktisch keine wechselseitige Kommunikation zu, sondern verhinderten diese. Dies sei aber nicht technisch zu begrnden, da die elektronische Technik keinen prinzipiellen Gegensatz von Sender und Empfnger kenne. Jeder Empfnger knne deshalb auch ein Sender sein. Auf dieses Konzept Enzensbergers be-zogen sich denn auch viele der gegen Ende des 20. Jahrhunderts entstanden

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 5

    Brgermedien (wie z. B. die freien Radiostationen und offenen Kanle) in allen deutschsprachigen Lndern (vgl. Peissl 2008, S. 243ff.).

    Zur berwindung berholter ideologischer und in manchen Aspekten elit-rer Positionen innerhalb des linksorientierten Diskurses trug in den spten 1990er-Jahren eine erste Rezeption der Cultural Studies bei, welche ge-genber den traditionellen Medienwirkungstheorien hervorhoben, dass Me-diennutzer als aktive Leser an der Bedeutungskonstitution von Medien-botschaften (meaning-making) selbst wesentlichen Anteil haben (vgl. Hepp 2010; Winter 1995). In sterreich betont Brigitte Hipfl den Bezug zu den Cultural Studies. Wenn die Medienpdagogik nicht die neoliberale Rhe-torik reproduzieren wolle, dann habe sie im Sinne der Cultural Studies die neuen Formen von Ungleichheiten und Machtrelationen herauszuarbeiten (Hipfl 2008, S. 92). In den letzten Jahren ist das zunehmende Verschwinden der klaren Positionen von Sender und Empfnger vor allem mit dem Web 2.0 verbunden, in dessen Kontext Begriffe wie Produser oder Mitmach-web entstanden sind. In Aufnahme der berlegungen von Henry Jenkins lsst sich eine partizipative Kultur beschreiben, welche das Zentrum der Medienkompetenzen von der individuellen Gestaltung zum Handeln inner-halb von Communities verschiebt (Jenkins 2006, S. 7). Damit hat sich die Medienpdagogik weit von bewahrpdagogischen Positionen distanziert. Wie weit allerdings die partizipativen Mglichkeiten der Netzkommunikati-on von Kindern und Jugendlichen aktiv genutzt werden, ist aufgrund empi-rischer Daten umstritten.

    2. Das Profil der deutschsprachigen Medienpdagogik

    Prgend fr die Entwicklung einer eigenstndigen Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum war die seit den 1970er-Jahren anhaltende Fokus-sierung auf den Begriff der Medienkompetenz. Unter Berufung auf diesen Begriff etablierte sich ein unverwechselbarer Diskurs einer sich stabilisie-renden Disziplin. Ab dem Ende der 1990er-Jahre konzentrierte sich dann die Diskussion immer mehr auf einen neuen Schlsselbegriff nmlich jenen der Medienbildung, der mit der zentralen Funktion des Bildungskonzepts vor allem auf den erziehungswissenschaftlichen Bezug zur Medienpdago-gik verweist. Diese theoretische Profilierung der Medienpdagogik soll im Folgenden nachgezeichnet werden.

    2.1 Medienkompetenz als Schlsselbegriff

    Die deutschsprachige Medienpdagogik unterscheidet sich von der strker sprachwissenschaftlich fundierten Sichtweise in den angloamerikanischen Lndern, wo der Begriff der Media literacy zum Fokus der medienpda-gogischen Diskussion avancierte. Im deutschsprachigen Raum dagegen prgte der durch Dieter Baacke vom Habermasschen Konzept der kommu-

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    nikativen Kompetenz abgeleitete Begriff der Medienkompetenz die Diskus-sion. Auch dieser bezieht sich auf Sprache, sieht diese aber sprachpragma-tisch im Rahmen von Handlungskompetenzen: Kommunikation und Han-deln seien nur unterschiedliche Modalitten eines Grundzustands des In-der-Welt Seins. Vor diesem Hintergrund wird es mglich, die bewahrpdagogi-sche Haltung zu berwinden oder wie Baacke schreibt: Unter der Prmisse der Handlungsorientierung war zustzlich damit eine nicht nur abwehrende sondern auch akzeptierende Einschtzung der Medien mglich geworden (Baacke 1996, S. 4).

    Medienkompetenz sei in diesem Zusammenhang primr eine Erweiterung der kommunikativen Kompetenz: Sie betone die Vernderung der Kommu-nikationsstrukturen durch technisch-industrielle Vorkehrungen und Erweite-rungen (Baacke 1996, S. 8). Im Zeitalter einer verstrkten Mediatisierung wird es dabei immer wichtiger, ber Medienkompetenzen zu verfgen.

    In der klassisch gewordenen Fassung fasst Baacke die Medienkompetenzen in vier Bereichen, die er wie folgt umschreibt:

    Medienkritik, indem man fhig ist, sich analytisch, ethisch und reflexiv auf Medien zu beziehen;

    Medienkunde als Wissen ber Medien im Sinne der Informiertheit ber das Mediensystem und die Fertigkeit, im Rahmen einer instrumentell-qualifikatorischen Fhigkeit, die entsprechenden Gerte bedienen zu knnen;

    Mediennutzung sowohl durch Rezeption wie aktiv als Anbieter; innovative und kreative Mediengestaltung (Baacke 1996, S. 8).

    Auch wenn diese Medienkompetenzen spter zum Teil weiter ausgearbeitet oder ergnzt wurden etwa durch Groeben (2002), der ein Medialittsbe-wusstsein sowie die medienbezogene Genussfhigkeit als weitere wichtige Elemente einfhrt , blieben die von Baacke formulierten Kompetenzberei-che bis heute wegweisend.

    Mit der PISA-Diskussion erhielt im letzten Jahrzehnt die Debatte um Kom-petenzen eine Bedeutung fr die gesamte Erziehungswissenschaft. Aller-dings erwies sich der Kompetenzbegriff der Medienpdagogik als zu wenig operationalisiert, als dass er direkt mit der Entwicklung von medienpdago-gischen Bildungsstandards in Verbindung gesetzt werden konnte. Dennoch erscheint es mglich, auf dieser Grundlage die Entwicklung von Bildungs-standards zu verfolgen, welche den domnenspezifischen Charakter der Medienpdagogik als Bndelung berfachlicher Fhigkeiten innerhalb des schulischen Bildungskanons akzentuierten (vgl. Moser 2012, S. 266). Tulodziecki, Herzig und Grafe formulieren zu diesem Zweck fnf Aufga-benbereiche fr die Frderung von Medienkompetenz:

    Das Auswhlen und Nutzen (vorhandener) medialer Angebote, das Gestalten und Verbreiten eigener medialer Beitrge,

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 7

    das Verstehen und Erkennen von Mediengestaltungen, das Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflssen, das Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduk-

    tion und Medienverbreitung (Tulodziecki, Herzig u. Grafe 2010, S. 182).

    Versucht man, die Entwicklung von personalen Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen mit Bereichen der Medienkompetenz zusammenzubrin-gen, kann dies in folgender Matrix geschehen (Moser 2010b, S. 50):

    Abbildung 1: Kompetenzmatrix zur Entwicklung von Bildungsstandards

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    Personale Kompetenzen

    Medienwissen Handlungskompetenzen Soziale Kompetenzen

    Knnen ber Grundwissen im Medienbereich verf-gen

    Routiniertes und mediengerechtes Handeln

    Sozial angemessen mit Medien kooperieren

    Austausch Die Sprache der Me-dien beherrschen

    Medien und ihre Lesarten gezielt fr eigene Bedrfnisse nutzen

    Medien mit dem Ziel der Zusammenarbeit und Kooperation nutzen

    Reflexion Die Regeln des Medi-ensystems kennen und kritisch beurteilen

    Kritische Beurteilung des eigenen Medienhandelns

    Medienwirkungen auf das soziale Handeln kritisch beurteilen

    Auch in den zuletzt beschriebenen Modellen scheint der Ansatz Baackes durch, der die kognitive Medienkunde und -reflexion um eine handlungsori-entierte Komponente ergnzt hat. Tulodziecki beschreibt dies als Gestalten und Verbreiten eigener medialer Beitrge, was in der obenstehenden Kom-petenzmatrix unter dem Aspekt des Knnens verzeichnet ist.

    2.2 Medienbildung und/oder Medienkompetenz

    In den letzten Jahren ist, z. T. in expliziter Konkurrenz zum Konzept der Medienkompetenz, der Begriff der Medienbildung in den Vordergrund getreten. Die Kontroverse zwischen Medienkompetenz und Medienbildung wurde in der Zeitschrift medien + erziehung (merz) durch einen als Vermitt-lungsversuch gekennzeichneten Beitrag von Bernd Schorb (2009) lanciert. Der Autor formulierte die These, Bildung knne als Ziel verstanden werden, Kompetenz als Schrittfolge auf dem Weg:

    Medienbildung und Medienkompetenz mssen sich dann nicht aus-schlieen, wenn man erstere als Ziel medienpdagogischen Handelns sieht, zu deren Erreichen Medienkompetenz als Bndel von Fhigkeiten ausgebildet werden muss (Schorb 2009, S. 55).

    Dieser These wurde fast unisono entgegengesetzt, dass man Medienkompe-tenz und Medienbildung nicht im Rahmen einer Logik der Zielerreichung miteinander verknpfen knne. Vielmehr handele es sich um unterschiedli-che Perspektiven im Umgang mit der Medienproblematik. Die Spezifitt ei-nes bildungstheoretischen Zugangs zur Medienpdagogik hat Pietra schon frh betont, wenn sie festhlt, dass Medienbildung ihre Bedeutung weniger

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    aus dem Mediensystem erhalte, sondern auf die Relation Mensch-Medien gerichtet sei, was als wesentliche Erweiterung von Medienkompetenz zu verstehen sei (Pietra 2005, 44). Medienkompetenz und Medienbildung ste-hen aus dieser Sicht fr ganz unterschiedliche Zugangsweisen, Beschrei-bungen und Abgrenzungen des Feldes der Medienpdagogik. Whrend Kompetenztheorien, so Dieter Spanhel, sich auf spezifische Ausprgungen der allgemeinen menschlichen Handlungsfhigkeit richten, beschreiben Bil-dungstheorien grundlegende Merkmale und Aspekte des als autonom ge-dachten menschlichen Bildungsprozesses und die in der Person und ihrer Umwelt liegenden Bedingungen (Spanhel 2011, S. 97). Nach Fromme und Jrissen (2010, S. 51) verschrnkt ein bildungstheoretisch fundiertes Ver-stndnis von Medienbildung Prozesse der Subjektivierung und der Trans-formation von Wissen mit einem medialittstheoretischen Ansatz, der die konstitutiven, subjektivierenden Aspekte von Medien begrifflich modelliert.

    Die Fruchtbarkeit der Theoriebildung im Umkreis der Konzeptualisierung von Medienbildung zeigt sich an verschiedenen Konkretisierungen, wel-che das Konzept der Medienbildung illustrieren:

    So gehen Marotzki und Jrissen (2008) von einer strukturalen Medien-bildung aus, welche die reflexiven Orientierungsleistungen von Bildung in den Mittelpunkt stellt. Es handele sich dabei um ein reflektiertes Selbst- und Weltverhltnis, in welchem vorhandene Strukturen und Mus-ter der Weltaufordnung ber Bildungsprozesse durch komplexere Sicht-weisen auf Welt und Selbst ersetzt werden. Die Bedeutung der Medien-bildung liege vor allem darin, dass mediale soziale Arenen in den Neuen Medien eine immer grere Bedeutung fr Bildung- und Subjektivie-rungsprozesse erhielten (Marotzki/ Jrissen 2008, S. 103).

    hnlich betont Spanhel, dass gegenber der gezielten Vermittlung ein-zelner Medienkompetenzen die Medienbildung mediale Bildungsru-me erffne: Ein Medienangebot kann gewisse Bildungschancen bieten, indem es eine (multi-)mediale Lernumgebung als Bildungsraum erffnet, in dem die Heranwachsenden eigenstndig und selbstverantwortlich ler-nen und ihren Bildungsprozess vorantreiben knnen (Spanhel 2010, S. 53).

    Bachmair macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass Bil-dungsrume kulturell geprgt sind. Anschlieend an berlegungen Humboldts betrachtet er Bildung als Entfaltung der Krfte der Kinder, die sich ihre kulturelle Umwelt in Aufnahme ihrer eigenen Spuren aneig-nen und diese gestalten (Bachmair 2009, S. 17f.). Dies geschehe in einem reflexiven Verhltnis der Kinder zu ihrer sozialen, kulturellen und dingli-chen Umwelt sowie zu ihrer emotionalen und kognitiven Innenwelt.

    Das reflexive Verhltnis zur Umwelt kann entfremdungstheoretisch als Ver-such betrachtet werden, die verdinglichte Umwelt der (Massen-)Medien wieder als Produkt der Menschen wahrzunehmen, die diese sich nun wieder als selbst geschaffene Realitt aneignen (vgl. Moser 2011). Hier

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 9

    liegen dann Verbindungen zu Partizipationsgedanken nahe, wie sie mit dem Web 2.0 als Bildungsraum diskutiert werden.

    2.3 Medienpdagogik und der angloamerikanische Mediendiskurs

    Mit der Herausarbeitung von Schlsselkonzepten wie Medienkompetenz und Medienbildung hat die deutschsprachige Medienpdagogik ein unver-wechselbares Profil gewonnen. Zudem gelang mit dem Begriff der Medien-bildung in den letzten Jahren eine verstrkte Verankerung im Kontext der Er-ziehungswissenschaften dies gegenber kommunikationswissenschaftlichen Sichtweisen, wie sie am Ursprung der Diskussion um Medienkompetenz standen. Der Bildungsbegriff ist nmlich ein Schlsselbegriff der deutschen Erziehungswissenschaft. Mit der Aufnahme dieses einheimischen Begriffs der Erziehungswissenschaft unterstreicht die Medienpdagogik die pdago-gische Zuordnung ihrer Disziplin.

    Mit diesem Profil grenzt sich der deutschsprachige Raum gegen angelsch-sische Bestrebungen zur Medienpdagogik ab. Weder existiert dort der Be-griff der Medienkompetenz noch jener der Medienbildung. Vielmehr steht dort der Begriff der Media Literacy im Zentrum. Dieser entstammt weni-ger kommunikationswissenschaftlichen berlegungen, sondern einem sprachwissenschaftlichen Zugang zu berlegungen im Umgang mit Medi-enbotschaften. Media Literacy ist dabei stark analytisch ausgerichtet. Nach dem amerikanischen Fachverband NAMLE (The National Association for Media Literacy Education) bezeichnet Media Literacy die Fhigkeit, Symbole zu encodieren und zu decodieren, die ber Medien verbreitet wer-den, sowie die Fhigkeit, mediale Botschaften zu synthetisieren, zu analy-sieren und zu produzieren. Auf eine Kurzform gebracht heit es dazu auf der Website von NAMLE:

    Within North America, media literacy is seen to consist of a series of communication competencies, including the ability to ACCESS, ANA-LYZE, EVALUATE, and COMMUNICATE information in a variety of forms, including print and non-print messages (www.namle.net).

    Diese sehr unterschiedliche Terminologie macht es der deutschsprachigen Medienpdagogik nicht leicht, in den internationalen Diskursen prsent zu sein. Dabei ist eine verstrkte internationale Ausrichtung durchaus wn-schenswert, wenn nicht sogar absolut notwendig, da in einer globalen Welt die Medien und ihre Auswirkungen berall dieselben sind und sich hchstens die Diskurse unterscheiden. In den 1980er-Jahren gab es zwar Anstze im Be-reich der Diskussionen um den Einsatz des Computers in der Schule, die eine Annherung an den Literacy-Begriff signalisierten. So sprach man damals als das Programmieren und die damit verknpften Computersprachen im Zentrum standen von einer Computeralphabetisierung, die als neues Bil-dungsziel notwendig sei. Mit der Hinwendung zu einer Alltagsinformatik,

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    welche den Umgang mit dem Rechner in den Mittelpunkt stellte, ver-schwand allerdings auch die Computeralphabetisierung schnell wieder aus dem Begriffsrepertoire der Medienpdagogik.

    Immerhin gibt es heute einige Ansatzpunkte, die helfen knnten, diese Kluft zum angloamerikanischen Raum zu verringern:

    Einmal ist auf die Arbeiten des Zrcher Medienpdagogen Christian Do-elker zu verweisen, der frh schon auf einen erweiterten Textbegriff hingewiesen hat, der auch visuelle Textelemente umfasse. Die Schule msse, so Doelker, ihren traditionellen Alphabetisierungsauftrag um die Dimensionen Bild und Ton erweitern (Doelker 1989, S. 10). Seine Ana-lysevorschlge von Medientexten, die er in seinem Buch Ein Bild ist mehr als ein Bild entwickelt, knnen durchaus als eine spezifische Form der Frderung im Sinne von Media Literacy verstanden werden (vgl. Doelker 1997).

    Die verstrkte Aufnahme von berlegungen der Cultural Studies (Hepp 2010; Hipfl 2003) knnte ebenfalls zu einem Brckenschlag beitragen, da die Arbeiten der Cultural Studies die angloamerikanischen berle-gungen zur Medienpdagogik stark beeinflusst haben (vgl. z. B. Buckin-gham u. Sefton-Green 1994). Fr die deutschsprachige Medienpdagogik knnte es sinnvoll sein, auf dem Hintergrund des aktiven Lesers verstrkt auch die Codes einer sozialen Semiotik der Populrkultur als Analysein-strumente einzubeziehen (vgl. Moser 2010a, S. 255ff.).

    Die Mediatisierung der Gesellschaft begrndet, wie Theo Hug betont, ei-nen Mediatic Turn, der neue Forschungsthemen mit sich bringt, die von Anfang an im internationalen Kontext diskutiert werden sollten: Die Diskussionen ber den Umgang mit intelligenten Maschinen, cyborgs und e-dwarfs, mixed-reality-Technologien und Mensch-Maschine-Symbiosen machen aber jetzt schon deutlich, dass hier gewichtige Kon-sequenzen fr viele konzeptionelle und pragmatische Fragen der Medi-enpdagogik absehbar sind (Hug 2008, 69)

    Gleichzeit ist auch von den angloamerikanischen Diskussionen her eine konzeptuelle Annherung der Media Literacy-Diskussion an die hiesigen berlegungen zur Medienkompetenz festzustellen. So spricht der amerika-nische Fachverband NAMLE in seinem Konzept zur Frderung von Fhig-keiten zu ACCESS, ANALYZE, EVALUATE and COMMUNICATE wrt-lich von communication competencies. Aber auch inhaltlich kommen die Baackeschen Elemente der Medienkompetenz in diesem Ansatz fast de-ckungsgleich vor. Zu einer hnlichen Beurteilung gelangt Grafe in ihrem Vergleich zwischen der deutschsprachigen und der anglo-amerikanischen Auseinandersetzung mit Medien: Sie stellt fest, dass auf der Ebene der anvi-sierten Fhigkeiten und Fertigkeiten zahlreiche Gemeinsamkeiten zur Media Literacy bestehen (Grafe 2011, S. 76).

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 11

    Insbesondere nehmen auch angelschsische Anstze immer hufiger Bezug auf handlungsorientierte sowie projektorientierte Anstze. So betont Buckingham, dass Medienerziehung (Media education) eine kritische und eine kreative Unternehmung darstelle:

    Sie versieht die jungen Menschen mit den kritischen Instrumenten, wel-che sie bentigen, um die Medien, die ihr Leben durchdringen, zu inter-pretieren, zu verstehen und wenn ntig herauszufordern; und sie ver-schaffen ihnen die Fhigkeit, ihre eigenen Medien zu produzieren und aktive Teilnehmer der Medienkultur zu werden, anstatt nur passive Kon-sumenten (Buckingham 2007, S. 14).

    Auch in solchen Anstzen geht es um Fragen einer Bildung im Bereich der Medien. Doch Buckingham spricht von Media education und in der amerikanischen Diskussion wird unter der Federfhrung von NAMLE im-mer hufiger die Media Literacy Education bevorzugt. Dies zeigt, dass insbesondere die Konzeptualisierung der Medienbildung mit ihrem Rck-griff auf die Tradition der deutschen Bildungsdebatteauerhalb des deutsch-sprachigen Raums fremd bleibt und auf wenig Verstndnis stt. Das damit verbundene Dilemma lsst sich in folgender These zusammenfassen: Das Konzept der Medienbildung stabilisiert auf der einen Seite die erziehungs-

    wissenschaftliche Ausrichtung der Medienpdagogik, es ist jedoch interna-

    tional kaum anschlussfhig und nur schwer vermittelbar.

    3. Die deutschsprachige Medienpdagogik und ihre lnderspezifische Ausdifferenzierung

    Wie aufgezeigt wurde, hat sich im deutschsprachigen Raum eine Medienp-dagogik entwickelt, die ihre Diskurse ber die Grenzen der einzelnen Lnder hinweg fhrt. Wesentliche Positionen zur Medienkompetenz und zur Medi-enbildung sind mehr mit bestimmten Personen verbunden als mit lnderspe-zifischen Besonderheiten so in den Anfngen der deutschsprachigen Me-dienpdagogik mit Dieter Baacke in Deutschland, Franz Zchbauer in s-terreich und Christian Doelker in der Schweiz. Der Austausch ber die Ln-dergrenzen hinweg betrifft auch die heutige Besetzung der Lehrsthle. So hat die Salzburger Medienpdagogin Ingrid Paus-Hasebrink Publizistik und Germanistik an der Westflischen Wilhelms Universitt Mnster studiert und sich dann in Bielefeld habilitiert. Und auch der Wiener Medienpdago-ge Christian Swertz war ursprnglich Wissenschaftlicher Assistent an der Universitt Bielefeld.

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  • EEO | Medienpdagogik 12

    3.1 Die Institutionalisierung an Hochschulen und in Fachverbnden

    Allerdings ist zu beachten, dass das Fach Medienpdagogik in kleinen Ln-dern wie der Schweiz und sterreich weniger gut ausgestattet ist als in Deutschland. In sterreich sind es vor allem die Universitten von Salz-burg, Wien, Klagenfurt und Innsbruck sowie die Donau-Universitt Krems, die medienpdagogisch hervorstechen. In der Schweiz dagegen existiert nach der Emeritierung von Doelker kein einziger Lehrstuhl mehr mit medi-enpdagogischer Denomination. Hier hat sich der Schwerpunkt eher zu den neu entstandenen Pdagogischen Hochschulen verschoben, die ihre medien-pdagogischen Lehranteile ausgebaut haben. An ihnen wurden auch medi-enpdagogische Professuren oder Dozentenstellen im Rahmen der Lehrer-bildung eingerichtet. Allerdings ist das Ergebnis letztlich zwiespltig:

    Die medienpdagogischen Module sind aber gegenber den frheren Ausbildungen nicht zwingend ausgebaut worden, sondern kamen zum Teil durch andere Fachbereiche unter Druck oder wurden stark auf den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie ausgerichtet (Sss, Lampert u. Wijnen 2010, S. 199).

    Welche Bedeutung die auch in sterreich seit kurzem aufgebauten Pdago-gischen Hochschulen fr die Verankerung der Medienpdagogik an den Hochschulen erhalten, ist schwer abzuschtzen. So soll immerhin die Mg-lichkeit bestehen, im Bachelorstudium pdagogische Spezialisierungen wie z. B. Inklusive Pdagogik, Umgang mit Heterogenitt, aber auch Medienp-dagogik einzurichten (Schratz 2012, S. 8).

    Die fachliche Organisation der Medienpdagoginnen und Medienpdagogen konzentriert sich im deutschsprachigen Raum auf die Gesellschaft fr Medien-pdagogik und Kommunikationskultur (GMK). Im akademischen Bereich sind es die Sektion Medienpdagogik in der Deutschen Gesellschaft fr Erzie-hungswissenschaft (DGfE) sowie die Fachgruppe Medienpdagogik der Deut-schen Gesellschaft fr Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). Alle diese fachlichen Organisationen haben auch Mitglieder aus sterreich und der Schweiz. Dazu haben sich sterreichische Medienpdagogen und Medien-pdagoginnen in der Sektion Medienpdagogik der sterreichischen Gesell-schaft fr Forschung und Entwicklung im Bildungswesen organisiert. In der Schweiz gibt es einen kleinen Ableger der deutschen GMK sowie eine Fach-gruppe Medienpdagogik/Mediensozialisation in der Schweizerischen Gesell-schaft fr Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM).

    3.2 Professionalisierung der Medienpdagogik

    Seit den 1990er-Jahren wurde zudem die Frage einer Professionalisierung der Medienpdagogik verstrkt diskutiert dies vor allem im Rahmen von beruf-lichen Ttigkeiten im auerschulischen Bereich (vgl. Hugger 2001). Medien-

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 13

    pdagogische Ttigkeiten sollen dabei als Vollzeitbeschftigung erfolgen und im Rahmen spezifischer medienpdagogischer Ausbildungsgnge gelehrt werden. Wesentliches Merkmal einer solchen Entwicklung ist nach Neuss (2003, S. 18) die Abgrenzung gegenber einem ausschlielich auf Honorar-basis finanzierten Lebensunterhalt. In einer empirischen Studie kommt Auf-enanger 2003 demgegenber zum Schluss, dass Praktiker der Medienpda-gogik im Allgemeinen ber keine grundstndige Ausbildung in Medienp-dagogik verfgen. Medienpdagogik sei in den meisten Fllen ein Teil von wichtigen Ttigkeiten in der eigenen Praxis, aber sie umfassen nicht die vollkommene Beschreibung dessen, was man beruflich tut (Aufenanger 2003, 63). Und Geretschlger hlt 2008 fr sterreich fest, dass immer noch ein einschlgiges Berufsfeld fehle. Zudem mangele es an einschlgigen Ein-richtungen und damit an konkreten Arbeits- und Einsatzmglichkeiten.

    Im ganzen deutschsprachigen Raum sind eigentliche medienpdagogische Ausbildungsgnge selten; vielmehr ist die Medienpdagogik meist auf we-nige Module innerhalb grundstndiger Studien beschrnkt. Zunehmend sind dagegen Zusatz- und Erweiterungsstudiengnge in Medienpdagogik, die von Hochschulen angeboten werden. Insgesamt gilt Huggers Einschtzung von 2007 nach wie vor:

    Fr den Beruf Medienpdagogin/Medienpdagoge muss bisher kein spezifischer Studiengang studiert werden. Ein wissenschaftlicher Ab-schluss wird erwartet, bis zum gegenwrtigen Zeitpunkt scheint aber je-der Medienpdagoge werden zu knnen, der dies anstrebt, unabhngig davon, welchen Studienabschluss er vorzuweisen hat (Hugger 2007, S. 275).

    3.3 Medienpdagogik im Schulsystem

    Betrachtet man das Schulwesen, so ist die Situation in allen drei Lndern hn-lich, aber durch die je spezifischen bildungspolitischen Rahmenbedingungen geprgt. So ging man davon aus, dass medienpdagogische Inhalte integrativ in den Schulfchern zu vermitteln seien. In sterreich war diesbezglich ein Grundsatzerlass des Bildungsministeriums wesentlich, der 1989 eingefhrt und dann kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Dieser Grundsatzerlass nimmt alle Lehrerinnen und Lehrer in die Pflicht, von der 1. bis zur 13. Schulstufe Medienerziehung in den jeweiligen Unterrichtsgegenstnden aufzugreifen. In der berarbeiteten Fassung von 2001 wird dabei zwischen Medienkompetenz als Zielhorizont und Medienerziehung als Handlungsfeld unterschieden (Krucsay 2005, S. 26). Die integrative Orientierung wird im Grundsatzerlass wie folgt begrndet:

    Da die in den Medien behandelten Themen alle Bereiche des Erkennens und Handelns berhren, ist die Medienerziehung nicht auf einzelne Un-terrichtsgegenstnde oder bestimmte Schulstufen beschrnkt. Jeder Leh-

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  • EEO | Medienpdagogik 14

    rer/jede Lehrerin ist vielmehr verpflichtet, auf sie als Unterrichtsprinzip, wie es in den einzelnen Lehrplnen verankert ist, in allen Unterrichtsge-genstnden fachspezifisch Bedacht zu nehmen. Fr diesen Bereich bieten sich projektorientierte Unterrichtsformen an (http://www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/medienerziehung/ grundsatzerlass/index.php).

    In Deutschland hat die Bund-Lnder-Kommission mit Blick auf die Einfh-rung des Computers in den Schulen umfassende Konzeptunterlagen erstellt. So entstand bereits 1987 ein Gesamtkonzept fr informationstechnische Grundbildung, das betont, in Schule und Ausbildung sei es notwendig, die neuen Aufgaben und Inhalte mit den bisherigen in Einklang zu bringen:

    Ziel aller Bemhungen muss es sein, durch die Vermittlung einer infor-mationstechnischen Bildung allen Jugendlichen Mdchen und Jungen gleichermaen die Chancen der neuen Techniken zu erffnen und sie zugleich vor den Risiken zu bewahren, die durch unangemessenen Ge-brauch entstehen knnen (BLK 1987, S. 6).

    In der Schweiz dagegen waren es die Kantone, die hnliche Konzepte vor-legten. So sind Medienerziehung und Informatik im Lehrplan des Kantons Zrich explizit im fachbergreifenden Teil des Lehrplans festgeschrieben. Dabei nhern sich die beiden Bereiche der Informatik und der Medienerzie-hung in den letzten Jahren stark an. Nach Thomas Merz-Abt (2004, S. 148) sind die Lehrplne fr Medienerziehung und Informatik nach wie vor addi-tiv, doch schon in der Formulierung sei der Schritt zu einem integrierten Konzept vorbereitet. Im Rahmen der Diskussion um den Lehrplan 21 scheinen zudem medienpdagogische Inhalte nun auch gesamtschweizerisch vom Bund gefrdert zu werden.

    3.4 Der ungesicherte Status der Medienpdagogik

    Die fachbergreifende Integration der Medieninhalte im deutschsprachigen Raum zeigt jedoch auch, wie fragil die Stellung der Medienpdagogik nach wie vor ist: Es hngt von der Bereitschaft der Vertreter der traditionellen Schulfcher ab, ob die Integration in den Schulunterricht gelingt. Aufgrund der generellen berlastung mit Themen und Leistungsansprchen in den Kerninhalten der Fcher ist dies nicht immer der Fall. Generell scheint der Status der Medienpdagogik in den drei Lndern nach wie vor nicht gen-gend verankert. In allen drei Lndern wird in einschlgigen Verffentli-chungen immer wieder auf den prekren Stand hingewiesen, der mit der Be-deutung der Medien in einer mediatisierten Gesellschaft nicht bereinstimme. Fr sterreich sieht Geretschlger die aktuelle Medienpdagogik in einer Kri-se. Sie zitiert ihre eigene Aussage von 1982, wonach die Medienpdagogik in sterreich keine Bewegung von unten sei, sondern eine Forderung von Insi-dern, zu deren Umsetzung die Rahmenbedingungen fehlten. Dies sei auch in

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 15

    der aktuellen Situation nach wie vor gltig (Geretschleger 2008, S. 154). Theo Hug hlt fest, dass die Anforderungen einer Mediengesellschaft nicht angemessen bearbeitet werden knnten, sofern kein Ausbau der medienp-dagogischen Forschung und keine verstrkte Kooperation von angewandter und Grundlagenforschung erfolgten (Hug 2005, S. 21). Und Sigrid Jones be-tont:

    Ein Konsens ber die Aufgaben der Medienpdagogik zwischen Fach-leuten verschiedener Wissenschaftsdisziplinen einerseits und Pda-gog/innen in und auerhalb der Schule andrerseits wurde in sterreich noch nicht erlangt (Jones 2008, S. 191).

    Fr die Schweiz befrchtet Frhlich (2003) das Verschwinden der Medienp-dagogik, denn Medienpdagogik bedeute immer hufiger die Gleichsetzung von Medienkompetenz mit den Anforderungen der Informations- und Kom-munikationstechnologien, was eine starke Einschrnkung und Verkrzung bedeute. Das mag bertrieben sein, da in letzter Zeit die Verklammerung von Medienerziehung und ICT ber den Begriff einer umfassenderen Medi-enbildung vorangetrieben wurde, was die technischen Verkrzungen min-destens zum Teil aufgehoben hat (vgl. Moser 2005). Wie problematisch die Situation indessen in der der Schweiz nach wie vor ist, belegt, die Tatsache, dass es dort gegenwrtig keinen einzigen medienpdagogischen Lehrstuhl mehr gibt. Da die Pdagogischen Hochschulen ber kein Promotionsrecht verfgen, bedeutet dies, dass es keine Mglichkeit gibt, den eigenen Nach-wuchs in diesem Fach im Inland zu rekrutieren.

    Fr Deutschland sieht Tulodziecki (2005) und das gilt m.E. in hnlicher Weise fr sterreich und die Schweiz allerdings insgesamt keine Veran-lassung, die Medienpdagogik in einer Krise im Sinn einer Notsituation o-der einer existenziellen Gefhrdung zu sehen. Dass Medien zu einer zent-ralen Dimension des heutigen Alltagslebens gehren, scheint allgemein an-erkannt. Allerdings bestehen unterschiedliche Meinungen darber, wie stark der Umgang mit Medien bildungspolitisch zu frdern ist. So gibt es durch-aus Stimmen, welche darin keine politische Prioritt sehen, da die digitalen Medien ja ohnehin zum Alltag der heranwachsenden Kinder und Jugendli-chen gehren. Auch dort, wo gegenber den Medien eine besondere Auf-merksamkeit bzw. eine Frderungsbereitschaft besteht, ist dies nicht nur mit Vorteilen, sondern auch mit Problemen verbunden:

    Zum einen wurde dabei hufig nur ein Segment der Medienpdagogik die Verwendung von Computer und Internet fr Lehren und Lernen zum Teil sogar zu Lasten anderer Bereiche der Medienpdagogik gefr-dert. Zum anderen verfhrte der mit der Einfhrung von Computer und Internet verbundene Aktionismus dazu, viele Fragen nur oberflchlich ohne hinreichende Bercksichtigung und Aufarbeitung lange vorliegen-der Ergebnisse aus der Lehr-Lernforschung sowie der Mediendidaktik

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  • EEO | Medienpdagogik 16

    und der Medienforschung zu bearbeiten und damit dem Ruf der Medien-pdagogik eher zu schaden als ihm zu ntzen (Tulodziecki 2005, S. 33).

    In Deutschland hat die von den verschiedenen Fachverbnden getragene Initi-ative Keine Bildung ohne Medien das Unbehagen der Medienpda-gog/innen in einem Manifest formuliert. Darin wird anerkannt, dass in den letzten Jahren ein Fortschritt erzielt wurde, der indessen nicht hinreichend sei:

    Theoretische und empirische Arbeiten beleuchten die vielfltigen Di-mensionen des Medienhandelns und die Bedeutung der Medien fr Sozi-alisation und kulturelle Alltagspraktiken. Es gibt eine Flle an hervorra-genden medienpdagogischen Materialien fr die Praxis, eine Vielzahl an berzeugenden Modellversuchen und eindrucksvollen Leuchtturmprojek-ten, aber es fehlt an der erforderlichen Nachhaltigkeit. Es mangelt nach wie vor an der Infrastruktur und an den organisatorischen Rahmenbedin-gungen in den Bildungseinrichtungen sowie an der medienpdagogischen Qualifikation der pdagogischen Fachkrfte (http://www.keine-bildung-ohne-medien.de/medienpaed-manifest).

    4. Fazit

    Insgesamt kann hier festgehalten werden, dass sich die Medienpdagogik in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum stabilisiert und profiliert hat. Die Institutionalisierung ist fortgeschritten, und es besteht im deutschspra-chigen Raum ein bergreifender medienpdagogischer Diskurs mit spezifi-scher Begrifflichkeit. Dies wird untersttzt durch publizistische Kanle wie

    die Jahrbcher der Sektion Medienpdagogik in der DGfE, die von der P-dagogischen Hochschule Zrich zusammen mit der Sektion herausgegebe-ne Online-Zeitschrift MedienPdagogik (www.medienpaed.com)

    den kopaed Verlag als medienpdagogisch orientierten Verlag mit seiner Zeitschrift medien + erziehung

    die in sterreich vierteljhrlich erscheinende Zeitschrift Medienimpulse Medienpdagogische Websites wie Lehrer-Online oder Medienmanual

    (www.medienmanual.at)

    All dies sttzt die These, wonach sich die Medienpdagogik trotz aller Schwierigkeiten zu einer funktionierenden Community von Wissenschaftlern und Medienpraktikern entwickelt hat, die den gesamten deutschsprachigen Raum umspannt. Im Bereich der Medienpraxis wird es darum gehen, die grundstzliche Akzeptanz medienpdagogischer Aufgaben in der Gesell-schaft in eine konkrete Ausgestaltung auf der Ebene von Kommunen und Bundelndern bzw. Kantonen berzufhren. Darber hinaus wird es not-wendig sein, sich in den nchsten Jahren verstrkt im Rahmen der Globali-sierung zu vernetzen, da medienpdagogisch relevante Fragestellungen

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  • Heinz Moser: Die Medienpdagogik im deutschsprachigen Raum 17

    nicht lnger mehr mit limitierten, sich lediglich in nationalen Grenzen ab-spielenden Prozessen zu tun haben (Paus-Hasebrink 2005, S. 5).

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    Heinz Moser, Dr. phil., Jg. 1948, ist Professor an der PH Zrich und Honorarprofessor fr Medienpdagogik an der Universitt Kassel. Seine Arbeitsschwerpunkte sind, Me-dienpdagogik, qualitative Forschung, visuelle Methoden, Medien und politische Bil-dung.

    E-Mail: [email protected]

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