8
nicht an den genannten Verordnungsausschluss von Chon- droprotektiva gebunden, weil dieser nach Ansicht des Ge- richtshofs auf einem Systemversagen beruhe. Der GBA habe den Verordnungsausschluss aus der früheren Fassung der Arzneimittelrichtlinie vom 31. 8. 1993 in die neue Fas- sung übernommen (so die Mitteilung des GBA auf gericht- liche Nachfrage), ohne sich mit der einschlägigen medi- zinischen Diskussion – deren Umfang der VGH in seinen Urteilsgründen aufzeigt – auseinanderzusetzen. Somit sei der GBA seiner aus §§ 31 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 SGB V resultierenden Aufgabe, „sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlä- gigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend un- termauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit dieser Mittel besteht, nicht nachgekommen“ 64 . Das VG Stuttgart bejahte die Beihilfefähigkeit der Auf- wendungen für Vita-Pos, einem Medizinprodukt, das in die Augen eingebracht wird. Das Produkt sei ein Arznei- mittel im beihilferechtlichen Sinne, weil es der Krankenbe- handlung, nämlich der Behandlung eines trockenen Auges bei inkomplettem Lidschluss und geminderter Tränenflüs- sigkeitsproduktion, diene 65 . Nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 S. 3 BVO NRW sind Aufwendun- gen für Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen nicht beihilfefähig. Wenn ein Leistungsausschluss für den Beihilfeberechtigten eine unzumutbare Härte bedeutet, kann die Fürsorgepflicht zwar ausnahmsweise einen kon- kreten Beihilfeanspruch vermitteln. Einen solchen sah das OVG Nordrh.-Westf. jedoch im Fall einer Studiendirekto- rin a. D., die Verbandkontaktlinsen zum Schutz der Horn- haut und zur Schmerzlinderung trug, als nicht gegeben an. Das Gericht verwies dabei zum einen auf das nicht uner- hebliche Ruhegehalt der Klägerin und zum anderen auf die Bagatellkosten für die Reinigungs- und Pflegemittel (hier: Lenscare Lösung 1 und 2, Lenscare Pentazyme und Oxysept) 66 . Das VG Köln entschied, dass die Aufwendungen für eine Implantation einer Schwellkörperprothese zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion (als Folge einer radikalen Pro- statektomie) beihilfefähig seien. Es legte seiner Entschei- dung den Krankheitsbegriff der gesetzlichen Krankenver- sicherung zugrunde. „Danach ist unter ‚Krankheit‘ ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abwei- chender Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Krankheit liegt aber nur vor, wenn der Betroffene in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt ist oder wenn die ana- tomische Abweichung entstellend wirkt.“ 67 Einen solchen regelwidrigen Zustand bejahte das Gericht, weil eine erek- tile Dysfunktion für den 55jährigen Kläger keine alters- bedingte Minderung der Physis sei. Im Weiteren ging das Gericht der Frage nach, ob die Schwellkörperprothese ein Körperersatzstück oder ein Hilfsmittel i. S. des § 25 Abs. 1 BBhV 68 sei, und gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Körperersatzstück handele. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Schwellkörperprothese nach Entfernung der körpereigenen Schwellkörper deren Funktion, näm- lich Erektionsfähigkeit des Penis, ersetze. Damit erfülle die Prothese die Merkmale eines Körperersatzstückes. Ein sol- ches sei ein „aus körperfremdem, unbelebtem Material her- gestelltes ‚Ersatzstück‘ zur möglichst vollkommenen Sub- stitution eines Körperteils in Form u./oder Funktion …“ 69 . Diese Einordnung bedeutete in der Konsequenz, dass die Ausschlusstatbestände für Hilfsmittel gem. § 25 Abs. 2 i. V. mit Anhang 6 70 BBhV für den Beihilfeanspruch des Klägers nicht einschlägig waren. Im Hinblick auf die in Anhang 6 genannten Erektionshilfen führte das Gericht zudem aus, dass davon nur äußerlich anzuwendende Hilfsmittel er- fasst würden. Dies treffe jedoch auf die zu implantierende Schwellköperprothese nicht zu 71 . DOI: 10.1007/s00350-013-3500-7 Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung: Eine vernachlässigte Rechtsvorschrift Volker Lücker und Christoph Göttschkes I. Einleitung Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten unterliegt einem strengen System der Konformitätsbewertung, in des- sen Rahmen insbesondere die Aspekte der Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines Medizinproduktes eine tragende Rolle spielen. Damit aber gleichermaßen auch die bei der alltäglichen Anwendung der Produkte auftretenden Erfah- rungen einerseits zur Produktverbesserung und andererseits zur Risikominimierung bei dem Betrieb beitragen können, wurde ein spezielles Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem in Europa installiert. Dessen Effizienz steht zur Zeit in der Diskussion, nicht zuletzt aufgrund des me- dienwirksamen Skandals um mit Industriesilikon befüllte Brustimplantate. Man hatte hier (zumindest auch) eine un- zureichende Transparenz etwaiger Rupturen der Implanta- te und ähnliche Komplikationen ausgemacht. Das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem ist in Deutschland in der Medizinprodukte-Sicherheitsplan- Rechtsanwalt Dr. iur. Volker Lücker, Fachanwalt für Medizinrecht, und Rechtsanwalt Dr. iur. Christoph Göttschkes, Prinz-Friedrich-Straße 26a, 45257 Essen, Deutschland Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung MedR (2013) 31: 577–584 577 64) VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22. 8. 2012 – 2 S 2076/11 – juris, Rdnr. 39. 65) VG Stuttgart, Urt. v. 9. 7. 2012 – 12 K 441/12 –, juris. 66) OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 26. 4. 2012 – 1 A 1165/10 –, juris. 67) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris, Rdnr. 20 m. w. N. 68) Bundesbeihilfeverordnung v. 13. 2. 2009, BGBl. I S. 326, zul. ge- ändert durch VO v. 12. 12. 2012, BGBl. I S. 2657, 3009. 69) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris, Rdnrn. 27 f. m. w. N. 70) Jetzt Anlage 12 BBhV. 71) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris.

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung: Eine vernachlässigte Rechtsvorschrift

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nicht an den genannten Verordnungsausschluss von Chon-droprotektiva gebunden, weil dieser nach Ansicht des Ge-richtshofs auf einem Systemversagen beruhe. Der GBA habe den Verordnungsausschluss aus der früheren Fassung der Arzneimittelrichtlinie vom 31. 8. 1993 in die neue Fas-sung übernommen (so die Mitteilung des GBA auf gericht-liche Nachfrage), ohne sich mit der einschlägigen medi-zinischen Diskussion – deren Umfang der VGH in seinen Urteilsgründen aufzeigt – auseinanderzusetzen. Somit sei der GBA seiner aus §§ 31 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 SGB V resultierenden Aufgabe, „sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlä-gigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend un-termauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit dieser Mittel besteht, nicht nachgekommen“ 64.

Das VG Stuttgart bejahte die Beihilfefähigkeit der Auf-wendungen für Vita-Pos, einem Medizinprodukt, das in die Augen eingebracht wird. Das Produkt sei ein Arznei-mittel im beihilferechtlichen Sinne, weil es der Krankenbe-handlung, nämlich der Behandlung eines trockenen Auges bei inkomplettem Lidschluss und geminderter Tränenflüs-sigkeitsproduktion, diene 65.

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 S. 3 BVO NRW sind Aufwendun-gen für Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen nicht beihilfefähig. Wenn ein Leistungsausschluss für den Beihilfeberechtigten eine unzumutbare Härte bedeutet, kann die Fürsorgepflicht zwar ausnahmsweise einen kon-kreten Beihilfeanspruch vermitteln. Einen solchen sah das OVG Nordrh.-Westf. jedoch im Fall einer Studiendirekto-rin a. D., die Verbandkontaktlinsen zum Schutz der Horn-haut und zur Schmerzlinderung trug, als nicht gegeben an. Das Gericht verwies dabei zum einen auf das nicht uner-hebliche Ruhegehalt der Klägerin und zum anderen auf die Bagatellkosten für die Reinigungs- und Pflegemittel (hier: Lenscare Lösung 1 und 2, Lenscare Pentazyme und Oxysept) 66.

Das VG Köln entschied, dass die Aufwendungen für eine Implantation einer Schwellkörperprothese zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion (als Folge einer radikalen Pro-statektomie) beihilfefähig seien. Es legte seiner Entschei-dung den Krankheitsbegriff der gesetzlichen Krankenver-sicherung zugrunde. „Danach ist unter ‚Krankheit‘ ein

regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abwei-chender Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder – zugleich oder ausschließlich  – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Krankheit liegt aber nur vor, wenn der Betroffene in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt ist oder wenn die ana-tomische Abweichung entstellend wirkt.“ 67 Einen solchen regelwidrigen Zustand bejahte das Gericht, weil eine erek-tile Dysfunktion für den 55jährigen Kläger keine alters-bedingte Minderung der Physis sei. Im Weiteren ging das Gericht der Frage nach, ob die Schwellkörperprothese ein Körperersatzstück oder ein Hilfsmittel i. S. des § 25 Abs. 1 BBhV 68 sei, und gelangte zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Körperersatzstück handele. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Schwellkörperprothese nach Entfernung der körpereigenen Schwellkörper deren Funktion, näm-lich Erektionsfähigkeit des Penis, ersetze. Damit erfülle die Prothese die Merkmale eines Körperersatzstückes. Ein sol-ches sei ein „aus körperfremdem, unbelebtem Material her-gestelltes ‚Ersatzstück‘ zur möglichst vollkommenen Sub-stitution eines Körperteils in Form u./oder Funktion …“ 69. Diese Einordnung bedeutete in der Konsequenz, dass die Ausschlusstatbestände für Hilfsmittel gem. § 25 Abs. 2 i. V. mit Anhang 6 70 BBhV für den Beihilfeanspruch des Klägers nicht einschlägig waren. Im Hinblick auf die in Anhang 6 genannten Erektionshilfen führte das Gericht zudem aus, dass davon nur äußerlich anzuwendende Hilfsmittel er-fasst würden. Dies treffe jedoch auf die zu implantierende Schwellköperprothese nicht zu 71.

DOI: 10.1007/s00350-013-3500-7

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung: Eine vernachlässigte RechtsvorschriftVolker Lücker und Christoph Göttschkes

I. Einleitung

Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten unterliegt einem strengen System der Konformitätsbewertung, in des-sen Rahmen insbesondere die Aspekte der Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines Medizinproduktes eine tragende Rolle spielen. Damit aber gleichermaßen auch die bei der

alltäglichen Anwendung der Produkte auftretenden Erfah-rungen einerseits zur Produktverbesserung und andererseits zur Risikominimierung bei dem Betrieb beitragen können, wurde ein spezielles Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem in Europa installiert. Dessen Effizienz steht zur Zeit in der Diskussion, nicht zuletzt aufgrund des me-dienwirksamen Skandals um mit Industriesilikon befüllte Brustimplantate. Man hatte hier (zumindest auch) eine un-zureichende Transparenz etwaiger Rupturen der Implanta-te und ähnliche Komplikationen ausgemacht.

Das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem ist in Deutschland in der Medizinprodukte-Sicherheitsplan-

Rechtsanwalt Dr. iur. Volker Lücker, Fachanwalt für Medizinrecht, und Rechtsanwalt Dr. iur. Christoph Göttschkes, Prinz-Friedrich-Straße 26a, 45257 Essen, Deutschland

Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung MedR (2013) 31: 577–584 577

64) VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22. 8. 2012 – 2  S 2076/11 – juris, Rdnr. 39.

65) VG Stuttgart, Urt. v. 9. 7. 2012 – 12 K 441/12 –, juris.66) OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 26. 4. 2012 – 1  A 1165/10  –,

juris.67) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris, Rdnr. 20

m. w. N.68) Bundesbeihilfeverordnung v. 13. 2. 2009, BGBl. I S. 326, zul. ge-

ändert durch VO v. 12. 12. 2012, BGBl. I S. 2657, 3009.69) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris, Rdnrn. 27 f.

m. w. N.70) Jetzt Anlage 12 BBhV.71) VG Köln, Urt. v. 9. 12. 2011 – 27 K 7089/09 –, juris.

verordnung (MPSV) vom 24. 6. 2002, geregelt, welche am 27. 6. 2002 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden 1 und am darauffolgenden Tag in Kraft getreten ist. Rechts-grundlage der Verordnung ist § 37 Abs.  7 des MPG. Die MPSV regelt die Einzelheiten des von § 29 MPG lediglich rah-menmäßig vorgesehenen Beobachtungs- und Meldesystems für Medizinprodukte. § 29 MPG geht wiederum zurück auf die unionsrechtlichen Grundlagen aus Art. 8 der Richtlinie 90/385/EWG 2, Art.  10 der Richtlinie 93/42/EWG 3 sowie Art. 11 der Richtlinie 98/79/EG 4. In diesen unionsrechtli-chen Grundlagen wird den Mitgliedsstaaten die Verpflichtung auferlegt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit nä-her definierte Vorkommnisse im Zusammenhang mit einem Medizinprodukt 5 der zuständigen Behörde zur Kenntnis ge-bracht, zentral erfasst und bewertet werden. Diese bedeutende Aufgabe weist der deutsche Gesetzgeber durch § 29 MPG der zuständigen Bundesoberbehörde zu.

Der so in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben durch § 29 MPG abgesteckte Rechtsrahmen hinsichtlich eines Beobachtungs- und Meldesystems für Medizinpro-dukte wird durch die Vorschriften der MPSV konkretisiert. Dort werden zunächst die wesentlichen Begrifflichkeiten wie diejenigen des Vorkommnisses, einer korrektiven Maßnahme oder eines schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses definiert. Des Weiteren werden Meldepflich-ten der beteiligten Akteure, also insbesondere der verant-wortlichen Hersteller sowie der beruflichen Betreiber und Anwender der Medizinprodukte statuiert 6. Schließlich be-inhaltet die MPSV umfangreiche Vorgaben zur Risikobe-wertung durch die zuständige Bundesoberbehörde, zu den ggf. erforderlichen korrektiven Maßnahmen sowie zu den Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden auf Landesebene.

Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel daran be-stehen, dass den Vorgaben der MPSV im Rahmen eines funktionierenden Vigilanz-Systems für Medizinprodukte eine enorme Bedeutung zukommt. Dennoch fristet die MPSV in der Rechtstheorie und -anwendung ein spärli-ches Dasein. Die vorhandene Literatur zur MPSV ist mehr als übersichtlich 7, spezifische Rechtsprechung existiert na-hezu gar nicht. Zudem oder vielleicht gerade deshalb zeigt die in statistischen Auswertungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Aus-druck kommende Praxis besorgniserregend deutlich, dass den Vorgaben der MPSV von Seiten der beruflichen Betrei-ber und Anwender von Medizinprodukten offenbar keine hinreichende Beachtung geschenkt wird. So offenbaren die Auswertungen des BfArM im Hinblick auf das tatsächliche Meldeverhalten der nach den Vorgaben der MPSV melde-pflichtigen Akteure vom 1. 1. 2005 bis zum 31. 12. 2011, dass rund 75 % aller Meldungen, konkret 21.176 an der Zahl, vom verantwortlichen Hersteller des Medizinproduktes oder seinem Europäischen Repräsentanten ausgehen. Le-diglich ein geringer Bruchteil in Höhe von 4.335 Meldun-gen stammt von beruflichen Betreibern und Anwendern der Medizinprodukte 8. Durch diese Statistik wird mithin deutlich, dass offenbar viele Betreiber und Anwender von Medizinprodukten ihren Meldeverpflichtungen nach der MPSV nicht hinreichend nachkommen.

Dem so von allen Beteiligten dem Grunde nach anerkann-ten Missstand versucht nun der Gesetzgeber dergestalt zu be-gegnen, dass er beabsichtigt, der MPSV in Form eines neuen § 25 MPSV einen Tatbestand hinzuzufügen, der die Nicht-beachtung der Meldepflichten als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern sanktioniert. Das Für und Wider der Sinnhaf-tigkeit der Einführung eines solchen Ordnungswidrigkei-ten-Tatbestandes wird nunmehr zwischen dem Gesetzgeber und den beteiligten Verkehrskreisen kontrovers diskutiert. Bevor im Folgenden Stellung zu dem Vorschlag des Gesetz-gebers genommen werden soll, ist es in einem vorgelagerten Schritt erforderlich, sich die Zielsetzung und Systematik der MPSV sowie die wahrscheinlichen Ursachen des unzurei-

chenden Meldeverhaltens von Betreibern und Anwendern von Medizinprodukten vor Augen zu führen.

II. Zielsetzung und Systematik der MPSV

1. Zielsetzung

Das durch die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung implementierte Beobachtungs- und Meldesystem für Me-dizinprodukte verfolgt den Zweck der Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit von Patienten, Anwendern und anderen Personen durch die Verminderung der Wahrschein-lichkeit, dass sich Vorkommnisse derselben Art an unterschied-lichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten wiederholen. Dies soll durch die Bewertung der gemeldeten Vorkommnisse so-wie die ggf. zu ergreifenden korrektiven Maßnahmen erreicht werden, die zur Vermeidung solcher Wiederholungen und zur Begrenzung der Auswirkungen der Vorkommnisse dienen 9.

2. Die wesentlichen Begrifflichkeiten

Als Basis für ein funktionierendes Beobachtungs- und Mel-desystem werden in § 2 MPSV zunächst die wesentlichen Begrifflichkeiten legal definiert.

Kernbegriff ist dabei derjenige des Vorkommnisses, wel-cher in der Terminologie der MPSV den in § 29 Abs.  1 MPG verwendeten Begriff der Medizinprodukterisiken

Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung578 MedR (2013) 31: 577–584

1) BGBl. I 2002, S. 2131.2) Richtlinie 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts-

vorschriften der Mitgliedsstaaten über aktive implantierbare me-dizinische Geräte v. 20. 6. 1990.

3) Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte v. 14. 6. 1993.

4) Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlamentes und des Ra-tes über In-vitro-Diagnostika v. 27. 10. 1998.

5) Mit Medizinprodukten in diesem Sinne sind im Rahmen dieses Beitrages solche Produkte i. S. der Richtlinie 93/42/EWG als auch aktive implantierbare medizinische Geräte i. S. der Richtlinie 90/385/EWG und schließlich In-vitro-Diagnostika (IVD) i. S. der Richtlinie 98/79/EG gemeint. Alle drei Richtlinien werden nati-onal durch das MPG samt zugehöriger Verordnungen in deutsches Recht umgesetzt, weshalb der Begriff des Medizinproduktes nach deutschem Rechtsverständnis auch IVD und aktive implantierba-re medizinische Geräte erfasst.

6) Die Mitgliedstaaten sind unionsrechtlich nicht dazu verpflichtet, Meldepflichten für die Ärzteschaft oder medizinische Einrichtungen einzuführen, ihnen steht dies jedoch nach Art. 8 Abs. 2 der Richt-linie 90/385/EWG, Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 93/42/EWG sowie Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 98/79/EG ausdrücklich frei. Der deut-sche Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.

7) Eine Kommentierung zur MPSV gibt es nicht. Es existieren ledig-lich die Beiträge von Bornhak u. a., MPR 4/2002 (Sonderdruck); Jäkel, MPR 2008, 65 ff.; Stößlein, MPJ 2008, 7 ff.; und Wilke, MPJ 2008, 11 ff.; sowie der Bericht von Schorn, MPJ 2002, 64. Im Üb-rigen werden allenfalls einzelne Aspekte der MPSV in Kommen-tierungen zu § 29 MPG besprochen, vgl. nur: Hill/Schmitt, WiKO-Medizinprodukterecht, § 29 MPG; Jäkel/Ratzel, in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Steinhilper (Hrsg.), HK-AKM, 42. Akt. Juni 2012, „Medizinprodukte“, Rdnrn. 112 ff.;; Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 29 MPG; Rehmann/Wagner, MPG, 2 Aufl. 2010, § 29.

8) Abrufbar unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/risk info/wissauf/statist/statist-Auswert_Quelle-Meldungen. html?nn=1012256.

9) MEDDEV-Dokument 2.12-1, Revision 7 – Guidelines on a medi-cal device vigilance system – Ziff. 2. Diese auf europäischer Ebene erarbeitete Leitlinie für ein Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem gibt die abgestimmte Rechtsauffassung der nationa-len Behörden sowie der Europäischen Kommission wieder. Sie hat selbst keinen rechtsverbindlichen, sondern einen lediglich emp-fehlenden Charakter. Nach dem Inkrafttreten der MPSV hat diese Leitlinie in Deutschland an Bedeutung verloren, da viele darin enthaltenen Empfehlungen in die MPSV überführt wurden. Den Inhalten der Leitlinie kommt jedoch weiterhin Bedeutung bei der Auslegung der Vorgaben der MPSV zu.

umschreibt. Unter einem Vorkommnis in diesem Sinne versteht man nach § 2 Nr. 1 MPSV eine Funktionsstörung, einen Ausfall oder eine Änderung der Merkmale oder der Leistung oder eine Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung eines Medizinproduktes 10, die unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwer-wiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Per-son geführt hat, geführt haben könnte oder führen könn-te. Diese Legaldefinition macht zunächst deutlich, dass ein Vorkommnis in jedem Fall dann anzunehmen ist, wenn eine Funktionsstörung des Medizinproduktes zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheits-zustandes einer der genannten Personen geführt hat. Unter einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheits-zustandes in diesem Sinne versteht man eine lebensbedroh-liche Krankheit, eine dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder eine dauerhafte Schädigung eines Körperteils sowie auch einen Gesundheitszustand, der me-dizinische Hilfe oder einen chirurgischen Eingriff erfordert, um den Eintritt der vorgenannten Zustände zu verhindern 11. Überdies wird jede indirekte Schädigung als Resultat einer fehlerhaften Diagnose bzw. eines fehlerhaften IVD-Tests so-wie die Gefährdung oder der Tod eines Fötus und jede kon-genitale Abnormität oder jeder Geburtsfehler als schwerwie-gende Gesundheitsgefährdung begriffen 12.

Daneben ist ein Vorkommnis ausweislich des Wortlautes der Legaldefinition („geführt haben könnte oder führen könnte“) aber auch dann anzunehmen, wenn der Tod oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszu-standes aufgrund anderer Umstände erfreulicherweise aus-geblieben ist. Zuweilen spricht man in diesem Zusammen-hang von einem sog. „Beinahe-Vorkommnis“, was jedoch unsauber sein dürfte, denn auch dieses Geschehen ist ein voll-wertiges Vorkommnis i. S. der Definition und daher ebenso meldepflichtig. Daher sollte in diesem Zusammenhang besser von einem „Beinahe-Schaden“ gesprochen werden, der aber als Vorkommnis zu sehen und zu melden ist. Aufgrund des Wortlautes der vorstehend wiedergegebenen Legaldefiniti-on unterscheidet man abhängig von der bereits vorhandenen Nähe des Schadenseintrittes grundsätzlich zwischen zwei Konstellationen des Vorkommnisses in Form eines Beinahe-Schadens. Zunächst bezeichnet die Wendung „geführt ha-ben könnte“ Fälle, in denen die von einer Funktionsstörung ausgelöste schadensgeeignete Kausalkette bereits in Gang ge-setzt, der konkrete Schadenseintritt aber von dem Einsetzen einer anderen Kausalkette, beispielsweise der Intervention des Arztes, abgewendet wurde. Hinter der Wendung „führen könnte“ stehen hingegen im Wesentlichen Konstellationen, in welchen die von einer Funktionsstörung ausgehende, po-tentiell schadensgeeignete Kausalkette noch nicht in Gang gesetzt wurde, da die potentiell zur Herbeiführung des Todes oder einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesund-heitszustandes geeignete Funktionsstörung bereits vor An-wendung des Medizinproduktes entdeckt wurde 13. Ob auch eine entsprechende Entdeckung im Rahmen der Wartung nach den Vorgaben der Medizinprodukte-Betreiberver-ordnung (MPBetreibV) schon zu einer Meldepflicht führt, dürfte differenziert zu betrachten sein. Solange die Wartung oder Sicherheitstechnische Kontrolle gerade dazu dient, die fehlerhaften Komponenten zu prüfen und ggf. auszutau-schen, ist eine Entdeckung nicht als Vorkommnis in Form eines Beinahe-Schadens zu sehen, da dies ja gerade Sinn und Zweck der Vorgaben zur Durchführung von Wartungen und Sicherheitstechnischen Kontrollen ist. Gehört der Fehler hingegen nicht zum Fokus der Wartung, hätte das Vorsor-gesystem hingegen nicht gegriffen und nur der Zufall den Schadenseitritt verhindert. Daher wäre dies sehr wohl mel-depflichtig. Die Handhabbarkeit dieser zweiten Alternative eines Vorkommnisses in Form eines Beinahe-Schadens wird in der spärlich vorhandenen Literatur teilweise bezweifelt 14.

Der Tatbestand des schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses i. S. von § 2 Nr. 5 MPSV bezeichnet den Eintritt oder den Beinahe-Eintritt eines Schadens innerhalb einer genehmigungspflichtigen klinischen Prüfung von Medi-zinprodukten oder einer genehmigungspflichtigen Leis-tungsbewertungsprüfung von In-vitro-Diagnostika. Die Begriffsbestimmung lehnt sich inhaltlich an den Tatbestand des Vorkommnisses aus § 2 Nr. 1 MPSV an, jedoch bedarf es keiner Kausalität des Schadens zum Medizinprodukt, was zu einer erheblichen Ausweitung der Meldepflicht von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führt.

Unter einer ggf. aufgrund eines Vorkommnisses not-wendig werdenden korrektiven Maßnahme versteht man gemäß § 2 Nr. 2 MPSV eine Maßnahme zur Beseitigung, Verringerung oder Verhinderung des erneuten Auftretens eines von einem Medizinprodukt ausgehenden Risikos.

Die verbreitet auch aus anderen Rechtsbereichen be-kannte Begrifflichkeit des Rückrufs wird in der Termino-logie der MPSV als ein Unterfall der korrektiven Maßnah-me begriffen, als solcher jedoch aufgrund seiner enormen Bedeutung eigenständig in § 2 Nr. 3 MPSV definiert. Da-nach versteht man unter einem Rückruf eine korrektive Maßnahme, mit der die Rücksendung, der Austausch, die Um- oder Nachrüstung, die Aussonderung oder Vernich-tung eines Medizinproduktes veranlasst wird oder Betrei-bern, Anwendern oder Patienten Hinweise für die weitere sichere Anwendung oder den Betrieb von Medizinproduk-ten gegeben werden. Bei Betrachtung dieser Begriffsbe-stimmung fällt zunächst in Ansehung des zweiten Halb-satzes auf, dass der medizinprodukterechtliche Begriff des Rückrufes i. S. der MPSV sehr weitgehend ist und in Form von Betreiber-, Anwender- und Patienteninformationen Maßnahmen umfasst, die nach dem allgemeinen Sprach-gebrauch nicht mehr dem Begriff des Rückrufs zugeordnet werden. Auch wenn im Rahmen des im September des Jah-res 2012 bekanntgemachten Entwurfs einer europäischen Verordnung über Medizinprodukte 15 beabsichtigt ist, den Tatbestand des Rückrufes wieder weitestgehend mit dem allgemeinen Begriffsverständnis in Einklang zu bringen, gilt doch bis zum – derzeit im Übrigen ungewissen – In-krafttreten der im Entwurf vorliegenden Verordnung wei-terhin, dass auch seitens des Verantwortlichen veranlasste Hinweise für die weitere sichere Anwendung oder den Be-trieb eines Medizinproduktes rechtsdogmatisch als Rück-ruf anzusehen sind.

3. Die Meldepflichten

Aufbauend auf diesen Begriffsbestimmungen enthält der zweite Abschnitt der MPSV (§§ 3 bis 7) sodann die we-sentlichen Pflichten der einzelnen Wirtschaftsakteure im Rahmen des durch die MPSV implementieren Vigilanz-Systems für Medizinprodukte. Kernvorschrift des zwei-

Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung MedR (2013) 31: 577–584 579

10) Stellvertretend für diese Umstände wird im Folgenden zur Ver-einfachung der Darstellung der Begriff der Funktionsstörung verwendet.

11) MEDDEV-Dokument 2.12-1, Revision 7 – Guidelines on a me-dical device vigilance system – Ziff. 5.1.1; vgl. auch: Hill/Schmitt, WiKO-Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 16; sowie Jäkel, MPR 2008, 65, 67.

12) MEDDEV-Dokument 2.12-1, Revision 7 – Guidelines on a me-dical device vigilance system – Ziff. 5.1.1; vgl. auch Jäkel, MPR 2008, 65, 67.

13) Vgl. dazu anschaulich und mit Beispielen: Hill/Schmitt, WiKo-Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 15.

14) So Hill/Schmitt, WiKo-Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 15.15) Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 41 des Entwurfsdokuments 2012/0266

(COD) versteht man unter einem Rückruf jede Maßnahme, die auf Erwirkung der Rückgabe eines dem Endverbraucher schon bereitgestellten Medizinproduktes abzielt.

ten Abschnitts ist dabei freilich § 3 MPSV, der konkrete Meldepflichten einzelner Wirtschaftsakteure im Hinblick auf Vorkommnisse und bestimmte korrektive Maßnahmen statuiert.

Zu nennen ist dabei zunächst § 3 Abs. 1 MPSV, wonach dem für das Medizinprodukt Verantwortlichen die Pflicht auferlegt wird, in Deutschland aufgetretene Vorkommnisse sowie in Deutschland durchgeführte Rückrufe der zustän-digen Bundesoberbehörde zu melden. Bei dem für das Pro-dukt Verantwortlichen handelt es sich nach § 5 S. 1 MPG in der Regel um den verantwortlichen Hersteller desselben i. S. von § 3 Nr. 15 MPG oder den von diesem benannten Europäischen Bevollmächtigten i. S. von § 3 Nr. 16 MPG 16. In Ausnahmefällen, wenn Medizinprodukte nicht unter der Verantwortung des Bevollmächtigten in den Europä-ischen Wirtschaftsraum eingeführt werden, ist gemäß § 5 S. 2 MPG der Einführer verantwortlich für das Medizin-produkt und auch meldeverpflichtet i. S. von § 3 Abs. 1 S. 1 MPSV. § 3 Abs. 1 S. 2 MPSV erstreckt die Meldepflicht des in Deutschland sitzenden Verantwortlichen auch auf Vor-kommnisse und Rückrufe in anderen Staaten des Europäi-schen Wirtschaftsraumes, die den dort jeweils zuständigen Behörden zu melden sind. Entsprechendes gilt für solche Rückrufe, die aufgrund von Vorkommnissen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes auch im Europäischen Wirtschaftsraum durchgeführt werden. Mithin kann hin-sichtlich der Pflichten des Produktverantwortlichen festge-halten werden, dass dieser nicht nur bei Vorkommnissen i. S. von § 2 Nr. 1 MPSV, sondern auch in Bezug auf durch-geführte Rückrufe i. S. von § 2 Nr. 3 MPSV, nicht jedoch bei Durchführung anderer korrektiver Maßnahmen, mel-depflichtig ist.

Des Weiteren normiert § 3 Abs.  2 S.  1 MPSV die im Kern der aktuellen Diskussion um die Nichtbeachtung der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung stehende Meldepflicht für berufliche oder gewerbliche Betreiber und Anwender von Medizinprodukten. Sie haben aufgetretene Vorkommnisse ebenfalls der zuständigen Bundesoberbe-hörde zu melden. Der Kreis der beruflichen oder gewerb-lichen Betreiber und Anwender von Medizinprodukten ist denkbar weit und umfasst alle Einrichtungen des Ge-sundheitswesens und der Pflege, vor allem also Kliniken und niedergelassene Ärzte, aber auch Rehabilitationsein-richtungen, medizinische Laboratorien, Pflegeheime, am-bulante Pflegedienste sowie Organisationen des Rettungs-dienstes 17. Privatpersonen, wie Patienten und Angehörige, die Medizinprodukte im häuslichen Umfeld anwenden, werden von der Meldepflicht ausweislich des klaren Wort-lauts regelmäßig nicht erfasst. § 3 Abs. 2 S. 2 MPSV erstreckt die Meldepflicht aus § 3 Abs. 2 S. 1 MPSV auch auf Ärzte und Zahnärzte, die die Medizinprodukte zwar nicht direkt anwenden, denen aber im Rahmen der Diagnostik oder Behandlung von mit Medizinprodukten versorgten Patien-ten Vorkommnisse bekannt werden. Diese Vorschrift be-trifft mithin klassischerweise den nachbehandelnden Arzt. Die Meldepflicht für Betreiber und Anwender von Medi-zinprodukten aus § 3 Abs. 2 MPSV gilt dabei naturgemäß nur für Vorkommnisse und nicht für Rückrufe oder andere korrektive Maßnahmen, da diese nach § 14 MPSV lediglich von den Produktverantwortlichen i. S. von § 5 MPG oder nach § 15 MPSV von den zuständigen Behörden auf Lan-desebene veranlasst werden können.

Nach § 3 Abs. 3 S. 1 MPSV haben schließlich auch solche Händler und Vertreiber, die im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder in Erfüllung gesetzlicher Aufgaben Medizinprodukte zur Eigenanwendung durch Patienten an eben diese abgeben, die ihnen bekanntgewor-denen Vorkommnisse direkt der zuständigen Bundesober-behörde zu melden. In allen anderen Fällen, also insbeson-dere wenn Vertreiber und Händler Medizinprodukte nicht an die Endverbraucher, sondern an die Fachkreise oder an

weitere Zwischenhändler veräußern, obliegt ihnen gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 MPSV die Pflicht, ihnen bekannt geworde-ne Vorkommnisse direkt dem Verantwortlichen nach § 5 MPG zu übermitteln. Denjenigen Händler und Vertreiber, der aufgrund seiner Tätigkeit als Medizinprodukteberater i. S. von § 31 MPG anzusehen ist, also berufsmäßig Fach-kreise fachlich informiert oder in die sachgerechte Hand-habung der Medizinprodukte einweist, treffen zudem nach § 31 Abs. 4 MPG Informationspflichten. Ohne dass es da-bei im Einzelfall auf das Erreichen der Schwelle des Vor-kommnisses i. S. von § 2 Nr. 1 MPSV ankäme, hat er den Produktverantwortlichen über Mitteilungen von Angehö-rigen der Fachkreise über Nebenwirkungen, wechselseiti-ge Beeinflussungen, Fehlfunktionen, technische Mängel, Gegenanzeigen, Verfälschungen oder sonstige Risiken bei Medizinprodukten schriftlich zu informieren.

Betreiber und Anwender sowie Vertreiber und Händ-ler können ihre Meldepflichten aus § 3 Abs. 2 und Abs. 3 MPSV nach § 3 Abs. 4 MPSV auch durch die Vornahme von Meldungen an Kommissionen oder andere Einrichtun-gen der Heilberufe erfüllen, wenn seitens der Einrichtung eine unverzügliche Weiterleitung der Meldung an die zu-ständige Bundesoberbehörde sichergestellt ist 18.

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Rahmen einer klinischen Prüfung oder einer Leistungsbewertungs-prüfung sind schließlich gemäß § 3 Abs. 5 S. 1 MPSV durch den Sponsor und den Prüfer oder Hauptprüfer der zustän-digen Bundesoberbehörde bekannt zu machen.

Die Meldepflichten des Produktverantwortlichen nach § 3 Abs. 1 MPSV sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 MPSV ent-sprechend der Eilbedürftigkeit der durchzuführenden Risi-kobewertung, spätestens jedoch innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen zu erfüllen. Bei Gefahr im Verzug müssen die Meldepflichten des Produktverantwortlichen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 MPSV unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zö-gern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) erfolgen. Die für die anderen Wirtschaftsakteure nach § 3 Abs. 2 bis 5 MPSV geltenden Meldepflichten sind gemäß § 5 Abs. 2 MPSV grundsätzlich ohne Differenzierung unverzüglich zu erfüllen.

4. Zuständigkeit und Aufgaben der Bundesoberbehörde

Abschnitt  3 der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverord-nung (§§ 8 bis 13) regelt sodann die Zuständigkeit und Aufgaben der Bundesoberbehörde als Adressatin der aufge-zeigten Meldepflichten nach § 3 MPSV. Welche Behörde im Einzelfall die zuständige Bundesoberbehörde ist, bestimmt § 32 MPG. Nach § 32 Abs. 1 MPG ist grundsätzlich das Bun-desinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Sitz in Bonn gemeint, wenn in der MPSV oder an an-derer Stelle im Medizinprodukterecht von der zuständigen Bundesüberbehörde gesprochen wird. Alternativ ergibt sich gemäß § 32 Abs. 2 MPG in Einzelfällen für bestimmte Pro-dukte eine Zuständigkeit des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) mit Sitz in Langen. Dies betrifft namentlich eine kleine Minderheit von Medizinprodukten in Form von solchen In-vitro-Diagnostika, die in Anhang II zur Richtlinie 98/79/EG genannt sind und zur Prüfung der Unbedenklichkeit

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16) Nach § 6 Abs. 2 S. 3 MPG hat der verantwortliche Hersteller, der seinen Sitz nicht im Europäischen Wirtschaftsraum hat, ei-nen Europäischen Bevollmächtigten zu benennen, um die CE-Kennzeichnung auf das Medizinprodukt rechtmäßig aufbringen zu dürfen.

17) Jäkel, MPR 2008, 65, 66.18) Solche Einrichtungen stellen z. B. die Arzneimittelkommission

der Deutschen Apotheker sowie die Arzneimittelkommission der Zahnärzte dar. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft nimmt ausweislich der im Internet unter der Domain www.akdae.de bereitgestellten Informationen offensichtlich le-diglich Meldungen von Arzneimittelrisiken entgegen.

oder Verträglichkeit von Blut- oder Gewebespenden be-stimmt sind oder Infektionskrankheiten betreffen 19.

Kernaufgabe der zuständigen Bundesoberbehörde, in aller Regel also des BfArM, ist es, hinsichtlich aller Vorkommnisse und schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, die ihr be-kannt werden, eine Risikobewertung vorzunehmen und zu diesem Zweck wissenschaftliche Untersuchungen durchzu-führen oder durchführen zu lassen, § 8 MPSV. Im Rahmen ihrer so definierten Aufgabe ist die zuständige Bundesober-behörde jedoch keinesfalls auf die Bewertung von gemäß § 3 MPSV erfolgten Vorkommnismeldungen und Meldungen schwerwiegender unerwünschter Ereignisse beschränkt. Wie sich vor allem aus dem Wort „insbesondere“ in § 29 Abs. 1 S. 2 MPG ergibt, kann die zuständige Bundesober-behörde auch aufgrund anderer Informationsquellen, wie beispielsweise Pressemitteilungen etc., tätig werden 20. Sofern der für das Medizinprodukt Verantwortliche aufgrund des Vorkommnisses bereits eigenverantwortlich korrektive Maß-nahmen eingeleitet hat, muss sich die Risikobewertung der zuständigen Bundesoberbehörde gemäß § 9 S. 2 MPSV auch auf die Angemessenheit dieser Maßnahme erstrecken. Am Ende der Risikobewertung steht mithin die Feststellung, ob ein unvertretbares Risiko vorliegt, ob und welche korrekti-ven Maßnahmen geboten sind und ggf. ob die vom Hersteller eingeleitete korrektive Maßnahme angemessen ist.

Die Risikobewertung der zuständigen Bundesoberbe-hörde erfolgt dabei gemäß § 10 MPSV in enger Zusam-menarbeit mit dem Produktverantwortlichen und ggf. den betroffenen Betreibern und Anwendern sowie sonstigen Institutionen, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrun-gen zur Beantwortung spezifischer Fragestellungen beitra-gen können. Vor diesem Hintergrund kann insbesondere die Einbindung der Benannten Stelle des Herstellers in die Risikobewertung geboten sein, § 10 S. 3 MPSV.

Nach § 11 MPSV hat die zuständige Bundesoberbehörde im Rahmen der Risikobewertung weitgehende Befugnis-se und kann in diesem Zusammenhang insbesondere alle für die Sachverhaltsaufklärung und/oder Risikobewertung erforderlichen Auskünfte und Unterlagen sowie auch eine Überlassung des betroffenen Produktes oder eines Pro-duktmusters von allen in § 3 MPSV genannten Wirtschafts-akteuren beanspruchen. Überdies treffen die Wirtschafts-akteure nach § 12 Abs. 1 MPSV Mitwirkungspflichten im Rahmen der Risikobewertung.

Nach Abschluss der Risikobewertung hat die Bun-desoberbehörde die ggf. zu ergreifenden korrektiven Maß-nahmen gemäß § 29 Abs.  1 S.  4 MPG zu koordinieren. Diese Vorschrift markiert die klare Grenze der Zuständig-keit der Bundesoberbehörde gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden auf Landesebene, die letztdlich über die konkret zu ergreifenden korrektiven Maßnahmen des Her-stellers in eigener Kompetenz entscheiden 21.

5. Die korrektiven Maßnahmen

Der vierte Abschnitt der MPSV (§§ 14 bis 18) betrifft schließlich die im Einzelfall gebotenen korrektiven Maß-nahmen. Dabei statuiert § 14 Abs. 1 MPSV den Grund-satz, dass der Produktverantwortliche die gebotenen korrektiven Maßnahmen in Ansehung der eigenen Risi-kobewertung sowie der Risikobewertung der zuständi-gen Bundesoberbehörde gemäß Abschnitt  3 der MPSV durchzuführen hat. Soweit die gebotenen korrektiven Maßnahmen durch den Produktverantwortlichen nicht eigenverantwortlich getroffen werden, ermächtigt § 15 MPSV die zuständige Aufsichtsbehörde auf Landesebene, den Produktverantwortlichen oder den in Deutschland ansässigen Vertreiber bzw. den Sponsor der klinischen Prüfung oder Leistungsbewertungsprüfung zur Durch-führung der Maßnahmen zu verpflichten. Für den Fall, dass die durch den Produktverantwortlichen eigenver-

antwortlich eingeleiteten korrektiven Maßnahmen oder die nach § 15 MPSV behördlicherseits veranlassten Maß-nahmen im Einzelfall nicht ausreichen, um eine Risiko-minimierung hinreichend schnell herbeizuführen, ist die zuständige Aufsichtsbehörde auf Landesebene gemäß § 17 MPSV im Wege einer Ultima-Ratio-Maßnahme befugt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um das Betrei-ben oder Anwenden der betroffenen Medizinprodukte einzuschränken oder sogar gänzlich zu untersagen.

Der fünfte und letzte Abschnitt der Sicherheitsplanver-ordnung (§§ 19 bis 24) betrifft schließlich die gegenseitigen Unterrichtungspflichten sowie den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden und soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden.

III. Aktuelle Diskussion um die Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes

1. Unzureichendes Meldeverhalten von Betreibern und Anwendern

Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht das offen-sichtlich unzureichende Meldeverhalten der Betreiber und Anwender von Medizinprodukten trotz bestehender recht-licher Vorgaben. Dies muss zunächst verwundern, tritt doch definitionsgemäß ein Vorkommnis erst bei der Anwendung oder dem Betrieb des Medizinproduktes auf. Probleme während der Entwicklung sind außen vor, so dass immer zunächst die Anwender und Betreiber des Vorkommnisses gewahr werden müssen. Zudem kann der Hersteller nur selbst ein Vorkommnis melden, wenn er hiervon seitens des Anwenders oder Betreibers gehört hat. Von daher er-staunen die folgenden statistischen Zahlen der Meldungen.

2. Statistischer Hintergrund

Zwar ist die Anzahl der Vorkommnismeldungen insge-samt ausweislich der diesbezüglichen statistischen Auswer-tung des BfArM seit dem Jahr 2000 stetig gestiegen 22, die Anzahl der von Betreibern und Anwendern vorgenom-menen Vorkommnismeldungen bleibt, wie bereits einlei-tend aufgezeigt, jedoch deutlich hinter der Zahl der von den Produktverantwortlichen nach § 5 MPG ausgehenden Vorkommnismeldungen zurück 23. Das Verhältnis der von Betreibern und Anwendern ausgehenden Vorkommnis-meldungen zur Anzahl der Vorkommnismeldungen der Produktverantwortlichen lässt sich grob auf 1 : 5 beziffern. Weiter zeigt die statistische Auswertung des BfArM, dass sich die Mehrzahl der insgesamt und daher auch von Her-stellerseite ausgehenden Vorkommnismeldungen auf Medi-zinprodukte der Risikoklassen IIa, IIb und III bezieht 24. Bei

Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung MedR (2013) 31: 577–584 581

19) Dabei handelt es sich insbesondere um die in Liste A des An-hangs  II zur Richtlinie 98/79/EG genannten Produkte sowie bestimmte Produkte aus Liste B des Anhangs II zur Richtlinie 98/79/EG, die beispielsweise zur Bestimmung von Röteln, To-xoplasmose oder Chlamydien bestimmt sind, vgl. Hill/Schmitt, WiKo-Medizinprodukterecht, § 32 MPG, Rdnr. 10.

20) BT-Dr. 14/6218, S. 35; in diesem Sinne auch: Spickhoff, Medizin-recht, 2011, § 29 MPG, Rdnr. 2; Schorn, Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 7; Hill/Schmitt, WiKo-Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 12.

21) Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 29 MPG, Rdnr. 2; Hill/Schmitt, WiKo-Medizinprodukterecht, § 29 MPG, Rdnr. 13.

22) Abrufbar unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/riskinfo/wissauf/statist/statist-Auswert_quartalsweise_Anzahl-Risikomel.html?nn=1012256.

23) Abrufbar unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/riskinfo/wissauf/statist/statist-Auswert_Quelle-Meldungen.html?nn=1012256.

24) Abrufbar unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/riskinfo/wissauf/statist/statist-Auswert_Risikoklassen.html? nn=1012256.

den konkreten Produktgruppen liegen über den Zeitraum der BfArM-Auswertung hinweg aktive Implantate, Medi-zinprodukte zur Injektion, Infusion, Transfusion und Dia-lyse, nicht aktive Implantate sowie medizinische Elektronik und Elektromedizin und schließlich OP-Ausrüstung und Anästhesie-Produkte hinsichtlich der Anzahl der Meldun-gen vorne 25. Betrachtet man diese Aufschlüsselung der Vor-kommnismeldungen nach Risikoklassen und Produktgrup-pen, gelangt man unweigerlich zu der Erkenntnis, dass es sich bei denjenigen Produkten, hinsichtlich derer besonders viele Meldungen erstattet werden, vornehmlich um solche handelt, die in Arztpraxen und vor allem in Krankenhäu-sern zur Anwendung gelangen. Der Bereich der Produkte, die vom Patienten selbst angewandt werden (sog. „home-care-Bereich“), bleibt deutlich zurück. Es muss daher da-von ausgegangen werden, dass die Produktverantwortli-chen nach § 5 MPG die Kenntnis über die von ihnen an die zuständige Bundesoberbehörde gemeldeten Vorkommnisse vornehmlich aus den Kreisen der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser erlangt haben. Von daher wäre es bei ordnungsgemäßem Meldeverhalten zu erwarten, dass die Anzahl der Meldungen von beruflichen Betreibern und Anwendern nach § 3 Abs. 2 S. 1 MPSV und die Anzahl der Meldungen durch den Produktverantwortlichen nach § 3 Abs. 1 MPSV aufgrund von regelmäßigen Doppelmeldun-gen ein und desselben Vorkommnisses nahezu gleich hoch sein müsste. Dass dies indes, wie das Verhältnis 1 : 5 klar zeigt, nicht der Fall ist, dokumentiert das unzureichende Meldeverhalten der beruflichen Betreiber und Anwender unter Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 1 MPSV.

3. Lösungsvorschlag des Gesetzgebers

Dementsprechend ist man sich seitens des Gesetzgebers und der in diesem Zusammenhang angehörten Verbände und Institutionen einig, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das als unzureichend erkannte Meldeverhal-ten der beruflichen Betreiber und Anwender zu verbessern. Von Seiten des Gesetzgebers wurde zu diesem Zweck der Vorschlag unterbreitet, in die Medizinprodukte-Sicher-heitsplanverordnung einen neuen § 25 zu integrieren, durch welchen Verstöße gegen die Meldepflichten aus § 3 Abs. 1 bis Abs. 3 MPSV als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wer-den. Die neue Norm soll dabei folgenden Wortlaut haben:

„Ordnungswidrig im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 16 des Medizinproduktegesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Abs.  1 bis Abs.  3 eine Meldung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstattet.“

Umgesetzt werden soll diese Änderung der MPSV ge-setzestechnisch über das Artikelgesetz zur Schaffung einer Verordnung über die Abgabe von Medizinprodukten und zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften, in dessen Mittelpunkt die Zusammenlegung der Verordnun-gen über die Verschreibungspflicht von Medizinprodukten (MPVerschrV) und über Vertriebswege für Medizinpro-dukte (MPVertrV) steht 26.

4. Diskussion des gesetzgeberischen Vorschlags

Bei den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch den Gesetzgeber angehörten Verbänden und Institutionen wird nahezu durchweg das Ansinnen des Gesetzgebers un-terstützt, die am Meldesystem beteiligten Betreiber und Anwender von Medizinprodukten zu einer erhöhten Mel-debereitschaft zu bewegen 27. Der konkrete Vorschlag des Gesetzgebers zur Implementierung eines Ordnungswidrig-keiten-Tatbestandes in die Sicherheitsplanverordnung wird jedoch differenziert gesehen und zumindest in der aktuellen Form weitgehend abgelehnt 28. Die gegen die Sinnhaftigkeit der Einführung eines derartigen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes ins Feld geführten Argumente wissen dabei

nach Einschätzung der Verfasser zwar nicht in allen Einzel-heiten, wohl aber im Ergebnis zu überzeugen.

Zunächst wird als Einwand gegen die von Seiten des Gesetzgebers angedachte Sanktionierung eingewandt, dass diese aufgrund ihres Wortlautes nicht nur die im Zentrum der Diskussion stehenden, hinsichtlich ihres Meldeverhal-tens zu beanstandenden beruflichen Betreiber und Anwen-der von Medizinprodukten, sondern darüber hinaus auch die gemäß § 3 Abs. 1 MPSV meldepflichtigen Produktver-antwortlichen trifft, deren Meldeverhalten jedoch nicht zu beanstanden sei. Dieses Argument dürfte jedoch eher at-mosphärischer Natur sein, da es das Wesen vieler Sanktio-nierungstatbestände ist, dass diese auch demjenigen abstrakt eine Sanktion androhen, der sich bisher rechtskonform ver-halten hat. Hinzu kommt, dass der sich rechtskonform ver-haltende Wirtschaftsakteur regelmäßig nicht in die Gefahr der Verwirkung des Bußgeldes geraten wird.

Ebenfalls wenig überzeugend ist der Verweis auf die Vor-schrift des § 30 Abs. 5 MPG zur Begründung der Auffassung, dass sich ein auch die Meldefälligkeit von Produktverant-wortlichen nach § 5 MPG sanktionierender Tatbestand ver-biete. So statuiert § 30 Abs. 5 MPG den Grundsatz, dass der innerhalb der Organisation des Herstellers nach § 30 Abs. 4 MPG für den Vollzug der Meldungen verantwortliche Si-cherheitsbeauftragte wegen der Erfüllung der ihm obliegen-den Aufgaben nicht benachteiligt werden darf. Mit diesem Benachteiligungsverbot soll die erforderliche Unabhängig-keit und ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung des Si-cherheitsbeauftragten gewährleistet werden 29. Hintergrund ist der Umstand, dass der Sicherheitsbeauftragte aufgrund sei-ner gesetzlichen Aufgaben nach § 30 Abs. 4 MPG regelmäßig auch Entscheidungen treffen muss, die die Unternehmenslei-tung als für das Unternehmen nicht vorteilhaft ansieht. § 30 Abs.  5 MPG stattet ihn daher mit einem eigenen arbeits-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus 30, der ihn in die Lage versetzt, arbeitsrechtliche Benachteiligungen durch seinen Arbeitgeber, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben nach § 30 Abs. 4 MPG stehen, abzuwehren. Dies erscheint sachgerecht, da für den Sicherheitsbeauftragten trotz seiner besonders sensiblen organisatorischen Einbindung in das Unternehmen keine gesonderten Kündigungsschutz-maßnahmen gelten 31. Demgegenüber verfolgt die Norm aber keinesfalls das nunmehr im Rahmen ihrer Stellung-nahmen von Verbänden und Institutionen propagierte Ziel, den Sicherheitsbeauftragten vor staatlichen Repressionen in Form von Strafandrohungen oder Ordnungswidrigkeiten zu schützen. Dies ist im Übrigen auch nicht nötig, da sich die vorgesehene Ordnungswidrigkeit nach dem klaren Wortlaut von § 25 MPSV-E i. V. mit § 3 Abs. 1 S. 1 MPSV nicht gegen den Sicherheitsbeauftragten nach § 30 MPG, sondern gegen

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25) Abrufbar unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/riskinfo/wissauf/statist/statist-Auswert_quartalsweise_Anzahl-Risikomel_Produktgr.html?nn=1012256.

26) Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu ei-ner Verordnung über die Abgabe von Medizinprodukten und zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften v. 15. 1. 2013.

27) Vgl. Stellungnahme des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V. (BVMed) v. 18. 3. 2013, lit.  A; Stellungnahme des Akti-onsbündnisses Patientensicherheit e. V. v. 19. 3. 2013; Stellung-nahme des Verbandes der Diagnostika-Industrie e. V. (VDGH) v.  19. 3. 2013; sowie Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e. V. (BAH) v. 19. 3. 2013.

28) Pro: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA); Contra: Stellungnahme des BVMed v. 18. 3. 2013, lit. A; Stellung-nahme des Aktionsbündnisses Patientensicherheit v. 19. 3. 2013; Stellungnahme des VDGH v. 19. 3. 2013; sowie Stellungnahme des BAH v. 19. 3. 2013.

29) Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 30 MPG, Rdnr. 9.30) Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 30 MPG, Rdnr. 9; Hill/Schmitt,

WiKo-Medizinprodukterecht, § 30 MPG, Rdnr. 22.31) Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 30 MPG, Rdnr. 9.

den Produktverantwortlichen, also in der Regel das Herstel-lerunternehmen oder den Europäischen Bevollmächtigten, richtet. Der Sicherheitsbeauftragte ist daher kein tauglicher Täter der geplanten Ordnungswidrigkeit nach § 25 MPSV-E.

Während die beiden vorgenannten Argumente gegen die Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes nach Ansicht des Verfassers nicht verfangen, wissen andere Argumente durchaus zu überzeugen.

Dies betrifft zunächst die Befürchtung, dass die Sankti-onierung eines unzureichenden Meldeverhaltens durch die Einführung eines entsprechenden Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes eine Flut unbegründeter Meldungen nach sich ziehen könnte. Schließlich könnte die Sanktionierung die Meldepflichtigen veranlassen, jedweden Vorfall mit einem Medizinprodukt – unabhängig von der tatsächlichen Erfül-lung des Vorkommnistatbestandes aus § 2 Nr. 1 MPSV – aus bloßer Angst vor der Verwirkung einer Geldbuße der zu-ständigen Bundesoberbehörde zu melden 32. Diese Befürch-tung lässt sich dadurch stützen, dass die Klärung der Frage, ob ein Vorfall den Tatbestand eines Vorkommnisses erfüllt, im Einzelfall überaus schwierig sein kann. Zudem soll aus-weislich des vorstehend wiedergegeben Entwurfs des Ord-nungswidrigkeiten-Tatbestandes bereits eine unvollständige Meldung sanktioniert werden. Da jedoch insbesondere beruf-liche Betreiber und Anwender von Medizinprodukten nicht zwingend über eine hinsichtlich ihrer Kompetenzen dem Sicherheitsbeauftragten beim Hersteller vergleichbare Person verfügen müssen, wird dort häufig nicht die erforderliche Kompetenz zur Entscheidung der Fragen, ob der Vorfall tat-sächlich ein Vorkommnis ist oder wann eine Meldung voll-ständig ist, vorliegen. Die daher zu erwartende Flut von Mel-dungen könnte jedoch die Aufgabenwahrnehmung durch die zuständige Bundesoberbehörde deutlich erschweren.

Daneben rücken die Ursachen des unzureichenden Melde-verhaltens von beruflichen Betreibern und Anwendern von Medizinprodukten die Sinnhaftigkeit der Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes in kritisches Licht. So wird seitens der involvierten Verbände und Institutionen weitgehend davon ausgegangen, dass das unzureichende Meldeverhalten der nach § 3 Abs. 2 MPSV Verpflichteten auf eine Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen des Beobach-tungs- und Meldesystems für Medizinprodukte, konkret in Form der Vorgaben der MPSV, sowie organisatorische De-fizite zurückzuführen ist 33. Es muss daher davon ausgegan-gen werden, dass der richtige Lösungsweg in jedem Fall eine Sensibilisierung und eine damit einhergehende Beseitigung der Unkenntnis auf Seiten der beruflichen Bertreiber und Anwender hinsichtlich der Vorgaben der Medizinproduk-te-Sicherheitsplanverordnung sowie der organisatorischen Defizite beinhaltet. Dies wird jedoch die bloße Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes alleine nicht er-reichen können, da damit lediglich ein Verstoß gegen die weiterhin unbekannte Rechtsvorschrift sanktioniert wird.

5. Alternative Lösungsvorschläge

Vor diesem Hintergrund müssen alternative Lösungsansät-ze hinsichtlich des erkannten Missstandes in Betracht ge-zogen werden.

Konkret wird vorgeschlagen, Einrichtungen, in denen Medizinprodukte beruflich oder gewerblich betrieben und angewendet werden, zur Bestellung eines „Medizinproduk-te-Vigilanz-Beauftragten“ zu verpflichten, welcher innerorga-nisatorisch dafür verantwortlich ist, Meldungen über Risiken bei Medizinprodukten zu sammeln und zu bewerten sowie schlussendlich ggf. notwendige Meldungen an die zuständige Bundesoberbehörde vorzunehmen 34. Im Zusammenhang mit diesem Vorschlag wird darauf verwiesen, dass im Markt be-reits Anbieter existieren würden, die entsprechende Leistun-gen als externe Vigilanz-Beauftragte anbieten 35. Einschrän-kend beinhaltet der Vorschlag die Pflicht zur Bestellung eines

Vigilanz-Beauftragten jedoch nur in solchen medizinischen Einrichtungen, die über mehr als 20 Mitarbeiter verfügen 36.

Flankierend sollen die entsprechenden Einrichtungen verpflichtet werden, ein hausinternes „Medizinprodukte-Risiko-Management-System“ einzuführen, durch welches gewährleistet wird, dass der Vigilanz-Beauftragte von Vor-fällen im Zusammenhang mit dem Betrieb und der An-wendung von Medizinprodukten Kenntnis erlangt 37. So wird er in die Lage versetzt, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein meldepflichtiges Vorkommnis i. S. von § 2 Nr. 1 MPSV vorliegt.

Diese Idee ist – wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so jedoch vom Grundsatz her – nach Einschätzung der Verfas-ser zustimmungsbedürftig. So besteht durch die Pflicht zur Einrichtung der Funktion eines Vigilanz-Beauftragten eine Möglichkeit, die entsprechenden Kompetenzen hinsichtlich der Einzelheiten des Beobachtungs- und Meldesystems für Medizinprodukte in die medizinische Einrichtung einzubrin-gen, in welcher Medizinprodukte betrieben und angewendet werden. Gleichzeitig würde dadurch und durch die parallele Einrichtung eines Risikomanagementsystems die organisa-torische Aufstellung der Einrichtungen erheblich verbessert. Dies setzt freilich in Ergänzung des Vorschlages voraus, dass nicht jedwede beliebige Person zum Vigilanz-Beauftragten ernannt werden darf, sondern bestimmte Qualifikationen in der Person vorliegen müssen. Diese Qualifikationsanforde-rungen sollten auch und vor allem detaillierte Kenntnisse des durch die MPSV konkretisierten Beobachtungs- und Mel-desystems für Medizinprodukte beinhalten. Auf diese Weise könnte die bei vielen beruflichen Betreibern und Anwendern von Medizinprodukten vorhandene Lücke im Hinblick auf die Existenz und Reichweite von Meldepflichten geschlossen werden. Um den nötigen Druck hinter eine solche Regelung zu bringen, dürfte es sich überdies empfehlen, zwar nicht das Unterlassen einer vollständigen und rechtzeitigen Meldung, wohl aber die Nichtbestellung eines Vigilanz-Beauftragten als Ordnungswidrigkeit zu sanktionieren. So wird auch ein Ver-stoß gegen § 30 Abs. 1 MPG, also die Nichtbestimmung eines hinreichend qualifizierten Sicherheitsbeauftragten durch den Verantwortlichen für das Medizinprodukt, nach § 42 Abs. 2 Nr. 13 MPG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert.

Zudem bietet die Einrichtung der Funktion eines Vigi-lanz-Beauftragten gegenüber der vom Gesetzgeber vorge-schlagenen Lösung den Vorteil, dass keine Flut unbegrün-deter Meldungen an die zuständige Bundesoberbehörde zu befürchten wäre, da der Vigilanz-Beauftragte aufgrund seiner Fachkompetenz in der Lage wäre, die Reichweite der Meldepflicht hinreichend abzuschätzen.

Kritisch dürfte indes die vorgeschlagene Beschränkung sein, wonach nur medizinische Einrichtungen mit mehr als 20 Mit-arbeitern zur Einrichtung einer solchen Funktion sowie zur Implementierung eines Risikomanagementsystems verpflich-tet werden sollen. Dadurch würden insbesondere kleinere Arztpraxen, die bisher ebenfalls ein unzureichendes Melde-verhalten an den Tag legen, von den Regelungen und den damit einhergehenden strukturellen Verbesserungen nicht

Lücker/Göttschkes, Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung MedR (2013) 31: 577–584 583

32) Die geplante Ordnungswidrigkeit könnte immerhin gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 16, Abs. 3 MPG mit einer Geldbuße von bis zu 25.000,00 € geahndet werden.

33) Der BVMed stützt seine diesbezüglichen Erkenntnisse auf eine im Jahr 2010 durchgeführte Umfrage bei 2000 deutschen Kran-kenhäusern, vgl. BVMed, Stellungnahme v. 18. 3. 2013, lit. C.

34) BVMed, Stellungnahme v. 18. 3. 2013, lit. B. Der BVMed stützt sich in diesem Zusammenhang wiederum auf die von ihm im Jahr 2010 durchgeführte Umfrage bei 2000 deutschen Krankenhäusern, in welcher die Mehrheit der Häuser, denen die Pflicht aus § 3 Abs. 2 MPSV überhaupt bekannt war, angab, die Zuständigkeiten zur Meldung weder koordiniert noch sonst intern geregelt zu haben.

35) BVMed, ebd.36) BVMed, ebd.37) BVMed, Stellungnahme v. 18. 3. 2013, lit. B.

Der Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses Benjamin Reuter und Christoph Weinrich

I. Einleitung

Der Bewertungsausschuss hat als Einrichtung der gemein-samen Selbstverwaltung der vertragsärztlichen Versorgung 1 im Bereich der Vergütung bzw. Honorierung der ärztlichen Leistungen die wesentlichen Entscheidungen zu treffen 2.

Im Rahmen seiner Arbeit kommt dem Bewertungsaus-schuss ein weitgehender Gestaltungsspielraum zu, der re-

gelmäßig Angriffen in Gerichtsverfahren zu Honorarfra-gen ausgesetzt ist. Im Folgenden gehen daher die Verfasser der Frage nach, welche Gestaltungsspielräume der Bewer-tungsausschuss bei seinen Aufgaben im System der ambu-lanten Versorgung hat und wo die Grenzen liegen.

Dr. iur. Benjamin Reuter und Dr. iur. Christoph Weinrich, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Rechtsabteilung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, Deutschland

erfasst. Besser dürfte hier nach Einschätzung der Verfasser eine Herabsetzung der Mitarbeiterzahl oder aber ein gänzli-cher Verzicht auf die Einschränkung der Verpflichtungen sein. Hinter dem Vorschlag zur Einschränkung der vorgeschlage-nen Pflichten steht offensichtlich der Wille, kleinere Einhei-ten, wie beispielsweise den niedergelassenen Landarzt, mit der Pflicht zur Einrichtung einer solchen Funktion sowie des ent-sprechenden Risikomanagementsystems nicht zu überfordern. Auch wenn dieses Ziel sicherlich anerkennenswert ist, darf gleichwohl nicht übersehen werden, dass bereits aktuell jeder niedergelassene Arzt, unabhängig von der Größe seiner Pra-xis, verpflichtet ist, die ihn betreffenden Vorgaben der MPSV zu beachten. Insofern muss die notwendige Kompetenz und Organisation bei dem Arzt – unabhängig von der Praxisgrö-ße – ohnehin bereits vorhanden sein, zumal Ärzte auch durch die berufsrechtlichen Vorgaben der Berufsordnungen diverser Ärztekammern zur Meldung von Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung von (bestimmten) Medizinprodukten an unterschiedliche Stellen verpflichtet werden 38. Eine Überfor-derung steht daher nicht zu befürchten.

Der Vorschlag des BVMed in der wie vorstehend vor-geschlagenen Modifikation erweist sich nach Ansicht der Verfasser gegenüber dem Vorschlag des Gesetzgebers zur Einführung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes als überlegen. So wird durch die Pflicht zur Bestellung eines Vigilanz-Beauftragten mit hinreichender Fachkompetenz sowie zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems den zu vermutenden tatsächlichen Ursachen des unzurei-chenden Meldeverhaltens von beruflichen Betreibern und Anwendern von Medizinprodukten hinreichend Rech-nung getragen, indem zum einen Wissenslücken geschlos-sen und zum anderen organisatorische Defizite beseitigt werden. Dies ist mit der alleinigen Einführung eines Ord-nungswidrigkeiten-Tatbestandes, der das Unterlassen voll-ständiger und rechtzeitiger Meldungen sanktioniert, nicht in gleicher Form erreichbar. Überdies werden die absehba-ren negativen Folgen der Einführung einer solchen Sankti-onierung aller Voraussicht nach vermieden.

Sollte die Einführung einer Pflicht zur Einrichtung der Funktion eines Vigilanz-Beauftragten das unzureichende Meldeverhalten von Betreibern und Anwendern innerhalb eines zu definierenden Zeitraumes tatsächlich nicht hinrei-chend verbessern, dann könnte in einem weiteren Schritt immer noch in Erwägung gezogen werden, das Vigilanz-

System um einen zusätzlichen Ordnungswidrigkeiten-Tat-bestand zu ergänzen, der unzureichendes Meldeverhalten der Verpflichteten sanktioniert.

IV. Fazit

Ein funktionierendes Vigilanz-System für Medizinprodukte ist zur Erreichung des hinter den europäischen Medizinpro-dukte-Richtlinien stehenden Schutzziels der Patientensi-cherheit essentiell, da es eine unverzichtbare Rückkopplung zwischen Entwicklung, Herstellung und Anwendung eines Medizinproduktes gewährleistet. Vor diesem Hintergrund sind sich alle Beteiligten dahingehend einig, dass die ak-tuellen Schwachstellen des durch die Medizinprodukte-Si-cherheitsplanverordnung konkretisierten Vigilanz-Systems angegangen werden müssen. Diese bestehen vor allem in einem offensichtlich unzureichenden Meldeverhalten der gemäß § 3 Abs. 2 MPSV meldepflichtigen beruflichen oder gewerblichen Betreiber und Anwender von Medizinpro-dukten. Ob die von Seiten des Gesetzgebers vorgeschla-gene Sanktionierung einer nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstatteten Meldung als Ordnungswidrigkeit der richtige Ansatz zur Behebung des erkannten Defizits ist, er-scheint überaus fraglich. So wird weitgehend angenommen, dass die Ursache für das unzureichende Meldeverhalten der Betreiber und Anwender schlicht und ergreifend in einer Unkenntnis der diesbezüglichen Pflichten sowie in orga-nisatorischen Defiziten besteht. Vor diesem Hintergrund scheint eine modifizierte Form des alternativ vorgeschlage-nen Lösungsmodells vorzugswürdig, welches in der Pflicht zur Bestellung eines Vigilanz-Beauftragten für Medizin-produkte sowie zur Einrichtung eines entsprechenden Ri-sikomanagementsystems in medizinischen Einrichtungen besteht. Auf diese Weise könnte die notwendige Kompetenz und Organisationsstruktur in die Einrichtung eingebracht und überdies eine mit einem Ordnungswidrigkeiten-Tat-bestand aller Voraussicht nach einhergehende Flut von un-begründeten Meldungen vermieden werden. Ob sich diese Erkenntnis letztlich auch auf Seiten des Gesetzgebers durch-setzen wird, bleibt abzuwarten.

Reuter/Weinrich, Der Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses584 MedR (2013) 31: 584–588

1) Vgl. hierzu schon Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, 1994, Rdnr. 719.

2) Hierbei stellt der Bewertungsausschuss ein besonderes „Vertrags-organ“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes dar (BSG, Beschl. v. 10. 12. 2008 – B 6 KA 37/08 B –, juris, Rdnr. 11).

38) Vgl. die ausführliche Darstellung berufsrechtlicher Meldepflich-ten durch Jäkel, MPR 2008, 65, 69.