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Seewlfe 747 Davis J.Harbord 1 Die Meute des Griechen Die drei Karavellen segelten von Osten heran. Vom Mittelmeer waren sie aufgebrochen, bemannt mit Kerlen aus aller Herren Lnder. Nordafrikaner waren auch dabei. Wer sie nher betrachtete, konnte unschwer erkennen, da er es mit einer Bande von Halsabschneidern zu tun hatte. Sie waren bis an die Zhne bewaffnet, ihre Mienen spiegelten das schmutzige Handwerk, das sie betrieben: Piraterie. Im Mittelmeer hatte man sie gefürchtet. Wenn die gelohten Segel der drei Karavellen vor einer Küste auftauchten, ergriffen die Landbewohner die Flucht. Auf See sprachen die Handelsfahrer ihr letztes Gebet, denn da war eine Flucht kaum noch mglich, wenn die wilde Meute des Griechen im Kielwasser aufsegelte. Aber sie hatten ihr Jagdgebiet verlegt in der Karibik sollte mehr zu holen sein ... 1. Er hie Nikos Dragumis, wurde aber allgemein der Grieche genannt. Tatschlich war er in einem Fischerdorf am Golf von ˜gina aufgewachsen, aber bereits mit vierzehn Jahren davongelaufen. Da hatte er nmlich einen Kaufmann umgebracht und beraubt - beides Ttigkeiten, die er fortan ausübte, weil sie ihm geeignet erschienen, ein flottes Leben führen zu knnen. Da ihm Hscher auf der Spur waren, hatte er auf einem türkischen Handelsfahrer Unterschlupf gefunden. Seine Karriere begann, als dieser Handelsfahrer von Piraten aufgebracht wurde. Er schlug sich auf deren Seite, indem er unmittelbar vor dem Entern dieser Schnapphhne kurzerhand seinem Kapitn ein Messer in den Rücken stie. Dieser Untat zollten die Piraten die gebührende Anerkennung, indem sie ihn in ihre Mannschaft aufnahmen. So lernte er sein mrderisches Handwerk von der Picke auf, und er war ein ausgezeichneter Lehrling, der es schnell über den Gesellen zum Meister brachte, das hei t, mit knapp zwanzig Jahren führte er als Kapitn bereits ein eigenes Schiff, eine kleine Schebecke, mit der er auf eigene Faust den Seeraub betrieb. Jetzt, mit drei ig Jahren, unterstanden ihm drei schwerarmierte Karavellen, und es war seine Idee gewesen, in der Karibik auf Raufahrt zu gehen. Nicht, da er seine Unterf ührer wegen dieser Fahrt westwrts ins Ungewisse vorher htte befragen müssen. O nein, er hatte das so bestimmt, und sie hatten zu gehorchen. Wer nicht gehorchte, brauchte über seine persnliche Zukunft nicht mehr nachzudenken, weil ihn der Grieche ohne viel Federlesens vom Leben zum Tode bef rderte. Nikos Dragumis war unumschrnkter Herrscher über die etwa neunzig Kerle auf den drei Karavellen. Sie fürchteten ihn. Andererseits wurde er bewundert, denn noch immer hatte er bei seinen Raubfahrten bewiesen, da er schlauer war Die Hauptpersonen des Romans: Nikos Dragumis der Grieche hat mit drei Karavellen das Mittelmeer verlassen, um in der Karibik auf Raubfahrt zu gehen. Barca der Kapitn einer dieser drei Karavellen begreift zu spt, dass ihm eine Henkersmahlzeit vorgesetzt wird. Capitan Juan de Zarate erhlt einen erstaunlichen Besuch, der ihn nachdenklich stimmt. Jean Ribault und Edmond Bayeux - kapern zwei Karavellen, um sie den Spaniern zu schenken. Siri-Tong die Rote Korsarin wagt sich in die Hhle des Lwen, wird aber nicht gebissen.

Die Meute des Griechen

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Die drei Karavellen segelten von Osten heran. Vom Mittelmeer waren sie aufgebrochen, bemannt mit Kerlen aus aller Herren Länder. Nordafrikaner waren auch dabei. Wer sie

näher betrachtete, konnte unschwer erkennen, daß er es mit einer Bande von Halsabschneidern zu tun hatte. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, ihre Mienen

spiegelten das schmutzige Handwerk, das sie betrieben: Piraterie. Im Mittelmeer hatte man sie gefürchtet. Wenn die gelohten Segel der drei Karavellen

vor einer Küste auftauchten, ergriffen die Landbewohner die Flucht. Auf See sprachen die Handelsfahrer ihr letztes Gebet, denn da war eine Flucht kaum noch möglich, wenn die wilde Meute des Griechen im Kielwasser aufsegelte. Aber sie hatten ihr Jagdgebiet

verlegt � in der Karibik sollte mehr zu holen sein ...

1. Er hieß Nikos Dragumis, wurde aber allgemein �der Grieche� genannt. Tatsächlich war er in einem Fischerdorf am Golf von Ägina aufgewachsen, aber bereits mit vierzehn Jahren davongelaufen. Da hatte er nämlich einen Kaufmann umgebracht und beraubt - beides Tätigkeiten, die er fortan ausübte, weil sie ihm geeignet erschienen, ein flottes Leben führen zu können. Da ihm Häscher auf der Spur waren, hatte er auf einem türkischen Handelsfahrer Unterschlupf gefunden. Seine �Karriere� begann, als dieser Handelsfahrer von Piraten aufgebracht wurde. Er schlug sich auf deren Seite, indem er unmittelbar vor dem Entern dieser Schnapphähne kurzerhand seinem Kapitän ein Messer in den Rücken stieß. Dieser Untat zollten die Piraten die gebührende Anerkennung, indem sie ihn in ihre Mannschaft aufnahmen. So lernte er sein mörderisches Handwerk von der Picke auf, und er war ein

ausgezeichneter Lehrling, der es schnell über den Gesellen zum Meister brachte, das heißt, mit knapp zwanzig Jahren führte er als Kapitän bereits ein eigenes Schiff, eine kleine Schebecke, mit der er auf eigene Faust den Seeraub betrieb. Jetzt, mit dreißig Jahren, unterstanden ihm drei schwerarmierte Karavellen, und es war seine Idee gewesen, in der Karibik auf Raufahrt zu gehen. Nicht, daß er seine Unterführer wegen dieser Fahrt westwärts ins Ungewisse vorher hätte befragen müssen. O nein, er hatte das so bestimmt, und sie hatten zu gehorchen. Wer nicht gehorchte, brauchte über seine persönliche Zukunft nicht mehr nachzudenken, weil ihn der Grieche ohne viel Federlesens vom Leben zum Tode beförderte. Nikos Dragumis war unumschränkter Herrscher über die etwa neunzig Kerle auf den drei Karavellen. Sie fürchteten ihn. Andererseits wurde er bewundert, denn noch immer hatte er bei seinen Raubfahrten bewiesen, daß er schlauer war

Die Hauptpersonen des Romans: Nikos Dragumis � der Grieche hat mit drei Karavellen das Mittelmeer verlassen, um in der Karibik auf Raubfahrt zu gehen. Barca � der Kapitän einer dieser drei Karavellen begreift zu spät, dass ihm eine Henkersmahlzeit vorgesetzt wird. Capitan Juan de Zarate � erhält einen erstaunlichen Besuch, der ihn nachdenklich stimmt. Jean Ribault und Edmond Bayeux - kapern zwei Karavellen, um sie den Spaniern zu �schenken�. Siri-Tong � die Rote Korsarin wagt sich in die Höhle des Löwen, wird aber nicht gebissen.

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als das Wild, das sie jagten. Außerdem schien er kugelfest zu sein, denn er war, von ein paar Schrammen abgesehen, bei den Enterkämpfen nie ernsthaft verletzt worden. Dabei stürzte er sich meist in das wildeste Getümmel. O ja, kämpfen konnte er, dieser stiernackige, bärenstarke Bulle mit dem Glatzkopf, dem schwarzen Sichelbart und den harten Augen, die so schwarz wie Obsidian schimmerten, den man als Glasachat in den Lavaströmen fand. Dabei war er von füchsischer Schläue, gerissen und durchtrieben, schnell in seinen Reaktionen � und bar jeglicher Skrupel. Und was die Seemannschaft betraf, war er ihnen allen über. Und immer hatten sie Beute gerissen, an der sie alle teilhatten. Sie waren keine armen Kirchenmäuse. Einige trugen stolz funkelnde Goldringe an den Ohrläppchen, goldene Halsketten oder Armreifen oder gar Brillantbroschen an den Kopftüchern. Unter dem Griechen ging es ihnen gut. Denn einen Teil der Beute verkaufte er mit gutem Gewinn an bestimmte Händler in den Hafenstädten, und von dem Gewinn wiederum wurden jene Kosten bestritten, die für die Versorgung der Meute und zum Erhalt der Schiffe erforderlich waren. Wer von den Kerlen zu rechnen verstand, mußte gerechterweise anerkennen, daß der Grieche bezüglich des Wohllebens seiner Mannschaft keineswegs knauserig war. Außerdem hatte er dafür gesorgt, daß die Kombüsen der drei Schiffe von Burschen besetzt waren, die von der Kochkunst etwas verstanden. Es gab keinen Fraß oder jene Einheitspampe, wie sie sonst auf Schiffen üblich war, deren Kapitäne daran verdienten, daß sie ihre Mannschaften hungern ließen. Von ähnlicher Qualität waren jene Posten besetzt, die von den jeweiligen Funktionen her für die Schiffe notwendig waren � Segelmacher, Takel- und Stückmeister sowie Schiffszimmerleute und Bootsleute. Er hatte sie alle ausgesucht � und wenn sie nichts taugten, über die Klinge springen lassen.

Er wußte eben, was er wollte, dieser Grieche, der in seiner Lehrzeit scharf beobachtet und für sich die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Den Sinn von �Zuckerbrot und Peitsche� hatte er sehr genau begriffen und wandte ihn mit Erfolg an. Mit dem �Zuckerbrot� war es in einem bestimmten Sinne zur Zeit schlecht bestellt, und zwar auf allen drei Schiffen. Das heißt, Schmalhans war Küchenmeister geworden. Es mußte verdammt rationiert werden. Vor acht Wochen hatten sie Gibraltar hinter sich gelassen. Seitdem waren sie ununterbrochen auf See, ohne noch einmal ihren Proviant und, ihr Trinkwasser ergänzt zu haben. Der Grieche hatte gehört, daß die Kapitäne jener Schiffe, die in die Neue Welt segelten, in der Regel eine der Kanarischen Inseln ansteuerten, um sich zum letztenmal zu verproviantieren. Er hatte darauf verzichtet, obwohl es ihn gereizt hätte, einen der Kanarenhäfen auszuplündern. Er wollte geradewegs in die Karibik, das war der schlichte Grund gewesen. Jetzt war er sich keineswegs sicher, ob dieser Entschluß richtig gewesen war. Aber die Unsicherheit ließ er sich nicht anmerken. Dabei entging ihm nicht, daß die Kerle von Tag zu Tag mürrischer und verdrossener wurden. Sie hatten ihre Gürtel enger schnallen müssen, und das paßte ihnen nicht, zumal sie, was die Verpflegung betraf, verwöhnt waren. Jetzt wirkte sich das �Zuckerbrot� negativ aus. Immerhin waren sie alle in bester körperlicher Verfassung gewesen, als sie die Alte Welt hinter sich gelassen hatten. Erst in den letzten beiden Wochen waren die Rationen verkürzt worden. Der Grieche fand, daß die Kerle noch lange keinen Grund hatten, wegen der derzeitigen Schmalkost muffige Mienen aufzusetzen. Vielleicht sollte er mal wieder die �Peitsche� einsetzen, eh? Er wurde an diesem Vormittag Ende Februar des Jahres 1600 genau auf diesen Punkt gestoßen, denn der Kombüsenmann, der auch zugleich Proviantmeister war, erschien bei ihm auf dem Achterdeck. Und

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dessen Miene war schon nicht mehr muffig, sondern geradezu finster. �Was ist los, Korse?� knurrte der Grieche. Der Kombüsenmann wurde schlicht so genannt, weil er von der Insel Korsika stammte. Ob er einen richtigen Namen hatte, war nicht bekannt. Vielleicht wußte er ihn selbst nicht mal. Er war ein ungeschlachter Kerl, der wenig sprach. Jetzt erwiderte er auf die Frage des Griechen nicht sehr laut, als wolle er keine Zuhörer haben: �Ich habe vorhin unseren Proviantraum kontrolliert, Kapitän.� Er spuckte nach Lee über Bord. �Dort ist eingebrochen worden � vermutlich letzte Nacht. Es fehlen ein Schinken, drei Hartwürste, ein Block Käse sowie Schiffszwieback.� Er spuckte wieder über Bord. �Außerdem sind noch Rotweinflaschen verschwunden.� �Verdammt�, murmelte der Grieche, und sofort wanderten seine Blicke über Deck. War da vielleicht einer, der sie beobachtete? Nein, keiner schaute zum Achterdeck � was nichts besagte, denn der Dieb konnte längst bemerkt haben, daß der Korse aufs Achterdeck gestiegen war und mit dem Kapitän sprach. Dieb? Oder Diebe? Wenn es mehrere waren, sah die Sache noch übler aus. �Hast du einen Verdacht?� fragte der Grieche leise und schaute zum Rudergänger. Aber der sah nicht so aus, als höre er zu. Sie sprachen beide auch sehr gedämpft. Der Korse schüttelte den Kopf. �Nicht den geringsten, Kapitän.� �Das Schott zur Proviantlast ist mit einem Vorhängeschloß gesichert, nicht wahr?� �Ja.� �Wurde es aufgebrochen?� fragte der Grieche. �Nein, Kapitän. Aufgeschlossen � und wieder zugeschlossen. Da muß einer einen Nachschlüssel oder einen Haken haben.� Ein feiner Hinweis. Der Grieche pfiff durch die Zähne. Dann sagte er: �Ist gut, Korse. Niemand erfährt etwas von dem Einbruch. Es bleibt unter uns, klar?� �Verstanden, Kapitän.�

Der Grieche nickte ihm zu, und der Kombüsenmann trabte wieder ab. Nikos Dragumis legte die Hände auf den Rücken und wanderte auf dem Achterdeck auf und ab. Er kannte jeden einzelnen in seiner Mannschaft, mit seinen Fehlern und Schwächen, mit seinen Vorzügen und Fähigkeiten. Die Fähigkeit, einen Nachschlüssel anzufertigen oder mit einem Haken ein Vorhängeschloß zu öffnen, hatten nur zwei Kerle in dieser wilden Meute. Mit einem schnellen Blick stellte der Grieche fest, daß keiner der beiden an Deck war. Also hatten sie Freiwache. Um so besser, dachte der Grieche.

* �Welcher Kurs liegt an?� fragte er den Rudergänger. �Westen zum Süden, Kapitän�, erwiderte der Rudergänger. �Kursänderung?� �Nein, Kurs bleibt. Bin im Vordeck. Dauert nicht lange. Sollte was gesichtet werden � mich wahrschauen, klar?� �Klar, Kapitän.� Der Grieche verließ das Achterdeck, tigerte über die Kuhl und verschwand im Vordeck. Einige Freiwächter hockten auf ihren Kojen und dösten vor sich hin. Drei würfelten an einer Back. Die anderen schliefen. Hafez, der Syrer aus Beirut, war einer der Schläfer. Ebenso der Genuese Picardi. Der Grieche legte den Finger auf den Mund, als einer der Freiwächter aufsprang und etwas sagen wollte. �Wo ist der Spind von Hafez?� fragte er den Kerl leise. Der Mann deutete auf das Schapp, das sich auf der Backbordseite zwischen zwei Doppelkojen befand, das heißt, die Doppelkojen bestanden jeweils aus einer Ober- und einer Unterkoje. Dementsprechend waren die Schapps eingeteilt, zwei oben, zwei unten. Das rechte obere Schapp war das von Hafez. Der Grieche öffnete und durchsuchte es. Er fand nichts, nur die Klamotten und den

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sonstigen Kleinkram, den ein Seemann hatte. Im Schapp des Genuesen Picardi � es lag auf der Steuerbordseite � wurde er allerdings fündig. Der Käse stank bereits. Und da war auch der Nachschlüssel, sauber angefertigt und zurechtgefeilt. Der Grieche steckte ihn ein und drehte sich langsam um. Die Kerle starrten ihn an � mit offenen Mündern. Der Grieche nickte ihnen zu, ein seltsames Glitzern in den Obsidianaugen. Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zum Schapp. �Da sind noch Fressalien drin�, sagte er, �geklaut aus der Proviantlast. Auch Rotwein. Könnt ihr alles haben � guten Appetit!� Ein hartes Grinsen kerbte seine Mundwinkel, als er das Vordeck wieder verließ, ohne noch etwas zu sagen. Als er den Niedergang hochstieg, hörte er bereits, wie sie über Picardi herfielen. Und wenn sie ihn zusammengedroschen hatten, würden sie genauso über das Schapp herfallen. Und dann? Das harte Grinsen blieb wie festgefroren im Gesicht des Griechen. Er überquerte langsam die Kuhl, die Hände wieder auf dem Rücken verschränkt. Der Krach und Lärm samt wilder Flüche waren vom Vordeck her bis hier oben zu hören. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Kerle an Oberdeck die Ohren spitzten und lauschten. Klar, daß sie sich verwundert fragten, was da vorn unter der Back los sein mochte. Als er aufs Achterdeck stieg, tauchte sein Erster Offizier und Bootsmann aus dem achteren Niedergang auf. Daß Djerba � er stammte von der gleichnamigen Pirateninsel vor der tunesischen Küste � die Ohren eines Luchses hatte, wußte der Grieche. Trotzdem freute er sich. Auf Djerba war Verlaß. Er hörte das Gras wachsen, auch wenn ihm die Hälfte des linken Ohres fehlte. Die ging zu Lasten eines dieser verrückten Malteserritter, die sich wie die Löwen gewehrt hatten, als sie einmal über La

Valetta, die maltesische Hafenstadt, hergefallen waren. Der Grieche erinnerte sich nicht gern daran. Diese Ordensleute vom Malteserkreuz hatten mit einer mörderischen Klinge gefochten, und eine erkleckliche Anzahl aus seiner Meute war dabei draufgegangen. Gelohnt hatte sich der Überfall schon gar nicht. Seitdem hatte er um Malta einen weiten Bogen geschlagen. Immer wenn der Grieche auf dieses halbe linke Ohr blickte, dann dachte er daran, daß der Streich dieses verrückten Maltesers eigentlich ihm gegolten hatte. Aber Djerba hatte sich dazwischen geworfen und den Hieb abgefangen. Die Klinge hatte sein Ohr geteilt und war in seine linke Schulter gefahren. Noch heute hatte Djerba dort eine tiefe Narbe. Jetzt fragte Djerba wachsam: �Was ist da vorne los, Nikos?� �Sie verprügeln Picardi�, erwiderte der Grieche und erklärte seinem Ersten, was vorgefallen war. Djerba fluchte und sagte: �Er muß das Zeug während meiner Wache geklaut haben. Tatsächlich war er mal verschwunden, etwa für eine Viertelstunde.� �Das reichte auch�, sagte der Grieche. �Mit einem Nachschlüssel ist das kein Problem.� Er holte den Schlüssel hervor und betrachtete ihn nachdenklich. �Möchte mal wissen, wie lange er an dem Ding gearbeitet hat.� Er blickte auf und Djerba in die dunklen Augen. �Und keiner hat etwas bemerkt! Das ist nämlich der Punkt. Da geht einer bei, feilt sich einen Schlüssel zurecht � wo eigentlich? �, und niemand nimmt davon Notiz?� �Ja, wo?� murmelte Djerba. �Und mit welchen Werkzeugen?� Sein hartes, knochiges Gesicht erhellte sich. �Vielleicht sollten wir mal Bombarde befragen?� Bombarde war der Stück- und Waffenmeister auf der Karavelle des Griechen, ein hagerer, dürrer Kerl, von dem niemand wußte, wie er wirklich hieß oder woher er stammte. Seine rechte Gesichtshälfte war bläulich gesprenkelt �

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von den Pulverrückständen einer Kartuschenexplosion. Seitdem zuckte er ständig mit dem rechten Auge. Aber schießen konnte er. �Laß ihn holen�, sagte der Grieche. Ein paar Minuten später stand der dürre Kerl auf dem Achterdeck und blickte seinen Kapitän augenzuckend und fragend an. �War Picardi in der letzten Zeit mal bei dir in der Waffenkammer?� erkundigte sich der Grieche wie beiläufig. Bombarde nickte. �Mehrere Male, Kapitän. Feilte da 'n Schlüssel zurecht.� Er stierte auf den Schlüssel, den der Grieche in der linken Hand hielt, sein rechtes Auge zuckte noch mehr, und er sagte: �den da, Kapitän, genau den.� �Was sagte er? Zu was brauchte er den Schlüssel?� �Zu was?� Starkes Augenzucken. �Für seine Seekiste, Kapitän, für das Vorhängeschloß. Er sagte, er hätte seinen Schlüssel verloren und könne nicht mehr an die verdammte Kiste.� Der Grieche und Djerba wechselten einen Blick, und Djerba sagte kopfschüttelnd: �Ist das ein Idiot! So was Dämliches! Sobald der Diebstahl bemerkt wird � und das bei unbeschädigtem Schloß �, mußte er doch damit rechnen, daß er geliefert ist. Bornbarde brauchte bei Bekanntgabe des Diebstahls aus der Proviantlast nur zwei und zwei zusammenzuzählen ...� �... und konnte Picardi erpressen, eh?� unterbrach der Grieche. Und scharf beobachtete er den Stückmeister. Ja, das Zucken des rechten Auges blieb aus. Das war eine Eigentümlichkeit des Stückmeisters, wenn er völlig verblüfft war. Dann wirkte das Auge fast starr. Und Bombarde stotterte: �Ich � ich soll Picardi erpreßt haben, Kapitän.? Aber warum denn?� �Schon gut, Bombarde.� Der Grieche klopfte ihm auf die Schulter. �War so eine Idee. Es ist alles in Ordnung.� Er hielt den Schlüssel hoch. �Der paßt genau in das Vorhängeschloß am Schott der Proviantlast. Während ihr eure Riemen enger schnallt, vergreift sich Picardi in der

Last an Schinken, Hartwürsten, Käse, Hartbrot und Wein.� �Dieser Bastard!� knurrte Bombarde, und sein rechtes Auge zuckte wie wild. �Dieser dreimal gelackte Bastard!� �Gelackt� stimmte. Picardi war sozusagen ein Schönling, ein Mann, der sich pflegte und gewissermaßen polierte. Frauen gegenüber hielt er sich für unwiderstehlich. Vor den Kumpanen prahlte er mit seinen Weibergeschichten. Im Kampf war er tückisch und verschlagen. Ebenso wie Hafez, der Syrer, hatte er das Handwerk des Kleinschmiedes gelernt, wozu auch der Schlosser gehörte. Von beiden Kerlen war dem Griechen bekannt, daß sie aus ihren Zünften ausgeschlossen worden waren, weil sie ihre Handfertigkeiten mißbraucht hatten, nämlich zum Herstellen von Schlüsseln und Haken, um einbrechen zu können. Wie der Grieche selbst hatten sie sich dem Zugriff der Polizeibüttel entzogen, indem sie auf Handelsfahrern angeheuert hatten. Irgendwann waren sie dann zu der Meute des Griechen gestoßen, der Wert darauf legte, Kerle mit handwerklichem Geschick in seiner Mannschaft zu haben. Die Kehrseite der Medaille war das, was sich Picardi geleistet hatte. Da biß sich also die Katze in den Schwanz, wie man so schön sagt. Der Grieche hatte immer damit gerechnet, daß so etwas mal passieren würde. Und er hatte sich vorgenommen, mit aller Härte zu reagieren. Den Kerlen Moral zu predigen oder was von Ehre vorzufaseln, wäre absurd gewesen, ganz abgesehen davon, daß beide Begriffe dem Griechen allenfalls ein verächtliches Grinsen entlockten. Aber wenn einer den Kumpanen etwas wegfraß � und das in einer Phase der Rationierung �, dann war das ein Angriff auf die gesamte Mannschaft. Mundraub nannte man das. Der Grieche war nicht der Mann, so etwas hinzunehmen.

2. Es lief alles so ab, wie der Grieche vorausgesehen hatte. Die Kerle im

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Vordeck schlugen Picardi halbtot. Auf diese Weise konnten sie ihre Wut abladen und sich austoben � ein gutes Mittel in diesem besonderen Fall. Denn jetzt hatten sie einen Sündenbock für den Proviantmangel. Hatten sie möglicherweise vorher ihrem Kapitän die Schuld dafür zugemessen, am Hungertuch nagen zu müssen, dann verschob sich jetzt die Schuldzuweisung auf die Person Picardis. Bombarde hatte kaum von dem �dreimal gelackten Bastard� gesprochen, da entstand am Niedergang zum Vordeck ein Gedränge. Auf dem Gesicht des Griechen tauchte wieder das eisige Grinsen auf. Genauso hatte er sich das vorgestellt. Picardi wurde an Deck gezerrt und über die Kuhl bis kurz vor das Achterdeck geschleppt. Dort ließen sie ihn los, und er sackte in sich zusammen, grün und blau geschlagen und mit verschwollener Visage. Seine Weibergeschichten hatte er zur Zeit wohl kaum im Kopf. Vielleicht dachte er, mit den Prügeln, die er hatte einstecken müssen, genug gebüßt zu haben. Wenn dem so war, dann kannte er den Griechen nicht. Inzwischen wußte die ganze Meute, daß Picardi in die Proviantlast eingebrochen war und sich dort satt bedient hatte. In den Mienen der Kerle spiegelte sich blanke Wut. �Na?� fragte der Grieche gleichmütig. Einer der Kerle trat vor und knurrte: �Wir erwarten, daß dieser räudige Hund bestraft wird, Kapitän.� �So. Erwartet ihr, hm-hm, keine schlechte Idee�, sagte der Grieche fast träumerisch. �Habt ihr schon einen Vorschlag? Ich meine, die Strafe muß natürlich der Tatsache angemessen sein, daß er euch Proviant weggefressen hat, vielleicht wichtiger Proviant, der noch zwei Tage lang für alle gereicht hätte.� Der Kerl brachte ein Grinsen zustande. �Er hatte es immer mit den Weibern, Kapitän. Da könnten wir ihm die Gelegenheit geben, mit des Seilers Tochter Hochzeit zu feiern!� Zustimmendes Gemurmel klang auf. Was der Kerl so freundlich umschrieben hatte,

bedeutete nichts anderes, als Picardi aufzuknüpfen. Picardi war wohl seit einigen Minuten wieder bei Bewußtsein und hatte gehört, was gefordert wurde. Er hob den Kopf und schrie: �Neiiin! Ihr dürft mich nicht aufhängen� �Halt's Maul, du Ratte!� fuhr ihn der Kerl an und versetzte ihm einen Fußtritt. �Du hast hier nichts mehr zu vermelden, damit das klar ist.� �Aber wenn ihm des Seilers Tochter um den Hals fällt, darf er wieder schreien!� rief ein anderer Kerl höhnisch und lachte roh. �Schließlich muß er sein Liebchen ja begrüßen!� Die Kerle sparten nicht mit weiteren Empfehlungen, was dieser Art von �Hochzeit� betraf, und so blieben auch die Schlüpfrigkeiten nicht aus, die sich auf das unerschöpfliche Thema der Brautnacht bezogen. Der Bräutigam, der keiner sein wollte, wand sich in Qualen. Erst als der Grieche die Hand hob, verstummten die Kerle. Er sagte: �So eine Hochzeitsfeier ist wirklich was Feines, ich bitte jedoch zu bedenken, daß sich der Hochzeiter schnell zu Tode gezappelt hat. Er soll aber etwas davon haben, nicht wahr? Daher schlage ich vor, ihn ein bißchen zu kielholen. Doch das müßt ihr entscheiden ...� Der Grieche brauchte nicht weiterzusprechen. Das Gejohle, das ausbrach, signalisierte eindeutig Zustimmung. Kielholen war viel, viel besser als Aufhängen. Das brachte auch mehr Spaß für alle � wohlgemerkt im Sinne ihrer rüden und gewalttätigen Art. Der Grieche hatte alles gut berechnet und erwogen. Diese im Grunde furchtbare Hinrichtung war ihm zweckdienlich, um die Kerle abzulenken. Sie würden noch Tage davon sprechen, wie sie den schönen Genuesen zu Tode befördert hatten, Tage, welche die Spanne überbrücken würden, die jetzt noch zwischen den drei Karavellen und den Bahama-Inseln lag, auf die der Grieche zu stoßen hoffte. Er befahl seinem Ersten, in den Wind zu gehen und den beiden nachfolgenden Karavellen zu signalisieren, dem Beispiel

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des Flaggschiffs zu folgen, und zwar so, daß sie an Backbord und Steuerbord seines Schiffes lagen. Die Kerle dort an Bord sollten zusehen, wie hier ein Mann kielgeholt wurde. Und sie würden natürlich auch erfahren, warum diese Strafe verhängt worden war. Währenddessen fackelten die Kerle nicht lange. Unter weiterem Gejohle rissen sie Picardi hoch und banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen. Ein paar andere holten eine lange feste Leine, eilten zum Bug, warfen sie über den Steven und zogen sie beidseits unter dem Kiel entlang bis zur Kuhl in Höhe des mittleren Mastes. Das Ende der Leine an Steuerbord knüpften sie um Picardis Knöchel. Das Ende auf der Backbordseite wurde zunächst auf einer Klampe am Schanzkleid belegt. Eine weitere lange Leine schlangen sie unter Picardis Achselhöhe hindurch um seine Brust und verknüpften sie auf dem Rücken. Mit einem Schwung beförderten sie ihren Delinquenten über das Schanzkleid an Steuerbord und hielten ihn an der Achselleine fest, während ein paar andere an Backbord die Fußleine losschlugen und so weit durchholten, bis Picardis Füße senkrecht nach unten zum Wasser zeigten. So ließen sie ihn erst mal hängen, .bis das Flaggschiff im Wind lag und ebenso die beiden anderen Karavellen an Backbord und Steuerbord. Picardi kreischte, als habe er den Verstand verloren. Wenn das so war, würde es ein Segen für ihn sein, denn es verminderte sein Empfindungsvermögen. Er krümmte sich wie ein Wurm an der äußeren Bordwand, aber viel Bewegung blieb ihm nicht, weil die Fußleine straff durchgeholt war, ebenso die Achselleine, die seinen Rücken an die Bordwand preßte. Picardis Kreischen ging in ein Keuchen über, dann in ein Ächzen und Stöhnen. Es hätte einen Hund jammern können, aber die Kerle grinsten bösartig, gemein, höhnisch oder begierig � je nach Art ihrer verwilderten Charaktere.

Ein pockennarbiger Kerl, der mit seinen beiden goldenen Ohrringen nicht besser, sondern noch abstoßender aussah, meldete dem Griechen: �Alles klar zum Kielholen, Kapitän!� Und er feixte dreckig. Seine Zähne wurden dabei sichtbar � oder vielmehr das, was davon noch übrig war, nämlich schwärzliche Ruinen. �Dann habe ich nichts dagegen, daß ihr anfangt�, sagte der Grieche, �aber seht zu, daß er das Kielholen auch genießen kann. Wenn er zu lange unter Wasser bleibt, erstickt er uns womöglich. Und das wollen wir doch nicht, eh?� �Geht klar, Kapitän�, sagte der Pockennarbige und zeigte noch mehr Ruinen. Er drehte sich um und grölte: �Wegfieren und durchholen!� Die grausame Prozedur begann. Während die Kerle an der Achselleine Lose gaben, holten die anderen drüben auf der Backbordseite die Fußleine durch. Gurgelnd verschwand Picardi unter Wasser. Abgesehen von den Kerlen an den beiden Leinen, standen die anderen am Schanzkleid oder auf den Webeleinen der Wanten, um sich ja nichts entgehen zu lassen. Genauso verhielt es sich auf den beiden Karavellen an Sackbord und Steuerbord des Flaggschiffs. Alle wollten das Spektakel miterleben und sich daran weiden, wie ein Mann zu Tode gebracht wurde. Vielleicht war etwas Abschreckung dabei. Ganz gewiß aber stellte das Kielholen für die Kerle eine Abwechslung im öden Trott der Bordroutine dar. Das Leid des einen war die Lust der anderen. Wo Picardi abgetaucht war, blubberten ein paar Blasen hoch. jetzt liefen die Zuschauer auf dem Flaggschiff alle zur Backbordseite, um zur Stelle zu sein, wenn Picardi � an den süßen zuerst � aus dem Wasser gezogen wurde. Die Kerle an der Fußleine holten kräftig und mit Gejohle durch. Das Brüllen und Grölen setzte ein, als Picardis Füße aus dem Wasser auftauchten, und es steigerte sich zu einem wüsten Höllenchor, als der Gekielholte, schwach

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zappelnd, kopfunter an der Bordwand hing. Er blutete am Nacken, und auch sein Rücken war verletzt. Die Rückseiten von Hemd und Hose hingen bereits in Fetzen, eine Folge des Muschelbewuchses an den Unterwasserplanken des Schiffes. Ein Mitleid für den. Geschundenen Mann empfanden diese gewalttätigen Kerle nicht. �Weiter! Weiter!� brüllten einige. Und schon verschwand Picardi erneut unter Wasser. Jetzt gaben die Kerle an Backbord Lose, und jene auf der Steuerbordseite holten die Achselleine durch. Was dann folgte, artete zu einem Gemetzel aus, aber nicht wegen der scharfkantigen Muscheln.

* Die mörderischen Jäger waren urplötzlich zur Stelle. Sie pfeilten von Westen heran, ihre Schwanz- und Rückenflossen zerschnitten das Wasser wie mit einem Messer. �Haie!� brüllte Djerba, der mit dem Griechen auf dem Achterdeck stand und sich zufällig umgeschaut hatte die Schiffe lagen ja im Wind, den Bug nach Nordosten gerichtet. Der Grieche fuhr herum und fluchte � einerseits, weil er sich die langsame Hinrichtung Picardis nicht verderben lassen wollte, andererseits, weil er fast erschrocken darüber war, hier auf diese Raubfische zu treffen. Er kannte sie vom Mittelmeer her, hatte aber nicht gewußt, daß es sie auch in diesen Gewässern gab. Daß sie zu reißenden Bestien wurden, wenn sie Blut witterten, war ihm bekannt � seinem Ersten Offizier Djerba ebenfalls. Denn sie hatten im Mittelmeer erlebt, was passierte, wenn vom Enterkampf verletzte und über Bord gestürzte Kumpane oder Gegner von Haien attackiert und zerrissen worden waren. Vor Haien hatte der Grieche gehörigen Respekt � ein Begriff, der ihm sonst fremd war. Als er ihre langen, geschmeidigen Körper herangleiten sah, fröstelte es ihn. Zugleich war er fasziniert, und seine

Augen begannen zu glitzern. Da war auch Neugier, was jetzt wohl passieren würde. Keineswegs dachte er daran, die Hinrichtung zu unterbrechen. Ein Befehl hätte genügt, Picardi noch vor dem Angriff der Haie schnell hochzuziehen und somit aus dem Bereich der mörderischen Zähne zu bringen. Eben noch wütend über die Störung, hatte er sie bereits verdrängt und beobachtete lauernd. Drei Haie waren es, und sie waren noch größer als jene im Mittelmeer. Die Kerle hatten den Warnruf Djerbas zwar gehört, und wer sich umblickte, sah die Haie auch, aber ihnen war wohl noch nicht so recht klar, was sich jetzt abspielen würde. Die Burschen an der Achselleine zogen Picardi gerade aus dem Wasser, als die Haie heran waren. Einer von ihnen schnellte hoch und schnappte zu. Einige der Kerle starrten direkt in das breite Maul der Bestie, das mit seinen unzähligen scharfen Zähnen einer großen Wolfsfalle glich. Oder sie blickten in die ausdruckslosen kalten Augen. Der Schrei, den Picardi ausstieß, war grell und in einer Tonlage, wie sie der Grieche noch nie gehört hatte � nein, manchmal schrien Tiere so, wenn sie tödlich verletzt wurden. Als der Hai abtauchte, hatte Picardi nur noch zwei Unterschenkelstümpfe. Und mit den Füßen war auch die Fußleine verschwunden. Sekunden später wurde das Opfer noch einmal verkürzt, als die beiden anderen Haie wie rasend zubissen. Sie amputierten Picardi bis zu den Oberschenkeln. Zu diesem Zeitpunkt reagierten einige der Kerle, die bisher wie dumm nach unten geglotzt hatten, Herzschläge lang unfähig, zu begreifen, was sich dort abspielte. Sie rissen Pistolen heraus und feuerten auf die Haie. Sie brüllten und tobten und führten sich auf, als seien sie zutiefst beleidigt worden. Musketen und Tromblons wurden herangeschleppt. Und über dem Wasser baumelte der gräßliche Torso des Genuesen, der seine Kumpane bestohlen hatte � ein

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menschlicher Köder für drei Haie, die bereits zugeschlagen hatten und jetzt von einer mörderischen Freßgier befallen wurden. An Backbord der Karavelle des Griechen schäumte und strudelte das Wasser. Drei zuckende Fischleiber schnellten hoch nach der Beute, die über ihnen pendelte. Einer der Haie prallte mit Wucht gegen die Bordwand, und es klang, als habe dort jemand mit einem Schmiedehammer zugeschlagen. Und jetzt krachten Musketen und Tromblons. Einer der Kerle war sogar auf den Handlauf des Schanzkleides gesprungen, hielt sich mit der linken Hand am Großwant fest und stieß mit der säbelbewehrten anderen Hand zu, als einer der Haie dicht an ihm vorbeiglitt. Die Klinge drang dem Hai unterhalb der vorderen Rückenflosse in den Leib. Er schnellte noch in der Luft herum, schnappte zu und biß dem Kerl den Unterarm ab, dessen Hand den Säbel immer noch hielt. Säbel, Hand und Unterarm verschwanden mit dem Hai unter Wasser. Und der Kerl kippte hinterher � eine willkommene, weil bequemere Beute für die Haie, die nicht mehr nach dem Köder über Wasser zu schnappen brauchten. �Laßt die Achselleine los!� brüllte der Grieche, und er hatte vor Wut fast Schaum vor dem Mund. Kielholen hin � Kielholen her. Was als ablenkendes Schauspiel gedacht gewesen war, artete zu etwas aus, das dem Griechen zu entgleiten drohte. Hätte Picardi mit des Seilers Tochter �Hochzeit� gefeiert � wie die Kerle vorgeschlagen hatten �, dann wäre ein Mann am Leben geblieben, ein guter Mann, der ein hervorragender Säbelkämpfer gewesen war � und jetzt von Haien zerfetzt wurde. Genau über diese Tatsache würden die Kerle im Vordeck, wenn niemand von der Schiffsführung zuhörte, hitzig diskutieren, aber kaum kontrovers.

Ja, der Kapitän hatte das vorgeschlagen, das Kielholen! Und was war daraus geworden? Scheiße! Und wo führte sie dieser Kapitän überhaupt hin? Wo war denn jene sagenhafte Neue Welt, auf die sie immer noch nicht gestoßen waren? Wo spanische Schiffe sein sollten, beladen bis unter die Luken mit Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen, genug, um alle Kerle zu reichen Männern werden zu lassen? Ja, wo war das denn alles? Und dafür sollten sie hungern � oder womöglich verdursten? Diese Gedanken schossen dem Griechen durch den Kopf � innerhalb von Sekunden �, und darum kochte er vor Wut über. Weg mit dem Genuesen! Aus dem �Spaß� war mörderischer Ernst geworden. Picardi hatte nichts getaugt, aber der Säbelmann war gut gewesen, nicht nur gut, sondern auch verwegen, ein Draufgänger � und jetzt war er selbst draufgegangen. Wegen der verdammten Haie, wegen des verdammten Kielholens! �Und legt die Haie um!� brüllte der Grieche. �Schießt sie ab, denn sie haben unseren besten Säbelkämpfer gefressen!� Nun ja, das war alles ziemlich absurd. Wenn der �beste Säbelkämpfer� so dämlich war, sich mit einem Hai anzulegen � und das aus einer fragwürdigen Position heraus �, dann hatte er selbst schuld. Haie reagieren eben anders als Mannschaften oder Kapitäne von Handelsschiffen, deren Fechtkünste berechenbar waren. Aber mit den Haien suggerierte der Grieche seinen Kerlen ein neues Feindbild � und sogar mit Erfolg. Während der Torso Picardis ins Wasser klatschte � mitten hinein in das tosende Gestrudel, in dem sich die Haie um den �Säbelmann� stritten �, krachten die Schüsse von Musketen und Tromblons. Und da waren auch Drehbassen, in Windeseile herbeigeholt und auf dem Backbordschanzkleid montiert, die ihre gehackten Ladungen ausspien. Aus diesem Grunde wurde das Kielholen zu einem Gemetzel.

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Denn weitere Haie pfeilten heran. Und die Meute des Griechen, die westwärts gesegelt war, um unter den spanischen Schatzschiffen zu wildern, tobte sich zunächst an den Haien aus. Gleiches passierte auf den beiden anderen Karavellen. Auch dort waren Drehbassen in Aktion, wurde aus Musketen und Tromblons geschossen, sobald ein Hai in Schußweite gesichtet wurde. Die Kerle steigerten sich in die gleiche Raserei wie die Haie, das um so mehr, als sie bemerkten, daß die Tiere über verletzte Artgenossen herfielen, sie zerfetzten und verschlangen. Im Grunde war das alles Wahnwitz, andererseits aber eine Art Ersatzhandlung, die der Grieche gesteuert hatte. Nach acht Wochen ereignisloser Seefahrt waren die Kerle aggressiv geworden, hatten sich Spannungen aufgebaut, die jetzt zur Entladung gelangten. Die Haie waren die Opfer dieser menschlichen Raserei. Zwar wurde Munition verpulvert, aber der Grieche stellte zufrieden fest, daß seine wilde Horde das Schießen noch nicht verlernt hatte. Die Trefferquote der Drehbassenschützen war hervorragend. Da mit gehackten Ladungen geschossen wurde, empfingen die Haie fürchterliche Verletzungen, was die Freßgier ihrer Artgenossen offenbar noch mehr anstachelte. Von Picardi und dem Säbelmann war nichts mehr zu sehen. Sie waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Erstaunlicherweise war der Spuk von einer Sekunde zur anderen plötzlich vorbei. Das Wasser wirkte wie leergefegt. Die Haie mußten in Tiefen abgetaucht sein, die das menschliche Auge nicht mehr zu durchdringen vermochte. Über die See waberte Pulverqualm. Nach dem Krachen der Schüsse und dem Gebrüll der Männer, das gleichfalls verstummt war, wirkte die jähe Stille fast gespenstisch. Die Kerle glotzten aufs Wasser, wischten sich über die Gesichter und schienen nur allmählich zu begreifen, daß die Metzelei vorbei war.

�Klar Deck überall!� befahl der Grieche mit scharfer Stimme. �Reinigt die Waffen!� Und mit einer Drehung zum Rudergänger fügte er hinzu: �Zurück auf den alten Kurs!� Minuten später segelten die drei Karavellen wieder westwärts.

3. Am Mittag des nächsten Tages sichtete der Ausguck auf dem Flaggschiff Land voraus und meldete es nach achtern. Es war ein langgestreckter Küstenstreifen, der sich offenbar von Nordwesten nach Südosten hinzog. Durch das Spektiv erkannte der Grieche einen Sandstrand, dahinter echt hohe Dünen oder Hügel mit dichtem Palmenbestand. Der Grieche atmete auf. Wenn seine Navigation stimmte, dann segelten sie auf die Cat-Insel zu. Auf die Kerle wirkte die Sichtmeldung aufputschend. Johlend stürmten sie auf die Back und reckten die Hälse. Land in Sicht! Das bedeutete für Seefahrer immer das Ende einer Reise, deren Ausgang nie gewiß war. Ja, sie waren beim Überqueren dieser riesigen, endlosen See, die Atlantik genannt wurde, zweimal in Stürme, aber auch mehrmals in totale Flauten geraten. Und manchmal hatten sie gedacht, nie wieder Land zu erreichen. Da waren auch einige gewesen, die behauptet hatten, sie segelten auf das Ende der Welt zu, dorthin, wo das Schiff plötzlich in Höllenschlünde abkippe und gefräßige Ungeheuer werten, Ungeheuer mit riesigen Mäulern, die das ganze Schiff samt Mannschaft mit einem einzigen Zuschnappen verschlingen könnten. Im Mittelmeer hatten sie sich ausgekannt und immer gewußt, wo die Küsten lagen. Aber diese See, die weder im Norden noch im Westen oder Süden ein Ende zu haben schien, war ihnen unheimlich geworden. Aber jetzt lag voraus im Westen Land � und mit einem Schlag waren alle Behauptungen vergessen, die irgendwelche Klugscheißer aufgestellt hatten. Wo Land war, da mußten nach ihren Vorstellungen

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auch Häfen sein � in der Alten Welt war das so. Ah! Und was gab es in allen Häfen? Richtig! Einer geiferte mit heiserer Stimme: �Die Weiber dort sollen nackt herumlaufen, braune Weiber, hab ich gehört!� Und schon waren sie wieder beim Thema, das sie gerade erst am Vortag zerfleddert hatten � bei der geplanten Hochzeit, die Picardi mit des Seilers Tochter hatte feiern sollen. Nach zwei Monaten Seefahrt dachten sie nicht mehr an Beute und wilde Enter kämpfe, sondern an die Verlockungen der Häfen, in denen sie für Geld alles kaufen konnten � auch. die Liebe. Und sie schwadronierten drauflos, einer schlimmer und wüster als der andere. Doch je näher der fremde Küstenstreifen rückte, desto stummer wurden sie. Von einem Hafen konnte schon gar keine Rede sein. Und die Traumgestalten ihres Themas � braun und nackt � zerplatzten wie Seifenblasen. Da voraus war Strand, menschenleerer Strand, über den Seevögel kreisten. Die harte Stimme des Griechen scheuchte sie endgültig aus ihren Wunschvorstellungen. �Tiefe loten! Und klarmachen zum Ankern! Fiert weg Fock und Großsegel! Beeilung, Männer, schlaft nicht ein!� Da bewegten sich die Männer und hasteten auf ihre Stationen. Als noch drei Faden unter dem Kiel gemessen wurden, ließ der Grieche den Anker werfen. Gleiches geschah auf den beiden anderen Karavellen. Der Strand war von den Schiffen etwa einhundertfünfzig Schritte entfernt. Er schien nach Nordwesten und nach Südosten endlos zu sein, fast gerade, denn von tieferen Buchten wurde er nicht unterbrochen. Und wirklich � er war menschenleer. Djerba starrte zum Land, wandte sich um und fragte den Griechen: �Ein Boot aussetzen?� Der Grieche nickte, und sein Blick wanderte ebenfalls zum Land hinüber.

�Vielleicht finden wir eine Quelle�, sagte er. �Zumindest aber sehe ich Kokospalmen. Die Milch ist nicht zu verachten. Barca und Einauge sollen ebenfalls ein Boot aussetzen.� Barca war der Kapitän der zweiten Karavelle, Einauge unterstand die dritte Karavelle. Dem Letzteren fehlte das linke Auge, daher der Name. über der leeren Augenhöhle trug er eine schwarze Binde. Bei Enterkämpfen nahm er sie ab. Gegner waren geschockt, wenn sie dem einäugigen Kerl gegenüberstanden. Das war meist ihr vorletzter Schock, denn beim nächsten � dem letzten � fuhr ihnen eine Degenklinge ins Herz. Mit dem Verlust des linken Auges war dieser Mann zum Perfektionisten geworden, die Schocks seiner Gegner zum eigenen Vorteil auszunutzen. Durch Zurufe wurden die beiden anderen Kapitäne informiert. Das ging von Schiff zu Schiff. Auch beim Ankern waren sie sauber in Kiellinie ausgerichtet � in Rufentfernung. Zehn Minuten später trafen sich die drei Kapitäne an Land. Der Grieche ließ die Bootsgasten ausschwärmen, mit dem Auftrag, nach einer Quelle zu suchen und Kokosnüsse aufzusammeln. Mit Barca und Einauge stieg er auf die Dünen, um einen Rundblick zu nehmen. Sie hatten kaum den Dünenkamm erreicht, da erstarrten sie, duckten sich und nahmen hinter Buschwerk Deckung. Jenseits von ihnen, auf der Leeseite der Insel im Nordwesten, ankerten zwei Karavellen, spanische Kriegskaravellen, wie sie feststellten. Für diese Schiffe hatten sie einen sicheren Blick � und ebenso für die drei Kriegsgaleonen. Doch die lagen nicht vor Anker, sondern waren aufgelaufen, und zwar auf einer Riffbarriere, wie deutlich zu erkennen war, und die dritte Galeone ganz außen im Westen auf dem Nordstrand einer kleinen Insel. Der Grieche, Barca und Einauge waren zunächst perplex, hier gleich auf fünf spanische Kriegsschiffe zu stoßen. Bei der zweimonatigen Atlantiküberquerung war

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nicht ein einziges Schiff gesichtet worden, ein Umstand, der den Griechen zwar nicht verstört, aber doch nachdenklich gestimmt hatte. Ihm war nur bekannt, daß die Spanier bestimmte Routen benutzten, wenn ihre Schatzschiffe zurück nach Spanien segelten. Man mußte erst mal herausfinden, wo sich diese Routen bündelten. Und man mußte ergründen, von welchen Häfen in der Neuen Welt die Schiffe ausliefen. Havanna auf Kuba sollte einer dieser Häfen sein. �Sie leichtern die Galeonen�, knurrte Barca. Er war ein sehniger braunhäutiger Mann mit einem Hang zur Grausamkeit. Als Libyer stammte er von Negern, Arabern und Berbern ab, sein Großvater war allerdings Türke gewesen. Er trug stets einen weißen Turban, verzichtete aber auf das übliche Gewand der Nordafrikaner. Stattdessen kleidete er sich Baumwollhemd und Baumwolle, die in hohen Stiefeln steckte. Seine bevorzugte Waffe war der Krummsäbel. �Ja, sie leichtern�, bestätigte jetzt der Grieche. �Sie müssen leichtern, m ihre Galeonen wieder freizubekommen. Und ganz richtig entladen sie das, was am schwersten ist � ihre Armierung samt der Geschosse verschiedenen Kalibers. Alle ihre Boote sind dafür im Einsatz. Wenn ich es recht bedenke�, das eisige Grinsen huschte über sein Gesicht, �dann sind sie so gut wie wehrlos.� �Bis auf die beiden Kriegskaravellen�, sagte Barca. �Die sind auch wehrlos�, entgegnete der Grieche. �Schau genau hin. Ihre Besatzungen helfen auf den Galeonen beim Entladen oder sitzen in den Booten und bringen die Stückgüter zu der kleinen Insel. Das heißt, die beiden Karavellen sind kaum bemannt. Sie liegen sozusagen abholbereit da.� �Du willst ...� Barca brach ab und pfiff durch die Zähne. Der Grieche nickte mit glitzernden Augen. �Ich will sie abholen � im Handstreich. Dann verfügen wir über eine Flotte von fünf Karavellen, alle bestens armiert. Ist

das was? Und überlegt mal, was die noch alles an Bord haben � Proviant, Trinkwasser, Wein, Waffen, Pulver, Tauwerk, Segeltuchballen.� �Die Schiffskasse nicht zu vergessen�, sagte Einauge grinsend. �Und Kartenmaterial natürlich, Seekarten von dieser schönen Gegend.� �Du sagst es.� Der Grieche grinste ebenfalls, ebenso Barca. Da hatten sie kaum ein Bein an Land gesetzt � und schon wurde ihnen Beute präsentiert, dargeboten wie auf einem kostbaren Tablett. Sie fanden, daß sie es gar nicht besser hätten treffen können. Drei aufgelaufene Schatzschiffe auszuplündern, wäre natürlich ein noch fetterer Brocken gewesen, aber zwei Kriegskaravellen waren auch nicht zu verachten, zumal sie die Kampfkraft der ganzen Meute immens verstärken würden. Und in diesem Sinne waren sie die Garanten für erfolgreiche Beutezüge. Freilich brauchten beide Karavellen neue Mannschaften und zwei Kapitäne. Aber zunächst würde man sich behelfen und genügend Kerle aus der ganzen Meute abstellen, um die Karavellen zu bemannen. Vielleicht konnte man später in einer der Hafenstädte der Neuen Welt Burschen rekrutieren, die bereit waren, dem Teufel ein Ohr abzusegeln. Der Grieche bevorzugte Deserteure, die bereits zur See gefahren waren und meist heimlich abgemustert hatten. Deren Kapitäne hatten die Peitsche bevorzugt � und das Zuckerbrot vergessen.

* Das Gebiet westlich von Cat Island lag wie ein Panorama vor den drei Kapitänen. Die Dünenkämme befanden sich etwa zweihundert Fuß über dem Meeresspiegel, so daß alles gut zu überschauen war. Der Grieche, Barca und Einauge hatten ihre Spektive dabei und vertieften sich mittels der Kieker in die Details der Szenerie. Ihnen war schleierhaft, wie die drei Galeonen hatten auflaufen können, denn die Barriere hätte von den Ausgucks

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gesichtet werden müssen. Der Grieche vermutete, daß sie bei Nacht aufgelaufen waren. Bei zwei Galeonen, der �Almeria� und der �San Josefe�, stimmte das sogar im gewissen Sinne. Denn es war in der letzten Nacht gewesen, als Jean Ribault und Karl von Hutten die Ruder der beiden Galeonen blockiert und anschließend deren Ankertrossen gekappt hatten. Und mit feststehendem Ruder waren die beiden Galeonen vom Nordostwind unaufhaltsam auf die Riffbarriere beziehungsweise auf den Nordstrand von Little San Salvador getrieben worden. Auf beiden Galeonen waren dabei die Ruder zu Bruch gegangen. Mit der dritten Galeone, der �Santa Ana�, verhielt es sich anders. Hier hatte � und das bei Tage � die Schiffsführung versagt und aus der rechtzeitigen Sichtmeldung des Ausgucks, der voraus dunkel verfärbtes Wasser erkannt hatte, nicht die richtigen Schlüsse gezogen. So war die �Santa Ana� unter vollen Segeln aufgebrummt, hatte jedoch Glück im Unglück gehabt, weil ihr Rumpf und Kiel unbeschädigt geblieben waren. Der Grund: sie war auf ein flaches, fast ebenes Korallenplateau aufgelaufen, keine scharfkantigen Zacken hatten im Weg gestanden. Also, die Ursache für das Auflaufen der drei Galeonen war in den beiden ersten Fällen die Verwegenheit einiger mit allen Wassern gewaschener Männer vom Bund der Korsaren gewesen und im dritten Fall die katastrophale seemännische und navigatorische Unkenntnis eines gewissen Don Gaspar de Amoro, seines Zeichens Generalkapitän der spanischen Marine und zugleich Befehlshaber über die fünf Kriegsschiffe, und seines Ersten Offiziers, der den Rang eines Capitans bekleidete und Don Pedro de Sarmiento hieß. Daß diese beiden Offiziere einen Mord begangen hatten, desertiert, aber wieder eingefangen worden waren, konnten die drei Kapitäne nicht wissen � ebenso wenig wie die Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt drüben im Nordwesten auf der Südspitze der Insel Eleuthera zwei Männer und eine Frau genauso wie sie selbst in Deckung

lagen und die fünf spanischen Schiffe beobachteten. Die Frau hieß Siri-Tong, in der Karibik bekannt unter dein Kriegsnamen Rote Korsarin. Die beiden Männer waren Jean Ribault und Edmond Bayeux. Alle drei waren Kapitäne im Bund er Korsaren. So war denn eine Bühne aufgebaut, ursprünglich von Kämpfern des Bundes der Korsaren, deren erklärtes Ziel es war, die gnadenlose Macht der Spanier in diesem Teil der Neuen Welt zu brechen und eine weitere brutale Ausbeutung zu verhindern. Und nun hatten wiederum neue Akteure die Bühne betreten, Kerle, die nach Beute gierten und die Geißel des Mittelmeers gewesen waren. Von den Idealen und menschlichen Zielen eines Bundes der Korsaren waren sie weit entfernt. Ihnen ging es um Eigennutz, nicht um Gemeinnutz. �Greifen wir heute noch an?� fragte Einauge und leckte sich die Lippen. �Aber sicher�, erwiderte der Grieche. �Eine solche Gelegenheit wird uns kaum noch einmal geboten. Prägt euch genau ein, wo die beiden Karavellen ankern - ihr werdet sie entern und entführen, erst mal zwei, drei Seemeilen ostwärts. Ich werde mit meinem Schiff zwischen den beiden Karavellen und den aufgelaufenen Galeonen bleiben und verhindern , daß die Spanier mit ihren Booten angreifen. Ich schätze, die werden viel zu überrascht sein, um sofort zu reagieren. Während die Entermannschaften mit den beiden Karavellen ostwärts verschwinden, werden sich unsere drei Schiffe noch um die Galeonen kümmern.� �Zusammenschießen?� fragte Barca. �Genau das�, erwiderte der Grieche. �Wir dürfen ihnen keine Chance geben, ihre Galeonen wieder flottzubekommen. Ich will jegliche Verfolgung von vornherein unterbinden. Das bezieht sich auch auf die Boote.� Er rechnete nach und sagte: �Jede Galeone hat zwei größere Jollen sowie eine kleinere, die Karavellen haben je zwei Jollen: Mithin verfügen die Spanier über insgesamt dreizehn Boote. Wir müssen zusehen, daß wir alle Boote durch Beschuß

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zerstören. Damit sitzen die Spanier auf der Insel fest. Bis ihre Schiffszimmerleute möglicherweise aus Holzresten ein segelbares Fahrzeug gebaut haben, sind wir längst aus diesem Gebiet verschwunden.� Die beiden anderen Kapitäne waren einverstanden, dennoch hatte Barca einen Einwand und sagte: �Diese Spanier - sollten wir sie nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten?� �Denk mal nach, Barca�, sagte der Grieche. �Auf jeder Galeone sind an die einhundertfünfzig Mann - macht schon mal vierhundertfünfzig. Rechnen wir je neunzig auf den beiden Karavellen - also einhundertachtzig -. hinzu, dann haben wir sechshundertdreißig Spanier. Bei unserem Angriff auf die beiden Karavellen und dem Beschuß der Boote vermindert sich natürlich diese Zahl. Aber mehr als ein halbes Tausend bleibt übrig. Und wir sind neunzig Männer. Vergiß auch nicht, daß ihre Mannschaften zu einem großen Teil aus Seesoldaten bestehen. Sag mir mal, wie wir denen beikommen sollen, wenn sie sich auf der kleinen Insel verschanzt haben � und das werden sie sicher tun.� �Culverinenbeschuß�, sagte Barca, und es sah so aus, als fletsche er die Zähne. �Aus sicherer Entfernung und mit gehackten Ladungen.� �Hm-hm�, murmelte der Grieche, �das wäre eine Möglichkeit.� Der andere Kapitän, den sie Einauge nannten, spann den Faden noch weiter. Er sagte: �Wenn wir alle Spanier in die Hölle geschickt haben, müßten da noch die Schiffskassen der drei Galeonen sein. Und ich denke auch an die Geldkatzen der Senores Offiziere.� Sein rechtes Auge blickte fast träumerisch. �Diese Senores sind doch meist von Adel und insofern keine armen Schlucker.� Barca hieb in die gleiche Kerbe: �Sie pflegen Zierdegen zu tragen, deren Handschutz mit Edelsteinen besetzt ist � Prunkwaffen! Sollen die auf der Insel vermodern?� Kapitän Einauge schmiedete das Eisen weiter und sagte: �Nikos, du erklärtest

irgendwann mal, wir wären dumm, wenn wir günstige Gelegenheiten nicht ausschlachteten. Dies ist so eine Gelegenheit. Die Spanier sind uns ausgeliefert � und wenn wir drei oder vier Tage brauchen, um sie allesamt ins Jenseits zu befördern.� �Ich gebe euch recht�, sagte der Grieche, �aber ich schlage vor, über unser weiteres Vorgehen beraten wir erst, wenn wir die beiden Karavellen in unseren Besitz gebracht und die Boote vernichtet haben. Erst dann sind uns die Spanier ausgeliefert, Einauge. Wenn sie also auf der kleinen Insel festsitzen, nicht wahr? In diesem Fall können wir in aller Ruhe überlegen, wie wir gegen sie vorgehen.� Barca und Einauge waren einverstanden. Sie zogen sich von dem Dünenkamm zurück und riefen bei den Booten zum Sammeln. Die Kerle hatten-, bereits Kokosnüsse zusammengetragen. Eine Süßwasserquelle war noch nicht gefunden worden. Aber das war jetzt zweitrangig � die erste Beute in der Karibik lockte. Sie kehrten zu ihren Schiffen zurück, und jeder der drei Kapitäne informierte seine Mannschaft über den bevorstehenden Raid auf die beiden spanischen Kriegskaravellen beziehungsweise, welche Einzelaktionen geplant waren. Jetzt brach so eine Art Fieber aus � Jagdfieber. Wie die Kapitäne die Situation darstellten, konnte es nicht allzu schwierig sein, die beiden Kriegskaravellen zu kapern und mit ihnen zu verschwinden. Sie hatten schon riskantere Unternehmungen durchgeführt � erfolgreich, versteht sich. Diese beiden Karavellen schienen ihnen sozusagen in den Schoß zu fallen. Mit einer Bordwache von fünf Mann je Karavelle würden sie leicht fertig werden. Emsige Betriebsamkeit setzte ein. Die Beiboote wurden an Bord gehievt und wieder fest auf ihren Klampen verzurrt. Die Geschützführer klarierten Culverinen und Drehbassen, der Waffenmeister gab Pistolen, Musketen und Tromblons aus. Alle Waffen wurden sorgfältig geprüft, Kupferbecken mit glühender Holzkohle an

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Deck verteilt und Wasserpützen bereitgestellt. Es ging auf den Nachmittag zu, als die Segel gesetzt und die Anker gelichtet wurden. Mit halbem Wind über Backbordbug glitten die drei Karavellen an der Ostküste von Cat Island entlang nordwestwärts. Alle Kanonen waren ausgerannt. Jede Karavelle war mit zwölf Culverinen - sechs je Seite - armiert. Beidseits auf den Schanzkleidern steckten die Drehbassen in ihre Gabelstützen, und zwar neun Stücke je Seite. Um eine totale Überraschung zu erreichen, wandte der Grieche wieder einen alten Trick an: auf allen drei Karavellen flatterte an den Besangaffeln die spanische Flagge. In entsprechenden Kisten unter Deck führten sie auch die Flaggen anderer Mittelmeerländer mit. Mit der entsprechenden Flagge hatten sie schon so manchen Handelsfahrer getäuscht. Nach einer Viertelstunde passierten die drei Karavellen die Nordspitze von Cat Island und fielen auf Westkurs ab. Bei Backstagswind näherten sie sie sich ihren beiden Zielen schnell.

4. Vermutlich waren die Rote Kor, Jean Ribault und Edmond Bayeux die ersten, von denen die drei heransegelnden Karavellen gesichtet wurden. Die Spanier selbst waren viel zu beschäftigt. Die drei Beobachter lagen mit Blick ostwärts in ihrer Deckung auf den südlichen Dünen von Eleuthera. So sahen sie auf Anhieb, wie die drei Karavellen die Nordspitze von Cat Island umsegelten und auf Westkurs gingen. Sie waren völlig überrascht. �Teufel auch!� knurrte Jean Ribault. �Da naht Verstärkung für die Dons. Wenn die auch noch mit anpacken und helfen, sind die Galeonen schnell wieder flott.� Mit dem Spektiv am Auge fragte Siri-Tong: �Kannst du mir mal verraten, warum sie dann alle ihre Kanonen ausgerannt haben?�

�Weiß ich nicht�, brummelte der schlanke Franzose mit dem verwegenen Gesicht. �Vielleicht haben sie gerade an ihren Geschützen exerziert. Die Dons betreiben doch allen möglichen Hokuspokus, um ihre Mannschaften zu beschäftigen ...� �Unsinn!� zischte die Rote Korsarin. �Das sind keine Dons! Das sind Schnapphähne! Schau durch den Kieker! Diese Visagen! Da sind auch Nordafrikaner dabei.� Jean Ribault spähte durchs Spektiv - noch überraschter als zuvor beim Sichten der drei Karavellen, denn jetzt blieb er stumm. Dafür sagte Edmond Bayeux, der normannische Riese, etwas verbissen: �Es stimmt, das sind nie und nimmer Spanier. Die spanische Flagge haben sie nur gesetzt, um die Dons zu leimen. Mir scheint, sie wollen sich die beiden Kriegskaravellen unter den Nagel reißen, diese Bastarde!� �Scheint mir auch so�, sagte Siri-Tong. �Die wildern in unserem Revier, diese Galgenvögel.� Jean Ribault meldete sich wieder. �Das kann man auch anders sehen, Freunde.� �Und wie?� fauchte Edmond Bayeux. �Sie ernten, was wir gesät haben, verdammt noch mal!� Jean Ribault grinste und sagte: �Die Dons werden denken, daß es diese Kerle sind, von denen sie in der Nacht beehrt wurden. So sehe ich das jedenfalls.� Die Rote Korsarin warf ihm einen schiefen Blick zu. �Das ändert nichts an der Tatsache, daß uns da jemand ins Handwerk pfuscht, mein lieber Jean, und dagegen habe ich was ...� Sie brach ab, weil die Spanier jetzt offenbar die drei heransegelnden Karavellen bemerkt hatten. Und was taten diese harmlosen Dons? Sie winkten und jubelten! Sie sahen die spanischen Flaggen an den Besangaffeln und freuten sich über die Landsleute, die ihnen bestimmt helfen würden, die Galeonen wieder flottzubekommen. �Es ist nicht zu fassen�, murmelte die Rote Korsarin. �Sie winken ihren Henkern! Dabei sind sie zur Zeit nahezu wehrlos.� Die beiden Kriegskaravellen lagen im Wind vor Anker, die �Flecha� unter Capitan Manuel de Triana am weitesten

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östlich und etwa zweihundert Yards westlich von ihr auf gleicher Höhe die �Adelante� unter Capitan Miguel Cervantes. Beide Kommandanten befanden sich nicht an Bord, weil sie die Aktionen leiteten, mit denen ihre Boote die aufgelaufenen Galeonen leichterten. Capitan de Triana beaufsichtigt auf dem Flaggschiff �Santa Ana� die Entladearbeiten, weil dort kein Offizier mehr an Bord war. Der Zweite Offizier des Flaggschiffs, der Teniente Manuel Buarcos, war von Don Gaspar de Amoro und Don Pedro de Sarmiento ermordet worden. Er hatte ihnen im Wege gestanden, als sie desertieren wollten. Beide Mörder waren wieder eingefangen worden. Capitan Juan de Zarate, Kommandant der �Almeria�, hatte den Befehl über die fünf Kriegsschiffe übernommen und die beiden Mörder und Deserteure gewissermaßen degradiert � sie mußten im Schweiße ihres Angesichts mithelfen, die aufgelaufenen Galeonen zu entladen. Später, so hatte de Zarate geplant, sollten diese beiden Offiziere in Havanna vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Capitan Miguel Cervantes, der Kommandant der �Adelante�, befand sich hingegen an Land, nämlich auf dem Nordstrand von Little San Salvador, wo de Zarates �Almeria� aufgelaufen war. Er packte dort mit aufgekrempelten Hemdsärmeln mit an, um die von den Booten angelandeten Ladegüter auszuladen und jenseits des Strandes zu stapeln. So waren denn die beiden Kriegskaravellen ohne Kommandanten und Offiziere, denn auch die letzteren waren im Hilfseinsatz für die drei aufgelaufenen Galeonen. Besetzt waren die �Adelante� und die �Flecha� zur Zeit tatsächlich nur mit je fünf Seesoldaten. Sie standen am Steuerbordschanzkleid und winkten den drei heransegelnden Karavellen zu. Der Grieche passierte zuerst die �Flecha� und winkte zurück. Als sich sein Schiff genau zwischen den beiden

Kriegskaravellen befand, befahl er grinsend: �Feuer!� Plötzlich hatten die Kerle auf der Steuerbordseite des Flaggschiffs Musketen in den Fäusten, legten an, zielten kurz und schossen � die einen auf - die Seesoldaten der �Flecha�, die anderen auf die der �Adelante�. Das Hochreißen der Musketen, das Zielen und Feuern erfolgten derart schnell, dass die Seesoldaten völlig überrumpelt wurden und keine Zeit mehr fanden, sich hinter dem Schanzkleid abzuducken, geschweige denn, zurückzuschießen. Sie wurden alle getroffen. Einige kippten mit halbem Leib übers Schanzkleid und blieben so hängen, andere taumelten zurück und brachen zusammen. Die Kerle auf dem Schiff des Griechen waren ausgesuchte Scharfschützen. �Etwas abfallen�, befahl der Grieche, �auf das Boot Backbord voraus.� �Abfallen, auf das Boot Backbord voraus�, wiederholte der Rudergänger. Das Flaggschiff passierte die �Adelante�, während der Rudergänger das Boot ansteuerte, das sich � besetzt mit acht Rudergasten und einem Bootsführer � leer auf dem Rückweg zur Kriegsgaleone �San Josefe� befand, wo es neu beladen werden. sollte. Musketenschützen auf der Back des Griechen schossen auf die Rudergasten und den Bootsführer, so daß sie mit ihrem Boot nicht mehr ausweichen konnten. Minuten später krachte der Vorsteven des Flaggschiffs in die Backbordseite des Bootes, durchbrach sie, schob sich über das Boot und mangelte es unter. Wer von den Insassen noch überlebt hatte und versuchte, schwimmend das Ufer zu erreichen, wurde von den Musketenschützen abgeschossen. Überraschung und Entsetzen der Spanier schlugen in blanke Wut um. Capitan de Zarate auf der �Almeria� und Capitan Don Antonio de Caetano, Kommandant der �San Josefe�, brüllten nach den noch an Bord verbliebenen Drehbassen. In aller Hast wurden die Waffen samt Munition auf die Vorkastelle der beiden

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aufgelaufenen Galeonen geschleppt. Ihre Vorschiffe wiesen ja seewärts, da sie über den Achtersteven aufgebrummt waren. Der Grieche bemerkte diese Gefahr der Gegenwehr und reagierte mit gewohnter Kaltblütigkeit. Seine Drehbassen auf der Backbordseite fegten mit gehackten Ladungen die Vorkastelle der beiden Galeonen frei, noch bevor dort die Männer ihre Waffen schußfertig hatten. Damit nicht genug � der Grieche setzte auch seine Culverinen der Backbordseite ein. Drei feuerten auf das Vorschiff der �San Josefe�, drei auf das der �Almeria�. Alle sechs Culverinen erzielten Treffer. Auf der �San Josefe� wurde der Bugspriet samt der Blinderah abgetakelt. Dabei brachen Vorbramstag, Vorstengestag und Fockstag, deren untere Enden auf dem Bugspriet fixiert waren. Der Fockmast, seiner drei vorderen Stütztaue beraubt, schlug nach achtern und wurde nur noch von den Wanten und Pardunen gehalten. Dabei knickten Vorbramstenge und Vormarsstenge weg und nahmen auch das Großbramstag mit, das zwischen Vorstenge und Großbramstenge ausgespannt war. Das Ganze war eine Art Kettenreaktion. Das Brechen der drei Vorstagen, ausgelöst von der Zerstörung des Bugspriets, zog alles Weitere nach sich. Im Endeffekt stand der Fockuntermast schief nach achtern, um ihm herum baumelten Vorbramstenge und Vormarsstenge samt des gebrochenen stehenden und laufendes Guts einschließlich der Vorbramrah und Vormarsrah. Eine vollendete Wuhling herrschte auf der Back der �San Josefe�. Davon abgesehen, hatte sie noch zwei Löcher auf der Backbordseite im Vorkastell. Gleiche Löcher � drei an der Zahl � wies die Steuerbordseite im Vorkastell der �Almeria� auf. Aber zwei dieser Löcher lagen genau in der Wasserlinie, und dort strömte das Wasser ein, bis es auf gleicher Höhe mit dem Außenpegel stand. Wie viele Tonnen Wasserballast das jetzt sein mochten, war nicht abzuschätzen. Aber bis zum Abdichten der Löcher und

Auspumpen des Wassers aus den unteren Räumen des Vorkastells war die �Almeria� auf dem Nordstrand von Little San Salvador wie festgenagelt.

* Während die Karavelle des Griechen nach dem Abfeuern der sechs Culverinen anluvte und dann durch den Wind auf den Steuerbordbug ging, lagen Barca und Einauge mit ihren Karavellen bereits mit ihren Steuerbordseiten längsseits der �Flecha� und der �Adelante�, und die Entermannschaften hatten sich hinübergeschwungen. Auf der �Flecha� waren zwei Seesoldaten und auf der �Adelante� ein Seesoldat nicht tödlich getroffen worden. Ihr Leben dauerte nur um weniges länger als das ihrer Kameraden. Sie wurden mit Pistolenschüssen getötet, selbst wehrlos, weil sie kaum bei Besinnung waren. Nach roher Piratenart fackelten die Kerle nicht lange und warfen auf beiden Karavellen die toten Seesoldaten über Bord, während andere bereits die Segel setzten. �Flecha� und �Adelante� standen jetzt unter dem Kommando der Bootsleute von Barca und Einauge, und jeder hatte zehn Mann unter sich. Barca und Einauge legten mit ihren Karavellen schon wieder von den beiden gekaperten Schiffen ab, auf denen im Eiltempo die Anker gehievt würden. Hart am Wind über Steuerbordbug glitten darauf die �Flecha� und die �Adelante� ostwärts dem Atlantik zu. Die Kerle an Bord grölten und johlten und schüttelten hohnlachend die Fäuste hinüber zu den Spaniern. Die Meute des Griechen war um zwei spanische Kriegskaravellen reicher. Zwei Boote, besetzt mit Seesoldaten und je acht Bootsgasten, schossen an der Backbordseite der �Santa Ana� hervor und wurden mit schnellen und harten Riemenschlägen hinter der �Flecha� hergetrieben. In einem der Boote befand sich Capitan de Triana, der Kommandant der �Flecha�. Er war wild entschlossen,

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sein Schiff zurückzuerobern. Die Bootsgasten und Seesoldaten in den beiden Booten dachten wie er, denn auch sie gehörten zur �Flecha�, ebenso wie diese beiden Jollen. Tatsächlich schrumpfte der Abstand zwischen den beiden Booten und der �Flecha�, die hinter der �Adelante� segelte. Die Riemenarbeit der beiden Bootsmannschaften war erstklassig � und einmalig. Denn sie pullten wie noch nie in ihrem Leben, und niemand brauchte sie anzufeuern. Sie wußten selbst, um was es ging, auch um Vergeltung wegen der brutal gemeuchelten Seesoldaten. Da tauchten Kerle mit Musketen am Heckschanzkleid der �Flecha� auf. Aber die Zeit der Überraschungen war vorbei. In beiden Jollen standen Seesoldaten auf, legten ihre Musketen an und feuerten auf die Kerle. Auch sie zeigten, daß sie zu treffen verstanden. Zwei Kerle warfen die Arme hoch, die Musketen entglitten ihnen, sie wankten und brachen am Schanzkleid zusammen. Das Wutgeheul der Schnapphähne war Musik in den Ohren der �Flecha�-Männer, und die Bootsgasten verstärkten noch ihren Riemenschlag. Als zwei, drei Musketenschüsse von der �Flecha� her krachten, hatten sich die Seesoldaten geduckt, und die Kugeln flogen über sie hinweg. Einer fuhr sofort wieder hoch und feuerte ein Tromblon ab. Die Streuladung dieser fürchterlichen Waffe holte den Rest der Kerle am Heckschanzkleid der �Flecha� von den Füßen. Ihr Schmerzgejaul schrillte über das Wasser. Hinter den beiden Jollen segelte die Karavelle des Griechen auf. An den beiden vorderen Drehbassen lauerten zwei Kerle, den Lauf auf je ein Boot gerichtet. Noch war die Karavelle des .Griechen nicht auf Schußentfernung heran, aber sie rückte auf und war offenbar schneller als die beiden Boote und die beiden Kriegskaravellen. Natürlich wurde sie von den Bootsgasten in den beiden Jollen bemerkt, die ja mit den Rücken in Fahrtrichtung saßen. Und sie wußten, was ihnen blühte, sobald die Piratenkaravelle auf Schußentfernung

heran war. Auf beiden Booten blickten die Bootsgasten dem Tod ins Auge - dem Tod in Form einer Drehbassenmündung. Und diesem Tod gegenüber waren sie wehrlos, weil die Schußweite der Musketen an Bord ihrer Jolle geringer war als die der Drehbassen. Capitan de Triana - von seinen Bootsgasten über den Verfolger gewahrschaut - schaute sich immer wieder um. Ebenso der Bootsmann in der anderen Jolle, der an der Pinne saß. Ihnen blieb nur die geringe Chance, mit einer Kursänderung auszuweichen, sobald die beiden Kerle hinter den Drehbassen ihrer Waffe zündeten. Irgendwie war das ein Katz- und Mausspiel. Die Situation änderte sich jäh, als die �Flecha� völlig unerwartet abfiel und ihre Steuerbordbreitseite den beiden Jollen zukehrte - und damit acht Drehbassen, die am Schanzkleid auf dieser Bordseite aufgereiht waren. Und sie feuerten - je vier auf eine Jolle. Die Schußentfernung betrug noch etwa dreißig bis vierzig Yards. Die Wirkung der Streuladungen war verheerend. Die Boote wurden buchstäblich zerhackt, die Männer fürchterlich verletzt oder getötet. Capitan de Triana drang ein Eisensplitter ins Herz. Er war sofort tot und brauchte nicht mehr zu erleben, wie die Galgenvögel eine Art Scheibenschießen auf die im Wasser treibenden Männer veranstalteten. Jetzt gab es niemanden mehr, der die beiden gekaperten Kriegskaravellen verfolgte. Beide setzten sich ostwärts ab und bezogen nördlich der Cat-Insel Warteposition. Der Grieche konnte mit seiner Karavelle die Verfolgung der Jollen abbrechen und wieder umkehren. Er segelte bis auf die Höhe der aufgelaufenen �Santa Ana� und stellte durch den Kieker fest, daß von dort keine Gefahr drohte. Denn ihre gesamte Artillerie war demontiert. Die Lafetten standen verwaist an Deck, die schweren Rohre waren von Bord verschwunden. Mit einem Schwenk des Kiekers westwärts sah er, daß Barca und Einauge damit

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beschäftigt waren, die Boote der Spanier zu zerschießen. Offenbar hatten die Bootssteurer den Befehl erhalten, sich auf die kleine Insel zurückzuziehen. Zum Teil wunden die Boote über das Riff hinweggepullt, wohin ihnen die Karavellen nicht folgen konnten. Der Grieche fluchte. An diese Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Drei oder vier Boote der Spanier befanden sich jenseits der Riffbarriere schon außer Schußweite und damit in Sicherheit. Er entschloß sich, die �Santa Ana� zu entern und auszuplündern. Allerdings ahnte er nicht, daß man gerade das Flaggschiff der Spanier das als erstes der drei Kriegsgaleonen aufgelaufen war, bereits weitgehend entladen hatte: Wein- und Pulverfässer waren von Bord geschafft worden und ebenso Drehbassen und Geschützrohre. Und die Schiffskasse hatte Capitan de Zarate in Verwahrung genommen - mit ihr hatten die beiden Mörder, Don Gaspar de Amoro und Don Pedro de Sarmiento, desertieren wollen. Noch waren Seeleute und Seesoldaten an Bord der �Santa Ana� � mit Ausnahme jener, die auf Little San Salvador die Boote entluden oder zu den Bootsmannschaften gehörten. Eine Jolle der �Santa Ana� unterstand dem Profosen des Flaggschiffs, und auf einer Ducht dieser Jolle saßen die beiden Mörder, die noch am Vortag Kommandant und Erster Offizier auf der �Santa Ana� gewesen waren. Jetzt waren sie weiter nichts als Schiffsknechte, ganz abgesehen davon, daß sie der Profos bereits einmal fürchterlich verdroschen hatte, als sie gemeint hatten, aufmüpfig werden zu können. Diese Jolle befand sich in Sicherheit jenseits der Riffbarriere. Aber der Profos steuerte noch nicht Little San Salvador an � was er hätte tun können, weil Capitan de Zarate angeordnet hatte, daß sich alle auf die kleine Insel zurückziehen sollten. Nein, der Profos wartete ab. Es war nicht richtig, die Kameraden auf der �Santa Ana� im Stich zu lassen. Was war, wenn diese Halsabschneider, die bereits die �Flecha� und die �Adelante� gekapert

hatten, jetzt versuchten, die �Santa Ana� zu entern? Denn danach sah es aus. Die Piraten-Karavelle näherte sich langsam dem Flaggschiff, Fock und Großsegel waren geborgen worden. Offenbar hatte man die Absicht, achtern am Heckkastell längsseits zu gehen und von dort aufzuentern. Der Profos drehte vom Kurs auf Little San Salvador ab und steuerte die Jolle so, daß sie jenseits der Riffbarriere zurück zur �Santa Ana� glitt. Vorsichtig hielt er sich außerhalb der Schußweite der beiden anderen Piratenkaravellen, die bereits vier Jollen samt deren Mannschaften zu den Fischen geschickt hatten. Mithin � die Jolle der �San Josefe� sowie die beiden Jollen der �Flecha� eingerechnet � waren bis jetzt sieben Beiboote zerstört worden. Blieben also noch sechs von den dreizehn Jollen der fünf Kriegsschiffe. Eine Situation, dachte der Profos, die man nicht anders als beschissen bezeichnen konnte. Er blickte erbittert zu Don Gaspar de Amoro und Don Pedro de Sarmiento, die reichlich abgeschlafft pullten. �Und das alles verdanken wir euch Schweinehunden!� knurrte er. �Ich � ich kann nicht mehr�, jammerte Don Gaspar mit schwacher Stimme. �Ich auch nicht�, greinte Don Pedro, der als Erster Offizier nie Rücksicht darauf genommen hatte, wenn einer der Männer wegen Unterernährung zusammengebrochen war. Der Profos zog die Neunschwänzige hervor, die hinter ihm auf der Ducht lag, und spielte mit ihr. Da konnten die beiden Jammergestalten wieder.

5. Es war der Stückmeister der �Santa Ana�, Jorge Barros, der, die Idee gehabt hatte, Tonkruken mitglühender Holzkohle zu füllen und als Wurfgeschosse einzusetzen. Zwar hatten sie an Bord noch Musketen, Tromblons und Pistolen, aber das waren keine Waffen gegen die Karavellen dieser Schnapphähne, denen man nur mit

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Drehbassen oder Kanonen beikommen konnte. Jorge Barros und ein altgedienter Sargento der Seesoldaten hatten jetzt das Kommando auf der �Santa Ana� übernommen, nachdem sie erbittert mit angesehen hatten, wie der tapfere Capitan de Triana samt seiner ebenso tapferen Männern in den beiden Jollen bei der Verfolgung ihrer �Flecha� zusammengeschossen worden waren. Der Stückmeister und der Sargento waren sich klar darüber, daß sie nur wenige Möglichkeiten hatten, sich zu verteidigen - sollten diese mörderischen Piraten versuchen, das Flaggschiff zu entern. Im Grunde standen sie auf verlorenem Posten. Sie konnten nicht mal fliehen, weil sie kein Boot mehr hatten. Dennoch hatten diese beiden Männer ins Auge gefaßt, sich mit der Restbesatzung der �Santa Ana� zurückzuziehen, sobald erkennbar wurde, daß sie sich nicht mehr halten konnten. Sie hatten auf dem Vorschiff der �Santa Ana� Grätings und Riemen zusammentragen lassen. Im Notfall wollten sie diese vorn am Bug, der auf der Riffbarriere aufsaß, über Bord werfen, hinterherspringen, die Grätings bemannen und mittels der Riemen versuchen, sich nach Westen zur Insel Little San Salvador hinüberzuretten. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie alle auch bemerkt, daß sich ihr Profos mit einer Jolle jenseits der Riffbarriere dem Flaggschiff näherte. Ein bißchen stärkte das ihren Mut und die Zuversicht, doch nicht ganz verloren zu sein. Sie kannten ihren Profos. Das war ein Mann, der niemanden im Stich ließ. Und sie hatten gewußt, daß dieser Profos Qualen gelitten hatte, wenn er auf Befehl des Kommandanten oder seines Ersten Offiziers Männer hatte auspeitschen müssen, deren �Vergehen� Lappalien gewesen waren. Ja, Seeleute und Seesoldaten der �Santa Ana� waren eine gute Mannschaft gewesen - bevor der alte Kommandant und sein Erster in Spanien abkommandiert worden waren und Don Gaspar de Amoro und der dümmliche und arrogante Don Pedro de

Sarmiento deren Posten übernommen hatten. Die Überfahrt in die Neue Welt mit Zielhafen Havanna auf Kuba war die Hölle gewesen - wegen dieser beiden sogenannten Offiziere, die offenbar ihre Aufgabe darin gesehen hatten, die Mannschaft zu kujonieren. Die Männer vor dem Mast waren als �Pack�, �Lumpengesindel� und �Faulenzer� bezeichnet worden, und nahezu täglich hatte der Profos einen Mann auspeitschen müssen. Und dann hatten es dieser Kommandant und sein Erster Offizier geschafft, die �Santa Ana� auflaufen zu lassen. Und wer war bestraft worden? Der Ausguck Diego Ordaz, der die dunklere Verfärbung des Wassers voraus - Kennzeichen eines Riffs - rechtzeitig gemeldet hatte, was der Kommandant und sein Erster ignoriert hatten, und der Gefechtsrudergänger und Decksälteste Vicente Rigas, der sich dagegen empört hatte, Diego Ordaz zum Schuldigen stempeln zu lassen. Beide Männer hatte der Profos auspeitschen müssen. Anschließend waren sie in der Vorpiek eingesperrt und in Eisen gelegt worden. Aber Capitan de Zarate hatte diese Bestrafung aufgehoben, beide Männer waren wieder frei und befanden sich jetzt an Deck der �Santa Ana�, und zwar achtern, dort, wo die beiden verhaßten Offiziere herumspaziert waren, mit gerümpften Nasen und blasiertem Gehabe. Ja, sie würden für �ihr� Schiff kämpfen - jetzt erst recht, nachdem diese beiden Menschenschinder abgesetzt waren und in einer Jolle Dienst tun mußten wie der letzte Schiffsknecht. Und wie schön, daß Capitan de Zarate - ein feiner Kerl - ihren Profos als Aufpasser über diese beiden Bastarde eingesetzt hatte. Die Karavelle des Griechen glitt unter dem Besansegel von Westen her auf das Reck der �Santa Ana� zu. An Deck des Piratenschiffes standen Kerle und lauerten geduckt, Musketen und Tromblons schußbereit im Anschlag. Ebenso waren

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die Drehbassen auf der Steuerbordseite besetzt. Alle stierten zu der Galeone, die immer größer vor ihnen aufwuchs. Die Stille dort an Bord beunruhigte sie. Niemand tauchte auf Steuerbordschanzkleid auf. Die Galeone wirkte wie ausgestorben. Und dennoch mußten Spanier an Bord , sie hatten sie ja zuvor gesehen. Und dann war da noch etwas, nämlich die Tatsache, daß sie es nicht mit Mannschaften von Handelsfahrern zu tun hatten, sondern mit Besatzungen von Kriegsschiffen. Das war ein gewaltiger Unterschied. Schon die Seesoldaten in den beiden Jollen hatten bewiesen, daß sie - auch in fast aussichtsloser Lage - zu kämpfen verstanden. Im Mittelmeer hatte sich die Meute verdrückt, wenn ein Kriegsschiff gesichtet wurde. Das alles ging in diesem Moment auch dem Griechen durch den Kopf, aber er blieb bei seinem Entschluß, die Kriegsgaleone zu entern. Ohne es vor sich selbst zuzugeben, war er ebenso wie seine beiden Kapitäne gierig darauf, Beute zu reißen. Na gut, die Spanier hatten noch Schußwaffen, aber wenn die leergefeuert waren, entschieden die Blankwaffen. Es mußte einfach klappen, verdammt noch mal! �Sobald sich ein Kopf am Schanzkleid zeigt, wird geschossen, klar?� zischte er. Die Kerle nickten stumm und lauerten weiter. �Besanschot fieren!� befahl der Grieche. �Und klar bei Enterhaken!� Mit dem Fieren der Besanschot killte der Besan, die Karavelle verlor an Fahrt und glitt immer langsamer auf das Achterkastell zu, dem Heck die Steuerbordseite zugewandt. Und da passierte es. Wie von Geisterhänden bewegt, flogen vom Achterdeck Gegenstände hoch, senkten sich, schlugen auf das Deck der Karavelle und zerplatzten dort. Tonkruken! Und mit glühender Holzkohle gefüllt! Beim Zerplatzen spritzten die Glutstücke nach allen Seiten. Die Kerle heulten auf

und tanzten herum. Sie waren fast alle barfuß und übten eine Art Zappeltanz, denn im Nu waren die Planken mit glühender Holzkohle überstreut. Einige sprangen in die Wanten, um der Glut zu entgehen. Einem Kerl krachte eine Tonkruke auf den Schädel, zerbarst dort, und Glutstücke rutschten ihm ins Hemd, das zu qualmen begann. Der Kerl wurde schier wahnsinnig � und schoß wie eine Rakete von Bord. Im Wasser sah er seine einzige Rettung. Der Grieche heulte auch, aber vor Wut. Im übrigen trug er langschäftige Stiefel und war somit gefeit, auch wenn die Sohlen einige Brandlöcher empfingen. Aber er brauchte keinen Zappeltanz aufzuführen. Stattdessen brüllte er mit überschnappender Stimme: �Nehmt die Pützen! Löscht die Brandherde! Setzt die Fock!� Und den Rudergänger fuhr er an: �Abfallen! Weg vom Heck...� In diesem Moment tauchten die Seesoldaten hinter dem Heckschanzkleid der �Santa Ana� auf und eröffneten das Feuer aus Musketen und Tromblons. Nur der Grieche und Djerba, sein Erster Offizier und Bootsmann, schossen mit Musketen nach oben zurück, und ein Seesoldat wurde getroffen, denn er stürzte kopfüber ins Wasser. Djerba sprang an eine der achteren Drehbassen, zündete sie und feuerte schräg nach oben. Aber nur das Schanzkleid wurde zerhackt. Die Seesoldaten hatten sich sofort abgeduckt, als sie sahen, daß einer der Schnapphähne die Drehbasse zündete. Die Karavelle driftete nach Backbord. An Deck wälzten sich Verletzte. Einige Kerle schütteten das Wasser aus den Pützen über die qualmenden Planken und holten an den Pützleinen neues Wasser herauf. überall zischte und rauschte es - und es stank nach verbranntem Fleisch. Einige hatten es geschafft, die Fock zu setzen. Unter dem Vorsegel und dem Besan glitt die Karavelle nach Norden und entfernte sich von dem Achterkastell der �Santa Ana�.

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Das Piratenschiff war ganz schön gerupft worden. Drei der Galgenvögel rührten sich nicht mehr, ihr mörderisches Dasein war beendet. Einer von ihnen war der pockennarbige Kerl mit den Zahnruinen und den beiden goldenen Ohrringen. Letztere wanderten in die Tasche eines Kumpans, bevor alle drei Leichen kurzerhand über Bord geworfen wurden. Das war bei ihnen so üblich. Es entsprach ihrer wüsten Art, sich christliche Seebestattungen zu ersparen. Wer draufgegangen war, hatte eben Pech gehabt � fertig! Dann waren da noch vier Schwerverletzte und eine erkleckliche Anzahl von Leichtverletzten � von denen humpelten die meisten, wegen der Brandwunden in den Fußsohlen. In dem Griechen kochte die Wut. Um den Schnapphahn, der mit qualmendem Hemd ins Wasser gesprungen war, kümmerte sich niemand. Er war der vierte Tote aus der Meute des Griechen.

* Barca und Einauge segelten mit ihren Karavellen zum Flaggschiff, alarmiert darüber, daß sich ihr Häuptling offenbar eine blutige Nase geholt hatte, als er versuchte, die Kriegsgaleone zu entern. Als sie in Rufweite waren, brüllte der Grieche: �Schießt die Galeone zusammen! Sie sollen büßen, die Hunde! Erhitzt die Kugeln � ich will den verdammten Kasten brennen sehen!� �Und die Boote?� rief Barca zurück. �Du hast keine dämlichen Fragen zu stellen, sondern zu tun, was ich befehle!� brüllte der Grieche wie rasend. �Ist das klar?� �Verstanden!� rief Barca und legte die Ohren an. Wenn sich der Grieche im Zustand der Raserei befand, dann war es besser, aus dem Kinken zu treten. Da wurde er nämlich unberechenbar. Somit blieben Capitan de Zarate tatsächlich sechs Beiboote erhalten � ein nicht unwichtiger Faktor dieser desolaten Situation. Und er war klug genug, drei

Jollen mit vereinten Kräften zunächst in Sicherheit schleppen zu lassen, nämlich weiter ins Inselinnere und hinter die Dünen, die jetzt einen Schutzwall darstellten. Draußen auf dem Wasser südlich der Riffbarriere befand sich nur noch die Jolle der �Santa Ana� mit dem Profosen als Bootsführer, und Capitan de Zarate hatte dafür Verständnis, denn auch er ahnte, daß die Männer des Flaggschiffs gezwungen sein würden, die �Santa Ana� zu verlassen. Da war es gut, wenn sie ihr eigenes Boot in der Nähe wußten. Zwei der übrig gebliebenen Boote lagen auf der Nordostseite von Little San Salvador noch im Wasser, und zwar in einer winzigen Bucht, die von hohen Kalksteinbrocken umgeben war, so daß man die Boote von Norden aus nicht sehen konnte. Diese beiden Boote hielt de Zarate in Reserve, um sie notfalls einzusetzen, wenn auch die Männer von der �San Josefe� abgeborgen werden mußten. Wie er diese verteufelte Situation einschätzte, würden sich die Piraten nicht damit zufrieden geben, die �Flecha� und die �Adelante� gekapert zu haben. Vermutlich würden sie auch alle drei Galeonen zerstören. Darum galt es, alles nur irgendwie Brauchbare zumindest von der �Almeria� abzubergen, die � �zum Glück� � auf den Nordstrand der kleinen Insel aufgelaufen war. Das, was zu bergen war, konnte also vom Achterkastell der �Almeria� aus nach unten auf den Strand gelassen werden. Sie hatten achtern bereits Ladebäume mit Taljen angebracht, um schwerere Lasten abfieren zu können. Daß de Zarates Einschätzung der Lage richtig war, zeigte sich, als die ne Karavelle � offenbar das Führerschiff � an das Achterkastell der Santa Ana� glitt. Da sollte geentert werden, wie de Zarate durch sein Spektiv erkannte. Und ein grimmiges Lächeln huschte über sein kantiges, Wettergegerbtes Gesicht, als er sah, was für eine Abfuhr die Piraten erhielten. �Gute Idee�, murmelte er vor sich hin, als ihm klar wurde, daß die Männer auf der �Santa Ana� Tonkruken mit glühender

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Holzkohle auf das Deck der Karavelle warfen. Sie hatten keine Kanonen und Drehbassen mehr, aber sie wehrten sich ihrer Haut, so gut es ging. Und dann nahmen die beiden anderen Karavellen Kurs auf die �Santa Ana�, nachdem sie sich kurz bei dem Führerschiff aufgehalten hatten. Ja, sie wollten zerstören, diese Halsabschneider, die vermutlich auch in der letzten Nacht die Ruder der �Almeria� und �San Josefe� blockiert und die Ankertrossen gekappt hatten. Die beiden Karavellen segelten an der �Santa Ana� vorbei und hämmerten ihre Breitseiten in den Rumpf des Flaggschiffs. Die Schußentfernung war noch geringer als Kernschußweite. Jeder Schuß traf. Und dennoch erfolgte noch einmal eine verzweifelte Gegenwehr, aber nicht seitens der �Santa Ana�, sondern Capitan Don Antonio de Caetano auf der �San Josefe� griff ein, und zwar mit drei Culverinen auf seiner vorderen Steuerbordseite. Deren Geschützrohre waren � ebenso wie bei den drei Culverinen auf der vorderen Backbordseite � noch nicht abmontiert und an Land geschafft worden. Die �San Josefe� lag an die zweihundert Yards westlich der �Santa Ana� und mit ihr etwa auf gleicher Höhe. Die Kanoniere und Richtschützen auf der �San Josefe� hatten die Rohre der drei Culverinen mit Keilen erhöht und setzten offenbar verstärkte Pulverladungen ein. Jedenfalls krachten die drei Schüsse lauter als sonst � und eine Kugel fand ihr Ziel. Denn der Besanmast der einen Karavelle wurde abrasiert, während die beiden anderen Kugeln an Steuerbord dieser Karavelle riesige Wasserfontänen aus der See rissen. Es war die Karavelle des Libyers Barca, und er hatte Glück, daß er sich in dem Moment instinktiv abduckte, als die Besangaffelrute über ihn wegraste. Sie hätte ihm sonst den Schädel zertrümmert. Aber ein anderer Kerl wurde von ihr über Bord gefegt, und zwar mit einer Wucht, als habe eine Riesenpeitsche zugeschlagen. Und der Besanmast selbst, der auf die Kuhl

stürzte, krachte auf einen anderen Kerl mit der Wirkung eines Schmiedehammers. Er war augenblicklich tot. Barca fluchte lästerlich, zum einen auf den Griechen, zum zweiten wegen des weggeschossenen Besanmastes und zum dritten, weil er jetzt erst entdeckte, daß die verdammte Gaffelrute auch das Großsegel von oben bis unten aufgeschlitzt hatte. An die beiden Kerle, die ihn dieser einzige Treffer gekostet hatte, dachte er nicht. Aber er dachte auch daran, daß nicht alles so lief, wie sie sich das vorgestellt hatten - die Spanier kniffen nicht den Schwanz ein, sondern wehrten sich, und zwar zäh und verbissen. �Kappt den Besanmast!� brüllte er und sah zu, sich ostwärts zu verholen, was leichter gedacht als durchzuführen war, denn das Besansegel war weg, das Großsegel zog nicht mehr, weil es in zwei Hälften geteilt war, und nur vor der Fock war die Karavelle leegierig. Das bedeutete bei dem Ostkurs und Wind aus Nordosten, daß die Karavelle auf die Cat-Insel zugetrieben wurde. Als er sah, daß sie es nicht schaffen würden, ließ er die Langriemen ausbringen, mit denen die Karavellen ausgerüstet waren. Sie wurden durch Riemenpforten geschoben, die sich an Backbord und Steuerbord im Schanzkleid befanden. Mit fünf Langriemen auf jeder Seite drehte die Karavelle schwerfällig in den Wind und wurde nach Nordosten gepullt � zu den beiden gekaperten Karavellen, die vor Treibanker lagen. Inzwischen fiel Einauge mit seiner Karavelle weiter über die �Santa Ana� her, allerdings hielt er sich auf deren Backbordseite und war auf diese Weise vor Weitschüssen von der �Santa Josfe� abgeschirmt, denn die Spanier würden nicht in Richtung des eigenen Schiffes schießen, nur um die dahinterliegende Karavelle zu treffen. Kugel um Kugel, von den Culverinen abgefeuert, krachte in die Backbordseite der �Santa Ana� �. und der einäugige Piratenkapitän hatte die Kugeln vor dem Abschuß erhitzen lassen. Es dauerte nicht

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lange, und aus dem spanischen Flaggschiff quoll dicker Qualm in den Himmel Der Qualm war ein Segen. Unter seinem Schutz warfen die Männer vorn am aufgelaufenen Bug auf der Steuerbordseite die Grätings und Riemen über Bord und sprangen auf Befehl des Stückmeisters und des Sargento hinterher oder ließen sich an Tauen hinunter. Auch eine Jakobsleiter war ausgebracht worden. Es gab keine Panik unter diesen Männern. Sie hatten ihre Pflicht getan und bis zum letzten ausgeharrt. Ihr Schiff war verloren. Jetzt durften sie an sich selbst denken. Einauge merkte zu spät, daß die Spanier ihr Schiff verließen, denn die waren gerissen genug, ihre Grätings in den Rauchschwaden zu verstecken und nach Südwesten zu paddeln. Und der Profos mit seiner Jolle half ihnen. Er hatte eine lange kräftige Leine achtern ausgebracht, an die sich die Männer auf den Grätings anhängen konnten. Es war eine Art Schleppzug, der sich langsam westwärts auf die Insel Little San Salvador zubewegte ungeschoren auch von dem Griechen, der nicht wagte, an die Riffbarriere heranzusegeln und auf den Schleppzug zu feuern, weil er dann nämlich in den Schußbereich der drei Culverinen der �San Josefe� geraten wäre. Und auf dieser Kriegsgaleone hatte er noch etwas beobachtet. Dort waren die Schanzkleider zwischen den vordersten Culverinen und dem Bug in einer Länge von mindestens vier Schritten weggesägt worden, so daß die Spanier mit je einer Culverine an Backbord und Steuerbord am Bug vorbei nach voraus schießen konnten. Der tote Winkel nach voraus betrug allenfalls nur noch zehn Grad zur Seite. Zähneknirschend mußte sich der Grieche eingestehen, daß sich die Spanier was einfallen ließen und nicht klein beigaben. Auch ihm dämmerte, daß die Nuß, die sie knacken wollten, härter war, als sie ursprünglich angenommen hatten. Fluchend gab er den Befehl, nach Osten zu den drei anderen Karavellen zu segeln. Es wurde jetzt auch allmählich Abend. Unterwegs schloß sich Einauge an. Die

�Santa Ana� brannte lichterloh. Alle fünf Karavellen gingen auf der Südostseite der Insel Eleuthera vor Anker.

6. Wie von einem Feldherrnhügel aus waren Siri-Tong, Jean Ribault, Edmond Bayeux und Karl von Hutten, der sich zu ihnen gesellt hatte, Zeugen des dramatischen Geschehens geworden, Zeugen brutaler Mordaktionen, aber auch tapferer Selbstbehauptung. Sie waren alle sehr nachdenklich geworden, denn ihr Unternehmen in der letzten Nacht hatte etwas in Gang gesetzt, das sie in dieser Form weder geplant noch beabsichtigt hatten. Sie kämpften mit Tricks und Kriegslisten gegen die Spanier, aber Mord lehnten sie ab. Und dennoch waren sie zu Handlangern von Mördern geworden, anders konnte man das nicht bezeichnen. Freilich hatten sie nicht wissen können, daß Piraten vom übelsten Schlag jene Situation ausnützen würden, die sie mit ihrer nächtlichen Unternehmung geschaffen hatten. Siri-Tong dachte in diesem Moment daran, wie sich wohl Philip Hasard Killigrew verhalten würde, wenn ihm das passiert wäre. Sie zweifelte nicht daran, daß er gegen diese Galgenstricke vorgehen würde. Sein unbestechlicher Sinn für Gerechtigkeit hätte ihn dazu gezwungen � auch seine Achtung vor einem tapferen Gegner, und diese Spanier dort drüben auf Little San Salvador und auf den beiden Galeonen-Wracks hatten starke Herzen gezeigt, und das in einer Lage, die ziemlich hoffnungslos war. Jean Ribault neben ihr schien ähnliche Gedanken zu haben. Mit Erbitterung sagte er: �Die Fronten haben sich verkehrt, umgedreht, oder wie man das nennen soll. Da kann einem die Galle hochsteigen. Und Hut ab vor den Dons! Sie haben sich gut geschlagen, nachdem sie überrumpelt wurden. Das sind Männer, die Respekt verdienen � im Gegensatz zu diesem verluderten Lumpengesindel.�

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Sie starrten alle vier zu den fünf Karavellen, die fast gegenüber von ihrem Beobachtungsstand vor Anker gegangen waren. Sanft sagte Siri-Tong: �Wir müssen damit rechnen, daß sich dieses verluderte Lumpengesindel � wie du es nennst, mein lieber Jean � auf den Bahamas festsetzt.� �Da sind mir drei spanische Kriegsgaleonen und zwei spanische Kriegskaravellen in Havanna lieber�, knurrte Jean Ribault, �als diese Meute von Schlagetots mit fünf Karavellen in der Nähe unseres Stützpunktes.� �So ist es�, bestätigte Edmond Bayeux, der normannische Riese. �Nur mit dem Unterschied, daß es drei spanische Kriegsgaleonen in Havanna nicht mehr geben wird, weil die eine zur Zeit eine Brandfackel ist, und die beiden anderen sind nur noch Wracks.� Er grinste plötzlich und setzte hinzu: �Was die beiden Kriegskaravellen betrifft, könnte man ja ein bißchen Schicksal spielen.� �Genauer, bitte�, sagte Jean Ribault etwas gereizt. �Na, zur Abwechslung kappen wir mal die Ankertrossen dieser beiden Karavellen�, erklärte Edmond Bayeux. �Nach meiner Berechnung müßten sie dann westlich von Little San Salvador vorbeitreiben. Wenn die Dons aufpassen, könnten sie sich ihre beiden Schiffchen wieder einfangen.� �Ach!� sagte Jean Ribault etwas höhnisch. �Und du meinst, die Schnapphähne an Bord der beiden Karavellen nehmen das einfach so hin, wie?� �Die müssen das hinnehmen.� �Wieso?� �Im Denken bist du zur Zeit nicht besonders fix, Monsieur�, sagte der Riese gemütlich. �Wir entern natürlich die beiden Kästen und klopfen diesen Bastarden gehörig was auf die Köpfe � in aller Stille, versteht sich.� �Mann, Mann�, murmelte Jean Ribault. �Die beiden Kriegskaravellen�, sagte Edmond Bayeux, �ankern an die sechzig Yards oder sogar mehr hinter den drei Piratenkaravellen, was ich schon mal als günstig bezeichnen möchte.� Er spähte

durch den Kieker und fügte hinzu: �Und zur Zeit werden aus den beiden gekaperten Karavellen Fässer in Jollen verladen und zu den drei anderen Schiffen gebracht. Wenn mich nicht alles täuscht, sind das Weinfässer.� Er räusperte sich. �Ich kenn mich da aus seit der letzten Nacht, als wir Nachtgeister spielten und den Dons vierundzwanzig Weinfässer von ihrem Stapelplatz auf Little San Salvador entführten.� Er räusperte sich noch einmal. �Wie ich das sehe, besaufen sich die Kerle heute abend.� �Wie kommst du denn darauf?� fragte Jean Ribault verblüfft. Der Riese seufzte. Dann erwiderte er: �Ich habe nachgedacht, mein Guter, und zwei und zwei zusammengezählt. Das Ergebnis sieht wie folgt aus: Diese Typen an Bord sehen so aus, als stammten sie aus den Ländern am Mittelmeer. Dort haben sie bisher geräubert und ihr fluchwürdiges Handwerk gut gelernt, wie zu beobachten war. Schießen können sie nämlich. Alsdann haben sie ihr Jagdrevier verlassen und sind westwärts gesegelt, weil sie gehört haben, daß es in der Karibik etwas zu holen gibt. Vielleicht ist ihnen im Mittelmeer auch der Boden zu heiß geworden. Sie sind, vermutlich mehr aus Zufall, auf die Cat-Insel gestoßen und an Land gegangen, um sich die Füße zu vertreten, von dort drüben aus haben sie gesehen, was hier los ist. Zwar sind Kriegsschiffe keine Handelsfahrer, aber an Bord gibt's Schiffskassen, Verpflegung � ich denke an den Wein �, Waffen, Pulver, Segeltuch und so weiter. Sie haben planvoll gehandelt. Die Überrumpelung und das Kapern der beiden Kriegskaravellen. war Maßarbeit. Ferner waren sie darauf aus, die Boote zu zerstören, was ihnen nicht ganz gelungen ist. Ich glaube, sie haben die Spanier unterschätzt. Immerhin aber haben sie zwei Kriegskaravellen erbeutet. Das kann man als Sieg bezeichnen � und den werden sie heute abend mit Wein begießen. Wollen wir wetten?� �Die Wette gewinnst du�, sagte die Rote Korsarin überzeugt. �Im übrigen gebe ich

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dir recht. Das sind Mittelmeer-Schnapphähne, die nach der Überfahrt ihren ersten Coup gelandet haben. Eine der Karavellen legte sich bei einer Wende stark über, so daß ein Teil des Rumpfes zu sehen war. Er wies starken Muschelbewuchs auf. Das deutet darauf hin, daß sie möglicherweise an die zwei Monate für die Atlantiküberquerung gebraucht haben. Vielleicht wurde ihnen der Proviant knapp. Die Kerle wirkten auf mich ziemlich ausgehungert. Insofern werden sie sich heute abend von dem erbeuteten Proviant die Mägen voll schlagen � und dazu saufen, und zwar unmäßig, wie das insbesondere bei solchen Strolchen üblich ist.� �Aha!� sagte Edmond Bayeux grinsend. �Bei solchen Strolchen! Ich hoffe doch sehr, daß sich diese Feststellung nicht auch auf gewisse trinkfreudige Exemplare im Bund der Korsaren bezieht.� �Trinkfreudigkeit und Sauferei sind zwei paar Stiefel�, erwiderte die Rote Korsarin gemessen, �obwohl es gewisse Exemplare im Bund manchmal ziemlich arg treiben.� �Meine Kerlchen nippen immer nur�, sagte der Riese prompt. Er liebte die Verniedlichungen � eine Ausdrucksweise, die im krassen Widerspruch zur Größe dieser �Kerlchen� stand. Sie maßen von Kopf bis Sohle alle weit über sechs Fuß. Dem entsprach auch ihre Schulterbreite. Und daß sie nur �nippten�, wenn es etwas Gutes zu trinken gab, war eine liebevolle Untertreibung. Sie waren gewaltige Zecher. In diesem Moment gab es auf einer der beiden gekaperten Karavellen � es war die �Adelante� � eine ziemliche Aufregung. Aus dem Niedergang zum Vordeck schoß etwas Vierbeiniges, Rosiges, und das schrille Quieken war bis zu den vier heimlichen Beobachtern zu hören. Ein Schwein! Es raste über die Kuhl und rannte einen Kerl über den Haufen. Andere Kerle tauchten aus dem Niedergang auf, lachend und johlend. Offenbar hatten sie das Borstenvieh zum Schlachten an Deck bringen wollen, wobei es ihnen entwischt

war. Die Freiheit war kurz. Irgendeiner dieser wüsten Gesellen, möglicherweise der Koch, erstach das Schwein mit einem Degen. Die Kerle jubelten, als hätten sie eine Schatzgaleone gekapert. Kurz darauf wurde noch eine Ziege geschlachtet, und das gleiche passierte auf der anderen Kriegskaravelle, der �Flecha�. Auch dort waren es ein Schwein und eine Ziege. Die Decks beider Karavellen verwandelten sich in Metzgereien. Ganze Fleischbatzen wurden von den ausgeweideten Tieren abgeschnitten und in Holztrögen von Beibooten zu den drei anderen Karavellen gebracht. Kurz darauf qualmten die Rauchabzüge auf den Vordecks der drei Karavellen, dort, wo sich unter der Back die Kombüsen befanden. Wiederum später trug der auflandige Wind Bratenduft in die Nasen der vier Beobachter. Dann war wohl alles klar, und die Rote Korsarin hatte recht: diese mörderische Bande plante ein Freß- und Saufgelage an diesem Abend, und da würde es sicher hoch hergehen. Und dann geschah etwas, das fast zu schön war, um wahr zu sein. Auf den beiden gekaperten Karavellen blieben nur je zwei Kerle zurück, offensichtlich als Ankerwachen. Die anderen Kumpane setzten mit den Booten zu den drei Karavellen über, auf denen sie grölend begrüßt wurden. Die Ankerwachen sahen ziemlich sauer aus. �Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps�, sagte der normannische Riese grinsend.

* Der Grieche hatte gründlich nachgedacht. Als Ergebnis seiner Überlegungen stand für ihn fest, daß die Spanier mit dem Rest ihrer Boote in dieser Nacht alles daransetzen würden, ihre beiden verbliebenen Galeonen total zu entladen. Das bestätigte ihm auch eine Beobachtung durchs Spektiv, bevor es dunkel wurde.

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Um die brennende Galeone bei Cat Island kümmerte sich niemand mehr. Aber bei der mittleren Galeone, der er den Bugspriet weggeschossen und dabei Vorbramstenge und Vormarsstenge abgetakelt hatte, legten die verbliebenen Boote an, wurde beladen und wieder zu der kleinen Insel gepullt, wo Gruppen von Männern das Entladen übernahmen. Und von der dritten Galeone, die auf dem Nordstrand der kleinen Insel aufsaß, wurden die Ladegüter über das Achterkastell auf den Strand abgefiert. Sie schufteten wie die Irren, diese Spanier. Der Grieche grinste zufrieden. Gut so, dachte er, denn diese blöden Hunde nehmen uns die Arbeit ab. Ladegüter von einem Stapelplatz abzuholen, war nämlich einfacher und leichter, als sie erst aus den Rümpfen zweier Galeonen zu wuchten und über Boote auf die eigenen Karavelle zu übernehmen, ganz abgesehen davon, daß die Karavellen bei beiden Galeonen nur am Heck längsseits gehen konnten, wo es noch tief genug war. Das wiederum würde bedeuten, die Lasten aus den Laderäumen irgendwie nach achtern schaffen zu müssen, was ein Unding war. Nein, nein, dachte der Grieche, räumt mal alles schön aus und stapelt es für uns auf der Insel, und zwar ordentlich, wie sich das gehört, so daß wir gleich aussuchen können, was für uns brauchbar ist. Trotz der verblüffend hartnäckigen Gegenwehr der Spanier war der Grieche davon überzeugt, letztlich doch die besseren Karten zu haben. Der Gegner saß auf der kleinen Insel fest, da biß die Maus keinen Faden ab. Ein Angriff mit dem Rest der Boote? Der Grieche grinste verächtlich. So e was wagten nur Verrückte. Und sie würden im Abwehrfeuer von Drehbassen ihren letzten Schnaufer tun. Nun gut, das Unternehmen hätte besser laufen können, aber sie hatten zwei Kriegskaravellen gekapert, und das war schon was � das Frischfleisch von zwei Schweinen und zwei Ziegen samt der Weinfässer eingeschlossen. Er trank bereits aus einem Humpen, und der Wein war beste Güteklasse. Der Bratenduft aus der

Kombüse tat ein übriges, die schlechte Laune des Griechen zu vertreiben, die er nach Abbruch des Unternehmens gehabt hatte. Immerhin hatte ihn der Überfall auf die Spanier vier Tote und einige Verletzte gekostet, bei Barca war der Besanmast zum Teufel und vier Kerle seiner Mannschaft waren über die Klinge gesprungen. Der einzige, der ungeschoren geblieben war, war Einauge. Trotz dieser Verluste war der Grieche entschlossen, es den Spaniern heimzuzahlen. Das hatte nichts mit Rache wegen der Toten zu tun, sondern der Grieche ertrug es nicht, wenn ihm Paroli geboten wurde. Zwar hatte er sich mit einem Gegner eingelassen, dessen Beruf das Kriegshandwerk war, aber gerade das reizte ihn jetzt. Er hielt sich nämlich für besser. Daß er seinen früheren Grundsatz, von Kriegsschiffen die Finger zu lassen, über den Haufen warf, wischte er beiseite. Er konnte sehr stur sein, dieser Nikos Dragumis, und wenn er sich einmal in etwas verbissen hatte, dann konnte ihn nichts davon abbringen, auch keine Gründe der Vernunft, die ihm jetzt nämlich hätte sagen müssen, daß es klüger wäre, zu verschwinden. Wie vereinbart, erschienen Barca und Einauge bei ihm an Bord, als die Dunkelheit einbrach. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Fleischbatzen von Schweinen und Ziegen in saftige Braten verwandelt, hervorragend zubereitet von den Köchen, insbesondere von dem Korsen an Bord des Flaggschiffs. Dem Wein hatten die Kerle auf allen drei Schiffen bereits kräftig zugesprochen. Das Freßgelage begann auf allen drei Karavellen. Den Ankerposten auf den beiden gekaperten Karavellen wurden Bratenstücke hinübergepullt � Weingenuß war ihnen strikt untersagt. Gerade weil es ihnen untersagt war, pfiffen sie darauf und hatten sich von dem Beutewein etwas beiseite geschafft, das heißt, von den Fässern in Kruken abgezapft.

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Der Grieche saß mit den beiden anderen Kapitänen auf dem Achterdeck seines Schiffes. Sie hockten auf Kamelsätteln, die der Grieche bei einem Überfall auf ein nordafrikanisches Küstendorf hatte mitgehen lassen. Der Korse hatte die Kapitäne mit Lendenstücken vom Schwein versorgt, die sie auf ihre Messer spießten und verzehrten, heißhungrig, versteht sich, und es klang, als seien Ferkel am Schmatzen. Das Fett lief ihnen über die Kinnpartien, was sie aber nicht störte. Die Kerle auf der Kuhl fraßen noch unmanierlicher. Der Grieche sagte kauend: �Morgen zerschießen wir den Spaniern die beiden anderen Galeonen.� �Ohne mich�, sagte Barca finster. �Mein Schiff ist ohne Besanmast nicht manövrierfähig. Das Großsegel muß auch noch geflickt werden.� �Dann übernimmst du die Karavelle, die von euch gekapert wurde�, bestimmte der Grieche stirnrunzelnd. �,Flecha` heißt der Kahn, also �Pfeil'. Aber so schnell wie ein Pfeil war der -Kahn nicht, als er von den beiden Jollen verfolgt wurde.� �Soll das ein Vorwurf sein?� knurrte Barca. �Mein Schiff holte bei der Verfolgung der beiden Jollen jedenfalls, auf�, entgegnete der Grieche. �Aber zerstört wurden die verdammten Jollen von meinen Leuten�, erwiderte Barca gereizt, �und zwar pfeilschnell, nicht wahr? Du hättest ja auch schießen können � mit verstärkter Pulverladung.� �Dein Ton mißfällt mir, Barca�, sagte der Grieche und spießte ein Lendenstück mit dem Messer auf. Die Stücke lagen in einer hochbordigen, mit zwei angeschmiedeten Griffen versehenen Eisenpfanne, und zwar in einem Bratensud, der mit Knoblauch angereichert war. Der Grieche ließ den Sud in die Pfanne abtropfen, dabei starrte er Barca aus schmalen Augen an. Und er fügte hinzu: �Wann ich schieße und ob mit verstärkter Pulverladung, das entscheide ich selbst. Die Belehrung hättest du dir sparen können.�

Das Gesicht des Libyers verfinsterte sich noch mehr, aber er ersparte sich eine direkte Antwort. Er sagte: �Wenn die beiden anderen Galeonen zerschossen werden, gehen dabei auch sämtliche Spieren drauf. Ich könnte einen der beiden Besanmasten als Ersatz für meinen verloren gegangenen Mast brauchen. Oder wo kriege ich Ersatz her?� �Das wird sich finden�, erklärte der Grieche. �Ihr hättet den Besanmast nicht kappen und über Bord werfen dürfen.� �Das war meine Entscheidung�, entgegnete Barca. Seine Stimme zitterte vor Wut. �Und auch ich brauche keine Belehrungen, vor allem dann nicht, wenn ein Mast nur noch den Wert von Feuerholz hat. Hier ist hinzuzufügen oder zu fragen, auf was der Verlust des Besanmastes ursächlich zurückzuführen ist � nämlich darauf, daß Einauge und ich die Galeone zerstören sollten, die du hattest entern wollen, was allerdings mißlang, nicht wahr? Und dabei wurde übersehen, daß die mittlere Galeone ihre vorderen Culverinen noch nicht abmontiert hatte, zum Beispiel jene Culverinen auf der Steuerbordseite, die mir den Besanmast wegschossen.� �Willst du Kritik üben, Barca?� fragte der Grieche mit sanfter Stimme. �Ich zähle Tatsachen auf�, sagte Barca. �Das Entern einer Galeone war zwischen uns nicht abgesprochen. Wir sollten die Boote der Spanier zerstören � was aber abgebrochen werden mußte, denn plötzlich hieltest du es für wichtiger, die verdammte Galeone von Einauge und mir in Brand schießen zu lassen. Und warum? Weil dir die Kerle dort an Bord das Entern vermasselt haben, darum!� Barca geriet immer mehr in Fahrt und höhnte: �Eine gelungene Abwehr, das kann man wohl sagen! Tonkruken, gefüllt mit glühender Holzkohle! Ein paar mehr von den Dingern, und ihr hättet alle einen Höllentanz aufgeführt. Und dafür werde ich von dir noch angestänkert, verdammt noch mal!� �Du nimmst das Maul reichlich voll, Barca�, sagte der Grieche und nickte seinem Ersten Offizier und Bootsmann

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Djerba unmerklich zu. Djerba hatte ganz achtern am Schanzkleid gesessen � hinter Barca. Und er hatte sich bereits lautlos erhoben, als der Grieche den Libyer sanft gefragt hatte, ob er Kritik üben wolle. �Du redest dich um Kopf und Kragen, Barca�, fuhr der Grieche fort, �und das gefällt mir gar nicht.� Er schüttelte betrübt den Kopf. �überhaupt nicht. Was hältst du davon, wenn ich dich ein bißchen zum Tode verurteile, eh?� �Mich?� Der Libyer lachte stoßartig. �Soll das ein Witz sein?� �Wie hat dir das Fleisch geschmeckt, Barca?� fragte der Grieche freundlich. �Gut, ausgezeichnet. Warum fragst du?� �Es war deine Henkersmahlzeit, Barca!� Und der Grieche lachte schallend, als Djerba dem Libyer von hinten ein Messer ins Herz rammte, eine lange spitze Klinge, die vorn an der Brust wieder heraustrat. �Jetzt brauchst du einen neuen Kapitän, Nikos�, sagte Einauge sachlich und gurgelte mit Rotwein. �Sein Bootsmann ist gut�, sagte der Grieche und lauschte dem aufklatschenden Wasser. Djerba hatte den Toten über Bord gekippt. Eine Stunde später waren alle völlig betrunken.

7. Auch in dieser Nacht - wie in der letzten - war der Himmel von Wolken bedeckt, die vom Atlantik heranzogen. Es war noch vor Mitternacht, als zwei Boote unter Segeln um die Südspitze der Insel Eleuthera glitten und hart am Wind über Steuerbordbug nach Osten aufkreuzten. Das eine Boot steuerte Edmond Bayeux. Außer ihm befanden sich noch vier seiner Riesenkerle an Bord. In dem anderen Boot saß Jean Ribault an der Pinne. Auch er hatte vier seiner Männer mit an Bord - und Siri-Tong, die Rote Korsarin, die eine Sonderaufgabe übernehmen würde, wenn alles so klappte, wie sie geplant hatten. Dabei hatten sie den ursprünglichen Vorschlag von Edmond Bayeux aus bestimmten Gründen etwas verändert.

In Richtung Osten zum Süden, etwa zehn Meilen entfernt, lag Little San Salvador mit der nach Osten anschließenden Riffbarriere, die zur Nordspitze von Cat Island verlief. Die Spanier waren immer noch dabei, ihre beiden aufgelaufenen Galeonen zu leichtern. Von der �Santa Ana� war nichts mehr zu sehen. Sie existierte nicht mehr. Der Brand hatte sie vernichtet. Die Teile unter Wasser, die das Feuer nicht hatte zerstören können, würden zerfallen, von Seegang zerschlagen oder von Korallen überwuchert werden. Die beiden Boote hatten es nicht weit bis zu den Piratenkaravellen. Immerhin waren die Kerle so klug gewesen, keine Ankerlichter zu setzen. Aber Jean Ribault und Edmond Bayeux wußten ohnehin, wo die Karavellen ankerten. Als sie genug Höhe herausgesegelt hatten, gingen sie mit einer Wende auf den Backbordbug, über den sie jetzt ihre beiden Ziele anliegen konnten - die �Flecha� und die �Adelante�. Alle spähten scharf nach voraus, bis vor ihnen in der Dunkelheit die beiden Schattenumrisse der angesteuerten Karavellen auftauchten, etwa vierzig Yards entfernt. Nichts rührte sich dort, kein Anruf erfolgte. Die je zwei Ankerwächter auf der �Flecha� und der �Adelante� huldigten dem Schlaf. Auch sie hatten ja gezecht und waren dann von Trunkenheit und Müdigkeit übermannt worden. Jean Ribault glitt mit seinem Boot auf das Heck der �Flecha� zu. Die �Adelante� ankerte an Steuerbord der �Flecha� und war das Ziel von Edmond Bayeux, Fast. gleichzeitig gingen beide Steuerleute in den Wind, und ihre Boote erreichten mit auslaufender Fahrt die Hecks der beiden Karavellen. Zwei Männer vorn im Bug brauchten nur hinüberzulangen, um die Boote festzuhalten. Die anderen enterten lautlos über das Heck aufs Achterdeck. Sie wurden von Schnarchtönen empfangen. Auf der �Flecha� hockten die beiden Kerle innen am Steuerbordschanzkleid auf der Kuhl, ihre Köpfe hingen auf der Brust. Die beiden anderen Ankerwächter auf der �Adelante� waren, was ihre

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Schlafbequemlichkeit betraf, noch unverfrorener gewesen. Sie hatten sich an Steuerbord auf der Kuhl ausgestreckt und zusammengerollte Decken als Kopfkissen untergelegt. Ihre Schnarchtöne waren noch lauter als die ihrer beiden Kumpane auf der �Flecha�. Alle vier Kerle empfingen das, was ihnen Edmond Bayeux zugedacht hatte, und zwar wurden ihnen Belegnägel an die Köpfe geklopft. Das einzige, was passierte, war, daß ihr Schnarchen abrupt abbrach. Sie wurden gefesselt und geknebelt. Die drei voraus ankernden Piraten-Karavellen waren nur zu ahnen beziehungsweise zu orten, und zwar mit dem Gehör: der Schnarchchor war deutlich vernehmbar, mal leiser, mal lauter. Abweichend vom Vorschlag des normannischen Riesen kappten sie nicht die Ankertrosse, sondern brachten die Dreistigkeit auf, die Anker zu hieven, langsam und in aller Ruhe und stets mit dem Ohr an den Schnarchtönen, ob sich da etwas veränderte. Aber die Lautkulisse blieb sich gleich. Zwar knarrten die beiden Ankerwinden, doch das waren keine Geräusche, von denen die Meute des Griechen aus dem trunkenen Schlaf gerissen wurde. Als die Anker aus dem Grund brachen, standen Jean Ribault und Edmond Bayeux an den Pinnen ihrer Karavellen und schoben sie nach Steuerbord, so daß die Ruderblätter nach Backbord zeigten. Der Wind aus Nordosten trieb die beiden Schiffe zurück, aber da das Wasser gegen die nach Backbord gelegten Ruder strömte, schwang das Heck auch nach Backbord und der Bug nach Steuerbord. Auf beiden Karavellen wurde gleichzeitig die Fock gesetzt und nach Luv gehalten, was die Drehbewegung weg vom Ufer noch beschleunigte. Das Zurücktreiben der �Flecha� und der �Adelante� ging in Stillstand und dann Vorausfahrt über, als die Vorsegel auf die Leeseite nach Steuerbord genommen und getrimmt wurden. Es sah alles so leicht aus, und doch waren alle diese Manöver erstklassige

Seemannschaft, wie sie nur Männer aufbrachten, die seit Jahren ihr Handwerk beherrschten, nämlich mit Fingerspitzengefühl und einem feinen Empfinden für die Launen des Windes. Sie brauchten auch keine Befehle, weil sie wußten, was zu tun war. Und jeden Handschlag zu diesem Tun hatten sie tausendfach geprobt und verbessert. Ja, alles klappte reibungslos, und das Glück war mit den Tüchtigen, vielleicht auch mit den Verwegenen. Die beiden Boote wurden an langer Vorleine nachgeschleppt. So entschwanden die �Flecha� und die �Adelante� vom Ankerplatz der Schnapphähne, niemand war dabei getötet worden. Es gab nur vier Kopfbeulen, und die waren als geradezu harmlos zu bezeichnen, wenn man beachte, was diese vier Kerle alles auf dem Kerbholz hatten. In Kiellinie, die �Flecha� hinter der �Adelante�, segelte Jean Ribault und Edmond Bayeux mit Backstagswind nur vor der Fock südwärts. Als ±e Insel Little San Salvador noch nicht ganz Backbord querab lag, luven sie an, steuerten auf die Südwestseite der Insel zu und gingen in Ufernähe vor Anker. Edmond Bayeux verließ mit seinen vier Schrats die �Adelante� und setzte mit dem Boot zur �Flecha� über. Jean Ribault und seine vier Mannen kletterten zu ihm an Bord. Siri-Tong blieb mit dem Boot des Franzosen zurück. �Jetzt bist du dran, Siri-Tong�, sagte Jean Ribault, und seine Stimme klang besorgt. �Und ich weiß immer noch nicht, ob dein Plan gut ist. Wenn du in drei Stunden nicht zurück bist, können die verehrten Dons was erleben. Mir wäre lieber gewesen, wir hätten uns diese beiden Karavellen unter den Nagel gerissen und wären verschwunden, aber du warst ja dagegen.� �Die Sache ist ausdiskutiert�, sagte Siri-Tong energisch, �und alles bleibt so, wie wir beschlossen haben. Gut, wenn ich in drei Stunden nicht zurück bin, könnt ihr euch ja um mich kümmern. Aber keine Bange, ich gehe schon nicht verloren.�

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�Dein Wort in Gottes Ohr�, brummelte Jean Ribault. �Wenn sie dich festhalten, Madame�, sagte Edmond Bayeux grinsend, �dann wird das normannische Ungewitter über sie kommen.� Siri-Tong lächelte nur und warf die Vorleine ins Boot. Sie winkten sich zu, und Edmond Bayeux segelte zu ihrem Schlupfwinkel zurück, einer kleinen Bucht auf der südlichen Westseite von Eleuthera. Die Rote Korsarin überprüfte noch einmal die Fesseln der beiden Kerle. Den einen hatte sie auf einer Gräting über einem Kuhlluk festgebunden, den anderen am Steuerbordniedergang zum Achterdeck. Genauso waren auch die beiden Kerle auf der �Adelante� gefesselt. Keiner konnte dem anderen helfen, dazu waren sie zuweit voneinander entfernt. Und was sie an Waffen bei sich gehabt hatten, war über Bord geflogen. Die Kerle waren noch ohne Besinnung. Siri-Tong enterte in die Jolle ab, setzte das Großsegel, löste die Vorleine und stieß die Jolle von der Bordwand weg. Auch sie segelte zunächst nordwärts, ging dann aber auf den anderen Bug und steuerte den Nordstrand von Little San Salvador an. Natürlich wurde sie gesichtet, als das fremde Boot plötzlich aus der Dunkelheit vor dem Nordstrand auftauchte, wo gerade zwei andere Boote entladen wurden. �Halt! Wer da?� erklang ein scharfer Ruf. �Gut Freund!� rief Siri Tong auf Spanisch zurück. �Ich möchte Ihren Kommandanten sprechen!� �Eine Frau!� sagte der Seesoldat verblüfft, der diesen Teil des Strandes überwachte. �Richtig!� Siri-Tong mußte unwillkürlich grinsen. �Ich bin weiblichen Geschlechts. Darf ich landen?� �Sind Sie allein?� �So ist es.�

* Der Mann war sichtlich verwirrt, als die Jolle auf dem Sand auflief und ihr eine schlanke Frau entstieg, die in einer roten Bluse steckte und eine schwarze, enge

Hose trug. Die Beinkleider verschwanden in ebenfalls schwarzen hohen Seestiefeln. Sie wurde von dem Seesoldaten angestarrt, als sei sie soeben vom Mond hernieder geschwebt, eine Mondfee also, und noch dazu eine ausnehmend hübsche. �Wie � was ...�, stotterte der Seesoldat. Ein paar andere Männer näherten sich, nunmehr aufmerksam geworden, und auch ihnen blieb der Mund offenstehen, während ihre Augen tellergroß wurden. �Ei-eine Frau ...� Auch dieser Mann war ein Stotterer. �Wenn Sie mich alle begutachtet haben�, sagte die Rote Korsarin und lächelte freundlich, �dann würde ich es begrüßen, wenn mich jemand zu Ihrem Kommandanten bringen könnte. Oder schläft er gerade?� Bei dieser Frage geriet der Seesoldat noch mehr durcheinander. Es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre davongerannt. Die anderen Männer waren ebenfalls überfordert oder aus der Fassung. Schließlich hatten sie seit Wochen keine Frau gesehen, schon gar nicht eine so exotische Schönheit, die sie überhaupt nicht einzuordnen vermochten. Siri-Tong amüsierte sich. Welche Wirkung sie auf Männer ausübte, wußte sie. Daß sie dazu auch noch eine exzellente Degenfechterin war und ein Schiff noch besser zu führen, verstand als so mancher Kapitän, wußten wiederum die Männer nicht oder nur jene, die sie kannten. In die allgemeine Verwirrung platzte ein Offizier. Es war Capitan Miguel Cervantes, der Kommandant der Kriegskaravelle �Adelante�. �Hallo!� sagte er erstaunt, als er der Roten Korsarin gegenüberstand. �Wen haben wir denn da?� �Ei-ei-eine Frau, Se-senor Ca-capitan.� Der Seesoldat stotterte noch ärger als zuvor. �Das sehe ich�, sagte der Capitan trocken, musterte die Rote Korsarin, verbeugte sich leicht und stellte sich vor: �Cervantes, Capitan der spanischen Marine. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Senora? Sie sind mit dem Boot hier gelandet?�

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�Richtig, Capitan�, erwiderte Siri-Tong. �Sind Sie der Kommandant aller dieser Männer?� �Nur eines Teils der Männer. Warum fragen Sie?� �Ich möchte mit dem Offizier sprechen, der hier das Kommando hat, Capitan. Ist das möglich?� �Sicher ist das möglich.� Cervantes lächelte. �Haben Sie zufällig einen Namen, Senora?� �Zufällig ja, aber das spielt keine Rolle.� Siri-Tong lächelte zurück. �Wie sagt man doch? Namen sind Schall und Rauch.� �Hm-hm, so sagt man�, murmelte der Capitan etwas verwundert. �Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Senora ohne Namen.� Eine Gasse öffnete sich, und der Capitan und Siri-Tong durchschritten kn Spalier staunender Männer, die sich fragten, ob diese schöne schlanke Frau mit dem geschmeidigen Gang ein Traum sei oder reale Wirklichkeit. Aber wenn Capitan Cervantes Wirklichkeit war, dann mußte es auch diese Frau sein. Die Kunde von ihrer Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Und dann stand die Rote Korsarin im Camp hinter den Dünen Capitan Juan de Zarate gegenüber, einem schlanken Mann mit breiten Schultern, einem kantigen, von Wind und Wetter gegerbten Gesicht, grauen Haaren und scharfen Augen. Siri-Tong kannte dieses Gesicht. Sie hatte es lange durch das Spektiv betrachtet, und sie meinte, Gesichter beurteilen zu können. Ja, es war ein gutes Gesicht, aus der Nähe sah dieser Mann noch besser aus, sie hatte sich nicht getäuscht. �Capitan de Zarate�, sagte Capitan Cervantes, �er hat hier das Kommando.� Und zu de Zarate sagte er: �Die Senora möchte Sie sprechen, Senor Capitan. Sie ist mit einem Boot gelandet.� Auch de Zarate verbeugte sich leicht. �Bitte sehr, Senora, sprechen �Um mich kurz zu fassen�, sagte die Rote Korsarin, �ich habe Ihnen Ihre beiden Kriegskaravellen zurückgebracht, die ,Flecha` und die �Adelante'. Sie liegen auf der Südwestseite dieser Insel vor Anker. An Bord befinden sich lediglich je zwei

Ankerwächter, aber gefesselt und geknebelt, wie sich das gehört, wenn man es mit Halsabschneidern zu tun hat. Sie können Ihre Karavellen wieder übernehmen.� Die beiden Offiziere starrten sie an, als hätten sie den Eindruck, eine Verrückte vor sich zu haben. �Hab ich mir gedacht�, sagte die Rote Korsarin. �Sie glauben mir nicht. Aber Sie brauchen nur ein Boot hinzuschicken.� �Das könnte eine Falle sein�, knurrte jetzt Capitan Cervantes. �Keine kluge Bemerkung, Capitan�, sagte Siri-Tong kühl. �Wenn ich zu dem Gesindel gehören würde, das gestern nachmittag über Ihre Schiffe und Männer hergefallen ist, dann würde ich jetzt wohl kaum hier stehen. Abgesehen davon, hätten Sie dann eine Geisel, nicht wahr?� �Wer sind Sie?� fragte Capitan de Zarate. Siri-Tong seufzte. �Ich sagte bereits zu Capitan Cervantes, daß Namen Schall und Rauch seien. Also gut, mein Vater war Spanier, spanischer Offizier, aber er wechselte die Seiten, als er erlebte, wie seine Landsleute mit den Arawaks auf diesen Inseln umsprangen, sie ausrotteten oder versklavten und in ihre Bergwerke zur Zwangsarbeit verschleppten. Er blieb bei einem Stamm der Arawaks auf einer der Inseln über dem Winde und schützte ihn vor seinen Landsleuten. Als er starb, wurde ich seine Nachfolgerin, also eine Art Häuptling. Mein Stamm steht in Verbindung mit einem anderen Stamm im Norden der Karibik. Wir tauschen Güter aus, die wir zum Leben brauchen. Wir befanden uns auf der Fahrt dorthin, als wir gestern heimliche Zeugen dessen wurden, was hier passierte. Ich kann nicht behaupten, daß ich die Spanier liebe, denn was sie in der Neuen Welt betreiben, kann man nicht anders als Raub bezeichnen. Und ihre Gier nach Gold, Silber und den Schätzen der Ureinwohner scheint unersättlich zu sein. Noch mörderischer allerdings empfinde ich die Untaten jenes Lumpenpacks, von dem Ihre Karavellen gekapert wurden. Und da beschloß ich, sie Ihnen zurückzubringen. Das ist alles. Sie

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können mir glauben oder nicht, es spielt keine Rolle. Aber Sie haben eine Chance, diese Insel verlassen zu können. Und Sie haben eine weitere Chance, den Piraten das Handwerk zu legen, vielleicht sogar deren drei Karavellen zu übernehmen, wenn Sie es geschickt anfangen. Dann hätten Sie genug Platz für alle Ihre Männer, wohin Sie auch segeln mögen. Aber Sie müßten noch in dieser Nacht zupacken. Die Kerle haben ihren Sieg gefeiert und sich sinnlos betrunken. Nun gut, das ist Ihre Sache. Ich bin nicht Ihr Admiral, oder wie man das nennt. Lassen Sie mich noch etwas sagen: Mein Vater war ein ehrenhafter Mann, ein Mann ohne Fehl und Tadel, und er wollte auf seine Weise gutmachen, was seine Landsleute in diesem Teil der Neuen Welt an Verbrechen begingen. Ich helfe Ihnen nicht uneigennützig, Capitan. Ich hoffe nur, daß Sie sich meiner Hilfe erinnern, sollte Ihnen jemals befohlen werden, Indianer zu massakrieren ...� �Kein ehrenhafter Spanier tut so etwas!� unterbrach sie Capitan de Zarate zornig. �Und wie viele gibt's davon?� fragte Siri-Tong ruhig. �Die Namen Velazquez, Cortez, Pizarro, Valdivia, Grivalja, Cordoba, Orellana, Alvarado � um nur einige aufzuzählen � haben Sie wohl noch nie gehört. Konquistadoren, nicht wahr? Sogenannte Eroberer � eine feine Umschreibung für Mörder. Aber die ich nannte, waren ja nicht allein. Sie waren nur die Anführer ihrer Horde von Abenteurern, Glücksrittern, verkrachten Existenzen und Spitzbuben. Sie fragten nicht, wem das Land gehört, sie nahmen es sich mit Feuer und Schwert, sie raubten, mordeten und plünderten, und die Ureinwohner waren für sie Wilde, die sie Affen nannten. Das sind die Tatsachen. Von den ehrenhaften Spaniern war hier wenig zu bemerken. Vielleicht sind Sie einer. Das sollte mich freuen. Aber Sie sind Soldat. Darf ich fragen, was Sie hier wollen?� �Wir sollen in Havanna auf Kuba stationiert werden�, erwiderte Capitan de Zarate unwillig, �und das Piratenunwesen bekämpfen.�

�Ah, Havanna auf Kuba!� Siri-Tong stemmte die Fäuste in die Hüften. �Von dem Gouverneur dort erzählt man sich wenig Gutes. Er soll in hohes Amt benutzen, um sich die Taschen zu füllen � von den in Havanna einlaufenden Handelsfahrern erhebt er zum Beispiel einen sogenannten Versicherungszoll, nämlich zehn Prozent vom Wert der Ladung. Angeblich sollen dann die Schiffe im Hafen von Havanna unter seinem Schutz stehen. Ich glaube, Sarmiento heißt er. Man sagt, er sei genauso korrupt wie seine Vorgänger. Wie vereinbart sich das mit Ehrenhaftigkeit, Capitan?� �Zum Teufel, ich kenne den Mann nicht�, knurrte de Zarate. �Von wem oder von wo haben Sie diese Informationen?� �Küstenklatsch, Capitan.� Siri-Tong lächelte. �Hier spricht sich vieles herum, von Insel zu Insel, von Küste zu Küste. Einiges mag vielleicht übertrieben sein, aber an dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichten über den Gouverneur hege ich nicht den geringsten Zweifel. In seinem Fall hinterfrage ich auch. Das muß ich, wenn ich meinen Stamm gegen spanische Übergriffe abschirmen will. Dieser Gouverneur hat bereits Inseln absuchen lassen, um Arawaks für die Bergwerke auf Kuba zu requirieren. Vielleicht wird das unter anderem auch Ihre Aufgabe sein, Capitan!� �Verdammt, Sie machen mir vielleicht Spaß!� Der geradlinige und anständige Capitan de Zarate fühlte sich in die Enge getrieben. Dafür stellte er jetzt die Frage, die Siri-Tong bei dieser Wendung des Gesprächs bereits erwartet hatte.

8. Er fragte: �Wenn Sie über den Küstenklatsch so gut informiert sind � haben Sie schon mal was über einen El Lobo del Mar gehört?� Die Rote Korsarin zuckte mit keiner Wimper und erwiderte: �Aber sicher habe ich von ihm gehört. Man spricht mit Achtung von ihm. Er soll das sein, was man einen ritterlichen Mann nennt.�

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�Sie kennen ihn?� �Leider nicht.� Siri-Tong verschränkte die Arme vor der Brust. �Aber ich hätte nichts dagegen, ihn kennen zu lernen, denn er soll sich auch für die Arawaks einsetzen.� �Dann wissen Sie auch nicht, wo er seinen Schlupfwinkel hat?� �Wenn ich ihn wüßte, würde ich ihn nicht verraten, Capitan. Ihre Frage war schlecht gestellt. Mein Respekt gilt einem Mann � ich wiederhole es �, der den Arawaks hilft, damit sie überleben können. Daraus ergibt sich doch wohl, daß ich Ihnen, der Sie möglicherweise von Ihrem Gouverneur den Befehl erhalten, Arawaks zu verschleppen, die Antwort verweigern muß, selbst wenn ich Kenntnis von diesem Schlupfwinkel hätte. Zu Ihrer Information möchte ich hinzufügen, daß die versklavten Arawaks in Ihren Bergwerken von den Aufsehern wie Vieh behandelt werden. Sie werden ausgepeitscht, verhöhnt, geschunden, totgeschlagen. Oder sie verhungern. Und wer fliehen konnte, wird mit Bluthunden gehetzt. Zur Belohnung dürfen sie ihr Opfer fressen. Kurz und gut, die Arawaks sterben wie die Fliegen. Kein Wunder, daß Ihr Gouverneur ständig Nachschub braucht. Haben Sie sonst noch Fragen?� Der Capitan räusperte sich die Kehle frei. Es war wohl alles ein bißchen viel, was er da zu hören kriegte. Bei Capitan Cervantes war es nicht anders. Merkwürdigerweise glaubten sie das, was ihnen diese fremde Frau erzählt hatte. Es klang überzeugend, und natürlich war ihnen bekannt, daß jene Konquistadoren, die sie genannt hatte, rücksichtslos und grausam vorgegangen waren. Capitan de Zarate sagte: �Ich danke Ihnen für die Informationen, Senora, auch wenn das, was Sie über das Verhalten meiner Landsleute berichten, beschämend genug ist.. Ja, eine Frage habe ich noch, und sie betrifft die Person des Gouverneurs. Wissen Sie noch mehr über ihn?� �Oh!� Die Rote Korsarin zog die Augenbrauen hoch. �Man erzählt sich sehr Sonderliches von ihm, besser: Absonderliches. Zur Entspannung von

seinem schweren Amt, so sagt man, pflege er am Abend im Lustgarten seiner Residenz an einem Brunnen zu sitzen und sich von in Hirtengewändern gekleideten, hübschen Knaben auf der Flöte Melodien vorspielen zu lassen, nach denen noch nicht erblühte Mädchen in durchsichtigen Schleiern einen Reigen um den Brunnen tanzten. Eine zumindest sehr ungewöhnliche Entspannung, finden Sie nicht?� �Äußerst ungewöhnlich�, sagte Capitan de Zarate ächzend, während Capitan Cervantes in stummem Erstaunen verharrte. Aber dann grinste er und sagte: �Vielleicht ist er ein Verehrer von Elfen und fühlt sich von ihrem Anblick wundersam erquickt.� �Ein merkwürdiges Verhalten für einen Mann, der auch als Bluthund bezeichnet wird�, sagte Siri-Tong. �Er soll in Spanien von den Inquisitionsgerichten zur Jagd auf vermeintliche Ketzer eingesetzt worden sein und mit Bestechung und Erpressung dafür gesorgt haben, daß der Krone oder Kirche mißliebige Personen zum Flammentod verurteilt wurden oder auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Wenn Ihre Krone einen solchen Mann zum Gouverneur auf Kuba ernennt, dann muß mit ihr etwas nicht stimmen, jedenfalls nach meiner Logik. Aber vielleicht denkt die Krone, daß ein guter Ketzerjäger auch ein guter Indianerjäger ist. So gesehen, wäre mir lieber, er ginge auf Elfenjagd und ließe uns zufrieden.� �Verdammt, verdammt�, murmelte Capitan de Zarate und rieb sich ausgiebig den Nacken, als müsse er sich von einem Druck befreien, der ihn beklemmte. Er reckte sich und fragte: �Ist es vermessen, Senora, Sie zu bitten, uns zu unseren Karavellen zu bringen? Bitte, das soll kein Mißtrauen sein. Aber ich kann es noch nicht so recht glauben.� �Dann sollten wir keine Zeit verlieren�, entgegnete Siri-Tong. �Vielleicht sollten uns Seesoldaten begleiten die sich um die vier Kerle kümmern können.� De Zarate nickte und gab die entsprechenden Befehle. Wenig später

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segelte Siri-Tong mit den beiden Kapitänen in ihrer Jolle zu den Karavellen, gefolgt von einem Boot der Spanier, das mit Seeleuten und Seesoldaten bemannt war. Sie legte an der �Flecha� an und stieg als erste an Bord. Die beiden Kerle waren wieder bei Bewußtsein und ächzten und stöhnten unter ihren Knebeln. Ihre Kopfbeulen waren prächtig aufgeblüht. Sie stierten zu Siri-Tong hoch und hatten vermutlich zuvor die Seesoldaten bei ihrem Anblick Halluzinationen. Siri-Tong drehte sich zu den beiden Kapitänen um, beschrieb einen Kreis mit ihrem rechten Arm und sagte: �Bitte sehr, Sie können Ihre Schiffe weder übernehmen. Allerdings konnten wir beobachten, daß Weinfässer auf die drei anderen Karavellen verladen und zwei Ziegen sowie zwei Schweine von den Kerlen geschlachtet wurden.� De Zarate und Cervantes, die nach der Roten Korsarin an Bord geklettert waren, standen still und stumm. Vermuteten sie immer noch eine Falle? Drüben auf der �Adelante� rumorten die Seesoldaten, und einer � ein Sargento � rief: �Hier ist alles klar, Senor Capitan! Nur die beiden .fesselten Strolche sind an Bord!� �Danke, Sargento!� rief de Zarate zurück und trat auf den Kerl zu, der auf die Kuhlgräting gefesselt war. �Mich würde interessieren, woher die Kerle kommen�, sagte die Rote Korsarin. �Mich auch�, knurrte de Zarate, beugte sich vor und riß dem Kerl den Knebel ab. �Mach's Maul auf, Bursche!� fauchte er. �Von wo seid ihr?� Der Kerl spuckte zur Seite und erklärte, was ihn der Capitan könne. Er drückte sich sehr unmanierlich aus. �Er möchte gern an der Rah zappeln�, sagte Siri-Tong, �und Sie sollten ihm den Gefallen tun, Capitan. Wenn er hängt, dann werden die drei anderen begeistert sein, reden zu dürfen.� �Wir sind aus dem Mittelmeer�, sagte der Kerl hastig.

Siri-Tong lächelte kalt. �Na bitte, aus dem Mittelmeer. Und wer ist euer Oberschnapphahn?� �Der Grieche.� �Der Grieche, na schön. Hat er auch einen richtigen Namen?� �Nikos Dragumis.� �Ihr seid zum erstenmal in der Karibik?� �Ja. Gestern mittag sind wir auf die Insel gestoßen, hinter der die Spanier ihre aufgelaufenen Galeonen entluden. Der Grieche beschloß, die beiden Karavellen zu kapern. Haben wir ja auch.� �Jetzt nicht mehr. Was hat der Grieche weiter vor?� �Die beiden anderen Galeonen auch noch zerstören und die Spanier auf der kleinen Insel abmurksen. Mehr weiß ich nicht.� Siri-Tong wandte sich de Zarate zu. �Sie haben gehört, was Ihnen zugedacht ist. Ich darf mich dann wohl verabschieden, sonst werden meine Leute unruhig.� �Wie kann ich Ihnen danken?� fragte de Zarate fast betreten. �Indem Sie sich als ehrenhafter Spanier verhalten, Senor Capitan�, erwiderte die Rote Korsarin lächelnd. �Darunter verstehe ich, keine Arawaks zu jagen und zu verschleppen. Darunter verstehe ich auch, jene vor ein Gericht zu bringen, die ihre Macht und ihr Amt schamlos mißbrauchen.� �Das werde ich tun � soweit dies wiederum in meiner Macht steht, Senora�, sagte de Zarate, �und die ist begrenzt. Befehle des Gouverneurs habe ich auszuführen.� �Auch solche, die gegen Ehre und Gewissen verstoßen?� fragte die Rote Korsarin scharf. �Die von einem Mann erteilt werden, den man als einen Verbrecher bezeichnen muß?� �Solche Befehle sind mir noch nie gegeben worden, Senora�, entgegnete de Zarate steif. �Ich würde sie ablehnen, das kann ich Ihnen versichern.� �Wenigstens etwas�, sagte die Rote Korsarin. �Sehen wir uns wieder, Senora ohne Namen?� fragte de Zarate fast hilflos. �Vielleicht, vielleicht auch nicht. Leben Sie wohl, Capitan. Ich wünsche Ihnen viel Glück und immer den Mut zu richtigen

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Entscheidungen. Ihr Soldaten beruft euch allzu oft auf Befehl und Gehorsam - leider. Dabei wird die persönliche Verantwortung ausgeklammert, man verschiebt sie zu dem nächsthöheren Vorgesetzten. Je höher er steht, desto gottgleicher wird er. Das stammt nicht von mir. Mein Vater sprach davon.� �Er war Offizier, nicht wahr? Sie wollen mir nicht seinen Namen nennen?� �Ich sagte bereits Lebewohl, Capitan.� Und damit wandte sich Siri-Tong ab, schwang sich über das Schanzkleid, kletterte in ihr Boot, löste die Vorleine, stieß es von der Bordwand und glitt unter dem Großsegel westwärts. Nach ein paar Minuten war das Boot in der Dunkelheit verschwunden.

* �So eine Frau habe ich noch nie erlebt�, murmelte Capitan de Zarate, und die Bewunderung war in seiner Stimme nicht zu überhören. Er starrte in die Dunkelheit, dorthin, wo das Boot eben noch ein Schatten gewesen und dann verschwunden war. Capitan Cervantes nickte. �Ja, eine erstaunliche Frau, und noch dazu von einem eigentümlichen Reiz. Sie hat uns ganz schön die Leviten gelesen, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Senor Capitan.� �Sie dürfen, Miguel�, erwiderte Capitan de Zarate und seufzte. �Und sie hat verdammt recht. Wenn ich an den Gouverneur in Havanna denke, werden meine Haare noch grauer.� �Sie meinen wegen seines Neffen?� Genau das. Dieser Bastard wird seinem Onkel die Hucke vollügen, ihm etwas vorgreinen - zusammen de Amoro -, und der liebe Onkel, der sich von Hirtenknaben Flötenmelodien vorspielen und von Elfen umtanzen läßt, wird nie und nimmer ein Kriegsgericht einberufen. Es ist zum Kotzen.� �Wir sind Zeugen, Senor Capitan�, sagte Cervantes energisch. �Der Kommandant der ,Santa Ana` und sein Erster Offizier

haben den Zweiten Offizier ermordet, um Unter Mitnahme der Schiffskasse desertieren zu können. Das sind Fakten, die der Gouverneur nicht ignorieren kann. Mord bleibt Mord, Fahnenflucht bleibt Fahnenflucht, auch wenn sie von einem Generalkapitän und einem Capitan begangen wurden. Daran kann der Gouverneur nicht vorbei.� �Irrtum, er kann�, sagte de Zarate düster, �die Senora ohne Namen hat es angesprochen, nämlich den Machtmißbrauch. Der Gouverneur hat die Macht, jeden Zeugen verschwinden zu lassen oder sogar bezahlte Gegenzeugen aufzustellen. Wenn dieser Mann für die Inquisition gearbeitet hat, die ich verurteile, dann beherrscht er die Methoden, wie man Unschuldige zu Schuldigen stempelt - und sei es unter Anwendung der Folter.� Capitan Cervantes war nachdenklich geworden. �Da werden wir in Havanna auf einiges gefaßt sein müssen. Ich stimme Ihnen zu, Senor Capitan, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Informationen der Senora ohne Namen nicht aus der Luft gegriffen sind.� �Ich glaube dieser Frau, und ich hatte den Eindruck, daß es Ihnen genauso erging.� �Stimmt�, gab Capitan Cervantes zu. Er dachte nach und sagte dann: �Vielleicht sollten wir Amoro und Sarmiento auffordern, ein Geständnis zu schreiben. Es könnte verhindern, daß der Gouverneur den Spieß umdreht.� �Und wenn sie das Geständnis widerrufen - oder behaupten, es sei ihnen abgepreßt worden?� De Zarate schüttelte den Kopf. �Ich weiß nicht, ob wir mit einen solchen Geständnis etwas erreichen. Aber gut, wir können es zumindest versuchen. Wir werden darüber noch beraten - zusammen mit Don Antonio. Bitte informieren Sie ihn: Ich habe die Absicht, im Morgengrauen die drei Karavellen der Piraten zu vernichten - mit der ,Flecha` und der ,Adelante`, die Sie natürlich wieder als Kommandant übernehmen. In dieser Zeit hat Don Antonio das Kommando über die Insel. Das Ausladen

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soll eingestellt werden. Vorrangig sind jetzt die Reparaturen an unseren beiden Galeonen - Behebung der Ruderschäden und Abdichten der Lecks, die durch die Treffer des Culverinenbeschusses entstanden sind. Wenn das geschafft ist, glaube ich, daß wir unsere beiden Galeonen mit vereinten Kräften vom Strand beziehungsweise vom Riff ziehen können.� �Sie wollen die drei Piratenkaravellen nicht kapern, Senor Capitan?� �Kapern würde bedeuten, daß wir entern müssen�, erwiderte de Zarate. �Soll ich dafür Männer opfern? Und diese Schnapphähne werden wie die Teufel kämpfen. Da ziehe ich den sicheren Weg vor. Wenn wir unsere beiden Galeonen wieder seeklar haben, können wir auf die drei Piratenkaravellen sowieso verzichten.� �Verstehe�, sagte Capitan Cervantes, �alles klar. Ich werde Capitan de Caetano informieren. Kann ich meine Besatzung schon von den Entladearbeiten abziehen?� �Natürlich, darum wollte ich bitten. Ebenso die ,Flecha`-Besatzung.� Cervantes salutierte, rief das Boot von der �Adelante� heran und kehrte zur Insel zurück. Zurück ließ er einen Mann, der zutiefst aufgewühlt war. Das heißt, die feste Ordnung dieses Mannes, die sein Leben als Seeoffizier und Kommandant bestimmt hatte, war bereits ins Wanken geraten, als er mit Dingen konfrontiert wurde, die er nicht für möglich gehalten hatte. Das Marineamt in Sevilla hatte zur Führung eines Verbandes von drei Kriegsgaleonen und zwei Kriegskaravellen einen Generalkapitän eingesetzt � Don Gaspar de Amoro �, dessen Qualifikation für eine solche Aufgabe nur als mangelhaft bezeichnet werden konnte, und das war noch geprahlt. Sein Erster Offizier, Don Pedro de Sarmiento, stand ihm darin in nichts nach, schlimmer noch: er war völlig unfähig, ganz abgesehen von seinen charakterlichen Mängeln, darunter seiner sadistischen Neigung, Männer wegen Lappalien auspeitschen zu lassen.

Beide Offiziere hatten falsch navigiert, und das Auflaufen der �Santa Ana� auf die Riffbarriere war einwandfrei ihr Verschulden. Was sie dann unternommen hatten, um das Flaggschiff abzubergen, spottete jeder Beschreibung � bis der energische und tüchtige Zweite Offizier, Manuel Buarcos, mehr oder weniger das Kommando übernommen und die ersten richtigen Maßnahmen eingeleitet hatte. Aber dann hatten sich die Ereignisse überstürzt, als die �Almeria� und die �San Josefe� mit gekappten Ankertrossen und blockierten Rudern nachts aufgelaufen waren. Aus Angst vor weiteren Angriffen der Piraten und unter Mißachtung ihrer persönlichen Verantwortung für die ihnen anvertrauten Männer und Schiffe waren Don Gaspar de Amoro und Don Pedro de Sarmiento unter Mitnahme der Bordkasse desertiert, nachdem sie vorher ihren Zweiten Offizier in seiner Kammer überfallen und regelrecht abgeschlachtet hatten. Ihre Desertion war gescheitert � dank der Aufmerksamkeit des Ausgucks auf der �Flecha�, von der das Boot verfolgt und gestellt wurde, mit dem die beiden Offiziere hatten fliehen wollen. Capitan de Zarate hatte das Kommando über den Verband übernommen und die beiden Deserteure � vorbehaltlich eines späteren Kriegsgerichts in Havanna � ihrer Posten entboten. Seitdem mußten sie als Seeleute Dienst tun. Das war die Geschichte, die de Zarate in diesen Augenblicken noch einmal durch den Kopf ging, aber sie hatte jetzt eine noch düstere Farbe erhalten, düster wegen der Zwielichtigkeit des Don Miguel de Sarmiento, seines Zeichens Gouverneur von .Kuba. Und er war der Onkel des Don Pedro de Sarmiento, des abgesetzten Ersten Offiziers der nunmehr verbrannten �Santa Ana�. Familie hält zusammen, dachte de Zarate, und dieser Onkel scheint ein ähnlicher Schweinehund zu sein wie sein Neffe. Er schlug erbittert die Faust auf den Handlauf des Backbordschanzkleides, an dem er stand. Ich habe korrekt gehandelt,

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verdammt noch mal, sagte er sich. Ich konnte gar nicht anders handeln, wenn der Generalkapitän als mein Vorgesetzter versagt, seine Schiffe und Männer im Stich läßt und desertiert. Ich hatte die Pflicht, als dienstältester Kommandant das Kommando zu übernehmen � und die Kapitäne haben mir recht gegeben. Sie stehen hinter mir � bis auf Capitan Manuel de Triana, der gefallen ist. Noch ein Toter zuviel in diesem Wahnsinn, den Amoro und Sarmiento zu verantworten haben. Ich glaube, dachte de Zarate grimmig, ich bringe die beiden Kerle um, wenn ein vom Gouverneur bestochenes Kriegsgericht sie freisprechen sollte. Das Bild der schlanken, schwarzhaarigen Frau tauchte vor seinem geistigen Auge auf, das faszinierende Gesicht mit den mandelförmigen Augen, den hohen Wangenknochen und der feinen Nase. Noch keine Frau hatte ihn derart beeindruckt. Er war unverheiratet und immer davor zurückgeschreckt, sich zu binden. Wochen und Monate auf See, die stetige Ungewißheit der Rückkehr � oder eine Rückkehr als Krüppel �, das waren keine guten Voraussetzungen für eine Bindung. Welche Frau nahm so etwas hin? Senora Namenlos, ich müßte mehr über dich wissen, dachte der Capitan.

9. Die Männer vom Bund der Korsaren atmeten auf, als sie den leisen Ruf �Ich bin's!� hörten und die Jolle von Siri-Tong an der Karavelle �Le Griffon II.� längsseits ging. Das Schiff von Edmond Bayeux lag zusammen mit der �Empress of Sea II.� und der �Empress of Sea III.� in der kleinen versteckten Bucht auf der westlichen Südseite der Insel Eleuthera. Einer von den normannischen Riesenkerlen nahm die Vorleine der Jolle wahr und belegte sie an einer Klampe. Siri-Tong kletterte an Deck der �Le Griffon II.�, stemmte die Fäuste in die Hüften und musterte aus schmalen Augen die grinsenden Kerle � einschließlich Jean Ribaults und Karl von Huttens. Sogar der

kleine Dave, der Sohn Smokys, war noch auf und saß bei ihnen. Und die Kerle süffelten mal wieder Wein, natürlich jenen, den Edmond Bayeux mit seinen Schrats von dem Stapelplatz der Spanier auf Little San Salvador hatte mitgehen lassen. Bevor die Rote Korsarin zur Strafpredigt ansetzen konnte, sagte Edmond Bayeux grinsend: �Auch ein Schlückchen, Madam? Dave holt ihn dir.� Und schon flitzte der kleine Dave los und holte aus der Kombüse eine Muck mit dem köstlichen Wein, der vormals auf der �Santa Ana� für Don Gaspar de Amoro und seinen Ersten Offizier reserviert gewesen war. �Ihr seid doch unverbesserlich�, sagte Siri-Tong, nahm die Muck in Empfang, bedankte sich und setzte sich auf eine Taurolle. Sie hockten alle auf der Kuhl der Karavelle und sahen sie gespannt an. �Na?� fragte Jean Ribault. �Zum Wohlsein!� erwiderte Siri-Tong, hob die Muck und trank. Es war wirklich ein vorzüglicher Rotwein, der angenehm in den Magen rann und Wärme brachte. Die Runde prostete ihr zu und trank ebenfalls. �Nun erzähl schon�, drängte Jean Ribault. �Wie war's?� �Prächtig war's. So prächtig, wie der Wein schmeckt�, meinte Siri-Tong und ließ ihre Leute zappeln. �Von Wein verstehen die Dons wirklich was. Ihre roten Weine vor allem sind von erlesener Klasse ...� �Unsinn!� fuhr Jean Ribault dazwischen. �Gegen die Rotweine Frankreichs sind die spanischen Rotweine gar nichts.� �Aha!� sagte die Rote Korsarin spitz. �Aber immer noch gut genug, daß ihr hier eure Nasen begießt, während ich mich in die Höhle des Löwen begebe, nicht wahr?� �Aber gebissen hat er dich nicht, eh?� schnappte Jean Ribault. �Nein, er war sehr charmant, mein Guter�, entgegnete Siri-Tong freundlich, �ein Kavalier, wie man bei euch sagt.� Jetzt äußerte Jean Ribault ein �Aha!� Und dann folgte: �Offenbar ein Süßholzraspler.� Er blickte zu Edmond

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Bayeux hinüber. �Merkst du was, Edmond?� �Klar�, erwiderte der Riese. �Ihre Augen glänzen so feurig.� �So was Dämliches!� fauchte die Rote Korsarin empört. �Madame sehen im Zorn reizend aus�, sagte der Riese und legte die Hand aufs Herz. �Wirklich!� Und er lachte voller Heiterkeit. �War doch alles nur scherzhaft gemeint, Siri-Tong. Du wolltest uns ein bißchen auf die Folter spannen � und wir haben uns gerächt. Prost!� Sie lachten alle und tranken. Dann sagte Siri-Tong: �Es hat gut geklappt. Sie haben mir die Tochter eines spanischen Offiziers abgenommen, ebenso die Geschichte mit dem Stamm der Arawaks, den ich seit seinem Tode führe und gegen die Spanier abzuschirmen versuche. Sie waren betreten, als ich vorn Leder zog und ihnen die Untaten ihrer Landsleute vorhielt. Ihr Capitan, de Zarate heißt er, ist ein ehrenhafter Mann. Ich habe ihn im gewissen Sinne vor dem Gouverneur auf Kuba gewarnt und das erzählt, was wir von Don Antonio de Quintanilla über ihn wissen - auch seiner Vorliebe für elfenhafte Mädchen und flötespielende Hirtenjungen. Er war betroffen. Und das ist gut so, denn ich schätze, er wird den Gouverneur sehr kritisch ins Auge fassen und ihm möglicherweise Befehle verweigern.� �Was hat er mit den Schnapphähnen vor?� fragte Jean Ribault. �Ich habe ihm empfohlen, sie noch in dieser Nacht anzugreifen und zu vernichten, weil sie schwer bezecht sind. Das sei für ihn auch eine Möglichkeit, die drei Piratenkaravellen zu kapern. Sie stammen übrigens tatsächlich aus dem Mittelmeer. Ihr Häuptling wird ,der Grieche' genannt, sein richtiger Name lautet Nikos Dragumis Ihr Überfall auf die Spanier ist der erster Coup, nachdem sie gestern mittag auf die Atlantikküste von Cat Island gestoßen waren.� �Wird der Capitan angreifen?� fragte jetzt Karl von Hutten. �Er könnte nämlich auch darauf verzichten und stattdessen seine

Leute auf die beiden Karavellen verladen und nach Havanna segeln.� �Nein�, entgegnete Siri-Tong. �Dieser Mann kämpft. Der zieht nicht ab und kneift vor Halsabschneidern, die ihm zwei Karavellen entführt und seine Leute abgeschossen haben. Das ist einer, der nicht aufgibt.� �Wie schön�, sagte Jean Ribault ein bißchen ironisch. �Dann erspart er es uns, daß wir den Kerlen zeigen, welcher Kurs anliegt, damit sie die jenseitige Welt erreichen.� �Dein Zynismus erscheint mir unangebracht, Monsieur Ribault�, sagte Siri-Tong scharf. �Wir waren es, die diese Situation herbeigeführt haben ...� �Da komme ich nicht mehr mit�, unterbrach sie der Franzose wild. �Wer ist der Gegner, gegen den wir uns - der Bund der Korsaren - zu wehren haben? Die Spanier oder irgendwelche Schnapphähne, die zufällig in unser Revier eingebrochen sind? Und wenn sich Spanier und Schnapphähne in die Haare geraten, dann kann ich allerdings nur jubeln - oder zynisch sein. Beide sind von uns abgelenkt, weil sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Und wir haben wieder etwas gewonnen, nämlich Zeit, weiter überleben zu können. Gut, wir haben diese Situation herbeigeführt. Na und? Wir haben den Spaniern sogar die Möglichkeit gegeben, nicht mehr wehrlos zu sein. Sollen wir vielleicht noch an ihrer Seite gegen dieses Gesindel kämpfen? Und uns damit einem sogenannten ehrenhaften Spanier zu erkennen geben? Denn dann fliegt deine Version auf, die du über die Arawaks vorgebracht hast, Madame. Damit geben wir unsere Existenz preis! Und da spiele ich nicht mehr mit.� �Ich stimme Jean zu�, sagte Edmond Bayeux ungewöhnlich ernst. �Bei allem, was wir tun oder wie wir handeln, haben wir � vorrangig vor allem anderen � daran zu denken, ob es unserem Bund Schaden oder Nutzen bringt, letzteren haben wir, wenn sich Spanier und Schnapphähne bekämpfen. Es sichert uns nämlich einen

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gewissen Frieden, und nur das ist es, was zählt.� �Verstanden�, murmelte die Rote Korsarin. �Entschuldige, Jean.� �Schon gut.� Jean Ribault nickte Siri-Tong zu. �Da ist noch etwas, was mich interessiert. Du hast über den Gouverneur gesprochen. Hat der Capitan dich nicht gefragt, woher du deine Informationen hast?� �Doch, hat er�, erwiderte die Rote Korsarin. �Ich habe ihm gesagt, hier spräche sich vieles herum, von Küste zu Küste, von Insel zu Insel.� Sie lächelte. �Und da hakte er nach, natürlich, und fragte, ob ich schon mal was über einen El Lobo del Mar gehört hätte. Das bejahte ich � mit dem Hinweis, ihn zwar nicht persönlich zu kenne, daß ich aber nichts dagegen hätte, ihn kennen zu lernen, denn überall spräche man von ihm mit Achtung. Er wäre ein ritterlicher Mann, der sich auch für die Indianer einsetze. Das muß ihn zumindest nachdenklich gestimmt haben. Ich dachte an Don Juan de Alcazar, der von der Krone auf Hasard angesetzt worden war und heute auf unserer Seite steht, weil er erkannt hat, für was wir kämpfen. De Zarate scheint mir ein ähnlicher Typ zu sein.� �In Ordnung�, sagte Jean Ribault. �Das wollte ich wissen. Dann haben wir also einem guten Mann geholfen.� �So sehe ich das auch�, sagte die Rote Korsarin. �Wenn ihr keine weiteren Fragen habt, dann schlage ich vor, daß wir ankerauf gehen und uns etwas zurückziehen.� �Warum das denn?� fragte Edmond Bayeux verblüfft. �Wollen wir uns nicht anschauen, wie die Spanier ins Gefecht gehen?� �Na klar, wollen wir das�, erwiderte die Rote Korsarin. �Aber unsere Ankerbucht hier auf der Westseite liegt fast auf gleicher Höhe mit dem Ankerplatz der Kerle drüben auf der Ostseite. Ich könnte mir vorstellen, daß es einigen Galgenvögeln gelingt, sich an Land zu retten. Wenn sie dann auf den Dünenkamm steigen, liegen wir genau vor ihrer Nase.

Und das muß ja nicht unbedingt sein, nicht wahr?� �Stimmt�, sagte Jean Ribault. �Dann sollten wir uns nach Norden verholen, Powell Point umsegeln und im Rock Sound vor Anker gehen. Da sind wir an die zwanzig Meilen von der Südspitze Eleutheras entfernt und kaum zu entdecken. Einverstanden?� Sie nickten alle. Zehn Minuten später hievten sie die Anker, verließen die kleine Bucht und segelten zum Rock Sound, einer geschützten Nebenbucht an der großen Bucht, die von einer nach Nordwesten gekrümmten Landzunge auf der Leeseite von Eleuthera gebildet wurde. Nach dem Ankern setzten Siri-Tong, Jean Ribault, Edmond Bayeux und Karl von Hutten an Land, bewaffnet natürlich und ausgerüstet mit Spektiven, und wandten sich südwärts. Auf einem Hügel an der Seeseite der Insel, an die vier Meilen von der Südspitze entfernt, bezogen sie - Beobachtungsposten.

* Morgennebel hatte sich gebildet und lag in Schlieren über der See und Teilen des Strandes. Der Wind aus Nordosten trieb die Schwaden aus. Es sah aus, als tanzten riesige und größtenteils zerfetzte Bettlaken durch die Luft. Über der Atlantikkimm im Osten breitete sich Helligkeit aus. In etwa einer halben Stunde würde der obere Rand der Sonnenscheibe an der Kimm auftauchen und die See rötlich verfärben. Die drei Karavellen des Griechen ankerten in versetzter Kiellinie, an der Spitze im Norden der Dreimaster des Griechen, dahinter das Schiff Einauges und am Schluß die zum Zweimaster abgetakelte Karavelle, die Barca unterstanden hatte. An Backbord aller drei Karavellen lag jeweils ein Boot längsseits. Die Kerle schliefen immer noch, einige an Deck, wo sie die Trunkenheit niedergestreckt hatte, andere unter Deck in ihren Kojen, so auch der Grieche in seiner Kammer unter dem Achterdeck.

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Keiner dieser mörderischen Kerle ahnte, daß sich das Blatt gewendet hatte, daß die beiden gekaperten Karavellen in der Nacht verschwunden, jetzt jedoch im Anmarsch waren, gefechtsbereit mit ausgerannten Culverinen und an den Schanzkleidern aufgereihten Drehbassen. Auf jeder Bordseite waren es neun Culverinen und acht Drehbassen. An Deck, von vorn nach achtern verteilt, lauerten Seesoldaten mit schußbereiten Musketen und Tromblons. Die Culverinen waren mit je fünf Mann besetzt. Sie segelten über Backbordbug hart am Wind von Süden heran, vorn die �Flecha� unter Capitan de Zarate, dahinter die �Adelante� unter Capitan Cervantes. Er hielt zur �Flecha� nur einen knappen Abstand von etwa fünfzehn Yards. Das war wichtig, um den Moment der Überraschung voll zu nutzen. Sie hatten vereinbart, je drei Culverinen auf eine Karavelle abzufeuern, mithin also bei beiden Schiffen sechs Schüsse � und die sollten und mußten im Ziel liegen, um gleich auf Anhieb und im ersten Anlauf die größtmöglichen Schäden anzurichten. Die erste, die es treffen würde, war die Karavelle Barcas, die am südlichsten ankerte. Die Sonne hatte die Kimm noch nicht erreicht, als die �Flecha� heranglitt und auf einen Parallelabstand von nur zwanzig Yards zu der Piratenkaravelle ging. Wenn schon, denn schon, hatte Capitan de Zarate grimmig gesagt. Beim zweiten Anlauf auf Gegenkurs würden sie allerdings vorsichtiger sein. Als die �Flecha� genau querab der Barca-Karavelle lag, hob Capitan de Zarate die rechte Hand und riß sie nach unten � das vereinbarte Zeichen für seine Geschützführer an den vorderen drei Culverinen, daß sie Feuererlaubnis hätten. Die drei Schüsse klangen wie einer, und zwar wie ein berstender Donnerschlag. Mit zerstörender Gewalt durchbrachen die drei Culverinenkugeln die Steuerbordseite der Karavelle, und zwar genau in der Wasserlinie. In ihrem Rumpf war ein Krachen und Bersten zu hören. Durch die drei Löcher schoß Wasser ins Innere.

�Sehr gut!� lobte de Zarate die drei Geschützmannschaften, die bereits damit beschäftigt waren, die Rohre auszuwischen und nachzuladen. Sie arbeiteten schnell und exakt. Und schon erhielten die Geschützmannschaften der drei mittleren Culverinen auf der Backbordseite die Feuererlaubnis des Capitans, denn jetzt lag die �Flecha� auf gleicher Höhe mit der Karavelle Einauges. Sie feuerten in dem Moment, in dem auch Capitan Cervantes das Feuer auf die Barca-Karavelle für seine drei ersten Culverinen freigab. Von dem Krachen und Dröhnen der Geschütze wurden die Kerle aus ihrem trunkenen Schlaf geschreckt. Jene, die an Deck gelegen hatten und jetzt mit wirren Sinnen hochfuhren, gerieten in den Eisenhagel von Musketen und Tromblons. In das Peitschen der Schußwaffen mischte sich das Belfern der Drehbassen, deren tödliche Ladungen die Decks leerfegten. Der Grieche erschien mit völlig verzerrtem Gesicht in dem Augenblick auf dem Achterdeck seiner Karavelle, als die drei achteren Culverinen der �Flecha� ihre Feuerlanzen ausspuckten und die drei Einschläge das Schiff wie mit einer Riesenfaust durchschüttelten. Der Grieche wurde von den Füßen gerissen und entging damit der Drehbassenladung, die über ihn hinwegraste. Er war wie von Sinnen, hieb mit den Fäusten auf die Planken und brüllte wie ein Stier. In den kurzen Sekunden, bevor er den Boden unter den Füßen verlor, hatte er gesehen, welche Schiffe sich auf der Steuerbordseite befanden � die beiden Karavellen, die sie gekapert hatten. Die Spanier hatten sich ihre Schiffe zurückgeholt! Diese Erkenntnis explodierte in seinem Kopf fast wie der Einschlag einer Kugel. Und jäh wußte er, warum das alles hatte passieren können: weil sie alle sinnlos betrunken gewesen waren. Er wollte sich aufrichten, da donnerte es erneut, und seine Karavelle bäumte sich auf, schlug nach Backbord und wieder zurück nach Steuerbord, und auf dieser

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Seite gurgelte und schäumte das Wasser in den Rumpf. Es war deutlich zu hören, und es klang, als schlürfe ein Ungeheuer die ganze See in seine mächtigen Rachen. Gehackte Ladungen fegten über Deck, Kugeln jaulten und wimmerten, Männer wälzten sich über die Planken, andere taumelten, brachen zusammen, schrien, brüllten wie er, hatten fratzenhafte Gesichter, krümmten sich, bluteten � und da waren welche, die sich über das Backbordschanzkleid ins Wasser stürzten. Die Schlagseite nach Steuerbord nahm rapide zu. Jählings rutschte der Grieche ans achtere Steuerbordschanzkleid. Er rappelte sich mühsam auf, kroch auf der Schräge hinüber nach Backbord, zog sich dort hoch, quälte sich über das Schanzkleid und ließ sich fallen. Zu diesem Zeitpunkt begann die �Flecha� ihren zweiten Anlauf, gefolgt an der �Adelante�. Beide Karavellen hatten gewendet und segelten über Steuerbordbug mit Backstagswind auf die drei Piratenkaravellen zu, um ihr Vernichtungswerk fortzusetzen. Alle drei Karavellen krängten nach Steuerbord � am meisten die Barca-Karavelle, deren Steuerbordschanzkleid bereits im Wasser lag. Keine Kanone der Piraten war ausgerannt. Es gab keine Gegenwehr. Die Kerle waren von der vernichtenden Wucht dieses jähen Überfalls viel zu demoralisiert � und eine Gegenwehr mit den Culverinen, so sie

feuerbereit gewesen wären, schied schon deshalb aus, weil sie wegen der Schräglage nach Steuerbord nur noch ins Wasser geschossen hätten. Es war aus und vorbei. Rette sich, wer kann, lautete die Devise. Und so sprangen sie über Bord und schwammen hinüber zum rettenden Strand. Keiner kümmerte sich um die Verletzten. Jeder war sich selbst der Nächste. Aber dieser Gegner war jetzt genauso erbarmungslos, wie sie es gewesen waren. Ihre Gewalt schlug zurück in Gegengewalt. Auch im Wasser fanden sie keinen Schutz. Musketenkugeln sirrten heran � und trafen. Wer es schaffte, der tauchte. Und wieder krachten die Culverinen und hämmerten ihre Kugeln in die Rümpfe der drei Piratenkaravellen. Eine Kugel raste in die Pulverkammer der Karavelle des einäugigen Kapitäns, eine Stichflamme schoß in den Himmel, weißglühend, und in einer berstenden Explosion wurde das Schiff in Tausende von Teilen zerrissen. Unter diesen Teilen befand sich das, was einmal der Einäugige gewesen war. Denn er hatte bewußtlos an Deck gelegen, von einem Eisensplitter am Kopf getroffen. Nur hatte sich unter ihm die Pulverkammer befunden, und er war gleich auf der Stichflamme in den Himmel geritten � oder in die Hölle. Die beiden anderen Piratenkaravellen kenterten und sanken...

E N D E