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8 ETR | MAI 2016 | NR. 5 www.eurailpress.de/etr INTERVIEW | Peter Josef Flatscher Die Deutsche Plasser baut seit einigen Jahren ihr Aus- und Weiterbildungsange- bot rund um den Gleisbau aus. Warum dieses Engagement? Unser Leitmotto lautet: Die Deutsche Plasser ist ein Servicepartner. Wir gehen auf unsere Kunden zu. Ihre Probleme sind unsere Prob- leme. Wir lösen sie. Von unseren Kunden hörten wir immer: Wir haben zu wenig Leute und die, die wir ha- ben, sind zu wenig ausgebildet. Aufgrund der nicht ausreichenden Ausbildung waren die Maschinen oft nicht wirtschaftlich aus- gelastet. Wir haben deshalb schon früh, hier in München, mit der Ausbildung angefan- gen, in Räumen der Deutschen Bahn. 1994, im Zuge der Bahnreform, gingen viele Fach- leute in den vorzeitigen Ruhestand. Wir hat- ten uns Gedanken gemacht, wie unter den neuen Prämissen Instandhaltung und War- tung organisiert werden können und des- halb Gleise am ehemaligen Gleisbauhof in Hanau als Instandhaltungsstützpunkt ange- mietet, aber auch zur Ausbildung. Als wir vor 8 Jahren in Bingen mit dem Schu- lungszentrum begonnen haben, ahnten wir nicht, welche Dimensionen dieses einmal annehmen wird. Wir haben mit dem Drin- gendsten angefangen und dann gesehen, dass beim Gleisbau eine ganze Generation von Spezialisten fehlt. 20 Jahre nach der Bahnreform fehlen noch immer die Gleisbau-Spezialisten? Viele der jungen Kollegen haben noch zu wenig Erfahrung. Gleisbau kann man in der Theorie lernen, doch es braucht auch Praxis. Hängt Ihr Engagement für Ausbildung auch mit Ihrem eigenen Lebensweg zu- sammen? Aus- und Weiterbildung sind eine zwingen- de Notwendigkeit. Ich sehe es bei mir selbst: 1967 habe ich bei der Deutschen Plasser als Lehrling angefangen. Mein Vorbild war Dr. Theurer, ein Maschinenbau- und Hydraulik- Spezialist. Mit 19 Jahren war ich der jüngste Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital Gute, geschulte Mitarbeiter sind neben guten Maschinen die Voraussetzung für wirtschaftliche Gleisin- standhaltung und -neubau, davon ist Peter Josef Flatscher überzeugt. ETR sprach mit dem Geschäftsfüh- rer der Deutsche Plasser über die Notwendigkeit von Aus- und Weiterbildung und die Weiterentwick- lung des eigenen Schulungszentrums. Hydraulik-Meister in Oberbayern. Dann er- hielt ich ein Stipendium und habe Maschi- nenbau studiert, zusätzlich zu meiner Arbeit bei der Deutschen Plasser, mit der ich meine Familie ernährte. Bald nach Studienab- schluss war für mich klar, dass die technische Ausbildung alleine nicht ausreicht. Ich habe deshalb zusätzlich Betriebswirtschaft stu- diert und anschließend Handelsrecht. Als es vor einigen Jahren darum ging, die Deutsche Plasser weiterzuentwickeln, haben wir uns gefragt: Wo liegt unser Kapital? Die Antwort war ganz klar: Bei unseren Mitarbei- tern. Sie sind unser wichtigstes Kapital. Des- halb haben wir uns entschieden, die Ausbil- dung auszubauen und mit dem Bahnhof in Bingen am Rhein eine Dependance gefun- den, die zentral liegt. Mit dem Schulungszentrum in Bingen ha- ben Sie die Ausbildung von den Arbeits- plätzen abgekoppelt. Warum? Wir wollten, dass die Teilnehmer in Ruhe, an einem neutralen Ort lernen können. Damit sich jeder auf das Lernen konzentrieren kann und nicht in Gedanken bei seiner Arbeit ist. Wie wichtig dies ist, hat sich in den vergan- genen Jahren immer wieder neu bestätigt. Die Schulungsteilnehmer sollen sich bei uns wirklich wohlfühlen. Wenn es den Teilneh- mern gut geht, können sie gut lernen. Welche Bedeutung hat die Ausbildung der eigenen Mitarbeiter für die Deutsche Plasser? Nachhaltigkeit im Unternehmen können Sie nur erreichen, wenn Sie Ihre Mitarbeiter ent- sprechend ausbilden. Die Aus- und Weiterbil- dung hat deshalb für die Deutsche Plasser eine besondere Bedeutung. Wir arbeiten sehr eng mit unseren Kunden zusammen und un- terstützen diese bestmöglich. Voraussetzung dafür ist, dass unsere Mitarbeiter gut ausge- bildet sind, um Kontinuität und Qualität bei den Serviceangeboten zu wahren. Wir wollen das Wissen von den Personen lösen und im Unternehmen halten und teilen. Unsere Plasser-internen Schulungen richten sich an Mitarbeiter, die neu zu uns kommen, aber auch an solche, die schon länger dabei sind und bei denen die Leistungsauswer-  VITA Peter Josef Flatscher Geschäftsführer Deutsche Plasser Bahnbaumaschinen GmbH Peter Josef Flatscher besuchte nach der Volks- und Hauptschule die Berufs- aufbauschule mit Abschluss mittlerer Reife. Er schloss eine Ausbildung zum Maschinenschlosser und Maschi- nenbautechniker ab, machte seine Meisterprüfung in Hydraulik. Flatscher studierte berufsbegleitend Betriebswirt- schaftslehre an der WiFi in Salzburg und machte seinen Abschluss in Europäi- schem Handelsrecht bei der IHK. Flatscher war von 1971 bis 1976 Au- ßendienstmitarbeiter in Skandinavien bei Plasser Dänemark, Techniker Ar- beitsvorbereitung bei Plasser & Theurer, Linz/Österreich sowie Servicetechniker für Deutsche Plasser. Von 1976 bis 1978 war Flatscher Assistent der Betriebslei- tung Plasser England und 1978 bis 1979 bei Plasser Griechenland. 1980 bis 1984 arbeitete er als Servicetechniker für Plasser & Theurer und Deutsche Plasser in Mitteleuropa und Vorderasien. 1984 bis 1988 war Flatscher Assistent der Betriebsleitung der Deutschen Plasser in Freilassing und von 1989 bis 1999 Prokurist und Einkaufsleiter der Deut- schen Plasser, Freilassing. Peter Josef Flatscher ist seit 1999 Geschäftsführer der Deutschen Plasser, München, seit 2000 Geschäftsführer Deutsche Plasser Holding und seit 2011 Vorstandsvor- sitzender Deutsche Plasser Services Norge AS.

Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital · war Flatscher Assistent der Betriebslei-tung Plasser England und 1978 bis 1979 bei Plasser Griechenland. 1980 bis 1984 arbeitete er

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INTERVIEW | Peter Josef Flatscher

Die Deutsche Plasser baut seit einigen Jahren ihr Aus- und Weiterbildungsange-bot rund um den Gleisbau aus. Warum dieses Engagement? Unser Leitmotto lautet: Die Deutsche Plasser ist ein Servicepartner. Wir gehen auf unsere Kunden zu. Ihre Probleme sind unsere Prob-leme. Wir lösen sie.Von unseren Kunden hörten wir immer: Wir haben zu wenig Leute und die, die wir ha-ben, sind zu wenig ausgebildet. Aufgrund der nicht ausreichenden Ausbildung waren die Maschinen oft nicht wirtschaftlich aus-gelastet. Wir haben deshalb schon früh, hier in München, mit der Ausbildung angefan-gen, in Räumen der Deutschen Bahn. 1994, im Zuge der Bahnreform, gingen viele Fach-leute in den vorzeitigen Ruhestand. Wir hat-ten uns Gedanken gemacht, wie unter den neuen Prämissen Instandhaltung und War-tung organisiert werden können und des-halb Gleise am ehemaligen Gleisbauhof in Hanau als Instandhaltungsstützpunkt ange-mietet, aber auch zur Ausbildung. Als wir vor 8 Jahren in Bingen mit dem Schu-lungszentrum begonnen haben, ahnten wir nicht, welche Dimensionen dieses einmal annehmen wird. Wir haben mit dem Drin-gendsten angefangen und dann gesehen, dass beim Gleisbau eine ganze Generation von Spezialisten fehlt.

20 Jahre nach der Bahnreform fehlen noch immer die Gleisbau-Spezialisten?Viele der jungen Kollegen haben noch zu wenig Erfahrung. Gleisbau kann man in der Theorie lernen, doch es braucht auch Praxis.

Hängt Ihr Engagement für Ausbildung auch mit Ihrem eigenen Lebensweg zu-sammen?Aus- und Weiterbildung sind eine zwingen-de Notwendigkeit. Ich sehe es bei mir selbst: 1967 habe ich bei der Deutschen Plasser als Lehrling angefangen. Mein Vorbild war Dr. Theurer, ein Maschinenbau- und Hydraulik-Spezialist. Mit 19 Jahren war ich der jüngste

Die Mitarbeiter sind das wichtigste KapitalGute, geschulte Mitarbeiter sind neben guten Maschinen die Voraussetzung für wirtschaftliche Gleisin-standhaltung und -neubau, davon ist Peter Josef Flatscher überzeugt. ETR sprach mit dem Geschäftsfüh-rer der Deutsche Plasser über die Notwendigkeit von Aus- und Weiterbildung und die Weiterentwick-lung des eigenen Schulungszentrums.

Hydraulik-Meister in Oberbayern. Dann er-hielt ich ein Stipendium und habe Maschi-nenbau studiert, zusätzlich zu meiner Arbeit bei der Deutschen Plasser, mit der ich meine Familie ernährte. Bald nach Studienab-schluss war für mich klar, dass die technische Ausbildung alleine nicht ausreicht. Ich habe deshalb zusätzlich Betriebswirtschaft stu-diert und anschließend Handelsrecht. Als es vor einigen Jahren darum ging, die Deutsche Plasser weiterzuentwickeln, haben wir uns gefragt: Wo liegt unser Kapital? Die Antwort war ganz klar: Bei unseren Mitarbei-tern. Sie sind unser wichtigstes Kapital. Des-halb haben wir uns entschieden, die Ausbil-dung auszubauen und mit dem Bahnhof in Bingen am Rhein eine Dependance gefun-den, die zentral liegt.

Mit dem Schulungszentrum in Bingen ha-ben Sie die Ausbildung von den Arbeits-plätzen abgekoppelt. Warum? Wir wollten, dass die Teilnehmer in Ruhe, an einem neutralen Ort lernen können. Damit sich jeder auf das Lernen konzentrieren kann und nicht in Gedanken bei seiner Arbeit ist. Wie wichtig dies ist, hat sich in den vergan-genen Jahren immer wieder neu bestätigt. Die Schulungsteilnehmer sollen sich bei uns wirklich wohlfühlen. Wenn es den Teilneh-mern gut geht, können sie gut lernen.

Welche Bedeutung hat die Ausbildung der eigenen Mitarbeiter für die Deutsche Plasser? Nachhaltigkeit im Unternehmen können Sie nur erreichen, wenn Sie Ihre Mitarbeiter ent-sprechend ausbilden. Die Aus- und Weiterbil-dung hat deshalb für die Deutsche Plasser eine besondere Bedeutung. Wir arbeiten sehr eng mit unseren Kunden zusammen und un-terstützen diese bestmöglich. Voraussetzung dafür ist, dass unsere Mitarbeiter gut ausge-bildet sind, um Kontinuität und Qualität bei den Serviceangeboten zu wahren. Wir wollen das Wissen von den Personen lösen und im Unternehmen halten und teilen.

Unsere Plasser-internen Schulungen richten sich an Mitarbeiter, die neu zu uns kommen, aber auch an solche, die schon länger dabei sind und bei denen die Leistungsauswer-

▶  VITA

Peter Josef FlatscherGeschäftsführer Deutsche Plasser Bahnbaumaschinen GmbHPeter Josef Flatscher besuchte nach der Volks- und Hauptschule die Berufs-aufbauschule mit Abschluss mittlerer Reife. Er schloss eine Ausbildung zum Ma schinenschlosser und Maschi-nenbautechniker ab, machte seine Meisterprüfung in Hydraulik. Flatscher studierte berufsbegleitend Betriebswirt-schaftslehre an der WiFi in Salzburg und machte seinen Abschluss in Europäi-schem Handelsrecht bei der IHK.Flatscher war von 1971 bis 1976 Au-ßendienstmitarbeiter in Skandinavien bei Plasser Dänemark, Techniker Ar-beitsvorbereitung bei Plasser & Theurer, Linz/Österreich sowie Servicetechniker für Deutsche Plasser. Von 1976 bis 1978 war Flatscher Assis tent der Betriebslei-tung Plasser England und 1978 bis 1979 bei Plasser Griechenland. 1980 bis 1984 arbeitete er als Servicetechniker für Plasser & Theurer und Deutsche Plasser in Mitteleuropa und Vorderasien. 1984 bis 1988 war Flatscher Assistent der Betriebsleitung der Deutschen Plasser in Freilassing und von 1989 bis 1999 Prokurist und Einkaufsleiter der Deut-schen Plasser, Frei lassing. Peter Josef Flatscher ist seit 1999 Geschäftsführer der Deutschen Plasser, München, seit 2000 Geschäfts führer Deutsche Plasser Holding und seit 2011 Vorstandsvor-sitzender Deutsche Plasser Ser vices Norge AS.

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tung zeigt, dass sie eine Nachschulung be-nötigen. Auch Techniker, die nach dem Kauf einer Maschine die Mitarbeiter des Kunden einarbeiten, werden teilweise von uns in Bin-gen an den Simulatoren geschult. Über die Techniker haben wir dann auch er-fahren, dass ein Bedarf an weiteren Schulun-gen besteht. Denn sie stellten in der Praxis fest, dass von den Mitarbeitern, die auf der Maschine eingearbeitet werden, die meisten das Leistungspotential der Technik nur zu 50 bis 70 % ausschöpfen können, weil ihnen Wissen fehlte. Diese Mitarbeiter werden von uns in Bingen in Gleisbau und Maschinenbe-dienung nachgeschult.

Da die Bediener die Maschinenleistung mitbestimmen, haben Sie ein hohes Inte-resse daran, dass die Mitarbeiter Ihrer Kunden bestmöglich ausgebildet sind.Unsere Maschinen sind auf eine bestimmte Stundenleistung optimiert – wenn die Be-diener jedoch nicht gut genug ausgebildet sind, erreichen sie die versprochene Leis-tung nicht. Der Kunde kann seine Leistung nicht erreichen und ist unzufrieden. Um das zu verhindern, vertreten wir den Ansatz, dass wir den Bediener so gut ausbilden, dass die Maschine ihre maximale Leistung er-reicht. Mit gut geschultem Personal werden Fehlbedienungen vermieden. Werden prak-tische Schulungen durch theoretische Grundlagen ergänzt, reagiert der Bediener im Arbeitsalltag, insbesondere in untypi-schen Situationen, gelassener und trifft eher die richtige Entscheidung, weil er die Zu-sammenhänge besser versteht. Außerdem sind gut ausgebildete Mitarbeiter motivierte Mitarbeiter.

Sie haben deshalb das Schulungszent-rum sehr schnell für externe Teilnehmer geöffnet.Das Schulungszentrum war kein geplantes zusätzliches Geschäftsmodell. Vielmehr wur-den wir von Kunden darauf angesprochen. Da wir uns als Dienstleister im After-Sales Bereich verstehen, waren wir gerne bereit, das Deutsche Plasser Schulungszentrum nach außen zu öffnen.

Wie ist das Angebot vom Markt ange-nommen worden? Insgesamt sehr positiv. Im Gründungsjahr hatten wir 77 Teilnehmer, 2015 waren es schon 321. Hatten wir 2008 nur 2 Schulungs-räume mit 135 qm, so sind es heute 6 Räume mit 650 qm. Zu Beginn war die Reaktion allerdings noch verhalten. Viele unserer Kunden fürchteten, dass ihre gut geschulten Mitarbeiter von der Konkurrenz abgeworben würden. Doch nachdem das erste Unternehmen mit den

Schulungen begonnen hatte, mussten sich die anderen mit der Frage auseinanderset- zen: Was macht mich als Arbeitgeber attrak-tiv? Heutzutage sind dies vernünftige Ar-beitszeiten und Aus- und Weiterbildungs-möglichkeiten. Die Angst, dass die gutausgebildeten Mitarbeiter zur Konkur-renz wechseln, hat sich nicht verwirklicht. Und wenn einer gewechselt hat, hatte das nichts mit unserer Schule zu tun, sondern mit dem Leistungsprofil des Unternehmens.

Keine Weiterbildung ist also eher ein Grund für die Mitarbeiter, zum Konkur-renten zu wechseln?Wenn mich mein Arbeitgeber fördert und fordert, spornt mich das an. Wenn nicht, denke ich über einen Wechsel zu einem Un-ternehmen nach, bei dem die sozialen Be-dingungen besser sind. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter, die zufrieden sind, bis zur Rente immer nur das Gleiche zu machen.

Doch wer als Unternehmer an Morgen denkt, braucht Mitarbeiter, die mehr wollen. Diese Mitarbeiter sind die Schwungräder, die ein Unternehmen in Bewegung halten. Wenn bei uns ein neuer Mitarbeiter anfängt, bekommt er ein DIN A5 Buch, in blau, mit der Aufschrift Warum? auf dem Einband. Damit er immer darüber nachdenkt: WARUM machen wir etwas so wie wir es machen? Wenn je-mand von außen kommt und sieht, wie etwas besser gemacht werden kann – umso besser. Der Dialog ist das Entscheidende. Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter einbringen und mitdenken. Wer mit mir oder einem anderen Führungskollegen sprechen will, macht einen Termin aus – wir stehen zur Verfügung. So bleibt ein Unternehmen lebendig.

Wie wird entschieden, welche Mitarbeiter eine Schulung benötigen?Der Schulungsbedarf zeigt sich im Delta, dem Unterschied zwischen der möglichen

Peter Josef Flatscher will einen wirtschaftlichen Gleisbau. Er weiß aufgrund seines eigenen Lebensweges: Gute Ausbildung ist eine Notwendigkeit (Fotos: Marcus Schlaf )

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INTERVIEW | Peter Josef Flatscher

Leistung einer Maschine und der tatsächlich erreichten Leistung.

Gerade ältere Mitarbeiter sind oft nicht an Aus- und Weiterbildungen interessiert. Kommen die trotzdem zu Ihnen?Diese Mitarbeiter brauchen meist einen klei-nen Schubs. Wenn man 10, 20 oder sogar 30 Jahre nicht mehr in der Schule war, ist die Hemmschwelle hoch, wieder die Schulbank zu drücken. Denn man muss nicht nur 6, 7, 8 Stunden lang konzentriert lernen, sondern wird am Ende auch noch benotet. Doch wenn diese Angst überwunden ist, sind es gerade diese Mitarbeiter, die nach der ersten Schulung immer wieder kommen und wei-ter lernen wollen.

Erfahren Sie durch die Schulung umge-kehrt auch viel über das Verhalten ihrer Maschinen im Praxis-Einsatz?Aus den Gesprächen bei den Schulungen er-geben sich auf jeden Fall Synergien. Der Er-fahrungsaustausch unter den Teilnehmern ist immer sehr lebhaft – die Gruppen sind klein, 6 oder 7 Teilnehmer, die sich teils von Baustellen her kennen, teils aber auch nicht, weil der eine vom Norden kommt, der ande-re vom Süden. Dieser lebhafte Austausch ist für uns sehr wichtig. Über die Jahrzehnte hinweg waren es immer die Fragen und An-regungen der Techniker, die uns herausge-fordert haben, etwas Neues zu tun. Ein Unternehmen lebt nur dann, wenn man

gut zuhört. Wenn man nicht zuhört, verän-dert sich nichts. Darum bilden wir nicht nur aus, sondern schaffen ein Forum, das ein Ge-spräch unter den Teilnehmern fördert. Das Ergebnis zählt: Wir wollen eine schnelle ma-schinelle Instandhaltung des Gleises errei-chen, mit Hilfe von ausgefeilter Technik und guter Ausbildung. Das hilft dem Betreiber einer Anlage und dem Unternehmer, der un-sere Maschinen einsetzt, denn unterm Strich bleibt für alle mehr übrig.

Sie verkürzen die Ausbildungsdauer durch die Schulungen in Bingen erheb-lich.Je nach Vorwissen dauert die Grundausbil-dung zwei bis sechs Wochen. Mit dem Ab-schluss des Grundkurses sind die Teilnehmer in der Lage, eine Stopfmaschine mit hoher Leistung zu bedienen. Im Schulungszentrum in Bingen haben wir in Gleis- und Weichenstopfsimulatoren in-vestiert. Wenn ein Teilnehmer einige Tage lang auf diesen Simulatoren die Handlings der Maschinen durchgespielt und die Stopf-Rhythmen erlernt hat, kann er auf jeder Ma-schine arbeiten. Denn der Rhythmus des Gleisstopfens ist immer der Gleiche. Die Notwendigkeit einer Weiterbildung an Simulatoren haben die Unternehmen erst lernen müssen. Früher wurde On-the-Job ausgebildet. Ein erfahrener Maschinist be-kam einen unerfahrenen Neuen zugeteilt, der tagelang hinter ihm stand. Wenn der

Neue dann endlich stopfen durfte, hat er als Erstes das Gleis hochgezogen, das daraufhin in stundenlanger Arbeit wieder bereinigt werden musste. Durch unsere Simulatoren gestützte Ausbildung sind wir jetzt in der Lage, die Ausbildungszeit von 2 Jahren auf wenige Wochen zu verkürzen. Das bedeutet 100 %igen Benefit für den Betreiber der Ma-schine: Denn er kann seine Mitarbeiter in kürzester Zeit aus erster Hand fachkompe-tent ausbilden lassen.

Wie viele der Teilnehmer kommen heute von Unternehmen außerhalb der Plasser & Theurer-Gruppe? Augenblicklich liegt das Verhältnis bei 60 % externen zu 40 % internen, wobei der Anteil der externen Teilnehmer stetig weiter steigt. Immer weniger Unternehmen schulen noch In-House, sondern schicken ihre Mitarbeiter gleich zu uns. Die Saat geht langsam auf.

Deutschland investiert mehr in die In-standhaltung des Schienennetzes. Nimmt die Nachfrage nach Ihren Kursen zu?Die Nachfrage nimmt auf jeden Fall zu. Ob dies eine Folge der gestiegenen LuFV-Mittel ist, lässt sich bisher nicht eindeutig sagen. Wir stellen auf jeden Fall fest, dass besonders Unternehmen mit älteren Mitarbeitern zu-nehmend Teilnehmer in unsere Kurse schi-cken. Diese Unternehmen denken präventiv und schulen vermehrt neue Mitarbeiter, um die älteren, erfahrenen Maschinisten, die in

» Wir bilden die Bediener so aus, dass die Maschine ihre maximale Leistung erreichen kann. «

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» Ein Unternehmen braucht Mitarbeiter, die mehr wollen. «

den kommenden Jahren in Rente gehen, er-setzen zu können. Erfolgreiche Unternehmer müssen in die Zu-kunft denken: 5 Jahre voraus ist ein Plan, 10 Jahre voraus eine Vision. Ein Unternehmer muss Visionen haben. Und rechtzeitig han-deln.

Was sind die Highlights Ihres Schulungs-angebotes?Ein wichtiges Merkmal unseres Angebotes ist, dass wir von A bis Z alles schulen. High-lights sind sicher die Simulatoren. Die Teil-nehmer, die gerade angefangen haben, mit unseren Maschinen zu arbeiten, sind immer sehr beeindruckt. Denn wovor haben Mitar-beiter und Unternehmer Angst? Dass ein Maschinist beim Bedienen das Gleis kaputt macht, der Auftraggeber Regress anmeldet und Minuspunkte entstehen. Diese Angst fällt beim Simulator weg. Das Gerät registriert, wie viele Schwellen kaputt gehen, doch passiert dies nur virtuell. In der Realität würden die kaputten Schwellen ein Vermögen kosten. Vor diesem Hintergrund ist unser Ausbildungszentrum eine Notwen-digkeit. Es gab das Problem und keinen Bil-dungsträger, der eine Lösung anbot. Wir ha-ben die Lösung. Das Ausbildungszentrum wird von den Teilnehmern mit 1,3 benotet.

Sie analysieren, was notwendig ist, und dann tun Sie es. Was sind die Herausfor-derungen der nächsten 5 Jahre in der

Branche und was bedeutet dies für das Schulungszentrum?Plasser & Theurer entwickelt seine Technik stets weiter. Wir werden auf der Innotrans eine neue Maschine mit Hybridantrieb vor-stellen. In dem Nachbarland, in dem die Ma-schine eingesetzt wird, hat unser Partner aufgrund des leiseren Betriebs langfristige Aufträge erhalten. Auch die Deutsche Bahn will umweltfreundlicher werden, Lärm min-dern und CO2- und Stickoxid-Ausstoß sen-ken. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt. Auf das Schulungszentrum wirkt sich dies insofern aus, als die Elektrotechnik neu ge-schult werden muss, sowohl für unsere eige- nen Mitarbeiter als auch später für die Mit-arbeiter unserer Kunden. Die übliche Elektri-ker-Ausbildung reicht hier nicht, denn es handelt sich um Hochspannung. Weitere He-rausforderungen sind der demografische Wandel und die Digitalisierung.

Sie hatten schon angesprochen, dass Un-ternehmen vermehrt neue Mitarbeiter ins Schulungszentrum schicken, um die Maschinisten im Rentenalter ersetzen zu können. Findet sich genug Nachwuchs oder herrscht auch hier der vielbeklagte Fachkräftemangel? Das Hauptproblem unserer Kunden in den nächsten Jahren wird sein, Mitarbeiter für die Maschinenbedienung zu bekommen. Die Crux dabei ist, dass bei Einsatzplanun-gen oft an den Mitarbeitern vorbei geplant

wird. Wenn Sie einem potentiellen Mitarbei-ter im Einstellungsgespräch sagen, dass er an 46 von 52 Wochenenden im Jahr sicher nicht zu Hause sein wird, ist das Gespräch sofort zu Ende. Das muss nicht so sein. Wenn man richtig plant, geht es auch anders, wie die Nieder-landen, Frankreich und auch Großbritannien zeigen. Man kann die Mitarbeiter 7 Tage die Woche rollierend einplanen und die Arbeit damit mitarbeiterfreundlicher gestalten. Dann wird es leichter, Mitarbeiter zu finden, denn die Arbeit an sich ist interessant. Jeder, der eine technische Ausbildung hat, ist faszi-niert von den Maschinen und der eingesetz-ten Technik. Doch im Augenblick sind die sozialen Einschränkungen zu groß: Man sieht seine Kinder nicht, weil man beinahe jedes Wochenende arbeitet, die Ehefrau macht irgendwann auch nicht mehr mit. Hier muss sich wirklich etwas verändern. Wir sind deshalb unter anderem auch mit der Deutschen Bahn im intensiven Gespräch.

Wie würde eine arbeitnehmerfreundli-chere Arbeitsplanung aussehen?Man müsste schon bei der Planung und Aus-schreibung der Arbeiten anfangen. In vielen Fällen wäre es bei entsprechender Technolo-gie sicher möglich, einen Großteil der Arbei-ten an den Wochentagen, und dann auch nachts, durchzuführen. Hochtechnisiert könnten die Arbeiten auch schneller und da-mit weniger störend für die Anwohner »

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durchgeführt werden als beim konventio-nellen Umbau, bei dem sich die Arbeiten wochenlang hinziehen. Doch man muss es wollen. Bei der Deut-schen Plasser arbeiten wir, wenn es notwen-dig ist, auch an 7 Tagen rund um die Uhr. Trotzdem halten wir die Regelarbeitszeiten ein. Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital – wenn wir sie verheizen, haben wir sie nicht mehr. Nach Hochphasen müssen deshalb immer wieder auch ruhigere Zeiten kommen. Wir achten auf unsere Mitarbeiter – bei den Arbeitszeiten und in der Ausbil-dung.

Was muss ein neuer Mitarbeiter im Gleis-bau mitbringen? Muss er Ingenieur sein?Als Maschinenbediener sollte er eine gewis-se Vorbildung in Gleisbau, Maschinentech-nik und Hydraulik mitbringen. Je nach Vor-wissen dauert eine Ausbildung kürzer oder länger, wir arbeiten hier ganz individuell. Das Plasser & Theurer Werk in Linz bietet zu jeder gelieferten Maschine eine Grundschu-lung in Linz an, die in der Regel auch genutzt wird. Doch die heutigen Maschinen sind sehr komplex, die Tagesleistungen hoch,

statt früher 7 sind nur noch drei Maschinis-ten auf der Maschine – das ist ein anspruchs-voller Job. Im Ausbildungszentrum geben wir aber auch Schulungen für Projektleiter, Planer und Kalkulatoren – meistens Ingeni-eure.

Digitalisierung ist eine der Herausforde-rungen der Branche. Wie wirkt sich das auf Ihr Angebot im Schulungszentrum aus? Auf unseren Maschinen hat die Digitalisie-rung schon lange Einzug gehalten. Dabei müssen alle Themen rund um Gleisbau 4.0 natürlich geschult werden, z. B. der digitale Schreiber. Die zunehmende Digitalisierung führt auch dazu, dass die Bahnen als Auftrag-geber von ihren Auftragnehmern zuneh-mend zertifizierte Mitarbeiter verlangen. Hierzu gibt es schon Vorschläge des UEEIV, die unter anderem mit dem Schulungszent-rum entwickelt werden. Die Deutsche Bahn ist augenblicklich ebenfalls dabei, Ausbil-dungsrahmenbedingungen festzulegen und orientiert sich dabei stark an unseren Lehr-gängen. DB, ÖBB und SBB überlegen sich ge-meinsam, diese Zertifizierungen einzuführen,

da sie festgestellt haben, dass gut ausgebilde-te Mitarbeiter im Gleisbauunternehmen das Ergebnis verbessern. Manche Lehrgänge sind von Partnern bereits zertifiziert, z. B. der DRP/DAS-Lehrgang mit Zertifizierung gemäß DB-Vorgaben. Sind die Zertifizierungsinhalte erst einmal festgelegt, müssen auch Mitarbeiter, die schon seit vielen Jahren auf der Maschine ar-beiten, nachgeschult und zertifiziert werden.

Also eine Standardisierung der Ausbil-dung mit festgelegten Erfolgsparame-tern.Wer Qualitätsmanagement im Unterneh-men umsetzen will, muss mit Zertifizierun-gen arbeiten. Die Deutsche Plasser ist The-men nie hinterher gerannt, sondern ist immer voraus gegangen. Deshalb haben wir uns schon früh dieses Themas angenom-men. Wir wollen ein Bildungsträger sein, bei dem nach der Aus- oder Weiterbildung ga-rantiert ist, dass der Mitarbeiter die ge-wünschte Leistung erbringen kann. Wir wer-den deshalb das Bildungszentrum zu einer Stätte weiterentwickeln, an der Gleisbau umfassend unterrichtet wird.

Womit Sie in Konkurrenz zu anderen Bil-dungsstätten treten.Bei uns soll alles über Fahrweg und Gleisbau gelehrt werden, was notwendig ist, von A bis Z. Das Ziel dabei ist, das Beste aus den Gleisbau- und Stopfmaschinen herausholen zu können, damit Gleisbauinstandhaltung wie -neubau wirtschaftlich umgesetzt wer-den können.

Wo kommen die Trainer her?Bis dato aus dem eigenen Hause. Doch jetzt beginnen wir, externe Trainer einzustellen. Wir brauchen Spezialisten im Oberbau und in Maschinentechnik, die außerdem noch gut unterrichten können. Sie sind selten. Au-genblicklich haben wir 5 Trainer, der Bedarf ist jedoch doppelt so hoch. Der Erfolg hat uns eingeholt. Unsere Partner sehen, dass eine Weiterbildung für ihre Mitarbeiter ein Ansporn ist.

Eine private Frage: Wie entspannen Sie sich?Beim Segeln und zu Hause. Ich wohne in der Nähe von Freilassing in einem einsamen Weiler, wo der Fuchs die Henne nicht frisst, weil er sonst alleine wäre. Meine vier Enkel-kinder entspannen mich. Ich bin in der CSU, engagiere mich in verschiedenen Gremien in der Kirche und der Kommune und unter-stütze behinderte Kinder – da entspanne ich mich am besten. ◀

(Das Gespräch führte Dagmar Rees)

Die Deutsche Plasser

Die Deutsche Plasser wurde 1960 gegründet. Heute hat das Unternehmen über 180 Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter, 112 in München, 37 in Opladen, 4 in Bingen und 8 in Polen sowie 24 Monteure regional gestreut in Deutschland. Zum Leistungs-Programm gehören Reparaturen, Überholungen, Wartungen und Umrüstungen für Maschinen von Plasser & Theurer. Darüber hinaus vertreibt die Deutsche Plasser Original-Ersatzteile und Original-Verschleißteile und bietet Aus- und Weiterbildungsprogramme für Maschinenbetreiber an. Die Zentrale ist in München. Zur Deutschen Plasser gehören die Instandhaltungswer-ke in Leverkusen/Opladen und Leipzig, das Schulungszentrum in Bingen/Rhein sowie Niederlassungen in Polen und Norwegen. Im Schulungszentrum bietet das Unternehmen interne und externe Schulungen rund um Fahrweg und Gleisbau an. Ausgestattet ist das Schulungszentrum mit 3D-Simulatoren (09-3D und Unimat-3D), einem CWS-/CMS und einem P-IC 2.0-Simulator sowie einem Hydraulik- und einem Elektro-Lehrstand.

Aus- und Weiterbildung im Schulungszentrum Bingen (Foto: Plasser&Theurer)