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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen Author(s): FRIEDRICH KLEIN Source: Archiv des Völkerrechts, 1. Bd., 2. H. (1948), pp. 147-187 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40795788 . Accessed: 17/06/2014 16:23 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.109.12 on Tue, 17 Jun 2014 16:23:38 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten NationenAuthor(s): FRIEDRICH KLEINSource: Archiv des Völkerrechts, 1. Bd., 2. H. (1948), pp. 147-187Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40795788 .

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Page 2: Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen

ABHANDLUNGEN

Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen Von Dr. FRIEDRICH KLEIN Professor an der Universität Münster

Inhaltsübersicht

I. Die Rechtsgrundlagen der UN-Mitgliedschaft. II. Die Arten der UN-Mitglieder.

1. Ursprüngliche (geborene) UN-Mitglieder. 2. Nichtursprüngliche (gekorene, zugelassene, aufgenommene) UN-Mit-

glieder. III. Beginn und Ende der UN-Mitgliedschaft.

1. Der Beginn der Mitgliedschaft. 2. Das Ende der Mitgliedschaft. 3. Die Suspension der Mitgliedschaft.

IV. Der Mitgliederbestand. 1. Die Zahl der UN-Mitglieder. 2. Die Aufnahmefälle des Jahres 1946. 3. Die Aufnahmefälle des Jahres 1947. 4. Rechtliche und politische Würdigung der Aufnahmepraxis des Jahres

1947-

I. Die Rechtsgrundlagen der UN-Mitgliedschaft Als Rechtsgrundlagen der Mitgliedschaft in der Weltfriedens- und

Weltsicherheitsorganisation der Vereinten Nationen (UN) kommen zwei Stellen der V e r f a s s u n g s u r k u n d e der Vereinten Nationen (UN-Charta) vom 26. Juni 1945 in Betracht: das ganze Kapitel II „Mitgliedschaft" (Art. 3 bis 6) und aus dem Kapitel XIX „Ratifikation und Unterzeichnung" die Sondervorschrift des Art. 110 Abs. 4.

Die Frage der Mitgliedschaft in der neuen Weltorganisation war auf der Konferenz von Dumbarton Oaks vom 21. August bis 7. Oktober 1944, die den Entwurf einer Satzung der Vereinten Nationen zum Ergebnis hatte, noch nicht endgültig entschieden worden; sie fand erst auf der San Franzisko-Konferenz vom 25. April bis 26. Juni 1945 *nre abschlie- ßende sachliche Klärung und heutige satzungsmäßige Regelung. Archiv des Völkerrechts 1. H. 2. 11

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148 Friedrich Klein

II. Die Arten der UN-Mitglieder Ebenso wie der Genfer Völkerbund (VB) kennt auch die UN die fol-

genden zwei Hauptarten (Gattungen) von Mitgliedern: 1. ursprüngliche oder geborene Mitglieder („original Mem-

bers"), 2. nichtursprüngliche oder gekorene, „zugelas-

sene" (vgl. Art. 4 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 2 Satz 2: „Zulassung**, „admission") oder - entsprechend dem unter der Ägide des VB schon üblich gewesenen und auch seit der ersten Zulassung zur UN bereits wieder eingebürgerten Sprachgebrauch - „aufgenom- mene" Mitglieder.

1. Ursprüngliche (geborene) UN-Mitglieder

a) „Original" Membership („ursprüngliche" Mitgliedschaft)

Die Völkerbundsatzung (VBS) teilte die Gattung der ursprünglichen Mitglieder des Genfer Bundes in zwei Arten ein: in die 29 Signatarmächte der Pariser Vorortfriedensverträge der Jahre 1919/20 als „ursprüngliche" und in 13 im Ersten Weltkrieg neutral gewesene Staaten als „eingeladene" Mitglieder. Die UN-Charta scheint diese oder eine ähnliche Unterschei- dung innerhalb der ersten Hauptart der geborenen Mitglieder des neuen Völkerbundes nicht zu kennen, denn in allen ihren einschlägigen Vor- schriften, also sowohl in Art. 3 als auch in Art. 110 Abs. 4, ist im maß- geblichen englischen Text der Satzung übereinstimmend - gleichlau- tend nur die Rede von „original" Members, d. h. von „ursprünglichen" Mitgliedern. Man darf sich jedoch durch diese äußerlich-terminologische Homogenität nicht die Einsicht verbauen lassen, daß das Wörtchen „original" in jenen beiden Vorschriften der UN-Charta nicht als Syn- onym, sondern nur als Homonym gebraucht ist. Um das zu erkennen, ist es notwendig, sich die fraglichen Bestimmungen unter dem interessieren- den Gesichtspunkt näher anzusehen.

1) Dabei stehen den 26 ursprünglichen Unterzeichnern der Vereinten Nationen -

¡Erklärung vom 1. Januar 1942 die- jenigen 21 Staaten gleich, die sich der Erklärung erst nachträglich angeschlossen haben. In der unten zu Anm. 60 wiedergegebenen Staaten- liste sind die ersteren mit einem Sternchen (*), die letzteren mit einem Pluszeichen ( + ) versehen. Diese haben sich der Vereinten Nationen-Erklärung zu den folgen- den Zeitpunkten angeschlossen:

Mexiko 5. Juni 1942 Peru 11. Februar 1945 Philippinen 10. Juni 1942 Chile 12. Februar 1945 Äthiopien 28. Juli 1942 Paraguay 12. Februar 1945 Irak 16. Januar 1943 Venezuela 16. Februar 1945 Brasilien 8. Februar 1943 Uruguay 23. Februar 1945

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b) Original Members i. S. des Art. 3 und i. S. des Art. no A b s. 4

Nach Art. 3 sind Original Members der UN diejenigen Staaten, die an der San Franzisko-Konferenz vom 25. April bis 26. Juni 1945 teilge- nommen oder bereits früher die Erklärung der Vereinten Nationen vom I.Januar 1942 unterzeichnet haben1) und die die UN-Satzung unter- schreiben und sie gemäß Art. 110 ratifizieren - wobei offen gelassen ist (und auch hier zunächst offen bleiben soll), wann beides, d. h. die Unter- zeichnung und Ratifikation der Charta, spätestens zu geschehen hat, um die original Membership in der Organisation zu sichern. Original Mem- bers im Sinne des Art. 110 Abs. 4 hingegen sind alle Staaten, welche die UN-Satzung entweder noch auf der San Franzisko-Konferenz oder spä- testens bis zum Tage ihres Inkrafttretens, d. h. bis zum Eingang der 29. Ratifikationsurkunde am 24. Oktober 1945 2)> unterzeichnet haben und welche sie erst nach dem Tag ihres Inkrafttretens, d. h. also nach dem 24. Oktober 1945, ratifizieren 3). Der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen des Art. 3 und des Art. 110 Abs. 4 liegt darin: Art. 110 Abs. 4 sieht die Unterschriftsleistung auf der San Franzisko- Konferenz oder in der Zeit danach bis 24. Oktober 1945 a*s ausreichend an, Art. 3 hingegen verlangt außer der Unterschriftsleistung die aktive

Bolivien 27. April 1943 Türkei 24. Februar 1945 Iran 10. September 1943 Ägypten 27. Februar 1945 Kolumbien 22. Dezember 1943 Saudi-Arabien 1. März 1945 Libérien 26. Februar 1944 Syrien 2. März 1945 Frankreich 26. Dezember 1944 Libanon 2. März 1945 Ecuador 7. Februar 1945

(Die Angaben für die ersten 19 Staaten nach Cornides, Wilhelm: „Die Konferenz von San Franzisko und die Grundzüge der neuen Weltorganisation" in Europa- Archiv I S. 337 ff., S. 343 und der Sammlung „Dem Frieden entgegen. Doku- mente zur Geschichte der Gegenwart", herausgeg. vom State Department der USA, Salzburg (Igonta), 1946, S. 10, für die restlichen zwei nach Pelican, Alex- ander: „Was sagst Du . . . zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO). Ent- wicklung und Aufbau", Gelsenkirchen-Buer (Felix Post), 1947, S. 8 und 10, jeweils linke Spalte).

2) Nach Art. 110 Abs. 3 Satz 1 tritt die Satzung in Kraft, sobald die Chinesische Republik, Frankreich, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Ver- einigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika sowie eine Mehrheit der anderen Unterzeichnerstaaten ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben. Da 51 Staaten die Urkunde unterzeichnet hatten, trat diese in Kraft mit der Hinterlegung der 29. Ratifikationsurkunde, die namentlich genannten Staaten (5) eingeschlossen (51-5 = 46; die Hälfte davon = 23, die Mehrheit also 24; 24 + 5 = 29). Die 29. Ratifikationsurkunde - die sowjetische! - ist am 24. Oktober 1945 in Washington eingegangen, nachdem das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR die UN-Satzung am 20. August 1945 ratifiziert hatte. Damit hatte sich die UN rechtlich konstituiert; der 24. Okto- ber 1945 ist der Geburtstag der UN.

3) Entscheidend ist in Art. 110 Abs. 4 der Satzteil: „welche die vorliegende Satzung unterzeichnet haben und sie nach ihrem Inkrafttreten ratifizieren", also Unterzeichnung vor, Ratifikation nach dem Inkraft- treten (24. Oktober 1945).

il*

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Teilnahme an dieser Konferenz selbst, wobei er der aktiven Konferenz- teilnahme die Unterzeichnung der Vereinten Nationen-Erklärung vom 1. Januar 1942 gleichstellt.

Praktisch heißt das also: Die Unterzeichnerstaaten der UN-Charta sind entweder original Members im Sinne des Art. 3 oder original Members im Sinne des Art. 110 Abs. 4 oder zugelassene Mitglieder im Sinne des Art. 4. Sie sind original Members nach Art. 3, wenn sie entweder an der San Franzisko-Konferenz aktiv teilgenommen oder die Vereinten Natio- nen-Erklärung unterschrieben haben, original Members nach Art. 110 Abs. 4, wenn sie ohne aktive Teilnahme an der Konferenz von San Fran- zisko entweder noch auf dieser Konferenz selbst oder spätestens bis 24. Oktober 1945 die UN-Charta unterzeichnet haben, zugelassene Mit- glieder nach Art. 4, wenn sie die Satzung nach dem 24. Oktober 1945 unterschrieben haben oder künftig unterzeichnen werden. Sinn und Zweck des Art. 110 Abs. 4 bestand vor allem darin, Polen noch als original Member der UN zu gewinnen. Polen4), ein ursprünglicher Unterzeich- ner der Vereinten Nationen-Erklärung 5), hatte nämlich nicht an der San Franzisko-Konferenz teilgenommen, weil die damalige Aufstellung der neuen polnischen Regierung zu spät abgeschlossen wurde, so daß z. Zt. der Konferenz eine von den Großmächten anerkannte polnische Regierung noch nicht bestanden hatte. In der zweiten Sitzung der Kon- ferenz war eine Resolution angenommen worden, die der Hoffnung Aus- druck gab, „die Aufstellung einer polnischen Regierung, die als solche die Anerkennung der Großmächte findet, werde es für eine polnische Dele- gation möglich machen, so bald wie möglich an den Besprechungen teil- zunehmen". Da diese Hoffnung nicht in Erfüllung ging, sollte Art. 110 Abs. 4 Polen die original Membership in der UN auch noch für den Fall ermöglichen und sichern, daß es die UN-Charta erst nach Beendigung der San Franzisko-Konferenz, und zwar bis zum Zeitpunkt des Inkraft- tretens der Satzung, unterzeichnen würde. Darum wurde in der Urkunde für die Unterschrift Polens Raum gelassen. Am 28. Juni 1945 wurde die neue polnische Regierung ausgerufen, und am 15. Oktober 1945, nur wenige Tage vor dem Inkrafttreten der UN-Charta, leistete der Vertreter Polens seine Unterschrift. Damit wurde Polen original Member der UN, und zwar nicht nur im Sinne des Art. 110 Abs. 4, sondern sogar im Sinne des Art. 3, da es (ursprünglicher) Unterzeichnerstaat der Vereinten Nationen-Erklärung ist 5). Dieses Ergebnis folgte keineswegs allein schon aus Art. 3; es war vielmehr nur mit Hilfe einer zusätzlichen, den Zeit-

4) Vgl. zum folgenden: Comides, a. a. O. S. 338; Pelican, a. a. O. S. 9/10, 15 rechte Spalte; Schmidt, Karl L.: „Satzung der Vereinten Nationen. Eine Über- setzung ins Deutsche, sowie der offizielle englische Wortlaut", Offenbach/Main (Bollwerk- Verlag Karl Drott), 1947, S. 14.

5) Vgl. oben Anm. 1.

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punkt der Unterzeichnung klärenden Bestimmung - eben des Art. 110 Abs. 4 - zu erreichen.

Der Vergleich des Art. 110 Abs. 4 mit Art. 3 in Verbindung mit einem argumentum a minore ad majus führt zu der folgenden Schlußfolgerung : Die Voraussetzungen, auf Grund deren Staaten nur ausnahmsweise und zufolge der SpezialVorschrift des Art. 110 Abs. 4 original Members der UN werden, müssen auch und erst recht bei den regelrechten original Members des Art. 3 erfüllt sein. Anders ausgedrückt: Wenn schon für die Mitgliedstaaten des Art. 110 Abs. 4 nur die bis spätestens zum In- krafttreten der UN-Charta, also bis zum 24. Oktober 1945, erfolgte Unterzeichnung der Satzung ausreichend sein soll, dann muß diese zeit- liche Einschränkung auch und erst recht für die Mitgliedstaaten des Art. 3 verlangt werden.

Es ergibt sich somit : Original Members der UN sind diejenigen Staa- ten, welche die UN-Charta entweder auf der San Franzisko-Konferenz oder bis spätestens 24. Oktober 1945, dem Tag des Inkrafttretens der Satzung, unterzeichnet und sie irgendwann - sei es vor, sei es nach ihrem Inkrafttreten - ratifiziert haben. Davon sind original Members im Sinne des Art. 110 Abs. 4 diejenigen Staaten, die lediglich diese Voraussetzungen erfüllt, original Members im Sinne des Art. 3 hingegen diejenigen, die außerdem an der San Franzisko-Konferenz aktiv teilgenommen oder die Vereinten Nationen-Erklärung unterzeichnet haben 6). Alle anderen Staa- ten können nur nichtursprüngliche (gekorene) Mitglieder der UN sein oder werden.

c) „G ründungs" -Mitglieder und „ursprüngliche" Mitglieder

Rechtlich ist die Unterscheidung zwischen original Members im Sinne des Art. 3 und original Members im Sinne des Art. 110 Abs. 4 allerdings nur bis zu gewissem Grade bedeutsam. Sie ist jedenfalls ohne Bedeutung für die rechtliche Stellung der betreffenden Mitgliedstaaten, da beide Arten geborener UN-Mitglieder nach der UN-Charta grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten haben - wie denn auch insofern kein Unterschied zwischen der Gattung der original Members (der beiden

6) Die fraglichen Vorschriften der UN-Charta sind daher im deutschen Wort- laut folgendermaßen zu lesen:

Art. 3 : ,,Die Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen sind die Staaten, die an der Konferenz für Internationale Organisation in San Franzisko teilgenom- men oder vorher die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 unter- zeichnet haben, die vorliegende Satzung bis zum Tag ihres Inkraft- tretens unterzeichnen und gemäß Artikel 110 irgendwann ratifizieren".

Art. 110 Abs. 4: „Die Staaten, welche die vorliegende Satzung bis zum Tag ihres Inkrafttretens unterzeichnen und sie nach ihrem Inkraft- treten ratifizieren, werden ursprüngliche Mitglieder der Vereinten Nationen am Tage der Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunden."

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Arten) einerseits und der Gattung der nichtursprünglichen (zugelassenen) Mitglieder anderseits besteht, da auch die beiden Gattungen der UN- Mitglieder satzungsmäßig und dem Geist eines idealen Bundes der Völker entsprechend grundsätzlich gleiche Rechte und Pflichten haben 7). Wohl aber ist die Unterscheidung der original Members in solche nach Art. 3 und solche nach Art. 110 Abs. 4 hinsichtlich des Zeitpunktes des Beginnes der Mitgliedschaft bedeutsam 8). Außerdem ist sie rechtssystematisch und rechtshistorisch belangvoll. Vor allem aber dürfte ihr eine gewisse poli- tische Bedeutung, ein gewisses psychologisches Gewicht zukommen : ein original Member im Sinne des Art. 3 würde psychologisch wohl immer einen „höheren Nimbus", eine „größere Würde" für sich beanspruchen und würde einem original Member im Sinne des Art. 110 Abs. 4 nur ein weniger großes politisches Gewicht zuzugestehen bereit sein.

Diesen „höheren Nimbus", diese „größere Würde" der original Mem- bers im Sinne des Art. 3 gegenüber den original Members im Sinne des Art. 110 Abs. 4 bringen einige der bisher erschienenen deutschen Text- ausgaben der UN-Charta m. E. sehr gut dadurch zum Ausdruck, daß sie den englischen Ausdruck original Members in Art. 3 mit „Grün- dung s"-Mitglieder, in Art. 110 Abs. 4 dagegen mit „ursprüng- liche" Mitglieder übersetzen 9).

Demgemäß kann man also - ähnlich wie es die VBS tat - die Gattung der original Members of the United Nations, die „ursprünglichen" UN- Mitglieder, einteilen in die beiden Arten der Gründungsmitglie- dernachArt. 3undderursprünglichenMitglieder n a c h A r t. no A b s. 4. Da Polen als (ursprünglicher) Unterzeichner- staat der Vereinten Nationen-Erklärung Gründungsmitglied nach Art. 3 ist, gibt es insgesamt 51 Gründungsmitglieder der UN und kein Mitglied der Organisation, das nur ursprüng- liches Mitglied nach Art. 110 Abs. 4 ist.

7) Die Rechtslage war beim VB insofern anders, als nach Art. 1 Abs. 2 VBS den nichtursprünglichen Mitgliedern durch den Bund hinsichtlich ihrer Streit- kräfte und Rüstungen zu Lande, zur See und in der Luft einseitig Sonderver- pflichtungen auferlegt wurden, an die und durch die sie gebunden waren und blieben (vgl. von Freytagh-Loringhoven, Axel: „Die Satzung des Völkerbundes", Berlin (Georg Stilke), 1926, S. 36/37; Schücking, Walther und Wehberg, Hans: „Die Satzung des Völkerbundes", Berlin (Franz Vahlen), 2. Aufl. 1924, S. 173/74)-

8) Vgl. dazu unten unter III 1. 9) So die Textausgaben von Beisel, W. : „Urkunde der Vereinten Nationen.

Wortlaut des Beschlusses von San Francisco", Karlsruhe (Volk und Zeit), 1946, S. 6, Bühler, Ottmar: „Verfassungsurkunde der Vereinten Nationen (Charter of the United Nations). Unterzeichnet in San Francisco am 26. Juni 1945", Bonn (Hans Scheur), 1946, S. 17, und Schmidt, a. a. O., S. 21 sowie die Textab- drucke in „Die Wandlung" 1945/46 S. 257 ff., S. 258, im Europa-Archiv, Erstes Jahr 1945/46, S. 345 ff., S. 346 und in den Schatullen-Drucken, Bonn (Götz Schwippert), S. 13. - Darüber, daß der Ausdruck „original" Membership = „ur- sprüngliche" Mitgliedschaft in Art. 1 10 Abs. 4 sachlich nicht einwandfrei ist, vgl. unten Anm. 52.

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d) Die verschiedenen Gruppen der Gründungs- mitglieder

Sieht man sich die Liste der 51 Gründungsmitglieder der UN genauer an, so kann man formal diese weiterhin in die folgenden Gruppen ein- teilen :

1. 4 „P a t e n m ä c h t e" (sponsoring powers) der neuen Weltfriedens- und Weltsicherheitsorganisation, d. h. ihre vier großen Gründermächte, also die Großmächte China, Großbritannien, Sowjetunion und USA; sie hatten sich in Dumbarton Oaks über die Grundlinien der neuen Organi- sation geeinigt, sie traten nach der Konferenz von Jaita im Februar 1945 als „sponsors" auf und versandten an die übrigen Vereinten Nationen Einladungen zur San Franzisko-Konferenz, die von 42 Staaten angenom- men wurden, nämlich von allen übrigen (22) ursprünglichen Unterzeich- nern der Vereinten Nationen-Erklärung außer Polen, also von 21, und weiterhin von den 21 Staaten, die sich der Erklärung nachträglich ange- schlossen haben 10).

2. 22ursprünglicheUnterzeichnerderErklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 (26 außer den 4 Großmächten) n).

3. 21 Staaten, die sich der Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 nachträglich angeschlossen haben 12).

4. 4 S t a a t e n , die nach Beginn der Konferenz von San Franzisko zu den Beratungen zugelassen wurden, nämlich : Argen- tinien, Dänemark, Ukrainische und Weißrussische Sowjetrepublik (Bjelo- Rußland).

2. Nichtursprüngliche (gekorene, zugelassene, aufgenommene) UN-Mitglieder

Als nichtursprüngliche, gekorene, zugelassene oder aufgenommene Mit- glieder der UN kommen nach Art. 4 „alle anderen friedliebenden Staaten" („all other peace-loving states") unter gewissen Voraussetzungen in Be- tracht.

a) Die Zulassungsvoraussetzungen Zum Erwerb der UN-Mitgliedschaft ist die Erfüllung einer ganzen

Reihe von Bedingungen seitens des die Aufnahme in die Organisation begehrenden und förmlich zuzulassenden Kandidaten erforderlich. Einige dieser Voraussetzungen sind in der UN-Charta ausdrücklich aufgeführt,

10) Vgl. oben Anm. 1. 11) Es sind die Staaten, die in der Liste unten zu Anm. 60 mit einem Sternchen

versehen sind. 12) Es sind die Staaten, die oben in Anm. 1 aufgeführt und in der Liste unten

zu Anm. 60 mit einem Pluszeichen versehen sind.

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andere sind aus der VB-Praxis übernommen worden und gewohnheits- rechtlich verankert, wieder andere beginnen, sich aus der bisherigen Auf- nahmepraxis der UN abzuzeichnen und herauszukristallisieren. Es sind daher satzungsmäßige und andere Aufnahmebedingungen zu unter- scheiden.

aa) Die satzungsmäßigen Zulassungsvoraussetzungen Nach der UN-Satzung müssen mehrere sachlich-materielle und ver-

fahrensmäßig-formelle Bedingungen erfüllt werden, damit eine Kandi- datur für die UN-Mitgliedschaft Erfolg hat. Als solche Zulassungs- voraussetzungen kommen in Betracht:

oc) Staatsqualität des Bewerbers Nach Art. 4 können nur Staaten („states") UN-Mitglieder wer-

den. Die UN-Charta verwendet also auch an dieser Stelle den rechtstech- nischen Begriff, den sie durchgängig gebraucht, wenn sie von Rechten und Pflichten derjenigen Gebilde und Wesenheiten spricht, die bereits UN-Mitglieder sind. Demgemäß haben alle für die Aufnahme zustän- digen Organe der UN, insbesondere der Sicherheitsrat und die Voll- versammlung, bei der Beurteilung eines Zulassungsantrags auch und vor allem zu prüfen und zu entscheiden, ob der Bewerber die unerläßlichen Merkmale eines Staates, wie sie die Allgemeine Staatslehre in der über- kommenen und gängigen, wenn auch nicht restlos befriedigenden Drei- elementenlehre (Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt) verlangt, er- füllt. Praktisch gesprochen wird es also darauf ankommen, daß die kan- didierende politische Einheit festgelegte Grenzen, eine gewisse Anzahl Menschen 13) und eine gefestigte, international anerkannte Regierung hat und daß sie völlig autonom und unabhängig ist.

Die Staatseigenschaft des Kandidaten ist regelmäßig daran zu erkennen, daß dieser von den anderen Mitgliedern der Völkerrechtsgemeinschaft als Staat anerkannt ist. Doch kann die Rechtslage bei neu entstandenen Staaten zweifelhaft sein. Dann ist zu prüfen, ob die rechtserheblichen Kriterien staatlichen Lebens gegeben sind. Die UN ist in solchem Falle nicht verpflichtet - und auch gar nicht berechtigt -, die Aufnahme des Bewerbers von der Anerkennung durch andere Staaten abhängig zu machen 14). Vielmehr muß sie von sich aus in eine Prüfung der Frage eintreten, ob sie die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen

13) Sind die Grenzen festgelegt, so sind der territoriale Umfang des Staats- gebietes (Liliput- oder Zwergstaaten wie Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino!) und seine Bevölkerungszahl grundsätzlich ohne Bedeutung; so - für den VB - Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 182 ff.; vgl. auch v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 48/49 und unten Anm. 78.

14) Das war für den VB übereinstimmend in Praxis und Theorie anerkannt; vgl. Schücking-Wehberg, a. a. O. S. 180.

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man den Kandidaten als einen Staat ansehen kann. Ist ihm die Anerken- nung von einzelnen Staaten bisher verweigert worden, so werden diese Staaten auch in den zuständigen Gremien der UN nach Kräften ihre Be- denken geltend machen; daher ist die Zulassung eines solchen Staates zur Mitgliedschaft in der UN nicht gerade wahrscheinlich. Vielfach aber sind die Gründe, weshalb mit der Anerkennung zurückgehalten wird, nicht stichhaltig; manche Regierungen wollen erst abwarten, wie sich die anderen Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft zur Frage der Aner- kennung des Bewerbers stellen. In einer Weise, die mit der idealen Auf- fassung vom Wesen der Staatengemeinschaft nicht oder doch nur sehr schwer zu vereinbaren ist, wird auch oft die Frage der Anerkennung von der Zusicherung gewisser wirtschaftlicher oder politischer Vorteile durch den anzuerkennenden Staat abhängig gemacht. Solche Gesichtspunkte dürfen für die UN-Mitglieder bei der Entscheidung der Frage, ob ein Staat in die Organisation aufgenommen werden soll, ganz gewiß nicht in Betracht kommen.

In der Aufnahme eines Staates in die UN ist zugleich die d e i u r e - Anerkennung des neuen Mitgliedstaatcs durch diejenigen UN- Mitglieder zu sehen, die ihn nicht bereits früher anerkannt hatten 15).

Die Staatsform des Bewerbers ist mangels gegenteiliger Satzungs- vorschriften für seine Zulassung zur UN nicht entscheidend 16).

Musterfälle, in denen die Staatsqualität des Bewerbers um die UN- Mitgliedschaft nicht gegeben ist, stellen die beiden folgenden völkerrecht- lich reizvollen und praktisch-politisch nicht unbedeutenden Vorgänge aus der kurzen Praxis der UN dar :

1. Am 18. Juni 1946 wurde durch Assopress aus Stamford (USA) gemeldet, daß fünf Indianerhäuptlinge ernannt worden seien, um die nord- und südamerikanischen Indianer in der Herbstvollversamm- lung 1946 der UN in New York zu vertreten und einen ständigen Sitz für Indianer im Sicherheitsrat (!) zu erwirken.

2. Auf der Mai-Tagung 1947 der Generalversammlung der ICAO., der Internationalen Zivilen Luftfahrt-Organisation, in Montreal in der kanadischen Provinz Quebec war der wichtigste Verhandlungspunkt die Frage der Mitgliedschaft der ICAO. in der UN. Die rechtliche Proble- matik war in diesem Fall die gleiche wie im ersten: Staatsqualität des Kandidaten ?

Aus der Formulierung in Art. 4 „allen anderen friedliebenden Staaten" ergibt sich ein weiteres: Alle original Members der UN,

15) So zutreffend die fast einhellige Auffassung für die entsprechende Frage beim VB; vgl. die Angaben bei v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 47 und Schücking-Wehberg, a.a.O. S. 184fr., diese mit eingehender eigener, überein- stimmender Stellungnahme.

16) So schon für den VB v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 38, 40.

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156 Friedrich Klein

Gründungsmitglieder wie ursprüngliche Mitglieder, sind kraft positiv- rechtlicher Satzungsvorschrift Staaten im rechtstechnisch-spezifischen Sinne - was sich keineswegs von selbst versteht, da als Unterzeichner der UN-Charta und Gründungsmitglieder u. a. vier englische Dominien, nämlich Australien, Kanada, Neuseeland und Südafrikanische Union, erscheinen 17). Diese Feststellung ist aus dem folgenden Grunde bedeut- sam: Nach Art. 1 Abs. 2 VBS konnten nicht nur Staaten, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch Dominien und Kolonien in den VB. aufgenommen werden. Von dieser Ausdehnung der Mitgliedschaft auf nichtstaatliche Gebilde und Wesenheiten hat man für die UN bewußt und gewollt abgesehen, hat sich jedoch hinsichtlich der praktisch-poli- tisch wichtigsten Fälle einfach dadurch geholfen, daß man die britischen Dominien als Gründungsmitglieder figurieren ließ 18).

Nach der VBS sollten nur Staaten, Dominien und Kolonien „mit voller Selbstregierung (Selbstverwaltung)", d. h. nach der Absicht Woo- drow Wilsons nur demokratisch regierte Gemeinwesen19), VB-Mit- glieder werden können. Dieser Zusatz fehlt zwar in der Charta der Ver- einten Nationen, doch dürfte die entsprechende Legitimitätsvoraus- setzung in dem noch näher zu betrachtenden Eigenschaftswort „fried- liebend" („peaceful") enthalten sein - jedenfalls nach den aus der ganzen Vorgeschichte der Satzung und Entstehungsgeschichte der UN eindeutig erkennbaren Absichten und Einstellungen ihrer Gründer.

ß) „Friedensliebe" des Bewerbers Nach Art. 4 Abs. 1 können nur „friedliebende" („peace-

loving") Staaten zur UN als Mitglieder zugelassen werden. Was „friedliebende" Staaten sind, ist aus der Charta nicht zu ersehen, da dieser Ausdruck von ihr nirgends näher umschrieben und erläutert wird. Man muß sich insoweit jedoch an folgendes erinnern:

Die Atlantik-Charta vom 14. August 1941 unterschied in bezug auf die Rüstungsfrage in ihrem Punkt 8 in Konkretisierung der vierten Rooseveltschen Freiheit, der „Freiheit von Furcht", erstmalig und grundsätzlich zwischen bewaffneten oder gerüsteten „friedliebenden Völ- kern" („peace-loving peoples") und entwaffneten oder abgerüsteten „An- greifer-Nationen" („nations which threaten, or may threaten aggression"). Die Moskauer Viermächte-Erklärung über allgemeine Sicherheit vom 1. November 1943 übertrug in Punkt 4 jene grundlegende Unterscheidung

17) Vgl. die Liste unten zu Anm. 60. 18) Vgl. dazu auch unten unter IV 1 a. - Über die entsprechende Frage hin-

sichtlich des VB, insbesondere bezüglich Indiens, vgl. v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 39 ff. und Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 177 ff.

19) Vgl. v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 39 und auch Schucking-Wehberg, a. a. O. S. 181/82.

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 157

in der Rüstungsfrage auf die allgemeine Sicherheitsorganisation der Nach- kriegszeit mit der Maßgabe, daß der neue Völkerbund von vornherein als ein exklusiver Zusammenschluß der „friedliebenden" Nationen der Siegermächte erscheinen mußte, zu dem die Besiegten als die „Angrei- fer' '-Nationen nicht zugelassen sein sollten. Inzwischen haben einsichtige Stimmen auch des nichtdeutschen Auslandes allerdings schon wiederholt darauf hingewiesen, daß ein dauernder Ausschluß der Besiegten aus der UN wohl schwerlich deren Sinn und Zweck entsprechen dürfte. Insbe- sondere hat sich der portugiesische Ministerpräsident Dr. Antonio de Oliveira Salazar wiederholt für die Zulassung der Besiegten in die UN ausgesprochen 20).

Die Frage ist heute akuter denn je, nachdem sich vor etwa einem Jahr die fünf ehemaligen Feindstaaten der Vereinten Nationen, nämlich Bul- garien, Finnland, Italien, Rumänien und Ungarn, sowie sogar das „be- freite" Österreich die erste - und Italien inzwischen bereits die dritte! - Abfuhr an der Tür der UN geholt haben 21). Auf jeden Fall ermöglicht es der kautschukartige Begriff „peace-loving" den ursprünglichen UN-Mit- gliedern, sowohl „Angreifer"-Nationen als auch nicht demokratisch regierte Staaten (Franco-Spanien!), ja sogar staatsähnliche Gebilde ohne volle Selbstregierung aus der UN fernzuhalten.

Da es an einer näheren Definition der tatbestandsmäßigen Begriffs- merkmale, die einem Staat das Prädikat „friedliebend" verschaffen, fehlt, liegt die Entscheidung über diese Qualifikation praktisch ganz im freien Ermessen jener Organe der UN, die über die Zulassung neuer Mitglieder zu befinden haben, d. h. des Sicherheitsrats und der Vollversammlung (Art. 4 Abs. 2). „Eine solche Generalklausel begeg- net Bedenken, die man im innerstaatlichen Verfassungsrecht als „rechts- staatlich" bezeichnen würde. Es sind ähnliche Bedenken, wie sie vor diesem Kriege gegen die Verwendung des Begriffes der staatsbürger- lichen „Zuverlässigkeit" durch die Gesetzgebung verschiedener euro- päischer Länder geltend gemacht wurden, in denen die Entscheidung über das Vorliegen oder Nicht- Vorliegen dieser Eigenschaft dem Er- messen der Verwaltungsbehörden anheimgegeben war" 21a).

20) Einer Pressemeldung aus Lissabon vom 24. Februar 1946 zufolge wohl erstmalig in einer Versammlung der portugiesischen nationalen Einheitspartei in Lissabon am 23. Februar 1946 mit den folgenden Worten: Die erste Versammlung der UN sei eine Vereinigung der Sieger unter Einschluß einiger Nationen gewesen, die in letzter Minute an der Erringung des Sieges mitgeholfen hätten. Nach Über- windung der Anfangsstadien müsse die UN ihre Türen nicht nur den Neutralen, sondern auch den Besiegten öffnen. Nur so könne sie zu einer wahren Weltver- tretung heranwachsen.

21) Vgl. unten unter IV 3 c. 21 a) Grewe, Wilhelm G.: „Die Satzung der Vereinten Nationen", Göttingen

(Vandenhoeck und Ruprecht), 1948, S. 30.

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158 Friedrich Klein

y) Die anderen satzungsmäßigen Aufnahmebedingungen Der Kandidat für die UN-Mitgliedschaft muß nicht nur Staatsqualität

und Friedensliebe besitzen, sondern weiterhin 1. „die sich aus der Satzung ergebenden Verpflichtungen überneh-

men" (Art. 4 Abs. 1), was er rein formal in seinem Zulassungsgesuch durch eine dahingehende ausdrückliche Erklärung bekundet22);

2. „nach dem Dafürhalten der Organisation fähig und gewillt sein, diese Verpflichtungen zu erfüllen" (Art. 4 Abs. 1) - eine Voraussetzung, die unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu prüfen ist und der juristisch ein nur sehr bedingter Wert zugesprochen werden kann23);

3. auf Empfehlung (Vorschlag) des Sicherheitsrats durch einen Be- schluß der Vollversammlung zugelassen werden (Art. 4 Abs. 2). Die Empfehlung des Sicherheitsrats unterliegt dem Abs timmungs quotum des Art. 27 Abs. 3 Satz 1, d. h. gegebenenfalls dem sog. Vetorecht der fünf Großmächte 24). Für die Entscheidung der Vollversammlung ist nach Art. 18 Abs. 2 eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden und ihre Stimme abgebenden Mitglieder erforderlich und ausreichend.

bb) Sonstige Zulassungsvoraussetzungen

a) Antrag des Bewerbers

Nicht-satzungsmäßige formelle Voraussetzung für die Aufnahme eines Staates in die UN ist die Stellung eines dahingehenden besonderen An- trags in einem entsprechenden Gesuch des Bewerbers um die UN- Mitgliedschaft, ¿war steht davon nichts in Art. 4, doch hatte sich bereits unter der Ägide des VB ein Gewohnheitsrecht in dieser Richtung ge- bildet 25). Der Zulassungsantrag braucht nicht unbedingt von dem neu aufzunehmenden Staate selbst gestellt zu werden. Er enthält zweck- mäßigerweise gleich die Erklärung, daß der Antragsteller die sich aus der Satzung ergebenden Verpflichtungen übernimmt 26), und die Be- weise, daß es sich um einen friedliebenden Staat handelt, falls ein Zweifel über diesen Punkt überhaupt möglich ist. Eine bestimmte Form ist für den Antrag nicht vorgesehen, doch wird man verlangen müssen, daß er frei von Bedingungen oder Vorbehalten ist 27). Er wird üblicherweise

22) Vgl. auch unten zu Anm. 26. 23) Nach Art. 1 Abs. 2 VBS mulsten die Autzunehmenden u. a. „tur ihre aut-

richtige Absicht, ihre internationalen Verpflichtungen zu beobachten, wirksame Gewähr leisten". Über Bedeutung und (geringen) Wert dieser Klausel vgl. v. Frey- tagh-Loringhoven, a. a. O. S. 41/42 und S chucking- Wehberg, a.a.O. S. 187/88.

24; Vgl. darüber meine Abhandlung: „JJas Vetorecht der oroumacnie im Weltsicherheitsrat** in Archiv des öffentlichen Rechts, 74. Bd., 1948, S. 3 bis 44.

25) Schuckmg- Wehberg, a. a. Ü. b. 191. 26) Vgl. auch oben zu Anm. 22. 27) Vgl. v. hreytagh-JLoringhoven, a. a. ü. £>. 45 und b chucking- w eh berg,

a. a. O. S. 175/76, 179/80, 185.

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 159

an den Generalsekretär der UN gerichtet. Er kann schriftlich durch Zu- sendung eines dem Wunsche nach Aufnahme Ausdruck verleihenden Ge- suchs oder im Wege unmittelbarer Überreichung eines solchen durch den diplomatischen Vertreter des Bewerberstaates bei den USA oder telegraphisch gestellt werden. Er kann von jedwedem staatsrechtlich **) und völkerrechtlich dazu befugten Repräsentativorgan des Kandidaten, insbesondere dem Außenminister oder dem Inhaber einer entsprechenden Stellung, ausgehen. Beispiele für Aufnahmegesuche: Schreiben des ita- lienischen Außenministers Grafen Carlo Sforza an den Generalsekretär der UN, Trygve Lie, vom 9. Mai 1947; Überreichung eines Aufnahme- gesuchs durch den rumänischen Gesandten in Washington am 11. Juli 1947; Telegramm des Präsidenten der Finnischen Republik Juho Kushi (Jaro) Paasikivi an den Generalsekretär der UN vom 19. September 1947.

ß) Politische Erfordernisse?

Bei den Erörterungen und Entscheidungen in den zuständigen Gremien der UN anläßlich der UN-Kandidaturen der Jahre 1946 und 1947 wurden von den verschiedensten Seiten aus an die Bewerber zusätzliche materielle Bedingungen für ihre Aufnahme in die Organisation gestellt, von denen die UN-Charta selbst nichts weiß. So ist vor allem, entsprechend der überwiegenden Auffassung, wie sie auch und vor allem im Politischen Ausschuß der Vollversammlung vertreten wurde, eines klargestellt wor- den: Die Aufnahmeorgane, insbesondere also der zunächst zuständige Sicherheitsrat, haben weder das Recht noch die Pflicht, den Zulassungs- antrag eines Staates, der in allen sonstigen Beziehungen den Aufnahme- bedingungen der Charta entspricht, aus politischen Gründen abzulehnen. Insoweit liegen bereits konkrete Vorgänge, Stellungnahmen und Entscheidungen in zweifacher Hinsicht vor:

1. Die Sowjetunion lehnte im Jahre 1946 die Aufnahmegesuche Ir- lands, Portugals und Transjordaniens mit der Begründung ab, diese Länder unterhielten keine diplomatischen Beziehun- gen zu ihr - eine Argumentation, die sie hinsichtlich Transjordaniens auch im Jahre 1947 wiederholte und mit deren Hilfe sie die Aufnahme dieses Staates in die UN zum zweitenmal zu Fall brachte 29). Diese „Be- gründung" war bereits im Jahre 1946 von der Mehrheit des Politischen Ausschusses der Vollversammlung zutreffend als nicht stichhaltig, weil nicht der Charta entsprechend, verworfen worden.

28) Über die staatsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem Aufnahme- gesuch, insbesondere über die Entbehrlichkeit der Genehmigung desselben durch das zuständige Parlament, vgl. v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 44/45 und Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 191.

29) Vgl. unten unter IV 3 b.

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l6o Friedrich Klein

2. Besonders von sowjetischer, ukrainischer, jugoslawischer und tschechoslowakischer Seite war die Auffassung vertreten worden, daß die Haltung eines Staates während des Zweiten Weltkrie- ges von ausschlaggebender Bedeutung für die Frage seiner Zulassung zur UN sei 30). Auch gegen diese Meinung nahm die Mehrheit des Poli- tischen Ausschusses der Vollversammlung mit Recht Stellung. - Der Ton liegt bei jener abzulehnenden und abgelehnten Begründung offenbar auf dem Beiwort „ausschlaggebend". Die Haltung eines Staates während eines voraufgegangenen Krieges kann natürlich bei der Beurteilung seines friedliebenden Charakters eine gewisse Rolle spielen und daher im Verfahren für seine Aufnahme in die UN bedeutsam werden. Zweifel- los hat sich die UN, insbesondere ihre erste ordentliche Vollversamm- lung auf der zweiten Session im Herbst 1946, zumindest auch von dieser Erwägung leiten lassen, als sie Franco-Spanien die Tore der Vereinten Nationen verschloß. Anderseits ist es aber nach der UN-Satzung kein hinreichender Grund zur Versagung der Zulassung und damit der Mit- gliedschaft, wenn ein Staat während eines vorangegangenen Krieges nicht auf seiten der Vereinten Nationen gefochten hat, sondern neutral gewesen ist oder sich mit den Vereinten Nationen sogar im Kriegszustande be- funden hat. Daß Neutralität während des Zweiten Weltkrieges kein Auf- nahmehindernis ist, zeigen die Zulassungen Afghanistans, Islands, Siams, Yemens und vor allem Schwedens 31) zur UN-Mitgliedschaft in den Jahren 1946 und 1947 32). Und über die Aufnahme ehemals feindlicher Staaten in die UN findet sich in der sog. Potsdamer Erklärung vom 2. August 1945 der ausdrückliche Vermerk, daß sich die drei Haupt- siegermächte einer Aufnahme der ehemaligen Feindstaaten 33) Bul- garien34), Finnland35), Italien36), Rumänien37) und Ungarn38) in die

30) Praktisch wurde diese Auffassung vor allem bei den Aufnahmeanträgen Irlands und Portugals; vgl. unten unter IV 3 b.

31) Schweden hat zwar noch am 7. Mai 1945 die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich abgebrochen (so Europa- Archiv, vgl. Anm. 33), jedoch keine Erklärung dahin, daß es sich als im Kriegszustande mit dem Reich befind- lich betrachte, und erst recht keine regelrechte Kriegserklärung an dieses abge- geben. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen seitens eines bisher Neu- tralen im Verhältnis zu einem der beiden oder auch beiden Kriegführenden ist aber kein Grund für die Beendigung seiner Neutralität; dafür ist vielmehr erforder- lich, daß entweder er gegen mindestens einen der beiden Kriegführenden oder min- destens einer der beiden Kriegführenden gegen ihn zum Kriege schreitet.

32) Vgl. unten unter IV 1 b. 33) Die Angaben in den tolgenden Anm. 34 bis 3» stutzen sich aut das Huropa-

Archiv (Cornides) von 1946, das Archiv für publizistische Arbeit (Munzinger) von 1947 und den Almanach de Gotha von 1944. Falls keine Abweichungen ver- merkt sind, stimmen die angegebenen Daten in diesen Quellen überein.

34; xsriegserKiarungen an uas j^euiscne itcicii am /. ocptcmuci i^¿w v^ Europa-Archiv; anders Munzinger- Archiv : 9. September 1944).

35; Js^negserKiarung an aas ueutscne «.eicn am 3. iviarz 1945 mit nucKwirKung auf den 15. September 1944 (so Europa- Archiv; anders Munzinger- Archiv ; lediglich Abbruch der diplomatischen Beziehungen am 4. September 1944)-

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen l6l

UN nicht widersetzen werden, sobald die Friedensverträge mit diesen Staaten abgeschlossen und ratifiziert sein werden - eine Klausel, deren man sich jedoch im Jahre 1947 bereits nicht mehr entsonnen hat 39). Übrigens hätte dieses Klausel auch und umsomehr für Österreich gelten müssen, als dieses zumindest von den USA nie als feindlicher Staat an- gesehen und behandelt, sondern den „befreiten Ländern" gleichgestellt wurde; auch hier liefen die Dinge in praxi jedoch anders 40).

Nach der Feststellung des Internationalen Gerichtshofes im Haag im Gutachten vom 28. Mai 1948 darf die UN- Vollversammlung ihre Zustimmung zur Aufnahme eines neuen Mitglieds nicht von Bedin- gungen abhängig machen, die nicht ausdrücklich in Art. 4 vorgesehen sind 40a).

b) Das Aufnahmeverfahren Nach Art. 4 Abs. 2 erfolgt die Aufnahme eines Staates als Mitglied

der Vereinten Nationen „durch einen Beschluß der Vollversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrats". Danach haben also der Sicherheits- rat in erster und die Vollversammlung in zweiter und letzter Instanz darüber zu entscheiden, ob ein Kandidat für die UN-Mitgliedschaft die Aufnahmebedingungen erfüllt. Diesen beiden politischen Hauptorganen der UN sind im Aufnahmeverfahren jedoch noch einige andere Gremien vor- und zwischengeschaltet, so daß sich das Verfahren zum Erwerb der Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen wie folgt abspielt:

1. Phase: Ein am Erwerb der UN-Mitgliedschaft interessierter Staat wendet sich mit einem entsprechenden Antrag an den General- sekretär der UN 41).

2. Phase: Der Generalsekretär der UN leitet den Zulassungsantrag dem Sicherheitsrat zu.

3. P h a s e: Der Sicherheitsrat tritt in eine Vorprüfung des Aufnahme- gesuchs mit der Maßgabe ein, ob er es auf seine Tagesordnung (Trak- tandenliste) setzen will oder nicht. Bejahendenfalls leitet er es an die Spezialkommission für die Prüfung neuer Aufnahmegesuche, den sog. Mitgliedsausschuß (Mitgliederausschuß, Mitgliedschaftskomitee, Auf- nahmeausschuß, Zulassungskomitee o. ä.), weiter zur Prüfung und zum Bericht binnen einer bei der Weiterleitung zu setzenden Bearbeitungs-

36) Kriegserklärung an das Deutsche Reich am 13. Oktober 1943. 37; Kriegserklärung an aas ueutscne Keich am 25. August 1944 (so Jburopa-

Archiv; anders Munzinger- Archiv : 29. August 1944). 38) Kriegserklärung an das Deutsche Reich am 20. Januar 1945 (so Europa-

Archiv; anders Munzinger-Archiv : 31. Dezember 1944). 39) Vgl. unten unter IV 3 c. 40) Vgl. unten unter IV 3 d aa. 40 a) Vgl. unten unter IV 4 a. E. 41) Näheres über Form und Inhalt des Gesuchs s. oben unter a bb a.

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I 62 Friedrich Klein

frist. Verneinendenfalls gilt der Antrag als abgelehnt; es steht jedoch dem betreffenden Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen, wenn er auf seinem Wunsche beharrt.

4. Phase: Der Aufnahmeausschuß legt den Zulassungsantrag zu- sammen mit seiner schriftlichen Stellungnahme dem Sicherheitsrat zur Beschlußfassung vor.

5. Phase: Der Sicherheitsrat berät und beschließt über das Auf- nahmegesuch. Im Falle einer positiven Beschlußfassung, die in aller Regel der Stellungnahme des Aufnahmeausschusses entsprechen wird, empfiehlt er der Vollversammlung die Zulassung des Antragstellers als Mitglied der Vereinten Nationen; und zwar geht seine Empfehlung zu- nächst an den Politischen Ausschuß der Vollversammlung, um auch dessen Billigung zu finden. Im Falle einer negativen Beschlußfassung, die mit der Stellungnahme des Aufnahmeausschusses übereinstimmen oder die von ihr abweichen mag, ist der betreffende Zulassungsantrag nicht ohne weiteres erledigt, wie die Behandlung der Aufnahmegesuche des Jahres 1947 bewiesen hat 42). Der Sicherheitsrat kann auf Anregung des Politischen Ausschusses der Vollversammlung zufolge eines Beschlusses derselben erneut darüber beraten und beschließen.

ó.Phase: Der Politische Ausschuß der Vollversammlung nimmt zu dem Zulassungsantrag Stellung. Seine etwaige Ablehnung des Gesuchs vermag den weiteren Ablauf des Verfahrens nicht aufzuhalten.

7. Phase: Die Vollversammlung erörtert den Aufnahmeantrag und entscheidet mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und ihre Stimme abgebenden Mitglieder (Art. 18 Abs. 2 Satz 2) über die Zulassung des Bewerbers. - Lehnt die Vollversammlung den Aufnahmeantrag ab, so ist diese Ablehnung endgültig; der Zulassungsantrag ist damit erledigt. Er kann auch nicht etwa während derselben Session der Vollversammlung erneut zur Beratung und Abstimmung gebracht werden.

c) Die Bestrebungen zur Änderung des Aufnahmeverfahrens

aa) Ursache und Anlaß der Änderungsbestrebungen Die Behandlung der Aufnahmeanträge der Jahre 1946 und 1947 43)

in den dafür zuständigen UN- Organen hat klarer und krasser noch als die sonstige bisherige Arbeit der UN zwei Tatsachen erwiesen:

1. die mehr und mehr vollzogene Blockbildung innerhalb der Gesamtheit der UN-Mitglieder und damit die schließlich erreichte Zweiteilung der Welt in Ost und West,

42) Vgl. unten unter IV 3 c letzter Abs. vor aa und d letzter Abs. 43) Vgl. darüber unten unter IV 2 und 3.

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 163

2. die vollständige Blockierung des Auf nahm e weges und damit die weitgehende Lahmlegung der Organisation durch das sog. Vetorecht der fünf Großmächte im Sicherheitsrat 44).

Die erste dieser beiden Tatsachen resultiert aus weltanschaulich-politi- schen Gründen, ist daher hier nicht weiter zu verfolgen. Die zweite Tat- sache hingegen hat primär eine rechtliche Ursache : eine Vorschrift derUN- Charta, deren Zweckmäßigkeit zumindest fragwürdig genannt werden muß ; es ist die berühmt-berüchtigte „Vetoklausel" des Art. 27 Abs. 3 44).

Seit Bestehen der UN ist bereits nicht weniger als 27 m a 1 vom sog. Vetorecht Gebrauch gemacht worden 4õ). Davon entfallen fast die Hälfte aller bisherigen Vetos, nämlich n, auf Fälle, in denen es sich um Entscheidungen des Sicherheitsrats über Zulassungsanträge handelte. Alle diese 11 Vetos gehen zu Lasten der Sowjetunion, die damit bis Mitte 1948 ihre Veto-Liste auf 26 Nummern gebracht hat. Sowjetischen Vetos zum Opfer gefallen sind Aufnahmeanträge von sechs Staaten, da- von drei Anträge bereits zum zweitenmal und ein Antrag bereits zum drittenmal, nämlich : Finnland, Irland (zweimal), Italien (dreimal), Öster- reich, Portugal (zweimal) und Transjordanien (zweimal) 46).

bb) Die Vorgänge zur Verfahrensänderung

Die unter aa) aufgezeigten Rechtstatsachen machen es ohne weiteres verständlich, daß sich alsbald nach Beginn der Mitgliederaufnahme- praxis der UN Bestrebungen zu zeigen und Geltung zu verschaffen suchten, das Verfahren zur Aufnahme neuer Mitglieder in die UN zu ändern. Wollte man eine wirksame Verfahrensänderung erreichen, mußte der Hebel dafür dort angesetzt werden, wo die Blockierungsstelle im Zulassungsverfahren liegt: beim Sicherheitsrat. Da an dieser Stelle die

44) Vgl. darüber meine in Anm. 24 angeführte Abhandlung. 45) Vgl- die Zusammenstellung der Fälle im Abschnitt IV meiner in Anm. 24

angeführten Abhandlung. 46) In zeitlicher Reihenfolge ergibt sich die folgende Vetoliste in bezug

auf Zulassungsanträge:

Lfd. Datum Kandidat Abstimmungs- Veto durch Nr- Nr. ergebnis des

ja | nein | Enth. Veto8 1 28. 8. 1946 I Irland 911 Sowjetunion 6 2 28. 8. 1946 I Portugal 821 (Gromyko) 7 3 28. 8. 1946 Transjordanien I 8 2 1 „ 8 4 19. 8. 1947 Irland 911 „ 12 5 19. 8. 1947 Portugal 92 - „ 13 6 19. 8. 1947 Transjordanien 911 „ 14 7 21. 8. 1947 Italien 911 „ 17 8 21. 8. 1947 Österreich 812 „ 18 9 1. 10. 1947 Italien 92 - „ 22

10 1. 10. 1947 Finnland 92 - „ 23 11 10.4. 1948 Italien 92 - „ 24

Archiv des Völkerrechts 1. H. 2. 12

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164 Friedrich Klein

Sperre durch das sog. Vetorecht der fünf Großmächte ausgelöst wird, mußte der Versuch zur Beseitigung der Blockierung dahin gehen, das Vetorecht auszuräumen. In der Tat laufen alle bisherigen Bestrebungen zur Änderung des Aufnahmeverfahrens darauf hinaus, in irgendeiner Form um das Vetorecht herumzukommen, sei es, daß man den Sicherheits- rat aus dem Zulassungsverfahren überhaupt herausnehmen, sei es, daß man das Vetorecht in diesem Verfahren beseitigen will.

a) Der argentinische Änderungsvorschlag 1946

Im Zuge der Beratungen des Politischen Ausschusses der Vollversamm- lung über die Zulassungsanträge Afghanistans, Islands und Schwedens zu Anfang November 1946 hatte Argentinien einen Änderungsvorschlag hinsichtlich der Behandlung dieser drei Aufnahmegesuche zur Empfeh- lung an den Sicherheitsrat eingebracht. Ziel des argentinischen Antrags war, die Rechte des Sicherheitsrats bei der Zulassung neuer Mitglieder der UN zu beschränken oder zu beseitigen und dadurch die Vollversamm- lung von Entschlüssen des Sicherheitsrats insoweit unabhängig zu machen. Gegen diesen Vorschlag hatte insbesondere die Sowjetunion aus ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Frage der Beseitigung oder auch nur Einschränkung der Vetomöglichkeit 47) heraus protestiert. In der Vollversammlung erklärten sich - nach einer äußerst tumultuösen Zwischenabstimmung über die Frage, ob es sich bei dem argentinischen Antrag um eine bloße Verfahrensfrage im Sinne des Art. 27 Abs. 2 oder um ein echtes Sachproblem im Sinne des Art. 27 Abs. 3 mit dem- entsprechend verschiedenen Abstimmungsquoten im Sicherheitsrat han- dele - bei der Hauptabstimmung 46 Stimmen für und 4 Stimmen (Jugo- slawien, Sowjetunion, Ukraine und Weißrußland) gegen den argen- tinischen Antrag bei einer Stimmenthaltung (Tschechoslowakei). Über das weitere Schicksal des Vorschlags ist nichts bekannt geworden.

ß) Die amerikanisch-argentinisch-australischen Vorstöße 1947

Nach der Ablehnung der vier Zulassungsanträge Bulgariens, Italiens, Rumäniens und Ungarns am 21. August 1947 im Sicherheitsrat 48) prote- stierte der USA-Delegierte Hershel Johnson heftig gegen die mißbräuch- liche Verwendung des Vetorechts durch die Sowjetunion; er schlug vor, die UN- Vollversammlung solle in ihrer ordentlichen Herbsttagung die Aufnahme der vier Staaten genehmigen. Nach einer kurzen und scharfen Entgegnung des sowjetischen Vertreters Andrej Gromyko schloß der

47) Vgl. dazu meine in Anm. 24 angeführte Abhandlung. 45; vgl. unten unter IV 3 b.

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australische Delegierte Dr. Herbert Evatt, der die Sitzung leitete, die Debatte mit dem Bemerken, es könne nicht so weitergehen, daß ein Staat durch Ausübung des Vetorechts gegen 50 andere auftrete. Nachdem klar ersichtlich geworden war, daß die Sowjetunion die amerikanische Reso- lution, den ganzen Fragenkomplex der Vollversammlung vorzulegen, „vetieren" würde, zog Johnson im Hinblick auf das „unvermeidliche Veto" Gromykos den USA- Vorschlag zurück.

Am 11. September 1947 gab der stellvertretende Vorsitzende der argen- tinischen UN-Delegation Eduardo Coromina bekannt, daß Argentinien vorschlagen werde, eine allgemeine Konferenz zur Abschaffung des Veto- Privilegs noch während der Herbsttagung 1947 der Vollversammlung ein- zuberufen und nicht mehr den Sicherheitsrat, sondern allein noch die Voll- versammlung über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden zu lassen.

Sogleich nach den sowjetischen Vetos gegen die Aufnahmeanträge Finnlands und Italiens am 1. Oktober 1947 49) erklärte der USA-Dele- gierte Warren Austin in einer Rundfunkansprache, die Entscheidung über Zulassungen neuer UN-Mitglieder müßte wegen des Vetorechts dem Sicherheitsrat genommen und der Vollversammlung übergeben werden.

In der erneuten Debatte des Politischen Ausschusses der Vollversamm- lung über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Organisation am 7. No- vember 1947 50) forderte der argentinische Vertreter José Arce, die Voll- versammlung solle unter Übergehung des Sicherheitsrates Finnland, Ir- land, Italien, Portugal und Transjordanien sofort als neue Mitglieder aufnehmen; sie allein habe das Recht, in dieser Frage endgültig zu ent- scheiden. Der Vertreter Schwedens Haggloff sprach sich dafür aus, die Aufnahmeanträge nochmals durch den Sicherheitsrat erörtern zu lassen, ein Vorschlag, gegen den sich der australische Delegierte Evatt wandte. Der amerikanische Vertreter Adlai Stevenson gab die Zusage, daß die USA im Sicherheitsrat gegen keinen der vorliegenden Zulassungsanträge ein Veto einlegen würden und daß sie darüber hinaus bereit seien, die Abschaffung des Vetorechts bei der Entscheidung über Zulassungs- anträge anzunehmen. In der Vollversammlung dagegen würden sie gegen die Zulassung derjenigen Staaten stimmen, die ihrer Meinung nach für die UN-Mitgliedschaft nicht qualifiziert seien (d. h. Albanien, Bulgarien, Mongolische Volksrepublik, Rumänien und Ungarn). Eine Neuaufnahme ohne Bewilligung des Sicherheitsrates erscheine ihm nicht angängig.

Einige Tage später erklärten auch Frankreich und Großbritannien, daß sie in Zukunft bei der Entscheidung über Aufnahmegesuche keinen Gebrauch von ihrem Vetorecht machen wollten - eine Ankündigung, die Gromyko „eine leere Phrase, die für gewisse naive Zuhörer bestimmt" sei, nannte.

49) Vgl. unten unter IV 3 c, insbesondere bb und cc. 50) Vgl. unten unter IV 3 vorletzter Abs.

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l66 Friedrich Klein

Am 19. November 1947 nahm schließlich die Vollversammlung nach einer heftigen Debatte, in deren Verlauf der sowjetische Delegierte kate- gorisch erklärte, die Sowjetunion werde nicht von ihren Prinzipien ab- weichen, eine Entschließung an, die die fünf Großmächte auf- fordert, sichjeweilsuntereinander über die Frage der Zu- lassung eines neuen Mitgliedes zur UN zu beraten.

cc) Kritische Würdigung der Änderungsvorschläge

Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der UN-Charta (Art. 27 Abs. 3) spielt das sog. Vetorecht der fünf Großmächte im Sicherheitsrat auch bei der Entscheidung über Zulassungsanträge eine Rolle. Daran än- dert die Tatsache nichts, daß Frankreich, Großbritannien und die USA auf ihr Vetorecht im Mitgliederaufnahmeverfahren ausdrücklich verzichtet haben. Solange die Sowjetunion an diesem satzungsmäßig verankerten Recht festhält, kann es ihr auf solche Weise nach Wortlaut und Sinn der Charta von San Franzisko nicht genommen werden. Dazu ist vielmehr eine aus- drückliche Satzungsänderung erforderlich, die jedoch ihrerseits nach Art. 108 ohne Billigung (auch) durch die Sowjetunion nicht Zustandekommen kann. Irgendeine Möglichkeit, die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten gegen ein Großmächte- Veto durchzusetzen, gibt es nach der UN-Charta in ihrer derzeitigen Fassung nicht. Aus dieser Sach- und Rechtslage hat die UN- Vollversammlung 1947 die vorerst einzig mögliche Folgerung ge- zogen, den Großmächten jeweils eine vorgängige gütliche Einigung über einen Zulassungsantrag anheimzugeben, bevor es über ihn zur Abstim- mung im Sicherheitsrat und damit gegebenenfalls zu seiner „Vetierung" kommt.

III. Beginn und Ende der UN-Mitgliedschaft

1. Der Beginn der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft der ersten Art der ursprünglichen (geborenen) Mitglieder der UN, der sog. Gründungsmitglieder, begann am Tage der Errichtung der Organisation, d. h. am 24. Oktober 1945 51)- Die Mit- gliedschaft der zweiten Art der geborenen UN-Mitglieder, der sog. ursprünglichen Mitglieder, beginnt nach Art. 110 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 am Tage der Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunden bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Washing-

51) Vgl. oben Anm. 2. - Wann begann die Mitgliedschaft Polens in der UN? M. E. am 24. Oktober I945S da es original Member im Sinne des Art. 3, also Gründungsmitglied, ist (vgl. oben zu Anm. 5).

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen l6j

ton 52). Die Mitgliedschaft der nichtursprünglichen (gekorenen, zugelas- senen, aufgenommenen) UN-Mitglieder beginnt im Augenblick ihrer Zulassung zur Organisation, d. h. in dem Augenblick, in dem das ihnen günstige Abstimmungsergebnis der UN-Vollversammlung dort bekannt- gegeben wird. Von diesem Zeitpunkt an haben sie alle aus der UN- Mitgliedschaft erfließenden Rechte und Pflichten, nehmen sie insbeson- dere mit Stimmrecht noch an derselben Tagung der Vollversammlung teil.

2. Das Ende der Mitgliedschaft

a)Die offiziellen, insbesondere satzungsmäßigen Fälle

Die Mitgliedschaft im VB erlosch durch:

1. freiwilligen Austritt mit zweijähriger Kündigungsfrist (Art. i Abs. 3 VBS),

2. zwangsweisen Ausschluß bei Satzungsverletzung durch das betref- fende Mitglied (Art. 16 Abs. 4 VBS),

3. automatisches Ausscheiden im Falle einer dem betreffenden Mitglied nicht genehmen Satzungsänderung (Art. 26 Abs. 2 VBS),

4. Untergang des betreffenden Mitglieds,

5. Auflösung des VB.

Demgegenüber endigt die Mitgliedschaft aller Arten von UN-Mit- gliedern durch:

1. Ausschluß des betreffenden Mitglieds (Art. 6), 2. Untergang des betreffenden Mitglieds,

3. Auflösung der UN.

Die Möglichkeiten 2 und 3 der Beendigung der UN-Mitgliedschaft sind in der UN-Charta nicht ausdrücklich vorgesehen; sie verstehen sich jedoch ebenso wie unter der Ägide des VB, wo sie eine große praktische Rolle gespielt haben, von selbst.

Zum Ausschluß eines Mitglieds aus der UN - Möglichkeit 1 - sind nach Art. 6 erforderlich :

1. Ständige (dauernde, beharrliche, hartnäckige, „persistently") Ver- letzung der in der Satzung niedergelegten Grundsätze,

52) Hier erweist sich, daß die Bezeichnung „original" Membership = „ur- sprüngliche" Mitgliedschaft sachlich nicht einwandfrei ist. Streng genommen würde sie nämlich bedeuten, daß der betreffende Staat vom Gründungstage der UN an dieser angehört und nicht erst von dem später liegenden (vgl. oben Anm. 3) Tag seiner Ratifikation der UN- Satzung an.

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l68 Friedrich Klein

2. Beschluß von mindestens zwei Dritteln der anwesenden und abstim- menden Mitglieder der Vollversammlung (Art. 18 Abs. 2) auf Empfeh- lung des Sicherheitsrats.

Beide Voraussetzungen weichen nicht unerheblich von der Regelung des Ausschlusses nach Art. 16 Abs. 4 VBS ab. Die UN-Charta verlangt eine ständige, d. h. also jedenfalls wiederholte, mehrfache Verletzung der Satzungsgrundsätze; zum Ausschluß aus dem VB genügte hingegen be- reits die einmalige vorsätzliche Verletzung irgendeiner Bestimmung der Satzung 53). Während nach der UN-Satzung - folgerichtigerweise - die Vollversammlung über den Ausschuß beschließt, war dafür nach der VBS der Völkerbundsrat zuständig54). Im übrigen bleibt noch anzu- merken, daß Art. 6 UN-Charta auf der Konferenz von San Franzisko nur gegen starke Widerstände mehrerer Delegationen durchgesetzt wurde, die vor allem die Dauerhaftigkeit der Organisation betont sehen wollten.

b) Sonstige Fälle?

Sonstige Möglichkeiten der Endigung der UN-Mitgliedschaft gibt es offiziell, insbesondere kraft ausdrücklicher satzungsmäßiger Vorschrift, nicht. Vor allem endigt die Mitgliedschaft in der UN - im Gegensatz zur Regelung in der VBS - n i c h t im Falle einer dem betreifenden Mit- glied nicht genehmen Satzungsänderung durch dessen automatisches Ausscheidenund- was besonders wichtig ist - auch nicht durch befristete Kündigung. Die grundsätzliche satzungsrechtliche Un- möglichkeit jeglichen freiwilligen Ausscheidens aus der UN - sei es im Wege des unbefristeten und auch sonst voraussetzungslosen eigenwilligen Austretens, sei es im Wege der Kündigung unter Einhaltung einer Frist - stellt jedenfalls in der zweiten Hinsicht eine ganz grundlegende Änderung und Abweichung der UN-Charta gegenüber der VBS dar. In der Tat widerspricht eine solche Möglichkeit ja auch dem Sinn und Zweck der ganzen Institution 55). Im übrigen führt es zu nichts Gutem, wenn man

53) 3 Jedes Mitglied, das sich der Verletzung einer aus der Satzung entspringen- den Verpflichtung schuldig macht, kann aus dem Bunde ausgeschlossen werden" (Art. 16 Abs. 4 Satz 1 VBS). Praktisch kam der Ausschluß nach Art. 16 Abs. 4 VBS allerdings nicht in jedem Falle einer derartigen Verletzung in Betracht, so z. B. wohl nicht im Falle der Nichtentrichtung des Mitgliedsbeitrags (vgl. v. Frey- tagh-Loringhoven, a. a. O. S. 101) oder der Verletzung des Art. 22 VBS und der Mandatsverträge (so v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 236/37 gegen Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 636).

54) „Die Ausschließung wird durch Beschluß aller anderen im Kate vertretenen Bundesmitglieder ausgesprochen" (Art. 16 Abs. 4 Satz 2 VBS).

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la politique et la jurisprudence des organes de la Société", Paris (Recueuil Sirey), 1930, S. no/11 : „II faut voir dans la clause (se. Art. 1 Abs. 3 VBS) une concession faite aux partisans de l'indépendance absolue des Etats, elle altère assez profondé- ment l'esprit du Pacte: un lien de solidarité internationale que l'on se réserve le droit de rompre, arbitrairement si on le désire, est assez lâche."

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 169

offiziell eine jederzeitige Austrittsmöglichkeit aus der Weltorganisation eröffnet; das haben die einschlägigen Vorgänge im VB klar bewiesen. Bei dessen Errichtung meinten Sachkenner zwar, die Kündigungsklausel des Art. 1 Abs. 3 VBS gewährleiste die Freiheit der VB-Mitglieder von Zwang und beseitige dadurch jede Veranlassung zum Austritt. Im Gegen- satz zu dieser allzu optimistischen Prognose begannen jedoch schon wenige Jahre nach dem Inslebentreten des VB die formellen Kündigungen von Mitgliedschaften - ein Prozeß, der sich in den Jahren ab 1938 la- winenartig steigerte und zutreffend nur noch mit der Bezeichnung „Flucht aus dem VB" erfaßt und gewertet werden konnte. Solche Vorgänge können sich unter dem Schein einer formalen satzungsmäßigen Legalität bei der UN nicht wiederholen.

In den Akten des für die Fragen der Mitgliedschaft zuständig gewesenen technischen Ausschusses der San Franzisko-Konferenz ist allerdings die Auffassung festgelegt, daß jedem UN-Mitglied das Recht, aus der Or- ganisation auszutreten, zustehe, wenn es sich durch „außerordentliche Umstände" dazu gezwungen sehe oder wenn die Organisation „offen- sichtlich" die ihr gesteckten Ziele nicht erreichen könne 56). Die beiden kautschukartigen Klauseln „außerordentliche Umstände" und „offen- sichtlich" öffnen einer mißbräuchlichen Ausnutzung der vorbehaltenen Austrittsmöglichkeit Tür und Tor. Die ägyptischen, arabische :, jugo- slawischen und sowjetischen teils offenen, teils verhüllten Aus rittsdro- hungen in den Jahren 1946 und 1947 entbehrten daher durchaus nicht eines gewissen juristischen Ernstes.

3. Die Suspension der Mitgliedschaft

Im Gegensatz zu der insoweit unergiebigen VBS enthält die UN- Charta in Art. 5 eine ausdrückliche Regelung in bezug auf das Ruhen der Mitgliedschaft oder „die Aufhebung („suspension") der Rechte und Vor- teile aus der Mitgliedschaft", wie Art. 18 Abs. 2 formuliert. Damit ist eine Möglichkeit des rechtlichen Vorgehens der UN gegen ein den Frieden bedrohendes oder störendes Mitglied offfziell-satzungsmäßig eröffnet, wie sie bereits für den VB ohne entsprechende spezielle Satzungsbestim- mung vor allem in der deutschen Kommentarliteratur zur VBS vertreten worden war. So sagten Schücking-Wehberg in ihrem Erläuterungs- werk 57) : „Zulässig dürfte es aber auch sein, ein Mitglied in der Form auszuschließen, daß es nach Ablauf einer bestimmten Frist wieder Mit- glied wird, es also gewissermaßen von seiner Mitgliedschaft zu suspen- dieren. Denn das würde gegenüber dem Ausschlüsse ein Minus darstel-

56) Cornides, a. a. O. S. 340 linke Spalte. 57) A. a. O. S. 636.

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len", und von Frey tagh-Loringho ven in seinem Kommentar58): Als Strafmaßnahmen des VB gegen seine Mitglieder „erscheinen Exekution und Ausschluß. Jene darf nur in bestimmten Fällen eingeleitet werden. Dieser ist für alle übrigen Zuwiderhandlungen bestimmt. Selbstverständ- lich ist auch eine Verbindung insofern zulässig, als für die schwersten Vergehen gleichzeitig mit der Exekution der Ausschluß verfügt wird. Doch hängt das vom VBR ab, und an sich kann der Bundesbrecher, während die Exekution gegen ihn durchgeführt wird, Mitglied des VB und sogar des VBR bleiben. Nur ist es selbstverständlich, daß inzwischen seine Rechte ruhen. Mit Beendigung der Exekution leben sie wieder auf".

Diesen Fall - Ergreifung von vorbeugenden oder von Zwangsmaß- nahmen gegen ein UN-Mitglied durch den Sicherheitsrat - betrifft und behandelt Art. 5. Es handelt sich dabei um eine Vorschrift, die im Gegen- satz zum heiß umstritten gewesenen Art. 6 (Ausschluß aus der UN) 59) in bestimmten Fällen die allgemeine Zustimmung der Teilnehmer der San Franzisko-Konferenz fand. Interessant ist, daß die Suspension der Mitgliedschaftsrechte und -vorteile durch Zweidrittelmehrheitsbeschluß der Vollversammlung (Art. 18 Abs. 2 Satz 2) auf Empfehlung des Sicher- heitsrats (Art. 5 Satz 1), die Wiederherstellung der Ausübung dieser Rechte und Vorteile hingegen durch den Sicherheitsrat allein erfolgt (Art. 5 Satz 2).

IV. Mitgliederbestand

1. Die Zahl der UN-Mitglieder

a) Der Mitgliederbestand im Zeitpunkt der Er- richtung der UN

Die Zahl der Mitgliedstaaten der UN betrug am Tag der Unterzeichnung der Satzung (26. Juni 1945): 50 und am Tag des Inkrafttretens derselben, d. h. also im Zeitpunkt der Errich- tung der Organisation (24. Oktober 1945) : 51 60). Es waren die folgenden Staaten: + 1. Ägypten 10. Dänemark + 2. Äthiopien (Abessinien) * 11. Dominikanische Republik

3. Argentinien +12. Ekuador * 4. Australien * 13. El Salvador * 5. Belgien + 14. Frankreich

+ 6. Bolivien * 15. Griechenland + 7. Brasilien * 16. Großbritannien + 8. Chile * 17. Guatemala * 9. China * 18. Haiti 58) A. a. O. S. 194/95- 59) Vgl. oben unter 2 a a. E. 00; vgl. ooen unter 11 1.

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 171

* 19. Honduras * 36. Panama * 20. Indien + 37. Paraguay

+ 21. Irak +38. Peru + 22. Iran (Persien) + 39. Philippinen * 23. Jugoslawien * 40. Polen * 24. Kanada + 41. Saudi-Arabien

+ 25. Kolumbien * 42. Sowjetunion * 26. Kostarika * 43. Südafrikanische Union * 27. Kuba + 44. Syrien

+ 28. Libanon * 45. Tschechoslowakei + 29. Libérien + 46. Türkei * 30. Luxemburg 47. Ukraine

+ 31. Mexiko + 48. Uruguay * 32. Neuseeland + 49. Venezuela * 33. Niederlande * 50. Vereinigte Staaten v. Amer. * 34. Nikaragua 5 1 . Weiß- (Bjelo-) Rußland * 35. Norwegen

An dieser Liste ist u. a. bemerkenswert, daß sie vier britische Dominien (Australien, Kanada, Neuseeland und Südafrikanische Union) enthält, die demnach als „Staaten" im Sinne der Bestimmungen der UN-Charta und damit im Sinne der Allgemeinen Staatslehre 61) gelten 62), daß die beiden ehemaligen VB-A-Mandate Libanon und Syrien in gleicher Weise als „Staaten" aufgeführt sind und daß die beiden föderativen Sowjetrepubliken Ukraine und Weiß- rußland neben der Sowjetunion selbst als UN-Mitglieder erscheinen. Diese letztere Tatsache ist nicht nur interessant, sondern auch politisch- rechtlich sehr bedeutsam, da die Sowjetunion auf diese Weise von vorn- herein über nicht weniger als drei Sitze und Stimmen zumindest in der UN-Vollversammlung verfügt. Sie ist nur dann voll zu verstehen, wenn man die internen Machtkämpfe auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 kennt, wo die Sowjetunion ihre Position in der UN und im Fernen Osten festigte, wenn man insbesondere in das seinerzeitige Tauziehen um die Stimmenzahl in der UN Einblick nehmen kann. Dies ist nunmehr, nach dem Erscheinen des Aufsehen erregenden, „Speaking Frankly" betitelten Erinnerungsbuches des früheren Außenministers der USA, James F. Byr- nes 63), möglich. Nach seinen Aufzeichnungen spielte sich auf der Krim- konferenz insoweit das Folgende ab :

61) Vgl. oben unter II 2 a aa a. 62) Vgl. oben zu Anm. 18. 63) Copyright 1947 by Donald S. Russell, Trustee of James Byrnes Foundation.

- Die Wiedergabe hier hält sich an den Abdruck des einschlägigen Kapitels des Byrnesschen Buches in der Hamburger Tageszeitung „Die Welt" Nr. 132 vom 6. November 1947.

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Nachdem die Regierung der Sowjetunion die Vorschläge des nord- amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt zum Abstim- mungsverfahren im Sicherheitsrat der UN angenommen hatte 64), äußerte der sowjetische Außenminister Wyatscheslaw Michailowitsch Molotow den Wunsch, daß Weißrußland, die Ukraine und Litauen zur UN zu- gelassen würden. Der britische Premierminister Winston S. Churchill unterstützte diesen Antrag mit den folgenden Worten: „Mein Herz schlägt für das Weißrußland, das bei der Niederringung der Tyrannei so furchtbare Wunden empfing' '. Roosevelt, dem der sowjetische Antrag nicht gefiel, der sich aber Marschall Josef V. Stalin und dem britischen Erstminister nicht entgegenstellen wollte, während die geplante inter- nationale Organisation noch im Aufbau begriffen war, erklärte: „Das britische Reich hat in seinen Dominien, wie Australien, Kanada und Südafrika, große Bevölkerungsmassen. Die Sowjetunion hat ebenfalls große Bevölkerungsmassen. Die Vereinigten Staaten haben keine Kolo- nien, aber sind sehr stark bevölkert. Es gibt viele Länder mit kleiner Be- völkerung, wie Honduras oder Liberia. Wir müssen die Frage, ob irgend- ein Land mehr als eine Stimme haben soll, genau studieren. Ich möchte nicht gern mit dem Grundsatz: Eine Stimme pro Nation brechen".

Am nächsten Nachmittag verlas Roosevelt am Konferenztisch das fol- gende Protokoll der Außenminister der Großen Vier: „Die Konferenz hat die Liste der ursprünglichen Mitglieder der Organisation festzusetzen. Im gegenwärtigen Stadium sind die Vertreter Großbritanniens und der Vereinigten Staaten bereit, den Antrag auf Zulassung zweier sowjetischer Republiken als ursprüngliche Mitglieder zu unterstützen". Die Erklärung für diese Haltung Großbritanniens und der USA liegt darin: Der bri- tische Außenminister Anthony Eden wünschte die Aufnahme jedes ein- zelnen Dominions und auch Indiens, stimmte daher mit Molotow in der Frage der Mitgliedschaft der Ukraine und Weißrußlands aus taktischen Gründen überein. Daraufhin gab auch der Außenminister der USA, Edward R. Stettinius, seine Zustimmung zu dem sowjetischen Begehren.

Dazu berichtet Stettinius' Nachfolger Byrnes, der gegen den Sowjet- vorschlag war, in seinem Buche: „Ich war über diese Regelung über- rascht und hielt sie für unklug. Nach der Sitzung hielt ich dem Präsi- denten meine Meinung vor. Ich erinnerte ihn daran, daß er, als wir aus Washington abreisten, einer Gruppe von Senatoren gesagt hatte, daß er die Mitgliedschaft für jeden der 48 Staaten der nordamerikanischen Union verlangen würde, wenn Stalin auf die Mitgliedschaft für die Ukraine und Weißrußland bestünde. Tatsache ist, daß die einzelnen Sowjetrepubliken nicht mehr Unabhängigkeit besitzen als die 48 Staaten. Ich erinnerte ihn auch daran, wie nachträglich die Gegner des Völkerbundes damals ge- tadelt hatten, daß die Engländer mit ihren Dominien fünf Stimmen, wir

64) Vgl. dazu Abschn. II meiner oben Anm. 24 angeführten Abhandlung.

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aber nur eine in der Versammlung besaßen. Bei uns hatte man inzwischen eingesehen, daß die Dominien unabhängige Staaten seien, die oft andere Ansichten als ihr Mutterland vertraten, was aber auf die Sowjetrepubliken nicht zutraf. Ich fürchtete, die Feinde der UNO würden die Zuteilung von drei Stimmen an Sowjetrußland ebensosehr als Waffe benutzen wie früher die Gegner des Völkerbundes die Stimmenzahl des Empire. Ich drängte darauf, der Präsident möchte wenigstens die gleiche Stimmenzahl für Amerika 65) wie für Sowjetrußland verlangen. Er fürchtete, es sei zu spät, aber er wollte es sich überlegen."

Am 10. Februar 1945 schrieb Roosevelt in Jaita einen Brief des folgen- den Inhalts an Stalin: „Ich möchte meine Beunruhigung darüber aus- drücken, daß die Vereinigten Staaten nur eine Stimme haben sollen. Wenn ich auf die volle Beistimmung des Kongresses und der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten zählen will, muß ich für die Vereinigten Staaten eine Erhöhung der Stimmenzahl erwirken. Bevor ich dies unter- nehme, möchte ich mich versichern, ob Sie meinen dementsprechenden Antrag, falls es nötig sein wird, ihn zu stellen, unterstützen würden oder nicht." Nach einer positiven Antwort Stalins fragte Roosevelt auch Churchill nach seiner Stellungnahme und erhielt die Zusicherung auch seiner Unterstützung.

Als Byrnes wieder in Washington eintraf, wurde ihm die folgende Note übergeben : „Der Präsident hat über die Frage einer Erhöhung der Stim- menzahl für die Vereinigten Staaten völlig zufriedenstellende Antworten von Premierminister Churchill und Marschall Stalin erhalten. Da aber dieser ganze Komplex nicht im Kommunique erscheint, legt der Präsident Wert darauf, daß kein Punkt desselben weiterhin, selbst nicht privat, besprochen wird."

Byrnes berichtet alsdann: Er habe angenommen, daß Roosevelt gute Gründe für dieses Anliegen gehabt habe, und habe es daher erfüllt. Es sei beschlossen worden, in San Franzisko den Antrag, daß die USA ebensoviele Stimmen wie die Sowjetunion haben solle, noch nioht zu stellen. Roosevelt habe mit ihm über die Angelegenheit nicht mehr ge- sprochen, und er selbst habe nicht erfahren, daß der Präsident seine Meinung geändert habe.

Abschließend bemerkt Byrnes : „Ich gebe zu, daß die öffentliche Oppo- sition bei uns dagegen, daß Rußland drei, wir aber nur eine Stimme haben sollten, nicht so heftig war, wie ich erwartet hatte. Trotzdem glaube ich, daß wir in San Franzisko auf dem in Jaita gemachten Ab- kommen hätten bestehen sollen. Ich glaube, daß die kleinen Staaten dem Vorschlag Rußlands und der Vereinigten Staaten widersprochen hätten. Das wäre nur gerecht gewesen und hätte dahin geführt, daß beide Staaten

65) Byrnes meint offensichtlich Nordamerika.

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nur je eine Stimme gehabt hätten. Und dies wäre die beste Lösung gewesen."

b) Der Mitgliederbestand am 31. Dezember 1947 Die Zahl von 51 UN-Mitgliedstaaten ist inzwischen auf 57 ange-

wachsen, und zwar durch Zulassung von vier Staaten im Jahre 1946, nämlich Afghanistans, Islands und Schwedens am 12. De- zember 1946 sowie Siams am 16. Dezember 1946, und von zwei Staa- ten im Jahre 1947, nämlich Pakistans und Y e m e n s am 30. Sep- tember 1947, worüber später noch Näheres zu sagen sein wird 66).

Wenn man sich daran erinnert, daß die durch den VB jemals erreichte Höchstzahl von Mitgliedern 63 betrug und daß inzwischen mehrere neue Staaten wie Pakistan (15. August 1947), die Philippinen, Trans jordanien, Yemen, die beiden palästinensischen Staatsgebilde, die Republik der Union von Burma (4. Januar 1948) u. a. zusätzlich entstanden sind, so ersieht man schon aus dem bloßen Vergleich der beiden Zahlen 57 (als derzeitiger UN-Mitgliederzahl) und 63 (als ehemaliger VB-Höchstmit- gliederzahl), daß eine ganze Reihe von Staaten noch nicht Mitglieder der UN sind; es handelt sich vor allem um die folgenden Staaten: Albanien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Japan, Mongolische Volksrepublik (Äußere Mongolei), Österreich, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweiz, Transjordanien und Ungarn. Rechnet man allein diese 15 Staaten als potentielle UN-Mitglieder, so müßte die UN also eines Tages, wenn sie wirklich universal werden und sein will, mindestens 72 Mitgliedstaaten zählen. Bis dahin dürfte jedoch noch ein weiter Weg sein - ein Urteil, das eher zu milde als zu scharf genannt werden muß, wenn man sich die bisherigen vergeblichen Bemühungen der meisten dieser Nichtmitgliedstaaten um Erlangung der UN-Mitgliedschaft näher besieht.

2. Die Aufnahmefälle des Jahres 1946 Nach dem Inkrafttreten der Satzung der Vereinten Nationen, d. h.

nach dem 24. Oktober 1945, hatten bis zum Beginn der zweiten Session der ersten ordentlichen Vollversammlung der UN am 23. Oktober 1946 neun Staaten formell Aufnahmeanträge an den Generalsekre- tär der Organisation gerichtet. Den Reigen der Mitgliedschaftskandidaten hatte im Mai 1946 Albanien eröffnet. In alphabetischer Reihenfolge han- delte es sich um die folgenden Bewerber: Afghanistan, Albanien, Irland, Island, Mongolische Volksrepublik (Äußere Mongolei), Portugal, Schwe- den, Siam („Thailand") und Transjordanien. Davon wurden drei, näm- lich Afghanistan, Island und Schweden, am 12. Dezember

66) Vgl. unten unter 2 und 3 a.

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1946 durch die Vollversammlung der UN einstimmig als 52., 53. und 54. Mitgliedstaat in die Organisation der Vereinten Nationen aufgenom- men. Der Mitgliedschaftsausschuß hatte das afghanische und das is- ländische Zulassungsgesuch mit einstimmiger Befürwortung dem Sicher- heitsrat zugeleitet; gegen die Zulassung Schwedens hatte im Aufnahme- komitee nur der sowjetische Delegierte gestimmt. Im Sicherheitsrat hatten der afghanische und der isländische Zulassungsantrag einmütige Zustimmung gefunden; für Schwedens Aufnahme in die UN hatten sich fast alle Mitglieder des Sicherheitsrats entschieden, insbesondere auch die Sowjetunion und die vier anderen Großmacht-Ratsmitglieder.

Von den übrigen sechs Kandidaten bat S i a m zu Beginn der maß- gebenden Sitzung des Sicherheitsrats am 28. August 1946, seinen Auf- nahmeantrag wegen des damals schwebenden französisch-siamesischen Grenzkonflikts am Mekong für ein Jahr zu vertagen. Nicht ungeschickt entzog es auf diese Weise seinen Zulassungsantrag einem sicheren fran- zösischen Veto, da das Großmacht-Ratsmitglied Frankreich diesen An- trag einige Wochen vorher bereits im Aufnahmeausschuß mit der Be- gründung abgelehnt hatte, daß es sich „de facto noch immer im Kriegs- zustand mit Siam befände". Nachdem die französisch-siamesischen Grenzstreitigkeiten beigelegt worden waren, wurde die Frage der UN- Mitgliedschaft Siams in der Herbstvollversammlung 1946 der Organi- sation akut. Die Angelegenheit ging von dort ordnungsgemäß zunächst an den Sicherheitsrat zur Beratung. Nachdem dieser gegen die Zulassung Siams als Mitglied der Vereinten Nationen nichts einzuwenden hatte, wurde Siam in der Schlußsitzung der ersten ordentlichen Session der UN- Vollversammlung am 16. Dezember 1946 einstimmig als 55. Mitglied- staat in die Organisation aufgenommen.

Was die Kandidaturen der restlichen fünf Staaten (Alba- nien, Irland, Mongolische Volksrepublik, Portugal und Transjordanien) anbetrifft, so hatten bereits schwerwiegende politische Meinungsver- schiedenheiten im Sicherheitsrat ihre Bewerbung um die UN-Mitglied- schaft in Frage gestellt. Nach wochenlangen Debatten der Ratsmitglieder über diese (und die anderen) Aufnahmeanträge war der Punkt „Entschei- dung über die Zulassung neuer Mitglieder zur UN" - einem Beschluß des Politischen Ausschusses der Vollversammlung zufolge - auf die Tages- ordnung der ersten ordentlichen Vollversammlung im Herbst 1946 ge- setzt worden. Die UN- Vollversammlung verwies von den insgesamt neun Aufnahmeanträgen die fünf, die der Sicherheitsrat teils infolge sowjeti- scher Vetos (so Irland, Portugal und Transjordanien) 67), teils infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen (so Albanien und Mongolische Volksrepublik) œ) nicht gebilligt hatte, mit 42 Stimmen gegen 2 Stimmen

67) Vgl. oben Anm. 46. 60; Abstimmungsverhaltnis bei beiden 5: 5: 1.

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bei 7 Stimmenthaltungen an den Sicherheitsrat zurück, damit dieser die Zulassungsgesuche nochmals behandele. Da dies bis zum Ende der da- maligen Session der UN- Vollversammlung am 15. Dezember 1946 nicht geschah, wurde die Angelegenheit unerledigt ins Jahr 1947 übernommen. Dort erscheinen die fraglichen fünf Kandidaturen erneut und mit im ganzen demselben Arsenal an Gründen für und gegen ihre Berücksich- tigung, weswegen sie in diesem Zusammenhang verhältnismäßig kurz abgetan werden konnten.

3. Die Aufnahmefälle des Jahres 1947

Bei den Zulassungsanträgen des Jahres 1947 sm& zwei Gruppen zu unterscheiden : Wiederholer und Neubewerber.

Aufnahmegesuche standen im Jahre 1947 erneut zur Debatte und mußten zufolge der Entscheidung der UN- Vollversammlung vom De- zember 1946 69) abermals geprüft werden für die im Jahre 1946 nicht gebilligten fünf Kandidaten : Albanien, Irland, Mongoli- scheVolksrepublik, Portugal und Transjordanien.

Neu beworben hatten sich bis zum Beginn der zweiten ordentlichen Vollversammlung der UN am 16. September 1947 nicht weniger als acht Staaten, nämlich : Bulgarien, Italien, Österreich, Pakistan, Rumänien, San Marino, Ungarn und Ye- men. Hinzu kam am 19. September 1947 noch Finnland, so daß insgesamt 14 Aufnahmegesuche im Jahre 1947 akut wurden.

Von diesen über ein Dutzend Zulassungsanträgen sind nur zwei - Pakistan und Yemen - positiv, alle anderen 12 hingegen negativ beschieden worden. Der Einfachheit halber seien zunächst die ersteren behandelt.

a) Pakistan und Yemen

aa) Pakistan

Der am 15. August 1947 entstandene mohammedanische Staat, das britische Moslem-Dominion Pakistan wurde am 30. September 1947 mit

53 Stimmen gegen die Stimme Afghanistans bei einer Stimmenthaltung als 56. Mitgliedstaat in die UN aufgenommen 70), nachdem der Sicher- heitsrat sein Zulassungsgesuch einstimmig gutgeheißen hatte. Der

69) Vgl. oben unter 2 a. E. 70) Auf das ebenfalls am 15. August 1947 entstandene britische Hindu-Do-

minion Freie Indische Union (Hindustan) ist als Sukzessionsstaat In- diens dessen Mitgliedschaftsrecht kraft des dahingehend geäußerten Willens aller zuständigen UN-Organe übergegangen. - Diese Auffassung dürfte rechtlich kaum haltbar sein, da die UN-Mitgliedschaft - ebenso wie diejenige im VB - ein rein persönliches Recht ist. Demgemäß entscheiden Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 186 in solchem Fall entgegengesetzt.

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afghanische UN- Vertreter begründete seine negative Haltung zur Kan- didatur Pakistans mit der Meinung, die Bewohner an der Nordwestgrenze Indiens sollten in der Lage sein, selbst zu entscheiden, ob sie zu Pakistan gehören wollen oder nicht.

bb) Yemen

Das arabische Königreich Yemen, das einstimmig bereits durch den Mitgliedschaftsausschuß und alsdann ebenso durch den Sicherheitsrat als UN-Mitglied vorgeschlagen worden war, wurde mit Pakistan am selben Tag, am 30. September 1947, durch die Vollversammlung ein- stimmig zum 57. Mitgliedstaat der UN gewählt.

b) Die Wiederholer

Am 8. Juli 1947 überwies der Sicherheitsrat die fünf Zulassungsanträge aus dem Jahre 1946 an den Aufnahmeausschuß mit der Maß- gabe, bis 31. Juli dem Rat darüber zu berichten. In den Sitzungen der Zulassungskommission vom 28. bis 30. Juli 1947 zeichnete sich das fol- gende Bild ab : Albanien: Zurückstellung des Antrags für kurze Zeit im Hinblick auf den britisch-albanischen Streitfall um die Minenlegung in der Korfustraße ; Irland: dafür fast alle Kommissionsmitglieder, dagegen die Sowjetunion (Eire habe sogar in den kritischsten Zeiten des Zweiten Weltkrieges offen seine Sympathien für die Achsenstaaten und Franco-Spanien zum Ausdruck gebracht); Mongolische Volks- republik: dafür die Sowjetunion (das mongolische Volk habe am letzten Kriege zum Schütze der Demokratie aktiv teilgenommen), dagegen vor allem Australien, Belgien, Brasilien (wegen Zweifels an der Unab- hängigkeit der Mongolei, da diese diplomatische Beziehungen bisher nur zur Sowjetunion unterhalte), China (wegen des mongolischen Angriffs auf chinesisches Gebiet in der Provinz Sinkiang), Großbritannien und USA; Portugal: dafür insbesondere die USA (Portugal habe wäh- rend der Zweiten Weltkrieges den Achsenstaaten keine militärische Hilfe oder sonstige Unterstützung gewährt, sondern im Gegenteil den Alliierten dadurch außerordentlich wertvolle Hilfe geleistet, daß es ihnen die Be- nutzung der Azoren gestattet habe; seine wirtschaftlichen Beziehungen zu den Achsenmächten hätten denen eines neutralen Staates entsprochen), dagegen die Sowjetunion und Polen (Portugal habe nicht nur den Alliierten geholfen, sondern auch den Feind unterstützt) ; T ransjordanien: dafür vor allem Belgien, China, Frankreich, Großbritannien, Syrien und die USA, dagegen die Sowjetunion (weil sie mit Transjordanien keine diplomatischen Beziehungen unterhalte und weil dieses Land ein bloßer „Marionettenstaat" sei, da Art. 5 des Sonderabkommens zwischen ihm und Großbritannien die Anwesenheit britischer Streitkräfte auf seinem

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Gebiet vorsehe, was nicht mit den Grundsätzen der UN-Charta überein- stimme und Transjordaniens Unabhängigkeit bezweifeln lasse). Diese Konstellation der Meinungen im Aufnahmeausschuß erwies, daß die Zu- lassung Irlands, Portugals und Transjordaniens zu den Vereinten Na- tionen ebenso wie schon im Jahre 1946 und damit also zum zweitenmal durch die Sowjetunion verhindert, diejenige Albaniens und der Äußeren Mongolei hingegen durch sie befürwortet werden würde, wohingegen sich die Mehrheit der anderen im Ausschuß vertretenen Staaten in beiden Fällen gerade im umgekehrten Sinne aussprechen würden. Am 8. August 1947 unterbreitete der Vorsitzende des Aufnahmeausschusses, der sy- rische Delegierte Rafik Pascha, dem Sicherheitsrat einen Resolutions- entwurf mit dem Vorschlag, alle fünf Aufnahmegesuche der UN-Voll- versammlung zu empfehlen.

Am 19. August 1947 lehnte der Sicherheitsrat alle fünf Zu- lassungsanträge mit der folgenden Maßgabe ab: Albanien: dafür

3 Stimmen (Polen, Sowjetunion, Syrien), dagegen 4 Stimmen (Australien, Belgien, Großbritannien, USA) bei 4 Stimmenthaltungen (Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien) - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen; Irland: dafür 9 Stimmen, dagegen 1 Stimme

(Sowjetunion) bei 1 Stimmenthaltung (Polen) - (zweite) Ablehnung in-

folge (12.) sowjetischen Vetos; Mongolisch eVolksrepublik: dafür 3 Stimmen (Polen, Sowjetunion, Syrien), dagegen 3 Stimmen

(China, Großbritannien, USA) bei 5 Stimmenthaltungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen; Portugal: dafür 9 Stimmen, dagegen 2 Stimmen (Polen, Sowjetunion) - Ablehnung in-

folge (13.) sowjetischen Vetos; Transjordanien: dafür 9 Stim- men, dagegen 1 Stimme (Sowjetunion) bei 1 Stimmenthaltung (Polen) -

Ablehnung infolge (14.) sowjetischen Vetos. Es ergab sich somit aus rein

politischen Gründen diese Konstellation: Der „Westblock", insbeson- dere Großbritannien und die USA, war gegen die Aufnahme Albaniens und der Äußeren Mongolei in die UN, aber für die Zulassung Irlands, Por-

tugals und Transjordaniens zur Organisation, der „Ostblock", insbeson- dere die Sowjetunion, hingegen stimmte in genau umgekehrtem Sinne.

c) Die Feindstaaten der Vereinten Nationen

Eine besondere Untergruppe innerhalb der Gruppe der Neubewerber des Jahres 1947 um die UN-Mitgliedschaft stellen die fünf ehemaligen Feindstaaten der Vereinten Nationen dar : Bulgarien, Finn- land, Italien, Rumänien und Ungarn. Hinsichtlich ihrer Aufnahme als Mitglieder der UN wurden auf der Dreimächtekonferenz von Berlin (sog. Potsdamer Konferenz) vom 17. Juli bis 2. August 1945 Beschlüsse gefaßt. Der Abschnitt X der Erklärung der „Großen Drei"

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Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen 179

(Präsident Harry S. Truman, Generalissimus Josef V. Stalin, Premier- minister Clement R. Attlee) vom 2. August 1945 lautet in den maßgeb- lichen Sätzen71):

„. . . Die drei Regierungen betrachten es als wünschenswert, daß die gegenwärtige anormale Stellung Italiens, Bulgariens, Finnlands, Ungarns und Rumäniens durch den Abschluß von Friedensverträgen beendigt werden soll . . . Für ihren Teil haben die drei Regierungen die Vorberei- tung eines Friedensvertrages für Italien als erste unter den vordring- lichen und wichtigen Aufgaben vorgesehen, denen sich der Rat der Außen- minister unterziehen soll. . . . Der Abschluß eines solchen Friedens- vertrages mit einer anerkannten und demokratischen italienischen Re- gierung würde es den drei Regierungen ermöglichen, ihrem Wunsche entsprechend einen Antrag Italiens auf die Mitgliedschaft in der Organi- sation der Vereinten Nationen zu unterstützen. - Die drei Regierungen haben ferner den Rat der Außenminister mit der Aufgabe einer Vorbe- reitung von Friedensverträgen für Bulgarien, Finnland, Ungarn und Rumänien beauftragt. Der Abschluß von Friedensverträgen mit anerkann- ten demokratischen Regierungen in diesen Staaten würde ebenfalls die drei Regierungen befähigen, deren Anträge auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen zu unterstützen."

Auch in den Vorschlägen, die die Pariser Konferenz 1946 für die frag- lichen fünf Friedensvertragsentwürfe nach elfwöchiger Arbeit Mitte Oktober 1946 den Außenministern der Großen Vier zur endgültigen Entscheidung vorlegte, war den fünf ehemaligen Feindstaaten der Ver- einten Nationen die UN-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt worden. Die Friedensverträge mit diesen Verbündeten Hitler-Deutschlands wurden von den USA (James F. Byrnes) am 20. Januar 1947 ^m USA-Außen- ministerium in Washington, von den anderen Großmächten am 10. Fe- bruar 1947 im historischen Uhrensaal des Quai d'Orsay in Paris unter- zeichnet. Bei dieser feierlichen Zeremonie wurde ihnen allen die baldige Aufnahme in die Vereinten Nationen erneut in Aussicht gestellt.

Anfang August 1947 beantragte die Sowjetunion im Mitgliedschafts- komitee, die Beratungen über die bis dahin eingegangenen drei Aufnahme- anträge Italiens, Rumäniens und Ungarns bis nach der Inkraftsetzung der Friedensverträge mit diesen Staaten zu verschieben; der Antrag wurde mit 6 gegen 3 Stimmen abgelehnt. In dem Abschlußprüfungsbericht der Aufnahmekommission, der auch das inzwischen als vierter Kandidat auf- getretene Bulgarien berücksichtigte, konnte nur Italien die Mehrzahl der Stimmen der Ausschußmitglieder auf sich vereinigen, während die Sowjetunion insbesondere sich weigerte, Stellung zu nehmen, bevor die Friedensverträge ratifiziert seien.

Am 21. August 1947 wurden alle vier Aufnahmeanträge durch den 71) Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 1 S. 18/19. Archiv des Völkerrechts 1. II. 2. 13

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Sicherheitsrat in einer bewegten Sitzung abgelehnt, und zwar die Zu- lassung Bulgariens, Rumäniens und Ungarns vor allem durch die USA, diejenige Italiens durch die Sowjetunion. In Anwendung der früher auf- gezeigten Möglichkeit, Aufnahmeanträge auch nach Ablehnung durch die zuständigen UN-Organe in gewissen Fällen wiederbehandeln zu lassen 72), kam es im Sicherheitsrat zur erneuten Beratung und Abstim- mung über die vier Anträge - zu denen sich inzwischen der finnische ge- sellt hatte - am i. Oktober 1947. Polen, unterstützt durch die Sowjetunion, beantragte nunmehr, über alle Neuaufnahmen zusammen, d. h. also uno actu, abzustimmen. Der Sicherheitsrat beschloß jedoch, jeden Zulassungs- antrag einer gesonderten Abstimmung zu unterziehen. Daraufhin legte der sowjetische Delegierte Andrej A. Gromyko gegen die Aufnahme Finnlands und Italiens sein Veto ein, obgleich er die Zulassung Finnlands in die UN an sich unterstützte. Doch ist es notwendig und aufschlußreich, die ein- zelnen Fälle wenigstens stichwortartig je für sich zu betrachten.

aa) Bulgarien

Aufnahmeantrag: 26. Juli 1947. Aufnahmeausschuß: für Zulassung die Sowjetunion, dagegen Brasilien, Großbritannien und die USA (weil Bulgarien die im Friedensvertrag niedergelegte Bestimmung über die Menschenrechte offensichtlich verletzt und in mehreren Fällen mit dem Balkan-Untersuchungsausschuß der UN nicht zusammengearbeitet habe). Abstimmung im Sicherheitsrat am 21. August 1947: 1 Ja-Stimme (Sy- rien), 1 Nein-Stimme (USA) bei 9 Stimmenthaltungen - Ablehnung in- folge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen. Erneute Abstimmung im Sicherheitsrat am 1. Oktober 1947: 1 Ja-Stimme (Syrien), 3 Nein-Stim- men (Belgien, Großbritannien [weil die jüngsten Ereignisse in Bulgarien, vor allem die Hinrichtung des Oppositionsführers Petkoff, gerade die Grundsätze verletzt hätten, auf denen die UN-Charta aufgebaut sei], USA) bei 7 Stimmenthaltungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen.

bb) Finnland

Aufnahmeantrag: 19. September 1947. Abstimmung im Sicherheitsrat am I.Oktober 1947: 9 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen (Polen, Sowjet- union) - Ablehnung infolge (22.) sowjetischen Vetos.

cc) Italien

Aufnahmeantrag: 9. Mai 1947. Vorberatung im Sicherheitsrat am 22. Mai 1947: gegen jede Prüfung des italienischen Zulassungsgesuchs Australien (weil Italien noch an die Bestimmungen des Waffenstillstands-

72) Vgl. oben unter II 2 b.

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Vertrags gebunden sei und daher nur über eine beschränkte Souveränität verfüge). Auf Vorschlag Chinas und der Sowjetunion beschloß der Sicher- heitsrat bei Stimmenthaltung Australiens gleichwohl, den italienischen Antrag für weitere Erörterungen auf seiner Traktandenliste zu belassen, ihn jedoch zunächst an den Aufnahmeausschuß zur Überprüfung und zum anschließenden Bericht zu verweisen. Beratung im Aufnahme- ausschuß Anfang August 1947: für Zulassung insbesondere Frankreich, Großbritannien und USA, dagegen Australien, Polen, Sowjetunion (weil der italienische Friedensvertrag noch nicht in Kraft sei), Syrien. Debatte und Abstimmung im Sicherheitsrat am 21. August 1947: australische Resolution, derzufolge Italien zu solch einem Zeitpunkt und zu solchen Bedingungen in die UN aufgenommen werden solle, wie es die Voll- versammlung für gegeben erachte; für diesen Vorschlag Großbritannien (weil Italien auf Grund seiner „langen und ehrenhaften Kriegsdienste auf Seiten der Alliierten" in einer besonderen Lage sei), dagegen die Sowjet- union (weil der Vorschlag durch unmittelbare Einschaltung der Voll- versammlung den Sicherheitsrat umgehe und daher die UN-Charta ver- letze und weil der Friedensvertrag mit Italien noch nicht in Kraft sei); Abstimmung über die australische Resolution: 9 Ja-Stimmen, 1 Nein- Stimme (Sowjetunion) bei 1 Stimmenthaltung (Polen) - Ablehnung in- folge (17.) sowjetischen Vetos. Abermalige Debatte über den italienischen Aufnahmeantrag im Sicherheitsrat am 1. September 1947: für Zulassung vor allem Frankreich und Großbritannien, dagegen insbesondere die Sowjetunion (weil sie mit der Aufnahme Italiens in die UN nur dann einverstanden sein könne, wenn Bulgarien, Finnland, Rumänien und Ungarn ebenfalls aufgenommen werden würden). Proteste Belgiens und der USA gegen die Haltung der Sowjetunion, deren Erklärung, sie werde das Vetorecht benutzen, wenn der Sicherheitsrat nicht ganz bestimmten Methoden folge, ein „weiterer gefährlicher Schritt" sei. Zweite Ab- stimmung im Sicherheitsrat am 1. Oktober 1947: 9 Ja-Stimmen, 2 Nein- Stimmen (Polen, Sowjetunion) - (zweite) Ablehnung infolge (21.) sow- jetischen Vetos. Erneute Debatte über den italienischen Aufnahmean- trag im Sicherheitsrat am 10. April 1948: für Zulassung vor allem Ar- gentinien, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Kanada und USA, da- gegen insbesondere die Sowjetunion (weil der amerikanische Antrag auf Zulassung Italiens ein „taktisches Manöver" im Hinblick auf die bevor- stehenden italienischen Wahlen, weil er eine „Erpressung" sei, „um politischen Druck auf Italien auszuüben" und weil die Sowjetunion die Aufnahme Italiens in die UN von der Zulassung der vier anderen ehemaligen Feindstaaten der Vereinten Nationen abhängig machen müsse). Dritte Abstimmung im Sicherheitsrat am 10. April 1948: 9 Ja- Stimmen, 2 Nein-Stimmen (Sowjetunion, Ukraine) - (dritte) Ablehnung infolge (23.) sowjetischen Vetos.

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dd) Rumänien

Aufnahmeantrag: ii. Juli 1947. Aufnahmeausschuß: gegen Zulassung insbesondere Australien, Polen, Sowjetunion (weil der Friedensvertrag mit Rumänien noch nicht in Kraft sei), Syrien, USA (weil ernstlich zu bezweifeln sei, ob Rumänien wegen Unterdrückung der Menschenrechte und der Freiheit die Verpflichtungen aus der UN-Charta erfüllen werde und zu erfüllen auch nur in der Lage sei) 73). Abstimmung im Sicherheits- rat am 21. August 1947: 1 Ja-Stimme (Syrien), 10 Stimmenthaltungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja- Stimmen. Abermalige Debatte über den rumänischen Aufnahmeantrag am 30. September 1947: für Zulassung China, Frankreich und Polen, dagegen vor allem Groß- britannien und USA (weil Rumänien seine internationalen Verpflichtungen mißachtet, weil die rumänische Polizei politische Gegner massenweise verhaftet und weil die rumänische Regierung bewiesen habe, daß sie nicht unabhängig genug sei, um ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen zu können). Erneute Abstimmung im Sicherheitsrat am 1. Oktober 1947: 4 Ja-Stimmen (China, Frankreich, Kolumbien, Syrien), 7 Stimmenthal- tungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen.

ee) Ungarn

Aufnahmeantrag: 26. April 1947. Aufnahmeausschuß: gegen Zulassung insbesondere Australien, Sowjetunion (weil der Friedensvertrag mit Ungarn noch nicht in Kraft sei), Syrien, USA (weil ernstlich zu bezwei- feln sei, ob Ungarn wegen Unterdrückung der Menschenrechte und der Freiheit die Verpflichtungen aus der UN-Charta erfüllen werde und zu erfüllen auch nur in der Lage sei) 74). Abstimmung im Sicherheitsrat am 21. August 1947: 1 Ja-Stimme (Syrien), 1 Nein-Stimme (USA) bei 9 Stimmenthaltungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen. Abermalige Debatte über den ungarischen Aufnahmeantrag am 29./30. September 1947: für Zulassung Polen, dagegen insbesondere Großbritannien (weil die ungarische Regierung die sozialen und politi- schen Rechte nicht achte und nicht in der Lage sei, den Verpflichtungen aus der UN-Charta nachzukommen). Erneute Abstimmung im Sicher- heitsrat am I.Oktober 1947: 5 Ja-Stimmen (Frankreich, Kolumbien, Polen, Sowjetunion, Syrien), 6 Stimmenthaltungen - Ablehnung infolge unzureichender Anzahl von Ja-Stimmen.

d) Österreich und San Marino

Von den 14 Aufnahmeanträgen des Jahres 1947 bleiben nunmehr noch diejenigen Österreichs und San Marinos zu behandeln.

73) Dieselbe Begründung kehrt bei Ungarn wieder; vgl. unten zu Anm. 74. 74) Dieselbe Begründung fand sich bereits bei Rumänien; vgl. oben zu Anm. 73.

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aa) Österreich

Am 26. Juni 1946 wurde aus Wien gemeldet, daß der zur Sitzung der Liga für die Vereinten Nationen in Paris im Juni 1946 entsandte öster- reichische Vertreter Dr. Leitner erklärt habe, Österreich werde in den Weltverband der Liga für die Vereinten Nationen aufgenommen werden, obwohl es der UN noch nicht angehöre. Zur Welternährungskonferenz der Vereinten Nationen, die am 2. September 1946 in Kopenhagen be- gann, wurde Österreich eingeladen. Ende Oktober 1946 meldete Assopreß, daß sich die USA für die Zulassung Österreichs als Mitglied der UN ausgesprochen hätten. Zur selben Zeit forderte der österreichische Na- tionalrat in einer Entschließung die Aufnahme Österreichs in die UN. Nach seiner Rückkehr aus den USA erklärte der österreichische Außen- minister Dr. Gruber Ende November 1946 vor dem Finanz- und Budget- ausschuß des österreichischen Nationalrats, der Generalsekretär der UN, Trygve Lie, habe erklärt, in der UN sei man überzeugt, daß Österreich im Jahre 1947 zusammen mit einer Reihe anderer Staaten als Mitglied in den Bund der Vereinten Nationen aufgenommen werden könne. An- fang März 1947 genehmigte der Alliierte Rat für Österreich in Wien den Antrag Österreichs, sich um die Mitgliedschaft in der UNESCO zu be- werben. Dagegen wandte sich nur der sowjetische Vertreter, da Öster- reich noch kein Mitglied der UN sei - was ein offensichtlicher Vorwand und keinesfalls ein durchschlagender Grund war, da die Mitgliedschaften in den beiden Organisationen, der UN und der UNESCO, völlig unab- hängig voneinander sind 7õ). Am 24. März 1947 stimmte der Wirtschafts- und Sozialrat der UN für die Aufnahme u. a. Österreichs in die UNESCO.

Nach alledem konnte Österreich mit gutem Gewissen und besten Erfolgs- aussichten am 4. Juli 1947 ein formelles Aufnahmegesuch durch seinen Ge- sandten in Washington, von Kleinwächter, dem Generalsekretär der UN überreichen. Allerdings soll der diesem Schritt zugrunde liegende Kabinetts- beschluß äußerst geheim gehalten worden sein, um eine Intervention der Sowjetunion beim Alliierten Rat zu verhindern. Auch war die offizielle An- weisung der österreichischen Regierung an ihren Gesandten allein von den österreichischen Kommunisten nicht begrüßt worden, die ihn als einen „Trick" bezeichneten, „um die Sowjets los zu werden".

Vorberatung im Sicherheitsrat am 10. Juli 1947: gegen Zulassung die Sowjetunion (weil der endgültige Entwurf des österreichischen Staats- vertrags noch nicht fertiggestellt sei). Mit neun Stimmen - bei Stimment- haltung Australiens und der Sowjetunion - beschloß der Sicherheitsrat gleichwohl, den österreichischen Antrag auf die Tagesordnung zu neh-

75) Vgl. dazu meine Abhandlung: „Die UNESCO" in der münsterschen Uni- versitäts-Zeitschrift „Das Auditorium'* 1947, Nr. 5/6, S. 5 bis 12, besonders S. 9/10. (Der Aufsatz ist als Nachdruck auch in „Schola", Monatsschrift für Er- ziehung und Bildung, 2. Jg., H. 7/8, S. 550 bis 556 erschienen).

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men. Beratung im Aufnahmeausschuß, an den das österreichische Auf- nahmegesuch inzwischen geleitet worden war, Anfang August 1947: An- trag der Sowjetunion, die Beratung bis nach der Inkraftsetzung des Friedensvertrags mit Österreich zu verschieben, mit 6 gegen 3 Stimmen abgelehnt. In dem Abschlußprüfungsbericht der Zulassungskommission vereinigte Österreich die Mehrheit der Stimmen des Ausschusses auf sich, wohingegen die Sowjetunion sich weigerte, Stellung zu nehmen, bevor der Friedensvertrag mit Österreich ratifiziert sei. Debatte und Abstim- mung im Sicherheitsrat am 21. August 1947: für Zulassung insbesondere Großbritannien und USA (weil ein Friedensvertrag keine Voraussetzung für die Zulassung Österreichs zur UN sei, wie auch die USA-Regierung die militärische Besetzung Österreichs nicht länger für notwendig halte, die lediglich wegen der „starren Haltung" der Sowjetunion noch nicht abgeschafft worden sei); Abstimmung: 8 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme (Sowjetunion) bei 2 Stimmenthaltungen (Frankreich, Polen) - Ablehnung infolge (18.) sowjetischen Vetos.

bb) San Marino

Nach Pressemeldungen bat San Marino, die kleinste Republik der Welt, Mitte Juli 1947 um Aufnahme in die UN 76). Seitdem hat man über diesen Aufnahmeantrag nichts mehr gehört. Vermutlich ist das Gesuch bereits in den ersten Phasen des Aufnahmeverfahrens 77) hängen geblieben 78).

Am 7. November 1947 begann der Politische Ausschuß der UN- Voll- versammlung auf Anregung Argentiniens erneut, die Zulassungsanträge der folgenden elf Staaten zu prüfen 79) : Albanien, Bulgarien, Finnland, Irland, Italien, Mongolische Volksrepublik, Österreich, Portugal, Ru- mänien, Transjordanien und Ungarn. Am 10. November 1947 billigte er mit starken Mehrheiten die Anträge Finnlands, Irlands, Italiens, Öster- reichs, Portugals und Transjordaniens, d. h. aller durch sowjetisches Veto gescheiterten Kandidaturen; er schlug vor, den Sicherheitsrat aufzu- fordern, diese Gesuche noch während der Herbstvollversammlung 1947 der UN neu zu prüfen. Diskussion und Abstimmung der Vollversamm-

76) Vgl. etwa „Die Welt" Nr. 81 vom 12. Juli 1947; „Rheinischer Merkur" Nr. 26 vom 19. Juli 1947.

77) Vgl. oben unter II 2 b. 78) San Marino war nicht Mitglied des VB. Nach einigen Vorverhandlungen

stellte es keinen ordnungsmäßigen Aufnahmeantrag ( S chucking- Wehberg, a. a. O. S. 253/54). Darüber, daß der geringe territoriale Umfang dieses „Zwergstaates" kein Hindernis für seine Mitgliedschaft in der internationalen Organisation bildet, vgl. Schücking- Wehberg, a. a. O. S. 182 ff. und v. Freytagh-Loringhoven, a. a. O. S. 48/49, deren auf den VB zugeschnittene Ausführungen auch für die UN gelten, sowie oben Anm. 13.

79) vgl. dazu oben unter 11 2 b.

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lung über die Resolution des Politischen Ausschusses am 17. November 1947 erbrachten bei starken Mehrheiten positive Ergebnisse zugunsten aller sechs Staaten, d. h. also Finnlands (44: 8), Irlands (43: 8), Italiens (43:8), Österreichs (43:8), Portugals (40:9) und Transjordaniens (44: 8), und für Italien und Trans jordanien im besonderen die Auflage an den Sicherheitsrat, noch vor Ende der Sitzungsperiode 1947 zu einer Entscheidung wenigstens bei diesen beiden Ländern zu gelangen. Diesem Beschluß entsprechend überwies der Generalsekretär Trygve Lie die von der Vollversammlung genehmigten sechs Aufnahmeanträge am 19. No- vember 1947 zur abermaligen Überprüfung an den Sicherheitsrat. Dort bedurfte es nur einer Aussprache von acht Minuten um festzustellen, daß über die Frage der Aufnahme Italiens und Transjordaniens in die UN solange keine Einigung erzielbar und daß damit die Aufnahme dieser beiden Staaten in die UN solange unmöglich ist, wie die Sowjetunion auf der gemeinsamen Aufnahme aller elf Kandidaten besteht. Zu Beginn der Debatte hatte die Sowjetunion erklärt, daß sie nicht gewillt sei, die bisher eingenommene Haltung aufzugeben.

Am 3. April 1948 forderten die drei Westmächte den Sicherheitsrat auf, die Zulassungsgesuche Italiens und Transjordaniens erneut zu prüfen; das gleiche taten sie am 7. April 1948 hinsichtlich Irlands, Österreichs nnd Portugals. Nachdem der Sicherheitsrat die Aufnahme Italiens zum dritten Mal abgelehnt hatte 79a), beschloß er einstimmig, die Prüfung der Zulassungsanträge Albaniens, Bulgariens, Finnlands, Irlands, der Mongolischen Volksrepublik, Österreichs, Portugals, Rumä- niens, Transjordaniens und Ungarns bis auf weiteres zurückzustellen.

4. Rechtliche und politische Würdigung der Auf- nahmepraxis des Jahres 1947

Nichts in der Arbeit der UN hat bisher die Blockbildung ihrer Mit- glieder und damit die Zweiteilung der Welt in Ost und West so eindeutig und kraß illustriert und dokumentiert wie die Behandlung der Aufnahme- gesuche in den zuständigen Gremien der Organisation im Jahre 1947. Man ließ sich dabei ganz offensichtlich nicht mehr von weltpolitisch- globalen, sondern nur noch von blockpolitisch-partikularistischen Ge- sichtspunkten leiten. Unzweifelhaft haben die Großmächte das Aufnah- meverfahren rechtsentleert und zum Gegenstand macht- und interessen- politischen Spiels gemacht.

Die Sowjetunion und ihr Ostblock-Satellit Polen hatten beantragt, alle ehemaligen Feindstaaten der Vereinten Nationen, also Bulgarien, Finn- land, Italien, Rumänien und Ungarn, „en bloc" und uno actu in die UN

79 a) Vgl. oben unter c cc.

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aufzunehmen. In den Debatten des Sicherheitsrats über diesen Antrag wurde es offensichtlich, daß insoweit unüberbrückbare Meinungsver- schiedenheiten und unüberwindbare Schwierigkeiten vorhanden waren. Vor allem wurde die Kandidatur Bulgariens von nahezu allen Ratsmit- gliedern wegen der Hinrichtung des bulgarischen Oppositionsführers Petkoff abgelehnt. Deshalb fand ein belgischer Antrag, über jedes einzelne Aufnahmegesuch getrennt abzustimmen, eine beachtliche Mehrheit.

Grund für den sowjetisch-polnischen Antrag auf en bloc- Abstimmung war offensichtlich die Befürchtung des Ostblocks, daß Einzelabstim- mungen vor allem über die sowjetischen Balkantrabanten zu deren Ungunsten ausfallen müßten. Der Westblock hatte ja die Kandidaturen Bulgariens, Rumäniens und Ungarns teils ideologisch - weil es sich um „Polizeistaaten" handele -, teils damit begründet, daß diese Staaten keine Gewähr für friedliches Verhalten böten80). Vor allem aber hatte der Fall Petkoff wie ein „Schock für die ganze zivilisierte Welt" (so der amerikanische Delegierte) gewirkt und insbesondere Frankreich ostentativ und im Gegensatz zu seinem Eintreten für die anderen Kandidaten gegen die Zulassung Bulgariens stimmen lassen.

Aus Andeutungen des USA-Delegierten ließ sich aber auch heraus- hören, daß es sich bei den angelsächsischen Einwänden gegen die Auf- nahme der sowjetischen Balkansatelliten in Wirklichkeit eher um ein Gegenmanöver zu dem Versuch der Sowjetrussen handelte, die Zulassung Irlands, Portugals, Österreichs und Transjordaniens hintanzuhalten, ja, unmöglich zu machen. M. a. W. : Ein Verzicht des Westblocks auf seine Einwände gegen die Balkankandidaturen wurde abhängig gemacht von einem Verzicht des Ostblocks auf seine Einwände gegen die drei west- lichen Kandidaten und Transjordanien !

Auf jeden Fall aber gab die Weigerung der Angelsachsen in den Fällen Bulgarien, Rumänien und Ungarn den Sowjetrussen Anlaß und Vor- wand, sich gegen die Aufnahme Finnlands und Italiens in die UN zu sperren. Obwohl die Sowjetunion gegen die Zulassung dieser beiden Staaten zuletzt nichts einzuwenden hatte, ja diejenige Finnlands nach eigener Erklärung sogar zu unterstützen bereit war, war sie gleichwohl entschlossen, sich so lange gegen beider Aufnahme zu wenden, wie ein Teil der Westmächte in Opposition gegen die gleichzeitige Zulassung Bulgariens, Rumäniens und Ungarns verharrte.

Wenn der britische Delegierte Alexander Cadogan zur Charakterisie- rung dieser Vorgänge den Ausdruck „Kuhhandel" gebrauchte, so war das ebenso zutreffend wie Andrej Gromykos Bemerkung über das „wider- liche politische Spiel im Zusammenhang mit den Mitgliedsanträgen". Richtigzustellen ist an der letzteren Äußerung nur dies, daß die sowjeti-

80) Vgl. oben unter 3 c aa, dd und ee.

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sehe Delegation an diesem „widerlichen politischen Spiel" nicht unbe- teiligt gewesen ist. In Wahrheit haben alle Großmächte einschließlich der Sowjetunion das Aufnahmeverfahren weitestgehend seines rechtlichen Charakters entkleidet und es verpolitisiert. Ein erfreulicher Lichtblick in diesem tiefen rechtlichen Dunkel war die betont juristische Begrün- dung, die der französische Vertreter Alexandre Parodi für seine Ableh- nung des bulgarischen Zulassungsantrags gab: Verletzung der Grund- sätze des internationalen öffentlichen Rechts durch die Hinrichtung Petkoffs.

Am 10. November 1947 nahm der Politische Ausschuß der Vollver- sammlung mit 24 gegen 13 Stimmen bei 16 Stimmenthaltungen einen belgischen Resolutionsentwurf an, nach dem der Internationale Gerichtshofim Haag um ein Gutachten ersucht werden sollte, ob „ein Mitglied der UN rechtlich befugt ist, seine Zustimmung zur Aufnahme eines anderen Staates von Voraussetzungen abhängig zu machen, die in der UN-Satzung nicht vorgesehen sind". Der Weltge- richtshof sollte weiter insbesondere um Stellungnahme dahin ersucht wer- den, ob ein UN-Mitglied, das der Aufnahme eines anderen Staates an sich zuzustimmen bereit ist, seine endgültige Zustimmung davon ab- hängig machen kann, daß andere Staaten gleichzeitig aufgenommen werden. Mit 9 gegen 6 Stimmen stellte der Internationale Gerichtshof am 28. Mai 1948 gutachtlich fest, daß kein Mitglied der UN seine Auf- nahme von der gleichzeitigen Zulassung anderer Staaten abhängig machen und daß die Vollversammlung ihre Zustimmung zur Aufnah- me eines neuen Mitglieds nicht an Bedingungen knüpfen dürfe, die nicht ausdrücklick in Art. 4 UN-Charta vorgesehen seien. Die sechs Richter, die in ihrer Meinung vom Mehrheitsbeschluß abwichen, vertraten Frankreich, Großbritannien, Jugoslawien, Kanada, Polen und die Sow- jetunion.

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