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Die Musik in Konstanz während des Konzils 1414-1418 Author(s): Manfred Schuler Source: Acta Musicologica, Vol. 38, Fasc. 2/4 (Apr. - Dec., 1966), pp. 150-168 Published by: International Musicological Society Stable URL: http://www.jstor.org/stable/932523 . Accessed: 17/06/2014 09:53 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . International Musicological Society is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Acta Musicologica. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.41 on Tue, 17 Jun 2014 09:53:00 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Musik in Konstanz während des Konzils 1414-1418

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Die Musik in Konstanz während des Konzils 1414-1418Author(s): Manfred SchulerSource: Acta Musicologica, Vol. 38, Fasc. 2/4 (Apr. - Dec., 1966), pp. 150-168Published by: International Musicological SocietyStable URL: http://www.jstor.org/stable/932523 .

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Die Musik in Konstanz waihrend des Konzils 1414-1418

MANFRED SCHULER (BADEN-BADEN)

ABKiiRZUNGEN

Acta = Acta concilii Constanciensis, Bd. II, hrsg. von H. FINKE in Verbindung mit J. HOLLNSTEINER, Miinster 1923; Bd. III und IV, hrsg. von H. FINKE in Verbindung mit J. HOLLNSTEINER und H. HEIMPEL, Miinster 1926 und 1928.

FDA = Freiburger Di6zesan-Archiv. GLA -= Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe. HABERL I = F. X. HABERL, Bausteine fur Musikgeschichte, I, Wilhelm Du Fay, Leipzig 1885 (Sonder-

abdruck aus VfMw I, 1885). HABERLII = F. X. HABERL, Bausteine far Musikgeschidite, III, Die raimische ,Schola cantorum" und

die papstlichen Kapellsanger bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Leipzig 1888 (Sonderabdruck aus VfMw III, 1887).

REC = Regesta episcoporum Constantiensium, Bd. I, bearb. von P. LADEWIG und TH. MULLER, Inns- bruck 1895; Bd. II, bearb. von A. CARTELLIERI, Innsbruck 1905; Bd. III, bearb. von K. RIEDER, Innsbruck 1926.

RG = Repertorium Germanicum, Bd. IV, 2 und 3, bearb. von K. A. FINK, Berlin 1957 f.

RICHENTAL I = Ulricks von Richental Chronik des Constanzer Concils 1414 bis 1418, hrsg. von M. R.

BuCK, in: Bibliothek -des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. CLVIII, Tilbingen 1882 (Neudruck Hildesheim 1962). Dieser Edition liegt die sogenannte Aulendorfer Handschrift

zugrunde, die dem verlorengegangenen Urtext wohl am naichsten steht (vgl. M. R. BUCK, a. a. O., S. 1 und 4 f.; R. KAUTZSCH, Die Handschriften von Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils, in: ZGO XLVIII (N. F. IX), 1894, S. 452 ff.; O. FEGER, in: Richental II, S. 7 f. und 26; vgl. dagegen J. RIEGEL, Die Teilnehmerlisten des Konstanzer Konzils, Diss. Phil. Freiburg i. Br. 1914, Freiburg i. Br. 1916, S. 43). In der vorliegenden Studie wird des-

halb, soweit diese Handschrift von der des Rosgarten-Museums in Konstanz inhaltlich nicht

abweicht, nach dieser Ausgabe zitiert. RICHENTAL II = ULRICH RICHENTAL, Das Konzil zu Konstanz, Kommentar und Text, bearb. von

O. FEGER, Starnberg und Konstanz (1964); Ausgabe der im Besitz des Rosgarten-Museums in Konstanz befindlichen Handschrift.

RICHENTAL III = ULRICH RICHENTAL, Das Konzil zu Konstanz 1414 bis 1418, Faksimileausgabe der Konstanzer Handschrift, Starnberg und Konstanz (1964).

VON DER HARDT = Magnum Oecumenicum Constantiense concilium, ed. von H. VON DER HARDT, T. I

und II, Frankfurt und Leipzig 1697; T. IV und V, ebenda 1699. ZGO = Zeitschrift ffir die Geschichte des Oberrheins.

Im Jahre 1414 bereitete sich Konstanz, eine Freie Reichsstadt von etwa 6000 bis

8000 Einwohnern1, auf ein weltweites Ereignis vor: das von Papst Johannes XXIII. zusammen mit K6nig Sigismund einberufene Konzil sollte zum 1. November in den

Mauern dieser Stadt zusammentreten. Die Blicke der abendlandischen Christenheit

richteten sich erwartungsvoll nach Konstanz, erhoffte man doch von der dort tagen- den Kirchenversammlung die Beseitigung des Schismas - drei Pipste, Gregor XII., Benedikt XIII. und Johannes XXIII., stritten sich um das h6chste Amt der Kirche -, ferner die innere Reform der Kirche sowie die Verurteilung der Irrlehren.

1 Vgl. O. FEGER, Das Konstanzer Konzil und die Stadt Konstanz, in: Das Konzil von Konstanz, Fest-

schrift, hrsg. von A. FRANZEN und W. MULLER, Freiburg--Basel- Wien 1964, S. 313.

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Fiir dreieinhalb Jahre wurde die Bodenseestadt zum geistigen Zentrum der abend-

liindischen Welt. Hunderte von Bisch6fen, von Gelehrten, iiber drei3ig Kardintile, zahlreiche Fiirsten, Gesandte aus ganz Europa, auch aus dem Orient, aus Afrika und Asien kamen hier zusammen. ,,Keine Kirchenversammlung, auch keine spiftere, hat ein so buntes Teilnehmerbild gezeigt" 2. Dariiber hinaus brachten die von Kinig Sigismund 1415 und 1417 in Konstanz abgehaltenen Reichstage weitere Giiste in die Stadt.

Im Gefolge der geistlichen und weltlichen Fiirsten gelangten damals auch zahlreiche Sdinger, Instrumentisten und Spielleute nach Konstanz, um an den kirchlichen und weltlichen Feierlichkeiten und Veranstaltungen mitzuwirken. Diese Begegnung von Musikern aus den verschiedensten Teilen Europas hinterlie3 ohne Zweifel im musi- kalischen Schaffen jener Zeit Spuren, die im einzelnen freilich nicht mehr nachgewie- sen werden k6nnen. Otto zur Nedden hat erstmals die musikgeschichtliche Bedeutung dieses Ereignisses umrissen3. Eine genaue Durchsicht der Quellen f6rderte nun neues Material zutage und gestattet es, die von Otto zur Nedden nur fliichtig angedeuteten Konturen deutlicher hervortreten zu lassen'.

Die liturgische Musikpflege in Konstanz konnte zur Zeit des Konzils auf eine jahrhunderte- alte Tradition am Miinster Unserer Lieben Frau, der Kathedralkirche des Konstanzer Bistums, zuriidcblicken. Unter der Leitung eines Vorsiingers, des Scholasticus oder Kantors 5, versahen hier urspriinglich die Canonici (Domherren) den Chorgesang. Nach der wohl um die Mitte des 12. Jahrhunderts erfolgten Beseitigung der vita communis6 vemachlTssigten indessen der Scholasticus wie auch die anderen Kanoniker nach und nach ihre gesanglichen und gottes- dienstlichen Pflichten. Bischof und Domkapitel errichteten deshalb Pfriinden fiir Kapliine, die den Gottesdienst und den Chorgesang zu versehen hatten. Zur Unterstiitzung und Vertretung des Scholasticus war bereits vor 1220 das Amt des Succentors geschaffen und mit der prima praebenda Sancti Conradi ausgestattet worden7. Die Errichtung einer weiteren Succentorie, die den Titel secunda praebenda Sancti Conradi erhielt, erfolgte im Jahre 13178. Beide Pfriinden waren der Kollatur des Dompropstes unterstellt9. Die liturgische und gesangliche Aufgabe der beiden Succentoren bestand laut Stiftungsurkunde von 1317 darin, ,,quod pre- 2 H. FINKE, Acta IV, S. VI. 3 Quellen und Studien zur oberrheinischen Musikgeschichte im 15. und 16. Jahrhundert, Kassel 1931

(Verboffentlichungen des Musik-Instituts der Universitiit Tiibingen, Heft IX), S. 48 ff. 4 Fifr die Benutzung einschligiger Archivalien schulde ich Dank dem Badischen Generallandesarchiv und der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, dem Stadtarchiv Konstanz, dem Rosgarten-Museum in Konstanz sowie der Biblioteca Apostolica Vaticana. 6 Die Dignitit des Kantors ldi3t sich am Konstanzer Miinster erst seit Ende des 13. Jh. nachweisen. Das Amt des Kantors war hier stets mit der seit dem 12. Jh. nachweisbaren Dignitit des Scholasticus verbunden. Vgl. REC II, Nr. 2911; REC I, Nr. 968; ferner M. ScHULER, Die Konstanzer Domkantorei um 1500, in: AfMw XXI, 1964, S. 26, Anm. 15. " Dem Konstanzer Chronisten Gregor Mangolt zufolge, der allerdings dem 16. Jh. angeh6rt, wurde die vita communis im Jahre 1153 aufgehoben: ,Im Jahr 1153 haben die Chorbriider zu Costantz iren

Miinchenstand sampt Kutten vnd Kappen hingelegt" (E. REINERS-ERNST, Regesten zur Bau- und Kunst- geschichte des Minsters zu Konstanz, in: Schriften des Vereins fair Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, Sonderheft, 1956, S. 11). Der ebenfalls dem 16. Jh. angehirende Konstanzer Chronist Christoph Schulthaib glaubt den Beginn der Auflbsung der vita communis ganz allgemein ins aus- gehende o10. Jh. setzen zu miissen. Siehe Constanzer Bisthums-Chronik von Ch. Schulthaifl, hrsg. von J. MARMOR, in: FDA VIII, 1874, S. 9 und 20. 7 M. SCHULER, a. a. O., S. 26. 8 M. SCHULER, a. a. O., S. 27.

' Vgl. GLA 67/491, B1. 75r; Stiftungsurkunde von 1317 (siehe Anm. 10); REC III, Nr. 8022.

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bendarius et sacerdos prebende sancti cznradi institute nouiter et create ... in choro con- stantielsi interesse singulis horis canonicis et ibidem supplere defectus neccessitates et

negligentias canonicorum eiusdem ecclesie constantiensis sacerdotum si abessent in inci- piendis psalmodijs horis canonicis et dicendis cappelanis et collectis et cooperari cantori teneatur et totaliter sit astrictus prout prebendarius prebende sancti cuonradi antique tenetur et hactenus tenebatur, vterque eciam prebendariorum predictorum, tam antique quam noue

prebende sancti cinradi stet in choro constantiensi ita quod unus ab uno alter ab alio latere et regat psalmodiam et informet cantorem, canonicos et sacerdotes et scolares in legendo et cantando et suplent ac suplebunt vice ipsius cantoris seu scolastici tamr in presentia quam in absentia prout hactenus est consuetum ... Et in matutinis ac vigiliis in absentia eorundem canonicorum lectiones legere aliosque defectus eciam hic non expressos neccessitates et

negligentias ipsorum canonicorum suplere teneantur" 1o. Dieser Urkunde 1IBt sich fibrigens entnehmen, daB zu jener Zeit (und sicher schon seit Jahrhunderten) die Schiiler der Dom- schule im Chorgottesdienst des Domstifts ,legendo et cantando" mitwirkten.

In der ersten Hilfte

des 14. Jahrhunderts erschiitterten zwiespiltige Bischofswahlen und die

Auswirkungen der Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser Ludwig dem Bayern das kirchliche Leben in Konstanz aufs schwerste. Infolge des von 1326 bis 1349 tiber die Stadt

verhiingten Interdikts durften 6ffentliche Gottesdienste waihrend dieser Zeit nicht gehalten werden; Chorgesang und Glockengeliute verstummten. Auch nach der Aufhebung des Inter- dikts lagen Gottesdienst und kirchliche Zucht noch jahrelang im argen".

In das Jahr 13 so f llt die Errichtung zweier weiterer Succentorien, der beiden Kaplaneien trium lectionum 12. Die eine Pfriinde wurde von Dompropst Diethelm von Stainegg und Ritter Heinrich von Klingenberg gestiftet und mit dem Patronat der Pfarrkirche in Alterswilen

(schweiz. Kanton Thurgau) ausgestattet, wiihrend die Stiftung der zweiten Pfriinde durch den

Kaplan des verstorbenen Konstanzer Bischofs Rudolf III. von Montfort, Hermann von St.

Gallen, erfolgte, der sie mit seinem Haus und mit einem Kapital von 700 fl. ausstattete. Der ungeniigenden Dotierung wegen inkorporierte Bischof Heinrich III. von Brandis die beiden

Pfriinden 1382 dem den Heiligen Maria Magdalena, Lazarus, Martha und Maximin geweihten Altar im Konstanzer Miinster und inkorporierte diesem Altar die Pfarrkirche in Mosnang (schweiz. Kanton St. Gallen)13. Die Kollatur der beiden Pfriinden stand normalerweise drei

dienstilteren Domherren zu, von denen der eine Priester, der andere Diakon und der dritte Subdiakon sein sollte. Neben den verschiedenen Verpflichtungen des Messelesens (so an den Festen trium lectionum 14, was den Namen der beiden Pfriinden erklart) wurde von den beiden

Kaplinen verlangt, ,,quod misse, matutine, vesperis et omnibus aliis horis canonicis interesse et in matutinis et vigiliis ac alliis horis canonicis in absentia canonicorum vel eius tantum, cuius est hebdomada, et canronicis aliis facere negligentibus, alias non, lectiones, capitula, collectas et alia, que per ipsos in huiusmodi horarum officiis fieri consueverunt, legere et

peragere sint astricti in choro et in processionibus et in aliis divinis officiis ad mandatum decani vel alterius canonici in sacerdotio constituti, cantorem sive scolasticum aut succentores

1o REC II, Nr. 3750; zitiert nach GLA 67/506, Bl. 74v und 75r; Abschrift der Urkunde auch im An-

hang des sogenannten Me8buchs Papst Martins V., Rosgarten-Museum in Konstanz. 11 So berichtet der Konstanzer Domherr Heinrich Truchse8 von Diessenhofen aus dem Jahre 1357:

in kathedrali ecclesia missa rare, sed matutinum rarissime celebrabatur." Siehe Heinricus de

Diessenhofen und andere Geschichtsquellen Deutschlands im spaiteren Mittelalter, hrsg. von A. HuBER, in: Fontes rerum Germanicarum, Bd. IV, Stuttgart 1868, S. 109, vgl. auch S. 92, 96 und 114 f. 12 REC II, Nr. 4984; Abschrift der Stiftungsurkunde im Rosengarten-Museum in Konstanz, a. a. O.; veraffentlicht bei K. BEYERLE, Grundeigentumsverhkiltnisse und Biirgerrecht im mittelalterlichen Kon-

stanz, Bd. II: Die Konstanzer Grundeigentumsurkunden der Jahre 1152-1371, Heidelberg 1902,

Nr. 244; vgl. dazu auch Nr. 245 und 245a, ebenda. 13 REC II, Nr. 6644. Die Inkorporation der Pfarrkirche in Mosnang erfolgte erst 1397 (REC III, Nr. 7509). 14 Dies sind nach der damaligen liturgischen Festordnung Feste vierten Grades. Vgl. H. GROTEFEND,

Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Bd. I, Hannover 1891, S. 60.

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aut canonicos alios in intonendo et cantando coadiuvare teneantur" 15. Ihren Platz hatten die vier Succentoren ,,in sedibus chori nostri maioribus". Bis 1489 blieb die Zahl der Succen- torien auf die oben angefiihrten vier beschrdinkt.

Das Amt des Domkantors bekleidete zur Zeit des Konzils Eberhard Last16. Um 1371 Domherr in Worms, ist er Anfang 1384 erstmals urkundlich als Domherr am Konstanzer Miinster nachzuweisen; mindestens seit 1407 war er Domkantor und starb am 28. Oktober 141917. In seinem Domherrenhof, den wihrend des Konzils ein Kardinal bewohnte, wurde iibrigens Jan Hus nach seiner Verhaftung acht Tage lang gefangengehalten s.18

Die vier Succentorien waren um 1390 mit Johannes Rorer, Bertholdus Richart, Johannes Schmid und Johannes Berger besetzt19. 1397 befanden sich die beiden Succentorien trium lectionum in Hinden von Johannes Schmid und Johannes Molli- tor20. Wohl im Jahre 1406 oder anfangs 1407 erhielt Ulrich Fryge (Frig) die succen- toria antiquae praebendae S. Conradi 21. Er starb 1418. Sein Nachfolger wurde Johan- nes Bosch (Bosche), Priester der Di6zese Konstanz, der sich noch 1428 als Succentor am Konstanzer Miinster nachweisen liit22. Ein weiterer Succentor der Konzilszeit

15 K. BEYERLE, a. a. O., Nr. 244, S. 320.

18 Der Konstanzer Konzilschronist Ulrich von Richental fiihrt in seiner Chronik (RICHENTAL I, S. 179; danach auch REC III, Nr. 8430) filschlicherweise den Domherrn Ulrich TruchseB von Diessenhofen als Domkantor zur Zeit des Konzils an. Dieser wurde jedoch erst im November 1419 nach dem Tode von Eberhard Last Domkantor (vgl. RG IV, 3, Sp. 3633). UIber die Glaubwiirdigkeit der Richental- Chronik vgl. TH. VOGEL, Studien zu Richental's Konzilschronik, Diss. Phil. Freiburg i. Br. 1911, Frei- burg i. Br. 1911, ferner J. RIEGEL, Die Teilnehmerlisten des Konstanzer Konzils, Diss. Phil. Frei- burg i. Br. 1914, Freiburg i. Br. 1916. 17 Constanzer Bisthums-Chronik von Ch. Schulthaifl, a. a. O., S. 48; R6mische Quellen zur Konstanzer Bistumsgeschichte zur Zeit der Piipste in Avignon 1305-1378, bearb. von K. RIEDER, Innsbruck 1908, S. 520, Nr. 1645; REC II, Nr. 5280; REC III, Nr. 6740. 8004. 8745; Monumenta Germaniae Histo- rica, Necrologia Germaniae, T. I, Berlin 1888, S. 294. 18 G. MARMOR, Chronica, 1548, Abschrift von Basilius German aus dem Jahre 1776 im Stadtarchiv Konstanz, Hs. A I, 4, S. 252; Geschichtschreiber der husitischen Bewegung in Biahmen, hrsg. von K. HZFLER, Teil I, in: Fontes rerum austriacarum, I. Abt., Bd. II, Wien 1856, S. 140; Documrenta Mag. Joannis Hus vitam, doctrinam, causam in Constantiensi concilio actam, ed. von F. PALACK', Prag 1869, S. 252. 19 GLA 5/346, Urkunde von 1390 III 8; REC III, Nr. 7243. Johannes Rorer diirfte identisch sein mit dem 1383 am Konstanzer Miinster nachweisbaren ,,prebendarius s. Conradi" namens Rorer. M6glicher- weise handelt es sich bei der genannten Pfriinde um die prima praebenda S. Conradi (vgl. O. FEGER, Besitzungen des Domkapitels in der Stadt Konstanz im Jahre 1383, in: ZGO XCVIII (N. F. LIX), 1950, S. 411). - Johannes Schmid war mindestens schon 1383 Succentor am Konstanzer Miinster, wo er noch 1397 wirkte (GLA 5/158, Urkunde von 1383 IV 22; REC III, Nr. 7509). Vielleicht ist er identisch mit dem 1421 nachweisbaren erblindeten Priester Johannes Schmid, der damals vom Kon- stanzer Bischof, bzw. von dessen Generalvikar einen Empfehlungs- und Unterstiitzungsbrief erhielt (REC III, Nr. 8838). 0o REC III, Nr. 7509.

21 GLA 5/346, Urkunde von 1407 III 8; REC III, Nr. 8022; RG IV, 2, Sp. 1654; RG IV, 3, Sp. 3635. Ulrich Fryge entstammte vielleicht dem Konstanzer Patriziergeschlecht Fryge oder Frye (vgl. Oberba- disches Geschlechterbuch, bearb. von J. KINDLER VON KNOBLOCH, Bd. I, Heidelberg 1898, S. 385; ferner Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters, bearb. von K. BEYERLE, Heidelberg 1898, S. 114 ff. und 240). Ob er mit dem 1383 in Konstanz nachweisbaren ,Uolricus Frigo" (vgl. O. FEGER, in: ZGO XCVIII (N. F. LIX), S. 408) identisch ist, erscheint fraglich. 22 RG IV, 2, Sp. 1654. Er ist vielleicht identisch mit dem 1462 am Chorherrenstift St. Johann zu Kon- stanz nachweisbaren Kanonikus Johannes Bosch (GLA 5/678, Urkunde von 1462 IV 22).

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war ein gewisser Ytal, genannt Sachs 23; er ist wohl identisch mit dem 1418 nachweis- baren Succentor Johannes Italsachs oder Italsach 24

Den Gesang der Domschiiler leitete um 1418 der Priester Johannes Minther (?) aus Ef1lingen 25.

Obschon Belege bisher fehlen, darf man vermuten, daB am Konstanzer Miinster zur Zeit des Konzils der cantus figuralis neben dem cantus planus bereits einen festen Platz hatte.

Eine Orgel besa3 das Miinster zu Konstanz schon in der ersten Hailfte des 12. Jahr- hunderts; Herimannus von Arbon, Stellvertreter des Bischofs und Kustos, lie8 sie zwischen 1120 und 1134 von dem M6nch Aaron, einem Priester von ,,Chamberch" (d. i. wohl das Benediktinerkloster Komburg in der Di6zese Wiirzburg), erbauen"2.

Zur Zeit des Konzils befand sich eine Orgel hinten im Langschiff des Miinsters 27

M6glicherweise waren in Konstanz um 1418 zwei Orgelmacher beheimatet: ,,Jos Orgel- maister" und ,Philipp Orgelmaister" 28. Allerdings k6nnte es sich hier auch um Organisten handeln, wenn nicht gar ,Orgelmaister" lediglich ein Familienname ist29.

In Diensten des Konstanzer Bischofs standen wahrscheinlich Pfeifer, Fiedler und

vielleicht auch Trompeterso. Jedenfalls ist fuir das Jahr 1392 ein Fiedler des Bischofs

zu belegen31. In einem zeitgen6ssischen Gedicht auf das Konzil in Konstanz werden die dort

anwesenden ,,guot singer in der musica" besonders erwaihnt32. Dabei mag der Dichter

23 Erstmals 1411 nachweisbar; GLA 5/372, Urkunde von 1411 VIII 18, ferner 67/512, Bl. 19r.

24 RG IV, 2, Sp. 2073. Italsachs erhielt 1417 die Pfarrei Sauldorf (bei Metkirch) und erlangte im selben Jahr ein Kanonikat und eine Pfriinde am Chorherrenstift St. Johann zu Konstanz. Er kiinnte identisch sein mit dem 1426 am Kollegiatstift Zurzach (Schweiz) nachweisbaren Kanoniker gleichen Namens, der 1426 das Plebanat am Konstanzer Miinster iibertragen bekam und 1429 starb. Vgl. Die Annaten-Register des Bistums Konstanz aus dem 15. Jahrhundert, bearb. von M. KREBS, in: FDA,

III. Folge, Bd. VIII, 1956, Nr. 327; RG IV, 2, Sp. 2073, 1908 und 2566; dazu REC III, Nr. 9233. 25 In einem pipstlichen Supplikenregister wird er 1418 gefiihrt als ,,cantor seu gubernator in cantu

scolari ecclesiae Constantiensis" (RG IV, 2, Sp. 2160). 26 Casus Monasterii Petrishusensis, in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum, T. XX, 1868,

S. 669; ferner Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, hrsg. von F. J. MONE, Bd. I, Karls- ruhe 1848, S. 160; Die Chronik des Klosters Petershausen, neu hrsg. und iibersetzt von 0. FEGER, in:

Schwabische Chroniken der Stauferzeit, Bd. III, Lindau und Konstanz 1956, S. 204. - Dieser M6nch Aaron baute etwas spiter (vielleicht um 1134, jedenfalls jedoch vor 1159) auch eine Orgel fiir die Kirche des Benediktinerklosters Petershausen zu Konstanz (siehe ebenda). 27 Vgl. RICHENTAL I, S. 31.

28 Vgl. Die Steuerbikcher der Stadt Konstanz, Teil I: 1418-1460, Konstanzer Geschichts- und Rechts-

quellen, hrsg. vom Stadtarchiv Konstanz, Bd. IX, Konstanz 1958, S. 13. ,os Orgelmaister" ist noch 1433 in Konstanz nachweisbar (vgl. ebenda, S. 40 und los). 29 Tatstichlich 15it sich um diese Zeit in der Konstanzer Wollweberzunft ein Knecht namens ,,Orgel- maister" (einmal auch ein ,ios ordenmaister") nachweisen. Vgl. F. WIELANDT, Das Zunftbuch der Konstanzer Wollweberzunft, in: ZGO CVIII (N. F. LXIX), 1960, S. 55, 60f., 74 f. und 82.

So Vgl. W. SALMEN, Der Spielmannsverkehr im spiatmittelalterlichen Konstanz, in: ZGO CVI (N. F.

LXVII), 1958, S. 176. 31 Vgl. A. SANDBERGER, Beitrage zur Geschichte der bayerischen Hofkapelle unter Orlando di Lasso,

I. Buch, Leipzig 1894, S. 2, Anm. 2. 32 Vgl. R. v. LILIENCRON, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, Bd. I, Leipzig 1865, S. 237.

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Thomas Prischuch aus Augsburg in erster Linie an die pipstlichen Singer gedacht haben. Diese bildeten zusammen mit einigen Kaplinen, deren ausschlieBliche Auf- gabe im Zelebrieren von Messen in Gegenwart des Papstes bestand, die pipstliche Privatkapelle. F. X. Haberl zufolge war diese Institution zur Zeit des pipstlichen Exils in Avignon unter franz6sischem EinfluB entstanden33. Fiir die Kapelle Papst Johannes XXIII., der am 28. Oktober 1414 in Konstanz mit einem Gefolge von 600 Personen eintraf3 , vermochte Haberl in seinen materialreichen Arbeiten nur zwei

Singer namhaft zu machen 35. Ein pipstliches Rechnungsbuch liefert uns nun ein voll-

stindiges Kapellverzeichnis vom 3. November 141436. Danach geh6rten der Kapelle damals neben fiinf Kaplinen sieben Cantores und Thenoristae an, nimlich der magister capellae frater Johannes, dominus Jacobus, dominus Matheus, dominus Brianth, dominus Jonathas, dominus Bordon (oder Bridon) und dominus Petrus. Sin- gerknaben finden sich in der pipstlichen Kapelle offensichtlich nicht vor 1425 37. In einem spiteren Aktenstiick (s. u.) erscheinen drei der oben angefiihrten Singer unter ihrem vollen Namen: Matheus Thorote (Thoronte) alias Bruyant (oder Briant)38, Johannes de Semeriaco alias Jonatas und Johannes frederich alias Bourdon (Bordon). Der magister capellae frater Johannes istvielleicht identisch mit dem am 2. April 1414 in die pipstliche Kapelle eingetretenen Johannes Pelerini, Clericus aus der Di6zese Lugon, wahrend wir in dem dominus Petrus wohl den am 4. April 1412 aufgenom- menen Petrus lair, Clericus aus der Didzese Le Mans, und in dominus Matheus viel- leicht den Ende 1417 als pipstlichen Singer nachweisbaren Matheus Hanelle vor uns haben39. Dem Eintrag in dem oben erwThnten Rechnungsbuch nach zu schliegen, bezogen der magister capellae monatlich sechs Gulden, die

Stinger und Kapline je

vier Gulden. Nach der Suspension und Absetzung Papst Johannes XXIII. im Mai 1415 blieb

die pipstliche Kapelle unter der Administration des Konzils weiter bestehen. Als

Kapellsinger namentlich fassen l1i3t

sich zu Anfang des Jahres 1416 der Priester Johannes Lebonera alias Hassoas aus der Diazese Tournai, der am 21. Januar 1416 schwor, sich ohne Erlaubnis nicht zu entfernen. Neu aufgenommen wurden am 21. Marz 1416 frater Paulus de monte sancto und am 11. Juni 1417 Franciscus gousserat, Kanonikus wohl in Neuenburg in der Schweiz40.

Mit der Wahl des R6mers Otto Colonna am 11. November 1417 zum Papst - er nannte sich Martin V. - unterstand die Kapelle wieder dem pipstlichen Stuhl. An-

33 HABERL I, S. 55. 14 Vgl. RICHENTAL I, S. 25, 155 und 214. -5 VgI. HABERL I, S. 57; HABERL II, S. 30. 3s Siehe C. GUASTI, Gli avanzi dell' archivio di un pratese vescovo di Volterra, in: Archivio storico italiano, Quarta Serie, T. XIII, 1884, S. 202 und 333. 37 Vgl. HABERL I, S. 58 f.; HABERL II, S. 32. 38 Unter dem Namen Matheus Briant wird Matheus Thorote in einem pipstlichen Kapellverzeichnis vom Juni 1420 angefiihrt (vgl. HABERL I, S. 65), was die Identittit der Namensformen Bruyant und Briant (Brianth) beweist. 1423 erhielt Thorote Ubrigens ein Kanonikat in Cambrai (vgl. A. PIRRO, Histoire de Ia musique de Ia fin du XIVe siecle a Ia fin du XVIe, Paris 1940, S. 66). 3S Vgl. HABERL I, S. 56; HABERL II, S. 30 und 116; vgl. ferner S. 156. Nach A PIRRO (a. a. O., S. 66) war Hanelle Priester in Cambrai. 40 HABERL I, S. 56; HABERL II, S. 31.

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156 M. Schuler: Die Musik in Konstanz wilhrend des Konzils 1414-1418

fang Dezember 1417 geharte ihr vielleicht noch der 1412 eingetretene Petrus lair an41. Martin V., der gro3en Wert auf aiuBeren Glanz des Papsttums besonders bei den gottesdienstlichen Handlungen legte 42, veranla3te bald nach seiner Kr6nung den Neuaufbau der pipstlichen Kapelle. Am 1. Dezember ernannte er den Bischof von Oloron (Siidfrankreich), Petrus (Assalbitus de Lemovico), zum sacristanus und regna- tor seu magister palatii apostolici et capellae 43. Nach der Anstellung von vier Kapli- nen am 1. bzw. 3. Dezember wurden am 23. Dezember als ,, cappellani et cantores" der

pipstlichen Kapelle angenommen: Johannes de Semeriaco alias Jonatas, Matheus Hanelle, der Tenorist Matheus Thorote (Thoronte) alias Bruyant (Bruyandus, Bryan- dus, Briant, Brianth), Rektor der Pfarrkirche zu Binche in der Diazese Cambrai, An- dreas de mauro, Johannes frederich alias Bourdon, der Tenorist perchenaldus, Adria- nus Reyneri (Raynerii, Reyner, Rayner), Johannes Achoys, Robertus Sandewyns, Stephanus de vinarijs, Nichasius pariudei, Johannes Carnin aus der Diazese Tournai, Johannes Dornart (Dornert, Dornar, Dorrenar) aus der Diazese Rouen und Bernardus Buxi, Canonicus ecclesiae montisregalis in der Diazese Carcassonne44. Ferner erhiel- ten ihre Anstellung als pipstliche Kaplane und Singer am 7. Januar 1418 Jacobus de Romendin, Canonicus ecclesiae s. Johannis Leodiensis, Willermus de hildernisse und

Egydius Flanell (alias lenfant), am 26. Januar auf Fiirsprache des Kardinals Guil- laume Fillastre dessen familiaris continuus commensalis Vincencius Tabernarij und auf Fiirsprache des Bischofs von Genf dessen familiaris Petrus45. Das Amt des Sakri- stans und magister capellae et palatii apostolici erhielt vermutlich im Friihjahr 1418 Bartholomaeus Antonii46. Am 7. Mai 1418 werden als

ptipstliche Singer aufgefiihrt: Mattheus Hanelle, Andreas ide Mauro, perthenardus, Adrianus Reinerii, Stephanus Channelle (wohl identisch mit dem am 23. XII. 1417 in die paipstliche Kapelle ein- getretenen Stephanus de vinarijs), Johannes dorrenar und Johannes de Comeriaco (wahrscheinlich identisch mit Johannes de Semeriaco alias Jonatas) 47. Mit Ausnahme von Johannes de Comeriaco, der vermutlich aus der Kapelle ausschied, empfingen die

angefiihrten Singer ein Reisegeld, um dem Papst nach Genf zu folgen. Martin V. verlieB Konstanz am 16. Mai 1418 und begab sich Uiber Schaffhausen und Bern nach Genf, wo er bis Mitte August residierte und wo vier Stinger, die dem Papst vielleicht von Konstanz aus gefolgt waren, ihren Eid in die Hinde des pipstlichen Vizekanzlers

ablegten 48

41 Vgl. HABERL I, S. 56. 42 Vgl. L. PASTOR, Geschichte der Piipste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. I, Freiburg i. Br. 11/1931, S. 234.

4S Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 8502, BI. 99r. Diese wichtige Quelle, ein kuriales Eidre- gister aus den Jahren 1417 bis 1419, scheint F. X. HABERL offensichtlich entgangen zu sein. Zu diesem Kodex vgl. O. FRH. VON MITIS, Curiale Eidregister, in: Mitteilungen des Instituts fir isterreichische Geschichtsforschung, Erg.-Bd. VI, 1901, S. 413 ff. 44 Vat. lat. 8502, BI. 99v und 100oor. 45 Vat. lat. 8502, B1. loor und 100v; dazu 0. FRH. VON MITIs, a. a. 0., S. 426, Anm. 1. Dominus Petrus wurde iibrigens als einziger der aufgenommenen Stinger verpflichtet ,,ad missas coram eodem domino nostro [sc. papae] in dicta cappella celebrandum". 46 Vgl. HABERL II, S. 31 und 125. 41 HABERL I, S. 56; HABERL II, S. 31. 48 Siehe HABERL I, S. 57; HABERL II, S. 31.

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In der Konzilschronik des Konstanzers Ulrich Richental, eines Augenzeugen der damaligen Ereignisse, wird das Auftreten der pipstlichen Stinger mehrfach erwaihnt: so schritten sie bei den in Anwesenheit des Papstes stattfindenden Prozessionen vor dem Prozessionskreuz, dem Allerheiligsten und dem Papst und .sangen49; wenn Johannes XXIII. vom Erker der Konstanzer Bischofspfalz herab dem Volk den Segen erteilte, standen seine Sainger mit brennenden Kerzen hinter ihm und sangen die Segensresponsorien50; bei den Kr6nungszeremonien Martins V. auf dem Hof vor der Bischofspfalz am 21. November 1417 sangen die Singer (es handelt sich wohl um pipstlichen) ,,also gemach", daB der Chronist den Gesang nicht verstehen konnte, jedoch sangen sie ,,vast wol"; bei der anschlielenden Prozession durch die Stadt gin- gen die Siinger (ebenfalls wiederum sicherlich die paipstlichen) hinter dem paipstlichen Kreuz und vor den Abten, Bisch6fen, Kardinailen, dem Allerheiligsten und dem Papst und sangen ,,stiiteklich" 51. Einem anderen zeitgen6ssischen Chronisten, Reinbold Slecht aus Stralburg, zufolge sangen die pdipstlichen Stinger nach der Verzichterkli-

rung Johannes XXIII. feierlich das ,,Te deum", in das K6nig Sigismund und das ganze Volk freudig miteinstimmten52.

In den heute noch erhaltenen sieben bebilderten Abschriften der Konzilschronik von Ulrich Richental - die wahrscheinlich nach 1424 und vor 1433 entstandene Urschrift ist verloren - finden sich mehrere Abbildungen von vermutlich

ptipstlichen Stingern 53. Allerdings darf man von diesen erst in der zweiten

Htilfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Abbildungen keine historisch realistischen Darstellungen im modernen Sinne erwarten, andererseits ist ihnen jedoch ein gewisser Realismus eigen54. Sicherlich der Wirklichkeit entsprechend tragen die Stinger die Tonsur und sind mit der Albe, dem Chorhemd und der Cappa (mit Quasten am Saum und mit Kapuze) bekleidet55. Meist stehen drei bis neun Sdinger um ein Chorpult oder ein Gesangbuch, wobei hdiufig einer der vorderen Stinger mit der linken Hand die Mensur schligt. Die Anordnung von zwei Gruppen zu je fiinf und drei Stingern um zwei Chorbiicher

49 RICHENTAL I, S. 30 f. 50 RICHENTAL I, S. 59. 61 RICHENTAL I, S. 127 ff. Nach AE. TSCHUDI (Chronicon Helveticum, II. Teil, Basel 1736, S. 89) ,ward ein grofl Singen", als dem Papst bei der Kr6nung die Tiara aufgesetzt wurde. 52 Vgl. R. FESTER, Die Fortsetzung der Flores temporum von Reinbold Slecht, in: ZGO XLVIII (N. F. IX), 1894, S. 134; vgl. dazu auch Acta II, S. 356. "3 Siehe Lichtdruck der Aulendorfer Handschrift, Karlsruhe (1881), hrsg. von H. SEVIN: Concilium Constantiense 1414-1418, St. Petersburg 1875, Tafel 52, 59 und 64; RICHENTAL II, S. 62 und 67; RICHENTAL III, B1. 20v unten, 33r, 36v, 95v, loov und 103r; Ulrichs von Richental Chronik des Kon- zils zu Konstanz 1414-1418, hrsg. von O. H. BRANDT (nach der Aulendorfer Handschrift), Voigtldn- ders Quellenbiicher, Bd. XLVIII, Leipzig (1913), S. 40f. und 115; O. ZUR NEDDEN, a. a. O., S. 51, 76 f., 79f. und 82 f. - Die Konstanzer Handschrift enthalt uibrigens eine Abbildung, auf der im Gefolge des Patriarchen von Antiochien ein Kleriker mit einem Stab in der rechten Hand zu sehen ist; vielleicht handelt es sich hier um einen Kantor (siehe RICHENTAL IlI, Bl. 86v; vgl. dazu RICHENTAL II, S. 234). 54 Vgl. dazu R. KAUTZSCH, Die Handschriften von Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils, in: ZGO XLVIII (N. F. IX), 1894, S. 478; L. FisCHEL, Kunstgeschichtliche Bemerkungen zu Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils, in: ZGO CVII (N. F. LXVIII), 1959, S. 321; DIESELBE, Die Bilderfolge der Richental-Chronik, besonders der Konstanzer Handschrift, in: RICHENTAL II, S. 37 ff. 55 Die Cappa war das mittelalterliche liturgische Gewand besonders der Kantoren und Sainger (vgl. J. BRAUN, Die liturgische Gewandung im Occident und Orien, Freiburg i. Br. 1907, S. 315).

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158 M. Schuler: Die Musik in Konstanz wiihrend des Konzils 1414-1418

liilt auf antiphonisches Singen schlieBen56. Wohl nicht frei erfunden und fiir eine gewisse realistische Wiedergabe zeugend ist die in den verschiedenen Handschriften mehrfach anzu- treffende Darstellung eines Singers mit einer Brille.

Zweifellos weilten auch die Sainger Kbnig Sigismunds seit Ende 1414 in Konstanz. Von ihnen ist bisher nur Symon Rauari, Kleriker aus der Dibzese Cambrai und fami- liaris Sigismunds, Ende 1417 namentlich zu fassen57. Als Sigismund am 21. Juli 1415 mit gro8em Gefolge Konstanz verlieB, um sich nach Siidfrankreich, Paris und schlieB- lich nach England zu begeben, diirfte er auch seine Hofkapelle und seine Instrumen- tisten mitgefiihrt haben58. Am 27. Januar 1417 kehrte er wieder nach Konstanz zuriick und blieb hier mit kurzen Unterbrechungen bis zum 21. Mai 1418.

Auch von Pfalzgraf Ludwig III., dem Stellvertreter Sigismunds auf dem Konzil, kann man als sicher annehmen, daB er seine Hofkantorei waihrend seines Aufenthalts in der Bodenseestadt bei sich hatte59

Hingegen waren die englische, die burgundische und die savoyische Hofkapelle sicher nicht in Konstanz60.

Im Gefolge der englischen Gesandschaft kamen im Januar 1415 auch englische Siinger nach Konstanz. Am 24. September 1416 trafen hier auBerdem zwei englische Bisch6fe, Johannes Catrik von Lichfield und Johannes Wakering von Norwich, ein, von denen der eine seine Sainger mitbrachte. Diese hatten auf ihrer Reise nach Kon- stanz am Feste Mariai Geburt (8. September) im Dom zu K1ln das Amt gesungen; ,,dat wart alz wal van den Engelschen besungen, alz man in 30 jaren in dem dome

e hort singen", berichtet ein K•lner Chronist6 . Einen besonderen Anla3, ihre Sainger

und Instrumentisten hbiren zu lassen, bot den Englaindern das von ihnen mit groBer

Feierlichkeit begangene Fest des hi. Thomas von Canterbury am 29. Dezember62.

Uber den gottesdienstlichen Verlauf dieses Festes im Jahre 1416 berichtet Ulrich

56 Siehe RICHENTAL III, Bl. 10v (Abbildung der Papstweihe Martins V.). In der Aulendorfer Hand-

schrift ist die Gruppierung der Singer bei dem entsprechenden Bild drei und drei. Antiphonisches Sin-

gen darf man wohl auch bei der Abbildung der Kr6nung Martins V. vermuten (RICHENTAL III, B1. 103r).

57 Vgl. RG IV, 3, Sp. 3383. Auf den hier befindlichen Eintrag hat jiingst G. PIETZSCH hingewiesen (siehe Quellen und Forscdungen zur Gesdidchte der Musik am kurpfiilzischen Hof zu Heidelberg bis 1622, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, Geistes- und Sozialwissenschaftliche Klasse, Jg. 1963, Nr. VI, S. 745).

5s Vermutlich wirkten die Singer und Instrumentisten Sigismunds bei dem Festmahl in Paris mit, das der K6nig ,non sine musicorum generibus instrumentorum variis, cantibus quoque admirande sua- vitatis consonantibus" gab. Vgl. Chronique du religieux de Saint-Denys, hrsg. von M. L. BELLAGUET, T. V., Paris 1844, S. 746. "o Die Existenz der kurpfilzischen Hofkantorei ist fiir 1414 bezeugt. Namentlich laBt sich 1413/14 der Singer Ulrich Hinderkircher nachweisen. Vgl. G. PIETzsCH, a. a. O., S. 619, 649 und 673.

60 H. J. MOSER (Die Musik der deutschen Stiimme, Wien/Stuttgart [19571, S. 678) glaubt die Anwesen- heit dieser Hofkapellen in Konstanz annehmen zu miissen, ohne dies allerdings zu belegen. Da in- dessen weder der K6nig von England noch die Herz6ge von Burgund und Savoyen (die Angabe bei RICHENTAL I, S. 192, ist falsch) das Konzil besuchten, ist die Anwesenheit ihrer Hofkapellen in Kon- stanz undenkbar. 61 Vgl. Die Chroniken der deutschen Stddte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. XIII, Leipzig 1876, S. 108; dazu RICHENTAL I, S. 95; Acta II, S. 347; C. EUBEL, Hierarchia catholica medii aevi, Vol. I, Miinster 2/1913, S. 208 und 371. 62 Vgl. RICHENTAL I, S. 86 f. und 97.

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Richental: ,,Und mornends do begiengen sy [die Engliinder] das fest gar schon und lob- lich mit groflem gelait mit groflen brinenden kertzen und mit Engelschem s issem gesang, mit den ordnen und mit den prosonen, dariiber tenor, discant und medium ze vesperzit. Und mornends an sant Thomastag hatten sy das ampt z0 dem tham. Und sang die mefl der ertzbischoff Salusburgensis, und dienten im zt* dem altar zwen ander bischoff usser Engelland" 63. Das Wort ,,dariiber" legt die Vermutung nahe, daB damals in der Vesper mehrstimmige (vielleicht fiinfstimmige) Kompositionen erklangen, deren drei Oberstimmen gesungen und deren Unterstimmen von der Orgel und Businen aus- gefiihrt wurden. Offenbar muB die Musik in diesen Gottesdiensten einen nachhaltigen Eindruck in Konstanz hinterlassen haben, ist die obige Textstelle doch die einzige ausfiihrliche Erwdihnung eines kirchenmusikalischen Ereignisses in der Richental- Chronik.

Sicherlich waren auch franzbsische Stinger in der Konzilsstadt. Ob sich freilich Guillaume Dufay unter ihnen befand, ist nicht zu belegen. Als Mitglied der Dom- kantorei von Cambrai diirfte er wohl kaum in dem 35 oder 44 Personen64 zaihlenden Gefolge des Kardinals Pierre d'Ailly zu finden sein, wie verschiedentlich angenom- men wird65, da d'Ailly bereits 1412 den Bischofsstuhl zu Cambrai aufgegeben hatte66. Sein Nachfolger, Johannes Lytdekirche, der ebenfalls das Konzil besuchte und am 11. Januar 1415 mit einem Gefolge von 36 Personen ,,cum pulcerrimo apparatu" in Konstanz einzog67, k6nnte schon eher Stinger seiner Domkantorei bei sich gehabt haben. Es erscheint indessen fraglich, ob Dufay um 1414 iiberhaupt der Domkantorei in Cambrai angehbrte68. Vielleicht war er aber als junger Kleriker im Gefolge des Bischofs von Cambrai in Konstanz, wo er zu Carlo und Pandolfo Malatesta, seinen

spditeren mutmaBlichen Auftraggebern, Verbindungen angekniipft haben k6nnte69.

63 RICHENTAL II, S. 217; ferner RICHENTAL, Handschrift Ettenheimmiinster, Bad. Landesbibliothek, Karlsruhe, BI. 67v. In der Aulendorfer Handschrift (RIcHENTAL I, S. 97) lautet die entsprechende Stelle etwas gekiirzt wie folgt: ,und sungend die vesper zu2 dem thumb gar loblich mit groflen brinnenden kertzen, mit schdnem geliat und in den organan. Und mornends an sant Thomas tag, do hattend sy das ambt zz' dem thumb und sung mefl der bischoff Salusburgensis und dientend im zz' dem altar sufl zwen bischof ufl Engelland."

64 Die Angaben schwanken. Vgl. RICHENTAL I, S. 156; VON DER HARDT V, Sp. 12; AE. TsCHUDI, a. a. 0,. S. 100oo.

15 Vgl. O. ZUR NEDDEN, a. a. O., S. 51; S. CLERCX-LEJEUNE, Artikel Dufay, in: Riemann Musiklexikon, Bd. I, 12/1959, S. 428. 66 Vgl. P. TSCHACKERT, Peter von Ailli, Gotha 1877, S. 171, Anm. 3, und S. 184. Pierre d'Ailly nahm ilbrigens schon seit November 1414 und nicht erst 1417/18, wie S. CLERCX-LEJEUNE angibt (a. a. O., S. 428) an dem Konzil in Konstanz teil (vgl. P. TsCHACKERT, a. a. O., S. 184). 67 Vgl. C. EUBEL, a. a. 0., Vol. I, S. 160; RICHENTAL I, S. 167; VON DER HARDT V, Sp. 16; AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 104; Acta II, S. 206.

"s Nach V. FiDOROV (Artikel Cambrai, in: MGG II, 1952, Sp. 702) war Dufay bis 1418 Chorknabe in Cambrai. Falls Dufay indessen tatsichlich 1409 als Saingerknabe in die Domkantorei zu Cambrai eintrat, diirfte er doch wohl um 1414 infolge Mutation aus der Kantorei ausgeschieden sein. In der Tat wird er 1413/14 auch nicht mehr wie 1409/10 als ,puer altaris", sondern als ,,clericus altaris" be- zeichnet. Auch die Tatsache, daB er 1413/14 in den Besitz einer Kaplanei kam, scheint obige Annahme zu bestitigen. Vgl. dazu A. PIRRO, in: La Revue musicale, T. VII, 1925/26, S. 321; DERS., Histoire de la musique, S. 44 und 55; ferner auch H. BESSELER, Artikel Dufay, in: MGG III, 1954, Sp. 891 f. 69 Vgl. H. BESSELER, Neue Dokumente zum Leben und Schaffen Dufays, in: AfMw IX, 1952, S. 160ff. Carlo Malatesta, Herzog von Rimini, war vom 15. Juni bis 25. Juli 1415 in Konstanz, wiihrend sein

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160 M. Schuler: Die Musik in Konstanz wilhrend des Konzils 1414-1418

Dem Konstanzer Exemplar der Richental-Chronik zufolge waren auch Siinger des lateinischen Patriarchen Johannes (de Ruppescissa) von Konstantinopel in Konstanz.

Waihrend der Fronleichnamsprozession im Jahre 1415 schritten sie hinter dem Patri- archen und sangen70. Allerdings k6nnte es sich hier auch um die pipstlichen Singer handeln, die damals der Verfiigungsgewalt des Konzils unterstanden.

Tiber die in den Gottesdiensten und bei den Prozessionen aufgefiihrten Gesainge erf ihrt man aus den Quellen nur wenig. Mehrfach wird berichtet, daB bei feierlichen Ereignissen wie der Ankunft des Papstes, des K6nigs, einer wichtigen Gesandtschaft, ferner der Verzichterklarung Johannes XXIII. und Gregors XII., der Wahl Martins V. oder auch nach dem Eintreffen einer freudigen Nachricht das ,,Te deum" gesungen wurde71. Als K6nig Sigismund am 27. Januar 1417 nach Konstanz zuriickkehrte, wurde er in feierlicher Prozession ins Miinster gefiihrt, wo man nach der Predigt ,,Te deum laudamus in organis" sang72. Bei der Kanonisation der hl. Brigitta wurde nach der Messe ,,Ecce nova proles data est" und danach das ,,Te deum" gesungen73. Mit der feierlichen Messe vom Heiligen Geist, der von den Saingern gesungenen Antiphon ,,Exaudi nos domine", dem Vers ,,Salvum me fac domine", der gesungenen (Allerheiligen-)Litanei, dem von den Siingern und den Anwesenden alternatim vor- getragenen Hymnus ,,Veni creator spiritus" sowie Orationen und Responsorien leitete man die Sessiones Generales des Konzils ein74. In den Quellen wird gelegent- lich unterschieden zwischen gesungener und gesprochener Messe75. Von den gesun- genen Messen erwaihnt die Richental-Chronik namentlich die Messe vom Heiligen Geist und die von der Heiligen Dreifaltigkeit76, eine franz6sische Chronik die missa de Nostra Domina sowie die missa de Angelis77. Einem ilteren geistlichen Privileg entsprach es, wenn K6nig Sigismund in der vom Papst zelebrierten ersten Messe am

Vetter Pandolfo Malatesta, damals Archidiakon in Bologna und paipstlicher Subdiakon, von 1415 bis mindestens Ende 1417 in der Stadt weilte (vgl. RICHENTAL I, S. 47, 56, 184 und 192; Acta II, S. 41, 251 und 255; Acta III, S. 308). - Pandolfo Malatesta hatte aibrigens, bevor er 1424 Erzbischof von Patras wurde, von 1418 bis 1424 den Bischofsstuhl in Coutances (Normandie) inne (vgl. C. EUBEL, a. a. O., Vol. I, S. 205 und 394). Es ist daher nicht ausgeschlossen, daB Dufays Beziehungen zu Pan- dolfo Malatesta m6glicherweise aus dieser Zeit stammen. 70 RICHENTAL II, S. 200.

71 Vgl. RICHENTAL I, S. 27 und 54; Thesaurus novus anecdotorum, ed. von E. MARTiNE und U. DURAND, T. II, Paris 1717, Sp. 1616, 1639 und 1654; F. FIRNHABER, Petrus de Pulka, Abgesandter der Wiener

Universitiit am Concilium zu Constanz, in: Archiv far Kunde 5sterreichischer Geschichts-Quellen, Bd. XV, 1856, S. 39 und 41; H. FINKE, Forschungen und Quellen zur Geschichte des Konstanzer Kon- zils, Paderborn 1889, S. 185, 187 und 234; R. FESTER, a. a. O., S. 134 und 136; Acta II, S. 83, 86, 159 und 356. 72 RICHENTAL I, S. 99. "7 AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 3; VON DER HARDT IV, S. 40. 74 Der ausfiihrliche Konstanzer Konzilsordo ist ver6ffentlicht u. a. bei VON DER HARDT V, Sp. 104 ff., ferner bei L. KOEP, Die Liturgie der Sessiones Generales auf dem Konstanzer Konzil, in: Das Konzil von Konstanz, Festschrift, hrsg. von A. FRANZEN und W. MULLER, Freiburg-Basel-Wien 1964, S. 248 ff.

(vgl. dazu auch S. 241 f.). Vgl. dazu auch die gelegentlich etwas abweichenden Angaben bei VoN DER HARDT IV, Sp. 369; ferner Chronique du religieux de Saint-Denys, T. V, S. 596, 650 und 676; Acta II, S. 349. 15 Vgl. RICHENTAL I, S. 55, 72, 90 und 92; Frankfurts Reichscorrespondenz, hrsg. von J. Jansen, Bd. I, Freiburg i. Br. 1863, S. 284, Nr. 494. 76 RICHENTAL I, S. 29, 87, 96 und 111. 77 Chronique du religieux de Saint-Denys, T. V, S. 480, 596 und 676.

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Weihnachtstag des Jahres 1414 und 1417 im Ornat eines Diakons das Evangelium sang78. Wathrend der Papstwahl fand jeden Morgen eine Prozession zum Kaufhaus, dem Ort des Konklaves, statt, wo dann an die zweihundert in Chorracke gekleidete Knaben aus Konstanz zusammen mit dem Klerus den Hymnus ,, Veni creator spiritus" sangen79. Der Richental-Chronik zufolge nahm auch der Patriarch von Antiochien an der Prozession teil und begann vor dem Kaufhaus ,,gmach an ze singen, das man inn nit wol hi6ren mocht, die antiphon: Veni sancte spiritus und ain collect daruff" 80 Nach der Wahl zog der neue Papst Martin V. mit einer Prozession in das Miinster; hier wurden alsdann das ,,Te deum" und das ,,Veni sancte spiritus" mit darauffolgen- der Kollekte gesungensl. Zu Beginn der Bischofsweihe Martins V. sang man eine Litanei in lateinischer und griechischer Sprache. Ebenso wurde es in der sich anschlie- Benden ersten paipstlichen Messe mit der Epistel, dem Evangelium und dem Gloria gehalten 82

Die von 0. zur Nedden83 auf Grund eines Hinweises von H. Besseler aufgestellte Behauptung, wonach die in der Oxforder Handschrift Bodleian Library, Canonici Misc. 213. fol. 117v-118r, enthaltene anonyme isorhythmische Doppelmotette ,,Cla- rus ortus - Gloriosa mater" 84 ,,speziell" zur Papstkr6nung Martins V. geschrieben und bei dieser Gelegenheit gesungen worden sei, trifft ebensowenig zu wie die von E. Dannemann85 vertretene Annahme, die Motette beziehe sich auf die Wahl Mar- tins V. und sei daher 1417 zu datieren. Der Text dieser vierstimmigen Motette spielt nimlich nicht nur auf Martin V., sondern auch auf seinen Neffen, den Kardinal Pros- per de Columna, an. Dieser wurde am 24. Mai 1426 ,,reservatio in pectore" von Martin V. zum Kardinal erhoben, die Publikation und Ernennung zum Diaconus S. Georgii ad velum aureum in Rom erfolgten indessen erst am 8. November 143086.

78 Vgl. RICHENTAL I, S. 190; G. BUCELINUS, Constantia Rhenana, Frankfurt/M. 1667, S. 311. Einigen Quellen zufolge las der K6nig das Evangelium (siehe Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, Bd. I, S. 262 und 264; Scriptores rerum Prussicarum, Bd. III, Leipzig 1866, S. 349 f.; R. FESTER, a. a. 0., S. 129 und 137). Vgl. dazu L. BIEHL, Das liturgische Gebet fur Kaiser und Reich, Paderborn 1937, S. 1oo0f.; E. EICHMANN, Die Kaiserkr6nung im Abendland, Bd. I, Wfirzburg 1942, S. 306 f.

79 H. FINKE, Forschungen und Quellen, S. 232 und 234; Acta II, S. 157, 159 und 520; K. A. FINK, Die Wahl Martins V., in: Das Konzil von Konstanz, Festschrift, S. 145 und 148 f. Vgl. auch Scriptores rerum Prussicarum, Bd. III, S. 373, Anm. 4; R. FESTER, a. a. 0., S. 136; Documenta Mag. J. Hus, S. 667; Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, Bd. I, S. 264. 80 RICHENTAL I, S. 122. Nach AE. TSCHUDI (a. a. O., S. 88) sangen ,,die Senger" diese Antiphon vor dem Kaufhaus. 81 RICHENTAL I, S. 124; AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 88. 82 RICHENTAL I, S. 126; VON DER HARDT IV, S. 1488 f.; AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 89. Das Singen der Epistel und des Evangeliums in lateinischer und griechischer Sprache in der ersten Papstmesse entsprach alter Tradition. Vgl. dazu E. EICHMANN, Weihe und Krainung des Papstes im Mittelalter, in: Miinchener Theologische Studien, III. Kanonistische Abteilung, Bd. I, 1951, S. 51. 83 A. a. O., S. 50. 84 Neuausgabe in Polyphonia Sacra, ed. von CH. VAN DEN BORREN, Burnham 1932, S. XXXII und Nr. 23, S. 150ff.; vgl. auch G. REANEY, The Manuscript Oxford, Bodleian Library, Canonici Misc. 213, in: Musica Disciplina IX, 1955, S. 101, Nr. 274. 85 Die spiitgotische Musiktradition in Frankreich und Burgund vor dem Auftreten Dufays, Leipzig / Stra8burg / Zifrich 1936, S. 58. 88 Vgl. C. EUBEL, a. a. O., Vol. I, S. 34; Vol. II, Miinster 1914, S. 6 und 66.

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Da die Anspielungen sich auf diesenTitel beziehen87, kann die Motette nichtvor Ende 1430 entstanden sein. Hingegen weist ein Gloria von Hubertus de Salinis durch den darin auftretenden Tropus ,,Gloria iubilacio", der die Beendigung des Schismas 1417 und den ,,unus Christi vicarius" feiert, einen Bezug zu der Wahl Martins V. auf88. Ob diese Komposition allerdings 1417 anl31lich der Wahl Martins V. entstand und in Konstanz aufgefiihrt wurde, ist nicht zu belegen.

Zur Zeit des Konzils weilten zahlreiche Ordensleute in Konstanz. Allein zwei- hundert Barfiil3ermdnche gingen ihrem in die Stadt einreitenden Ordensoberen, An- tonius Angelus de Pereneto, entgegen und fiihrten ihn mit Gesang in ihr Kloster89. Am 18. Mairz 1417 zogen ,,vast zifchteklich mit stille und gemachem gesang" iiber vierhundert Benediktiner aus Anla3 ihrer Kapitelssitzung in einer Prozession durch die Stadt90.

Withrend des Konstanzer Aufenthaltes des ruthenischen Erzbischofs von Kiew,

Gregorius Camblak, der im Februar 1418 in der Konzilsstadt mit mehreren Bisch6fen seines Glaubens und - nach Richental - mit Mohammedanern aus der Tiirkei und der Tatarei eintraf, wurde in seiner Herberge die Messe nach griechischem Ritus (,,de ritu et lingua Graecorum") gefeiert91.

Aus Anla3 des Konzils war auch eine groi3ere Zahl von Juden nach Konstanz

gekommen 92. Als Papst Martin V. nach seiner Kr6nung in einer Prozession durch die Stadt ritt, gingen sie ihm in ihrer jildischen Kleidung und gro3e brennende Kerzen

tragend entgegen. Dabei sangen sie ,,vast hebriiisch"93.

Einen weiten Raum nahm in der mittelalterlichen Welt das Laiuten der Kirchenglocken ein.

Waihrend des Konzils wurde in Konstanz bei festlichen oder besonderen Anlaissen mit allen Glocken der Stadt fiinf- oder dreimal ,,jaudes" gelaiutet, letzteres hintereinander oder am Morgen (oder gegen Mittag), zur Vesper und gegen Abend94; gelegentlich itiutete man auch

87 ,Georgius" ist also nicht der Vorname eines Mitgliedes des Hauses Colonna, wie CH. VAN DEN

BORREN (Polyphonia Sacra, S. XXXII) annimmt. 88 Vgl. G. DE VAN, Inventory of Manuscript Bologna, Liceo Musicale, Q. 15 (olim 37), in: Musica

Disciplina II, 1948, S. 238 f.; CH. VAN DEN BORREN, Artikel Hubertus de Salinis, in: MGG VI, 1957,

Sp. 819. 8s RICHENTAL II, S. 169. 90 RICHENTAL I, S. 101. 9' Vgl. RICHENTAL I, S. 133, 136 und 138 ff., dazu auch S. 47 f. (hier falsches Datum); AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 92ff.; F. FIRNHABER, a. a. O., S. 68. - Ulrich Richental gibt in seiner Chronik einen Bericht von diesen Messen im griechischen Ritus. Danach sang zu Beginn der eigentlichen Messe ein Schiller eine Litanei, worauf der Erzpriester, die Geistlichen und die Laien mit ,Ora pro nobis" in ihrer

Sprache antworteten. ,,Und sungend das vast gemach." Darauf begann der ,,ewangelier" (Diakon) den Introitus zu singen; der Erzpriester, die Geistlichen und die Laien fuhren mit dem Gesang des Intro- itus fort. Anstatt dem Kyrie wurde neunmal das Hagios gesungen. Nach dem Gloria und der Epistel sang man wiederum neunmal das Hagios und danach das Alleluia. Auf das Evangelium folgte das

gesungene Credo und ein dreimaliges Alleluia. Nach der Segnung des Brotes wurde ein Gesang in der Art des Sanctus gesungen. Vor dem Abendmahl sangen alle das Pater noster und wiederum das Hagios. Siehe RICHENTAL I, S. 140; auf Richental geht offensichtlich AE. TSCHUDI (a. a. O., S. 93 f.) zuriick. 92 Vgl. AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 89. - In Konstanz bestand zu jener Zeit Uibrigens wahrscheinlich eine

jiddische Kultgemeinde. 1426 wird ein ,,Isach der Juden senger" besteuert (vgl. Die Chroniken der Stadt Konstanz, hrsg. von PH. RUPPERT, Konstanz 1891, S. 393). 93 RICHENTAL I, S. 129; VON DER HARDT IV, S. 1491; AE. TSCHUDI, a. a. O., S. 89.

94 Vgl. RICHENTAL I, S. 32, 55f., 84, 87f., 96, 110, 116, 133f. und 146f.; RICHENTAL II, S. 210;

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nur zweimal (abends gegen sieben Uhr und in der Friihe des folgenden Tages) oder einma195. Mit allen Glocken geliutet wurde auch beim Singen des ,,Te deum" 96 und bei Prozessionen97. Das drei- oder einmalige Liiuten der grol3en Glocke oder mehrerer Glocken des Miinsters rief die Konzilsteilnehmer oder den Konstanzer Klerus in das Miinster, den Tagungsort des Konzils "9

Da das Konstanzer Konzil stark von politischen und weltlichen Momenten be- stimmt war, nimmt es nicht wunder, hier zahlreichen Herolden, Instrumentisten,

Spielleuten und Gauklern zu begegnen. Bis Mitte Mirz 1415 sollen 45 Herolde, 346

,,ppifer, prussuner und spillitt und ir knecht" nach Konstanz gekommen sein99. Etwa

fiir denselben Zeitraum verzeichnet der offensichtlich auf amtlichem statistischem Zahlenmaterial fu3ende Chronist Reinbold Slecht ,,420 ioculatores, hystriones fistu- latores cum eorum consoladibust00. Von Ostern bis Pfingsten 1415 zahlte ein Chro- nist ,,320 ioculatores et fistulatores" 101. Nach Richental sollen 24 kbnigliche Herolde mit ihren Knechten sowie insgesamt 1700 ,,Prusuner, pfifer, Fidler und allerlay spil- litt" in Konstanz gewesen sein o02; in dieser Zahl sind allerdings die Familienangeh6- rigen und das Hausgesinde mit inbegriffen. Eine genauere Zahl gibt die Klingen- berger Chronik: ,,Item es warent och ze costentz herolten xxxij. Item spillift, pra- suner, trummeter, pfiffer, singer, giger vnd allerhand spillilt, der warent f ihnf hundert vnd dar bi" 103. Auf eine ihnliche Zahl (,,Heraldi XLV. fistulatores, tubicine, jocula- tores CCCCCXVI.") kommt ein b6hmischer Chronist104. Alle diese Angaben diirfen freilich nur verstanden werden als additive Zusammenstellungen, die sich iiber mehrere Monate bzw. die Dauer des Konzils erstrecken; in Wirklichkeit schwankte die Zahl der in Konstanz Anwesenden fast tiiglich. Die Quellentexte belegen im iibrigen die Posaunisten und Trompeter meist unterschiedslos mit der Bezeichnung Posauner (pru- suner), wthrend die Spieler der Holzblasinstrumente allgemein Pfeifer (pfifer; fistu- latores) genannt werden. Analog dazu dient das Wort tuba als Sammelbegriff fiir Posaune und Trompete, das Wort fistula als Sammelbegriff fi r die Holzblasinstru- mente.

Von den Herolden, Posaunern, Pfeifern und Spielleuten K6nig Sigismunds wissen wir sicher, daB sie in Konstanz waren. Die k6niglichen Pfeifer wurden niimlich am

Frankfurts Reichscorrespondenz, Bd. I, S. 284, Nr. 494; J. ASCHBACH, Geschichte Kaiser Sigismund's, Bd. II, Hamburg 1839, S. 420; ferner auch Thesaurus novus anecdotorum, T. II, Sp. 1654. 95 Vgl. RICHENTAL I, S. 84, 88, 96 und 99; F. FIRNHABER, a. a. O., S. 30 und 58. 96 Vgl. RICHENTAL I, S. 27 und 54; VON DER HARDT IV, S. 40; Thesaurus novus anecdotorum, T. II, Sp. 1616 und 1639; F. FIRNHABER, a. a. O., S. 39 und 41.

97 Vgl. RICHENTAL I, S. 87. 98 Vgl. RICHENTAL I, S. 29, 53 und oo1, ferner auch S. 55 und 125; VON DER HARDT IV, S. 1488. 99 J. RIEGEL, a. a. O., S. 28 f. und 32; vgl. dazu VON DER HARDT V, Sp. 50, ferner RICHENTAL I, S. 183. 100 Vgl. R. FESTER, a. a. O., S. 132; dazu H. KAISER, Neue Mitteilungen iiber Reinbold Slecht und seine Chronik, in: ZGO LVII (N. F. XVIII), 1903, S. 250. H. KAIsER zufolge lautet die obige Stelle: ,400 leones, hystriones, fistulatores cumr

eorum consoladibus." In einer Heidelberger Handschrift findet man fiir das Jahr 1415 ,,vier hJzndert pfeiffer und herolter" angegeben (vgl. Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, Bd. I, S. 262). •01 Vgl. J. RIEGEL, a. a. 0., S. 12 f. 102 RICHENTAL I, S. 215. 103 Die Klingenberger Chronik, hrsg. von A. HENNE, Gotha 1861, S. 193. 104 Geschichtschreiber der husitischen Bewegung in Bahmen, a. a. O., S. 326.

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23. Januar 1415 vom Rat der Stadt beschenkt105, und im Juli 1415 erhielten die kaniglichen Herolde und Spielleute aus der kurialen Kasse zwblf Gulden ausbe-

zahlt 1oo. Die Zahl der Herolde und Posauner K6nig Sigismunds scheint sich damals auf fiinf belaufen zu haben07o. Einer der Herolde hie8 Paulus Romrich (Rumerich); er wurde von Sigismund am 27. Dezember 1413 zum Kbnig aller Herolde und Tra- banten im Ramischen Reich ernannt08s. Eine offensichtlich hohe Stellung am kbnig- lichen Hofe nahm der aragonische Hofnarr Antonio Tallander alias Mossen Borra ein, der seit 1416 in Diensten Sigismunds stand und im Gefolge des Kbnigs in Kon- stanz weilte. In einem Brief von 1418 behauptet er: ,,Jo tindch barber e scuders, trom- petas, ministrers, qui son IX. rossin" 109. Sicherlich waren auch die im Oktober 1414 nachweisbaren sechs Posauner und Pfeifer der Kbnigin Barbara, der Gemahlin Sigis- munds, zeitweilig in Konstanz o.

Die Pfeifer, Trompeter und Posauner des Herzogs Friedrich IV. von Osterreich- Tirol sollen in der Konzilsstadt ,,sta"rkste Musik" gemacht und damit grol3es Auf- sehen erregt haben" . Mehrere andere Fiirsten, so Herzog Ludwig III. von Bayern- Heidelberg112, Herzog Ludwig von Bayern-Ingolstadt113, Herzog Karl von Lothrin-

gen 14, Herzog Ludwig von Sachsen, Herzog Ludwig von Brieg, Margraf Friedrich von Brandenburg, Markgraf Friedrich der Altere von MeiBen und Markgraf Bern-

105 Stadtarchiv Konstanz, Ratsbuch 1414-1419, Abt. B I, Fasc.2, S. 27; Die Chroniken der Stadt Konstanz, S. 386.

1o6 Acta IV, S. LXI. 1417 waren die Spielleute des K6nigs iibrigens in Basel (vgl. F. ERNST, Die Spiel- leute im Dienste der Stadt Basel im ausgehenden Mittelalter [bis 15501, in: Basler Zeitschrift far Geschichte und Altertumskunde, Bd. XLIIII, 1945, S. 222). 107 Diese Zahl ist jedenfalls fiir Ende September 1414 verbiirgt. Vgl. Die Chroniken der deutschen Stiidte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. III, Leipzig 1864, S. 348; Deutsche Reidistagsakten, Bd. VII, hrsg. von D. KERLER, G6ttingen 2/1956, S. 218. 108 Mit dieser Ernennung verbunden waren das freie Verfiigungsrecht iiber die Geschenke, die der Herold erhielt, sowie die Befreiung von allen Z6llen. Romrich stand noch 1424 als Herold im Dienst K6nig Sigismunds. Vgl. Regesta imperit, XI, Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410-1437), verzeichnet von W. ALTMANN, Bd. I, Innsbruck 1896f., Nr. 854; Regesten der Markgrafen von Baden und Hadcberg 1050-1515, Bd. I, bearb. von R. FESTER, Innsbruck 1900, Nr. 3734. 109 Vgl. H. FINKE, Bilder vom Konstanzer Konzil, in: Neujahrsbldtter der Badiscden Historischen Kom- mission, N. F. VI, 1903, S. 97; DERS., Des aragonischen Hofnarren Mossen Borra Berichte aus Deutsch- land (1417, 1418), in: Historisches Jahrbuch, Bd. LVI, 1936, S. 164 f.-Am aragonischen Hofe begegnet Mossin Borra iibrigens auch als ,mestre de ministres de boca de casa del senyor rey" (vgl. P. BALDELL6, La masica en la casa de los Reyes de Arag6n, in: Anuario Musical XI, 1956, S. 42). 11o Vgl. Die Chroniken der deutschen Stiadte, Bd. III, S. 348; Deutsche Reichstagsakten, Bd. VII, S. 219. 1.415 lassen sich ,,der kiinigin pflffer" in Basel nachweisen (vgl. F. ERNST, a. a. O., S. 222). 11 W. SENN, Musik und Theater am Hof zu Innsbrud?, Innsbruck 1954, S. 1. 112 Der Rat der Stadt Konstanz beschenkte am 23. I. 1415 ,herzog Ludwigs pfiffer" (Stadtarchiv Konstanz, Ratsbuch 1414-1419, a. a. O.; Die Chroniken der Stadt Konstanz, S. 386). Aus dem Zu- sammenhang darf man vermuten, da3 es sich hier um die Pfeifer Herzog Ludwigs von der Pfalz handelt. 113 Pfeifer bzw. Spielleute Herzog Ludwigs von Bayern sind 1415 und 1416 in Basel nachzuweisen (vgl. F. ERNST, a. a. O., S. 224). Da die Titelbezeichnung ,Herzog Ludwig von Bayern" indessen nicht eindeutig ist, k6nnten hier auch die Pfeifer und Spielleute Herzog Ludwigs von der Pfalz gemeint sein. 114 Herzog Karl von Lothringen kam vermutlich zusammen mit seinem Bruder Anton am 5. III. 1415 ,cumi pulcerrimo apparatu" (sein Gefolge zihlte 60 Pferde) in Konstanz an (vgl. RICHENTAL I, S. 49 und 191; Acta II, S. 217). Pfeifer ,,des hertzogen von Luttringen" sind 1424 in Basel nachweisbar (vgl. F. ERNST, a. a. O., S. 226).

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hard I. von Baden l5 brachten sicherlich gleichfalls ihre Posauner, Pfeifer und Spiel- leute mit nach Konstanz. Im Januar 1415 zog die englische Gesandschaft mit vier Trompetern in Konstanz ein116. Nicht geringe Beachtung fanden offensichtlich die drei Posauner und vier Pfeifer im Gefolge des Earl of Warwick, Richard Beauchamp 117.

Von diesen drei Posaunern berichtet der Konzilschronist Richental, sie ,,prusonettend iiberainander mit dry stimmen, als man gewonlich singet" 118. Richental zufolge befanden sich wihrend des Konzils auch Spielleute in Konstanz 119

Zahlreich waren die kirchlichen und weltlichen Anlisse, an denen die Posauner und Pfeifer auftraten. AnlaiBlich des Eintreffens einer freudigen Nachricht von K6nig Sigismund spielten am 30. Dezember 1416 wahrend der Messe im Miinster ,ad

ampliorem expressionem gaudii" vom Sanctus bis zum Pater noster ,,tubae et fistulae altis vocibus" 120o. Beim Gesang des ,,Te deum" nach der Kanonisation der

hi. Brigitta am 2. Februar 1415 widerhallte das Konstanzer Miinster vom Klang ,,campanarum tubarumque omnis generis" 121. Am Fest des hi. Thomas von Canter- bury im Jahre 1416 erklangen im Miinster Posaunen und Orgel zu einem dreistim- migen Vokalsatz 122. Mit den hiufig stattfindenden Prozessionen gingen meist Po- sauner und Pfeifer, die spielten123

115 Um 1404 153t sich in dem Franzosen Pietre Frochain oder Fauhain (?) ein in Diensten des Markgrafen Bernhard I. von Baden stehender Spielmann namentlich fassen. Zusammen mit dem Spiel- mann des franz6sischen Kt5nigs Karl VI., Jacquinot Petit, diente er 1403/04 zeitweilig auch dem Herzog Ludwig von Orleans und begleitete wahrscheinlich den Herzog 1403 nach Italien. Vgl. L. DE LABORDE, Les Ducs de Bourgogne, 2e Partie, T. III, Paris 1852, S. 212, nr. 6022; Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg 1050-1515, Bd. I, Nr. 4496; dazu A. PIRRO, La musique

' Paris sous le rkgne

de Charles VI (1380-1422), Stra6burg 1930, S. 32, Anm. 1. 116 Vgl. R. FESTER, a. a. O., S. 129. Zum Datum vgl. RICHENTAL I, S. 34 und 46; Thesaurus novus anecdotorum, T. II, Sp. 1612; J. ASCHBACH, a. a. O., S. 17, Anm. 31, und S. 417; F. FIRNHABER, a. a. 0,. S. 13; Acta II, S. 208. 117 Richard Beauchamp war nachst den Briidern und einem Onkel K6nig Heinrichs V. der erste welt- liche WiirdentrAger Englands. Er fiihrte die grole und glanzvoll auftretende englische Gesandschaft an, die zur Kr6nung Sigismunds am 8. XI. 1414 in Aachen erschien und sich von dort nach Konstanz zum Konzil begab. Zwischen dem 6. Februar und dem 24. April 1415 muB Richard Beauchamp bereits wieder aus Konstanz zuriickgekehrt sein. fIber ihn vgl. M. LENz, Kanig Sigismund und Heinrich der Fiinfte von England, Berlin 1874, S. 63 f. und 71, Anm. 1, Encyclopaedia, Britannica, Vol. XXIII, 1964, S. 375 f.; ferner RICHENTAL I, S. 34, 46, 48, 192 und 210; RICHENTAL II, S. 178. lls RICHENTAL II, S. 178.

119 RICHENTAL I, S. 205. 120o Vgl. F. FIRNHABER, a. a. O., S. 40 und 42; Thesaurus novus anecdotorum, T. II, Sp. 1654. Der Brauch, in der Messe wihrend der Wandlung als Ausdruck groBer Feierlichkeit und Freude Blasinstru- mente spielen zu lassen, scheint besonders in Frankreich und Italien iiblich gewesen zu sein. So schreibt Philippe de Mezieres in seinen an den franzisischen K6nig Karl VI. gerichteten Ermahnungen und

Ratschligen aus dem Jahre 1389: ,,Lesquelles grosses trompes, beau fits, es grandes solennites tu feras

sonner doucement a l'le'vation du Saint Sacrement" (A. PIRRO, La kmusique '

Paris, S. 14). Vgl. auch die Berichte von der Domweihe in Florenz 1436 (HABERL II, S. 34) und von einer feierlichen Messe

wihrend des Konzils in Florenz 1439 (V. FIDOROV, Des Russes au concile de Florence 1438-1439, in: Hans Albrecht in memoriam, Kassel-Basel - London- New York 1962, S. 30). 121 VON DER HARDT IV, S. 40. 122 Siehe S. 159. 123 Vgl. RICHENTAL I, S. 94; F. FIRNHABER, a. a. O., S. 40 und 42. Wihrend einer Prozession um das Miinster am 29. XII. 1415 1Iuteten alle Glocken und bliesen ununterbrochen neun Posauner (RICHEN- TAL I, S. 87). Anlf6lich einer Prozession in der Oktav nach Fronleichnam 1416 verzichtete man auf Instrumentisten, um der Prozession den Charakter der Demut zu geben (RICHENTAL I, S. 94). Seltsamer-

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Die Posauner hatten besonders die Aufgabe, zur Verkiindung eines Festes oder einer Neuigkeit durch die Stadt zu ,,prusunen" 124. Bei der Ankunft eines Fiirsten oder einer Gesandtschaft ritten im allgemeinen wohl Trompeter voraus und bliesenl25 Zusammen mit den Pfeifern spielten die Posauner bei k6niglichen und fiirstlichen Umritten durch die Stadt126 sowie bei den mit grol3em iul3eren Glanz verbundenen Belehnungen durch den K6nigt27. Wie die Quellen vermuten lassen, scheint diese Blasmusik gelegentlich zumindest mehrstimmig gewesen zu sein128. Die Herolde waren sicher bei den haiufig stattfindenden Turnierspielen, ferner bei der Verkiindung von Erlassen und bei der Ankunft von Fiirsten auf ihren Businen und Heroldstrom- peten zu h*ren, waihrend zu den Tinzen129 die Spielleute aufspielten. Vermutlich erklang auch Instrumentalmusik bei dem festlichen Mahl, das die englischen Bisch6fe am 24. Januar sowie am Freitag vor Lichtme3 1417 gaben und in dessen Verlauf ein wohl pantomimisches Spiel von der Geburt Christi und den Heiligen Drei Kdnigen aufgefiihrt wurde30o.

Den in der Richental-Chronik enthaltenen Abbildungenl31 nach zu schlieBen, spielten die Posauner Businen sowie lange S-f6rmig gebogene Trompeten. Meist

weise gingen nach der Kr6nung Papst Martins V. zwar alle Posauner und Pfeifer mit der Prozession, spielten aber nicht (RICHENTAL I, S. 129). 124 Vgl. RICHENTAL I, S. 97, 100, 104 und 111. Am Fest des hi. Thomas von Canterbury im Jahre 1415 lie8en die EnglAnder zur Mette, Prim, Terz, Sext, None, Vesper und Complet Posauner durch die Stadt reiten und ,alle zit" blasen (RICHENTAL I, S. 87). - Die Florentiner Wechsler (unter ihnen sicher auch Cosimo de Medici, der als Vertreter des Bankhauses der Medici in Konstanz weilte) schickten 1415 am Vortag und am Tag des hi. Johannes des Thufers, des Schutzpatrons der Stadt Florenz, mehrmals

fiinf Posauner durch die Stadt, um ihr Fest anzukiindigen. Ihnen folgten ein Ausrufer und drei Pfeifer, die ,,pfiften zd den prosonern". Am Morgen des Festtages hie8en die Florentiner noch dreimal ,,durch die statt prusunen", worauf eine Prozession, begleitet von den Posaunern und Pfeifern, zur feierlichen Messe nach der Stiftskirche St. Johann zog (RICHENTAL I, S. 93 f.; RICHENTAL II, S. 215). - Nach der Flucht Papst Johannes XXIII. ritt K6nig Sigismund mit seinen Posaunern, die immer wieder bliesen, durch die Stadt und beruhigte die Anwesenden (RICHENTAL I, S. 63; vgl. auch Acta III, S. 230). 125 Siehe S. 165. Einer franz6sischen Quelle nach zu schliel3en, war es damals iiblich, daB ein K6nig, Herzog oder Graf beim Einzug in eine Stadt ,avoit devant lui IIII menesterelz jouans trompes, clerons, tous jouans de leurs instrumens" (Journal d'un bourgeois de Paris 1405-1449, hrsg. von A. TUETEY, Paris 1881, S. 256). 126 Als K6nig Sigismund am 10. III. 1415 von Papst Johannes XXIII. die Goldene Rose erhielt, ritt er, vor ihm seine und der FiUrsten Posauner (etwa 23) und alle Pfeifer (etwa 40), mit alien Fiirsten, Rittern und Knechten durch die Stadt. Die Posauner und Pfeifer ,,pfiften und prosonten stattiglich" (RICHENTAL I, S. 57; RICHENTAL II, S. 187). Vgl. auch RICIHENTAL I, S. 137; RICHENTAL II, S. 252. 127 Vgl. RICHENTAL I, S. 105 f. und 107. Nach der Belehnung des Burggrafen Friedrich VI. von Niirn- berg mit der Markgrafschaft Brandenburg am 18. IV. 1417 fingen ,all pfiffer und prosoner an pfiffen und prosunen, so strencklich, das nieman sin aigen wort wol hiren mocht" (RICHENTAL II, S. 224). 128 Siehe RICHENTAL I, S. 137: Die Posauner ,prusunotend in wider strit." Ferner RICHENTAL II, S. 252: ,prosuner und pfiffer, die ymer me dar prosonten und pfiften zd widerstrit." Vgl. auch RICHEN- TAL I, S. 105. 129 Vgl. RICHENTAL I, S. 82, 86 und 152; Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, Bd. I, S. 255. 130 RICHENTAL I, S. 97 ff. Vgl. dazu I. SEIDENFADEN, Aus den friahen Quellen zur Theatergeschichte der Stadt Konstanz, in: ZGO CVII (N. F. LXVIII), 1959, S. 310ff. 131 Siehe Lichtdruck der Aulendorfer Handschrift, Karlsruhe (1881); Concilium Constantiense 1414 bis 1418, St. Petersburg 1875, Tafel 26 und 70; RICHENTAL II, S.

5:9, 66, 75 und 78; RiCHENTAL III,

B1. 39r, 66v, 74v und 75r; Voigtliinders Quellenbicher, Bd. XLVIII, S. 72 f. und 88 f.; O. zuR NEDDEN, a. a. O., S. 54, 78, 81 und 84; A. BUCHNER, Musikinstrumente im Wandel der Zeiten, Prag (1956), Tafel 135; MGG VI, 1957, Tafel 26; L. FISCHEL, in: ZGO CVII (N. F. LXVIII), 1959.

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hingen an diesen Instrumenten Fahnen mit dem Wappen der Fiirsten und Herrenl32 Die Instrumente der Pfeifer waren den Abbildungen zufolge die Schalmei und der Bomhart. Auf einer Abbildung findet sich einmal eine Sackpfeifel .

Manchen Herolden und Pfeifern oblagen auch auBermusikalische Aufgaben: sie mukten vor Beginn des Konzils das Wappen ihrer Herren an bestimmten Konstanzer Haiusern anbrin- gen, d. h. fiir ihre Herren Quartier machen 134. Einige Fiirsten und Herren lieBen sich auf dem Konzil durch Herolde, Pfeifer und Spielleute vertreten, ,,die der fatrsten und herren waupen ansdilagen und ir lob ufl saitend" 135

Nach Konstanz zog es auch den weit in der Welt herumgekommenen Dichter und Musiker Oswald von Wolkenstein136. K6nig Sigismund nahm ihn hier am 16. Fe- bruar 1415 mit einer jaihrlichen Besoldung von 300 ungarischen roten Gulden zu seinem ,,diener vnd hofgesinde" an137. In der Konzilsstadt mag Oswald von Wol- kenstein aus der Begegnung mit englischer und franzbsischer Musik entscheidende Anregungen fiUr sein weiteres Schaffen erhalten haben, das in der Folgezeit durch die Drei- und Mehrstimmigkeit sowie durch einige Kontrafakturen gekennzeichnet ist. Im Sommer 1416 reiste er im Gefolge Sigismunds nach Siidfrankreich, Paris und England und kehrte mit dem K6nig wahrscheinlich Ende Januar 1417 wieder nach Konstanz zuriick. Ein weiterer Minnestinger, Hugo von Montfort aus Bregenz, dessen Minnelieder sein Knappe Biirk Mangolt niederschrieb und vertonte, war zeitweilig gleichfalls in Konstanz 13s. Vielleicht begab sich auch der Dichter und Musiker Hein- rich Lauffenberg139 von Zofingen in der Schweiz, wo er 1411 als Priester der Dibzese Konstanz nachzuweisen ist, in die Konzilsstadt.

Mit musikalischen Fragen beschaiftigte sich das Konzil nicht. Au3erhalb der offi- ziellen Konzilsverhandlungen erhob Kardinal Pierre d'Ailly, einer der hervorragend- sten Konzilsvaiter, in seinem ,,Tractatus de reformatione ecclesiae" (1416) die For- derung, an den Festtagen sollten keine ,,hymni novi" gebraucht werden140. Gegen die Vorrechte der Cantores wandte sich der Oxforder Theologieprofessor Richard Ullerston in einer schon 1408 abgefa3ten und fiir das Konzil bestimmten Petition 141

Unter den Konzilsvaitern befanden sich iibrigens der um 1413 mit ,,Tres tractatus de canticis" und einem ,,Carmen de laude musicae" hervorgetretene Jean Charlier de Gerson, Professor der Theologie an der Sorbonne142, ferner der fuir die Musik auf-

132 Vgl. RICHENTAL I, S. 87, 93 und 97, ferner die Abbildungen. 133 RICHENTAL III, B1. 75b (Belehnung des Pfalzgrafen Ludwig). 134 RICHENTAL I, S. 24. -35 RICHENTAL I, S. 183, 202 und 205.

138 Vgl. RICHENTAL I, S. 197. 137 Vgl. A. NOGGLER, Eine unbekannte Reise Oswalds von Wolkenstein, in: Zeitschrift des Ferdinan- deums fiar Tirol und Vorarlberg, III. Folge, Heft XXVII, 1883, S. 20; Regesta imperii, XI, Nr. 1447. 138 Vgl. RICHENTAL I, S. 193. 139 Ober ihn vgl. W. SALMEN, Artikel Laufenburg, in: MGG VIII, 1960, Sp. 324 f. 140 Vgl. VON DER HARDT I, Sp. 423; P. TSCHACKERT, a. a. O., S. 263 f. 141 Ver6ffentlicht bei VoN DER HARDT I, Sp. 1160ff. 142 Uber ihn vgl. H. HiiSCHEN, MGG IV, 1955, Sp. 1831 ff.

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168 M. Schuler: Die Musik in Konstanz waihrend des Konzils 1414-1418

geschlossene Kardinal Pierre d'Ailly143 sowie Kardinal Francesco Zabarella, den Johannes Ciconia in zwei Werken feierte.44

Der Stadt Konstanz verlieh K6nig Sigismund am 20. Oktober 1417 auf Bitten des Rats das Recht, Trompeter zu halten'45. Zum Dank fiir zeitweilige Unterkunft im Augustinerkloster lie3 Sigismund in der Kirche des Klosters eine Orgel erbauen oder restaurieren146 und Wandmalereien anbringen, die u. a. zwei Engel zeigen, von denen der eine einen Triangel, der andere eine Doppeltrommel schligt 47. Ein angebliches Me3buch Papst Martins V., in Wirklichkeit eine Sammelhandschrift be- stehend aus Bruchstiicken des Totenofficiums, ferner Teilen der Totenmesse sowie Urkundenabschriften des 16. Jahrhunderts48, befindet sich heute im Rosgarten- Museum zu Konstanz. Diese Handschrift diirfte jedoch in allen Teilen einer spaiteren Zeit angeh6ren.

Uberblickt man abschlie3end die noch in groben Umrissen erkennbaren kiinst- lerischen und geistigen Str6mungen, die wThrend des Konzils in Konstanz zusammen- trafen, so ahnt man die starke Wirkung dieses Ereignisses besonders auf den deut- schen Kulturraum. Musikalische Einfliisse aus England, Frankreich und Italien begeg- neten sich hier in einmaliger Weise und strahlten von hier wieder aus. Die deutsche Malerei empfing gleichfalls nachhaltige Anregungen, wobei sich Beziehungen zu

B6hmen, Italien oder Burgund nachweisen lassen149. Konstanz war auch ein Um- schlagplatz des literarischen und geistigen Lebens geworden 50. ,,Von Konstanz aus

trat der Humanismus, der bis dahin vorziaglich nur in Italien Pflege gefunden, seinen Siegeszug durich die ganze abendliindische Welt an" 151

143 Vgl. dazu A. PIRRO, La musique a Paris, S. 18.

144 Vgl. H. BESSELER, Artikel Ciconia, in: MGG II, 1952, Sp. 1424. 145 Vgl. J. MARMOR, Geschichtliche Topographie der Stadt Konstanz und ihrer nidchsten Umgebung, Konstanz 1860, S. 316; Die Chroniken der Stadt Konstanz, S. 333. - Es trifft somit nicht zu, daB

Augsburg 1426 als erste unter den Reichsstidten das k6nigliche Privileg erhielt, Trompeter halten zu

diirfen (vgl. E. F. SCHMID, Artikel Augsburg, in: MGG I, 1949-1951, Sp. 826). Die Stadt Basel hatte i1brigens schon Ende des 14. Jh. Trompeter in ihrem Dienst (vgl. F. ERNST, a. a. O., S. 120). 140 Stadtarchiv Konstanz, Kirchensachen, Faszikel 22, 1, Supplik vom Oktober 1604 (diese spate Quelle ist allerdings nicht unbedingt glaubwiirdig). Vgl. auch J. GRAMM, Kaiser Sigismund als Stifter der

Wandgemiilde in der Augustinerkirche zu Konstanz, in: Repertorium fiUr Kunstwissenschaft, Bd. XXXII,

1909, S. 397; H. ROTT, Quellen und Forschungen zur siadwestdeutschen und schweizerischen Kunst-

geschichte im XV. und XVI. Jahrhundert, I. Bodenseegebiet, Text, Stuttgart 1933, S. 4. 147 Siehe CHRISTIAN ALTGRAF ZU SALM, Die Wandgemalde der Augustinerkircde in Konstanz, in: Stu-

dien zur Kunst des Oberrheins, Festschrift fair W. Noack, Konstanz/Freiburg (1958), S. 51, 53 und

Abb. 6, S. 55. 148 Vgl. M. SCHULER, a. a. O., S. 36, Anm. 95. 149 Vgl. dazu J. GRAMM, a. a. O., S. 401 ff.; CH. ALTGRAF zu SALM, a. a. O., S. 60; L. FISCHEL, in: ZGO CVII (N. F. LXVIII), 1959, S. 330. 15o Vgl. dazu P. LEHMANN, Konstanz und Basel als Bitchermarkte wiihrend der groflen Kirchenver-

sammlungen, in: Zeitschrift des deutschen Vereins fiir Buchwesen und Schrifttum, Bd. IV, 1921, S. 6 ff.

und 17 ff. 151 L. PASTOR, a. a. O., S. 269. Vgl. dazu auch G. VOIGT, Die Wiederbelebung des classischen Alter- thums oder das erste Jahrhundert des Humanismus, Bd. II, Berlin 3/1893, S. 244 ff.

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