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Die neue Sinnlichkeit

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postdigital #3

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Die neue Sinnlichkeit

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3EDITORIAL |

iebe Leserin, lieber Leser,

wir leben in einer Zeit, in der E-Mail, Social Media und SMS die Kommunikation beherrschen. Die elektronischen

Nachrichten bestimmen Geschwindigkeit und Funktionalität; persönlicher Ausdruck und stilvolle Formen verlieren an Bedeu-tung – könnte man denken. Seit einiger Zeit ist ein Trend zu beobachten, der sich gegen die rasche Digitalisierung unserer Gesellschaft zu stemmen scheint. Gemeint ist die zunehmende Wertschätzung und Nachfrage von Leistungen und Produkten, die handgemacht, hochwertig, nach-haltig – vor allem aber einmalig und möglichst unverwechselbar sind. »Handmade in Germany« erfährt plötzlich eine ungewöhn-liche Renaissance in den Bereichen Kunst, Design und Hand-werk.Der neue Reiz des Analogen im digitalen Zeitalter – ein spannen-der Heftschwerpunkt, fanden wir in der Redaktion. Allerdings brachten uns Recherchen, Gespräche und unser unermüdliches Hinterfragen schnell zu weiteren interessanten Themen, die einen Mehrwert für die tägliche Kommunikationsarbeit bieten. So erfährt nicht nur Analoges zum Anfassen ein Comeback: Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken erlangen eine neue Bedeutung. Es geht um Sinnlichkeit und damit das schein-bare Gegenteil des Technischen, das in unserer postdigitalen Zeit immer selbstverständlicher wird. Wer sich für alle Sinneswahrnehmungen öffnet, kann das Schö-ne und Anregende dieser Welt auf einer intuitiven Ebene erfah-ren – was nicht nur für die klassische Kommunikation eine zen- trale Rolle spielt. In unseren Gesprächen gelangten wir fast zu dem Eindruck, dass die digitalisierte Welt den Effekt des »sich Öffnens« verstärkt: Das Web bemüht sich, so erfühlbar wie mög-lich zu werden. Marken und Produkte experimentieren online mit multisensualen Erlebniswelten. Technische Innovationen spielen mit visuellen Darstellungen in der analogen Welt und erschaffen so eine sinnlich-wahrnehmbare Dimension, die über die uns bekannte hinausgeht.Und letztendlich geht es uns ja genau darum bei »postdigital«: um Trends, Entwicklungen und Arbeitsweisen abseits der üblichen Kommunikationswege.Jetzt also viel Spaß beim Lesen und wie in jeder Ausgabe: Schrei-ben Sie uns bitte jederzeit Ihre Anregungen, Ihre Kritik oder Ihr Lob!

IhrMichael SodarHerausgeber

Michael Sodar

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FYI

FEATURE

INTERVIEW #1

INTERVIEW #2

STATEMENT

RUNDRUF

NERDISCH

PLAY

DAS 1. MAL

BERICHT

DIGITAL

NOCH WAS …

Mit allen Sinnen: Wie wir zum Kaufen verführt werden Ein ausgeklügeltes System stimuliert im Supermarkt perfekt die Sinne – und fördert den Kaufrausch.

Die Sehnsucht nach HandgemachtemManufakturen sind im Aufwind. Steckt dahinter ein neues Qualitätsbewusstsein oder nur ein schnelllebiger Retrotrend ?

»Privat höre ich lieber Kassette«Lukas Walter, Tonmeister bei den Hessestudios, über die postdigitalen Herausforderungen an das Sounddesign

»Digitales wird die Welt sinnlich erweitern«Andreas Dahrendorf von Cloud – Visual Brand Entertainment zu aktuellen Entwicklungen im Bereich Augmented Reality

Der Reiz des Reizes Verbindet man Digitales mit der Lust am Sinnlichen, ergeben sich neue Wege in der Markenführung.

Wann haben Sie zuletzt auf Ihren 6. Sinn gehört ?

Leap Motion

Nahaufnahme – was gibt’s hier zu sehen?

Zurück zur Erde ESA-Astronaut Paolo Nespoli über die Wucht von Sinneseindrücken

Digitaler Hürdenlauf Surfen ist Alltag – für die meisten. Wie fühlt es sich an, wenn es die eigenen Grenzen bewusst macht ?

Längst erlernt, neu erlernt, nie erlernt ?Touch-Gesten machen Spaß. Kosten sie aber zu viel Lernzeit, laufen Anwendungen Gefahr, nicht genutzt zu werden.

Do-It-Yourself-With-OthersDie physische Realität kennt kein »Undo«. Jan Pautsch, Unitleiter Kreation bei Aperto Berlin, über das Kreativpotential von Fehlern

IMPRESSUM

Herausgeber Aperto Plenum GmbH, Chausseestraße 5, 10115 Berlin

eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg unter HRB 132279 B

Geschäftsführung: Michael Sodar,+49 30 283921 - 0, [email protected], www.aperto.de

RechtshinweisNachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicherGenehmigung der Aperto Plenum GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors wieder. Diese muss nicht der Meinung der Redaktion oder der Agentur Aperto AG entsprechen. Für unverlangt eingesandte Materialien wird keine Gewähr übernommen. Auch alle anderen Informationen in diesem Heft nachbestem Wissen, aber ohne Gewähr.

Papier: FSC 100 % RecycledDruck: Druckteam Berlin

Redaktionpostdigital, c/o Aperto Plenum GmbH, Chausseestraße 5, 10115 Berlin,+49 30 283921 - 493, [email protected], www.postdigital-magazin.de, Gründer und Herausgeber: Michael Sodar (V.i.S.d.P.)

Redaktionsleitung: Birthe Bruhns Art  Direction: Dana Pfützenreuter, Denny Rosenthal,[email protected]: Susan Brennicke, Pauline Drewfs, Katharina Heller, Karina Kliczkowski, Christine Lentz, Henning Lisson, Alma Pietrzyk,Maximilian Schulz

AnzeigenBirthe Bruhns, +49 30 283921-493, [email protected]

postdigital November 2012

INHALT |Inhalt

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7FYI |

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Manufakturen sind im Aufwind. Die Unternehmer sehen darin eine Folge von mehr Idealismus und Qualitätsbewusstsein,

Kritiker nur einen schnelllebigen Retrotrend.

Text: Karina KliczkowskiFotos: Denny Rosenthal

Die Sehnsucht nach Handgemachtem

FEATURE | 9

s war einmal ein Zwölftklässler, der seinen Schülerkalender nicht mochte und sich dach-te: »Der ist doch eher was für die Kleinen, das kann man besser machen«. Erste Entwürfe aber

blieben erfolglos. Ein paar Jahre später war aus dem Abiturienten ein Designstudent geworden, den die Idee aus Schultagen nicht losließ. Und so entstand der Kalender speziell für Oberstufenschüler dann doch, als Ergebnis einer Studienarbeit. In tausendfacher Auflage begleitete er drei Jahre lang Berliner Schü-ler. Inzwischen ist der Studienabschluss längst in der Tasche und aus der Idee ist ein Geschäft geworden, das über den Ursprungsgedanken hinaus geht: Unter der Marke tyyp designt, produziert und vertreibt Chris-toph Andrews Kalender und Notizbücher – hergestellt wird dabei in Kleinauflage und per Hand in der eige-nen Manufaktur.Handarbeiten und kleine Stückzahlen wie bei Andrews stehen aktuell hoch im Kurs. Dafür gibt es viele Bei-spiele: Online-Marktplätze wie Etsy oder DaWan-da haben sich auf den Verkauf von handgefertigten Waren spezialisiert. In der Presse stolpert man immer wieder über Porträts von Manufakturen und das Han-delsblatt stellt fest: »Viele deutsche Manufakturen erleben eine Renaissance.«Kritiker sehen im Manufakturen-Aufschwung aller-dings nur einen schnelllebigen Trend, auf den vie-le Geschäftsleute aufspringen. Hinweise darauf gibt es durchaus. So ist die Begeisterung für nostalgische Marken und aufwendig produzierte Produkte von der die Manufakturen profitieren, schon selbst ein Trend: Gefühlt jagt eine Retro-Welle die nächste.

Retro ist TrendAuch hat der heutige Manufakturbetrieb kaum noch etwas mit dem zu tun, was man ursprünglich darun-ter verstand. Denn in den Arbeitshäusern der frühen Neuzeit stand vor allem der Produktivitätszuwachs im Vordergrund. Heute ist der Begriff gleichbedeutend mit Qualität und sogar Exklusivität. Viele der Manu-

fakturen sind nicht einmal Überbleibsel traditionsrei-cher Unternehmen, sondern entstehen, wie die Werk-statt des Designers Andrews, als Start-up neu. Und: Nicht überall wo »Manufaktur« drauf steht, sind auf-wendig gefertigte und durchdachte Produkte für Lieb-haber des »Besonderen« drin. Hersteller von Tierfutter oder Caterer, die vermeint-lich besondere Häppchen servieren, schmücken sich mit diesem Titel. Agenturen geben sich mitunter den wohlklingenden Beinamen »Kommunikationsmanu-faktur«. Manufakturen als x-ter Retro-Trend – Kalenderpro-duzent Andrews hält nichts von dieser These. Für ihn sind sie ein Versprechen und eine Qualitätsgarantie: »Es geht um Einzelanfertigung, um Handarbeit und um die Verbindung von vielen Arbeitsschritten. Nicht um Luxus, es hat eher etwas mit Idealismus zu tun. Die Menschen, die Luxus haben möchten, sind ganz andere«, sagt der junge Unternehmer. Glaubt man Andrews, geht es also neben einem neuen Qualitätsbewusstsein um Werte und Idealismus. Phi-lipp Marouschek, der im Sommer 2012 das nachhal-tige Mode-Label Y/O/U auf den Markt gebracht hat, sieht das ähnlich. Er selbst ist eigentlich Jurist und ver-treibt die fair hergestellten Waren aus Überzeugung, wie er sagt. Marouschek produziert in Zentraleuro-pa und richtet sich mit seinen Artikeln vor allem an bewusste Verbraucher. »Konsum ist eines der letzten direkten Steuerungselemente, das den Menschen der westlichen Welt überhaupt noch geblieben ist«, sagt er.Für den Idealismus, den Andrews und Marouschek beschreiben, hat die Wissenschaft einige Wörter erfun-den: Moralkonsum oder moralischer Massenkonsum nennen es die Ökonomen und sprechen sogar von einer Moralisierung der Märkte. Die Ursachen haben mit gesellschaftlichem Wohlstand und gestiegenem Wissensniveau der Bürger zu tun. Sie haben der For-schung zufolge Wahloptionen und Konsummotive ermöglicht, an die noch vor einigen Jahrzehnten nicht zu denken war.

»Konsum ist eines der letzten direkten Steuerungselemente, das den Menschen der westlichen Welt überhaupt noch geblieben ist«

PHILIPP MAROUSCHEK

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11FEATURE |

Im Y/O/U-Flagstore setzt man auf hohe Qualität der Materialien und Transparenz der Produktionswege Handgefertigte Kalender aus der Berliner Werkstatt von Tyyp

Tatsächlich ist es nur etwa eine Lebens-spanne her, da war von Konsum-, Wohl-stands- oder Überflussgesellschaft noch keine Rede. In Sachen Kaufkraft hat der sprichwörtliche Durchschnittsbürger heu-te weitaus mehr zu bieten als in früheren Generationen. Mehr als 108 Arbeitsstun-den dauerte es noch 1950 bis beispielswei-se ein Herrenanzug verdient war. Heute ist dies laut dem Institut der Deutschen Wirt-schaft nach knapp 15 Stunden erledigt. Verhalten sich die Verbraucher dann ent-sprechend Bertolt Brechts: »Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral« ? Beobachten wir gerade, dass sie sich nach dem großen »Konsumfressen« der vergan-genen Jahre auf Wertigkeit und Nachhal-tigkeit besinnen, sich sogar moralische Beschränkungen auferlegen? Zumindest zeichnet sich laut dem Kul-turwissenschaftler Professor Ludger Heid-brink seit etwa zehn Jahren immer deutli-cher ein Trend zu nachhaltigem Konsum ab. Der Wirtschaftsethiker und Inhaber des Lehrstuhls für praktische Philosophie an der Universität Kiel hat vergangenes Jahr ein Buch zum Thema veröffentlicht. Heidbrink sieht eine Wende bei den Ver-brauchern: »Das Phänomen des nachhal-tigen Konsums ist gerade dabei, sich vom Trend zu einer Verhaltensänderung zu ent-wickeln.«

Gegen Geiz-ist-geilDie Gründe für die Veränderung sieht der Forscher etwa im Wissen über den Klima-wandel und Ressourcenknappheit. Die Zahl der Käufer ist noch klein, denn

obwohl rund die Hälfte der Deutschen Interesse an nachhaltigen Produkten bekunden, kaufen sie bisher nur etwa zehn Prozent – aus Gewohnheit, Zeitmangel oder wegen der höheren Preise.Allerdings macht Heidbrink den nachhal-tigen Konsum nur zum Teil für den Auf-schwung von Handgefertigtem und Klein-serien-Produkten verantwortlich.

Er spiele zwar eine gewisse Rolle, aber die zentralen Ursachen seien andere. »In erster Linie geht es den Manufaktur-Konsumen-ten um Qualitätsbewusstsein und um den Wunsch, sich vom Massenkonsum und der Geiz-ist-geil-Mentalität abzuheben.«Das bestätigt auch der Inhaber des Mode-Labels Marouschek. »Material und Design stehen im Vordergrund. Erst in zusätzli-cher Konsequenz ist den Kunden wich-tig, dass es sich um transparent hergestell-te und fair gehandelte Kleidung handelt.«Neben der Qualität kommt den Käufern der Service vieler Betriebe entgegen, indi-

viduelle Produkte anfertigen zu lassen – zum Beispiel maßgeschneiderte Schu-he. Außerdem ist Gemeinschaftsbewusst-sein ein Motiv für die Käufer. »Die Kon-sumenten möchten kleine Betriebe und das Handwerk in ihrer Umgebung unter-stützen, es geht hier also in gewisser Weise auch um soziales Engagement«, sagt Heid-brink.Einsatz für die Gemeinschaft und Geschäf-te vor Ort, das passt gut zu Moralkonsum und Nachhaltigkeit. Auch die Verbraucher sind laut Heidbrink aktuell noch überwie-gend in postmateriellen Milieus zu finden, aber auch immer mehr in anderen Grup-pen. Damit ähnelt das Käuferprofil der Manufakturen dem Profil der Nachhaltig-keitsfans, deren Anzahl stetig wächst. Die Chancen stehen also gut, dass aus dem Manufakturen-Trend ein bleibendes Phänomen wird. Bis es soweit ist, müs-sen auch die Unternehmer etwas Idealis-mus mitbringen. »Wenn ich rein kapitalis-tisch handeln würde, müsste ich das anders machen«, fasst der Manufakteur Andrews zusammen. Fairness gegenüber Mitar-beitern und Zulieferern sowie die lokale Produktion stelle er vor zwei Prozent Kos-tenersparnis. Wie stark die Konsumenten-gruppe noch wächst, bleibt abzuwarten und dürfte eng mit der Entwicklung des gesellschaftlichen Wohlstands zusammen-hängen. Wenn Manufakteure wie Andrews die Hinweise der Konsumforscher ernst nehmen und auf Qualität sowie Einzigar-tigkeit ihrer Produkte setzen, könnte sich das Märchen von Kalendern noch viele Jahre fortsetzen.

»Das Phänomen des nachhaltigen Konsums ist gerade dabei, sich vom Trend zu einer Verhaltensänderung zu entwickeln.«

PROF. LUDGER HEIDBRINK

13FEATURE |

Der junge Unternehmer Philipp Marouschek hat im Sommer 2012 das Label Y/O/U auf den Markt gebracht sowie Shops in Berlin und Wien eröffnet. Seinen Kunden bietet er transparent produzierte und fair gehandelte Kleidung. Ein Teil der Erlöse wird für Sozialprojekte gespendet.

Y/O/U Labelwww.makesyoureal.com

Designer Christoph Andrews stellt mit einem kleinen Team in Hand-arbeit Kalender und Notizbücher her. In der Berliner Manufaktur können Interessierte den Produktionsprozess sogar miterleben. Hohe Standards und Nachhaltigkeit bei der Produktion gehören zur Markenphilosophie.

tyyp – Büro für Designwww.tyyp.de

INTERVIEW #1

» Privat höre ich lieber

Kassette «Lukas Walter, Tonmeister bei den Hessestudios,

über die postdigitalen Herausforderungen des Sounddesigns

Interview: Karina Kliczkowski

postdigital: Herr Walter, laut knackende Schokoriegel und sprudelnde Limonaden in der Werbung – derart perfekte Sounds gibt es im echten Leben doch kaum …

LUKAS WALTER: Eins vorweg: Wenn man einen Film komplett realistisch vertonen würde, wäre das für die meisten eher lang-weilig. Sounddesign ist heute in der Regel »larger than life«. Den Großteil unseres Bedarfs können wir dabei durch Material aus Geräuscharchiven abdecken. Die Pro-duktionshäuser aus Hollywood zum Bei-spiel haben vieles über die Jahre gesammelt und bieten das zum Verkauf an. Wir kön-nen auf diese Daten zurückgreifen, sie bei Bedarf entfremden oder ganz neue Sounds erzeugen, indem wir sie bearbeiten oder mehrere kombinieren.

Bei uns wird aber ein weiterer Teil der Geräusche selbst aufgenommen, vorausge-setzt natürlich, man findet etwas Passendes in seinem Umfeld. Selbst designte Geräu-sche haben den Vorteil, dass sie Unika-te sind. Achten Sie mal darauf: In Filmen klingen die Türen fast immer gleich, da alle auf die gleichen Archive zurückgreifen. Ich finde das langweilig. Eine individuel-le Tonspur erhöht einfach die Wertigkeit einer Produktion. Ich persönlich bevorzu-ge eigene Aufnahmen und gehe eigentlich immer als erstes in die Küche, wenn ich nach Sounds suche.

pd: Vor welchen Herausforderungen steht die Branche?

WALTER: Wir brauchen wieder mehr Bewusstsein für Qualität im Audiobe-reich. Früher hat man beispielsweise lan-ge Geld gespart, um sich eine gut klin-gende HiFi-Anlage zu leisten. Heutzuta-ge wird einem das Handy als Stereoanla-ge verkauft. Datenkomprimierung ist da ein großes Problem, denn trotz immer grö-ßerer Festplatten und Internetbandbreiten sehen wir noch nicht den Trend zu höher-wertigen Audioformaten. Für mich als Tonprofi ist es eine Farce, was einem auf vielen Onlineportalen als Audiospur ange-

boten wird. Deswegen höre ich privat lie-ber eine Kassette oder eine Schallplatte als MP3. Warmes, analoges Rauschen ist mir lieber als die digitalen Artefakte, die beim Erstellen einer MP3 entstehen.

pd: Wie wirkt sich die Digitalisierung denn konkret auf Ihre Arbeit aus?

WALTER: Da geht es uns wie vielen an-deren Branchen. Digitalisierung hat vie-les vereinfacht, gerade was den Workflow angeht. Das Problem ist, dass heute the-oretisch jeder mit seinem Laptop Dinge machen kann, für die man früher sehr teu-res Equipment brauchte. Dadurch hat die

Konkurrenz auf dem Markt zugenommen. Die durchschnittliche Qualität, die beim Konsumenten ankommt, ist aber gesun-ken. Da muss die Branche gegensteuern.

pd: Gibt es ein Geräusch, das Sie persön-lich besonders gerne hören?

WALTER: Einer meiner absoluten Lieblings-sounds ist der Klang, den die ersten Blitze bei Fotoaufnahmen hatten. Das ist wie eine winzige Explosion. Im Original hört man das heute natürlich selten, aber man bekommt eine Ahnung davon, wenn man sich in einen dieser Passbildautomaten am Bahnhof oder im Kaufhaus setzt.

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» Digitales wird die Welt sinnlich erweitern «

15INTERVIEW #2 |

Andreas Dahrendorf von Cloud – Visual Brand Entertainment zu aktuellen Entwicklungen im Bereich Augmented Reality

Interview: Birthe Bruhns & Christine Lentz

postdigital: Technik ist für die meisten das Gegenteil des Sinnlichen. Wie sehen Sie das?

ANDREAS DAHRENDORF : Das Digitale wird unsere analoge Realität sinnlich erweitern – durch zusätzliche Informationen, die wir sehen, hören und vielleicht auch riechen und schmecken können. Dadurch wird das Digitale selbstverständlicher und noch stärker integrierter Bestandteil in unserem täglichen Erleben. Wir nehmen dann nicht das Smartphone aus der Tasche, wir schal-ten keinen Computer an, um unsere Rea-lität sinnlich zu erweitern. Das heißt, das analoge Erleben wird nicht länger vom digitalen Erleben getrennt sein.

pd: Wie lässt sich das konkret umsetzen?

DAHRENDORF: Wir fragen uns: Wie versteht der Computer die Welt? Und wie verste-hen wir sie? Eigentlich möchte der Mensch mit der Technik so natürlich umgehen wie mit seiner Umwelt. Also direkt, unmittel-bar und haptisch. Grob gesagt streben wir Folgendes an: Jedes Objekt im Alltag soll interaktionsfähig sein. Den Leuten fällt an

diesem Punkt oft Minority Report als Bei-spiel ein. Das sehe ich aber eher als eine etwas naive Fortschreibung unserer heuti-gen Technologien in die Zukunft. So wie in den 50ern die Zukunft immer atomar war. Was ich meine ist schon einen Schritt weiter: In dem Spielfilm sind die Protago-nisten noch ortsgebunden, weil die Pro-jektionsfläche für ihre Informationen eine Glasscheibe ist, die in ihrem Büro steht. In Zukunft wird man jede Fläche in der Stadt nutzen können, um sie mit Informationen zu bespielen. In technischer Hinsicht wäre das zum Beispiel über GoogleGlass, die Scan-Brille von Google, umsetzbar. Zum multisensualen Erlebnis fehlen da aller-dings noch Geruch, Audio und eventuell sogar Geschmack.

pd: Realität sinnlich erweitern – wie sehen hier die neuesten Entwicklungen aus?

DAHRENDORF: Woran wir aktuell arbei-ten, sind zum Beispiel riesige Bildschir-me, 82-Zoll-Outdoor-Displays, die eine gefilmte Szene in Echtzeit um eine virtuel-le Welt erweitern. Auf dem Alexanderplatz in Berlin aufgestellt, könnte sich die dor-

tige Menge aus ganz normalen Leuten auf dem Display in eine Truppe voller Super-helden verwandeln. Denn die Bilderken-nung ist inzwischen so weit, dass sie einen Menschen biometrisch erkennt. Über des-sen Film-Ich würde man per Computer zum Beispiel ein Batman-Kostüm legen. Er könnte sich dann selbst auf dem Rie-sendisplay beim Herumspazieren auf dem Alex zuschauen – im Superhelden-Outfit. Für die Kommunikation bedeutet das, dass man Menschen auf diese Weise auf dem Bildschirm in die eigene Markenwelt schi-cken kann. Das ist natürlich eine techni-sche Herausforderung, schließlich reden wir von einer Kombination aus Bewegtbild und Echtzeitberechnungen, so etwas wird bisher in tagelanger Postproduktion gene-riert. Die Bearbeitung solcher Projekte ist daher sehr anspruchsvoll. Gemeinsam mit Spezialisten vom Frauenhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung, vom Deutschen Forschungsinstitut für Künst-liche Intelligenz und von der Universität Hof sind wir aber an der Umsetzung dran.

pd: Dieses Beispiel ist hauptsächlich von visuellen Eindrücken geprägt. Gibt es Ansätze, andere Sinneswahrnehmungen anzusprechen?

DAHRENDORF: Gerade den Geruchssinn betreffend gibt es bereits Ansätze. Ich denke da an das »AirWick-Hacking«: Duftspen-der, die auf einer Low-Tech-Basis einen Raumduft abgeben, werden von Hackern abgewandelt. Sie bauen sie auseinander, ändern die Geruchszusammensetzung und schließen sie an Computer an. Diese Ansätze gehen auf die »Maker«-Bewegung zurück, die nach dem Motto handelt: Was passiert, wenn ich es auseinanderbaue und anders wieder zusammensetze? In unserem Unternehmen fühlen wir uns dieser Bewe-gung sehr verbunden. Nicht umsonst sit-zen wir im betahaus, dem Berliner Zent-rum für diese Bewegung. Insgesamt gibt es viele Ansätze, durch eine immersive Welt gleichzeitig visuelle, auditive und olfakto-rische Sinne zu aktivieren. Aber wir sind noch am Anfang der Entwicklung.

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Die Welt wird immer digitaler. Dadurch steigt auch die Lust am Sinnlichen. Für Marketer eröffnen sich spannende neue

Wege der Markenführung, wenn sie beides zusammendenken.

Text: Torsten Henning Hensel

17STATEMENT |

620.480.777Das ist die Anzahl an Websites, die Netcraft im Oktober 2012 weltweit erfasst hat. Zwei Drittel davon sind ungenutzte Platzhalter oder identische Websites von unterschiedlichen Top-Level-Domains. Der Rest aber, also rund 200 Millionen Websites, konkurriert um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Der Mensch wird anspruchsvoller, auch und insbeson-dere im digitalen Raum. Schlechte Nach-richten also für das Gros deutscher Web-sites. Denn diese sind in der Regel, was sie schon 1995 waren: statisch, textlastig und sinnentleert. Und damit genau das Gegen-teil von dem, was Konsumenten heute erwarten – und was ihr Hirn präferiert. Das Stichwort, um das es geht, heißt mul-tisensorische Markenführung und endet in der Praxis meist beim Audiobranding aka Yippie Ya Ya Yippie Yippie Yeah oder Da Da Da Di Da. Dabei ist multisenso-risches Marketing, also die Zielgruppen-ansprache über mehrere Sinne, eigentlich ein lange bekannter Ansatz. Schon 1932 erschien ein wissenschaftlicher Artikel dar-über, dass sich Jeans mit Duft leichter ver-kaufen lassen. Heute wissen wir, dass klas-sische Musik im Café zum Verweilen und zum Konsum von Caffè Latte anregt und französische Chansons im Supermarkt den Verkauf französischer Weine steigern. Dank der Neurowissenschaften wissen wir auch, wie das Ganze funktioniert und sich gezielt in allen Bereichen des Marketings einsetzen lässt.

Menschen nehmen ihre Umwelt mit fünf Sinnen wahr. Bilder, Klänge, Gerüche, Aromen und Materialien lösen unter-schiedliche Assoziationen und damit Emo-tionen aus. Werden mehrere Sinne mit der gleichen Botschaft angesprochen, addiert sich deren Wirkung nicht nur, sie multipli-ziert sich. Je mehr Sinne gleichzeitig invol-viert sind, desto stärker die Emotion und die mögliche Hinwendung zu einer Mar-ke. Unsere Sinne sind dabei mehr als blo-ße Aktivierungshebel. Sie sind in der Lage, auch Inhalte und Bedeutungen zu trans-portieren: Autohersteller nutzen haptische Signale, um Qualitätskonzepte im Gehirn zu aktivieren – etwa durch das Verwenden von hochwertigem Holz, Leder oder Texti-lien. Über das Ploppen einer Flasche beim Öffnen oder das Krachen eines Kekses beim Zerbeißen lässt sich ein Gefühl von Frische und Köstlichkeit aktivieren. Sieht man eine Blumenwiese in der Werbung für Waschmittel und Weichspüler, kann man den Duft förmlich »riechen«. Fällt die Fla-sche dann noch auf einen Stapel flauschig gespülter Handtücher, wird die Weichheit, die das Mittel erzeugt, beinahe körperlich spürbar. Verantwortlich dafür sind unsere Spiegelneuronen. Dabei handelt es sich um Nervenzellen, die im Gehirn von Primaten beim passi-ven Betrachten eines Vorgangs die glei-chen Aktivitätsmuster aufweisen, wie wenn der Vorgang tatsächlich aktiv durch-geführt würde. Anders ausgedrückt: Beißt jemand im Fernsehen in eine Zitrone, lässt das kaum jemanden kalt. Diese für Imitati-on und Empathie zuständigen Spiegelneu-

ronen lassen sich auch online aktivieren und Duft, Geschmack und Haptik wer-den auf diese Art im Gehirn des Betrach-ters hervorgerufen. Warum also nutzen nicht mehr Markenhersteller diese Techni-ken, um ihre Marke ganzheitlich zu posi-tionieren?Viele Unternehmen reduzieren ihre Inter-netpräsenz auf einen visuellen Showroom. Gerade Online-Shops beschränken ihre Seiten auf eine zentrale Produktpräsenta-tion, welche vom immer gleichen weißen Rahmen eingeschlossen wird. Sie verschen-ken dabei aber die Möglichkeiten, die eine multisensorische User-Ansprache bietet. Wie bereits beschrieben, lassen sich die Erkenntnisse des Neuromarketings vom Point of Sale auch auf das Web übertragen. Eine Website kann also mehr leisten als nur ein digitaler Produktkatalog zu sein.Gerade um sich vom Wettbewerb zu un-terscheiden, sollte das zentrale Anliegen also nicht die reine Präsentation des Pro-duktes, sondern das Einbinden des Käu-fers in ein multisensorisch-emotionalisie-rendes Erlebnis sein. Es gilt das, was in der realen Welt auf die Marke eingezahlt wird, ins Digitale zu übertragen. Das heißt: For-men, Farben, Oberflächen und Klänge auch online zu einem ganzheitlichen Mar-kenerlebnis zu vereinen. Den Kaufknopf im Gehirn des Kunden wird auch das multisensorische Marke-ting nicht finden. Es kann aber helfen, in einer Zeit, in der mono- und duosensori-sche Kommunikation an ihre Grenzen sto-ßen, neue Aufmerksamkeit auf eine Mar-ke zu lenken.

Der Reiz des Reizes

BORIS KRAFT

CHIEF TECHNOLOGY OFFICER (CTO)

UND MITBEGRÜNDER VON MAGNOLIA

(CMS-SYSTEM)

www.magnolia-cms.com

KATJA JASCH

USER-INTERFACE-DESIGNERIN

BEI DAWANDA

www.katjajasch.de

VAN BO LE-MENTZEL

ENTWICKLER DER HARTZ IV-

DESIGNERMÖBEL, ARCHITEKT

www.hartzivmoebel.de

»One should make his decision within the space of seven breaths« (Ghost Dog). Diese Idee verhindert, dass man zu viel analysiert und dabei sein Bauchgefühl vergisst. Ich habe letztes Jahr eine Segelyacht gekauft. Der Bauch hat schnell ja gesagt, der Kopf musste lange das ›wie‹ analysieren. Aber es war die beste Entscheidung seit langem!«

»Als ich das Angebot bekam, bei DaWanda das User-Interface zu betreuen, hatte ich als ausgebildete Grafikerin und Illustratorin zunächst Bedenken. Mein Gefühl riet mir, es zu wagen. Nach fast einem Jahr weiß ich, dass das richtig war. Das klassisch Erlernte kommt weit häufiger zum Tragen als gedacht.«

»Ich habe das one-SQM-House entworfen. Die meisten Menschen waren skeptisch und haben die Nutzbar-keit des Hauses in Frage gestellt. Sie meinten, es müsste mindestens drei Quadratmeter groß sein. Zum Glück habe ich auf mein Bauchgefühl gehört. Heute existieren ein Dut-zend Häuser weltweit – gebaut von Obdachlosen, Schrift-stellern und Mitarbeitern von Großraumbüros.«

»Ich glaube nicht an die ›eine Entscheidung‹ die bewusst getroffen wird. Sie ist die Summe an Ereignissen die dahin geführt hat.«

»Ich bin ein rationaler Typ. Mir fällt ehrlich gesagt keine Entscheidung ein, bei der ich aus dem Bauch heraus entschieden hätte – jedenfalls keine wichtige. Naja, mal spontan mit Freunden was trinken gehen, das mache ich natürlich schon.«

EIKE KÖNIG

GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER

DESIGNAGENTUR HORT/

GRAFIK DESIGNER

www.hort.org.uk

DR. TIMO FISCHER

CHIEF MARKETING OFFICER (CMO) BEI

MYSPORTGROUP.DE UND WIRTSCHAFTS-

INFORMATIKER

www.mysportworld.de

RUNDRUF

Fotos (v.l.o.n.r.u.): Magnolia | M. Eckardt | betahaus | Patrick Eggert | privat

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NERDISCHÕ

DAS GEWINNSPIEL

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Hand aufs Herz: Wie häufig mimten wir schon die Handpistole, ohne dass irgend-etwas passiert ist? Bald brauchen wir nur auf den Bildschirm zu zeigen, unse-ren Daumen als Abzug zu benutzen und der Schuss geht los – dank Leap Moti-on. Dahinter verbirgt sich eine nüchtern graue Box im Smartphone-Format, wel-che vor dem Monitor platziert wird und die Bewegungen der Hände davor erfasst. Wir müssen nicht einmal den Bildschirm berühren. Über Bluetooth/USB weiterge-leitet, verleiht sie einem das Tony-Stark-Feeling, das man als Iron-Man-Fan schon immer spüren wollte. Endlich können wir Programmfenster einfach wegwischen oder Fruit Ninja und Angry Birds wild gestiku-lierend im Wohnzimmer spielen. Und was darüber hinaus alles denkbar ist! Architekten und Grafikdesigner könnten ihre Objekte sofort in 3D erstellen, einfach mit einem Stift in der Hand, das Erstellte

drehen und wenden, hinein- und heraus-zoomen, intuitiv und ohne wildes Gekli-cke und Geziehe, denn die Box reagiert selbst auf kleinste Bewegungen. Produktpräsentationen würden viel span-nender, einfach weil der Vortragende sei-ne Hände nicht nur zum Weiterklicken der Folien sondern beispielsweise für einen Perspektivwechsel auf das gezeigte Objekt benutzen könnte. Ganz abgesehen davon, dass er die Folien einfach weiterwischen könnte. Und wie wäre es, beim Internetshopping das Objekt der Begierde ausgiebig von allen Seiten betrachten zu können, in dem

wir es mit unseren Händen drehen und wenden? Das würde sich erstens wesentlich realistischer anfühlen, als mit der Maus und sieht zweitens nach Minority Report aus. Fehlt nur noch der Stoffproben aus-spuckende Apparat neben dem PC, damit man gepflegt ins Leder beißen kann, um dessen Qualität zu schmecken.Jeder mag Gadgets wie dieses, die in Fil-men erst in den Zeiten jenseits der 2030er auftauchten. Und wenn alles nach Plan läuft, sollen wir schon Ende 2012 unsere Hände auspacken und neu entdecken kön-nen. Also Flossen hoch, das ist ein Über-fall! ms

Nahaufnahme – was gibt’s hier zu sehen?

Teilnahme ab 18 Jahren; ausgenommen: Aperto- und tyyp-Mitarbeiter. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Aperto Plenum lost 3 Gewinner aus und benachrichtigt sie per E-Mail. Bei Unzustellbarkeit wird neu gelost. Der Teilnehmer stimmt zu, dass personenbezogene Daten (gemäß Bundesdatenschutzgesetz) im erforderlichen Umfang verarbeitet werden. Er hat Anspruch auf Auskunft oder Berichtigung nach den gesetzl. Vorgaben und kann die erteilte Einwilligung widerrufen, was den Ausschluss vom Gewinnspiel zur Folge hat.

Das Lösungswort ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der abgebildeten Dinge. Wer es errät, schickt es an: [email protected]! Bitte Vor-, Nachname und Postadresse nicht vergessen. Unter den Teilnehmern verlosen wir handgearbeitete Produkte der Berliner Designmanufaktur tyyp: 1 Jahreskalender mit USB-Stick, 1 Notizbuch und 1 Wandkalender. Teilnahmeschluss: 31.12.2012

[email protected]

Telefon 030 67 80 68 90 Telefax 030 67 80 68 920

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Ich war damals sechs Monate lang im All gewesen und völlig an die Schwerelosigkeit angepasst. Der Wiedereintritt in die Atmosphäre mit der russischen Sojus-Kapsel fühlte sich an wie eine choreogra-phierte Abfolge katastrophaler Ereignisse, die mit dem Frontal- aufprall eines Kleinwagens in einen LKW endete. Ich war in dem Kleinwagen.Als wir gelandet waren, warteten wir 30 Minuten auf die Hilfskräfte, die uns aus dem Raumfahrzeug bergen sollten. Drinnen war es heiß und es roch nach verbranntem Gummi. So eingeklemmt in meinen Kokon konnte ich mich kaum bewegen und alles schien tonnenschwer: meine Bücher, meine Handschuhe, meine Uhr, mein Stift. Ständig fielen mir Dinge aus der Hand, ange-zogen vom Erdkern.

… zurück zur Erde

Paolo Nespoli, geboren 1957, in Mailand, Italien; ist Astronaut der Europäischen Weltraum-organisation ESA. Während eines Langzeitaufenthalts auf der internationalen Raumfahrt-station ISS verbrachte er 159 Tage schwerelos und kehrte am 24. März 2011 auf die Erde zurück. Wenn Paolo Nespoli nicht gerade im Weltraum ist, begeistert er Menschen für das Thema Raum-fahrt via Social Media und auf diversen Veranstaltungen.

ESA | Die Europäische Welt-raumorganisation fördert und koordiniert die Entwicklung der europäischen Raumfahrt. Indem sie die Finanzmittel und das Know-how von 20 Mitgliedsstaaten bündelt, ermöglicht sie die Realisierung von Programmen und Projekten, die diese alleine nicht auf die Beine stellen könnten. Wie und wo (europäische) Raumfahrt Einfluss auf unser Leben hat, kann man hier erfahren:

www.esa-downtoearth.eu

Herr Nespoli, wie fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal von einem langen Weltraum-aufenthalt zurückkommt?

DAS 1 . MAL |

Mein Gleichgewichtssinn war völlig übersteuert und feuerte verunsicher-te Signale an mein Gehirn. Mein Herz – nun wieder gezwungen, Blut von meinen Füßen zurück zum Herzen zu pumpen – arbeitete wie wahnsinnig. Übelkeit stieg in mir auf: Meinem Gehirn gefiel nicht, wo ich war.Endlich zogen sie mich hinaus und setzten mich für ein paar Minuten zusammen mit meinen Kollegen vor das Raumfahrzeug, für das traditio-nelle Foto.Die Sonne auf meinem bleichen Gesicht überraschte mich. Anfangs brannte es, doch dann wurde daraus ein angenehmer Schauer, der meinen Körper durchlief. Und dann roch ich das Gras und den Schmutz; intensive und einfache Gerüche, die meine Seele tief berührten. Ich begann, Dinge zu hören. Andere Dinge als das Summen der Raumstation und die Stimme aus dem Space-to-Ground-Funk.Auf einmal fühlte ich, dass ich zurück auf Mutter Erde war. Und es fühlte sich gut an, ich war glücklich.

Foto: NASA

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Digitaler Hürdenlauf

00 Prozent Zoom – anders kann Paulina Gawin das Web-Angebot einer großen deutschen Boulevard-Zeitung nicht lesen. Die Schrift ist

jetzt zwar größer, doch die Namen der ein-zelnen Ressorts der Navigationsleiste sind ineinander gerutscht, die Überschriften der Artikel im Newsfeed abgeschnitten. Surfen als Hürdenlauf. In Deutschland geht es vielen Menschen wie Gawin: Zum Jahresende 2009 lebten laut dem statisti-schen Bundesamt (Destatis) 7,1 Millio-nen Schwerbehinderte in der Bundesre-publik. Fast jeder Zehnte ist sehbehindert und eine unbekannte Zahl leidet an moto-rischen oder visuellen Einschränkungen, die die Nutzung von Computern beein-trächtigen. Trotzdem ergab eine Studie der Akti-on Mensch, dass Menschen mit Behinde-rung länger und öfter im Internet sind. An der Online-Umfrage nahmen mehr als 600 Nutzer teil. »Im Web steht die Behin-derung eines Menschen nicht im Vorder-grund. Wenn sich jemand zum Beispiel an Diskussionen beteiligt, dann zählt erst ein-mal seine Meinung«, erklärt Iris Cornels-sen, Koordinatorin der Studie. Vorbehalte und Vorurteile anderer Menschen fielen im Web weg, aber auch physische Hindernisse aus der analogen Welt. Ein Online-Ange-bot kann etwa einen mühsamen Behör-dengang ersparen.

Online-Shopping und Web-Nachrichten lesen – für die meisten Alltag. Für viele andere jedoch ein schwieriges Unterfangen. Wie fühlt es sich an, wenn Surfen im Netz die eigenen Grenzen bewusst macht?

Text: Katharina Heller Fotos: Denny Rosenthal

23BERICHT |

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Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Websites barrierefrei, also für alle nutzbar sind. Öffentliche Institutionen sind durch eine ergänzende Verordnung des Behinder-tengleichstellungsgesetzes dazu verpflich-tet, ihre Internetauftritte entsprechend zu gestalten. Hindernisfreie Seiten arbeiten zum Beispiel mit starken Kontrasten für Farbenblinde und erlauben starke Zooms, ohne dass Schriften ineinander rutschen. Manche Internetauftritte verfügen sogar über Videos in Gebärdensprache. »Das Internet barrierefrei zu machen, ist an vielen Stellen einfacher, als dies in der wirklichen Welt umzusetzen«, sagt Cor-nelssen.

Online-Shopping gerät zur FarceAllerdings ist dies bei der Masse aller Inter-netseiten im weltweiten Netz noch nicht der Fall. »Wenn man keine Einschränkun-gen hat, kann man sich gar nicht vorstel-len, wie schwierig die einfachsten Sachen im Internet sein können«, sagt Gawin. Sie muss es wissen, denn ihre starke Fehl-sichtigkeit wurde nur künstlich über eine Simulationsbrille hergestellt. Eigentlich beträgt ihre Sehleistung 100 Prozent. Auf-setzen muss die Brille jeder, der wie Gawin an einem Barrierefreiheit-Workshop teil-nimmt, in dem Behinderungen simuliert werden. Ziel ist es, nachzuempfinden, was es bedeutet, mit körperlichen Einschrän-kungen im Web zu surfen.Online-Shopping etwa gerät zur Farce, wenn Zeige- und Mittelfinger mit Tesafilm aneinander geklebt sind, um motorische Schwierigkeiten zu simulieren. Allein das

ausgewählte Produkt mit der Maus zu tref-fen, wird schon zu einer Herausforderung. »Wenn ich das so eingeschränkt machen müsste, würde ich es mir gleich sparen«, sagt Gawin. So denken viele Betroffene: Laut dem Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit (BKB) brechen 50 Prozent der User einen geplanten Einkauf ab, wenn sie Schwie-rigkeiten mit der Nutzbarkeit des Online-Shops haben. Dabei könnten gerade die Internet-Händler von dieser Zielgruppe profitieren, da es vielen Menschen mit Einschränkungen leichter fällt, im Web einzukaufen. Doch längst nicht nur behinderte Men-schen profitieren von hürdenfreien Sei-ten. In der alternden deutschen Gesell-schaft gibt es immer mehr Menschen, die schlecht sehen und hören können. Schon heute sind laut Destatis rund 21 Prozent der Deutschen über 65 Jahre alt, 2030 werden es 29 Prozent sein. Daneben vereinfacht etwa die Funktion »leichte Sprache« Usern mit schlechten Deutschkenntnissen das Surfen. Sie erklärt komplexe Texte mit einfachen Worten.Und es sind nicht nur Menschen, denen die Barrierefreiheit das Surfen erleichtert: Suchmaschinen lesen Websites ähnlich wie Screenreader, die Blinden den Seiteninhalt vortragen. Beide Technologien brauchen gut strukturierte Informationen. Für sie ist es zum Beispiel wichtig, dass Überschriften als solche formatiert werden. Sonst werden diese als normaler Text eingestuft. Das irri-tiert sowohl blinde User, denen der Screen-reader keinen schnellen Überblick durchs

Headline-Vorlesen geben kann als auch Suchmaschinen. Für Google und Co. spie-len neben Keywords unter anderem Über-schriften eine wichtige Rolle, um zu ent-scheiden, wie eine Website gelistet wird.

Mehr Bewusstsein für BarrierefreiheitNun möchte doch eigentlich jeder mög-lichst weit oben im Google-Ranking ste-hen. Da überrascht es, dass längst noch nicht alle Websites hürdenfrei sind. Klemens Kruse ist Geschäftsführer des Bundeskompetenzzentrums Barrierefreiheit und kennt den Grund. »Die Hauptursache ist, dass das Thema noch verhältnismäßig jung ist und schlicht nicht in allen Köp-fen angekommen«, sagt er. Am Kostenfak-tor liege es nicht, eine Website von Anfang an barrierefrei umzusetzen. Wer nachträglich anpasst, muss allerdings alle Arbeitsschritte des Website-Baus ein-zeln abklappern: Design ändern, dann die Funktionen der Oberfläche, also das Frontend und eventuell auch die Tech-nik dahinter. Wenn viel verbessert werden muss, die Voraussetzungen der Internet-seite also schlecht sind, dann kann es auf-wendig und entsprechend kostenintensiver werden. Bei bestehenden Internetauftrit-ten empfiehlt es sich deshalb, sie im Zuge eines Relaunches hürdenfrei zu realisieren, da hier ohnehin neu programmiert wird. Ob nachgebessert oder beim Neuprogram-mieren gleich mit beachtet: Barrierefreiheit wird sich weiter durchsetzen, da sind sich Kruse und Cornelssen einig. »Die Zukunft des Internet ist barrierefrei«, prognostiziert Kruse.

Barrierefreiheit im Web – Was ist das?Die Website kann komfortabel von allen Menschen bedient werden, unabhängig von körperlichen Einschränkungen.

Wie funktioniert das?• Starke Farbkontraste • Vergrößerbare Schrift• Große Klickflächen• Einfache Navigation • Klare Strukturierung des Inhalts• Seitenmenüs und Formulare sind auch über die Tastatur benutzbar• Videos haben Untertitel

Welche weiteren Vorteile gibt es?• Gute Auffindbarkeit in Suchmaschinen dank strukturierter Codes• Geräteunabhängigkeit und schnelle Ladezeiten durch kompatible Technologien und Trennung von Inhalt und Design

25BERICHT |

Paulina Gawin als Teilnehmerin des Barrierefreiheit-Workshops: Eine Simulationsbrille schränkt ihre Sehkraft ein, das Klebeband um die Finger behindert ihre Motorik.

ine beliebte Anwendung zur Verwaltung von To-Do-Listen ist »Clear«. Dabei setzt die App fast ausschließlich auf Touch-Gesten. Es gibt keine Buttons, die »angetappt« werden kön-

nen. Stattdessen müssen Bewegungen auf dem Touch-Screen ausgeführt werden. Sofort intuitiv bedienbar ist das für den Nutzer allerdings nicht, er muss sämt-liche Gesten erst einmal erlernen. Werden alle Ges-ten beherrscht, ist die Bedienung simpel und richtig schnell. Wenn nicht, ist der Nutzer verloren. Zwischen Riesenlob und Verärgerung über herausgeschmissenes Geld streiten sich deshalb bis heute Blogger darüber, ob »Clear« nun sinnvoll ist oder nicht.Je mehr Gesten innerhalb einer App genutzt wer-den können, desto größer ist zwar der Bedienspaß, es wächst aber auch die Gefahr, dass Nutzer auf der Stre-cke bleiben. »Wie füge ich diesen Artikel doch gleich zu meinen Favoriten hinzu?« Das Risiko, dass die App sofort gelöscht oder nicht mehr genutzt wird, ist hoch. Längst erlernt, neu erlernt, nie erlernt? Bei allen Möglichkeiten, die Touch-Interfaces bieten, sind sinnvoll beschriftete Buttons deshalb eine gute Alternative, um dem Nutzer vollen Funktionsumfang und eine gute Bedienung zu bieten; auch wenn der Spaß etwas auf der Strecke bleibt. Sollten die Anbie-ter im Zweifel also doch lieber auf herkömmliche Methoden zurückgreifen? Wie viel kann man Nut-zern zutrauen oder sogar zumuten? Stichworte wie Spieltrieb und Entdeckungsdrang fallen oft in diesem Zusammenhang. Kann sich eine Applikation wirklich erlauben, spiel-trieb- und entdeckungsresistente Nutzer zugunsten

Ob auf dem Smartphone, dem Tablet oder auch per Trackpad – Touch-Gesten machen Spaß. Kosten sie aber zu viel Lernzeit, laufen Anwendungen Gefahr, nicht genutzt zu werden. Text: Laura Müller

E

Längst erlernt, neu erlernt, nie erlernt ?

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einer leichten Erstbedienung auszuschließen? App-Entwickler stehen vor einem Dilemma: Die Nutzung von Touch-Gesten fördert eine gute User-Experience, das Erlernen dieser Gesten kostet hingegen Zeit und Geduld. Bisher gibt es keine einheitlichen Nutzungs-leitlinien für Gestensteuerung, nicht für Apps und schon gar nicht geräte- und systemübergreifend. Stan-dards wären aus Nutzersicht ein starker Vorteil, doch die Patentkriege zwischen Geräteherstellern sprechen eine andere Sprache. Eine Möglichkeit, die Nutzung intuitiv und spannend zu gestalten, ohne den Nutzer zu überfordern, ist, sich bereits gelernter Gesten aus dem analogen Bereich zu bedienen. Solche Gesten geben Nutzern die nöti-ge Sicherheit im Umgang mit fremden Benutzerober-flächen. Ein gutes Beispiel ist der Vorgang des Seiten-umblätterns innerhalb der meisten E-Reader-Anwen-dungen für Touch-Geräte. Von rechts unten wird die Seite wie beim echten Blättern nach links oben gezo-gen. Eine natürliche Geste, die nicht per Manual oder Tutorial erklärt werden muss. Ebenso funktionieren die beliebten »Schneekugel-Apps« für mobile Geräte, die wie im »echten« Leben geschüttelt werden müssen, um den digitalen Kunstschnee aufzurütteln. Solcher Gesten gibt es viele: »Drehen«, »Schütteln«, »Werfen«, »Abreißen«, »Kippen«, »Aufziehen«. Um Nutzer zu motivieren, ihren Tastsinn intuitiv anzuwenden, kön-nen Objekte räumlich gestaltet werden. Die sehr rea-listische Darstellung löst sofort ein haptisches Emp-finden aus. Da das Zusammenspiel aus der Motivation, eine App zu nutzen und der Bereitschaft Neues zu erlernen hoch ist, könnten Gesten nach und nach eingeführt werden. Fügt ein Nutzer beispielsweise mehrfach ein Objekt zu seinen Favoriten hinzu, wird ihm beim drit-ten Mal vorgeschlagen, per Double-Tap die Favoriten-funktion zu nutzen. Etwas aufwendiger und oft bei Spielanwendungen genutzt, ist die Möglichkeit, dem Nutzer die freie Wahl über das Bedienungskonzept zu überlassen. So kann er sich entweder verschiedenster Gesten bedie-nen oder herkömmliche Buttons nutzen. Er kann bei-spielsweise über Pfeile nach links oder rechts navigie-ren oder über das Schwenken des Gerätes alles steuern. Der Nutzer entscheidet in diesem Fall selbst. Die Entscheidung, wie viele Gesten eine App verträgt, ist pauschal nicht zu treffen und hängt letztendlich von vielen Faktoren ab: Ziel- oder Interessengruppe, App-Konzept, Nutzungsansatz. Deshalb mein Fazit: Touch ist geil, aber die volle Bandbreite wird noch lan-ge nicht ausgeschöpft.

DIGITAL |

ehler in der physischen Realität sind nicht ohne weiteres korrigier-bar – ganz anders als im Virtuel-len. Wenn man in Handarbeit etwas

falsch macht, ist das meistens irreversibel. Die physische Realität kennt kein »Undo«. Aber gerade darin liegt das große Plus des Haptischen, denn Fehler bergen das Poten-zial zur kreativen Erfolgsstory.In der digitalen Produktentwicklung ist das Fehlermachen mittlerweile sogar eine probate Arbeitsmethode geworden, die der Start-up-Mentalität entspricht. Die Rede ist davon, »Minimum Viable Pro-ducts« (MVP) über direktes Userfeedback in schrittweisen Beta- und Prototyping-Stadien zu verbessern. Dazu stellt man ein minimal ausgearbeitetes, möglicherweise fehlerhaftes Produkt potenziellen Kun-den zur Verfügung, um es mit Hilfe ihres Verhaltens und Feedbacks zu optimieren. So entsteht mit Unterstützung der User ein Produkt, das ihren Bedürfnissen tat-sächlich entspricht. Die Bildercommunity Flickr beispielsweise war ursprünglich als Online-Game geplant. Die Nutzer formen sich die Produkte, bis sie auf ihre Bedürf-nisse passen. Der Fehler ist Zeitgeist. Die OFFF, das International Festival for the Post-Digi-tal Creation Culture, machte ihn zu ihrem Konferenzthema 2009: »This isn’t flying, this is falling with style. Fall gracefully«. Auf einem Panel der Konferenz South by Southwest (SXSW) 2012 in Austin, Texas debattierte man einen Paradigmenwech-sel in der Rezeption visueller Medien: Die Diskutanten labelten postdigitale Hiccups, also etwa durch Datenkompression erzeug-te Bildverfälschungen, grobe 3D-Polygon-Prints, generative Designfraktale oder Twitter-Bot-Data mit dem Begriff: »The New Aesthetic«.

Modell für die KommunikationsbrancheDer britische Schriftsteller und Technolo-ge James Bridle beschreibt solche Phäno-mene als Eruption des Digitalen ins Phy-sische. Die Übersetzungsfehler der Maschi-nen werden von ihm als Emanzipation

und erster Gehversuch künstlicher Intel-ligenz geoutet. Satellitenbilder, Google Street View und Videoüberwachung kon-frontieren uns mit einer neuen Ästhetik. Über den Blick der Roboter entdecken wir eine zweite Realität. Diese von Emotionali-tät befreiten Bilder wirken bisher noch wie Fehler in unserem Wahrnehmungssystem.Als Methodik um zu neuen, kreativen Lösungen zu kommen, ist das Fehlerma-

chen aber eigentlich nichts Neues. Spätes-tens seit der Moderne ist der Misserfolg ein essenzieller Treiber für künstlerische Produktion. Dadaisten, Surrealisten und Fluxus-Leute nutzten Fehler und Zufall für provokanten Output. Künstler wie Bruce Nauman oder Matthew Barney haben das Fehlermachen stilisiert und zum Energiezentrum ihrer Arbeiten gemacht. Methodisch zu scheitern, um aus gewohn-

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Die physische Realität kennt kein »Undo«. Das ist gut so, denn Fehler bergen Kreativpotenzial, findetJan Pautsch, Unitleiter Kreation bei Aperto Berlin.

Kommunikationsmaßnahmen über Fehl-tritte neu zu justieren, bedarf es Selbst-bewusstsein, Vertrauen und Verbündeter. Und es bedarf einer sauberen Planung, die umso zielgenauer sein muss, je flexibler der Prozess ist.

Kreativpotentiale für TeamsAuch die Herausforderung für die Kom-munikationsbranche wird größer, weil ihre

Arbeit fast immer im Teamwork entsteht – zwischen Marketing und Pressestelle, Marketer und Agentur, mehreren Agentu-ren untereinander, im eigenen Team. Wie gelingt es, im eigenen Unternehmen das Potenzial des kreativen Fehlermachens zu nutzen? Man muss Raum schaffen, um die-se Methodik auszuprobieren; und Mitar-beiter darauf sensibilisieren, die (vermeint-lichen) Fehler des anderen nicht einfach zu eliminieren, sondern sie in ihr eigenes Konzept einzubeziehen. Man könnte die-sen Prozess ›Do-It-Yourself-With-Others‹ nennen, die Multiplikation des DIY mit dem kollaborativen Teamgedanken.Umgesetzt können dabei Workshopserien wie Apertos DECODER entstehen, bei dem es um das Dechiffrieren von Kreativ-mustern, Kommunikationssystemen und Arbeitsmethoden geht. Das Projekt pro-voziert einen »Clash« unterschiedlicher Unternehmenswelten und -kulturen von Werbern, Digitalexperten, Campaignern, PR- und Mobile-Spezialisten sowie Mar-kenstrategen. Dabei stehen das gemein-same, physische Machen und damit auch Fehlermachen fernab vom Rechner – das Denken mit den Händen – im Vorder-grund. Unter der Leitung von kreativen Köpfen wie Van Bo Le-Mentzel, Designer, Architekt und Erfinder der Hartz-IV- Möbel und Eike König (HORT), einem der wichtigsten deutschen Kommunikati-onsdesigner, wird die Komfortzone durch sensorische Erfahrungen verlassen. Eike ließ seine Teilnehmer instinktiv ihren eigenen Weg suchen – ohne jegliches Brie-fing. Mit Van Bo bauten Teilnehmer zu seinem Projekt »One-SQM-House« ein Quadratmeter große Häuser aus Holz und befüllten sie mit Geschichten. Warum? Weil sie Van Bos Vision vom Extra-Raum in einer überbevölkerten Welt repräsentie-ren und deren Interpretation spannend ist. Weil dabei etwas Nachhaltiges, Bleiben-des entsteht. Und weil reale Objekte Pro-jektionsfläche für Träume und Ideen sein können. Der Ausgang dieser und aller fol-genden DECODER Unternehmungen ist offen – Fehlermachen inklusive.

NOCH WAS … | 29

ten (Denk-)Strukturen auszubrechen, ist kreations- und innovationsimmanent.Die Kreativ- und Kommunikationsbran-che lernt die Methodik des Fehlermachens von den Produktentwicklungsstrategien der Start-ups und den Kreativmethoden der Designindustrie, wie beispielsweise »Design Thinking«. Denn auch Kommu-nikation ist ein fluides, formbares, lenk-bares und anpassbares Produkt. Um aber

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