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Die Irrationalit¨at von ζ (3) - Beweisanalyse und Verallgemeinerungen Nicola Oswald 13. Januar 2011

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Die Irrationalitat von ζ(3) -Beweisanalyse und

Verallgemeinerungen

Nicola Oswald

13. Januar 2011

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Inhaltsverzeichnis

1 Irrationalitat 31.1 Historie, Philosophie und Mathematik . . . . . . . . . . . . . 3

1.1.1 Vom Menschsein und der Mathematik . . . . . . . . . 41.1.2 Erste reelle Meilensteine . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.1.3 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Irrationalitat und Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.2.1 Einige Satze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.2.2 Transzendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.3 Herangehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.3.1 Bedeutung des Kettenbruchs . . . . . . . . . . . . . . . 131.3.2 Khinchine-Konstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151.3.3 Irrationalitatsmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2 Irrationalitatsbeweis von ζ(3) 192.1 Geschichtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.1.1 Kurze arithmetische Einordnung der Riemannschen ζ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.1.2 Motivation fur Irrationalitatsuntersuchungen . . . . . . 212.2 Mathematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2.1 Strukturentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.2 Irrationalitatsmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2.3 Eine Rekursion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2.3 Gesetzmaßigkeiten der verwendeten Zahler- und Nennerfolgen 25

3 Entscheidende Beweisideen 323.1 Der Durchbruch - Aperys Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.1.1 Die Apery-Konstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.1.2 Die Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.2 Viel einfacher - Beukers Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.2.2 Legendre-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

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INHALTSVERZEICHNIS 2

3.3 Hypergeometrisch - Nesterenkos Beweis . . . . . . . . . . . . . 433.3.1 Einfuhrung Hypergeometrischer Funktionen . . . . . . 433.3.2 Die Linearform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.3.3 Die Abschatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

3.4 Rationale Folgen - Hypergeometrische Reihen - Multiple Inte-grale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.4.1 Rationale Folge - Rekursion . . . . . . . . . . . . . . . 523.4.2 Hypergeometrische Reihen - Integrale . . . . . . . . . . 53

4 Ideen ubertragen 564.1 Neue Integraldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4.1.1 Harmonische Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574.1.2 Multiple Zetawerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624.1.3 Differenz der Integraldarstellungen . . . . . . . . . . . 64

4.2 Verallgemeinerungen aufmultiple ζ-Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.2.1 Eulersche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674.2.2 Dilogarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

4.3 Komplexes Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704.4 Beukers Integrale angewandt auf die Dirichletsche L-Funktion 71

5 Anregungen und Ausblick 775.1 Weitere Integraldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

5.1.1 Darstellung von Calabi . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.1.2 Das Drinfeld-Kontsevich-Integral . . . . . . . . . . . . 78

5.2 Anwendung auf multiple ζ-Werte . . . . . . . . . . . . . . . . 805.3 Hypergeometrische Darstellung benutzen . . . . . . . . . . . . 81

5.3.1 Zum Beweis von Nesterenko/Zudilin . . . . . . . . . . 815.3.2 Konstruktion von Linearkombinationen von Polyloga-

rithmen als hypergeometrische Funktionen . . . . . . . 825.4 Resume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

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Kapitel 1

Irrationalitat

Diese Arbeit ist in erster Linie dem Nachweis der Irrationalitat einer au-ßergewohnlichen Konstanten gewidmet: dem Wert der Riemannschen ζ-Funktion an der Stelle drei. Diesen werden wir im folgenden Kapitel nochausfuhrlich kennenlernen. Viele Jahre gilt es als nahezu unantastbare Ver-mutung, daß Werte der Riemannschen ζ-Funktion fur positive ungerade Ar-gumente irrationalen Charakter besitzen, bis schließlich 1979 Roger APERY(1916 - 1994) [2] der entscheidende Beweis fur ζ(3) gelingt. In [39] beschreibtAlfred van der POORTEN (1942 - 2010) die allgemeine Skepsis gegenuberAperys Nachweis und die generelle Tendenz, ihn als Aneinanderreihung un-wahrscheinlicher Behauptungen anzusehen. In diesem Kapitel wollen wiruns unter anderem mit den Hintergrunden befassen, warum dieser Beweiszunachst auf einen derartigen Unglauben bei seinen ZuhorerInnen stoßt.Worin liegt die Herausforderung im Umgang mit irrationalen oder mehr nochmit transzendenten Zahlen? Und warum erregen sie seit Jahrhunderten dasoft kontroverse Interesse von MathematikerInnen?

1.1 Historie, Philosophie und Mathematik

Die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Irrationalitat ist außeror-dentlich vielschichtig. Obwohl die exakte mathematische Definition einerirrationalen Zahl erst im 19. Jahrhundert formuliert wird, findet bereitsseit der griechischen Antike ein mathematisch weitgehend korrekter Um-gang damit statt. Ausdrucke wie Unendlichkeit, Grenze beziehungsweiseGrenzwertbildung geben lange Zeit Anlass zu Skepsis, Diskussion undZerwurfnissen. Wir wollen hier eine einleitende Betrachtung durchfuhren,die einige herausragende philosophische und mathematische Perspektivenaufzeigt.

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1.1.1 Vom Menschsein und der Mathematik

“ [...] die Mathematik ist ein Abstraktum oder allenfalls eineGestalt des objektiven oder gar des absoluten Geistes, und diesekann wohl groß, aber nicht elend sein wie ein Mensch.“ [10]

Als Ausgangspunkt soll zunachst der Konflikt beziehungsweise Konsens die-nen, der aus den Begriffen des “Menschseins“ und der “Mathematik“ (alt-griech. “Die Lehre des Denkens“) hervorgeht. In der Charakterisierung desMenschlichen wollen wir die Aspekte der Individualitat und des menschli-chen Temperaments, die bei umfassender Betrachtung miteinbezogen werdenmussen, außer Acht lassen und uns auf die Eigenschaft der “endlichen Lebens-zeit mit beschranktem Verstand“ [20] konzentrieren. Diese steht in diametra-lem Gegensatz zu dem Ideal des “gottlichen Verstandeswesen“ [20], welchesin der Literatur der Mathematik zugeordnet wird. Da diese Gegenuberstel-lung Hand in Hand geht mit dem historischen Konflikt des Formalismus undder Intuition bei mathematischen Beweisfuhrungen, wollen wir im Weiterenden antiken Begriff der “Gottlichkeit“ durch “Intuition“ aktualisieren. Umdie Wechselwirkung beider Seiten aufeinander zu beschreiben, soll folgendeSichtweise angenommen werden:

“Der endliche Mathematiker dient dem klaren Formalismus,der aus Intuition fur das unbeschrankte, mathematische Ideal erstangewandt werden kann.“[20]

Die MathematikerIn beschließt durch abstrahierende geistige Tatigkeit al-so selbst das Sein mathematischer Sachverhalte, woraus sich ein spannendesAbhangigkeits- beziehungsweise Unabhangigkeitsgefuge ableiten lasst. Zumeinen charakterisiert die MathematikerIn durch Axiomensysteme bestimm-te Gegenstandsbereiche und entwickelt dadurch ein methodisches Mittel zurBehandlung von Theoremen und Beweisen. Ein bekannter wissenschaftlicheAnhanger dieses Formalismus unter anderem David HILBERT (1862 - 1943),dessen Ideen auf der Interpretation aufbauen, daß die Mathematik vom Men-schen erst erfunden wird. Dies beschreibt den von Immanuel KANT (1724-1804) eingefuhrten Begriff des diskursiven, also anschauenden Verstandes.Ihm gegenuber stellt der Philosoph den intuitiven Verstand wie folgt:

“Weil aber zur Erkenntnis doch auch Anschauung gehort, undein Vermogen einer volligen Spontaneitat der Anschauung ein

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 5

von der Sinnlichkeit unterschiedenes und davon ganz unabhangi-ges Erkenntnisvermogen, mithin Verstand in der allgemeinstenBedeutung sein wurde: so kann man sich auch einen intuitivenVerstand (negativ, namlich bloß als nicht diskursiven) denken[...]“ [24]

Auf die Mathematik bezogen, lasst sich folglich die Unabhangigkeit erortern:Die Mathematik existiert unabhangig vom Menschsein, ihr ist ein intuiti-ver Verstand zuzuordnen. Dies beschreibt die Grundlage des Platonismus,dessen Anhanger wie beispielsweise Kurt GODEL (1906 - 1978) und PaulERDOS (1913 - 1996) die Ansicht vertreten, dass der Mensch mathemati-sche Sachverhalte lediglich entdeckt. Das zugrunde liegende Prinzip, durchdas die Endlichkeit des Menschen also auf die Mathematik angewandt wird,entspricht der Beherrschung des Großen durch das Kleine beziehungsweisedes Unendlichen durch das Endliche. Dennoch bleibt als gestecktes Ziel nichtdie Methodik der menschlichen Mathematik, sondern die Mathematik selbstin ihrer Unendlichkeit.

1.1.2 Erste reelle Meilensteine

Die Tatsache, dass WissenschaftlerInnen bereits Jahrhunderte vor der ex-akten Einordbarkeit von Begriffen wie “irrational“ oder “unendlich“ Er-klarungen dafur suchen, zeugt von der Faszination, die nicht-rationale Zahlenausuben. Geht man von der Grundlage eines Zahlsystems aus, welches ver-mag, beliebige Naherungswerte beliebiger reeller Zahlen anzugeben, so gehtdie Theorie der reellen Zahlen zuruck bis auf das babylonische Reich um600 v. Chr.. Der Umgang ist allerdings noch sehr intuitiv und naiv. So ver-mag er nicht, die Kluft zwischen erfahrenen Großenmaßen und prinzipiellapproximierbaren Zahlen zu schließen und liefert folglich keine axiomatischeEinordnung nicht-rationaler Zahlen.Insbesondere wahrend der griechischen Antike ist die Mathematik stets engmit philosophischen, teilweise mystischen Spekulationen verbunden. Erst im4. Jahrhundert v. Chr. definiert ARISTOTELES (384 - 322 v.Chr.) die Kunstder Mathematik als freie Lehre (“padeia“). Er gesteht ihr zu, daß sie

“[...] um ihrer selbst willen betrieben wird, nicht wegen ihresNutzen oder zum Vergnugen“ [10].

PYTHAGORAS von Samos (570 - 510 v. Chr.) gilt bereits als erster Wis-senschaftler, der gemaß dieser Definition studiert und sein Leben der Ma-thematik gewidmet hat. Gerade die Befreiung vom Anwendungszwang stellthierbei die entscheidende Innovation dar. Einer der wegweisenden Grundsatze

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 6

der pythagoraischen Schule besteht in dem ideellen Vorsatz “Alles ist Zahl.“,welcher die Maxime beschreibt, daß jede reale Begebenheit in ganzen Zah-len dargestellt werden kann. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bietethierfur das von ANAXIMANDER (619 - 547 v. Chr.) entwickelte Weltsy-stem. Der vorpythagoraische griechische Mathematiker versucht ein exakteszahlentheoretisches Konstrukt fur den Aufbau der Welt festzulegen. So wirdbeispielsweise beschrieben, dass die Erde in einem Verhaltnis von Eins zu Dreiin der Mitte des Kosmos schwebt. Das Chaos wird im Begriff “Apeiron“, desUnbegrenzten, versuchsweise rational erfasst. Zeitbemessen soll hieraus derganze Kosmos entstehen. Eingebettet in ein striktes System aus Verhalt-nissen ganzer Zahlen, widmet man sich dem Begriff der Unendlichkeit.

Der griechische Philosoph Anaximander (610 - 547 v.Chr.) wird den miletischen Naturphilosophen zugeordnet. Sein Hauptin-teresse galt der Frage nach dem Ursprung allen Seins. Von weiteren Phil-sophen seiner Zeit unterschied er sich insbesondere durch das sogenannteApeiron, das Unbegrenzte oder auch Unermessliche, aus dem alles Sein ent-steht. Als erster beschaftigte er sich mit der Frage nach dem Weltganzenbeziehungsweise der Kosmogonie, zeichnete die erste bekannte Weltkarteund sogar eine Karte des Universums.

In der pythagoraischen Schule begegnet uns einer der ersten philosophischenKonflikte der Mathematik. Einen Widerspruch ihrer eigenen Maxime werfendie Pythagoraer selbst auf, als sie entdecken, daß die Seite eines Quadratsmit ihrer Diagonalen inkommensurabel ist. Fur ein Quadrat mit SeitenlangeEins folgt hieraus die beruhmte Tatsache, dass

√2 kein Element der ra-

tionalen Zahlen sein kann. Diese erste Entdeckung einer irrationalen Zahlerschuttert bekanntermaßen die antike Idealvorstellung von der Mathematikzutiefst. Nach dem Untergang der pythagoraischen Schule im 4. Jahrhundertv. Chr. ging schließlich eine Vielzahl an erklarenden Ideen und Errungen-schaften verloren.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 7

1.1.3 19. Jahrhundert

Als entscheidende Epoche der Neuerungen innerhalb der Mathematik ist das19. Jahrhundert hervorzuheben. Der Konflikt zwischen Religion und Natur-wissenschaft spaltet MathematikerInnen in BefurworterInnen und Ablehnen-de des Unendlichen als mathematische Große. Insbesondere die Frage nacheinem Existenzbeweis Gottes fuhrt zu unterschiedlichen Positionen und in-direkt zu einer Motivation fur neue mathematische Herangehensweisen.Wir wollen zunachst anhand eines Auszugs innerhalb eines Briefwechsels zwi-schen Carl Friedrich GAUSS (1777 - 1855) und Heinrich Christian SCHU-MACHER (1780 - 1850) den Konflikt bezuglich der Behandlung des Unend-lichen ableiten, die die Mathematik des 19. Jahrhunderts beschaftigen soll.Innerhalb der Auseinandersetzung mit der Konstruktion eines Dreiecks mitSeiten unendlicher Lange bezieht Gauß eindeutig eine ablehnende Haltunggegenuber dem Unendlichen.

“Was nun aber Ihren Beweis fur 1) betrifft, so protestire ichzuvorderst gegen den Gebrauch einer unendlichen Grosse als ei-ner Vollendeten, welcher in der Mathematik niemals erlaubt ist.Das Unendliche ist nur eine Facon de parler, indem man ei-gentlich von Grenzen spricht, denen gewisse Verhaltnisse so na-he kommen als man will, wahrend anderen ohne Einschrankungzu wachsen verstattet ist. In diesem Sinne enthalt die Nicht-Euclidische Geometrie durchaus nichts Widersprechendes, wenngleich diejenigen viele Ergebnisse derselben anfangs fur paradoxhalten mussen, was aber fur widersprechend zu halten nur ei-ne Selbsttauschung sein wurde, hervorgebracht von der fruherenGewohnung die Euclidische Geometrie fur streng wahr zu halten“ [21]

Bemerkenswert ist unter anderem, dass die Auseinandersetzung mit mathe-matischen Grossen auf Prinzipien der Geometrie fußt. Dies wird sich inner-halb des kommenden Jahrhunderts entscheidend wandeln.Am Ende des Briefes bezieht Gauß eine versohnlichere Position gegenuber derIdee einer unendlichen Große seines Kollegen Schumacher, indem er sie in diemenschlichen Vorstellungskraft einbettet. Damit liefert er ein aufschlussrei-ches Bild von der Behandlung des Unendlichen zu Beginn des 19. Jahrhun-derts:

“Hierin ist aber nichts Widersprechendes, wenn der endlicheMensch sich nicht vermisst etwas Unendliches als etwas Gegebe-nes und von ihm mit seiner gewohnten Anschauung zu Umspan-nendes betrachten zu wollen.“[21]

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 8

Unterstutzt wird Gauß in seinen Ansichten unter anderem von AugustinLouis CAUCHY (1789 - 1857). Der uberaus fromme Mathematiker sieht dasUnendliche im Widerspruch zum Beweis der Existenz Gottes.In [15] bezieht Georg CANTOR (1845 - 1918) Stellung zu der Be-handlung des Unendlichen und ubt dabei unter anderem auch schar-fe Kritik an der vehementen Ablehnung durch, von ihm durchausgeschatzten Personlichkeiten der Mathematik wie Gauss und Cauchy.

Der deutsche Mathematiker Georg Cantor wurde am 3.Marz 1845 in Sankt Petersburg geboren. Eine streng-katholische Erzie-hung begrundet sein lebenslanges theologisches Interesse und die intensiveAuseinandersetzung mit philopsophischen Thesen. Daruber hinaus war eraußerordentlich engagiert in literarischen Forschungen und veroffentlichtemehrere Abhandlungen außerhalb der Mathematik. Besonders seine Ent-wicklung der “transfiniten Zahlen“ waren außerordentlich umstritten undso musste er sich, unter anderem beim Internationalen Mathematikerkon-gress von 1904, mehrfach gegenuber Kritikern durchsetzen. Beruhmt istCantor letztendlich als Begrunder der Mengenlehre, die eine Revolution inder Zuordnung von Mengen von Elementen begrundet.

Bemerkung. Das aktual Unendliche beschreibt im Folgenden die tatsachli-che Existenz einer unendlichen Machtigkeit.Cantor beschreibt, dass sich die Kritiker auf einen “grundfalschen Satz[es],wie [denjenigen] von der Unmoglichkeit aktual unendlicher Zahlen“ berufen.Vielmehr verfolgt er die erstaunlich moderne Idee, dass

“unendliche Zahlen [...] durch ihren Gegensatz zu den endli-chen Zahlen ein ganz neues Zahlengeschlecht konstituieren [...]“,

deren Betrachtung “in concreto“ und “in abstractro“ absolviert werden kann.Ausdrucklich bejaht er das Aktual-Unendliche in beiden Sichtweisen:

“[...] vielleicht bin ich der zeitlich erste, der diesen Stand-punkt mit voller Bestimmtheit und in allen seinen Konsequenzen

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 9

vertritt, doch das weiß ich sicher, daß ich nicht der letzte seinwerde, der ihn verteidigt!“

1.2 Irrationalitat und Transzendenz

Nachdem wir eine einleitende philosophische Betrachtung anhand ausgewahl-ter historischer Betrachtungsweisen durchgefuhrt haben, wollen wir uns nuneinigen mathematischen Gesichtspunkten zuwenden. Zunachst charakterisie-ren wir den Begriff der irrationalen Zahlen in ihrer Abgrenzung zu rationalenZahlen.

Definition. Eine reelle Zahl z ∈ R wird irrational genannt, wenn sie nichtals Verhaltnis zweier ganzer Zahlen ausgedruckt werden kann. Es gilt

z 6= p

qmit p, q ∈ Z und q 6= 0.

Da die Menge der reellen Zahlen durch diese Charakterisierung disjunkt zer-legt wird, lasst sich die Menge der irrationalen Zahlen durch R\Q ausdrucken.

1.2.1 Einige Satze

Aus der obigen Definition lassen sich einige interessante Tatsachen ablei-ten. Cantor, siehe [17], beweist durch das sogenannte Diagonalverfahren zumeinen die Gleichmachtigkeit von naturlichen Zahlen und rationalen Zahlen,zum anderen, dass es keine bijektive Abbildung zwischen der Menge derreellen Zahlen und den naturlichen Zahlen gibt. Daraus folgt die gelaufigeTatsache, dass die Menge der rationale Zahlen abzahlbar und die Menge derreellen Zahlen uberabzahlbar ist. Desweiteren gilt

Satz. Die Menge der irrationalen Zahlen ist uberabzahlbar.

Beweis. Angenommen, es gabe abzahlbar viele irrationale Zahlen. Die Verei-nigung zweier disjunkter abzahlbarer Mengen ergibt wiederum eine abzahlbareMenge. Demzufolge musste es abzahlbar viele reelle Zahlen geben. Dies lieferteinen Widerspruch zur Uberabzahlbarkeit der reellen Zahlen.

Den folgenden entscheidenden Satz findet man unter anderem in [35].

Satz. Im Sinne des Lebesgue-Maßes sind fast alle reellen Zahlen irrational.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 10

Beweis. Es ist ausreichend, den Beweis fur das offene Einheitsintervall (0, 1)zu fuhren. Alle rationalen Zahlen p

qmit 1 ≤ p ≤ q im Einheitsintervall liegen

ebenso in dem Intervall

Ip,q :=

(p

q− ε

q3,p

q+

ε

q3

),

wobei ε > 0 beliebig klein gewahlt werden kann. Fur die Lange des IntervallsIp,q gilt die Abschatzung

L (Ip,q) ≤∞∑q=1

q∑p=1

q3=∞∑q=1

q2=π2

62ε.

Positive rationale Zahlen besitzen folglich im Intervall (0, 1) Lebensgue-MaßNull, was den obigen Satz beweist.

Nun wollen wir naher auf die Approximierbarkeit der Zahlen untereinandereingehen.

Satz. Zwischen zwei reellen Zahlen z1 < z2 befindet sich stets sowohl einerationale als auch eine irrationale Zahl.

Beweis. Wir wissen nach dem Archimedischen Axiom, dass fur zwei reelleZahlen 0 < z1 < z2 eine ganze Zahl n existiert, so dass

z2 − z1 >1

n

gilt. Wahlen wir eine ganze Zahl m mit m < nz2 ≤ m+ 1, so ergibt sich

z1 < z2 −1

n≤ m+ 1

n− 1

n=m

n< z2.

Folglich ist mn

eine rationale Zahl zwischen z1 und z2.Um eine irrationale Zahl zu erhalten, wahlen wir eine ganze Zahl k mitz1 − m

n>√

2k

. Es ergibt sich

z1 <m

n+

√2

k<m

n< z2.

In diesem Fall ist also mn

+√

2k

eine irrationale Zahl, die zwischen z1 und z2

liegt.

Aus dem obigen Satz lasst sich schlussfolgern, dass jede reelle Zahl beliebiggut durch rationale und irrationale Zahlen angenahert werden kann. Dies be-deutet, dass sowohl die rationalen als auch die irrationalen Zahlen dicht inR liegen.Innerhalb der Menge der irrationalen Zahlen werden algebraische und tran-szendente Zahlen unterschieden.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 11

Definfition. Als algebraisch bezeichnet man eine reelle Zahl z, die Nullstel-le eines Polynoms von einem Grad n großer Null mit rationalen Koeffizientenist. Ein einfaches Beispiel hierfur sind unter anderem Wurzeln wie

√2.

Eine algebraische Zahl z ist vom Grad n ≥ 1, wenn sie der algebraischeGleichung

p(z) = a0 + a1z + a2z2 + · · ·+ anz

n

mit a0 6= 0 und ganzzahligen Koeffizienten ak ∈ Z, allerdings keiner Glei-chung von kleinerem Grad genugt.Desweiteren lasst sich beweisen, dass die Menge der algebraischen Zahlenabzahlbar ist und der folgende Satz gilt.

Satz. Ist ξ eine irrationale, algebraische Zahl n-ten Grades mit n ≥ 2, sogilt ∣∣∣∣ξ − p

q

∣∣∣∣ < 1

qn+1(1.1)

nur fur endlich viele rationale Zahlen pq

mit q > 0.

Einen Beweis lasst sich beispielsweise in [36] finden.

1.2.2 Transzendenz

Spannender sind fur uns die sogenannten transzendenten Zahlen.

Definition. Eine reelle Zahl, die nicht algebraisch ist, wird transzendentgenannt.Aus der Abzahlbarkeit der Menge der algebraischen Zahlen kann sofort diefolgende Tatsache geschlossen werden.

Satz. Die Menge der transzendenten Zahlen ist uberabzahlbar.

Die Existenz und Uberabzahlbarkeit transzendenter Zahlen lassen sich durchdas Cantorsche Abzahlbarkeitskriterium recht einfach ableiten. Schwierigerhingegen ist ihre tatsachliche Angabe. Die erste Einordnung transzendenterZahlen schreibt man Joseph LIOUVILLE (1809 - 1882) zu.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 12

Der franzosische Mathematiker Joseph Liouville(1809 - 1882) beendet 1827 sein Studium an der Ecole Polytechniquein Paris, wo er im Jahr 1831 seine wissenschaftliche Laufbahn als As-sistent beginnt. Seine immense Lehrtatigkeit an verschiedenen Institu-ten Frankreichs wird als perfektionistisch und leidenschaftlich beschrie-ben. Insbesondere sein außeruniversitares Engagement ist bemerkenswert:1836 grundet Liouville das “Journal de Mathematiques Pures et App-liquees“ und ein herausragender politischer Einsatz verschafft ihm 1848einen Sitz in der Nationalversammlung. Im Jahr 1850 wirde seine Bewer-bung um einen Mathematiklehrstuhl am College de France knapp der vonCauchy vorgezogen, was das Verhaltnis der beiden Mathematiker lebens-lang erschuttert. Abgesehen von zahlreichen Arbeiten im Bereich partiellerDifferentialgleichungen, sind rund 200 von 400 Veroffentlichungen Liouvil-les der Zahlentheorie gewidmet.

Im Folgenden wollen wir betrachten, wie es Liouville gelingt, eine unendlicheKlasse transzendenter Zahlen zu konstruieren.

Deifnition. Als Liouvillesche Zahl bezeichnet man eine irrationale Zahl ξ,wenn zu jeder ganzen Zahl m eine rationale Zahl pm

qmmit qm > 1 existiert, so

dass die Ungleichung ∣∣∣∣ξ − pmqm

∣∣∣∣ < 1

qmm

gilt. Es gibt dann insbesondere unendlich viele solcher Bruche.

Satz. Jede Liouvillesche Zahl ist transzendent.

Beweis. Angenommen, ξ ist eine algebraische Zahl n-ten Grades. Dann waredie obige Ungleichung nach (1.1) nicht fur unendlich viele rationale Zahlen p

q

erfullt. Dies widerspricht allerdings der Definition Liouvillescher Zahlen.

Durch die Anwedung der Liouvilleschen Vorgaben lassen sich also transzen-dente Zahlen konstruieren. 1873 gelingt es Charles HERMITE (1822 - 1901),die Transzendenz der Eulerschen Zahl e zu beweisen. Seine Methode wird

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 13

von Carl Louis Ferdinand von LINDEMANN (1852 - 1939) aufgegriffen undfur den Nachweis der Transzendent von π erweitert. Lindemann verwendethierfur den bekannten Zusammenhang der Zahlen e und π und beendet 1882somit das uralte Problem der Quadratur des Kreises. Den verallgemeinertenSatz Lindemanns wollen wir ohne Beweis auffuhren.

Satz. Es seien beliebige voneinander verschiedene algebraische Zahlenα1, α2, · · · , αm gegeben. Dann ist die Gleichung

m∑j=1

ajeαj = 0,

mit von Null verschiedenen algebraischen Zahlen a1, a2, · · · , am nicht losbar.

Als Konsequenz dieses Satzes lasst sich unter anderem die Transzendenz voneα, sinα, cosα, tanα, sinhα, coshα und tanhα fur eine beliebige algebraischeZahl α, mit α 6= 0, nachweisen.

1.3 Herangehensweisen

Im Zuge der Untersuchungen einer reelle Zahl auf Irrationalitat bieten sichverschiedene Herangehensweisen. In diesem Abschnitt wollen wir einige sol-cher Moglichkeiten erortern. Weiterfuhrende Methoden und Ergebnisse fin-den sich beispielsweise in [37], [17] und [35].

1.3.1 Bedeutung des Kettenbruchs

Obwohl Ideen zu rationalen Approximationen bereits seit der Antike be-stehen, wird erst im 16. Jahrhundert die Methode entwickelt, die wir nunvorstellen wollen, um irrationale Zahlen sehr gut anzunahern. VornehmlichLeonhard EULER (1707 - 1783) und Joseph Louis LAGRANGE (1736 -1813) etablieren im 18. Jahrhundert diese Art der Untersuchung. Sie basiertauf der Anwendung des bekannten euklidischen Algorithmus. Die sukzessiveDivision mit Rest zweier ganzer Zahlen n0 und n1 liefert

n0

n1

= a0 + 1/(n1/n2) = a0 + 1/(a1 + n3/n2) = a0 + 1/(a1 + 1/(n2/3)) = ...

= a0 +1(n1

n2

) = a0 +1

a1 +(n3

n2

) = a0 +1

a1 + 1(n2n3

) = ....

mit naturlichen Zahlen nj und ganzen Zahlen aj. Dies liefert die sogenannteKettenbruchentwicklung. Fur ganze Zahlen n0, n1 terminiert der euklidischeAlgorithmus und der Kettenbruch ist demzufolge endlich.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 14

Definition. Unter der regularen Kettenbruchentwicklung einer Zahl z ver-steht man eine Entwicklung der Form

z = a0 +1

a1 +1

a2 +...

an +1

...

= [a0, a1, a2, ..., an, ...].

Der reellen Zahl z wird eine Folge von Zahlen (an)n∈N zugeordnet. Ist dieseFolge unendlich, so sprechen wir von einer unendlichen Kettenbruchentwick-lung.

Hauptsatz uber Kettenbruche. Fur jede irrationale Zahl ξ > 1 existierteine eindeutige Folge naturlicher Zahlen an mit

ξ = limn→∞

[a0, a1, ..., an],

wobei a0 := bξc und an ∈ N fur n ∈ N.Auf der anderen Seite definiert eine Folge ganzer Zahlen (an)n∈N eine irra-tionale Zahl ξ vermoge ξ = limn→∞[a0, a1, ..., an] fur jedes a0 ∈ Z.

Einen ausfuhrlichen Beweis des Hauptsatzes findet man in [17].Als Folge des Hauptsatzes lasst sich nun festhalten, dass das Auffinden einerunendlichen regelmaßigen Kettenbruchentwicklung einer reellen Zahl impli-zit einen Beweis fur die Irrationalitat dieser Zahl liefert. Aus der Ketten-bruchentwicklung erhalt man nun augenscheinlich eine sich mit jedem hinzu-kommenden sogenannten Teilnenner an verbessernde Approximation an dieirrationale Zahl ξ.

Definition. Bezuglich eines unendlichen Kettenbruchs

[a0, a1, ...] = limn→∞

[a0, a1, ..., an]

einer reellen Zahl z nennt man [a0, a1, ..., an] = pnqn

fur n ≥ 1 den n-tenNaherungsbruch an z.Eine Hilfe bei der Berechnung der zugehorigen Naherungsbruche soll nun derfolgende Satz liefern.

Berechnung der Naherungsbruche. Fur die obige eindeutige Folge(an)n∈N definieren wir eine Zahlerfolge (pn)n≥−2 und eine Nennerfolge(qn)n≥−2 durch

p−1 = 1, p0 = a0 und pn = anpn−1pn−2 fur n ≥ 0,

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 15

undq−1 = 0, q0 = 1 und qn = anqn−1 + qn−2, fur n ≥ 0.

Dann gilt fur den n-ten Naherungsbruch: [a0, a1, ..., an] =(pnqn

).

Der Beweis lasst sich durch eine Induktion fur n nachvollziehen.

Nun wollen wir die obigen Definitionen und Satze endlich auf das beruhmteBeispiel ξ =

√2 beziehen. Gemaß den Rechenvorschriften ergibt sich als

Kettenbruchentwicklung:

√2 = 1 +

1

2 + 12+ 1

2...

= [1, 2, 2, 2, ...]

Aus√

2 + 1 = 2 + 1√2+1

ergibt sich eine periodische, insbesondere unendlicheFolge von Teilnennern an = 2 fur n ≥ 1. Zum einen liefert dies den gesuchtenIrrationalitatsbeweis von

√2. Zum anderen lasst sich ableiten, dass generell

aus einem periodischen Kettenbruch eine quadratische Gleichung folgt. Hieretwa fur ξ =

√2 + 1:

ξ = 2 +1

ξ, also 0 = ξ2 − 2ξ − 1.

Um den direkten Zusammenhang mit irrationalen Quadratwurzeln zu er-klaren, stellen wir einen Satz der bereits zu Beginn erwahnten Wegbereitervor:

Satz von Euler-Lagrange. Jede quadratische Irrationalzahl besitzt einenperiodischen Kettenbruch und umgekehrt.

Den Beweis des Satzes teilen sich die beiden Mathematiker. Da allerdingsdie anspruchsvollere Richtung von der Quadratwurzel hin zum KettenbruchLagrange zugeordnet wird, ist der Satz oft lediglich nach ihm benannt.

Bemerkung. Unter einer verallgemeinerten Kettenbruchentwicklung ver-steht man einen Kettenbruch, in dem der Zahler der einzelnen Teilbruchenicht zwingend auf 1 festgelegt sein muss.In Kapiel 2 werden wir uns intensiv mit der Kettenbruchentwicklung vonζ(3) auseinandersetzen.

1.3.2 Khinchine-Konstante

Ausgehend von der regularen Kettenbruchentwicklung einer reellen Zahl z,lernen wir nun ein heuristisches Mittel zur Irrationalitatsuntersuchung ken-nen.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 16

Bemerkung. Vor der Einfuhrung dieser Methode sei erwahnt, dass es eineMenge von reellen Zahlen vom Lebesgue-Maß Null gibt, die sich nicht auf diefolgende Weise approximieren lassen.

Defintion. Die sogenannte Khinchine-Konstante beschreibt das geometri-sche Mittel

limn→∞

(a1a2...an)1n = K0 = 2.685452001...

uber den Teilnennern der regularen Kettenbruchentwicklung von z. Die be-sondere Eigenschaft der Konstanten ist die Unabhangigkeit von z fur fastalle z, siehe [23].Bei der Untersuchung von z wertet man nun eine hohe Qualitat der Genau-igkeit, mit der Kn(z) = (a1a2...an)

1n sich bis auf einige Nachkommastellen

an K0 annahert, als Hinweis auf die Irrationalitat von ξ. Fur die Anwen-dung auf ζ(3) folgen wir einer Idee, die in [29] auf nichttriviale Nullstellender Riemannschen ζ-Funktion angewandt wird. Hierfur berechnen wir mitMathematica zuerst die ersten hundert Teilnenner

ContinuedFraction[Zeta[3], 101] = (1, 4, 1, 18, 1, 1, 1, 4, ..., 14, 2, 7, 1, 4)

und betrachten das erste Ergebnis:

N [Exp[Log[4∗1∗18∗1∗1∗1∗4∗ ...14∗2∗7∗1∗4)]/100], 10] = 2.403798518....

Um die Aussagekraft unserer Untersuchungen zu verstarken, fuhren wir diegleiche Rechnung noch einmal fur die ersten tausend Teilnenner von ζ(3)durch und erhalten

K1000(ζ(3)) = 2.689482700....

Tatsachlich stellen wir fest, daß dieser Wert sehr nah an K0 liegt. Darauslasst sich bereits ein Hinweis auf die Irrationalitat von ζ(3) ableiten. Wendetman die gleiche Methode bei Untersuchungen fur ζ(2), ζ(4) und ζ(5) an, soerhalt man sehr ahnliche Ergebnisse. Wie oben bereits erwahnt, lassen siesich als Hinweis, allerdings nicht als Beweis fur Irrationalitat interpretieren.

1.3.3 Irrationalitatsmaß

Bezuglich der Irrationalitat lasst sich zusatzlich eine gewisse Hierarchie aufder Menge der reellen Zahlen einfuhren. Als Ordnung dient uns hier einbesonderes Maß, welches wir zunachst definieren wollen.

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 17

Definition. Sei z eine reelle Zahl und Ψ die Menge der µ ∈ R+, fur die dieUngleichung

0 <

∣∣∣∣z − p

q

∣∣∣∣ < 1

nur endlich viele Losungen besitzt. Dann bezeichnet man

µ(z) = infµ∈Ψ

µ

als Irrationalitatsmaß von ξ.Mit dem folgenden Satz von 1955 tragt Klaus Friedrich ROTH (*1925) ent-scheidend zur Einordnung reeller Zahlen bei.

Satz von Thue-Siegel-Roth. Hinsichtlich einer reellen algebraischen Zahlξ hat die Ungleichung ∣∣∣∣ξ − p

q

∣∣∣∣ < 1

q2+ε

fur alle ε > 0 hochstens endlich viele rationale Losungen pq.

Unter anderem fur dieses Resultat wird der britische Mathematiker 1958mit der Fieldsmedaille ausgezeichnet. Bemerkenswert ist, dass hier insbeson-dere der Begriff der Diophantischen Approximation gerechtfertig wird,indem zur Untersuchung algebraischer Zahlen die Approximierbarkeit durchrationale Zahlen verwendet wird. Aus dem Satz lasst sich ableiten, dass alleirrationalen algebraischen Zahlen ξ ein Irrationalitatsmaß µ(ξ) ≥ 2 besitzen.Insgesamt gilt fur relle Zahlen z der folgende Zusammenhang:

µ(z) = 1, falls z eine rationale Zahl ist

µ(z) = 2, falls z eine algebraische Zahl vom Grad ≥ 1 ist

µ(z) ≥ 2, falls z eine tranzendent Zahl ist.

Fur den Fall µ(z) = 2 besteht folglich sowohl die Moglichkeit, dass z einetranszendente als auch eine reelle algebraische Zahl sein kann. Falls es sichbei Ψ um eine leere Menge handelt, so wird das Irrationalitatsmaß µ(z) =∞gesetzt und man spricht gemaß der obigen Definition von einer Liouville-Zahl.Insbesondere innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte wurden Irrationalitats-maße bekannter irrationaler Zahlen prazisiert. Einige Ergebnisse wollen wir

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KAPITEL 1. IRRATIONALITAT 18

im Folgenden betrachten:

π mit Irrationalitatsmaß 7, 6304 , Salikhof [47], 2008

π2 mit Irrationalitatsmaß 5, 4413 , Rhin und Viola [41], 1996π√3

mit Irrationalitatsmaß 4, 6016 , Hata [22], 1993

log 2 mit Irrationalitatsmaß 3, 57455391 , Marcovecchio [28], 2009

e mit Irrationalitatsmaß 2 , Davis [16], 1978

ζ(2) mit Irrationalitatsmaß 7, 398537 , Rhin und Viola [40], 1993

Es sei bemerkt, dass hier insbesondere Veroffentlichungen der letzten Jahr-zehnte aufgefuhrt sind, deren Inhalte teilweise seit langem als bewiesen gel-ten. Das Irrationalitatsmaß µ(e) = 2 war beispielsweise bereits Euler im 18.Jahrhundert bekannt.

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Kapitel 2

Irrationalitatsbeweis von ζ(3)

Dieses Kapitel widmet sich den Irrationalitatsuntersuchungen einer besonde-ren Dirichlet-Reihe

F (s) =∞∑n=1

f(n)

ns,

wobei f eine arithmetische Funktion und s = σ+ it eine komplexe Verander-liche bezeichnet. Die sogenannte Riemannschen ζ-Funktion ergibt sich, wennalle Koeffizienten f(n) = 1 gesetzt werden:

ζ(s) =∞∑n=1

1

ns= 1 +

1

2s+

1

3s+

1

4s+ .... (2.1)

Es ist bekannt, dass diese Reihe fur Re s > 1 absolut konvergiert. Insbeson-dere soll der Irrationalitatsbeweis des Reihenwertes fur s = 3 eingehend be-trachtet und gewisse ableitbare Gemeinsamkeiten verschiedener Beweise imDetail untersucht werden. In Kapitel 4 werden verwandte Dirichlet-Reihenuntersucht.

2.1 Geschichtliche Einordnung

Zunachst wollen wir uns einen kurzen historischen Uberblick uber klassischearithmetische Untersuchungen der Funktion verschaffen. Dieser wird nichtzuletzt dabei helfen, die Besonderheit und Motivation des anschließendenBeweises nachvollziehen zu konnen. Fur eine vertieftere Auseinandersetzungmit den folgenden Funktionseigenschaften sei die interessierte LeserIn auf [6]verwiesen.

19

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 20

2.1.1 Kurze arithmetische Einordnung der Riemann-schen ζ-Funktion

Dem schweizer Mathematiker Leonhard Euler gelingen 1730 erste Appro-ximationen an den Wert von ζ(2). Erst einige Jahrzehnte spater notiertBernhard RIEMANN (1826 - 1866) die nach ihm benannte Riemannsche ζ-Funktion als die obige unendliche Reihe (2.1). Die exakte Bestimmung gehortheute zum Grundwissen der Analysis (insbesondere bezuglich der Konver-genzkriterien unendlicher Reihen):

ζ(2) =∞∑n=1

1

n2=π2

6.

Euler gelingt nicht nur ein Beweis fur die Konvergenz der Reihe an der Stelles = 2. Vielmehr dienen seine Untersuchungen der spateren Erkenntnis, dasses sich hierbei um einen transzendenten, also insbesondere irrationalen Werthandelt. Dafur wird die bereits erwahnte, von Lindemann bewiesene Tran-szendenzeigenschaft der Kreiszahl π, verwendet, die sich, als einzige nichtra-tionale Komponente, direkt auf π2

6ubertragt.

Außerdem entwickelt Euler die Gleichung

ζ(2k) =(−1)k−1B2k(2π)2k

2(2k)!fur k ∈ N

an positiven geradzahligen Stellen. Bemerkenswert sind hierbei die sogenann-ten Bernoulli-Zahlen Bk, die gemaß

∞∑k=0

Bkzk

k!=

z

exp(z)− 1= 1− 1

2z +

1

12z2 − ...,

definiert werden. Da es sich bei B2k um rationale Werte handelt, ergibtsich die Eigenschaft der Transzendenz wiederum aus der Transzendenz derKreiszahl π. Insbesondere wird durch den obigen Ausdruck folglich dieIrrationalitat der Werte der Riemannschen ζ-Funktion an den positivengeraden Zahlen gezeigt.

Bis 1749 gelingen Euler noch zahlreiche folgenreiche Untersuchungenund Resultate ahnlicher Art. So stellt er unter anderem die Gleichungen

ζ(2k) =(2π)2k

2(2k − 1)!(−1)kζ(1− 2k)

ζ(−n) = −Bn+1

n+ 1, wobei n ∈ N

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 21

auf, die 1859 durch Riemann endlich zu der bekannten Funktionalgleichung

π−s2 Γ(s2

)ζ(s) = π−

1−s2 Γ

(1−s

2

)ζ(1− s)

erganzt werden. Die Symmetrieeigenschaften der Gleichung erweisen sich beider Untersuchung einzelner Werte der Funktion als außerordentlich nutzlich,indem sie es der BetrachterIn erlauben, eine Beziehung zwischen bekanntenFunktionswerten an der Stelle s und unbekannten Funktionswerten an derStelle 1− s herzustellen. Somit dient sie als Grundlage zahlreicher Aussagen,die seitdem uber die Riemannsche ζ-Funktion getroffen werden konnten.

2.1.2 Motivation fur Irrationalitatsuntersuchungen

Als direkte Konsequenz lassen sich Kenntnisse von Werten in s ,beziehungs-weise in unserem Fall 2k, auf die zu untersuchenden Werte in 1 − s bezie-hungsweise 1−2k anwenden. In der uns bekannten oben erwahnten Gleichungfur die Werte von ζ(2k) spielen die Bernoulli-Zahlen eine tragende Rolle. Be-trachten wir nun diese Zahlen fur den Index-Wert 2k + 1, so ergibt sich

B2k+1 = 0 fur alle k ε N

und folglich implizit

ζ(−2k) = − B2k+1

2k + 1= 0.

Daraus lasst sich schlussfolgern, dass wir mit Hilfe der Funktionalglei-chung keine verwertbaren Ruckschlusse auf positive ungerade Werte ableitenkonnen.

2.2 Mathematische Grundlagen

Zur Entwicklung einer weiteren Idee eines Irrationalitatsnachweises sollenzunachst einige zahlentheoretische Grundlagen erwahnt werden. Fur konkreteBeweise sei auf Standardliteratur zur analytischen Zahlentheorie, u.a. [13]und [36], bzw. zu Rekursionen, u.a. auf [53] und [30], verwiesen.

2.2.1 Strukturentwicklung

Eine naheliegende und auch hier verwendete Idee, um eine Methode fur einenIrrationalitatsbeweis zu entwickeln, basiert auf der Charakterisierung vonIrrationalzahlen, die sich aus dem folgenden Satz von 1842 ergibt.

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 22

Dirichletscher Approximationssatz. Fur jede irrationale Zahlξ ∈ R \Q gibt es unendlich viele rationale Zahlen p

q∈ Q, die sich folgender-

maßen an ξ annahern:

0 <

∣∣∣∣ξ − p

q

∣∣∣∣ < 1

q2. (2.2)

Fur ξ ∈ Q hingegen existieren nur endlich viele pq, die der Ungleichung (2.2)

genugen.

Insbesondere sei hier an den Satz von Thue-Siegel-Roth aus Kapitel 1.3.3erinnert. Aus der Charakterisierung von Dirchlet leitet sich das folgende Ir-rationalitatskriterium ab:

Kriterium 1. Sei 0 < κ < δ. Gilt fur eine unendliche Folge rationalerZahlen (pn

qn)nεN, deren Nennerfolge mit qn < q1+κ

n−1 streng monoton wachst, dieAbschatzung ∣∣∣∣ξ − pn

qn

∣∣∣∣ < 1

q1+δn

,

so handelt es sich bei ξ 6= pnqn

um eine irrationale Zahl.

Um dieses Kriterium anwenden zu konnen, besteht die erste Hurde zunachstin der adaquaten Konstruktion einer geeigneten Quotientenfolge.Hierfur wollen wir uns der bereits erwahnten Kettenbruchentwicklung zu-wenden. Aus der regularen Kettenbruchentwicklung von ξ der Form

ξ = a0 +1

a1 +1

a2 +...

...1

an +...

...

= [a0, a1, a2, ..., an, ...],

lassen sich Naherungsbruche von ξ bestimmen:

p0

q0

= a0,p1

q1

= a0 +1

a1

,p2

q2

= a0 +1

a1 +1

a2

...pnqn

= a0 +1

a1 +1

a2 +1

...

an−1 +1

an

.

Eine unendliche Folge von Teilnennern a0, a1, a2, ..., an, ... wurde hier bereitsdie Irrationalitat von ξ liefern (siehe Hauptsatz in Kapitel 1.3).

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 23

In seinem Gesetz der besten Naherung von 1770 beschreibt Joseph LouisLAGRANGE (1736 - 1813), dass die durch die regulare Kettenbruchentwick-lung einer Zahl ξ erhaltenen Naherungsbruche die besten Approximationsei-genschaften unter allen Rationalzahlen aufweisen.Da bisher allerdings wenig uber die regulare Kettenbruchentwicklung vonζ(3) bekannt ist, kann das Kriterium in dieser Form nicht angewandt werden.Allerdings lasst sich mit Hilfe algebraischer Umformungen fur hinzukommen-de Teiler- und Nennerfaktoren eine verallgemeinerte Kettenbruchentwicklung

ζ(3) =a0

b0

−C0

B0 −C1

B1 −A1C2

B2 −...

...−An−1Cn

Bn

. (2.3)

herleiten, durch die man zumindest gute statt beste Naherungsbruche erhalt.Im Folgenden werden die Großen Aj, Bj, Cj noch genauer beschrieben. Diedaraus entstandene approximierende Folge (pn

qn)n∈N von Naherungsbruchen

liefert wiederum Ruckschlusse auf die Geschwindigkeit der Konvergenz, diedurch ein Irrationalitatsmaß µ = µ(ξ) ausgedruckt werden kann.

2.2.2 Irrationalitatsmaß

Um die Funktion des Irrationalitatsmaßes µ = µ(ξ) und dessen Zusam-menhang mit der Naherungsfolge (pn

qn)nεN nachzuvollziehen, sollen dessen

Abschatzungen eingehend betrachtet werden:Es gelten die gleichen Annahmen wie in Kriterium 1. Bei (qn)n∈N handle essich um eine monoton wachsende Folge mit

qn < q1+κn−1, mit beliebig kleinem κ > 0.

Außerdem gelte

|ξ − p

q| ≤ 1

qτ,

wobei fur δ ≥ 1 der Wert qτ der Abschatzung

q1+δn−1 ≤ qτ ≤ q1+δ

n

genugen soll.

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 24

Dann gilt zur Bestimmung von τ :

1

qqn≤∣∣∣∣pq − pn

qn

∣∣∣∣ ≤ ∣∣∣∣ξ − pnqn

∣∣∣∣+

∣∣∣∣ξ − p

q

∣∣∣∣ ≤ q1+δn + qτn < 2

1

beziehungsweise mit 1+δδ−κ = 1 + 1+κ

δ−κ

12qτ < qqn < qq1+κ

n−1 ≤ q1+τ 1+κ1+δ ,

woraus sich die Abschatzung

τ ≤ 1 +1 + κ

δ − κ+ ε

fur ein beliebig kleines ε > 0 ergibt.

Da qn geometrisch wachst und κ als beliebig klein angenommen wird,ergibt sich fur das Irrationalitatsmaß µ = µ(ξ) ≤ 1 + 1

δ. Hier wird also der

kleinste Exponent µ bestimmt, so dass nur endlich viele rationale Zahlenpq∈ Q existieren, fur die gilt:∣∣∣∣ξ − p

q

∣∣∣∣ < q−µ−ε fur alle ε > 0 und q ≥ 1.

In Anbetracht von (2.2) kann dies als Umkehrschluss zur Charakterisierungvon Irrationalzahlen betrachtet werden. Mit Hilfe von Kriterium 1 wird dieNaherungsfolge angewandt, um ein Maß der Irrationalitat abzuleiten. ImFolgenden werden wir noch darauf eingehen, dass die ersten Annaherungenfur µ(ζ(3)) seit 1978 wiederholt prazisiert wurden.

2.2.3 Eine Rekursion

Bevor wir uns im folgenden Kapitel mit dem Irrationalitatsbeweis von Ro-ger APERY (1916 - 1994) auseinandersetzen werden, wollen wir zunachstdessen Aufbau zuruckverfolgen. Fur die Suche nach einer geeigneten Folge( bnan

)n∈N rationaler Zahlen, dessen Grenzwert bei ζ(3) liegt, verwendet Aperyden folgenden Satz.

Satz. Den Eintragen An, Bn und Cn der verallgemeinerten Kettenbruchent-wicklung (2.3) liegt eine spezielle Rekursionsgleichung zu Grunde:Fur eine Folge (un)n∈N positiver ganzer Zahlen gilt

Anun+1 −Bnun + Cnun−1 = 0, (2.4)

wobei An, Bn, Cn > 0 Polynome mit der Variablen n sind.

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 25

Einen jeweiligen Beweis dafur, dass eine verallgemeinerte Kettenbruchent-wicklung (2.3) einer Drei-Term-Rekursion (2.4) genugt und umgekehrt,findet man in [49] und [36].

Dem Satz folgend lasst sich aus der verallgemeinerten Kettenbruchent-wicklung von ζ(3):

ζ(3) =6

5−16

117−26

...−n6

34n3 + 51n2 + 27n+ 5− ...

(2.5)

die Rekursionsgleichung

(n+ 1)3un+1 − (34n3 + 51n2 + 27n+ 5)un + n3un−1 = 0. (2.6)

entwickeln. Eine ausfuhrliche Herleitung der Rekursionsgleichung hat Aperyin [1] aufgefuhrt. Die tragende Rolle, die diese Rekursionsgleichung bei un-terschiedlichen Irrationalitatsbeweisen von ζ(3) spielen wird, erklart sich,indem man die Eigenschaften untersucht, denen bestimmte Losungsfolgen(an)n∈N, (bn)n∈N genugen mussen. Entsprechend (2.5) legen wir zunachst dieStartwerte a0 = 1, a1 = 5 und b0 = 0, b1 = 6 fest.Um spatere Schritte nachvollziehen zu konnen, betrachten wir die Folgen(an)n∈N und (bn)n∈N als Elemente des linearen Raumes Υ der Losungsfolgender Rekursionsgleichung (2.6):

(an)n∈N, (bn)n∈N ∈ Υ := {(un)n∈N|(un)n∈N genugt (2.6)}.

Die Dimension von Υ entspricht der Anzahl der Nullstellen des charakteristi-schen Polynoms. Im Fall von (2.6) erhalt man das charakteristische Polynom

Φ(X) = X2 − 34X + 1

mit den Nullstellen λ1 = (√

2+1)4 und λ2 = (√

2−1)4, woraus die Dimensiondim Υ = 2 folgt.

2.3 Gesetzmaßigkeiten der verwendeten

Zahler- und Nennerfolgen

Die Losungen der Rekusionsgleichung (2.6) definieren einen Vektoraum Υ.Desweiteren werden die Eigenwerte durch die Nullstellen λ1 und λ2 des cha-rakteristischen Polynoms Φ(X) beschrieben. Der Losungsraum entspricht

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 26

dem erzeugten Eigenraum und jede Losungsfolge (un)n∈N genugt der Asym-ptotik

un ∼ c1(λ1)n + c2(λ2)n = c1(√

2 + 1)4n + c2(√

2− 1)4n.

Folglich lassen sich Merkmale untersuchen, die fur alle Losungsfolgen zutref-fen. Einige wollen wir genauer betrachten:

1. Linearkombination.Die Linearkombination zweier beliebiger Losungsfolgen ergibt wieder-um eine Losungsfolge.

Eigenschaft 1. Handelt es sich bei (an)n∈N und (bn)n∈N um beliebigeLosungsfolgen einer Rekursionsgleichung

∑mi=0 yiun−i = 0 mit m ∈ N,

so ist(αan + βbn)n∈N, |α|+ |β| > 0, α, β ∈ C

ebenfalls eine Losungsfolge dieser Rekursionsgleichung.

Beweis. Fur∑m

i=0 yian−i = 0,∑m

i=0 yibn−i = 0 gilt trivialerweise

m∑i=0

yi(αan−i + βbn−i) = α(m∑i=0

yian−i) + β(m∑i=0

yibn−i) = 0.

2. Asymptotisches Verhalten.Durch die Gewissheit, dass sich sowohl an als auch bn wie c1λ

n1 + c2λ

n2

verhalten, lassen sich Ruckschlusse auf das asymptotisches Verhaltender Folgen (an)n∈N und (bn)n∈N ziehen.

Eigenschaft 2. Fur den Fall c1 = 0 ist der Grenzwert von log |un|n

durch log(√

2− 1)4 eindeutig festgelegt. Da wir (an)n∈N und (bn)n∈N alsstreng monoton wachsend annehmen, interessiert uns inbesondere derFall c1 6= 0, fur den die Abschatzungen

limn→∞

sup |an|1/n ≤ (√

2 + 1)4 und limn→∞

sup |bn|1/n ≤ (√

2 + 1)4.

gelten.

Beweis. Zunachst zerlegen wir mit Hilfe der Funktionalgleichung desLogarithmus:

log |un|n

=log |c1|n

+ log λ1 +1

nlog

∣∣∣∣1 +

(c2

c1

)(λ2

λ1

)n∣∣∣∣ .

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 27

Fur n→∞ heben sich einige Glieder weg:Es gilt log |c1|

n→ 0 und (λ2

λ1)n → 0, womit sich fur c1 6= 0 der Grenzwert

log λ1 ergibt, beziehungsweise log λ2 falls c2 6= 0 .

Seien (an)n∈N und (bn)n∈N Losungsfolgen einer Rekursionsgleichung mitcharakteristischem Polynom Φ(X), so gilt nach [53] fur die LinearformIn = anξ − bn der folgende Satz:

Satz. Sei |λ1| > δ = maxi=2,...,n |λi|, wobei λi die Nullstellen descharakteristischen Polynoms Φ(X) sind. Sind (an)n∈N und (bn)n∈Naußerdem Losungsfolgen mit limn→∞

bnan

= ξ 6= 0, dann gilt dieAbschatzung:

limn→∞

sup |In|1/n = limn→∞

sup |anξ − bn|1/n ≤ δ.

Im Folgenden seien (an)n∈N und (bn)n∈N streng monoton wachsen-de Losungsfolgen der Rekursionsgleichung (2.6). Da der Grenzwertlimn→∞

bnan

immer existiert, gilt nach obigem Satz folglich

limn→∞

sup |In|1/n ≤ (√

2− 1)4.

3. Streng monotones Wachstum von ( bnan

)n∈N.Durch Determinantenbildung lassen sich Aussagen uber die Wachs-tumseigenschaften und die Grenzwertbildung von ( bn

an)n∈N treffen:

Eigenschaft 3. Die rationale Folge ( bnan

)n∈N ist streng monotonwachsend und besitzt, wie in Eigenschaft 2 bereits untersucht, stetseinen Grenzwert `. Fur diesen Grenzwert gilt:

an`− bn =∞∑

k=n+1

6ank3akak+1

. (2.7)

Beweis. Aus den Rekursionen

n3an −Bn−1an−1 + (n− 1)3an−2 = 0

n3bn −Bn−1bn−1 + (n− 1)3bn−2 = 0

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 28

mitBn−1 = 34(n− 1)3 + 51(n− 1)2 + 27(n− 1) + 5

ergibt sich die Determinante

4n = bnan−1 − bn−1an = (n− 1

n)3(bn−1an−2 − bn−2an−1).

Eine ausfuhrliche Rechnung finden wir in [19]. Mit b1a0 − b0a1 = 6erhalt man durch induktive Fortsetzung 4n = 6

n3 .Damit zeigt sich das streng monotone Wachstum durch

bnan− bn−1

an−1

=6

n3anan−1

> 0.

Fur die Grenzwertuntersuchung betrachten wir

ζ(3)− bnan

= xn.

Man sieht sofort, dass ζ(3) − b0a0

= ζ(3) gilt. Desweiteren ergibt sich

durch die obige Rechnung wiederum xn−1 − xn = 6n3anan−1

. Somit be-

schreibt ( bnan

)n∈N den n- ten Naherungsbruch in der Kettenbruchentwick-lung (2.3), und es gilt:∣∣∣∣ζ(3)− bn

an

∣∣∣∣ =∞∑

k=n+1

6

k3akak−1

<1

a2n

.

Folglich ist die Gultigkeit der obigen Linearform bewiesen und alsGrenzwert der Quotientenfolge ergibt sich

limn→∞

bnan

= ` = ζ(3).

4. Abschatzung fur das Irrationalitatsmaß µ.Als lineare homogene Gleichung liefert die Rekursionsgleichung eine ex-plizite Abschatzung fur das in nach Kapitel 1.3.3 vorgestellte Irrationa-litatsmaß µ(ζ(3)) und somit insbesondere ein Irrationalitatskriterium.Wir beziehen uns hierfur im Folgenden auf einen in [53] aufgefuhrtenSachverhalt.

Zunachst notieren wir das kleinste gemeinsame Vielfache der Zahlen 1bis n als

dn = lcm[1, ..., n]

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 29

und definieren

M := max{νp : qb,n =m∏j=1

pνpj }

als maximalen Exponenten der Primfaktoren p1, · · · pm des Nenners qb,nvon bn. Damit stellen wir sicher, dass dMn bn ∈ Z gilt. Außerdem sei δwie in Eigenschaft 2 durch die Nullstellen λi des charakteristischenPolynoms Φ(X) bestimmt.

Satz. Seien (an)n∈N und (bn)n∈N linear unabhangige Losungsfolgen ei-ner linear homogenen Gleichung (2.4) und gelte lim

n→∞bnan

= ξ 6= 0. Im

Fall der Voraussetzungen

an ∈ Z und dMn bn ∈ Z mit limn→∞

(dMn )1/n ≤ C,

wobei fur die Konstante C ≥ 1 und Cδ < 1 gelten muss, folgt darausdie Irrationalitat von ξ und die Abschatzung

µ(ξ) ≤ 1− logC + log |λ1|logC + log δ

fur das Irrationalitatsmaß von ξ.

Indem die Nenner der Folge (bn)n∈N durch dMn beschrankt ist, erfulltsich die Voraussetzung einer rationalen Folge ( bn

an)n∈N. Im nachsten Ka-

pitel werden wir sehen, dass die von Apery konstruierten Zahler- undNennerfolgen diese Eigenschaft ebenso erfullen. Da es sich bei (an)n∈Nund (bn)n∈N um Basisfolgen des Losungsraumes handelt, die durch ihreStartwerte eindeutig festgelegt sind, gilt dies tatsachlich fur alle kon-struierten Folgen und kann folglich generell angenommen werden.Um schließlich zu einer Abschatzung des Irrationalitatsmaß von ζ(3)zu gelangen, stellen wir noch einige Voruberlegungen an:Wir wissen, dass

dn =∏p≤n

p[ lognlog p

]

aus denselben Primfaktoren zusammengesetzt ist wie n!. Es gilt dieAquivalenz

(pv ≤ n ≤ pv+1)⇔ (v ≤ [log n

log p] ≤ v + 1).

Durch Anwendung des Primzahlsatzes ergibt sich die Abschatzung

dn =∏p≤n

p[ lognlogp

] ≤∏p≤n

n = e(1+o(1))n.

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 30

Mit Hilfe dieser Uberlegungen erhalten wir im folgenden Korollar eineerste Abschatzung fur das Irrationalitatsmaß von ζ(3).

Korollar. Gemaß des obigen Satzes wahlen wir C = eM . Als maxima-ler Exponent M ∈ N, der der Abschatzung

(√

2− 1)4eM < 1

genugt, ergibt sich M = 3. Mit Hilfe der vorhergehenden Betrachtungengilt

limn→∞

(d3n)1/n ≤ e3,

woraus das Irrationalitatsmaß

µ(ζ(3)) ≤ 1− 3 + 4 log(√

2 + 1)

3 + 4 log(√

2− 1)≈ 13, 4178...

folgt. Damit ist das bereits genannten Irrationalitatskriteriums erfullt,woraus ζ(3) 6∈ Q folgt.

Im Laufe der Jahre gelingen einige Verbesserungen dieses Naherungs-wertes. Der aktuelle Rekord von Georges RHIN und Carlo VIOLA [42]liegt seit 2001 bei 5,513891... . Um eine Vorstellung von der Bedeutungder Wertigkeit fur die Irrationalitat zu bekommen, wurde hierauf in1.3.3 genauer eingegangen.

Betrachten wir die drei aufgefuhrten Eigenschaften der Zahler- und Nen-nerfolgen, so erhalten wir zusammenfassend ein neues Irrationalitatskriteri-um. Dieses besitzt als Grundlage die Konstruktion einer Linearform, derenKoeffizienten rationale Folgen darstellen. Ein Großteil der unterschiedlichenBeweise der Irrationalitat von ζ(3) lassen sich hinsichtlich der folgenden ab-geleiteten Anforderungen untersuchen.

Kriterium 2. Angenommen die rationalen Folgen (an)n∈N und (bn)n∈Ngenugen den Anforderungen:

1. Die Linearform In = anζ(3)− bn erfullt:

lim supn→∞

|In|1/n ≤ (√

2− 1)4.

2. Mit dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen dn = lcm[1, ..., n] gilt:

an ∈ Z und 2d3nbn ∈ Z.

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KAPITEL 2. IRRATIONALITATSBEWEIS VON ζ(3) 31

3. Fur unendliche viele n erfullt die Linearform die Bedingung:

In 6= 0.

So folgt daraus die Irrationalitat von ζ(3).

Zur Erklarung von Anforderung 1 sei noch angemerkt, dass aus

(√

2− 1)4e3 < 1 bzw. (√

2− 1)4d3n < 1

(siehe Eigenschaft 4) und

lim sup |anζ(3)− bn|1/4 ≤ (√

2− 1)4

auchlim sup |d3

nIn|1/4 < 1

folgt.Die Schlussfolgerung, die sich insgesamt aus den drei Anforderungen ergibt,ist durch eine kurze Widerspruchsuntersuchung nachvollziehbar. Angenom-men ζ(3) sei rational: ζ(3) = p

q∈ Q. Dann wurde gelten:

2d3nInq = anp2d

3n − bnq2d3

n ∈ Z

Ließe man nun n gegen unendlich laufen, so wurde der Ausdruck gegen Nullkonvergieren, da (

√2−1)4 < 1 gilt. Da sich somit In = 0 fur alle hinreichend

großen n ergeben wurde, fuhrt dies zum Widerspruch zu der dritten Anfor-derung. Somit handelt es sich bei ζ(3) um keinen rationalen, sondern einenirrationalen Wert.

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Kapitel 3

Entscheidende Beweisideen

In den letzten 30 Jahren werden verschiedene Beweisideen fur die Irratio-nalitat von ζ(3) von unterschiedlichen mathematischen Gesichtspunkten ausentwickelt. Diese bauen oft aufeinander auf und sind teilweise ineinanderumwandelbar. Uns soll hier insbesondere der Zusammenhang zwischen derbereits mehrmals hervorgehobenen Rekursion, der Entwicklung orthogonalerPolynome in multiplen Integralen und nicht zuletzt der Bezug zu hypergeo-metrischen Reihen interessieren.

3.1 Der Durchbruch - Aperys Beweis

Wie bereits erwahnt, entfacht Roger Apery das Interesse an irrationalen Wer-ten der Riemannschen ζ-Funktion an ganzzahligen ungeraden Stellen vonNeuem, als er 1978 auf den Journees Arithmetiques in Marseille-Luminyeinen Beweis der Irrationalitat von ζ(3), siehe [2], vorstellt. Wie in Kapi-tel 1 erwahnt, dokumentiert Alfred van der Poorten diese Prasentation in[39]. Mit seiner unerwarteten Idee zieht Apery nicht nur helles Aufsehen aufsich, sondern ebenso Skeptiker, die erst nach mehrfachen fruchtlosen Wi-derlegungsversuchen einsehen, dass es Aperys Methode als unumstoßlich zuakzeptieren gilt.

32

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 33

Der griechisch-franzosische Mathematiker Roger Aperywird 1916 im normannischen Rouen geboren. Nach seinem Studium ander Ecole Normale Superieure arbeitet er zunachst als Dozent in Rennes,bis er schließlich 1949 als Professor an die Universitat Caen gerufen wird.In [3] beschreibt sein Sohn Francois Aperys insbesondere die Zuwendungzu diophantischen Fragestellungen seit den 50er Jahren und “his studyof the Diophantine equation x2 + A = pn “, von der Spezialfalle bereitsvon Srinivasa RAMANUJAN (1887 - 1920) untersucht wurden. Der in-dische Mathematiker inspiriert ihn auch bei seiner beruhmten Idee desIrrationalitatsbeweis von ζ(3). Außerhalb seiner universitaren Laufbahnzeichnet sich Apery durch sein enormes politisches Engagement aus: Nachdem zweiten Weltkrieg wird ihm das “Croix de Combattant Volontaire“uberreicht und bis 1969 fuhrt er verschiedene leitende Amter innerhalb der“Parti radical“ aus.

3.1.1 Die Apery-Konstante

Das Herzstuck Aperys Beweises stellt in erster Linie die nach ihm benannteApery-Konstante dar, die er aus der Diagonalisierung der Folge

cn,k =n∑

m=1

1

m3+

k∑m=1

(−1)m−1

2m3(nm

)(n+mm

)mit 0 ≤ k ≤ n entwickelt. Um die Darstellung einer Reihenentwicklung vonζ(3) zu erhalten, betrachten wir die Differenz der Folgeglieder. Fur n ∈ Ngilt

cn,n − cn−1,n−1 =5

2

(−1)n−1

n3(

2nn

) .Desweiteren folgt aus

n∑m=1

1

m3= ζ(3) +O

(∫ ∞n

dx

x3

)= ζ(3) +O(n−2)

und mit k ∈ N, k ≤ n aus∣∣∣∣∣k∑

m=1

(−1)m−1

2m3(nm

)(n+mm

)∣∣∣∣∣ ≤k∑

m=1

1

2n2m3≤

n∑m=1

1

2n2m3= O(n−2)

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 34

die Abschatzungcn,n = ζ(3) +O(n−2).

Da also limn→∞

cn,n = ζ(3) und c0,0 = 0 gilt, ergibt sich durch Aufsummierung

die Konstante

ζ(3) =∞∑n=1

5

2

(−1)n−1

n3(

2nn

) . (3.1)

Eine detaillierte Rechnung und Herleitung der Folge cn,k lasst sich in [39]finden.

Bemerkung. Ahnliche Darstellungen gibt es auch fur ζ(2), ζ(4). Fur ζ(5)weiß man, dass der Nenner des ersten Quotienten sehr groß werden wurde,siehe [19].

3.1.2 Die Anforderungen

Entsprechend den Untersuchungen in Kapitel 2.3 werden in Aperys BeweisFolgen (an)n∈N und (bn)n∈N konstruiert. Dafur sei zunachst eine weitere Folgevorgestellt:

λn,k =

(n

k

)2(n+ k

k

)2

fur 0 ≤ k ≤ n. Unter Berucksichtigung der obigen Folge cn,k definieren wirdamit die Glieder

an =n∑k=0

λn,k =n∑k=0

(n

k

)2(n+ k

k

)2

und

bn =n∑k=0

cn,kλn,k =n∑k=0

cn,k

(n

k

)2(n+ k

k

)2

.

Satz 1. Die Folgen (an)n∈N und (bn)n∈N genugen der Rekursion (2.6).

Beweis. Der Beweis hierfur ist recht technisch und bringt keine neuen span-nenden Erkenntnisse, so dass wir uns darauf beschranken wollen, die Ideefur (an)n∈N zu skizzieren. Zunachst wird λn,k in

λn,k =

(n

k

)2(n+ k

k

)2

=(n+ k)!2

k!4(n− k)!2

umgeformt und

Bn,k = 4(2n+ 1)(2k2 + k − (2n+ 1)2)λn,k

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 35

konstruiert. Man kann nun zeigen, dass fur 1 ≤ k ≤ n die Differenzbildung

Bn,k −Bn,k−1 = (n+ 1)3λn+1,k −Bnλn,k + n3λn−1,k

gilt. Fur die Summierung uber k = 0, ..., n + 1 ergibt sich, dass der Binomi-alkoeffizient

(nk

)fur n < k oder k < 0 verschwindet. Somit folgt

λn,n+1 = λn−1,n+1 = λn−1,n = λn,−1 = 0

und damitBn,n+1 = Bn,−1 = 0.

Insgesamt erhalten wir

0 = (n+ 1)3

n+1∑k=0

λn+1,k −Bn

n∑k=0

λn,k + n3

n−1∑k=0

λn−1,k

und folglich den Beweis dafur, dass (an)n∈N der Rekursion (2.6) genugt. DerBeweis fur (bn)n∈N benutzt analog die Eigenschaften von λn,k.

Da fur die Folgen (an)n∈N und (bn)n∈N die Grenzwertbildung

limn→∞

bnan

= ζ(3)

gilt, kann eine entsprechende Linearform

In = anζ(3)− bn

gemaß Kriterium 2 konstruiert werden. Den drei Anforderungen folgend ver-bleibt nun noch die Untersuchung auf Ganzzahligkeit.

Satz 2. Fur die Zahlerfolge (bn)n∈N und das kleinste gemeinsame Vielfachedn = lcm[1, ..., n] gilt

2d3nbn ∈ Z.

Beweis. Durch die Definition von cn,k reicht es aus, zu zeigen, dass

2d3n

(n

n+ k

)1

2m3(nm

)(n+mm

) ∈ Z

gilt. Hierfur betrachten wir die Primfaktorisierung des Nenners: p beschreibedie jeweilige Primzahl und νp das Vorkommen von p. Es gilt

νp

((n

m

))≤ νp(dn)− νp(m)

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 36

und (n+m

m

)−1(n+ k

k

)=

(k

m

)−1(n+ k

k −m

).

Daraus ergibt sich mit m ≤ k ≤ n

νp

(m3

(n

m

)(n+m

m

)(n+ k

k

)−1)

= νp

(m3

(n

m

)(k

m

)(n+ k

k −m

)−1)

≤ νp(m) +

[log n

log p

]+

[log k

log p

]≤ 3

[log n

log p

]= 3νp(dn).

Daraus folgt, dass jede Primzahl im Nenner hochstens dreimal vorkommt undsomit durch d3

n beschrankt wird.

Zusammenfassend folgt aus der Tatsache, dass (an)n∈N und (bn)n∈N der Re-kursion (2.6) genugen direkt, dass fur die Linearform In = anζ(3) − bn dieAbschatzung

lim supn→∞

|In|1/n ≤ (√

2− 1)4

erfullt ist. Außerdem gilt In 6= 0 fur unendlich viele n ∈ N. Damit erhaltenwir nach Kriterium 2:

ζ(3) 6∈ Q,

die Irrationalitat von ζ(3).

3.2 Viel einfacher - Beukers Beweis

Bereits wenige Monate spater, im November 1978, publiziert Fritz BEUKERS(*1953) einen weiteren Beweis fur die Irrationalitat von ζ(3) [11]. Auch dieserbasiert auf der Konstruktion einer Linearform

In = anζ(3)− bn.

Allerdings verwendet Beukers hierfur multiple Integrale und spezielle or-thogonale Polynome, die sogenannten geshifteten Legendre-Polynome.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 37

Der niederlandische Mathematiker Frits Beukers wird1953 in Ankara geboren. Sein Studium und seine Promotion uber dieverallgemeinerte Ramanujan-Nagell-Gleichung absolviert er an der Uni-versitt Leiden, wo er bis zum Jahr 2000 anschließend selbst als Professortatig ist, bevor er an seinen heutigen Schaffensort, die Universitat Utrecht,wechselt. Bereits zu Beginn seiner Forschertatigkeit faszinieren ihn zah-lentheoretische und insbesondere diophantische Problemstellungen. So be-schreibt er 2003 in [3] seine enge Verwebung mit Arbeitsbereichen Aperys.Neben inhaltlichen Uberschneidungen seiner Dissertation mit der Arbeitdes franzosischen Mathematikers an diophantischen Gleichungen berichtetBeukers von der Begeisterung nach Aperys Vortrag in Marseille und zu-gleich von der Motivation fur seinen alternativen Beweis [11]. Obwohl sichFrits Beukers mit einer Vielzahl weiterer zahlentheoretischer Problemstel-lungen beschaftigt, begleitet ihn seit seiner Veroffentlichung insbesondereder Ruf als Spezialist in Transzendenz- und Irrationalitatsfragen und alsNamensgeber der sogenannten Beukers-Integrale.

3.2.1 Grundlagen

Den Ausgangspunkt des Beukerschen Beweises liefert zunachst der folgendeelementare Zusammenhang zwischen multiplen Integralen uber dem Einheits-intervall und unendlichen Reihen:

Lemma 1. Es gilt∫ 1

0

∫ 1

0

sa+εtb+ε

1− stdsdt =

∞∑n=0

1

(n+ a+ ε+ 1)(n+ b+ ε+ 1), (3.2)

fur nicht-negative a, b ∈ Z und ε ∈ N.

Bemerkungen. Um Schwierigkeiten durch die Polstelle am Rande desIntegrationsbererichs fur den Fall s = t = 1 zu umgehen, rechtfertigen wirdie Existenz der Integrale als uneigentliche Integrale der Form limγ→0

∫ 1−γ0

.Die gleichmaßige Konvergenz der unendlichen Reihe erlaubt uns hier eineVertauschung der Summations- bzw. Integrationsabfolge.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 38

Beweis. Das Lemma lasst sich mit Hilfe einfachen Nachrechnens beweisen.Durch Verwenden der geometrische Reihenentwicklung

1

1− st=∞∑n=0

(st)n

im linken Teil der Gleichung und Ausfuhren der doppelten Integration ergibtsich sofort∫ 1

0

∫ 1

0

∞∑n=0

sn+a+εtn+b+εdsdt =∞∑n=0

1

n+ a+ ε+ 1

∫ 1

0

tn+b+εdt =

=∞∑n=0

1

(n+ a+ ε+ 1)(n+ b+ ε+ 1).

Aus (3.2) lasst sich nun fur den Fall a = b direkt∫ 1

0

∫ 1

0

sa+εta+ε

1− stdsdt =

∞∑n=0

1

(n+ a+ ε+ 1)2(3.3)

folgern. Um von dieser allgemeinen Herangehensweise ausgehend einen di-rekten Zusammenhang zu ζ(3) herstellen zu konnen, wird zunachst ε = 0gesetzt und der Startwert der unendlichen Reihe durch Indexverschiebungauf n = 1 festgelegt. Anschließend betrachten wir die Ableitung von (3.3)nach a auf beiden Seiten und erhalten∫ 1

0

∫ 1

0

sata log(st)

1− stdsdt = −2

∞∑n=1

1

(n+ a)3. (3.4)

Fur den Fall a 6= b lasst sich aus (3.2) eine weitere interessante Konsequenzablesen. Angenommen, es gelte a > b, dann ergibt sich durch Anwendungeiner Partialbruchzerlegung fur die unendliche Reihe

∞∑n=0

1

(n+ a+ 1)(n+ b+ 1)=

1

a− b

∞∑n=0

(1

n+ b+ 1− 1

n+ a+ 1

)=

1

a− b

(1

b+ 1+ ...+

1

a

)und durch Ableiten nach a die Identitat∫ 1

0

∫ 1

0

satb log(st)

1− stdsdt =

−1

a− b

(1

(b+ 1)2+ ...+

1

a2

). (3.5)

Beukers zieht aus diesen Uberlegungen nun eine entscheidende Schlussfol-gerung, die wir hier auf Grund ihrer Relevanz in einem Satz hervorhebenwollen.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 39

Satz 1. Es gilt:

1. Bei (3.5) handelt es sich um eine rationale Zahl, deren Nenner einTeiler des bereits kennengelernten großten gemeinsamen Vielfachen d3

n

mit n = a ist.

2. Desweiteren gilt der linearen Zusammenhang:∫ 1

0

∫ 1

0

−sata log(st)

1− stdsdt = 2

(ζ(3)− 1

13− ...− 1

a3

). (3.6)

Die von uns geforderten grundsatzlichen Voraussetzungen einer Linearformmit Koeffizienten ζ(3) ist nach Satz 1 also erfullt. Als direkte Folgerung diesesSatzes sei insbesonders die Integraldarstellung

ζ(3) =1

2

∫ 1

0

∫ 1

0

− log(st)

1− stdsdt (3.7)

hervorgehoben.

3.2.2 Legendre-Polynome

Fur den Beweis der Irrationalitat von ζ(3) sucht Beukers nach einer geschick-ten Moglichkeit, multiple Integrale so zu konstruieren, dass sie den in Kapi-tel 2 aufgestellten Anforderungen von Kriterium 2 entsprechen. Hierfur seizunachst eine allgemeine Feststellung erwahnt:

Folgerung. Fur jedes Polynom P (s, t) ∈ Z mit ganzzahligen Koeffizientenund Grad n gilt nach Satz 1:∫ 1

0

∫ 1

0

P (s, t) log(st)

1− stdsdt =

anζ(3)− bnd3n

, wobei an, bn, dn ∈ Z. (3.8)

Hervorgehoben sei insbesondere die Tatsache, dass das Polynom P (s, t) be-liebig gewahlt werden kann. Dies bietet ein breites Spektrum an Konstrukti-onsmoglichkeiten. Um im Anschluss eine erwunschte Abschatzung zu erhal-ten, kann Beukers folglich zielgerichtet eine besondere Form der orthogonalenLegendre Polynome

pn(s) =dn

n!dsn(s− s2

)nmit ganzzahligen Koeffizienten wahlen. Warum gerade die Eigenschaften die-ser Polynome von entscheidendem Nutzen sind, werden wir im Folgendenerarbeiten.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 40

Bemerkungen. Zur Forderung der Ubersichtlichkeit werden in diesem Ka-pitel Tripel-Integrale ab sofort durch die Schreibweise∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

=

∫dargestellt. Bei der weiteren Untersuchung des Beweises werden wir unsinhaltlich an einer Publikation [31] von Stephan D. MILLER (*1974)orientieren, der 1998 darin eine recht kompakte Vorgehensweise beschreibt,die eine von Beukers verwendete Variablensubstitution vermeidet.

Zunachst wollen wir uns eine aquivalente Integraldarstellung zu demvorgestellten Integral (3.8) erarbeiten, die bei weiteren Umformungenschließlich hilfreich sein wird.

Satz 2. Es gilt die Gleichung∫ 1

0

∫ 1

0

pn(s)pn(t) log(st)

1− stdsdt =

∫pn(s)pn(t)

(1− (1− u)s)(1− tu)dsdtdu, (3.9)

wobei pn die oben definierten Legendre-Polynome beschreibt.

Fur den Beweis des Satzes stellen wir vorab zwei weitere Hilfssatze fest:

Lemma 2. Es gilt die alternative Integraldarstellung∫ 1

0

∫ 1

0

pn(s)pn(t) log(st)

1− stdsdt = −

∫pn(s)pn(t)

1− (1− st)udsdudt. (3.10)

Beweis. Aus der Rechnung∫ 1

0

1

1− (1− x)udu =

[log(1− (1− x)u)

−1

1− x

]1

0

= − log x

1− x

folgt (3.10) direkt.

Zusatzlich sei bemerkt, dass (3.10) uns zugleich eine weitere Darstellung vonζ(3) liefert:

ζ(3) =1

2

∫dsdtdu

1− (1− st)u. (3.11)

Lemma 3. Fur festgelegte s, t ∈ (0, 1) gelten die Gleichheit von Integralen∫ 1

0

1

1− (1− (1− s)t)udu =

∫ 1

0

1

(1− (1− u)s)(1− (1− t)u)du.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 41

Beweis. Der Beweis lasst sich ausgehend von einer Partialbruchzerlegungbezuglich der Faktoren, deren Nenner von der Variablen u abhangen, leichterbringen. Es gilt

1

(1− (1− u)s)(1− (1− t)u)=

1

1− (1− s)t

(s

1− (1− u)s− 1− t

1− (1− t)u

).

Damit folgt nun die Moglichkeit, bei der Integration die Faktoren nach uaufzuspalten: ∫ 1

0

1

(1− (1− u)s)(1− (1− t)u)du

=1

1− (1− s)t

(∫ 1

0

s

1− (1− u)sdu−

∫ 1

0

1− t1− (1− t)u

du

)=

1

1− (1− s)t

(−s log(1− s)

s+ (1− t) log(t)

t− 1

)= − log(t(1− s))

1− (1− s)t.

Aus (3.10) ergibt sich nun fur die Substitution x = (1 − s)t die Gleichheitder beiden Integrale.

Beweis von Satz 2. Beachten wir die Eigenschaft

pn(1− s) = (−1)npn(s)

der Legendre-Polynome, so ergeben sich mit den beiden Lemmata insgesamtdie Integralumformungen∫ 1

0

∫ 1

0

pn(s)pn(t) log(st)

1− stdsdt = (−1)n

∫pn(s)pn(t)

−(1− (1− s)t)udsdtdu

= (−1)n∫

pn(s)pn(t)

(1− (1− u)s)(1− (1− t)u)dsdtdu

=

∫pn(s)pn(t)

(1− (1− u)s)(1− tu)dsdtdu.

Damit ist (3.9) schließlich bewiesen.

Wahrend wir bisher die rekursiven Eigenschaften der Legendre-Polynomefur die unterschiedlichen Integraldarstellungen ausgenutzt haben, wollen wirjetzt eine Darstellung finden, in der die Polynome nicht mehr vorkommen.Damit wandeln wir das Integral in eine Form um, fur die anschließend miteinfachen Mitteln eine Abschatzung entsprechend der in Kapiel 2 aufgefuhr-ten Axiome von Kriterium 2 durchgefuhrt werden kann.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 42

Satz 3. Es gilt die Gleichung∫pn(s)pn(t)

(1− (1− u)s)(1− tu)dsdtdu =

∫sn(1− s)ntn(1− t)nun(1− u)n

((1− (1− u)s)(1− tu))n+1dsdtdu.

(3.12)

Beweis. Der Beweis basiert auf der n-fachen partiellen Integration bezuglichder Variablen s und t. Eine umfassende Ausfuhrung lasst sich in [11] finden.

Diese Darstellung liefert eine ideale Vorlage zur Konstruktion eines Integrals,welches unseren Anforderungen entspricht:

In(z) =

∫sn(1− s)ntn(1− t)nun(1− u)n

((1− (1− u)s)(1− tu)z)n+1dsdudt. (3.13)

Bemerkung. Um die Ahnlichkeit der Vorgehensweise in Kapitel 3.3 (s.u.)beziehungsweise weiterer Beweise darzustellen, definieren wir das Integralallgemein, obwohl im Folgenden lediglich der Fall z = 1 benotigt wird.Dieses Integral konvergiert fur alle z ∈ C\] − ∞, 0]. Insbesondere gilt dieGleichheit zu (3.12) fur den Wert z = 1. Betrachten wir nun das Maximumder Funktion

f(s, t, u) =s(1− s)t(1− t)u(1− u)

((1− (1− u)s)(1− tu))

auf [0, 1]3, so ergibt sich dies als

f(2−√

2,√

2− 1,1

2) = (

√2− 1)4

und liefert damit die Abschatzung

limn→∞

log(In(1))

n= log((

√2− 1)4).

Wir erhalten also eine Linearform

In(1) = 2(anζ(3)− bn), wobei an ∈ Z und 2d3nbn ∈ Z gilt. (3.14)

Diese genugt den Anforderungen von Kriterium 2 und liefert somit einenweiteren Beweis der Irrationalitat von ζ(3).

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 43

3.3 Hypergeometrisch - Nesterenkos Beweis

In seiner Arbeit ‘A few remarks on ζ(3)’ [33] definiert Yuri V. NESTEREN-KO (*1946) eine neue Reihe rationaler Zahlen, um Aperys Theorem alter-nativ zu verifizieren. Durch die Anwendung hypergeometrischer Reihen lasstsich diese wiederum zu einer Linearform mit Koeffizienten ζ(3) umformen,siehe [19]. Bevor wir uns dem eigentlichen Beweis zuwenden, soll zunachstder Begriff der hypergeometrischen Reihe genauer thematisiert werden.

Der russische Mathematiker Yuri V. Nesterenko wurde1946 in Charkow geboren. Sein Studium absolvierte er an der Lomonossow-Universitat Moskau, wo er 1973 bei Andrei SCHIDLOWSKI (1915 - 2007)promovierte. Sein Hauptinteresse gilt jeher der Auseinandersetzung mitdiophanischen Approximationen, insbesondere der Theorie transzenden-ter Zahlen. Als mathematische Mittel entwickelt er unter anderem Ideenaus Bereichen der linearen Differentialgleichungen und algebraischer Un-abhangigkeiten.

3.3.1 Einfuhrung Hypergeometrischer Funktionen

Die Wurzeln der arithmetischen Darstellung hypergeometrischer Reihen las-sen sich bis in die fruhe Neuzeit zuruckverfolgen, als Professor John WAL-LIS (1616 - 1703) in Oxford im Jahr 1655 in seinem Werk Arithmetica in-finitorum eine unendliche Reihenentwicklung von π

2als “hypergeometrisch“

bezeichnet. Spater befassen sich viele herausragende Personlichkeiten der ma-thematischen Forschung mit diesen speziellen unendlichen Reihen. Fur einenumfassenden historischen Uberblick sei die LeserIn auf [48] verwiesen. Alseiner der pragendsten Urvater gilt Gauß, der 1812 in seinem beruhmten Vor-trag Disquisitiones generales circa seriem infinitam vor der koniglich wissen-schaftlichen Gesellschaft in Gottingen als Erster eine systematische Notationder sogenannten Gaußschen hypergeometrischen Funktion

2F1(a1, a2; b2; z) = 1 +a1a2

1!b2

+a1(a1 + 1)a2(a2 + 1)

2!b2(b2 + 1)x+ ...

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 44

vorstellt. Die Besonderheit liegt hierbei auf der Betrachtung der Reihe alsFunktion in vier Variablen.Unter anderem Riemann tragt mit seiner Erweiterung der Theorie der Gauß-schen Funktion von 1857 entscheidend zu einer verallgemeinerten Darstellungbei.

Bemerkung. Im Folgenden verwenden wir die Eulersche Gammafunktionin positiven ganzen Zahlen s mit ihrer Funktionalgleichung

Γ(s+ 1) = sΓ(s).

Definition. Die allgemeine hypergeometrische Funktion wird definiertdurch

pFq(a1, ..., ap; b2, ..., bq; z) =∞∑n=0

(a1)n · · · (ap)n(b2)n · · · (bq)n

zn

n!, (3.15)

wobei (a)n mit n ≥ 1 das sogenannte Pochhammersymbol

(a)n = a(a+ 1)(a+ 2) · · · (a+ n) =Γ(a+ n)

Γ(a)

bezeichnet. Sowohl die Parameter a1, a1, ..., ap; b2, b3, ..., bq als auch die Varia-ble z konnen reell oder komplex gewahlt werden. Allerdings muss beachtetwerden, dass die Reihe fur negative ganzzahlige b-Parameter nicht definiertist. Desweiteren gilt, dass die Funktion sich zu einem Polynom reduziert, fallseiner der a-Parameter als negative ganze Zahl gewahlt wird. Diese vollstandi-ge Definition geht zuruck auf eine Notation von Ernest William BARNES(1874-1953) [8] im Jahr 1907.Der Unterschied zwischen einer hypergeometrischen Reihe und der geometri-schen Reihe besteht in der rationalen Funktion zwischen den Verhaltnissender Funktionswerte und dem an sich rationalen Verhaltnis der einzelnen Ter-me. Hierdurch erklart sich auch die historische Definition der allgemeinenhypergeometrischen Funktion. Sie beschreibt die Entwicklung derselben alsReihe

∑∞n=0 cnz

n , deren Reihenglieder zueinander im Verhaltnis

cn+1

cn=

(n+ a1) · · · (n+ ap)

(n+ b1) · · · (n+ bq)(n+ 1)=Q(n)

P (n),

also als Quotient von Polynomen Q(n) und P (n), stehen.1836 gelingt Ernst Eduard KUMMER (1810 - 1893) die Erkenntnis, dass diehypergeomtrische Gaußsche Funktion die Losung der sogenannten hypergeo-metrischen Rekursion

z(1− z)y′′ + (b− 2− (a1 + a2 + 1)z)y′ − a1a2y = 0

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 45

beschreibt und sich daraus ableiten lasst. Daruber hinaus beweist er, dasses 24 Losungen gibt, die alle ahnlich zu der von Gauß sind. Mit Hilfe derFrobenius-Methode lasst sich die charakteristische Gleichung

un+1 =(n+ a1)(n+ a2)

(n+ 1)(n+ b2)un

errechnen. Setzen wir diese in den Ansatz y =∑∞

n=0 unzn ein, so erhalten

wir die Losung

y = u0

(1 +

a1a2

1!b2

+a1(a1 + 1)a2(a2 + 1)

2!b3(b2 + 1)z + ...

),

was der Gaußschen Funktion

2F1(a1, a2; b2; z) =∞∑n=0

(a1)n(a2)n(b2)n

zn

n!

entspricht. Falls b2 keine negative ganze Zahl ist, konvergiert diese Reihe furalle z mit |z| < 1. Im Allgemeinen konvergieren hypergeometrische Reihenmit beliebigen (an)n∈N, (bn)n≥2 fur reelle z ∈ (−1, 1) beziehungsweise furz = 1 und z = −1, falls

∞∑n=2

bn >∞∑n=1

an

gilt.Eine erste hypergeometrische Integraldarstellung lasst sich bereits im Jahr1748 bei Leonhard Euler finden. Es dauert allerding bis 1910, dass Barnesdie Kurvenintegraldarstellung

1

2πi

∫ ∞−∞

Γ(a1 + s)Γ(a2 + s)Γ(b2 − s)Γ(d− s)ds

=Γ(a1 + b2)Γ(a1 + d)Γ(a2 + b2)Γ(b2 + d)

Γ(a1 + a2 + b2 + d),

siehe [27], der 24 Kummerschen Losungen veroffentlicht.

3.3.2 Die Linearform

Nun wollen wir uns endlich dem Irrationalitatbeweis von ζ(3) zuwenden, indem eine Linearform

In = anζ(3)− bn

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 46

mit Hilfe hypergeometrischer Reihen entwickelt wird. Dafur betrachten wirinsbesondere die Arbeit Nesterenkos von 1996 [33] und einen alternativen Be-weis [55], der 2002 von Wadim ZUDILIN veroffentlicht wurde. Die Grundlagebeider Beweise bildet die Konstruktion der rationalen Folge

Rn(X) =Γ(X)4

Γ(X − n)2Γ(X + n+ 1)2, (3.16)

wobei n ∈ N gilt. Durch den rekursiven Charakter der oben eingefuhrtenGammafunktion ergibt sich die Darstellung

Rn(X) =(X − n)2

n

(X)2n+1

=(X − 1)2 · · · (X − n)2

X2(X + 1)2 · · · (X + n)2.

Um die Folge anschließend entsprechend verwenden zu konnen, soll im Wei-teren eine Entwicklung von Rn als Reihe mit einfachen Faktoren gefundenwerden. Hierfur betrachten wir die gegebenen Glieder zunachst ohne Qua-drierung. Durch Partialbruchzerlegung lasst sich der obige Quotient in

(X − 1) · · · (X − n)

X(X + 1) · · · (X + n)=

n∑k=0

(−1)n−k(nk

)(n+kk

)X + k

,

umformen. Fur diese Reihe kann man eine einfache Polstelle in X = −k furk = 0, . . . , n ablesen. Quadrieren wir diesen Ausdruck, so erhalten wir mitHilfe der Gleichung

1

X + k· 1

X + l=

1

l − k·(

1

X + k− 1

X + l

)fur k 6= l

die Darstellung

Rn(X) =n∑k=0

(αk

(X + k)2+

βkX + k

). (3.17)

Fur die Koeffizienten αk und βk ergibt sich

αk =

(n

k

)2(n+ k

k

)2

beziehungsweise

βk = 2(−1)k(n

k

)(n+ k

k

) ∑l∈{0,...,n}

l 6=k

(−1)l(nl

)(n+ll

)l − k

.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 47

Betrachten wir die Partialbruchzerlegung (3.17) als endliche Summe desHauptteils der Laurent-Reihenentwicklung bei der Polstelle X = −k, so er-gibt sich das Residuum

βk = ResX=−kRn(X).

Um letztendlich zu einer Linearform mit Koeffizienten ζ(3) zu gelangen,fuhren wir den Polylogarithmus

Lis(z) =∞∑ν=1

νs

ein. Der Konvergenzradius dieser unendlichen Reihe ist 1. Der Grund fur dieVerwendung von Polylogarithmen erklart sich sofort, wenn man die Reihe imPunkt z = 1:

Lis(1) =∞∑ν=1

1

νs= ζ(s)

betrachtet. Hierbei ergibt sich offensichtlich die zu untersuchende Riemann-sche ζ-Funktion. Setzen wir die Ableitung der obigen Entwicklung von Rn(X)in

In(z) = −∞∑t=1

R′n(t)z−t

ein, so erhalten wir

In(z) =∞∑t=1

n∑k=0

(2αk

(t+ k)3+

βk(t+ k)2

)z−t

= 2n∑k=0

αkzk

∞∑t=1

z−(t+k)

(t+ k)3+

n∑k=0

βkzk

∞∑t=1

z−(t+k)

(t+ k)2

= 2An(z)Li3(1z) +BnLi2(1

z) + Cn(z).

Fur die Polynome An, Bn und Cn gilt

An(z) =n∑k=0

αkzk =4 F3(−n,−n, n+ 1, n+ 1; 1, 1, 1, ; z)

Bn(z) =n∑k=0

βkzk

Cn(z) = −n−1∑l=0

zln∑

k=l+1

(2αk

(k − l)3+

βk(k − l)2

),

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 48

wobei es sich bei An(z), dnBn(z) und d3nCn(z) um Polynome mit ganzzahligen

Koeffizienten handelt. Wegen Li3(1) = ζ(3) interessieren wir uns insbesonde-re fur den Fall z = 1. Es lasst sich zeigen, dass fur X →∞ die Abschatzung

Rn(X) = O(X−2)

gilt. Hieraus ergibt sich fur das Residuum im Unendlichen von Rn:

ResX=∞Rn(X) = 0,

woraus fur die Summe der Residuen nach (3.17)

n∑k=0

ResX=−kRn(X) = −ResX=∞Rn(X) = 0

folgt. Damit erhalt man das Polynom Bn(z) an der Stelle z = 1:

Bn(1) =n∑k=0

βk =n∑k=0

ResX=−kRn(X) = 0.

Desweiteren setzen wir z = 1 in die Polynome An(z) und Cn(z) ein:

an = An(1) und bn = −Cn(1)

2

und erhalten eine Linearform

In(1) = 2(anζ(3)− bn) mit an ∈ Z und 2d3nbn ∈ Z,

die zwei der gewunschten Anforderungen von Kriterium 2 aus dem 2. Kapitelgenugt. Noch fehlt der Nachweis, dass fur diese Linearform die geforderteAbschatzung gilt.

3.3.3 Die Abschatzung

Bei der Abschatzung von In(1) gehen Nesterenko und Zudilin unterschied-liche Wege. Um deren Zusammenhang darzustellen, sollen beide in diesemAbschnitt zumindest skizziert werden.

Nesterenko: Komplexes Integral. Die Abschatzung Nesterenkos basiertauf der Umwandlung der erhaltenen Linearform In(1) in ein komplexes Inte-gral, welches sich anschließend mit Hilfe der Sattelpunktmethode abschatzenlasst. Eine umfassende Auseinandersetzung dieser funktionentheoretischenMethode lasst sich beipielsweise in [14] finden.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 49

Lemma 1. Sei n eine naturliche Zahl und c eine reelle Zahl mit 0 < c < n+1.Dann gilt fur das Integral entlang der Geraden Re s = c ∈ C mit einerOrientierung von unten nach oben:

∞∑t=1

R′n(t) =1

2πi

∫ c+i∞

c−i∞

sin (πs)

)2

Rn(s)ds. (3.18)

Beweis . Zunachst wollen wir den Integranden betrachten. Mit der Be-

schrankung 0 < c < n+1 wird die Funktion(

πsin (πs)

)2

durch das Quadrat mit

den Eckpunkten (±N + 12,±N + 1

2) fur ein ausreichend großes ganzzahliges

N > n begrenzt. Außerdem gilt Rn(X) = O(N−2). Mit dem Residuensatzfolgt damit, dass das obige Integral gleich der Summe der Residuen des Inte-granden an den Stellen n+1, n+2, ... ist. Im Folgenden untersuchen wir alsodas Residuum. In der Umgebung der ganzzahligen Stellen z = k mit k > 0gelten die Abschatzung(

π

sin (πs)

)2

=1

(s− t)2+O(1)

und die Entwicklung

Rn(s) = Rn(t) +R′n(t)(s− t) +O((s− t)2).

Daraus ergibt sich das Residuum

Ress=t

((π

sin (πs)

)2

Rn(s)

)= R′n(t).

Da bei t = 1, 2, ..., n fur die rationale Funktion R′n(t) = 0 gilt, folgt dieGleichheit von unendlicher Reihe und komplexem Integral.

Lemma 2. Fur n→∞ gilt die asymptotische Abschatzung

In(1) =π3/2s3/4

n3/2(√

2− 1)4n+2(1 +O(n−1)).

Beweis. Aus der Definition von Rn(X) und πsin (πs)

= Γ(s)Γ(1−s) erhalt mandie Gleichung (

π

sin (πs)

)2

Rn(s) =

(Γ(n+ 1− z)Γ(z)2

Γ(n+ 1 + z)

)2

.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 50

Wahlen wir nun c = (n+1)√2

und fuhren die Substitution s = (n + 1)v durch,so ergibt sich mit Hilfe der Stirlingschen Formel

log Γ(s) =(s− 1

2

)log s− s+ 1

2log 2π + r(s), fur |r(s)| ≤ N |Re(s)|−1,

wobei N eine absloute Konstante darstellt, die Asymptotik

log(

Γ(n+1−z)Γ(z)2

Γ(n+1+z)

)2

= log h(v) + 2(n+ 1)f(v)− 2 log(n+ 1) + 2 log 2π +O(n−1).

Hierbei sind die Funktionen h und f definiert durch

h(v) =1 + v

(1− v)v2und f(v) = (1− v) log(1− v) + 2v log v− (1 + v) log(1 + v)

und die Konstante in O(·) ist absolut. Daraus ergibt sich

In(1) = −sπni

∫ c+i∞

c−i∞e2(n+1)f(v) 1 + v

(1 + v)v2(1 +O(n−1))dv,

wobei wiederum die Konstante in O(·) absolut ist und c = 1√2

gilt. Bei v = 1√2

handelt es sich um ein eindeutiges Maximum auf der Integrationslinie. Somiterhalt man durch Abschatzungen von f(v) auf der Kurve schließlich

In(1) = −2πn−1 · 2(√

2 + 1)2(√

2− 1)4n+4

(2π

n+ 1(8√

2)−1

) 12

(1 +O(n−1).

Dies liefert die Erfullung der letzten fehlenden Anforderung von Kriterium 2und somit einen Beweis der Irrationalitat von ζ(3).

Zudilin: Creative telescoping Zudilin verwendet den sogenannten“Zeilberger’s algorithm of creative telescoping“, dessen ausfuhrliche Beschrei-bung sich in [38] finden lasst. Der Algorithmus dient der Auffindung von Re-kursionen, denen bestimmte Reihen genugen. Insbesondere nutzt Zudilin dieTatsache, dass zwei Reihen Fn und Gn, die derselben Rekursion genugen undgleiche Startwerte aufweisen, fur n ∈ N identisch sind. Zu

Fn = In(1)

betrachtet er die von K.Ball [7] entwickelte hypergeometrische Reihe

Gn =∞∑t=1

Pn(t)

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 51

mit

Pn(t) = n!2(2t+ n)(t− 1) · · · (t− n)(t+ n+ 1) · · · (t+ 2n)

(t(t+ 1) · · · (t+ n))4.

Lemma 3. Es gilt

0 < Gn < 20(n+ 1)4(√

2− 1)4n fur alle n = 0, 1, 2, ....

In [55] wird ein Beweis dieser Abschatzung aufgefuhrt. Fur Rn findet mannun die rationate Funktion

Sn(t) = 4(2n+ 1)(−2t2 + t+ (2n+ 1)2)Rn(t).

Indem gezeigt wird, dass

(n+1)3Rn+1(t)−(2n+1)(17n2+17n+5)Rn(t)+n3Rn−1(t) = Sn(t+1)−Sn(t)

gilt, ergibt sich, dass Fn der Rekursionsgleichung

(n+ 1)3Fn+1 − (2n+ 1)(17n2 + 17n+ 5)Fn + n3Fn−1 = S ′n(1) (3.19)

genugt. Wendet man das gleiche Verfahren auf Pn an, so lasst sich die ratio-nale Funktion

Tn(t) =Pn(t)

(2t+ n)(t+ 2n− 1)(t+ 2n)(t6 − (8n− 1)t5 + (4n2 + 27n+ 5)z4

+ 2n(67n2 + 71n+ 15)t3 + (358n4 + 339n3 + 76n2 − 7n− 3)t2

+ (384n5 + 396n4 + 97n3 − 29n2 − 17n− 2)t

+ n(153n5 + 183n4 + 50n3 − 30n2 − 22n− 4))

ermitteln, fur die nun wiederum

(n+ 1)3Gn+1 − (2n+ 1)(17n2 + 17n+ 5)Gn + n3Gn−1 = −Tn(1)

gilt. Da sowohl Pn als auch Tn in t = 1 eine Nullstelle besitzen, gilt folglichdie Rekursion (3.19) ebenso fur Gn. Der geforderte Nachweis der gleichenStartwerte ergibt sich durch direktes Nachrechnen. Es gilt

F0 = G0 = 2ζ(3) und F1 = G1 = 10ζ(3)− 12.

Aus der obigen Abschatzung und der bewiesenen Gleichheit der beiden Rei-hen Fn und Gn ergibt sich letztendlich wiederum der Beweis der Irrationalitatvon ζ(3).

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 52

3.4 Rationale Folgen - Hypergeometrische

Reihen - Multiple Integrale

Besonders interessant ist es nun, die Zusammenhange zwischen den drei ken-nengelernten Beweisen herzustellen. Wir wollen in diesem Abschnitt einenAusschnitt aus diesbezuglichen Forschungsergebnissen darstellen. Fur allge-meine Literatur und eine Vertiefung der Koinzidenzen sei die LeserIn auf [5],[34], [54] und darauf aufbauende Artikel verwiesen.

3.4.1 Rationale Folge - Rekursion

In [5] beschreiben Askey und Wilson den direkten Zusammenhang zwischenhypergeometrischen Funktionen und Rekursionen. Insbesondere ist fur unseine Aussage bezuglich 4F3-Reihen, deren Anwendung im Irrationalitatsbe-weis von ζ(3) im letzten Abschnitt beschrieben wurde, interessant. Zuallererstwollen wir zwei Eigenschaften kennenlernen.

Definition. Zwei Reihen 2F1 heißen benachbart, wenn genau ein Parametereiner Reihe sich um 1 von dem der anderen Reihe unterscheidet.

Definition. Eine Reihe pFq wird balanciert genannt, wenn p = q + 1 undz = 1 gilt und einer der Parameter ai eine negative ganze Zahl ist, alsowenn die Reihe terminiert. Fur balancierte Reihen soll der Begriff der Be-nachbartheit eigens festgelegt werden: Werden zwei Parameter jeweils um 1so verandert, dass die sich daraus ergebende Reihe wieder balanciert ist, sosprechen wir von benachbarten Funktionen. Dies konnen wir direkt auf dievon Aperys verwendete Folge λn,k anwenden. Fur an =

∑nk=0 λn,k gilt, dass

an =n∑k=0

(n

k

)2(n+ k

k

)2

=4 F3(−n,−n, n+ 1, n+ 1; 1, 1, 1; 1)

eine ebenso balancierte Reihe darstellt wie an+1 und an−1. Diese Uberlegungliefert nun das entscheidende Bindeglied zu einer Rekursionbeziehung zwei-ter Ordnung, also mit drei Termen. Der Zusammenhang wird im folgendenLemma beschrieben.

Lemma 1. Zwischen jeder beliebigen balancierten 4F3-Reihe und zwei dazubenachbarten balancierten Reihen besteht ein linearer Zusammenhang.

Eine komplette Auflistung der zueinander in Beziehung stehenden 4F3-Reihenlasst sich in [52] finden. In [5] wird ein allgemeiner Weg beschrieben, eir Koef-fizienten der Rekursionsgleichung zu errechnen sind. Dieser ist recht technisch

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 53

und liefert keine tieferen Erkenntnisse. Deshalb wollen wir hier lediglich kurzdie Idee skizzieren: Die Binomialkoeffizienten der zu Grunde liegenden Folge,in unserem Beispiel an, lassen sich mit Hilfe der Gammafunktion als(

n

k

)=

Γ(n+ 1)

Γ(n− k + 1)Γ(k + 1)

darstellen. Desweiteren wird der Index n, wie oben beschrieben, als Parame-ter der hypergeometrischen Reihe verwendet, die dann selbst als Folge Fnbetrachtet werden kann. Daraus erhalt man die Moglichkeit, eine Rekursi-onsgleichung der Form

AnFn+1 +BnFn + CnFn−1 = 0

aufzustellen und die jeweiligen Polynome An, Bn, Cn als Koeffizienten zu be-rechnen. In unserem Fall ergibt dies schließlich die bekannte Rekursion

n3an + (n− 1)3an−2 = (34n3 − 51n2 + 27n− 5)an−1.

3.4.2 Hypergeometrische Reihen - Integrale

In Kapitel 3.2 haben wir bereits die geshifteten Legendre-Polynome kennen-gelernt. Sie stellen eine besondere Art orthogonaler Polynome dar.

Definition. Sei Pn(x) ein Polynom vom Grad n, dann ist (Pn(x))∞n=0 genaudann eine Menge orthogonaler Polynome, wenn∫ ∞

−∞Pn(x)Pm(x)dα(x) = 0 fur m 6= n

gilt, wobei dα(x) ein positives Maß sein soll.Die Verbindung von orthogonalen Polynomen und Rekursionen wird im fol-genden Satz, siehe [50], beschrieben.

Lemma 2. Genau dann, wenn Polynome einer Menge (Pn(x))∞n=0 orthogo-naler Polynome entstammen, genugen sie der Rekursion

xPn(x) = AnPn+1(x) +BnPn(x) + CnPn−1(x),

wobei An, Bn und Cn reell sind und AnCn+1 < 0 fur n = 0, 1, ... gilt.

Desweiteren stellt Wilson in [52] den folgenden Zusammenhang zu Integralenher.

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 54

Lemma 3. Das Polynom eines quadratischen Arguments lasst sich als 4F3-Reihe schreiben

Pn(x2) =4 F3(−n, n+ a+ b+ c+ d− 1; a+ ix+ a− ix; a+ b, a+ c, a+ d; 1)

und genugt der Gleichung∫ ∞0

Pn(x2)Pm(x2)

∣∣∣∣Γ(a+ ix)Γ(b+ ix)Γ(c+ ix)Γ(d+ ix)

Γ(2iπ)

∣∣∣∣2 dx = 0.

Um nun wieder einen Bezug zu unserem Irrationalitatsbeweis von ζ(3) er-sichtlich werden zu lassen, sei zunachst eine weitere Eigenschaft hypergeo-metrischer Reihen erklart. Siehe hierzu auch [45].

Definition. Eine hypergeometrische Reihe heißt genau dann gut balanciert,wenn

a1 + 1 = a2 + b2 = ... = am + bm,

und sehr gut balanciert, wenn sie gut balanciert ist und

a2 = 12a1 + 1

gilt.In [34], [54] und [56] erklaren Nesterenko und Zudilin nun allgemeine Zu-sammenhange von Linearformen mit ζ-Koeffizienten als hypergeometrischeReihen und als multiple Integrale. Wir wollen hier insbesondere zwei dieserGleichungen zitieren.

Lemma 4. Fur reelle a mit 0 ≤ a < m− 1 gilt die folgende Identitat∫[0,1]m−1

dx2 · · · dxm(1− x2 · · · xm)a

=m Fm−1(1, 1, ..., a; 2, 2, ..., 2; 1),

wobei sowohl die Reihe als auch das Integral konvergieren.

Lemma 5. Fur sehr gut balancierte hypergeometrische Reihen der Form

Fm(h0;h1, ..., hm) :=Γ(1 + h0)

∏mj=1 Γ(hj)∏m

j=1 Γ(1 + h0 − hj)×

m+2Fm+1(h0, 1 + 12h0, h1, ..., hm; 1

2h0, 1 + h0 − h1, ..., 1 + h0 − hm; (−1)m+1)

und multiple Integrale der Form

Jm(a0, a1, ..., am; b1, ..., bm) :=

∫[0,1]m

∏mj=1 x

aj−1j (1− xj)bj−aj−1

Qm(x1, ..., xm)a0dx1 · · · dxm

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KAPITEL 3. ENTSCHEIDENDE BEWEISIDEEN 55

mitQ0 = 1

und

Qm = Qm(x1, ..., xm) = 1− (· · ·(1− (1− xm)xm−1) · · · x2)x1

gilt fur alle m ≥ 1 die Identitat∏m+1j=1 Γ(1 + h0 − hj − hj+1)

Γ(h1)Γ(hm+2)× Fm+2(h0;h1, ..., hm+2)

= Jm(h1, ..., hm+1; 1 + h0 − h3, 1 + h0 − h4, ..., 1 + h0 − hm+2).

Bemerkung. Im obigen Integral wird von der verallgemeinerten Form fak-torweise variierender Exponenten aj beziehungsweise bj−aj−1 ausgegangen.Da in fur uns interessanten multiplen Integralen lediglich der feststehendeExponent n vorkommt, verwenden wir die ubersichtlichere Schreibweise

Jm,n :=

∫[0,1]m

∏mj=1 x

nj (1− xj)n

Qm(x1, ..., xm)n+1dx1 · · · dxm.

Bezuglich des obigen Integrals gilt also a0 = n, aj = n + 1 und bj = 2n + 2,woraus sich fur die Parameter von Lemma 5

h1 = n, h2 = · · · = hm+1 = n+ 1

und1 + h0 − h3 = · · · 1 + h0 − hm+2 = 2n+ 2

ergeben. Angewandt auf das bekannte Beukersche Integral mit m = 3:

J3,n =

∫[0,1]3

xn1 (1− x1)nxn2 (1− x2)nxn3 (1− x3)n

Q3(x1, x2, x3)n+1dx1dx2dx3

erhalten wir damit die hypergeometrische Darstellung

F3,n =Γ(n+ 2)Γ(n+ 1)3

Γ(n)Γ(n+ 1)× F5(3n+ 2;n, n+ 1, n+ 1, n+ 1, n+ 1)

=Γ(n+ 2)Γ(n+ 1)4Γ(3 + 3n)

Γ(2n+ 3)Γ(2n+ 2)2

× 5F4(3n+2,3n

2+2, n, n+1, n+1;

3n

2+1, 2n+3, 2n+2, 2n+2; (−1)4).

Mit der bereits erwahnten Methode des “creative telescoping“ [38] ließe sichnun eventuell wiederum eine Rekursion finden, der die hypergeometrischeReihe und somit implizit das Integral genugt.

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Kapitel 4

Ideen ubertragen

Die in Kapitel 3 vorgestellten unterschiedlichen Irrationalitatsbeweise bietenkombiniert und einzeln ein weites Feld an Moglichkeiten zur Inspiration undModifikation fur weitere arithmetische Untersuchungen. Exemplarisch seienhier einige Ideen beziehungsweise Spekulationen aufgefuhrt:

• Lasst sich einer der Beweis zum Nachweis der Irrationalitat einer wei-teren Konstanten nutzen?

• Bieten sich modifizierte Moglichkeiten an, um ζ(3) und andere ζ-Wertezu betrachen?

• Finden sich Moglichkeiten die Ideen von Apery, Beukers und Nesteren-ko zu kombinieren?

Dieses Kapitel ist unter anderem diesen Fragestellungen gewidmet.

4.1 Neue Integraldarstellungen

Wir wollen uns nun wieder ζ(3) zuwenden und insbesondere der Suche nachweiteren Darstellungen, die uns neue Ansatze fur alternative Irrationalitats-beweise liefern sollen. In diesem Abschnitt werden alternative Tripel-Integralefur ζ(3) aufgezeigt. Obwohl sie auf bekannten Identitaten basieren und demBukerschen Integral ahneln, ergeben sich erstaunlich einfache und handlicheReprasentationen, die Moglichkeiten zu neuen Untersuchungen eroffnen.

56

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 57

4.1.1 Harmonische Zahlen

Einen engen Bezug zur Riemannschen ζ-Funktion

ζ(s) =∞∑n=1

1

ns

an der Stelle s = 3 liefert eine bereits von Euler entwickelte Gleichung, dieden Zusammenhang mit den sogenannten harmonischen Zahlen beschreibt.Um diesen Ansatz naher auszufuhren, seien diese zunachst vorgestellt:

Definition. Die harmonischen Zahlen sind fur n ∈ N definiert durch

h(n) =n∑

m=1

1

m.

Dazu erklart man die Dirchlet-Reihe

H(s) =∞∑n=1

h(n)

ns, (4.1)

welche fur Re(s) > 1 absolut konvergiert. Naturlich interessiert uns insbe-sondere der Zusammenhang mit ζ(3). Die folgende Eigenschaft kann manwiederum auf Euler zuruckfuhren. Sie wird ursprunglich in [18] und spaterbeispielsweise in [4] aufgefuhrt.

Satz 1. Fur die in (4.1) definierte Dirchlet-Reihe gilt

H(2) = 2ζ(3). (4.2)

Beweis. Wir wollen hier einen elementaren Beweis von (4.2) nach Basu undApostol [9] anfuhren. Fur jedes n ∈ N gilt

∞∑m=1m 6=n

(1

m− n− 1

m

)=

2

n− h(n)

bzw.∞∑m=1m 6=n

1

m(m− n)=

2

n2− h(n)

n.

Dividieren wir diese Identitat durch n und summieren uber n, so erhalten wireine neue Darstellung in Abhangigkeit von ζ(3) und obiger Dirichlet-Reihe:

∞∑m,n=1m 6=n

1

mn(m− n)=∞∑n=1

(2

n3− h(n)

n2

)= 2ζ(3)−H(2).

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 58

Die linke absolut konvergente Reihe verschwindet durch eine Umsortierungvon m und n. Somin gilt die obige Gleichung (4.2).

Mit der bereits in Kapitel 3.2 entwickelten Methode gilt nun fur b ∈ N0:

∞∑n=1

h(n)

(n+ b)2=

∞∑n=1

h(n)

(n+ b+ 1)

∫ 1

0

sb+nds =∞∑n=1

h(n)

∫ 1

0

∫ 1

0

sb+ntb+n

=

∫ 1

0

∫ 1

0

∞∑n=0

n∑m=1

1

m(st)b+n

=

∫ 1

0

∫ 1

0

∞∑m=b

h(m+ 1− b)(st)mdsdt. (4.3)

Definieren wir die Funktion

f(x) =∞∑m=b

h(m+ 1− b)xm = xb∞∑k=0

h(k + 1)xk,

so zeigt eine kurze Rechnung

f(x) = xb

(1 + x

∞∑k=1

(h(k) +

1

k + 1

)xk−1

)

= xb

(x∞∑k=1

h(k)xk−1 + x∞∑k=1

1

k + 1xk−1 + 1

)

= xb

(x1−bxb

∞∑k=0

h(k + 1)xk +1

x

(∞∑k=0

xk+1

k + 1− x

)+ 1

)

= xb

(x1−bf(x) +

1

x

∞∑k=1

xk

k

)= xf(x)− xb−1 log(1− x),

womit wir die Darstellung

f(x) =−xb−1 log(1− x)

1− x

erhalten. Diese ist gultig fur |x| < 1, dem Konvergenzbereich der f definie-renden Reihe. Insgesamt ergibt sich aus (4.3):

∞∑n=1

h(n)

(n+ b)2=

∫ 1

0

∫ 1

0

−(st)b−1 log(1− st)1− st

dsdt.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 59

Erinnern wir uns an die Ausgangsuberlegung, also an die Eulersche Identitatfur ζ(3), so ergibt sich mit (4.2) und b = 0 insbsondere

ζ(3) = 12H(2) = 1

2

∫ 1

0

∫ 1

0

− log(1− st)st(1− st)

dsdt. (4.4)

Mit einer ahnlichen Rechnung wie im Beukerschen Beweis uber dem Integraldes Logarithmus gilt die Gleichung∫ 1

0

du

1− uv=

[log(1− uv)

−1

v

]1

0

= − log(1− v)

v. (4.5)

Setzen wir nun v = st, so erhalten wir eine erstaunlich einfache neue Formel.

Satz 2. Fur die Riemannsche ζ- Funktion an der Stelle 3 gilt die Integraldar-stellung:

ζ(3) = 12

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

(1− st)(1− stu). (4.6)

Sofort auffallend ist hier die Ahnlichkeit der Integraldarstellung zu (3.11)aus Frits Beukers’ Beweis. Allerdings macht es den Anschein, dass die obigeAlternative nicht in dieser Form bekannt ist. Es besteht die Hoffnung, dasswir hier mit einer neuen Integraldarstellung von ζ(3) einen alternativen Be-weis fur ζ(3) 6∈ Q entdecken konnen. Zunachst wollen wir versuchen, unserIntegral in ein Integral nach Beukers umzuwandeln. Dafur behandeln wir dasIntegral

I :=

∫ 1

0

ds

(1− st)(1− stu)

mittels Partialbruchzerlegung. Da diese Rechnung nicht offensichtlich ist, sollsie ausfuhrlich notiert werden. Wir beginnen mit dem Standardansatz:

1

(1− st)(1− stu)=

A

1− st+

B

1− stu

Die rechte Seite wird nun wieder zu einem Bruch zusammengefasst:

A(1− stu) +B(1− st)(1− st)(1− stu)

=A− Astu+B −Bst

(1− st)(1− stu)=

(A+B)− (Au+B)st

(1− st)(1− stu).

Aus einem einfachen Zahlervergleich ergeben sich nun A und B:

Au+B = 0

A+B = 1

}⇐⇒

Au− A = −1 , also A =

1

1− u1

1− u+B = 1 , also B = −u 1

1− u.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 60

Ubertragen auf unser zu untersuchendes Integral ergibt sich damit die Zer-legung

I :=1

1− u

{∫ 1

0

ds

1− st− u

∫ 1

0

ds

1− stu

}=

log 1−tu1−t

t(1− u).

Wahlen wir nun τ := 1−tu1−t , so ist 1− τ = t(u−1)

1−t . Durch Einsetzen ergibt sich,wiederum vermoge (4.5), die Umformung

I =log τ

t(1− u)= − log τ

1− τ· 1

1− t=

1

1− t−1

1− τlog(1− (1− τ))

=

∫ 1

0

dy

(1− (1− τ)y)(1− t),

womit wir fur das Integral I die Identitat

I :=

∫ 1

0

ds

(1− st)(1− stu)=

∫ 1

0

dy

1− (1− (1− u)y)t.

erhalten. Besinnen wir uns auf die obige Darstellung (4.6) von ζ(3), so lasstsich diese mit Hilfe der Substitution x = 1− u in

ζ(3) = 12

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dxdydt

1− (1− xy)t,

umwandeln, also in exakt die gesuchte Darstellung (3.11) aus dem Beuker-schen Beweis.

Bemerkung. Als spannendes Nebenprodukt erhalten wir aus der Ruck-richtung unserer Argumentation einen neuen Beweis fur (4.2):

ζ(3) = 12H(2).

Diesen wollen wir kurz skizzieren:

Neuer Beweis von Satz 1. Die Darstellung von ζ(3) als Tripel-Integral(4.2) ist aus dem Beukerschen Beweis wohlbekannt. Wir wandeln das obigeeinfache Integral I gemaß unserer aufgefuhrten Rechnung ruckwarts um. Mitu = x− 1 ergibt sich

Iruck =

∫ 1

0

dy

1− (1− (1− u)y)t= ... =

log 1−tu1−t

t(1− u).

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 61

Ebenso durchlaufen wir die Partialbruchzerlegung auf umgekehrtem Weg underhalten durch das Zusammenfugen zum Tripel-Integral wiederum die neueDarstellung

ζ(3) = 12

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

(1− st)(1− stu).

Wenden wir uns jetzt der Dirichlet- Reihe H(2) zu. Zu Beginn unserer Be-trachtungen wurde in (4.4) die Integraldarstellung

H(2) =

∫ 1

0

∫ 1

0

− log(1− st)st(1− st)

dsdt

hergeleitet. Mit dem Integral des Logarithmus (4.5) erhalten wir den Beweisfur die Identitat.

Vergleichen wir unseren Beweis mit der oben beschriebenen Herangehens-weise von Basu und Apostol [9], so sieht man sofort, dass er umstandlicherist und keinen untmittelbaren Wissenszuwachs liefert. Nichtsdestotrotzverdeutlicht die Methode den bemerkenswerten Zusammenhang von H(2)und ζ(3) mittels Integralen uber dem Einheitsintervall.

Nun werden wir mit der Idee fortfahren (4.2) fur eine neuen Irratio-nalitatsbeweis von ζ(3) zu verwenden. Hierfur wollen wir weiterhin an derMethode des Beukerschen Beweis anknupfen und untersuchen den Fall a < bfur nicht-negative ganze Zahlen. Es ergibt sich gemaß (3.2)

∞∑n=1

h(n)

(n+ b)(n+ a)=

∫ 1

0

∫ 1

0

−sbta log(1− st)st(1− st)

dsdt.

Mit Hilfe der Partialbruchzerlegung erkennt man, dass es sich bei der linkenReihe um eine Teleskopsumme handelt

∞∑n=1

h(n)

(n+ b)(n+ a)=

∞∑n=1

h(n)

(1

n+ a− 1

n+ b

)1

b− a.

Was wir gerne erreichen wurden, ware die Konstruktion einer Linearformmit Koeffizienten ζ(3) ahnlich derjenigen von Beukers. Allerdings ergibt sichbereits fur den Fall a = 0, b = 1 ein unerwartetes Resultat. Wir erhalten

∞∑n=1

h(n)

(n+ 1)n=∞∑n=1

h(n)

(1

n− 1

n+ 1

)...ζ(2)

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 62

Fur den speziellen Fall a = 0, b = 1 entsteht folglich keine rationale Zahl,sondern die irrationale Zahl ζ(2). Dies schließt zwar aus, dass wir wie imBeukerschen Beweis mit einem beliebigen Polynom P ∈ Z[s, t] ein Integral

IP =

∫ 1

0

∫ 1

0

P (s, t) log(1− st)st(1− st)

dsdt

erhalten, welches gleich einer Linearform IP = aP ζ(3) + bP mit gewissenrationalen Zahlen aP , bP ist. Dennoch ist das Ergebnis interessant, weil wiraus dem Spezialfall a = 0, b = 1 auf eine Linearform

I0,1 = a0,1ζ(3) + b0,1ζ(2) + c0,1

stoßen. Dadurch besteht die Hoffnung, dass eine Verallgemeinerung fur wei-tere Werte ζ(k) mit k ∈ N bezuglich a und b der Form

Ia,b = aa,bζ(3) + babζ(k) + ca,b,

wobei es sich bei aa,b, ba,b und ca,b um rationale Zahlen handelt, gefundenwerden kann.

4.1.2 Multiple Zetawerte

In diesem Abschnitt soll der Irrationalitatsbweis aus Kapitel 3.2 mit Hilfe dermultiplen Zetafunktion ζ(2, 1) in neuer Weise ausgefuhrt werden. Zunachstwollen wir uns mit dieser speziellen Reihe naher vertraut machen.

Defintion. Die multiple Zetafunktion in s und t wird beschrieben durch

ζ(s, t) =∑k>n≥1

1

ks1

nt=∞∑n=1

1

ks

∑n<k

1

nt.

Außerdem gilt, wiederum nach Euler [18], die Gleichung

ζ(s)ζ(t) =∞∑k=1

1

ks

∞∑n=1

1

nt

=∑k>n≥1

1

ks1

kt+∑k>n≥1

1

ks1

nt+∞∑k=1

1

ks+t

= ζ(s, t) + ζ(t, s) + ζ(s+ t)

beziehungsweise

ζ(s, t) = ζ(s)ζ(t)− ζ(t, s)− ζ(s+ t). (4.7)

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 63

Es ergibt sich insbesondere

H(2)− ζ(2, 1) =∞∑n=1

1

n2

(∑m≤n

−∑m<n

)1

m=∞∑n=1

1

n2

1

n= ζ(3),

alsoζ(2, 1) = H(2)− ζ(3) = ζ(3).

Legen wir also

`(n) =∑n>k≥1

1

k

fest, so gelangen wir erneut zu einer alernativen Darstellung von ζ(3):

ζ(3) =∞∑n=1

`(n)

n2. (4.8)

Bemerkung. Der entscheidende Unterschied zur vorherigen Methode istalso das Ersetzen von ≥ durch >. Es gilt `(1) =

∑k<1

1k

= 0.Im Folgenden wollen wir gemaß der bekannten Rechnung eine Integraldar-stellung fur ζ(3) ohne den Vorfaktor 1

2bestimmen. Mit dem gleichen Ansatz

wie in Abschnitt 4.1.3 erhalten wir fur b ∈ N0:

∞∑n=1

`(n)

(n+ b)2=

∫ 1

0

∫ 1

0

∞∑n=1

`(n)(st)n+b−1dsdt. (4.9)

Definieren wir die erzeugende Funktion

f(x) :=∞∑m=b

`(m+ 1− b)xm = xb∞∑k=0

`(k + 1)xk,

so zeigt sich mit

f(x) =xb

(x+ x

∞∑k=2

(`(k) +

1

k

)xk−1

)

=xb

(x

∞∑k=2

`(k)xk−1 + x

∞∑k=1

1

kxk−1 + x

)

=xb

(x1−bf(x) +

∞∑k=1

xk

k

)= xf(x)− xb log(1− x),

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 64

dass wir wiederum eine alternative Darstellung

f(x) =−xb log(1− x)

1− xerhalten. Wie zuvor ist die erzeugende Funktion gultig fur den Konvergenz-bereich |x| < 1 der f definierenden Reihe. Zusammenfassend ergibt sich aus(4.9):

∞∑n=1

`(n)

(n+ b)2=

∫ 1

0

∫ 1

0

−(st)b log(1− st)1− st

dsdt. (4.10)

Unter Berucksichtigung der ursprunglichen Annahme, setzen wir b = 0 underhalten

ζ(3) =

∫ 1

0

∫ 1

0

− log(1− st)1− st

dsdt.

Mit der Substitution v = st und Hilfe des Integrals uber dem Logarithmus∫ 1

0

v

(1− v)(1− vu)du =

[log ((1− v)(1− vu))

−vv − v2

]1

0

=−log(1− v)

1− v(4.11)

erhalten wir schließlich eine weitere neue Formel.

Satz 3. Es gilt die Integraldarstellung

ζ(3) =

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

st

(1− st)(1− stu)dsdtdu. (4.12)

Es ergibt sich also wiederum eine Darstellung von ζ(3) als Tripel-Integraluber dem Einheitsintervall mit einer rationalen Funktion als Integranden.Die entscheidende Neuerung zur vorherigen Integraldarstellung besteht inder Eliminierung des Vorfaktors 1

2.

4.1.3 Differenz der Integraldarstellungen

Aus den obigen Untersuchungen wissen wir, dass der Zusammenhang

H(2)− ζ(2, 1) = ζ(3)

gilt. Wir haben außerdem neue Integraldarstellungen fur die jeweiligen Sum-manden gefunden. Aus der Differenz dieser Tripel-Integrale fur H(2) undζ(2, 1), erhalten wir∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

1

(1− st)(1− stu)dsdtdu−

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

st

(1− st)(1− stu)dsdtdu

=

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

1− st(1− st)(1− stu)

dsdtdu =

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

1

1− studsdtdu.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 65

Wiederum ergibt sich eine erstaulich einfach neue Integraldarstellung vonζ(3), die sich auch direkt mit der ubliche Methode uber den Grenzwert dergeometrischen Reihe

∞∑n=1

1

n3=

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

∞∑n=1

(stu)n−1dsdtdu =

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

1

1− studsdtdu (4.13)

verifizieren lasst. Tatsachlich lassen sich die drei gefundenen Integraldarstel-lungen von ζ(3) durch Addition und Subtraktion ineinander umrechnen.Innerhalb weiterer Untersuchungen konnten die Tripel-Integrale als interes-sante Ausgangspunkte zur Konstruktion von Linearformen dienen, die ahn-lich wie der Beukersche Beweis schließlich zu einem alternativen Nachweisder Irrationalitat von ζ(3) fuhren konnten.

4.2 Verallgemeinerungen auf

multiple ζ-Werte

In Kapitel 4.1 haben wir also mit Hilfe multipler ζ- Werte eine Tripel-Integraldarstellung (4.12) von ζ(3) = ζ(2, 1) erzielt:

ζ(3) =

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

st

(1− st)(1− stu)dsdtdu.

Diese Identitat wollen wir nun zur Untersuchung weiterer multipler ζ- Wer-te verallgemeinern. Dafur erinnern wir uns zunachst an den in Kapitel 3.3bereits eingefuhrten Polylogarithmus

Lib(X) :=∞∑m=1

Xm

mb,

wobei b ≥ 1 ganzzahlig gewahlt werden soll.Insbesondere gilt

Li1(X) = −∞∑m=1

(−x)m

m(−1)m+1 = − log(1−X).

Legen wir weiterhin a ≥ 2 als ganzzahlig fest, so lasst sich fur X = x1 · . . . ·xaund dX = dx1 · . . . · dxa, die Integraldarstellung (4.12) auf multiple ζ-Weteverallgemeinern. Ubertragen wir den Ansatz aus dem vorherigen Kapitel furζ(2, 1) auf die verallgemeinerte ζ-Funktion, so erhalten wir

ζ(a, b) =∞∑n=1

`(n)b

(n)a=

∫[0,1]a

∞∑n=1

`(n)bXn−1dX

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 66

und mit n = m+ 1 fur die erzeugende Funktion

f(X) :=∞∑m=0

`(m+ 1)bXm

=X∞∑k=2

`(k)bXk−1 +X∞∑k=1

1

kbXk−1 +X

=Xf(X) +∞∑k=1

Xk

kb

=Xf(X) + Lib(X).

Insgesamt ergibt sich

ζ(a, b) =

∫[0,1]a

Lib(X)

1−XdX. (4.14)

Definieren wir Y = y1 · . . . · ya und dY = dy1 · . . . · dyb, dann erhalten wirdurch den integralen Zusammenhang

Lib(X) =

∫ 1

0

d

dy

∞∑m=1

Xmym

mbdy =

∫ 1

0

∞∑m=1

Xmym−1

mb−1dy =

∫ 1

0

Lib−1(Xy)

ydy,

nach b-maliger Anwendung

ζ(a, b) =

∫[0,1]a

Lib(X)

1−XdX

. . .

=

∫[0,1]a+b−1

− log(1−Xy1 · . . . · yb−1)

(1−X)y1 · . . . · yb−1

dyb−1 . . . dy1dX

=

∫[0,1]a+b

Xy1 · . . . · yb−1

(1−X)y1 · . . . · yb−1(1−Xy1 · . . . · yb−1yb)dY dX

und damit schließlich

ζ(a, b) =

∫[0,1]a+b

X

(1−X)(1−XY )dXdY. (4.15)

Diese neue allgemeine Darstellung fur so genannte Euler-Zagier ζ-Werte lasstsich fur unterschiedlichste Untersuchungen und Spekulationen verwenden.Zunachst leiten wir verallgemeinerte Identitaten zu im vorherigen Kapitelaufgefuhrten Spezielfallen ab. Zum einen erhalten wir

ζ(a) =

∫[0,1]a

dX

1−X, (4.16)

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 67

aus der sich (4.13) augenscheinlich als Spezialfall fur a = 3 ableiten lasst.Zum anderen gilt∫

[0,1]a+1

dXdy

(1−X)(1−Xy)= ζ(a, 1) + ζ(a+ 1),

woraus wir

H(a) =∞∑n=1

h(n)

na=

∫[0,1]a+1

dXdy

(1−X)(1−Xy),

und damit eine verallgemeinerte Formel fur H(2) erhalten.

4.2.1 Eulersche Formeln

Mit diesen neuen Erkenntnissen, sollen zunachst alternative Beweise fur be-kannte Gleichungen untersucht werden. In Kapitel 2 wurde bereits auf dieherausragenden Ergebnisse Leonhard Eulers bezuglich der Riemanschen ζ-Funktion eingegegangen. Seine Auseinandersetzung erstreckt sich ebenso aufmultiple ζ- Werte, siehe [18]. Beispielsweise kennt Euler bereits die Gleichung

ζ(a)ζ(b) = ζ(a, b) + ζ(b, a) + ζ(a+ b). (4.17)

Mit Hilfe der Integrale (4.15) und (4.16) lasst sich diese Formel nun als∫[0,1]a

dX

1−X

∫[0,1]b

dY

1− Y=

∫[0,1]a+b

X

(1−X)(1−XY )dXdY

+

∫[0,1]a+b

Y

(1− Y )(1−XY )dXdY +

∫[0,1]a+b

1

1−XYdXdY,

beziehungsweise∫1

(1−X)(1− Y )dXdY (4.18)

=∫ {

X(1−X)(1−XY )

+ Y(1−Y )(1−XY )

+ 11−XY

}dXdY,

darstellen. Die Integrationsgrenzen konnen hier vernachlassigt werden, da sieauf beiden Seiten gleich sind. Gelingt es uns, die Gleichheit der Integrandennachzuweisen, so folgt damit direkt der Beweis von (4.17). Aus

1

(1−X)(1− Y )=

X

(1−X)(1−XY )+

Y

(1− Y )(1−XY )+

1

1−XY

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 68

lasst sich durch Multiplikation des Hauptnenners

1−XY = X(1− Y ) + Y (1−X) + (1−X)(1− Y )

und damit die gewunschte Identitat erlangen.Eine weitere bekannte Formel, die sich auf Euler zuruckfuhren lasst, ist dieIdentitat

ζ(c+ 1) =∑

a+b=c+1a≥2

ζ(a, b),

fur c ≥ 2. Es stellt sich auch hier die Frage, ob die entwickelten Integraldar-stellungen dabei helfen, diesen wesentlich komplexeren Zusammenhang er-neut zu beweisen. Es gilt

ζ(c+ 1) =

∫[0,1]c+1

dZ

1− Z

und ∑a+b=c+1a≥2

ζ(a, b) =∑

a+b=c+1a≥2

∫[0,1]a+b

X

(1−X)(1−XY )dXdY.

Aus der vorherigen Formel wissen wir, dass

ζ(c+ 1) = ζ(c)ζ(1)− ζ(c, 1)− ζ(1, c),

also, entsprechend des Falls a = c und b = 1,∫[0,1]c+1

1

1−XydXdy

=

∫[0,1]c+1

{1

(1−X)(1− y)− X

(1−X)(1−Xy)− y

(1− y)(1−Xy)

}dXdy

=

∫[0,1]c+1

1−X − y +Xy

(1−X)(1− y)(1−Xy)dXdy

gelten muss. Desweiteren lasst sich die rechte Seite in die einzelnen Summan-den aufspalten∑

a+b=c+1a≥2

ζ(a, b) = ζ(2, c− 1) + ζ(3, c− 2) + ...+ ζ(c, 1) + ζ(c+ 1, 0),

also ∑a+b=c+1a≥2

ζ(a, b) =

∫[0,1]a+b

x1x2

(1− x1x2)(1− x1x2y1...yc−1)+ ...

+X

(1−X)(1−Xy)+

x1x2...xc+1

1− x1x2...xc+1

dx1...dxc+1dy1...dyc−1.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 69

Diese bisherigen Uberlegungen zeigen lediglich eine alternative Herangehens-weise auf. Ob dadurch ein weiterer Beweis gefunden werden kann ist nochnicht klar.

4.2.2 Dilogarithmen

Ein weiteres Anwednungsgebiet unserer verallgemeinerten Integraldarstel-lung multipler ζ-Werte sind die sogenannten Dilogarithmen, sprich den Spe-zialfall des Polylogarithmus [34] zum Exponenten b = 2

Li2(X) =∞∑m=1

Xm

m2.

In einschlagiger Literatur, wie beispielsweise [26] oder [46] finden sich um-fassende Anwendungen. Betrachten wir doch zunachst die dilogarithmischeFunktion genauer. Aus

Li1(x) =x

1+x2

2+x3

3+ ... = − log(1− x) =

∫ x

0

dy

1− ylasst sich

Li2(x) =x

12+x2

22+x3

32+ ... = −

∫ x

0

log(1− y)

ydy

ableiten.

Bemerkung Obwohl diese Reihen lediglich fur |x| ≤ 1 konvergieren, sindsie nicht auf diese Integrationsgrenzen beschrankt, da die Argumente trans-formiert ebenso das Einheitsintervall durch laufen. Hier etwa: 1− x ∈ [0, 1].

Es gibt eine Vielzahl an bekannten Funktionalgleichen in einer odermehreren Variablen fur die dilogarithmische Funktion. Wir wollen unsereUntersuchungen mit einer Gleichung in einer Variablen beginnen. Diesewurde ubrigens wiederum von Euler entwickelt und lasst sich mittelspartieller Integration herleiten.

Li2(x) = −∫ x

0

log(1− y)

ydy =

∫ x

0

log y

1− ydy − log x log(1− x)

= −Li2(1− x) + Li2(1)− log x log(1− x)

Wenden wir nun die allgemeine Gleichung (4.14) fur X = x1 · . . . xa unddX = dx1 . . . dxa an, und setzen b = 2 ein, so erhalten wir

ζ(a, 2) =

∫[0,1]a

Li2(X)

1−XdX =

∫[0,1]a

−Li2(1− X) + Li2(1)− log X log(1− X)

1−XdX,

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 70

was sich mit Li2(1) = ζ(2) und

− logX log(1−X)

1−X=

∫ 1

0

X log(1−X)

(1−Xy1)(1−X)dy1

=

∫ 1

0

∫ 1

0

X

(1−Xy1)(1− (1−X)y2)dy1dy2

umformen lasst zu

ζ(a, 2) = −∫

[0,1]a

Li2(1−X)

1−XdX+ζ(a)ζ(2)−

∫[0,1]a+2

XdXdy1dy2

(1−Xy1)(1− (1−X)y2).

Wir wollen nun den ersten und den dritten Summanden genauer betrachten.Es ergibt sich∫

[0,1]a

Li2(1−X)

1−XdX =

∫[0,1]a+1

Li1(Xy1)

(1−X)y1

dy1dX

=

∫[0,1]a+2

Xy1

(1−X)y1(1−Xy1y2)dy1dy2dX

=

∫[0,1]2+a

− log(1−Xy1)

(1−X)y1

dy1dX

=

∫[0,1]2

Lia(X)

1−XdX

= ζ(2, a).

Aus (4.17) folgt zusatzlich

ζ(2 + a) =

∫[0,1]2+a

dy1dy2dX

1− y1y2X=

∫ 1

0

∫ 1

0

X

(1−Xy1)(1− (1−X)y2)dy1dy2,

was fur den Spezialfall a = 1 wiederum eine alternative Integraldarstellung

ζ(3) =

∫ 1

0

∫ 1

0

s

(1− st)(1− (1− s)u)dtdu

von ζ(3) liefert.

4.3 Komplexes Integral

In diesem Abschnitt wollen wir einen Ansatz aus Kapitel 3.4.2 aufgreifen.Fur reelle a mit 0 ≤ a < m− 1 gilt, nach [34], die Identitat∫

[0,1]m−1

dx2 · · · dxm(1− x2 · · · xm)a

=m Fm−1(1, 1, ..., a; 2, 2, ..., 2; 1).

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 71

Das bedeutet, dass sich das Integral (4.13) aus Abschnitt 4.1.3 fur ζ(3) alshypergeometrische Reihe∫

[0,1]3

dsdtdu

1− stu=4 F3(1, 1, 1, 1; 2, 2, 2; 1)

darstellen lasst. Wir definieren fur b1 = 1 und komplexe Zahlena1, ..., am, b2, ...bm, aj 6= 0,−1,−2, ... das Integral

I(z) :=1

2πi

∫ c+i∞

c−i∞

∏mj=1 Γ(s+ aj)∏mj=2 Γ(s+ bj)

· Γ(−s) · (−z)sds,

wobei der Geraden Res = c integriert wird.

Lemma. Fur alle z mit |arg(−z)| ≥ π, fur die sowohl das Integral als auchdie Reihe konvergieren, gilt die Gleichung

mFm−1(a1, a2, ..., am; b2, ..., am; z) =m∏j=1

Γ(bj)

Γ(aj)· I(z).

Angewandt auf unser bekanntes Integral, ergibt sich damit

ζ(3) =

∫[0,1]3

dsdtdu

1− stu= 13 · 1

2πi

∫ c+i∞

c−i∞

Γ(s+ 1)4

Γ(s+ 2)3· Γ(−s) · (−1)sds,

eine neue Darstellung als komplexes Integral. Diese erinnert an den Irratio-nalitatsbeweis von Nesterenko aus Kapitel 3.3. Eine interessante Frage, diesich fur fortfuhrende Untersuchungen also stellt, ist die, ob man eine ahnlicheoder sogar prazisere Abschatzung durchfuhren kann.

4.4 Beukers Integrale angewandt auf die Di-

richletsche L-Funktion

Eine weitere Idee an bisherigen Irrationalitatsbeweisen von ζ(3) anzuknupfen,bietet die Moglichkeit, diese auf andere unendliche Reihen zu ubertragen.Im Folgenden soll exemplarisch ein Ansatz dargestellt werden, einen Beweisahnlich dem Beukerschen fur die Dirchletsche L-Funktion an der Stelle 3,also

L(3, χ) =∞∑n=1

χ(n)

n3,

zu konstruieren. Zur Erklarung dieser Dirchlet-Reihe soll zunachst der Begriffdes Dirichletschen Charakters betrachtet werden.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 72

Definition. Unter einem Dirichletschen Charakter versteht man einen Ho-momorphismus χ mod q : N→ C, der folgenden Eigenschaften fur m,n,∈ Ngenugt:

1. Er ist streng-multiplikativ:

χ(mn) = χ(m)χ(n).

2. Er ist q-periodisch, das heißt, es gibt ein q ∈ Z mit

χ(n) = χ(n+ q).

3. Falls n und q teilerfremd sind, dann gilt χ(n) = χ(n mod q) 6= 0,ansonsten gilt χ(n) = 0.

Als Hauptcharakter χ0 bezeichnet man das Element

χ0(n) = 1,

fur alle n ∈ N.Insbesondere die Eigenschaft der Periodizitat wird in weiteren Untersuchun-gen von Interesse sein. Die Grundlage der folgenden Integralumformungenbildet wieder die bekannte Grenzwertbildung der unendlichen geometrischenReihe:

1

1− st=∞∑n=0

sntn,

fur |st| < 1. Wir erinnern uns an die ersten Umformungen im BeukerschenBeweis: ∫ 1

0

∫ 1

0

sata

1− stdsdt =

∞∑n=0

∫ 1

0

∫ 1

0

sa+nta+ndsdt

=∞∑n=0

1

a+ n+ 1

∫ 1

0

ta+ndt

=∞∑n=1

1

(a+ n)2,

woraus wir durch beidseitiges Differenzieren nach a

−2∞∑n=1

1

(a+ n)3=

∫ 1

0

∫ 1

0

sata log(st)

1− stdsdt

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 73

erhalten. Um diese Idee auf Dirichletsche L-Reihen ubertragen zu konnen,soll nun insbesondere die q-Periodizitat miteinbezogen werden. Wir erhalten∑

n≡c mod q

1

(n+ a)2=

∞∑m=0

1

(c+mq + a)2

=∞∑m=0

∫ 1

0

∫ 1

0

sc+mq−1+atc+mq−1+adsdt

=

∫ 1

0

∫ 1

0

sc−1+atc−1+a

1− (st)qdsdt,

beziehungsweise wiederum durch beidseitiges Ableiten nach a:

−2∑

n≡c mod q

1

(n+ a)3=

∫ 1

0

∫ 1

0

(st)c−1+alog(st)

1− (st)qdsdt. (4.19)

Mithilfe der logarithmischen Funktionalgleichung log(st) = log(s) + log(t),und der direkten Konsequenz fur das Integral∫ 1

0

∫ 1

0

(st)b+c−1log(st)

1− (st)qdsdt

=

∫ 1

0

∫ 1

0

(st)b+c−1log(s)

1− (st)qdsdt+

∫ 1

0

∫ 1

0

(t)b+c−1log(st)

1− (st)qdsdt,

ergibt sich aus dem symmetrischen Aufbau des obigen Integrals

−∑

n≡c mod q

1

(b+ n)3=

∫ 1

0

∫ 1

0

(st)c−1+alog(t)

1− (st)qdsdt.

Auch der Fall a 6= b lasst sich ganz ahnlich zum Beukerschen Beweis betrach-ten. Es gilt

1

b− a∑

n≡c mod q

(1

n+ a− 1

n+ b

)=

∑n≡c mod q

1

(n+ a)(n+ b)

=

∫ 1

0

∫ 1

0

sc−1+atc−1+b

1− (st)qdsdt,

woraus sich durch Differenzieren nach a

1

a− b∑

n≡c mod q

1

(n+ a)2+

1

(a− b)2

∑n≡c mod q

(1

n+ a− 1

n+ b

)

! =

∫ 1

0

∫ 1

0

sc−1+atc−1+b log s

1− (st)qdsdt,

(4.20)

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 74

beziehungsweise durch Differenzieren nach b

1

b− a∑

n≡c mod q

1

(n+ b)2+

1

(a− b)2

∑n≡c mod q

(1

n+ b− 1

n+ a

)

=

∫ 1

0

∫ 1

0

sc−1+atc−1+b log t

1− (st)qdsdt

(4.21)

ergibt. Fuhren wir nun (4.20) und (4.21) bezuglich s und t wieder zusammen,so erhalten wir das Integral

1

a− b∑

n≡c mod q

(1

(n+ a)2− 1

(n+ b)2

)=

∫ 1

0

∫ 1

0

sc−1+atc−1+b log(st)

1− (st)qdsdt.

(4.22)Nachdem wir alle grundlegenden Beukerschen Integralumformungen im Hin-blick auf q-Periodizitat ubertragen haben, stellt sich nun die Aufgabe einPolynom P ∈ Z[s, t] der Form

P =∑α

γα(st)α +∑

α,ξ;α 6=ξ

γαξsαtξ

zu finden, dass uns bei der Umformung des Integrals in eine Linearformmit Koeffizienten L(3, χ) hilft. Dafur wollen wir zunachst die sich ergebendeDarstellung SP genauer betrachten:

SP :=

∫ 1

0

∫ 1

0

P (s, t) log(st)

1− (st)qdsdt

=∑α

γα

∫ 1

0

∫ 1

0

(st)α log(st)

1− (st)qdsdt+

∑α,ξ;α 6=ξ

γαξ

∫ 1

0

∫ 1

0

sαtξ log(st)

1− (st)qdsdt.

Wenden wir (4.19) mit α = c−1+a, (4.22) mit α = c−1+a und ξ = c−1+ban, so erhalten wir

SP =− 2∑α

γα∑

n≡c mod q

1

(n+ 1− c+ α)3

+∑

α,ξ;α 6=ξ

γαξ∑

n≡c mod q

(1

(n+ 1− c+ α)2− 1

(n+ 1− c+ ξ)2

)1

ξ − α

(4.23)

Um einen analogen Ruckschluss entsprechend des Beukerschen Beweises aufdie Irrationalitat von L(3, χ) ziehen zu konnen, muss geklart werden, ob dieseForm ahnliche Bedingungen erfullt:

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 75

Unter welchen Umstanden kann SP ∈ Q(L(3, χ)) angenommen werden undlasst sich eine Linearform der Art Q + QL(3, χ) nachweisen? Um uns dieserallgemeinen Feststellung anzunahern, wollen wir einige Spezialfalle betra-chen.Fur den Charakter χ mod 2 mit q = 2 und c = 1 ergibt sich

SP = −2∑a

γa∑

n≡1 mod 2

1

(n+ a)3

+∑a,b;a6=b

γab∑

n≡1 mod 2

(1

(n+ a)2− 1

(n+ b)2

)1

b− a.

Im Hinblick auf unsere vorherigen Uberlegungen zu ζ(3) ist fur uns insbeson-dere der Faktor

∑n≡1 mod 2

1(n+a)3

von Interesse. Fur weitere Untersuchungen,wollen wir nun eine Fallunterscheidung desselbigen durchfuhren.

Bemerkung. Im Folgenden steht das Symbol4 stellvertretend fur weitererationale Summanden.

1. Fur den Fall, dass a gerade ist, ergibt sich∑n≡1 mod 2

1

(n+ a)3=

1

(1 + a)3+

1

(3 + a)3+

1

(5 + a)3+... =

∑n≡1 mod 2

1

n3−4.

2. Falls a ungerade ist, so erhalt man∑n≡1 mod 2

1

(n+ a)3=

1

(1 + a)3+

1

(3 + a)3+

1

(5 + a)3+... =

∑n≡0 mod 2

1

n3−4.

Betrachten wir nun den Zusammenhang

∑n≡0 mod 2

1

ns=

1

2s

∞∑m=1

1

ms=

1

2sζ(s)

und ∑n≡1 mod 2

1

ns=∞∑n=1

1

ns−∞∑n=1

1

(2n)s= (1− 2−s)ζ(s),

so ergibt sich, dass bezuglich χ mod 2 beide Falle zu einer Linearform derBauart Qζ(3) +Q fuhren. Folglich liefert ein Irrationalitatsbeweis wiederumnur ζ(3) 6∈ Q.

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KAPITEL 4. IDEEN UBERTRAGEN 76

Als weiteren Dirichlet-Charakter wollen wir χ mod 4 mit q = 4 und c = 1, 3betrachen, wobei χ als Einheitscharakter ausgeschlossen sein soll, also

χ(n) =

1, fur n ≡ 1

−1, fur n ≡ 3

0, sonst.

Man erhalt fur den Fall c = 1

SP = −2∑a

γa∑

n≡1 mod 4

1

(n+ a)3

+∑a,b;a6=b

γab∑

n≡1 mod 4

(1

(n+ a)2− 1

(n+ b)2

)1

b− a

und fur c = 3

SP = −2∑a

γa∑

n≡3 mod 4

1

(n+ a)3

+∑

a+2,b+2;a6=b

γa+2b+2

∑n≡3 mod 4

(1

(n+ a)2− 1

(n+ b)2

)1

b− a.

Eine Moglichkeit fortzufahren, besteht nun darin, Linearkombinationen derobigen Reihen naher zu betrachten. Wie zuvor wollen wir dies bezuglich derReihes

∑n≡1,3 mod 4

1(n+a)3

durchfuhren. Exemplarisch betrachen wir exempla-

risch den Fall, dass a gerade ist. Es ergibt sich mit (4.19)

L(3, χ) =∑

n≡1 mod 4

1

(n+ a)3−

∑n≡3 mod 4

1

(n+ a)3+4

=−1

2

∫ 1

0

∫ 1

0

(st)a

1 + (st)2log(st)dsdt+4,

eine Linearkombination von der Form QL(3, χ) +Q. Da die Konstruktion ei-nes geeigneten Polynoms bisher nicht gelungen ist, konnen wir noch keine all-gemeinen Ruckschlusse auf einen Irrationalitatsbeweis von Dirichletschen L-Funktionen oder anderer unendlicher Reihen folgern. Obwohl die bisherigenUberlegungen von exemplarischer Natur sind, konnten sie als AusgangspunktFur einen Nachweis der Irrationalitat dienen. Insbesondere der elementareCharakter des Beukerschen Beweises, deutet darauf hin, dass es moglich ist,ihn auf weitere Funktionen zu ubertragen.

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Kapitel 5

Anregungen und Ausblick

5.1 Weitere Integraldarstellungen

Insgesamt lassen sich aus bekannten Zusammenhangen der Konstanten ζ(3)mit anderen unendlichen Reihen eine Vielzahl weiterer Integraldarstellungenherleiten, die zu alternativen Beweisen der Irrationalitat und eventuell zueiner Verbesserung der Abschatzung des Irrationalitatsmaß fuhren konnten.

5.1.1 Darstellung von Calabi

Eine Idee hierfur ist es beispielsweise den Beweis von Eugenio Calabi (*1923)fur ζ(2) = π2

6aufzugreifen [49]. Er liefert eine neue Darstellung von ζ-Werten

als Integrale. Betrachten wir die Darstellung

ζ(3) =∞∑n=1

1

(2n)3+∞∑n=0

1

(2n+ 1)3= 1

8ζ(3) +

∞∑n=0

1

(2n+ 1)3,

so ergibt sich das Tripel-Integral

ζ(3) = 87

∞∑n=0

1

(2n+ 1)3= 8

7

∞∑n=0

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

(stu)2ndsdtdu.

Vertauschen wir nun Summation und Integration, so erhalten wir mit Hilfeder geometrischen Reihenformel

ζ(3) = 87

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

1− (stu)2= 8

7

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

(1− stu)(1 + stu).

Der Vorfaktor 87

lasst darauf schließen, dass wir es nicht mit einem zu (3.11)identischen Integral zu tun haben. Dies wirft die Frage auf, ob man bei einem

77

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 78

auf diesem Integral basierenden Irrationalitatsbeweis eine Prazisierung desIrrationalitatsmaß erhalten konnte.Mit Hilfe der Partialbruchzerlegung

8

7

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

1

2

(1

1− stu

)+

1

2

(1

1 + stu

)dsdtdu

=4

7

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

1− stu+

4

7

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

1 + stu

lasst sich durch Verwenden die Integraldarstellung von ζ(3) aus Kapitel 4.1.3mit

ζ(3) =4

7ζ(3) +

4

7

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

1 + stu

noch eine weitere Formel

ζ(3) = 43

∫ 1

0

∫ 1

0

∫ 1

0

dsdtdu

1 + stu.

herleiten.

5.1.2 Das Drinfeld-Kontsevich-Integral

Das allgemeine Integral von Vladimir DRINFELD (*1954) und MaximKONTSEVICH (*1964) fur multiple Zeta-Werte

ζ(a1, . . . , ar) =

∫0<t1<...<ta1+...+ar<1

(dt1

1− t1

a1∏j1=2

dtj1tj1

)(dta1+1

1− ta1+1

a1+a2∏j2=a1+2

dtj2tj2

× . . .×

dta1+...+ar−1+1

1− ta1+...+ar−1+1

a1+...+ar−1+ar∏j=a1+...+ar−1+2

dtjrtjr

macht zunachst einen recht unubersichtlichen Eindruck. Betrachtet man spe-zielle Werte, wie etwa die Funktion ζ(2, 1), so ergibt sich durch geometrische

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 79

Reihenentwicklungen und sukzessive Integration∫0<t1<t2<t3<1

dt11− t1

dt2t2

dt31− t3

=

∫ 1

0

∫ t3

0

∫ t2

0

∞∑k1=0

tk11 dt1dt2t2

dt31− t3

,

=∞∑k1=0

1

k1 + 1

∫ 1

0

∫ t3

0

tk12 dt2dt3

1− t3

=∞∑k1=0

1

(k1 + 1)2

∫ 1

0

∞∑k2=k1+1

tk23 dt3 =∞∑k1=0

1

(k1 + 1)2

∞∑k2=k1+1

1

k2 + 1.

Wahlen wir nun k = k1 + 1 und k2 + 1 = k + `, so lasst sich daraus∫0<t1<t2<t3<1

dt11− t1

dt2t2

dt31− t3

=∞∑k=1

∞∑`=1

1

k2(k + `),

folgern. Mit der Reihenentwicklung sieht man

∞∑n=1

1

n2

∑m<n

1

m= ζ(2, 1).

Aus dem bekannten Zusammenhang ζ(2, 1) = ζ(3), ergibt sich mit (4.15) dasTripel-Integral

ζ(2, 1) =

∫[0,1]3

stds

(1− st)(1− stu)dtdu

beziehungsweise nach der Substitution mit x = st, dx = tds

ζ(2, 1) =

∫[0,1]2

∫ t

0

xdxdu

(1− x)(1− xu)

dt

t.

Durch eine weitere Substitution mit v = xu, dv = xdu erhalten wir

ζ(2, 1) =

∫ 1

0

∫ t

0

∫ x

0

dv

1− vdx

1− xdt

t.

Mit den Verschiebungen t 7→ 1− t und x 7→ 1− x erzielt man letztendlich

ζ(2, 1) =

∫ 1

0

∫ 1−t

0

∫ x

0

dv

1− vdx

1− xdt

1− t=

∫ 1

0

∫ t

0

∫ x

0

dv

1− vdx

x

dt

1− t,

was genau unserem Ausgangsintegral entspricht.

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 80

Wir sehen also, dass es offensichtlich eine Vielzahl an potentiellen Moglich-keiten gibt, weitere Intgraldarstellungen zu konstruieren und sie auf ihreTauglichkeit fur alternative Irrationalitatsbeweise zu testen. Interessant warehierbei insbesondere eine Optimierung des bekannten Irrationalitatsmaßesfur ζ(3) = ζ(2, 1).

5.2 Anwendung auf multiple ζ-Werte

Eventuell lassen sich die neuen verallgemeinerten Integraldarstellungen (4.15)und (4.16), insbesondere ihr Vorteil der homogenen Integrationsgrenzen dereinzelnen Faktoren, ausnutzen, um weitere Aussagen uber arithmetische Ei-genschaften der Riemannschen ζ-Funktion zu untersuchen. Eine Anregungware beispielsweise die Uberprufung der Nahe multipler ζ-Werte zu einfa-chen ζ-Werten. Kann man etwa mit der Irrationalitat von

ζ(4) =

∫[0,1]4

dx1dx2dx3dx4

1− x1x2x3x4

Aussagen uber den arithmetischen Charakter von

ζ(3, 2) =

∫[0,1]5

x1x2x3

(1− x1x2x3)(1− x1x2x3y1y2)dx1dx2dx3dy1dy2

treffen und wurden diese bei einem Irrationalitatsbeweis von

ζ(5) =

∫[0,1]5

dx1dx2dx3dx4dx5

1− x1x2x3x4x5

helfen?Ein wunschenswertes, wenn auch außerst komplexes Gebiet, fur das die Inte-graldarstellung ebenso Ansatze liefern konnte, ist die Behandlung algebrai-scher Relationen von ζ-Werten. Lassen sich etwas Gleichungen wie

ζ(5) = 2ζ(3, 2) + 6ζ(4, 1)

also ∫[0,1]5

dx1dx2dx3dx4dx5

1− x1x2x3x4x5

= 2

∫[0,1]5

x1x2x3dx1dx2dx3dy1dy2

(1− x1x2x3)(1− x1x2x3y1y2)

+ 6

∫[0,1]5

x1x2x3x4dx1dx2dx3dx4dy

(1− x1x2x3x4)(1− x1x2x3x4y)

mit den Beukerschen Integraldarstellungen beweisen?In Kaptel 4.2.1 konnten wir die verallgemeinerte Darstellung der ζ-Funktion

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 81

bereits auf Eulersche Formeln anwenden. Es scheint vielversprechend, diesenAnsatz auf kompliziertere Zusammenhange zu ubertragen. Wir haben unsbeispielsweise bereits die Frage gestellt, ob sich die Eulersche Summenformel

ζ(c+ 1) =∑

a+b=c+1a≥2

ζ(a, b) fur 2 ≤ c ∈ N

mit ahnlicher Methode beweisen lasst.

5.3 Hypergeometrische Darstellung benut-

zen

Die Darstellung von Funktionen in hypergeometrischer Form bietet, nichtzuletzt auf Grund ihres elementare Charakters, eine Vielzahl an Anwen-dungsmoglichkeiten. In Kapitel 3.4 wurden Zusammenhange zwischenhypergeometrischen Reihen und Rekursionen beschrieben. Dies liefert ver-schiedene fortfuhrende Ideen: Lassen sich beispielsweise weitere Konstantenfinden, deren hypergeomtrische Reihendarstellungen zu unserer Reihe be-nachbart sind? Und kann man uber die beschriebene Drei-Term-Rekursion,der diese Reihen genugen, neue Folgen (an)n∈N und (bn)n∈N, entsprechendKapitel 2, konstruieren? Interessant ware es außerdem, die daraus ent-

stehende Quotientenfolge(anbn

)n∈N

auf eine eventuelle Verbesserung des

Irrationalitatsmaß hin zu untersuchen.Desweiteren bieten sich noch andere hypergeometrische Untersu-chungsmoglichkeiten. Einige Ideen sollen hier vorgestellt werden.

5.3.1 Zum Beweis von Nesterenko/Zudilin

In den Kapiteln 3.4 und 4.3 konnten wir sowohl eine Darstellung von ζ(3)als komplexes Integral

ζ(3) =1

2πi

∫ c+i∞

c−i∞

Γ(s+ 1)4

Γ(s+ 2)3· Γ(−s) · (−1)sds

ausfindig machen als auch eine hypergeometrische Darstellung

F3,n =Γ(n+ 2)Γ(n+ 1)3

Γ(n)Γ(n+ 1)× F5(3n+ 2;n, n+ 1, n+ 1, n+ 1, n+ 1)

=Γ(n+ 2)Γ(n+ 1)4Γ(3 + 3n)

Γ(2n+ 3)Γ(2n+ 2)2

× 5F4(3n+2,3n

2+2, n, n+1, n+1;

3n

2+1, 2n+3, 2n+2, 2n+2; (−1)4).

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 82

der in Kapitel 3.2 vorgestellten Linearform In = anζ(3)−bnd3n

konstruieren. Dievon Nesterenko und Zudilin verwendeten Methoden zur Abschatzung der Li-nearform im Irrationalitatsbeweis von ζ(3), siehe Kapitel 3.3, basieren aufahnlichen Darstellungen. Innerhalb zukunftiger Untersuchungen kann ver-sucht werden diese durch die Obigen oder weitere alternative Konstruktionenzu prazisieren.

5.3.2 Konstruktion von Linearkombinationen von Po-lylogarithmen als hypergeometrische Funktionen

Tatsachlich ist der Irrationalitatsbeweis fur ζ(3) noch immer einzigartig. Ab-schließend wollen wir uns schließlich aktuellen Ergebnissen fur weitere Werteder Riemannschen ζ-Funktion an ungeraden ganzzahligen positiven Stellen,

ζ(2k + 1) =∑n≥1

1

n2k+1,

mit k ∈ N, k ≥ 1 zuwenden. Uber deren arithmetischen Charakter ist bishernoch wenig bekannt. In den letzten zehn Jahren widmet sich insbesondereTanguy RIVOAL in [45] und [44], beziehungsweise in Zusammenarbeit mitChristian Friedrich KRATTENTHALER (*1958) in [25] der Untersuchungdieser Werte. Die Methode, die sie hierbei verwenden, beinhaltet wiederumden Zusammenhang der Konstruktion von Linearformen mit Polylogarith-men als hypergeometrische Funktion und als komplexes Integral. Wir wol-len uns im Folgenden einen Uberblick uber die Vorgehensweise verschaffen.Die Grundidee besteht in einer Weiterfuhrung der Verwendung einer Linear-form, indem der von 1 und den n ersten ungeraden ζ-Werten aufgespannteQ-Vektorraum untersucht wird. Aus der Abschatzung der Dimension desVektorraums lassen sich Ruckschlusse auf die lineare Unabhangigkeit der ζ-Werte, und somit auf deren Irrationalitat schließen. Als Mittel wird hier dasKriterium der Linearen Unabhangigkeit [32] von Nesterenko verwendet.

Kriterium der Linearen Unabhangigkeit. Seien θ1, θ2, · · · θN reelle Zah-len, wobei N ≥ 2. Angenommen es gibt N Folgen (pi,n)n≥0 fur die

log

∣∣∣∣∣∞∑i=1

pi,nθi

∣∣∣∣∣ = n log(α) + o(n) mit 0 < α < 1

und

log |pi,n| ≤ n log(ξ) + o(n) fur alle i = 1, · · ·N und mit ξ > 1

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 83

gilt. Dann lasst sich die Dimension des von θ1, θ2, · · · θN aufgespannten Q-Vektorraums folgendermaßen abschatzen:

dimQ(Qθ1 + Qθ2 + · · ·+ QθN) ≥ 1− logα

log ξ.

Ahnlich wie in Kapitel 3.3 beschrieben, werden polylogarithmische Funktio-nen

Lis(z) =∞∑n=1

zn

ns,

benutzt, um Ergebnisse anschließend auf die ζ-Funktion fur z = 1 zu spezia-lisieren. Der Vorteil liegt in der Konstruktion der Reihe

Sn,a,r(z) = n!a−2r

∞∑k=1

(k − rn)rn(k + n+ 1)rn(k)an+1

z−k

= z−rn−1n!a−2rΓ(rn+ 1)a+1Γ((2r + 1)n+ 2)

Γ((r + 1)n+ 2)a+1× Fa

mit der hypergeometrischen Darstellung

Fa =a+2 Fa+1 (rn+ 1, · · · , rn+ 1, (2r + 1)n+ 2;

(r + 1)n+ 2, · · · , (r + 1)n+ 2; z−1)

fur n ≥ 0, 1 ≤ r < a2. Die Reihe, die wir ab jetzt lediglich mit Sn(z) be-

zeichnen wollen, konvergiert fur alle komplexen |z| ≥ 1. Es lasst sich dieGleichheit

Sn =a∑l=1

Pl,n(z)Lil(1

z) + P0,n(z),

mit Polynomen

P0,n(z) = −a∑l=1

n∑j=1

cl,j,n

j∑k=1

1

klzj−k und Pl,n(z) =

n∑j=0

cl,j,nzj

mit rationalen Koeffizienten cl,j,n ∈ Q nachweisen. Die Besonderheit bestehtdarin, dass fur gerade n und ungerade a ≥ 3

Pl,n(1) = 0 fur alle l ∈ {2, · · · , a}

gilt. Somit ergibt sich die Linearkombination

Sn(1) = P0,n(1) +

(a+1)2∑l=1

P2l+1,n(1)ζ(2l + 1)

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 84

von ζ-Werten an positiven ungeraden Zahlen.Der nachste Schritt basiert auf dem bereits in vorherigen Kapiteln vorge-stellten Zusammenhang zwischen hypergeometrischen Reihen und komplexenIntegralen. Es gilt die Identitat

Sn(z) =((2r + 1)n+ 1)!

n!2r+1z(r+1)n+1In(z)

mit

In(z) =

∫[0,1]a+1

( ∏a+1l=1 x

rl (1− xl)

(z − x1x2 · · · xa+1)2r+1

)ndx1dx1 · · · dxa+1

(z − x1x2 · · ·xa+1)2.

Diese Darstellung bietet die Moglichkeit, die einzelnen Glieder der Linearformmit bekannten Methoden wie der Stirlingschen Formel und der CauchyschenIntegralformel abzuschatzen. Es ergibt sich:

sr,a := limn→infty

|Sn(1)|1n ≤ (2r + 1)2r+1 (ra+ r)ra+r(a− 2r)a−2r

(ra+ a− r)ra+a−r

und

pr,a := limn→infty

|Pi,n(1)|1n ≤ sa−2r(2r + 1)2r+1

fur alle i = 1, · · · , a. Durch da−in Pi,n(1) ∈ Z fur das kleinste gemeinsameVielfache dn = lcm[1, · · · , n] bei i = 0, · · · , a erfullen sich die Bedingungendes Kriteriums der Linearen Unabhangigkeit. Mit p0,n = da2nP2n(1) und pi,n =

da2nP2i+1,2n(1) fur i = 1, · · · , (a−1)2

lasst sich eine Linearform

`n = p0,n +

(a−1)2∑i=1

pi,nζ(2i+ 1)

in ganzen Zahlen konstruieren.Desweiteren folgt aus dem Primzahlsatz dn = e(1+o(1))n, womit sich fur dasKriterium der Linearen Unabhangigkeit von Nesterenko α = (exp(a)sr,a)

2

und ξ = (exp(a)pr,a)2 ergibt. Hiermit gelingen Rivoal zunachst einige allge-

meine Schlussfolgerungen.

Allgemeine Resultate von Rivoal. Man bezeichne die Dimension des von1, ζ(3), ζ(5), · · · , ζ(a) aufgespannten Q-Vektorraum mit δ(a).

1. Fur ein ganzzahliges ungerades a ≥ 3 gilt die Abschatzung

δ(a) ≥ 1

3log a.

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KAPITEL 5. ANREGUNGEN UND AUSBLICK 85

2. Fur alle ε > 0 gibt es eine ganze Zahl A(ε), so dass fur a ≥ A(ε) dieAbschatzung

δ(a) ≥ 1− ε1 + log 2

.

Die Dimension des Vektorraums wachst also jeweils mindestens um ein Viel-faches von log(n). Somit muss die Riemannsche ζ-Funktion unendlich vieleirrationale Werte ζ(2k + 1) besitzen.

Fur a = 169 und r = 10 liefert die Approximation noch speziellere Ergebnis-se, siehe [44].

Spezielles Resultat von Rivoal. Es gibt zwei ungerade j, k mit3 ≤ j, k ≤ 169, so dass 1, ζ(j) und ζ(k) linear unabhangig uber Q sind.

In Zusammenarbeit mit Krattenthaler gelingt ein weiteres Ergebnis:

Resultat von Krattenthaler und Rivoal. Unter den acht Wertenζ(5), ζ(7), · · · , ζ(19) gibt es mindestens einen irrationalen Wert.

In [25] drucken die beiden Autoren bereits ihr Hoffnung aus, dass mit Hilfeeiner weiter verallgemeinerteren Linearform ihre Folgerung auf vier ζ-Werteverbessert werden konnte.

5.4 Resume

Abschließend haben wir uns einen Eindruck vom aktuellen Forschungsstandarithmetischer Problemstellungen der Riemannschen ζ-Funktion verschafft.Insbesondere seit dem Irrationalitatsbeweis von ζ(3) ist das Interesse an Fol-geuntersuchungen enorm gewachsen. Auch wenn dem erste Erfolg von RogerApery sehr schnell weitere und vielleicht elegantere Ergebnisse gefolg sind,bleibt es bemerkenswert welche Erkenntnissprunge durch seine Arbeit aus-gelost wurden. Wir konnten sehen, wie der aufgezeigte Weg zu alternativenKonstruktionen einladt und in benachbarten Problemstellungen angewandtwerden kann. Abgesehen von dem Wert ζ(3) konnen weitere Funktionen un-tersucht werden und eventuell liefern neue Integraldarstellungen von Linear-formen sogar Aussagen uber algebraische Relationen in einfachen und mul-tiplen Werten der Riemannschen ζ-Funktion.

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