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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 1. Jahrganff 7. Mi~rz 1913. Heft 10. Die Physikalisch- Technische Reichsanstalt. Fiinfundzwanzig Jahre ihrer T~tigkeit. 2. W~rme. Von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. L. Holborn, Charlottenburg, Mitglied der Physikalisoh-Technischen Reichsanstalt. Die therm~schen Messungen fu~ten bls in die z~elte Hiilfte des vorigen Jahrhunderts hinein wesentlich auf den Arbeiten von Regnault, der yon der franzSsischen Regierung mit groi~en Mitte]n uuterstfitzt, fast alle Aufgaben auf dem Gebiete der Whrmephysik yon neuem in Angriff genommen and vermSge eines seltenen experimentetlen Geschicks kr~ftig gefSrdert hatte. Auf die Grandlage der yon diesem F0rscher gewonnenen Ergebnisse stfitzte die Thermodynamik ihre Berechnung der W~irmevor- g~nge, und die ~[aschinenlehre w~ihlte danach die Arbeitsbedingungen ffir die kalorischen Maschinen. Es liegt jedoch in der ~qatur dieser Aufgaben, dal3 ihre LSsung nach Ablauf eines halben Jahrhunderts den Anforderungen der Technik nicht mehr fibera]l genfigte. Denn einerseits waren die Arbeiten Regnaults an die physikalischen tIilfsmittel seiner Zeit gebunden, anderseits tauchten mit dem Fort- sehritt von Wissenschaft und Technik neue Fragen auf. Aus diesem Grunde nahm Helmholtz, der erste Letter der Reichsanstalt, sogleich bet deren Grfindung die Wiederholung und Erweiterung der Regnaultschen Versuche in den Arbeitsplan auf. Auf dem Gebiete der Thermometrie, welche die Grandlage aller physikalischen Messungen bildet, butte Regnault gezeig% dal3 die Skale des ver- breitetsten Thermometers, n~imlich des Quecksilber- thermometers, nicht als Grundlage dienen kann. Denn wegen des groi3en Einflusses, den die Ausdeh- nung der Glashiille au~ die Angaben dieser Instru- mente ausfibt, differleren diese in dem Gebiete fiber 300 ° betr~chtlich bet Thermometern, die aus ver- schiedenem Glase hergestellt werden. Regnault hatte deshalb seine Quecksilberthermometer auf das Gasthermometer bezogen, das unter verschiedenen Bedingungen, selbst bei der Verwendung ver- schledener Gase, elne befriedigende ~berein- stimmung seiner Angaben innerhalb des Bereichs zwisehen 0 und 350 o gew~ihrleistete. Die Erfahrun- gen, die Regnault fiber die Brauchbarkeit ver- sehiedener Glassorten ffir die Anfertigung yon Queeksilberthermometern gewonnen hatte, machte sich die Industrie nicht zunutze; sie legte den gr5Beren Wert auf eine leiehte Bearbeitung vor der Lampe, und so kam es, da$ die Gfite der Thermo- meter mit der Verwendung weicher Gl~ser sank, weil diese eine grol3e thermische ~Nachwirkuug besaBen. Den Weg zur Besserung der Instrumente wiesen systematisehe Untersuchungen fiber die Abh~ingig- keit der thermisehen Y~achwirkung des Glases yon der chemischen Zusammensetzung, die yon R. Weber und yon der ~qormal-Eiehungs-Kommissioll in Ge- meinschaft n~Jit dem 5enaer Glaswerk Schott • Ge- nossen angestellt wurden. Man gelangte damit zu Thermometergl~sern mit viel kleinerer l~aeh- wirkung, so dal3 die Temperaturmessurfg wesentlieh veffeinert werden konnte, besonders als man sieh yon dem noch verbliebenen Einflu~ der Nachwlrkung durch die Einffihrung besonderer Be- obaehtungsverfahren, die auf die Bewegliehkeit der Fixpunkte Rficksicht nahmen, freier maehte. Dieses war der Stand der Quecksitber-Thermo- mettle, als die Reichsanstalt ins Leben trat. Ihre erste Aufgabe bestand deshalb darin, die Brauchbar- keit der neuen Gl~ser zu untersuchen, und zwar ein- real in Hinsieht auf die Genauigkeit der ]~[essungen in dem Fundamentalgebiet zwischen 0 und 100 o, so- dann in Rgeksieht auf die Anwendbarkeit des Queeksilberthermometers auf h5here Tempera- turen. Anfangs bezogen sieh die Untersuehungen, die zugleleh der Ausarbeitung der l~[ethoden fiir die Bestimmung der Thermometerkonstanten galten, vorzugsweise auf das genaer Glas 16. Doeh wurden in der Erwartung, dal3 die I-Ierstellung noch zweck- mgltlgerer Glgser der damit beschaftigten deutschen Teehnik gelingen wfirde, aul3erdem viele andere Glas- proben auf ihre thermischen Eigensehaften geprfift. Unter allen hat sieh das Jenaer Glas 59 bisher als das brauehbarste erwiesen: auSer seiner hohen Er- weiehungstemperatur, die oberhalb 500 o liegt, besitzt es die Vorteile ether sehr kleinen thermisehen Aus- dehnung und einer grol]en Dauerhaftigkeit. Neben der Auswahl des Glases war hauptsgehlieh der Anschlul3 "des Qneeksilberthermometers an die Gasska]e vonWichtigkeit. Fiir das Bereich zwisehen 0 und 100 o hatte damals Chappuis mit ether im internationalen Bureau yon Breteuil angestellten Uutersuchung fiber die Wasserstoffskale einen we- sentliehen Fortsehritt fiber Regnaults Messungen hinaus erzielt. Sie beruhte auf ausgedehnten Ver- gqeichungen zwischen dem Wasserstoffthermometer, dessen Gefgl~ aus Platin bestand, und Quecksilber- thermometern aus verre dur and war dutch die an die Hauptnormale angeschlossenen QueekSilber- thermometer fibertragbar. Durch internationale Vereinbarung wurde diese Skale im gahre 1887 ffir die ~¢fal3- nnd Gewiehtsordnung yon den meisten Kulturstaaten angenommen; sparer hat sie aueh ffir die fibrigen physikalisehen ]kfessungen Eingang ge- fnnden. In Deutschland gesehah dies dadureh, dab die Reiehsanstalt die ,,internationale Wasserstoff- skale" ihren Thermometerprfifungen zugrunde legte. In den Temperatnren oberhalb 100 o wo die Realislerung des Wasserstoffthermometers Schwie- rigkeiten bietet, warden die Eichungen der Reiehs- anstalt zun~ehst auf das Luftthermometer gegrfin- det, mit dem neue Messungen bis zu 500 0 an- gestellt wurden entspreehend der groSen Reich- weite, welche die Queeksilberthermometer durch die

Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt. Fünfundzwanzig Jahre ihrer Tätigkeit

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN 1. Jahrganff 7. Mi~rz 1913. Heft 10.

Die Phys ika l i sch- Techn i sche Reichsanstalt .

F i i n f u n d z w a n z i g Jahre ihrer T~tigkeit. 2. W ~ r m e .

Von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. L. Holborn, Charlottenburg,

Mitglied der Physikalisoh-Technischen Reichsanstalt. Die therm~schen Messungen fu~ten bls in die

z~elte Hiilfte des vorigen Jahrhunderts hinein wesentlich auf den Arbeiten von Regnault, der yon der franzSsischen Regierung mit groi~en Mitte]n uuterstfitzt, fast alle Aufgaben auf dem Gebiete der Whrmephysik yon neuem in Angrif f genommen and vermSge eines seltenen experimentetlen Geschicks kr~ftig gefSrdert hatte. Auf die Grandlage der yon diesem F0rscher gewonnenen Ergebnisse stfitzte die Thermodynamik ihre Berechnung der W~irmevor- g~nge, und die ~[aschinenlehre w~ihlte danach die Arbeitsbedingungen ffir die kalorischen Maschinen. Es liegt jedoch in der ~qatur dieser Aufgaben, dal3 ihre LSsung nach Ablauf eines halben Jahrhunderts den Anforderungen der Technik nicht mehr fibera]l genfigte. Denn einerseits waren die Arbeiten Regnaults an die physikalischen tI i lfsmittel seiner Zeit gebunden, anderseits tauchten mit dem Fort- sehritt von Wissenschaft und Technik neue Fragen auf. Aus diesem Grunde nahm Helmholtz, der erste Letter der Reichsanstalt, sogleich bet deren Grfindung die Wiederholung und Erweiterung der Regnaultschen Versuche in den Arbeitsplan auf.

Auf dem Gebiete der Thermometrie, welche die Grandlage aller physikalischen Messungen bildet, butte Regnault gezeig% dal3 die Skale des ver- breitetsten Thermometers, n~imlich des Quecksilber- thermometers, nicht als Grundlage dienen kann. Denn wegen des groi3en Einflusses, den die Ausdeh- nung der Glashiille au~ die Angaben dieser Instru- mente ausfibt, differleren diese in dem Gebiete fiber 300 ° betr~chtlich bet Thermometern, die aus ver- schiedenem Glase hergestellt werden. Regnault hatte deshalb seine Quecksilberthermometer auf das Gasthermometer bezogen, das unter verschiedenen Bedingungen, selbst bei der Verwendung ver- schledener Gase, elne befriedigende ~berein- stimmung seiner Angaben innerhalb des Bereichs zwisehen 0 und 350 o gew~ihrleistete. Die Erfahrun- gen, die Regnault fiber die Brauchbarkeit ver- sehiedener Glassorten ffir die Anfertigung yon Queeksilberthermometern gewonnen hatte, machte sich die Industrie nicht zunutze; sie legte den gr5Beren Wert auf eine leiehte Bearbeitung vor der Lampe, und so kam es, da$ die Gfite der Thermo- meter mit der Verwendung weicher Gl~ser sank, weil diese eine grol3e thermische ~Nachwirkuug besaBen.

Den Weg zur Besserung der Instrumente wiesen systematisehe Untersuchungen fiber die Abh~ingig- keit der thermisehen Y~achwirkung des Glases yon

der chemischen Zusammensetzung, die yon R. Weber und yon der ~qormal-Eiehungs-Kommissioll in Ge- meinschaft n~Jit dem 5enaer Glaswerk Schott • Ge- nossen angestellt wurden. Man gelangte damit zu Thermometergl~sern mit viel kleinerer l~aeh- wirkung, so dal3 die Temperaturmessurfg wesentlieh veffeinert werden konnte, besonders als man sieh yon dem noch verbliebenen Einflu~ der Nachwlrkung durch die Einffihrung besonderer Be- obaehtungsverfahren, die auf die Bewegliehkeit der Fixpunkte Rficksicht nahmen, freier maehte.

Dieses war der Stand der Quecksitber-Thermo- mettle, als die Reichsanstalt ins Leben trat . Ihre erste Aufgabe bestand deshalb darin, die Brauchbar- keit der neuen Gl~ser zu untersuchen, und zwar ein- real in Hinsieht auf die Genauigkeit der ]~[essungen in dem Fundamentalgebiet zwischen 0 und 100 o, so- dann in Rgeksieht auf die Anwendbarkeit des Queeksilberthermometers auf h5here Tempera- turen. Anfangs bezogen sieh die Untersuehungen, die zugleleh der Ausarbeitung der l~[ethoden fiir die Bestimmung der Thermometerkonstanten galten, vorzugsweise auf das genaer Glas 16. Doeh wurden in der Erwartung, dal3 die I-Ierstellung noch zweck- mgltlgerer Glgser der damit beschaftigten deutschen Teehnik gelingen wfirde, aul3erdem viele andere Glas- proben auf ihre thermischen Eigensehaften geprfift. Unter allen hat sieh das Jenaer Glas 59 bisher als das brauehbarste erwiesen: auSer seiner hohen Er- weiehungstemperatur, die oberhalb 500 o liegt, besitzt es die Vorteile ether sehr kleinen thermisehen Aus- dehnung und einer grol]en Dauerhaftigkeit.

Neben der Auswahl des Glases war hauptsgehlieh der Anschlul3 "des Qneeksilberthermometers an die Gasska]e vonWichtigkeit . Fi i r das Bereich zwisehen 0 und 100 o hatte damals Chappuis mit ether im internationalen Bureau yon Breteuil angestellten Uutersuchung fiber die Wasserstoffskale einen we- sentliehen For tsehr i t t fiber Regnaults Messungen hinaus erzielt. Sie beruhte auf ausgedehnten Ver- gqeichungen zwischen dem Wasserstoffthermometer, dessen Gefgl~ aus Plat in bestand, und Quecksilber- thermometern aus verre dur and war dutch die an die Hauptnormale angeschlossenen QueekSilber- thermometer fibertragbar. Durch internationale Vereinbarung wurde diese Skale im gahre 1887 ffir die ~¢fal3- nnd Gewiehtsordnung yon den meisten Kulturstaaten angenommen; sparer hat sie aueh ffir die fibrigen physikalisehen ]kfessungen Eingang ge- fnnden. In Deutschland gesehah dies dadureh, dab die Reiehsanstalt die ,,internationale Wasserstoff- skale" ihren Thermometerprfifungen zugrunde legte. In den Temperatnren oberhalb 100 o wo die Realislerung des Wasserstoffthermometers Schwie- rigkeiten bietet, warden die Eichungen der Reiehs- anstalt zun~ehst auf das Luftthermometer gegrfin- det, mit dem neue Messungen bis zu 500 0 an- gestellt wurden entspreehend der groSen Reich- weite, welche die Queeksilberthermometer durch die

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Einf i ih rm:g der neuen Glgser gewonnen hatten. Diese Ins t rumente , die f a r die Messungeu der iiber dem Siedepunkt des Queeksilbers l iegenden Tem- peraturen mi t St iekstoff unter einem Druek bis zu 20 Arm. geffillt werden, haben sieh dann in der Teehnik als die bequemsten Gebrauehsthermometer schnell e~ngefiihrt, naehdem die ~essungen dureh die E in f i i h rung tier neuen Glgser an Zuverlgssig- kelt gewonnen batten. Der herraetische YerseMul~ dieser Thermometer maehte Schwierigkelteu. In der Atmosphgre kSunen sie wegen ihres inneren [lber- drueks n ieh t mi t der Gebliiselampe versehmolzen werden. Sie wurden deshalb anfangs mit Sehellack zugekit tet . Sp~iter t r a t eine elektr isehe Sehmelz- methode an die Stelle, mi t I t i l f e deren die Ins t ru - mente ]eieht un te r Druek geschIossen werden l<Snnen. Bei der E iehung werden sie mi t vol ls tgndig iu das Tempera turbad e ingetauehtem Quecksilber verwendet, weil tier herausragende F a d e n besonders bei der iKessung hoher Tempera tu ren eine grol3e Kor rek t ion er forder l ieh maeht. I n der Technik is t dieses Beobachtungsverfahren selten erwiinseht ; man wil l h ier meistens den S tand der Quecksilber- kuppe immer vor Augen haben, ohne erst das In- s t rument verschieben zu miissen. Es ist deshMb die mi t t l e re Tempera tu r des herausragenden Fadens gleiehzei t ig zu bestimmen. E i n einfaehes Mit te l wurde f a r diesen Zweek mi t dem Faden- thermometer geschaffen.

F S r die Messung der Gl t ih tempera turen s tanden der Teehnik bei der G r[ indung der Reichsans ta l t nur ganz unzureichende 1V[ittel zur Verfiigung, ob - wohl das Bedt i r fn is f a r eine genaue Tempera tur - bes t immung sehr gro~ war, wle sieh ohne weiteres ergibt , wenn man bedenkt, wie s tark z . B . die Eigensehaf ten zu bearbei tender Metal le oder die Ausbeuten ehemiseher Vorggnge v o n d e r Temperatur abhgngen. Vielfaeh seheute man zur Erre iehung einer gewissen Sieherhei t sogar n ieht vor der An- wendung des Luf t the rmomete r s zurilck, eines I a - s t ruments , das bei hohen Tempera tu ren schon im physikal ischen Labora to r ium grol~e Sehwier igkei ten bot, die es wtinschenswert erscheJnen liel~en, seinen Gebrauch auf die Ans te l lung fundamenta le r lVfes- sungen zu beschrgnken. Au~erdem gab es keine Pr i i f s te l le f a r Pyrometer , so daf~ die Angabeu ve:r- sehiedener Betr iebe selbst innerhalb ihrer ger ingen Genauigke i t n icht e inmal vergleiehbar waren. Die Arbei ten der Reiehsans ta l t waren zungehst da rauf geriehtet , die vorhandenen lV[ittel auf ihre Brauch- barkei t zu prtifen, die mannigfachen Fehlerquel len darzulegen, die besonders f i i r die genausten Pyro- meter, die elektr isehen, dureh die E inwi rkung der I Ie izgase bestehen und ~ i t t e l f a r deren Abhal- tung aufzusuchen. Das Thermoelement aus P l a t i n uud P la t in rhod ium, das kurz vorher yon Le Chatelier f t ir pyrometr isehe Zweeke empfohlen war, ergab sieh als das einfaehste und sieherste Mit te l for die Messungen in dem Temperaturbereieh yon 500 bis 1500% Es wurde der Einftul~ s tudier t , den die Re inhe i t und die Itomogenit~lt der Metal le au:f die Genauigke i t der Thermoelemente und auf die Reproduzierbarke i t ih re r Angaben ausiibt, wonach es der F i r m a Wo g. Heriius gelang, Thermoelemente

wm 0,1% Oe~laMgkeit herzustcl len und die Thermo- k ra f t bei Drghten aus versehiedeneit Schmelzen innerhalb 1% zu reproduzieren. Die elektr isehe Fe inmechan ik l iefer te empf indl iche Zeigergal- vanometer und die keramische Indus t r i e brauch- bare Schutzrohre, die eine Verwendung der Pyro- meter his 1500 ° auch teehnischen Betr ieben erm5g- l ichte.

Die Vergle ichung der Thermoelemente mit dem Gasthermometer , die den Eiehungen zugrunde ge- legt wurde, machte groBe For t seh r i t t e , als an die Stel le der nrspr i ingl iehen Gasfeuerung die e]ek- t r i sche Heizung e ingef i ihr t wurde. Nicht al lein lie~ sich h ie rdurch der able Einflul~ der Heizgase auf die 1Platinmetalte der Thermoelemente ggnzlich vermeiden, man konnte nun aueh das Porzel lan, das naeh dem Vorgang yon St. Claire Deville lange Zeit als X a t e r i a l f i ir das Gef~t~ der Gas thermometer in hoher Tempera tu r gedient hat te , ver]assen und an seiner Stelle P l a t i n i r i d i u m verwenden, wodurch die gas thermometr isehen ~es sungen bedeutend an Genauigke i t gewannen. Al le rd ings gelangte man an dieses Ziel erst, nachdem noch eine weitere Atff- gabe ihrer LSsung entgegengef i ihr t war. Denn auf die gas thermometr ischen i~Iessungen iibt die Aus- dehnung des T h e r m o m e t e r g e f ~ e s einen Einflu£% d e r m i t der t IShe der zu messenden Tempera tu r s tark wgchst. Da sich P l a t i n i r i d i u m mehr als dop- pel t so ~'iel wie Porze l lan ausdehnt, so waren die Messungen der GefgBausdehnung entsprechend zu verfeinern, ig i t t t i l f e der e lektr ischen I t e i zung gelang es zum ersten lV[al, die Ausdehnung yon Me- ta l len und andern feuerbest~ndigen Stof fen in der Gli ihhi tze his 10000 mi t e iner Genauigke i t zu messen, wie sie bisher nur in dem Tempera tur - bereieh yon 0 bis 1000 erre ieht worden war. Die L5- sung dieser Aufgabe ist, abgesehen yon ihrem ur- spri inglichen Zweck, der sich auf die gasthermo- metr isehen ~es sungen r iehtete , aueh f a r viele teeh- nische Fo rde rungen yon Bedeutung geworden.

Bei der e lektr ischen ~Ieizimg maehte sich al]ein noeh eine Ersehe inung libel bemerkbar, die eine Verunre in igung der Thermoelemente und da- mi t eine Yergnderung ihrer The rmokra f t bewirk t : es is t d ies die mi t zunehmender Tempera tu r sehnell wachsende Zers t~ubung der P la t inmeta l le . Bei der Untersuehung ergab es sieh, dab diese Er- scheinung chemiseher N a t u r ist, da P la t in , Rhodium, I r i d i u m und ihre Legierungen nur in Gegenwart yon Sauers tof f zerst~tubten. Aul~er- dem zeigte I r i d i u m eine bedeutend grSl~ere Zer- s tgubung als P l a t i n und Rhodium, woraus sich erklgrte , dab die Thermoelemente aus P la t in - P l a t i n rhod ium gegeniiber denen aus P l s t i n - P l a t i n - i r i d ium w~hrend des Gebrauchs eine bessere Kon- ~tanz der Angaben zeigten.

Als mit der Einf f ihrung der technisehen Appa- ra te f t ir die Luf tver f l i i s s igung ein neues Tempera- tu rgebie t in der I ndus t r i e zu messen war, erwiesen sich ohne weiteres die f a r hohe Tempera tu ren ge- brguchlichel l Ver fah ren verwendbar ; man brauchte nu t das Thermoe]ement P l a t i n - P l a t i n r h o d i u m dutch so]che aus Kons tan tan -E i sen oder Xon- s tan tan-Si lber ersetzen, nnd diese f a r das out-

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spreehende Tempera turbere ich an das Gasthermo- meter anzuseh]iel]en. I n diesem Anwendungs- gebiet erwies sieh aueh das Widers tands thermo- meter aus P l a t i n d r a h t besonders geeignet. Seine Vorzfige vor dem Thermoelement maehen sieh aller- dings vornehmlich bel Messungen im Labora- to r ium geltend, wo sich mi t dem P la t inwide r s t and leieht eine grSl]ere Genau igke i t er re iehen ]gf~t a]s mi t dem Thermoe]ement. F i i r h5here Tempera- tu ren zwischen 0 und etwa 500 o, wo der P la t in - widers tand noch wei ter den ¥o r t e i ] besitzt , dal.~ se}ne Abh~ngigkei t yon der Tempera tu r dutch eine quadrat isehe Gle ichung genau dargestelI t wird, so da~ er nur an drei Punk ten geeicht zu werden braueht , gewghrt er auch gegeniiber dem Queek- s i lber thermometer grM]e Bequemliehkei t f i ir feinere Messungen, well die zei t raubende Ka] ib r i e rung wegfg]lt. I n dem angegebenen Tempera turgebie t wird deshalb das an das Gas thermometer ange- sehlossene Widers tands thermometer mi t Vor te i l als Gebrauchsnornml bei der E ichung verwendet. Als F i i l lung fi ir F l f i ss igkei t s thermometer zur Messung t iefer Tempera tu ren wurde an Stelle yon hlkohol oder Toluol Petrol~ither und teehnisehes Pen tan elngeffihrt , die bis zur Tempera tur der f l i iss igea Lu f t f l i issig bleiben.

Die Bes t immung der Ausdehnung fester KSrper wurde mi t der E rwe i t e rung der Grenzen ffir die gas thermometr isehen Versuehe auf t iefe Tempera- tu r fortgesetzt . Neben der ~ar die hohen Tempera- tu ren benutzten Kompara tormethode wurde in dem tmteren Tempera turbere ieh aueh das Fizeansehe Ver fahren zur UntersucImng yon kr is ta] l i s ier tem und gesehmo]zenem Quarz, PIa t in , sowie anderer NormaIsubstanzen benutzt . )~[an bediente sich bierbei der Abbe-Pu]fr ichsehen Yersuehsanord- nung, be[ der gquidis tante In te r fe renzr inge in homogenem pr ismat iseh zerlegtem Lieht erzeugt werden, deren Wande rung an ihrer Ste]]ung zu einer ~ a r k e zu beobaehten ist.

Nach den vors tehenden Ausf i ihrungen ist es ersichtl ich, wie al]e Ar ten yon Gebrauehsthermo- metern ffir die versehiedensten Tempera turbere iehe auf eine einheitl iche Skale, n~mlich die des Gas- thermometers , zurf ickgefi ihr t werden. )/[it der S te igerung der Genauigke i ten machen sich jedoeh in dieser Skale, die aus physikalisehen Griinden mit verschiedenen Ga len in den verscMedenen Tern- pera turgebie ten herges te l l t wird, noeh kleine Unterschiede bemerkbar, die daher r i ihren, dab die einzelnen Gase verschieden s tark yon dem idealen Zustande abweiehen. Anch f i ihr t die A r t des gas- thermometr i sehen Verfahrens , ob das Gas bei kon- s tantem Druek oder bei konstantem ¥o lumen der Beobaehtung nn te rworfen wird, zu Abweiehungen in den Tempera turangaben. Diese Uns t immigkei ten kSunen sieh na t i i r l ieh nur in dem in te rna t iona len Verkehr, bei der Vergle iehung yon Thermometern bemerkbar maehen, die yon versehiedenen Eieh- bebSrden gepr i i f t sind, bi lden aber doeh bei dem heut igen in te rna t iona len Austauseh der in- dust r ie l len Erzeugnisse n ieht al lein f a r die Wissen- schaft, sondern auch fi ir die Teehnik einen ~be]- stand. Um ibm abzuhelfen, is t deshalb die Reiehs-

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ans ta l t an die ausw~rt igen nat iona]en In s t i t u t e mit dem Yorsehlage herangetre ten , a]le Tempera- turangaben auf die ideale Skale zu beziehen. A]s- dann w~re der Vortei l , der je tzt schon dutch inter- na t ionale Vere inbarung ffir das Gebiet zwisehe~l 0 und 100 0 erre ieht worden ist, auf alle Tempera- tu rangabea ausgedehnt. Zug]eich wiirde die in- ternat ionale Wasserstoffska]e prakt isch hierdurch nicht geiindert, da die Abweiehungen des Wasser- stoffs yon dem idealen Gaszustande zwisehen 0 und 100 ° bei dem heutigen Stande der }¢Iel~kunst noeh zu vernaehl~ssigen sin& Viele Autoren befolgeIl schon jetzt diesen Vorsehlag nnd dri icken die Er- gebnisse ihrer thel~nometrischen Versuehe in der idealen Skale aus.

Ffir die Fest legung der Temperaturskale hat es sieh als zweckmal]ig herausgestel] t , die Tempera- tu ren gewisser F ixpunkte , wie die Sehmelz- und Siedepunkte re iner Substanzen, zu best immen. Man bef re i t sich dami t yon der mSglieherweise e int re ten- den Yer~inderung der Gebrauchsnormalen, die sonst eine Wiederholung der ze i t raubenden gasthermo- metr isehen Messungen er fordern w[irde, und gibt zugleich j edermann die ) i i t t e l an die Hand , seine Thermometer selbst zu eiehen.

Die Versuehe, Thermoelemente iiber ] 600 o hin- aus als Pyromete r zu verwenden, haben bisher ffir die Technik zu keinem befr ied igenden Ergebnis geffihrt . Es fehl t an h inre iehend feuerfes ten SehutzrShren. so dal] die notwendige Iso la t ion der Drghte auf die Dauer n ieht zu er re iehen ist. Aneh n immt die Zerst i iubung der P]a t inmeta]]e mi t waehseuder Tempera tur in soIeher Weise zu, dal] die Thermokra f t sehon naeh wenigen I te izungen s tarke Xnderungen erf;~hrt. Man muBte desha]b an ein anderes thermometr isches Ver fab ren denken. Sehon im Jah re 1862 hat te Becquerel J~eben der Beobaehtung Yon Thermokrgf ten St rahlungs- messungen ausgeffihrt , um die Tempera tu r fester glf ihender g S r p e r zu best immen. Die~e Versuehe beruhten jedoeh noeh auf sehwankender Grundlage und konnten erst zu einem prakt isehen E r fo | g fiih- ten, als unsere Kenn tn i s yon den Gesetzen der S t r ah lung dutch die theoret ischen Unte rsuebungen yon W. Wien tiber die yon Kirchhoff erre ichte Grenze erwei ter t Wurde. Nament l ich war es yon gro~er Bedeutung ffir die experimentel]e Best~tCb gung der Theorie, da£~ es gelang, den idea]en St rah- ler zu real is ieren, f i ir den a]lein die yon ihr auf- gestel l ten Gesetze fiber die Abhi ingigkei t der St rah- lung yon der Tempera tu r nnd Wel lenlgnge gelten. Es is t dies der schwarze K5rper , der dutch eh~en gleichmgBig temper ie r ten I I o h l r a u m dargeste] l t wird, aus dem die S t rah]ung d{lrch eine verhgl tn is - m~Big kleine 0 f f n u n g auf das Beobachtungs ins t ru- ment f~t]lt. Der erste schwarze K5rper , der an der Reiehsansta] t benutz t wurde, bes tand aus einer Eisenkugel , die man in einem Fl i i ss igkei t sbade oder in dem L n f t r a u m eines Gasofens gleiehmg~ig heizte. H ie rau f fo]gte der vor~ Lummer und K url- baum kons t ru ie r te KSrper mi t e lektr iseher Hei- zung, der sieh his 1500 ° verwenden ]gBt. F i i r h5here Tempera tur ist neuerdlngs der im Vakuum e]ektriseh gehelzte KohIekSrper yon Warburg und

228 Iiolborn: Die Physikaliseh-Teehnische ReiehsanstMt. r Die Natur- [wissensehaften

Leithiiuser im Gebraueh, dessen Temperatur fiber 2000 o gesteigert werden kann. Wir miissen es nns versagem anf die mannigfaehen Ergebnisse der an der Reiehsanstalt angestellten Arbeiten tiber die sehwarze S t r a h h n g einzugehen und begniigen uns mit dem Hinweis anf das ffir die praktisehe Pyro- metrie wiehtigste Gesetz, das W. Wien ffir die Ab- h~ngigkeit der siehtbaren Strahlung yon der Tern- peratur aufgestellt hat. t/ezeiehnen El und E,- die Itelligkeiten eines engbegrenzten Spektralbezirks yon der Wellenliinge )~ bei den absohten Tempera- turen T~ nnd T2, so gilt die Beziehung:

e 1 1 log nat N~ : :

i s t die Konstante c bekannt, so lassen sieh hiernaeh alle Temperaturen aus einer einzigen abteiten, da

1 log E linear yon ~ abhiingt.

Der Bestimmung yon c ist ein groger Tell der an der Ileiehsanstalt ausge~fihrten Arbelten fiber die sehwarze Strah]ung gewidmet, naeh den neusten ~essungen betriigt der \Vert t4 370 ~ i k r o n • Grad.

Von den ffir den teehnisehen Gebranch konstru- ierten optisehen Pyrometern, die ein einfaches Spektralphotometer erfordern, ist aueh eines aus der Reichsansta]t hervorgegangen. Das Instrument, das auf einem neuen photometrischen Prinzip be- rnht, besltzt keine konstante Yergleichslampe; als solche wird vielmehr ein e]ektrisehes Glfiht~mpehen benutzt, dessen zu verfindernde He]]igkeit aus der St~rke des Stromes bestimmt wird. Die optischen Pyrometer werden nach dem schwarzen KSrper ge- eicht, so daft ihreAngaben ,,sehwarzeTemperaturen" bezeiehnen, die mit der wirklichen Temperatur nut in dem FalIe fibereinstimmen, wo der Strahler sehwarz ist. Die Anwendung der Pyrometer wird hierdureh nieht sehr besehr~nkt, da es sieh in den meisten F~llen um die Messung von Temperaturen in 0fen handelt, dereu tIohlrgume fast wie sehwarze I~Srper stratflen. Auc, h seheint das Strahtungs- vermSgen irn sichtbaren Gebiet yon der Temperatur nieht sehr stark abh~ngig zu sein. Wenigstens zeigen blanke 5fetalte, deren Strahlung v o n d e r schwarzen am stiirksten abweicht, gar keine Xnderung: sie senden bei allen Temperaturen deaselben Bruchteil yon der Strahlung des gleich temperierten sehwarzen KSrpers aus.

Die Untersuehungen der Reichsanstalt fiber die thermisehen Eigenschaften der Stoffe knfipften. wie wit schon oben darlegten, an Regnault an. Es gilt dieses besonders yon einer Versuchsreihe, welehe das Wasser, den W~rmetrKger der Dampfmaschine, betraf. Die Reihe begann mit Beobaehtungen iiber die Ausdehnung dieses Stoffes zwisehen 0 und ] 00 °, die naeh dem fundamenta]en Prinzip der kom- munizierenden t~Shren angestellt wurden. Spiiter wurde die Bestimmung des SKttigungsdrueks vor- genommen, die in dem grol~en Gebiete zwisehen - -60 und -t-370 °, also yon den kleinen Drucken der festen Phase his zur kritisehen Temperatur durch- geffihrt werden konnte. Ferner wurde in dem fiir die Dampfmaschine wichtigsten Bereieh zwischen

100 und 2000 die Verdampfungswiirme neu ge- messen. Diese Versuche, die naeh unten lain his 30 o ausgedehnt wurden, gestatteten im Verein mlt der im ~[finchener ]~[aschinenlaboratorium ausge- fiihrten Bestimmung des spezifisehen Volumens yon gesfittigtem Dampf eine genaue Prfifung der yon Clapeyron aufgeste]lten thermodynamischen G]ei- chung. Bei allen diesen 3/[essungen wurde die yon Regnault erreichte Genauigkeit fibertroffen, was nleht allein den fiber]egenen thermometrisehen Hi]fsmitteIn, sondern auch der Wahl besserer Yer- suchsanordnungen zu danken ist.

Unsere Kenntnis fiber die spezifische W~irme der Gase beruhte ]ange Zeit a]lein auf den Messungen l',egnaults, die sich fiber das Temperaturgebiet zwi- schen 0 und 2000 erstrecken. ~ a n halle wohl ver- sueht, seine ~Tersuehsanordnung zu vereinfaehen, abet fiber das von ibm beobachtete Temperatur- intervall war man nlcht hinausgekommen. Erst das teehnisehe Bediirinis brachte aui diesem Ge- biete einen Fortschr i t t hervor. Die Berechnung der modernen Explosionsmotoren lieB eine Be- stimmung der spezifischen Wiirme ffir die hohen Temperaturen, die in den Zy]indern dieser 3£a- schinen herrschen, wfinschenswert erscheinen und veranlal~ten die franzSsischen Forscher Le Chatelier und Mallard eine ]~[ethode hierffir auszuarbeiten. Ihre Ergebnisse, die yon den Regnaultschen dutch ein weites Temperaturgebiet getrennt waren, lieBeu sieh aber nut sehwer mit diesen verknfipfen und wurden vielfach angezweifelt. Besonders wurde die yon ihnen gefundene :4nderung der spezifisehen W~rme der einfachen Gase, die sieh in dem yon Regnault untersuchten Gebiet als konstant erwie- sen halle, ]ebhaft bestritten. Zur Kliirung der Sachlage schlen es eriorderlich, die Regnaultsehen IV[essungen fiber 200 ° hinaus fortzusetzen. Diese Versuehe konnten mit Stiekstoff, Kohlens~ure und Wasserdampf his 1400 °, also his in das Gebiet der Exploslonsversuche hinein, ausgedehnt werden und ergaben eine Ubereinstimmung mit den gleieh- zeitig und spiller von anderer Seite angeste]lten Versuehen naeh dem Explosionsverfahren, bei deneu es gehngen war, die I~fethode yon Le Chatelier und Mallard zu vervollkommnen.

Auch ffir t iefe Temperaturen ist die ~essung der spezifischen W~rme yon Gasen an der Reiehs- anstalt wieder aufgenommen. Es wird hierfiir die yon Callendar angegebene 3z[ethode der dauern- den StrSnmng benutzt, die dutch die Einffihrung des Gegenstromprinzips verbessert wurde. Mit einer solchen Anordnung, die nur kleine Gasmengen verlangt, liegen sieh auch die Edelgase nnd Tem- peraturen bis zu --1900 herab der Untersuehung unterwerfen.

Ferner ist noeh eine Untersuehung in Angrier genommen, um die Abhfingigkeit der spezifisehen Wiirme der Luft yon ihrem I)ruek zu bestimmen. Reg.naulC der auch diese Frage sehon aufgeworfen hatte, konnte keine ~nderung der spezifischen Wgrme nachweisen. Die Beweiskraft seiner Ver- suehe wird jedoeh mit Reeht angezweifelt, da die Empfindlichkeit seiner Yersnchsanordnung niellt ausreiehte, bel den der Beobachtung unterworfenen

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geringen Drueken bis zu 10 Arm. sehon eine Xnde- rung anzuzeigen, zumal, da diese geringer zu sein seheint, als sle sparer Lussana bei seinen Versuehen fan&

In diesem Zusammenhange sei noch eine Unter- suchung der Reiehsanstalt angefiihrt, die einen Beitrag zu der Xenntnis der Yerh~ltnisse der spe- zifischen Wiirmeu bei konstantem Druck und kon- stantem Volumen ffir Luft, Sauerstoff, KohIen- Miure und Wasserstoff lieferte. Sie geht der Zeit nach den oben angegebenen vorau und bitdet ein BeispieI, wie ein auf dem einen physikalischen Ge- biete erprobtes Mittel zugleich die GSsung anderer Aufgaben fSrdern kann. So lieferte das feine t)latinbleeh, aus dem das fiir die Strahlungsmessun- gen neu konstruierte Bolometer hergestellt worden war, ein schnell folgendes Thermometer zur Beob- achtung der Abkiihlung, welche die Gase infolge der adiabatisehen Ausdehnung bei der Yersuehsan- ordnung yon Cldment und Desormes erleiden, und bedeutete fiir diese eine Yerbesserung, gegeniiber der bisher fiblichen Bestimmung aus der Druck- abnahme des Gases. Denn es konnten nun auch die Gase mit guter Wiirmeleitung genau gemessen werden.

Bei den oben erwahnten kalorimetrisehen ~fes- sungen wurde das Kalorimeter auf e]ektrisehem Wege geeicht. Diese 3Iethode wurde auch auf die Apparate ausgedehnt, die sich zur Bestimmung der Verbrennm}gswSrme der Berthelotsehen Bombe be- dienen, sowie auf die Eiehung yon teehnisehen Xa- lorimetern, die for die Nessung der I~[eizwerte yon Leuehtgas u. dgl. bestimmt sind.

Die behandelten Arbeiten der W~irmephysik bieten eiu Beispiel for die doppelte Aufgabe der Reichsanstalt, die darin besteht, physikalisehe In- strnmente zu eiehen und augerdem selbst Unter- suchungen anzustel]en, die ein grol]es wissenschaft- liches oder technisches Interesse bieten. Die beiden Richtungen befruchten sich gegenseitig. Denn einerseits kann nut der mit der physikalischen Wissenschaft fortsehreitende Forscher die Genauig- keit und den Umiang der Eichungen dem Bedfirf- nisse anpassen, anderseits gewiihren neu erSffnete ~-~[el~bereiche die N[5glichkeit fiir die GSsung neuer Au fgaben.

Die Steri l is ierungsmethoden ffir Trinkwasser.

Von Dr. J. Tillmans, Frankfurt a. M., Vors tehe r der chemischen Ab te i l ung des St~dt. Hyg ien i sehen

Ins t i tu ts .

Wir unterscheiden die natfirlichen W~sser in Oberfl~ichenwasser und Grundwasser. Oberft~chen- wasser ist alles Wasser, welches mit der ~iul~eren Guft in Beriihrung ist. Es ist demnach das Wasser yon Seen, Fliissen, Teichen, Zisternen, Stauweihern, Talsperren usw.

Grundwasser ist dagegen das Wasser, welches beim Auftreffen der meteorologischen Nieder- sehl~ge auf den Erdboden in den Boden ein- dringt und dort so lange tiefer sinkt, bi s es auf eine

TUhnans: Die Sterilisierungsmethoden ftir Trinkwasser. 229

fiir Wasser uudurchl~ssige ]~odenschieht gelangt auf der es sich sammelt, indem es die Poren und tIohlriiume des darftber steheuden Erdreiehes an- ffitlt.

Ein ffir mensehliehe Genul]zwecke verwendetes Wasser mug farblos, gerueMos, yon angenehmem Gesehmack und zusagender Temperatur, iiberhaupt yon solcherBeschaffenheit sein, dab es gem genossen wlrd. Ferner darf es vor allen Dingen keine krankheitserregenden ~likroorganismen enthalten.

Die Keimzahl betr~gt in Oberfl~chenw~ssern, welehe jeder Versehmutzung mehr oder weniger sehutzlos preisgegeben sind, oft viele Tausende bis ttunderttausende in 1 ecm. Selbstverst~ndlieh sind diese ]~akterien zmn weitaus grSl3ten Teit keine Xrankheitserreger, doch kSnnen sieh unter ihnen aueh I(rankheitserreger befinden ; insbesondere kommen ftir die bei uns vorliegenden Verh~ltnisse die Erreger der Darmerkrankungen Ruhr und Typhus in Betraeht.

Grundwasser aus einwandfreien Bodenschichten, die aus gut filtrierendem 3iaterial bestehen, ist im allgemeinen keimfrei, da die Xeime beim Fil tr ieren des Wassers durch den Boden an den SandkSrnern des Erdreiches h~ngen bleiben. Ferner ist der- ertiges Gruudwasser stets gleichm~13ig kiih], w~hrend Oberfliiehenwasser im Sommer zu warm, im Winter meist zu kalt ist. Oberf]~chenwasser enth~lt auch gewShn]ich ge]Sste organische Stoffe in mehr oder minder groI3er ~enge, Substanzen, die naeh ihrer Herkunft, ohne direkt gesundheitsseh~dlieh zu sein, doch geeignet sind, ein Wasser als Trinkwasser un- appetitlieh erseheinen zu lassen. Aus alien diesen G rih~den verdient einwandfreies Grundwasser fiir die Wasserversorgung bei weitem den Vorzug. Leider gibt es aber eine ganze Anzahl yon St~dten, die nieht it1 der glfiekliehen Gage sind, in ihrer Naehbarsehaft fiber GrundwasserstrSme yon der not- wendigen Ergiebigkeit zu verffigen.

Von solehen St~dten mul3 daher auch heute noeh das Oberflaehenwasser yon Seen und Flfissen f fir die Wasserversorgung herangezogen werden. So deeken beispielsweise tIamburg, Bremen, Breslau, Magde- burg, Stuttgart ihren Bedarf an Trinkwasser ganz oder zum Teil aus dem Wasser der in Frage kom- menden Flfisse.

Bei nns in Deutschland wird aber nirgendswo mehr das Oberfl~ehenwasser unbehandelt zurWasser- versorgung verwandt. Stets mug derartiges Wasser ;or seiner Verwendung zu Trinkzweeken einer Be- handIung zum Zweeke der Entfernung der Bakterien unterzogen werden.

Diese Entfernung der Bakterien kann dureh die Verfahren der Fi l t rat ion oder Sterilisation ge- sehehen. Im ersten Falle werden die Bakterieu meehaniseh entfernt, im zweiten dutch zugesetzte 3/[ittel abgetStet.

Es sind eine groBe Reihe yon derartigen iV[itteln vorgeschlagen, insbesondere auch ffir die Wasserver- sorgung der Truppen im Felde. Die meisten dieser l l i t t e l haben sich nicht bew~hrt/, well sie entweder fiberhaupt nicht sicher wirken oder abet das Wasser in bezug auf Aussehen, Geruch und Geschmack der- artig ver~ndern, dal3 sie praktisch nicht in Frage