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Die Physikalisch- Technische Reichsanstalt || Kältelabor und die Entdeckung des Meissner Effekts

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6 Kältelabor und die Entdeckung des Meissner

Effekts

Schon seit den ersten Jahren nach ihrer Gründung waren die Materialeigenschaften bei hohenund bei tiefen Temperaturen ein wichtiges Thema für die Reichsanstalt. Damals wurden dieDampfmaschinen mehr und mehr durch Verbrennungsmotoren ersetzt. Die quantitative Erfor-schung des Verhaltens von Gasen bis zu hohen Temperaturen und Drucken bekam daher einegrosse Bedeutung. In diesem Zusammenhang bestand ein aktuelles Interesse an Messdaten zurspezifischen Wärme von Gasen, inbesondere für die Vorgänge beim Verbrennungsprozess. InSitzungen des Kuratoriums der Reichsanstalt in den Jahren 1902 und 1903 wurde hierüber aus-führlich diskutiert. Es war insbesondere Carl von Linde, Mitglied des Kuratoriums von 1895bis 1921, der damals die grosse technisch-wissenschaftliche Relevanz dieser Fragen hervorhob.Unterstützt wurde er hierbei von Wilhelm Conrad Röntgen, ebenfalls Kuratoriumsmitglied von1897 bis 1920.

Carl von Linde war es auch, der systematische Forschungen bei niedrigen Temperaturen unddie Einrichtung eines Kältelabors an der PTR anregte. Er hatte an der Eidgenössischen Techni-schen Hochschule in Zürich Maschinenbau studiert. Rudolf Clausius war hier einer seiner Lehrer.Nach einem bei BORSIG in Berlin abgeleisteten Volontärjahr trat er 1865 in die Lokomotivfa-brik KRAUSS in München ein. Bereits als junger Ingenieur beschäftigte er sich mit Problemender technischen Thermodynamik. Schon 1868 wurde er zum Ausserordentlichen Professor ander Ingenieurschule in München ernannt. Bald danach wurde er Ordinarius für MechanischeTechnologie an der Technischen Hochschule in München, und konnte dann 1872 die Einrichtungeines eigenen Maschinenlaboratoriums für Lehre und Forschung durchsetzen. Linde wandte sichbald den Verfahren zur Kälteerzeugung zu. Dies belegen auch seine 1870 erschienen Arbeitenüber “Mechanische Verfahren, Wärme bei niedriger Temperatur abzuführen” und “VerbesserteEis- und Kühlmaschinen”. Schon 1874 baute er den ersten Ammoniak-Kolbenverdichter für eineKälteanlage.

Nach zehnjähriger Tätigkeit als Hochschullehrer bat er den Rektor der Technischen Hoch-schule in München, ihn von seinen Lehrverpflichtungen zu entbinden. Er übernahm dann dieGeschäftsleitung der 1879 in Wiesbaden gegründeten Gesellschaft für Lindes Eismaschinen. DasGeschäft war schnell erfolgreich. Abnehmer der Kältemaschinen waren Brauereien, Schlachthö-fe und Kühlhäuser in ganz Europa.

Lindes überragendes Verdienst für die Kältetechnik stellt das von ihm erfundene Verfahren zurVerflüssigung tiefsiedender Gase dar, mit dem er 1895 als erster flüssige Luft herstellen konnte.Die Erfindung beruht auf der Kombination des Joule-Thomson Effekts, der bei einer isenthalpi-schen Entspannung von Gasen eine geringe Temperaturabsenkung bewirkt, mit dem schon 1857von Werner Siemens vorgeschlagenen Gegenstrom-Wärmetauscher. Bei diesem Linde Verfahrenwird die hochkomprimierte Luft im Wärmetauscher beim Durchströmen durch das zurückflies-sende Gas zusätzlich abgekühlt, bis seine Kondensationstemperatur erreicht ist. Dieses Verfahren

R. Huebener und H. Lübbig, Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, DOI 10.1007/978-3-8348-9908-8_6,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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bildet auch das Grundprinzip bei der Verflüssigung von Neon, Wasserstoff und Helium in demBestreben, noch tiefere Temperaturen zu erzielen.

Das wissenschaftliche Interesse, an der PTR ein Tieftemperaturlaboratorium einzurichten,wurde durch den damaligen Präsidenten Emil Warburg entscheidend gefördert. Er übte das Amtdes Präsidenten in der Zeit 1905 - 1922 aus. Die Materialeigenschaften bei tiefen Temperatu-ren waren nach dem Aufkommen der Quantentheorie und des Wärmesatzes von Nernst in denMittelpunkt des Interesses gerückt. Im Zusammenhang mit dem Kältelabor an der PTR spielteWalther Meissner die führende Rolle.

Abbildung 6.1: Walther Meissner.

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Meissner hatte in der Zeit 1901 - 1904 an der Technischen Hochschule Charlottenburg Ma-schinenbau studiert und hatte von 1904 bis 1906 noch ein Studium der Physik und Mathematikangeschlossen. Im Jahr 1907 promovierte er bei Max Planck mit einer Arbeit “Zur Theorie desStrahlungsdruckes”. 1908 trat Meissner in das Laboratorium für Pyrometrie der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt ein. Seine Tätigkeit erstreckte sich auf Fragen der Thermometrie,sowie der Druck-, Zähigkeits- und Flammpunktsmessung. 1913 wechselte Meissner in das elek-trische Forschungslaboratorium der Reichsanstalt mit dem speziellen Auftrag von Präsident War-burg, eine Wasserstoffverflüssigungsanlage einzurichten. Hierbei konnte er sicherlich schon vonseiner Ausbildung zum Ingenieur für Maschinenbau profitieren. Zu Beginn des Jahres 1913 wur-de ein verbesserter, auf der Konstruktion von Walther Nernst basierender Verflüssiger in Betriebgenommen. Damit wurden Messungen bis herunter auf 14 K möglich, wobei dieser tiefste Wertdurch Abpumpen des Wasserstoffs unter Normaldruck erreicht werden konnte. Die Forschungs-arbeiten von Meissner befassten sich in dieser Zeit mit elektrischen Widerstandsmessungen beitiefen Temperaturen.

Durch den 1. Weltkrieg wurden diese Entwicklungen unterbrochen. Anschliessend, in denJahren 1918 - 1922 beschäftigte sich Meissner besonders mit der Vergrösserung der Wasser-stoffverflüssigungsanlage. In dieser Zeit wurde es aber immer deutlicher, dass der experimentellzugängliche Temperaturbereich noch weiter nach unten ausgedehnt werden sollte: nämlich durcheinen Verflüssiger für das Edelgas Helium.

Dem Holländer Heike Kamerlingh Onnes war es 1908 in Leiden zum ersten Mal gelungen,Helium als das letzte und das bei der niedrigsten Temperatur siedende Edelgas zu verflüssigen.Flüssiges Helium siedet unter Normaldruck bei 4,2 K, und unter reduziertem Druck kann derSiedepunkt bis deutlich unter 2 K noch weiter abgesenkt werden. Somit konnten damals Experi-mente bei wesentlich tieferen Temperaturen durchgeführt werden als es vorher möglich gewesenwar. Schon im Jahr 1911 machte Kamerlingh Onnes die völlig überraschende Entdeckung derSupraleitung. Er wollte herausfinden, wie sich der elektrische Widerstand von Metallen in demdamals zum ersten Mal zugänglichen tieferen Temperaturbereich ändert.

Beim Abkühlen einer in eine dünne Glaskapillare gefüllten Quecksilberprobe fand der mitdieser Aufgabe von Kamerlingh Onnes betraute Student Gilles Holst, dass der elektrische Wi-derstand von Quecksilber bei 4,2 K unmessbar klein wird. Nachdem anfänglich noch Problememit der elektrischen Schaltung vermutet worden waren, konnte das praktische Verschwinden deselektrischen Widerstands von Quecksilber bei 4,2 K aber sicher bestätigt werden. Damit wardie neue Erscheinung der Supraleitung von Kamerlingh Onnes und Gilles Holst entdeckt. DasPhänomen der Supraleitung wurde dann anschliessend noch in zahlreichen Metallen, Legierun-gen und metallischen Verbindungen gefunden. Die Temperatur, unterhalb der der elektrischeWiderstand verschwindet, wird als die kritische Temperatur Tc bezeichnet. Schon bald hatte Ka-merlingh Onnes aber auch herausgefunden, dass für das Auftreten der Supraleitung nicht nur dieTemperatur unter ihren kritischen Wert Tc abgesenkt werden muss, sondern dass auch ein äusse-res Magnetfeld einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf. Die Stärke des Magnetfelds, beider die Supraleitung verschwindet, wird als das kritische Magnetfeld HC(T ) bezeichnet. Unter-halb der kritischen Temperatur Tc wächst HC mit abnehmender Temperatur von Null bei T = Tcmonoton an und erreicht seinen Höchstwert bei T = 0. Es war genau dieses Gebiet der Supralei-tung, auf dem Walther Meissner etwas später seinen grössten wissenschaftlichen Erfolg erzielensollte.

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Schon im Jahr 1920 hatte sich Meissner ernsthaft mit der Möglichkeit für die Einrichtungeiner Anlage zur Verflüssigung von Helium auseinandergesetzt. Seine Pläne und Entwürfe konn-ten dann in der Zeit 1922 - 1925 realisiert werden. Am 7. März 1925 wurde in der Reichsanstaltzum ersten Mal Helium verflüssigt. Dabei wurden etwa 200 cm3 flüssiges Helium erhalten. Welt-weit war die Reichsanstalt der dritte Platz, an dem mit flüssigem Helium experimentiert werdenkonnte, nach Leiden als erstem und ab 1923 Toronto in Kanada als zweitem Platz.

Abbildung 6.2: Wasserstoff-Kompressor im Kältelabor (PTB Archiv).

Die gesamte Heliumverflüssigungsanlage bestand aus drei hintereinander geschalteten Ver-flüssigern. Die erste Stufe erzeugte dabei flüssigen Stickstoff, mit dem der Wasserstoff für diezweite Stufe vorgekühlt wurde. Mit dem in der zweiten Stufe hergestellten flüssigen Wasserstoffwurde das Heliumgas im Gegenströmer der dritten Stufe zur Heliumverflüssigung vorgekühlt.Von einer solchen Kaskadenanordnung aus drei hintereinander geschalteten Verflüssigern ist manaber schon wenig später abgerückt, indem die Heliumverflüssigung in nur einer einzigen Stufeerfolgte. (Zur Erzielung einer höheren Verflüssigungsrate ist auch noch heute die Vorkühlung mitflüssigem Stickstoff als Option vorgesehen). Wichtige Teile der Verflüssiger hat Meissner in en-ger Kooperation mit der Firma Linde konzipiert. Linde hat auch einen grossen Teil der gesamtenAnlage geliefert und dabei nur einen Bruchteil der normalen Kosten berechnet. Trotzdem über-stiegen die Kosten die Finanzmittel der Reichsanstalt. Die Finanzierung konnte Meissner aberdurch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft erreichen.

In seinen ersten veröffentlichten Mitteilungen zum Betrieb der neuen Anlage erwähnt Meiss-ner Einzelheiten. Zur Aufnahme von Proben für Experimente im Temperaturbereich des flüssigen

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Abbildung 6.3: Der Helium-Verflüssiger (PTB Archiv).

Heliums befand sich direkt im Verflüssiger ein Gefäss mit 400 cm3 Inhalt für flüssiges Helium.Insgesamt standen 700 Liter Heliumgas zur Verfügung, dem bei vollständiger Verflüssigung etwa1 Liter flüssiges Helium entspricht. Vorläufig wurde nicht daran gedacht, das flüssige Helium ausdem Verflüssiger in andere Gefässe abzufüllen. Die Beschaffung von einer ausreichenden Mengean Heliumgas bereitete allerdings grosse Schwierigkeiten. Wir zitieren Meissner (Die Naturwis-senschaften 13, 695 (1925)): “In der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt wurde die Einrich-tung einer Heliumverflüssigungsanlage von mir im Jahre 1920 nach verschiedenen Vorarbeiten

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angeregt. Allerdings kam die Nachahmung der Leidener Anlage nicht in Frage, da hierzu Mittelund Hilfskräfte nötig gewesen wären, wie sie in der Reichsanstalt nicht annähernd zur Verfügungstehen. Vielmehr musste eine möglichst einfach zu handhabende Apparatur geschaffen werden.Erschwerend war ferner, dass nicht, wie in Kanada, reines Helium zur Verfügung stand ... . Trotzvielfacher Bemühungen gelang es nicht, Helium aus den gewaltigen Vorräten der VereinigtenStaaten zu beschaffen. Die Ausbeute der bisher untersuchten heliumhaltigen deutschen Gasquel-len ist nicht lohnend. Es kam daher trotz des ausserordentlich geringen Heliumgehaltes der Luft[weniger als 0,0005 Volumen-Prozent] nur die Gewinnung aus der Luft in Betracht. Sie wurdeermöglicht durch das Vorhandensein der grossen Sauerstoffwerke der Gesellschaft Linde, in de-nen Neon-Helium-Gemisch als Nebenprodukt abgeschieden wird. Dieses musste allerdings vonmir erst mühselig mit Hilfe von flüssigem Wasserstoff getrent werden. ... Auf diese Weise sind vonApril 1924 bis Januar 1925 etwa 3 cbm Neon-Helium-Gemisch getrennt und etwa 700 l Heliumgewonnen worden. Das reine Neon wurde zum größten Teil an die Linde A.-G. zurückgegeben.”

Das Kältelaboratorium war zunächst in behelfsmässigen Räumen untergebracht. In den Jahren1925 - 1927 wurde jedoch ein Neubau auf dem Gelände der Reichsanstalt hinter dem Hauptge-bäude nach den Plänen von Meissner errichtet und 1927 in Betrieb genommen. Der Neubaubestand aus einem Werkstattgebäude, einem grossen Maschinenraum mit den Verflüssigern fürStickstoff und Wasserstoff, einem kleinen Maschinenraum für den Heliumverflüssiger und einemzweistöckigen, unterkellerten Gebäude mit Büros, Laboratorien und vier Räumen für die Unter-bringung von Gastwissenschaftlern, die Tieftemperaturexperimente durchführen konnten. VomKellergeschoss führte ein begehbarer Schacht zum Hauptgebäude. Da das Deutsche Reich unddie Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft die wesentlichen Mittel für den Bau des Käl-telaboratoriums und für seine Einrichtungen zur Verfügung gestellt hatten, bestand die Auflage,dass das Labor als eine Art nationales Kältelabor auch Gastwissenschaftler aufnehmen sollte, diedort eigene Forschungen betreiben konnten.

Abbildung 6.4: Plan des Kältelabors (PTB Archiv).

Die Experimente Meissner’s in dem zugänglich gewordenen Bereich noch tieferer Tempera-

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turen erstreckten sich zunächst auf elektrische Widerstandsmessungen an zahlreichen Metallen(Gold, Zink, Cadmium, Platin, Nickel, Eisen und Silber). Der Restwiderstand wurde bis herunterzu 1,3 K gemessen. Natürlich spielte auch die Suche nach neuen Supraleitern eine wichtige Rol-le. Bis dahin waren fünf supraleitende Elemente bekannt: Blei, Quecksilber, Zinn, Thallium undIndium. Nachdem Meissner mit seinen Mitarbeitern bereits eine Vielzahl von Elementen auf Su-praleitfähigkeit untersucht hatte, gelang ihm 1928 die Entdeckung eines weiteren supraleitendenElements: Tantal mit einer kritischen Temperatur von 4,4 K. Tantal war der sechste Supraleiterund zugleich der erste aus der V. Gruppe des periodischen Systems. Während der darauf folgen-den beiden Jahre entdeckte Meissner Supraleitung noch in Thorium, Titan und Niob. Unter denreinen Metallen ist Niob dasjenige mit der höchsten kritischen Temperatur von 9,2 K. Fernerfand Meissner Hinweise auf die Supraleitfähigkeit von Vanadium. Darüber hinaus beobachte-te er Supraleitung in einer Reihe von Verbindungen und Legierungen. Als erste supraleitendeVerbindung hatte er Kupfersulfid entdeckt.

In seinen Untersuchungen zur Existenz neuer Supraleiter war Meissner stets bemüht, Auf-schlüsse über die Grundlagen der Supraleitung zu bekommen. Hier versprach er sich vor allemneue Erkenntnisse von Experimenten, die sich auf die elektrischen Ströme in Supraleitern kon-zentrierten. Eine wichtige Frage war: Ist die Supraleitung ein Volumeneffekt, oder fliessen dieStröme nur an der Oberfläche oder in dünnen Stromfilamenten? Zu solchen Fragen gab es da-mals noch keine Antworten. Wir zitieren Meissner (Physikalische Zeitschrift 29, 897 (1928)):“... Es war m. E. noch nicht einmal sicher, ob die Supraleitfähigkeit ein Volumeneffekt oder einOberflächeneffekt ist; es schien nicht ausgeschlossen, wenn auch unwahrscheinlich, dass dersupraleitende Strom von Elektronen in der Grenzschicht Metall-Isolator geführt wird”. Die letzt-genannte Möglichkeit wurde von Meissner durch eine Versuchsreihe ausgeschlossen. An dergleichen Stelle heisst es dann: “... Ein weiterer Versuch bezog sich darauf, ob der supraleiten-de Strom durch quantenmässig bedingte Ketten von Elektronen zustande kommt, die von einemAtom zum anderen in den Quantenbahnen der äussersten Elektronenschale übergehen ... ”.

Beispielsweise hatte Albert Einstein die Idee, dass die Supraleitung durch molekulare Lei-tungsketten zustande kommt. In seiner Gedenkrede auf Kamerlingh Onnes im Jahr 1923 dis-kutierte Einstein den supraleitenden Zustand folgendermassen (Het Naturkundig Laboratoriumder Rijksuniversiteit te Leiden in de Jahren 1904 - 1922, Leiden 1922, S. 429: TheoretischeBemerkungen zur Supraleitung der Metalle): “ ... Es scheint also unvermeidlich, dass die Supra-leitungsströme von geschlossenen Molekülketten (Leitungsketten) getragen werden, deren Elek-tronen unablässig cyclische Vertauschungen erleiden. Kamerlingh Onnes vergleicht daher diegeschlossenen Ströme in Supraleitern mit den Ampère’schen Molekularströmen. ... Es mag alsunwahrscheinlich anzusehen sein, dass verschiedenartige Atome Leitungsketten miteinander bil-den können. Vielleicht ist also der Übergang von einem supraleitenden Metall zu einem anderenniemals supraleitend.”

Diese Bemerkung von Einstein hebt den Kontakt zwischen zwei räumlich zunächst getrenntenSupraleitern besonders hervor und führt uns auch zur Sitzung des Kuratoriums der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt vom März 1926. Im Protokoll zu dieser Sitzung findet sich eine No-tiz über eine weitere Bemerkung Einsteins zum Kontaktverhalten zwischen zwei Supraleitern:“Herr Einstein: Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die Berührungsstelle zwischen zweiSupraleitern supraleitend wird.” Einstein war Kuratoriumsmitglied in der Zeit 1917 - 1932.

Der Kontakt zwischen zwei Supraleitern war dann Gegenstand von Experimenten, die Meiss-

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ner zusammen mit Ragnar Holm, einem Mitarbeiter des Forschungslaboratoriums des SiemensKonzerns in Berlin, im Jahr 1932 durchführte (Z. Physik 74, 715 (1932)). Die Untersuchungenwurden an supraleitendem Zinn (Sn) und Blei (Pb) durchgeführt, wobei Sn-Sn, Pb-Pb und Sn-PbKontakte geprüft wurden. Wir zitieren das Ergebnis aus dieser Arbeit: “... Zwischen Supraleiternaus gleichem oder verschiedenem Material ist ein supraleitender Kontakt ohne Verschweissungder Materialien möglich. Bei Eintritt der Supraleitfähigkeit verschwindet auch der Widerstandder Störschicht.” - Somit wurde gezeigt, dass das von Einstein vorgeschlagene Modell der mole-kularen Leitungsketten für die Supraleitung nicht zutrifft.

Hier wurde zum ersten Mal, angeregt durch die Bemerkungen von Einstein, das später sogrosse Bedeutung erlangende Gebiet der dünnen Kontakte bzw. Mikrobrücken zwischen zweiSupraleitern angesprochen. Es war aber erst im Jahr 1962, also 30 Jahre später, als der Eng-länder Brian Josephson die exakte Theorie für das physikalische Verhalten derartiger Kontaktevorschlug und so das sich anschliessend rasch entwickelnde Gebiet der Josephson Effekte undder Josephson Elektronik einleitete. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war auch der im Jahr1960 von dem aus Norwegen stammenden Ivar Giaever in den Laboratorien von General Electricdurchgeführte experimentelle Nachweis des quantenmechanischen Tunneleffekts zwischen zweiSupraleitern. Vor diesen Ereignissen der 1960er Jahre hatten allerdings grosse Fortschritte in derTheorie der Supraleitung stattgefunden.

Nach diesem Hinweis auf viel spätere Entwicklungen wenden wir uns wieder Walther Meiss-ner zu. Der elektrische Stromfluss in Supraleitern sollte mit ihrem magnetischen Verhalten zu-sammenhängen, da elektrische Ströme und Magnetfelder eng miteinander gekoppelt sind. ImHinblick auf derartige theoretische Fragestellungen pflegte Meissner enge Kontakte mit Maxvon Laue. Meissner hatte von Laue schon während seiner Doktorarbeit bei Planck kennen ge-lernt, da von Laue damals Assistent bei Planck gewesen war. Auf die Rolle von Max von Laue ander Reichsanstalt wollen wir kurz eingehen. Es war Walther Nernst, Präsident der Reichsanstaltin den Jahren 1922 - 1924, der in der Kuratoriumssitzung vom 20. März 1923 die Einstellungeines Theoretikers, evtl. auch im Nebenamt, beantragt hatte. Das Kuratorium und besonders MaxPlanck und Wilhelm Wien unterstützten diesen Antrag. In der Sitzung vom 12. März 1924 konnteNernst dann dem Kuratorium mitteilen, es sei gelungen “Herrn Professor von Laue nebenamt-lich als Theoretiker für die Reichsanstalt zu gewinnen.” Ab 24. März 1925 war Max von Laueoffiziell als theoretischer Physiker in der Reichsanstalt tätig. Einen Tag in der Woche übte er ne-ben seiner Lehrtätigkeit an der Universität Berlin seine Beratertätigkeit für die Reichsanstalt aus.Hierbei trat er jedoch mit grosser Bescheidenheit niemals als Mitautor auf. Andererseits zeigtder Antrag zur Einstellung eines Theoretikers und die anschliessende Gewinnung von Max vonLaue eindrucksvoll das empfindliche Gespür von Walther Nernst für wichtige neue Entwicklun-gen und für die hierzu notwendigen Massnahmen. Wie wichtig die neuen Entwicklungen im Falldes Walther Meissner waren, wollen wir im Folgenden erläutern.

Zur Klärung der Frage nach demVerhalten von Supraleitern in einem schwachen Magnetfeldhatte Max von Laue vorgeschlagen, das Magnetfeld in unmittelbarer Nähe der Oberfläche ei-nes Supraleiters oberhalb und unterhalb der kritischen Temperatur genau zu messen. Ebenfallsschien eine Anordnung interessant, bei der das Magnetfeld zwischen zwei eng benachbartenstromdurchflossenen Supraleitern gemessen wird. Zur Durchführung der Versuche konnte vonLaue in seiner Eigenschaft als Gutachter erreichen, dass ein zusätzlicher Mitarbeiter, RobertOchsenfeld, zur Verfügung gestellt wurde. Ochsenfeld kam Ende 1932 an die Reichsanstalt. Er

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Abbildung 6.5: Robert Ochsenfeld.

wurde durch ein Förderprogramm unterstützt, das jungen Akademikern während der Weltwirt-schaftskrise eine Möglichkeit zur weiteren wissenschaftlichen Ausbildung geben sollte. Für dieExperimente wurden supraleitendes Blei und Zinn verwendet. Die Versuche zeigten, dass sichbeim Unterschreiten der kritischen Temperatur in beiden Fällen die magnetische Flussdichte inder äusseren Umgebung der Supraleiter ändert und einen Wert annimmt, der auf eine vollständi-ge Verdrängung des Magnetfelds aus dem Innern der Supraleiter hinweist. Offenbar zeigten dieSupraleiter perfekten Diamagnetismus. In einer Versuchsanordnung wurden zwei im Abstandvon 1,5 mm parallel zueinander verlaufende einkristalline Zinndrähte mit 3 mm Durchmesservon einem elektrischen Strom in entgegengesetzter Richtung durchflossen. Durch die entgegen-

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gesetzte Stromrichtung wurde erreicht, dass sich die von beiden Strömen erzeugte magnetischeFlussdichte im Gebiet zwischen den Drähten addiert. Das Experiment zeigte eindeutig, dass diemagnetische Flussdichte in dem Gebiet zwischen den stromdurchflossenen Drähten im supralei-tenden Zustand grösser war als im nomalleitenden, ganz entgegen der ursprünglichen Erwartung.Wenn ein äusseres Magnetfeld angelegt wurde, war dieser Effekt noch verstärkt. Das Magnetfeldwurde offenbar aus dem Innern der supraleitenden Drähte verdrängt. Meissner und Ochsenfeldpublizierten ihre Ergebnissse 1933 in den “Naturwissenschaften” (21, 787 (1933)). Ihr Beitraghatte den verheissungsvollen Titel “Ein neuer Effekt bei Eintritt der Supraleitfähigkeit”. Im fol-genden Jahr wiederholte Meissner den Versuch zusammen mit F. Heidenreich. Wieder zeigtesich, dass das Magnetfeld unterhalb der kritischen Temperatur des Supraleiters aus dem Innerndes Supraleiters herausgedrängt wird. Schon bald war dieser magnetische Verdrängungseffektals Meissner-Ochsenfeld Effekt oder auch abgekürzt als Meissner Effekt bekannt. In der Formdes “schwebenden Magneten” wird der Effekt schon seit langem zu Demonstrationszweckenbenutzt. Bei den vor einiger Zeit entdeckten Hochtemperatur-Supraleitern genügt hierbei schoneine Abkühlung mit flüssigem Stickstoff, um den Effekt vorzuführen.

Abbildung 6.6: Meissner Effekt. (Linke Seite) Im Normalzustand oberhalb seiner kritischen Temperaturwird der kugelförmige Supraleiter von dem äusseren Magnetfeld durchsetzt. (Rechte Seite) Unterhalb sei-ner kritischen Temperatur verdrängt der Supraleiter das Magnetfeld vollständig aus seinem Inneren solangesein kritisches Magnetfeld nicht überschritten wird. Die Feldverdrängung wird durch elektrische Strömeverursacht, die ohne Verluste entlang der Oberfläche um den Supraleiter fliessen und das Innere des Supra-leiters gegen das Magnetfeld abschirmen.

Sehr treffend schildert Fritz London in seinem Buch “Superfluids, Volume I, MacroscopicTheory of Superconductivity” (John Wiley & Sons, 1950) die damalige Situation. Wir zitierenLondon (in deutscher Übersetzung): “Tatsächlich hat vor 1933 niemals eine Person das Magnet-feld in unmittelbarer Nähe eines Supraleiters richtig gemessen. Die Angelegenheit schien durchdie Theorie des perfekten Leiters vollständig geklärt, nachdem diese Theorie offenbar durch dieDauerstrom-Experimente bestätigt worden war. Umso grösser war dann die Überraschung alsMeissner und Ochsenfeld ... über Ergebnisse berichteten, die in krassem Gegensatz zu dieserakzeptierten Meinung standen.”

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Abbildung 6.7: Skizze und numerische Abschätzung von Walther Meissner zum Magnetfeld zwischen zweistromdurchflossenen Drähten.

In den Worten von Max von Laue bedeutete die Entdeckung des Meissner Effekts einen Wen-depunkt in der Geschichte der Supraleitung. Das Verschwinden der magnetischen Flussdichte imInnern eines Supraleiters wird durch supraleitende Abschirmströme bewirkt, die verlustfrei, d. h.

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ohne elektrischen Widerstand, nahe der Oberfläche des Materials fliessen. Die Abschirmströmeerzeugen dabei ein Magnetfeld, das ein im normalleitenden Zustand vorhandenes Magnetfeld imInnern exakt kompensiert. Würden die elektrischen Abschirmströme nicht verlustfrei fliessen,dann könnte der supraleitende Zustand im Magnetfeld nicht beliebig lange bestehen bleiben. So-mit ist der Meissner Effekt auch eindeutig grundlegender als das Verschwinden des elektrischenWiderstands oder als die unendliche elektrische Leitfähigkeit. Aus der Existenz des MeissnerEffekts folgt nämlich unmittelbar, dass elektrische Ströme ohne elektrischen Widerstand flies-sen, während in der umgekehrten Richtung von dem Verschwinden des elektrischen Widerstandsnoch nicht auf die Existenz des Meissner Effekts geschlossen werden kann. Diese entscheidendeRolle des Meissner Effekts haben Georg Bednorz und Karl Alex Müller bei ihrer Entdeckungder Hochtemperatur-Supraleitung im Jahr 1986 auch berücksichtigt, als sie sich über die Supra-leitung der neuartigen Verbindungen erst sicher waren, nachdem sie die Existenz des MeissnerEffekts bestätigen konnten.

Abbildung 6.8: Demonstration des Meissner Effekts. Ein kleiner Würfel, der aus einem Hochtemperatur-Supraleiter angefertigt und auf die Temperatur des flüssigen Stickstoffs abgekühlt ist, schwebt über einerferromagnetischen Scheibe. Eine Abstossungskraft wirkt zwischen dem Ferromagnet und den Abschirm-strömen im Supraleiter, die durch den Meissner Effekt verursacht werden.

Die experimentelle Entdeckung des Meissner Effekts hat anschliessend die Theorie der Su-praleitung entscheidend geprägt. Als wichtigster Punkt ist hier die Tatsache zu nennen, dassaufgrund der Existenz des Meissner Effekts der supraleitende Zustand generell ein Gleichge-wichtszustand ist, der unabhängig davon ist, auf welchem Weg man ihn durch Veränderung desMagnetfelds und der Temperatur erreicht hat. Am Ende muss die Temperatur nur kleiner als diekritische Temperatur Tc und das Magnetfeld nur kleiner als das kritische Magnetfeld HC(T ) sein.Auf diese Tatsache haben damals die beiden Holländer Cornelis Jacobus Gorter und HendrickB. G. Casimir als erste hingewiesen. Ausserdem haben sie gezeigt, dass die Geltung des Meiss-

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ner Effekts die Möglichkeit eröffnet, den Energieunterschied zwischen dem normalleitenden unddem supraleitenden Zustand genau zu berechnen. Dieser Energieunterschied ist proportional zumQuadrat des kritischen Magnetfelds, H2

C(T ) :

fn(T )− fs(T ) = (1/8π)H2C(T ).

Hier bezeichnen fn(T ) und fs(T ) die freie Energiedichte bei Abwesenheit eines Magnetfelds imnormalleitenden und im supraleitenden Zustand. Jetzt konnte man den Energiegewinn für dieElektronen zum ersten Mal angeben, der ihren supraleitenden Zustand begünstigt.

Aufbauend auf der Existenz des Meissner Effekts haben die Brüder Fritz und Heinz Londonim Jahr 1935 eine phänomenologische Theorie der Supraleitung vorgeschlagen. Ihre Theorieerklärte insbesondere den Meissner Effekt und die genaue räumliche Abhängigkeit der elektri-schen Abschirmströme in der Nähe der Oberfläche eines Supraleiters. Im Zusammenhang mitdiesen Überlegungen entwickelte Fritz London damals auch seine sich als besonders fruchtbarerweisende Idee der Supraleitung als makroskopisches Quantenphänomen.

Die Bedeutung von Max von Laue bei diesen Entwicklungen zu den magnetischen Eigen-schaften von Supraleitern kann nicht überschätzt werden. Er war der entscheidende Motivator,der Walther Meissner zu den wichtigen Experimenten überredet hat. Auf der anderen Seite hat eres aufgrund seiner grossen Bescheidenheit nicht zugelassen, dass sein Name auf den relevantenVeröffentlichungen erschien.

Walther Meissner hat niemals aus seiner Abneigung gegen den Nationalsozialismus in Deutsch-land einen Hehl gemacht. So verliess er auch schon bald die Reichsanstalt, nachdem im Jahr 1933Friedrich Paschen durch Johannes Stark als Präsident der Reichsanstalt abgelöst wurde. Starkhatte ihm aus politischen Motiven die Übernahme einer Honorarprofessur an der Berliner Uni-versität untersagt. Die Professur war Meissner besonders auf Wunsch von Planck und von Laueangeboten worden. 1934 folgte Meissner einem Ruf an die Technische Hochschule in Münchenals Nachfolger von Jonathan Zenneck. Auch Max von Laue bekam den neuen politischen Windzu spüren. Im Dezember 1933 kündigte Stark ihm seine Stellung als theoretischer Berater derReichsanstalt.

In seiner Gedenkrede am 15. Oktober 1960 über den wenige Monate zuvor verstorbenen Maxvon Laue hat Walther Meissner in Berlin bei der Trauerfeier der Max-Planck-Gesellschaft dieseEreignisse noch einmal in Erinnerung gerufen. Wir zitieren aus dieser Gedenkrede von Meissner(Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissen-schaftliche Klasse, 1960, S. 101): “Aber lassen Sie mich zu den Kämpfen Laues kommen, zuseinem Auftreten gegen den Nationalsozialismus und gegen andere Gewalten ... . Lassen Siemich beginnen mit der denkwürdigen Physikertagung in Würzburg im September 1933. ... Unddann hielt er die grosse Rede, in der er gegen die Unterdrückung der Freiheit der Wissenschaftdurch den Nationalsozialismus, besonders auch durch Johannes Stark, der damals Präsident derPhysikalisch-Technischen Reichsanstalt war, auftrat. ... Das Vorgehen Starks gegen die theore-tische Physik, besonders gegen die Plancksche Quantentheorie und gegen die Einsteinsche Re-lativitätstheorie empörte Laue so, dass er im Dezember 1933 in der Preußischen Akademie derWissenschaften scharf gegen die Wahl Starks zum ordentlichen Akademiemitglied auftrat undsie so verhinderte. Zwei Tage später wurde ihm die Stelle als theoretischer Berater der Reichs-anstalt von Stark gekündigt.” - Max von Laue war es dann besonders, der nach 1945 und nach

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dem Ende des Nazi Regimes den Neuanfang der Reichsanstalt in Braunschweig als Physikalisch-Technische Bundesanstalt stark und mit grossem Erfolg unterstützt hat.

Nach dem 2. Weltkrieg hat Walther Meissner mit grossem Pflichtbewustsein zahlreiche Ämterübernommen. Im Jahr 1946 war er Direktor von zwei experimentellen Instituten der Techni-schen Hochschule München, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Präsi-dent der Bayerischen Physikalischen Gesellschaft, Vorstandsmitglied des Deutschen Museumsund Vorsitzender der Kommission für Tieftemperaturforschung der Bayerischen Akademie derWissenschaften. Das seit 1967 in Garching bei München bestehende Zentralinstitut für Tieftem-peraturforschung wurde im Jahr 1982 in Walther-Meissner-Institut umbenannt.

Neben seinen zahlreichen veröffentlichten wissenschaftlichen Originalarbeiten hat Meissnerauch schon früh der kritischen Darstellung seines Arbeitgebiets und dem zusammenfassendenÜberblick seine Arbeitskraft gewidmet. Herausragend ist in diesem Zusammenhang sein Bei-trag, den er in den Jahren 1932 - 1935 für das Handbuch der Experimentalphysik unter Mitwir-kung von M. Kohler und H. Reddemann verfasst hat. Die Herausgeber dieses Handbuchs warenW. Wien und F. Harms. Der von Meissner erstellte Band (Band 11, Teil 2, Akademische Ver-lagsgesellschaft, Leipzig, 1935) mit dem Titel “Elektronenleitung, Galvanomagnetische, Ther-moelektrische und Verwandte Effekte” hat einen Umfang von insgesamt 547 Seiten. Wir müssenausserdem Meissner’s Beiträge zum Handbuch der Physik erwähnen, das von Hans Geiger undKarl Scheel herausgegeben wurde. In Band XI mit dem Titel “Anwendung der Thermodynamik”(Springer, Berlin, 1926) wurde Kapitel 7 “Erzeugung tiefer Temperaturen und Gasverflüssigung”(Seite 272 - 339) von Meissner verfasst. Eine genaue Beschreibung der Heliumverflüssigungsan-lage an der Reichsanstalt findet man auf den Seiten 321 - 325, während die dortige Wasserstoff-verflüssigungsanlage auf den Seiten 316 - 319 erläutert wird. Schliesslich stammt von Meissnerauch Kapitel 6 ”Telephon und Mikrophon” von Band XVI des gleichen Handbuchs. Der Titeldieses Bandes lautet “Apparate und Messmethoden für Elektrizität und Magnetismus” (Springer,Berlin, 1927).