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ELECTROANALYTICAL CHEMISTRY AND INTERFACIAL ELECTROCHEMISTRY Elsevier Sequoia S.A., Lausanne Printed in The Netherlands 287 DIE POLAROGRAPHISCHE REDUKTION VON SOLOCHROMVIOLETT RS UND DER MECHANISMUS DER KOMPLEXBILDUNG MIT ALUMINIUM IN METHANOLISCHER LOSUNG L. HOLLECK, J. M. ABD EL KADER VND A. M. SHAMS EL DIN Chemisches Institut der HochschuIe, Bamberg (Deutschland) (Eingegangen am 13 Juli, 1968) Solochromviolett RS (SVRS) (I) wurde von WILLARD UND DEAN1als geeigltetes Reagenz fiir die indirekte polarographische Bestimmung von Aluminium in wiissriger L6sung empfohlen. HO SOaH In Acetatpuffer yon pH 4-6 liefert die Verbindung eine einzige Reduktionsstufe. In Gegenwart von A13+ spaltet diese Stufe in zwei Teile auf: der erste Tell entspricht der Reduktion des iiberschiissigen Farbstoffes, der nicht reagiert hat, w~ihrend die zweite Teilstufe--um etwa 200 mV zu negativeren Potentialert verschobell--dem all AI a+ gebulldellei~ Tell des Farbstoffes elttspricht. Das Anwachsen der H6he dieser Stufe und/oder eine entsprechellde Verminderung der StufenhOhe ffir die freie Verbindullg sind dem Ala+-Gehalt der L6sung direkt proportional. Zur ErhOhuttg der Empfindlichkeit der Bestimmung schlugen FLORENCEU. a. 2 ktirzlich die Verwendung der Oxydationsstufen von SVRS und seines A1-Komplexes all der rotierenden Graphit- t~lektrode vor. Beide Verbilldungell liefern gut ausgebildete Stufen, die unter ge- eigneten Bedingungen um etwa 35o mV getrennt sin& Bei der Oxydation bilden sich die entsprechenden Azoxyverbindungen. Obgleich das polarographische Verhalten volt SVRS oder ahnlicher Farbstoffe (X) verschiedentlich untersucht wurden 1-v urzd ihre Reaktion mit A1 a+ mehrfach zur analytischen Anweadung gelangte s-10, lassen sich die Ergebnisse verschiedener Autoren z.T. nicht miteinander vereinbaren. W~hrend z.B. DEAN UND BI(YAN a sowie PERKINS UND REYNOLDS~die Reduktion des freien Farbstoffes als den i)bergang rot1, zwei Elektronen pro Molekiil ansehen (entsprechend der Bildung des Hydrazo- Derivats), tiefern die Untersuchungen von FLORENCE6, 7 Hiaweise daftir, dass vier Elektronen an dem Vorgang beteiligt sind, wobei unter Bruch der N-N-Bindung die beiden entsprechenderL Amine gebildet wtirden. Dabei wurde eine rasche Dispro- portionierung der als unbest~indige Zwischenstufe gebildeten Hydrazoverbindung angettommen 6. Auch die Zusammensetzung des gebildeten A1-Komplexes ist um- stritten. DEAN 1,3, FLORENCE 2 und COATES 11 nehmen einen Komplex A1X2 am ~hnliche Zusammensetzungen werden allch den Solochrom-Komplexell yon ZIX ulld jr, Electroanal. Chem., 2o (1969) 287--396

Die polarographische Reduktion von Solochromviolett RS und der Mechanismus der Komplexbildung mit Aluminium in methanolischer Lösung

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ELECTROANALYTICAL CHEMISTRY AND INTERFACIAL ELECTROCHEMISTRY Elsevier Sequoia S.A., Lausanne Printed in The Netherlands

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DIE POLAROGRAPHISCHE REDUKTION VON SOLOCHROMVIOLETT RS UND DER MECHANISMUS DER KOMPLEXBILDUNG MIT ALUMINIUM IN METHANOLISCHER LOSUNG

L. HOLLECK, J. M. ABD EL KADER VND A. M. SHAMS EL DIN

Chemisches Institut der HochschuIe, Bamberg (Deutschland)

(Eingegangen am 13 Juli, 1968)

Solochromviolett RS (SVRS) (I) wurde von WILLARD UND DEAN 1 als geeigltetes Reagenz fiir die indirekte polarographische Bestimmung von Aluminium in wiissriger L6sung empfohlen.

HO

SOaH

In Acetatpuffer yon pH 4-6 liefert die Verbindung eine einzige Reduktionsstufe. In Gegenwart von A13+ spaltet diese Stufe in zwei Teile auf: der erste Tell entspricht der Reduktion des iiberschiissigen Farbstoffes, der nicht reagiert hat, w~ihrend die zweite Teilstufe--um etwa 200 mV zu negativeren Potentialert verschobell--dem all AI a+ gebulldellei~ Tell des Farbstoffes elttspricht. Das Anwachsen der H6he dieser Stufe und/oder eine entsprechellde Verminderung der StufenhOhe ffir die freie Verbindullg sind dem Ala+-Gehalt der L6sung direkt proportional. Zur ErhOhuttg der Empfindlichkeit der Bestimmung schlugen FLORENCE U. a. 2 ktirzlich die Verwendung der Oxydationsstufen von SVRS und seines A1-Komplexes all der rotierenden Graphit- t~lektrode vor. Beide Verbilldungell liefern gut ausgebildete Stufen, die unter ge- eigneten Bedingungen um etwa 35o mV getrennt sin& Bei der Oxydation bilden sich die entsprechenden Azoxyverbindungen.

Obgleich das polarographische Verhalten volt SVRS oder ahnlicher Farbstoffe (X) verschiedentlich untersucht wurden 1-v urzd ihre Reaktion mit A1 a+ mehrfach zur analytischen Anweadung gelangte s-10, lassen sich die Ergebnisse verschiedener Autoren z.T. nicht miteinander vereinbaren. W~hrend z.B. DEAN UND BI(YAN a sowie PERKINS UND REYNOLDS~ die Reduktion des freien Farbstoffes als den i)bergang rot1 , zwei Elektronen pro Molekiil ansehen (entsprechend der Bildung des Hydrazo- Derivats), tiefern die Untersuchungen von FLORENCE6, 7 Hiaweise daftir, dass vier Elektronen an dem Vorgang beteiligt sind, wobei unter Bruch der N-N-Bindung die beiden entsprechenderL Amine gebildet wtirden. Dabei wurde eine rasche Dispro- portionierung der als unbest~indige Zwischenstufe gebildeten Hydrazoverbindung angettommen 6. Auch die Zusammensetzung des gebildeten A1-Komplexes ist um- stritten. DEAN 1,3, FLORENCE 2 u n d COATES 11 nehmen einen Komplex A1X2 am ~hnliche Zusammensetzungen werden allch den Solochrom-Komplexell yon ZIX ulld

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Ni 3, der Lanthaniden v sowie den Komplexen von A1 mit anderen ortho-dihydroxy- Azoverbindungen 1~-14 zugeschrieben. Es existieren jedoch auch Hinweise3, a, wonach sich in L6sungen h6herer pH-Werte auch ein anderer Komplex, n~irnlich AIs+: 3 X, bilden soll. Auch dafiir, dass das an A13+ gebundene SVRS bei negativeren Potentialen reduziert wird als die freie Verbindung, sind verschiedene z.T. unbefriedigende Erkl~rungen gegeben worden. Die ursprtingliche Annahme, dass die Komplexbildung das Farbstoffmolekfil in der cis-Form festlegt, w~hrend das freie Molekfil in der trans-Form vorliegt 1, wurde sp{tter aufgrund sterischer fdberlegungen verworfen3, 4. Daneben wurden andere Erkl~irungen angegeben 3, die nieht weiter diskutiert werden sollen.

Im Hinblick auf den Mangel an Ubereinstimmung wurde angesichts der Erfahrungen, die an unserem Institut in einer Reihe von UntersuchungeI1 fiber das polarographisehe Verhalten substituierter Azoverbindungen sowohl ill w~ssrigem15,1G wie nicht-w~issrigem Medium 17 gewonnen wurden, die Reduktion von SVRS und seines Aluminium-Komplexes in methanolischen L6sungen verfolgt. Bei der Untersuchung anderer organischer Verbindungen in diesem Medium ls-20 hatte es sich gezeigt, dass Zus~tze volt Protonendonatoren sowie solcher Stoffe, die Protonen-Transferprozesse katalysieren, bei der K1/irung des Reduktionsmechanismus hilfreich sein k6nnen.

EXPERIMENTELLES

Bei dell vorliegenden Untersuchungen wurde eine einfache polarographische Zelle benutzt, bei der ein seitlicher Ansatz durch eine feinpofige Glasfritte abge- schlossert war. Letztere stellte die Verbindung zu der (w~tssrigen) KC1-L6sung einer grossfl~chigelt ges~ttigtelt Kalomelelektrode (GKE) her, in welche die Zelle in der Weise eintauchte, dass das Niveau der Flfissigkeit in der Zelle etwa I cm oberhalb demjenigen in der Kalomelelektrode blieb. Hierdurch wurde ein EindringeI1 von Wasser in die Zelle weitgehend vermieden. Die Entlfiftung der L6sung erfolgte mit reinem Stickstoff. Als Leitelektrolyt diente o. I M LiC1 in reinem Methanol (E. Merck, Darmstadt). Technisches SVRS (Dr. Th. Schuchardt, Mfinehen) wurde aus 50 %igem Methanol umklistallisiert. Wasserffeies AICla (Merck) wurde in Methanol gel6st. Als Protonendonator diente Benzoes~ure, als Katalysator ffir Protonen-Transferprozesse N,lq-Dimethyl-p-phenylendiamin (DMPD) ,nit der Konzentration 2.5" lO -4 M. Wenn nicht anders angegeben, erfolgten die Untersuchungen mit i . Io-~ M SVRS, bei Zimmertemperatur yon 2o-21 °.

ERGEBNISSE UND DISKUSSION

Kurve i der Abb. I gibt die polarographische Reduktion yon i . lO -a M SVRS in reinem Methanol (Leitelektrolyt, o. I M LiC1) wieder. Die Verbindung wird in drei aufeinanderfolgenden Stufen reduziert, deren Halbstufenpotentiale -0 .57, -0 .78 und -0 .98 V (GKE) betragen. In Abwesenheit anderer Zus~ttze geht der ersten Stufe ein kleines Maximum vorauf, das durch 0.04 Gew.-% Triphenylphosphinsulfid unterdrfickt werden kann.

Alle drei Stufen yon SVRS in Methanol sind diffusionsbestimmt, wie aus der Abh~tngigkeit der Stufenh6he yon der Hg-Niveauh6he hervorging. Ein Vergleich der Gesamth6he der drei Stufen yon SVRS mit derjenigen einer gleich konzentrierten L6sung von Azoxybenzol unter ~hnlichen Bedingungen ~o ffihrt zu dem Schluss, dass

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SOLOCHROMVIOLETT R s - A 1 KOMPLEXEN 289

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Abb. I. Wirkung yon Benzoes&ure-Zusatz auf die polarographischen Strom- Spannungs -Kurven yon i . lO-a M S V R S in Methanol (o . i M LiC1). (i), o; (2), 0 .5 ; (3), I.O; (4), 1.5; (5), 2 .0; (6), 3 .o . IO -a M Benzoes&ure; (7), wie (6) + 2 .5 . lO -4 M D M P D .

am Gesamtvorgang vier Elektrollen pro Molekti] SVRS beteiligt sind. In dieser Beziehung stimmen die vorliegendell Untersuchungen mit denen yon FLORENCE 6,7 tiberein. Demnach ftihrt die Reduktion zur Bitdung der beiden Amine. Zusammen mit der Tatsache, dass die H6he der einzelnen Stufen jeweils nicht dem Austausch einer ganzen Zahl yon Elektronen entspricbt, l~sst dieser Befund kaum Zweifel, dass es sich um die Reduktion einer Substanz hartdett, die in verschiedenen Dissoziations- stufert vorliegt. ~hnliche VerhMtnisse wurden fi~r 4-Carboxyazobenzol beobachtet 17, wo das Polarogramm aus zwei getrennten Stufen besteht; die erste Stufe entspricht der Reduktion der nicht iortisierten Form, die zweite derjenigen des Anions.

Die im weiteren geschilderten Ergebnisse untersttitzen die Folgerung, dass die Protonen der beiden ortho-st&ndigen Hydroxygruppen am Reduktionsvorgang beteiligt sind. Dies ist wie folgt zu formulieren :

1. Stufe 2. Stufe 3. S t u f e

OH HO OH 0 (-) 0 (-) 0 (-)

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4- 4e- + 4 e - + I 3 C H 3 0 H + 4CH30H

n = 2 , 3 , 4

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Dass SVRS in rnethanolischer L6sung in drei Dissoziationsstufen vorliegt, konnte durch Untersuchungen nachgewiesen werden, bei dener~ die L6sung rnit bestirnrnten Mengen Benzoes~ure als Protonendonator versetzt wurde. Wie aus dell Kurvell 2-5 der Abb. i hervorgeht, w$chst die H6he der ersten Stufe bei Erh6hung der S~ure- konzentration auf Kosten der beiden anderen. Bei einer Konzentration vou 2" IO -s M Benzoes~ure (dern Doppelten der SVRS-Konzentration) erfolgt die Reduktion in einer einzigen Stufe bei dern Potential der ursprtinglichen ersten Stufe. Bei weiterer Erh6hung der S~urernenge verschiebt sich die Stllfe leicht zu positiveren Potentialen (Kurve 6 in Abb. i ftir 3" io-~ M Benzoes~ure), wobei zugleich der Etldanstieg eher erfolgt. Die Reduktion yon SVRS ir~ einer einzigen Stufe bei gelltigendern S~uregehalt zeigt, dass hierdurch die Dissoziation der beidell OH-Gruppen unterdrtickt wird. Die Tatsache, dass zwei ~quivalente Benzoes~ure erforderlich sind, urn die Reduktion in einer einzigen Stufe ablaufen zu lassen, w~hrend die Bildung der beiden Arnille insgesarnt vier Protonen erfordert, ftihrt zu dern Schlllss, dass die beiden Protonen der Oxygruppen des Farbstoffes auch weiterhin bei dern Prozess verbraucht werden.

N,N-Dirnethyl-p-phenylendiarnin (DMPD), das sich in vorhergehellden Unter- suchungen17,19, 2o als sehr wirksamer Katalysator von Protonen-Transferprozessen erwiesen hatte, verursacht hier nur die Unterdr~ckllng des Maximums der ersten Stufe von SVRS, w~hrend die Reduktionspotentiale aller drei Stufen nicht in rnessbarern Urnfange beeinflusst werden. Selbst in Gegenwart yon Benzoes~ure ist die Wirkung voI1 DMPD nur recht gering. Diese Befunde zeigen, dass der Zusatzstoff nicht stark --wie in anderen F~llen 17, 20--an der Elektrodenoberfl~che adsorbiert wird, und zwar sehr wahrscheinlich wegen der bevorzugten Adsorption der oxydierten Form des Depolarisators. Dagegen katalysiert der DMPD-Zusatz die ReduktioI1 des in der L6sung vorliegenden S~uretiberschusses: Kurve 7 der Abb. I zeigt, dass der bei der Reduktion yon SVRS nicht verbrauchte S~ureanteil eine gut ausgebildete Stufe rnit E~ = - I:4 V (GKE) 19 ergibt, die in Abwesenheit des Zusatzstoffes (Kurve 6) nicht beobachtet wird. DMPD wird demnach an der Elektrodenoberfl~che starker adsor- biert als die Reduktionsprodukte yon SVRS.

Mit A13+ reagiert SVRS ill rnethanolischer L6sung miter Bildung des charakte- ristischen violett gef~rbten Komplexes, Das polarographische Verhalten dieser Mischullgen wies gewisse Besonderheiten auf und wurde daher detaillierter untersucht. Wegen der offenkulldig vereillfachten Verh~ltnisse bei Vorliegen mlr einer eillzelnen Stufe des Kornplexbildners wurderl die Untersuehllngen haupts~chlich rnit L6sungen durchgeftihrt, die--neben den beiden reagierenden Stoffen--zwei fi~quivalente Benzoes~llre pro Farbstoffrnolekfil enthielten. Weiterhin wurde festgesteUt, dass die Gestalt der Polarograrnrne roll der Gegenwart oder Abwesenheit yon DMPD in der LSsung abh~ngt; die Verh~iltnisse in diesell beiden F~llen werden daher getrennt diskutiert. Urn der 13bersichtlichkeit der Darstellung willell werden die in L6sullgen rnit 2,5" IO -4 M DMPD erhaltellell Ergebnisse zuerst betrachtet.

Wie irn Falle w~ssriger L6sungenl,3,4, 6 wurde festgestellt, dass die Bildung des A1-SVRS-Kornplexes auch in Methanol bei Zirnrnerternperatur ziernlich langsarn erfolgt. Die Kurven in Abb. 2 zeigen den Fortgang der Reaktion zwischen i . Io -3 M SVRS und 3" IO-4 M A1 ~+ irn Verlaufe yon 24 Stunden. Man sieht, dass die ursprting- liche Stufe des Kornplexbildners in zwei Teile aufspaltet, deren Gesamth6he jedoch praktiseh gleich der H6he der urspri~ngliehen Stufe bleibt. Zufolge des Halbstufen- potentials und in Analogie mit wtissrigell L6sungen I entspricht die erste Stufe der

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Reduktion des freien, nicht in Reaktion getretenen Farbstoffes. Die urn etwa 3oo mV zu negativereI1 Potentialen verschobene zweite Stufe geh6rt zur Reduktion der Azo- gruppe im A1-Komplex. Eine dritte Stufe, die den beiden vorhergehenden noch aufgesetzt ist, stellt die gleichzeitige Reduktion des his dahin nicht in Reaktion getretenen A1 ~+ (vgl. Kurve 6, Abb. 2) und des beim Zerfall des Komplexes infolge Reduktion freigesetzten A1 ~+ dar.

Es ergab sich, dass 24-stiindiges Stehen der L6sung bei Raumtemperatur ftir

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Abb . 2. Polarographische Kurven, die den zeiflichen Ablauf der 1Reaktion zwischen i . lO .3 M S V R S + 2 .1o -3 M Benzoes~Lure (I) u n d 3 " 1 ° - 4 M A13+ (6) bei Zimmertemperatur anzeigen, jeweils nach: (2), 0.25; (3), 2; (4), 6; (5), 24 Stunden.

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Abb . 3. P o l a r o g r a p h i s c h e S t r o m Spannungs-kurven yon: (I), i . i o - 3 M S V R S + 2 . I O -3 M Benzoes/iure + 2 .5 ,1o -4 M D M P D ; (2)-(4), + 3 . 1 o -4 M A13+ n a c h IO Min Erw/irmung bei steigenden Temperaturen his nahe dem Siedepunkt.

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den vollst~ndigen Ablauf der Komplexbildung nicht ausreichte. Die Wirkung einer Temperaturerh6hung der L6sung zur Beschleunigung der Reaktion wurde urttersucht. Die Kurven der Abb. 3 zeigen den Grad der Komplexbildung nach jeweils IO Min Erw~irmung bei von Kurve 2-4 bis zum Siedepunkt wachsenden Temperaturen. Alle Polarogramme wurden jeweils 6o Min nach der Vermischung der Reagenzien (ein- schliesslich der Erw~trmungszeit) bei Zimmertemperatur registriert. Eine verl~tngerte Erw~rmung der L6sung erbrachte keine weitere Verminderung der Stnfenh6he des freien Farbstoffes. Bei den im folgenden beschriebenen Versuchen wurden die L6- sungen daher 15 lVfin auf 6o ° erw~trmt.

Die Kurven in Abb. 4 zeigen, dass die Verminderung der Stufenh6he des freien Farbstoffes ulld die entsprechende Erh6hung derjenigen des A1-Komplexes der A13+- Konzentration in der L6sung proportional sind, solange ein ~lberschuss des Komplex- bildners vorliegt. Die Bindung zwischen A1 a+ und SVRS erfolgt in einem MolverhMtnis sehr rtahe bei 2 SVRS :I A13+; in dieser Hinsicht scheint der in Methanol gebildete Komplex die gleiche Struktur zu haben, wie sie ftir w~issrige L6sungen niedrigen pH-Wertes allgemein angenommen wurde.

Nach PERKINS UND REYNOLDS 4 wird der A1-SVRS-Komplex durch Ver- dr~tngung der beiden Protonen der Hydroxylgruppen des Farbstoffes und unter l)bernahme eines Elektronenpaares von den Stickstoffatomen der in Resonanz befirtdlichen Azogruppe gebildet, wodurch sich ftir A1 a+ die Koordinationszahl 6 einstellt. Wir formulieren die Reaktion wie folgt:

OH HO

3+ + A[

so~ ~---%5

\ o \ / o /

- 3 -

+ 4 H +

Wie bereits erw~thnt, ist mit der Reduktion von SVRS der Bruch der N-N- Bindung unter Bildung der beiden entsprechenden Amine verbunden. Da die Gesamt- hbhe der in Gegenwart yon A1 beobachtetei1 zwei Stufen mit der Stufenh6he yon SVRS allein praktisch identisch ist, muss geschlossen werden, dass die Reduktiolx des A1-Komplexes ebenfalls zur Amin-Stufe erfolgt. Durch diese Zerst6rung des komplex- bildenden Molektils wird das A13+ freigesetzt, das---im Gegensatz zu w~tssrigen L6sungen im Bereich der dritten Stufe der Kurven in Abb. 4 reduziert wird. Sofern bei S~tureiiberschuss in Gegenwart yon DMPD auch Wasserstoff elltladert wird, erfolgt dies ebenfalls im gleichen Potentialbereich bei etwa - 1 . 4 V 19.

Das gleiche Bild, wie oben beschrieben, wird grundsXtzlich auch mit DMPD-

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ireien LOsungen beobachtet. Hier wird jedoch ausserdem eine bei etwa -0 .05 V begirmende Vorstufe registriert (Abb. 5), die bei Zimmertemperatur und bei Konstanz aller experimentellen Parameter mit der Reaktionszeit w~tchst. Bei einer Erw~trmung ifir die Dauer yon 15 Mitt bis nahe dem Siedepunkt ist die Vorstufenh6he eine lineare Funktion des A1-Gehalts der L6sung. Da das Ausmass der Komplexbildung, gemessen art der H6he der A1-SVRS-Stufe, praktisch ebenso wie irt Gegenwart yon DMPD urtter sonst gleichen Bedingunger~ ist, entwiekelt sieh die Vorstufe offenbar auI Kosten der Stufe des freien Farbstoffes und stellt demnach eine erleichterte Reduktion des letzteren dar.

Die Ursache der Vorstufe ist leicht zu verstehen, wean man in Betracht zieht,

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dass bei der Komplexbildung eine entsprechende Mertge HC1 (Reaktion II) gebildet wird. Diese S~ture--st~irker als Benzoes~ture--verst~irkt das Protonenangebot des Medimns und verursacht eine betr~ichtliche Positivierung des Reduktionspotentials. Dass dies tats~chlich der Fall ist, wurde durch Untersuchungen bewiesen, bei denen HC1 anstelle yon A1Cla der Reaktionsl6sung (I. io -a M SVRS + 2" Io -a M Benzoe- s~iure) zugesetzt wurde. Bei einem Zusatz yon 5 "1o-4 M HC1 entwickelt sich die Vorstufe bei -0 .o5 V und ihre H6he betr~igt ein Viertel der ursprtinglichen Stufe. Die H6he der Stufe w~ichst linear mit der Konzentration der Minerals~ture, bis bei 2-IO -a M HC1 die Reduktion wieder bei diesem positiven Potential in einer einzigen Stufe erfolgt.

Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass die Vorstufe bei einem Zusatz yon nur 2.5" Io -4 M DMPD vollst~tndig verschwindet, wobei stattdessen eine gut aus- gebildete zweite Stufe u m - 1.4 V entsteht. Letztere entspricht der durch den Zusatz- stoff katalysierten Wasserstoffentwicklung.

Die obigen Ergebnisse zeigen, dass DMPD, das gew6hnlich als Katalysator ffir Protonen-Transferprozesse wirkt, in Gegenwart starker S~iuren eine inhibierende Wirkung ausfibt. ~_hnliche VerhMtnisse wurden kfirzlich bei der Reduktion von Azoxy- benzol in methanolischer L6sung 20 beobachtet. Das Verhalten wurde damit erkl~irt, dass eine Protonen-l_}bertragung in Gegenwart yon DMPD nur fiber die protonisierte Form des letzteren erfolgt. Wegen des relativ stark basischen Charakters der Di- methylamino-Gruppe ist jedoch zu erwarten, dass der pKs-Wert der protonisierten Form des DMPD gr6sser als derjenige der freien starken S~ture ist. Infolgedessen kann anstelle einer Katalyse Inhibition erfolgene0.

Abgesehert vonde r Entwicklung der Vorstufe auf Kosten der Stufe des freien Farbstoffes, zeigen die Polarogramme yon A1 SVRS in Abwesenheit yon D3ffPD qualitativ das gleiche Bild wie in Gegenwart des Zusatzes. Es ist jedoch zu bemerken, dass die katalysierte H+-Stufe des HC1 in Gegenwart von DMPD bei Potentialen auftritt, die mit denjenigen vergleichbar sind, bei denen die Reduktion der Ala+-Ionen erfolgt, die durch die Zerst6rung des komplexbildenden Molekfils freigesetzt werdeI1 (dritte Stufe der Polarogramme in Abb. 4 und 5), so dass beide Prozesse an der gleichen Stelle in Erscheinung treten. Infolgedessert mfisste unter sonst gleichen experimenteUen Bedingungen (Konzentration an A1 a+, Erw~irmungszeit und -temperatur) die in Gegenwart yon DMPD beobachtete dritte Stufe gr6sser sein als die entsprechende in Abwesenheit des Zusatzes. Dass dies tats~chlich der Fall ist, geht aus einem Vergleich der Kurven in Abb. 4 und 5 hervor.

Die polarographische Untersuchung der Komplexbildung in nichtw~tssriger L6sung--hier am Beispiel des Systems A13+/Solochrom in Methanol veranschaulicht-- bietet betr~tchtliche Vorzfige gegenfiber derjenigen in w~ssriger L6sung. So gestattet sie ein deutlicheres Verst~ndnis der Rolle, die das H+-Ion bei der Reduktion des komplexbildenden Agens und/oder seines Metallkomplexes spielt. Solche Effekte lassen sich in w/issriger L6sung wegen der Verwendung gepufferter Grundelektrolyte gew6hnlich nicht so klar veranschaulichen. Ausserdem kann die Verwendung ge- eigneter grenzfl~tchenaktiver Stoffe (Katalysatoren oder Inhibitoren) die Kl~trung des Elektrodenprozesses und die Aufstellung eines Reaktionsmechanismus erleichtern.

Dem Bundesministerium ftir Wirtschaft wird ffir die Unterstfitzung der Ar- beiten gedankt, der Alexander von Humboldt-Stiftung ffir ein Stipendium (A.3/LS.).

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ZUSAMMENFASSUNG

Solochromviolett RS (SVRS) wird polarographisch in wasserfreiem Methanol (o.i M LiC1) in drei wohldefinierten diffusionsbestimmten Stufen reduziert. Die Stufen entsprechen der Reduktion der undissozierten, teilweise und vollst~ildig dissoziierteil Form des Depolarisators. Die Gesamth6he der drei Stufen entspricht dem i3bergang von vier Elektronen pro Farbstoffmolekfil. Zusatz eines Protonendonators (Benzoes~ture) bewirkt die Vereinigung der drei Stufen zu einer einzigen, sobald zwei •quivalente S~ure pro lVIo] Farbstoff in der L6sung vorliegen.

A1 a+ bildet mit SVRS einen i : 2-Komplex. Der an A13+ gebundene Anteil des Farbstoffes wird bei negativeren Potentialen als der nicht gebundene reduziert. Eine dritte Stufe entspricht der Reduktion des bei der Zerst6rung des Komplexes frei- gesetzten A1 a+ uild gegebeneilfalls einer zus{ttzlichen Wasserstoffabscheidung. In Abwesenheit von DMPD entwickelt sich bei positivereil Poteiltialeil eine Vorstufe, die der erleichterten Reduktion von SVRS in Gegenwart der bei der Komplexbildung freigesetzteil S~ture zugeschriebeil wird; DMPD inhibiert die Ausbilduilg der Vorstufe.

Zusatzstoffe, die als Inhibitoren oder als Katalysatoren voil Elektrodeil- prozessen bzw. -teilprozessen wirksam sind, ffihren anch hier zu detaillierteren Aussagen fiber den Reduktionsmechanismus bzw. die Struktur des Depolarisators.

SUMMARY

Solochrome Violet RS (SVRS) is reduced polarographically in anhydrous o.i M LiC1 methanolic solutions in three well-defined, diffusion-controlled waves. The waves are due to the reduction of the undissociated, partially, and totally dissociated forms of the depolarizer. The total height of the three waves corresponds to the transfer of 4 electrons/dye molecule. The addition of a proton donor (benzoic acid) causes the three waves to coalesce into one when two equivalents of acid/equivaleilt of dye are present in the solution.

A13+ combines with SVRS to form a I : 2 complex. The part of the dye bound to A1 ~+ is reduced at more negative potentials. A third wave represents the reduction of A13+ set free after complex destruction and, in presence of excess acid, also hydrogen evolution. In the absence of DMPD, a prewave develops at more positive potentials and is related to the enhanced reduction of SVRS in the presence of the acid set free during complex formation. DMPD inhibits the development of the prewave.

Additives acting as inhibitors or catalysts of electrode processes (or parts of the latter) prove to be useful also in this case for a more detailed elucidation of re- duction mechanisms and the structure of the depolarizer, respectively.

L I T E R A T U R

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