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(Aus der ehirurgischen Abteihmg des Krankenhauses ,,Bergmam~sheil" Bochum. [Prof. Dr. 3[agnus].) Die primitre Wundnaht bei offenen Knochenl)riiehen. Von Dr. E. Koch, Oberarzt. (Eingegangen am 20. Jtdi 1928.) Der offtqm Knochenbruch -- seine Behandlung und sein SchieksM -- hat zu allen Zeiten, solange es Chirurgie gibt, eine besondere Stellung eingenommen. Er war stets ein Prfifstein f/ir chirurgisches K6nnen oder Versagen. Alle heiBea Bemtihungen, den Heilungsverlauf des offeuen Knochenbruchs giinstig zu be- einfiussen, muI3ten yon vornherein scheitern, solange man nicht seine Haupt- gefahrenquelle, das ist die Wunde, erfolgreich beherrschte. Die Geschichte der Medizin zeigt uns, dab die Erkenntnisse fiber das ~resen des offenen Knochen- blmchs parallel gehen mit denen fiber die akzidentelle Wunde und ihre ]~e- handlung. Auf diesem weiten mfihevollen Wege zeichnet sich ein Wendeptmkt ab, der dem groBen Paracelsus zuzuscMviben ist. in dem ersten Buehe seiner ,,Grol~m Wundarznei" [m Jahre 1536 offenbart sieh sein seherischer Bliek in der Erkemltnis der akzidentellen WumLkr~nkheiten. Er ist sich fiber das "Wesen der Wundilffektion und der daraus entstehenden Krankheiten aueh beim offenen Knochenbruch v611ig klar. Er vergleicht -- wie W. v. Brunn in seiner Ge- sehiehte der Chirurgie angibt -- den menschlichen K6rper mit einem Ei und dessen Schale mit der Haut des Menschen; (lie Verletzung selbst sei noch keine Krankheit. Aber genau wie durch den kleinsten SpMt der Eisehale durch Ein- dringen hul~erer Eirdlfisse der hahalt des Eis zersetzt wfirde, so werde auck der KSlq)er gesch~digt, wenn ~ui~ere Einflfisse r ldeinste Verletzungen hh~- durch wirksam wfirden. Es sei die ,,Luft", we]che eindringe mid dureh welche die Wunde ,,~ergiftet" werde. I-Iier offenbart sich eine erstaunlieh klare Einsieht in die u1~s interessieren- den Verh~ltnisse. 2\'oeh bedeutender ist seine weitere ~Folgerung, die ~,Vunde m6gliehst einfaeb zu behandeln trod nieht zu niiben. ])as ~'ar ffir damalige Zeiten, besonders ffir die Behandlung der offenen Fraktur, etwas Neues und Bedeutendes. Werm Ambroise Par6 in demselben Jahrhtmdel~ ~hlfliche Wege ~ng, so zeigt sich auch hierin (fie inhere Verw~ndtsch~ft gToBer Geister. Eine heilsaane Auswirkung der Erkenntnisse eines Paracelsus scheiterte in der Pra,Kis zum Tell daran, dab er selbst sich mit der operativen Chirurgie

Die primäre Wundnaht bei offenen Knochenbrüchen

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Page 1: Die primäre Wundnaht bei offenen Knochenbrüchen

(Aus der ehirurgischen Abteihmg des Krankenhauses ,,Bergmam~sheil" Bochum. [Prof. Dr. 3[agnus].)

Die primitre Wundnaht bei offenen Knochenl)riiehen.

Von

Dr. E. K o c h , Oberarzt.

(Eingegangen am 20. J td i 1928.)

Der offtqm Knochenbruch -- seine Behandlung und sein SchieksM -- hat zu allen Zeiten, solange es Chirurgie gibt, eine besondere Stellung eingenommen. Er war stets ein Prfifstein f/ir chirurgisches K6nnen oder Versagen. Alle heiBea Bemtihungen, den Heilungsverlauf des offeuen Knochenbruchs giinstig zu be- einfiussen, muI3ten yon vornherein scheitern, solange man nicht seine Haupt- gefahrenquelle, das ist die Wunde, erfolgreich beherrschte. Die Geschichte der Medizin zeigt uns, dab die Erkenntnisse fiber das ~resen des offenen Knochen- blmchs parallel gehen mit denen fiber die akzidentelle Wunde und ihre ]~e- handlung.

Auf diesem weiten mfihevollen Wege zeichnet sich ein Wendeptmkt ab, der dem groBen P a r a c e l s u s zuzuscMviben ist. in dem ersten Buehe seiner ,,Grol~m Wundarznei" [m Jahre 1536 offenbart sieh sein seherischer Bliek in der Erkemltnis der akzidentellen WumLkr~nkheiten. Er ist sich fiber das "Wesen der Wundilffektion und der daraus entstehenden Krankheiten aueh beim offenen Knochenbruch v611ig klar. Er vergleicht - - wie W. v. B r u n n in seiner Ge- sehiehte der Chirurgie angibt -- den menschlichen K6rper mit einem Ei und dessen Schale mit der Haut des Menschen; (lie Verletzung selbst sei noch keine Krankheit . Aber genau wie durch den kleinsten SpMt der Eisehale durch Ein- dringen hul~erer Eirdlfisse der hahalt des Eis zersetzt wfirde, so werde auck der KSlq)er gesch~digt, wenn ~ui~ere Einflfisse r ldeinste Verletzungen hh~- durch wirksam wfirden. Es sei die , ,Luft", we]che eindringe mid dureh welche die Wunde ,,~ergiftet" werde.

I-Iier offenbart sich eine erstaunlieh klare Einsieht in die u1~s interessieren- den Verh~ltnisse. 2\'oeh bedeutender ist seine weitere ~Folgerung, die ~,Vunde m6gliehst einfaeb zu behandeln trod nieht zu niiben. ])as ~'ar ffir damalige Zeiten, besonders ffir die Behandlung der offenen Fraktur , etwas Neues und Bedeutendes. Werm A m b r o i s e P a r 6 in demselben Jahrhtmdel~ ~hlfliche Wege ~ng, so zeigt sich auch hierin (fie inhere Verw~ndtsch~ft gToBer Geister. Eine heilsaane Auswirkung der Erkenntnisse eines Paracelsus scheiterte in der Pra,Kis zum Tell daran, dab er selbst sich mit der operativen Chirurgie

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62 E. Koch:

wah,~cheinlich nicht befal3t hat, aul~er gelegentlich mit der Kriegschirttrgie. Es blieb ihm also versagt, seine richtige Erkenntnis durch praktisehe Erfolge zu erhs

In den folgenden Jahrhunderten konnte aus vielel~ bek,~nuten Grflinden wesentlieh ~'eues in der Bchandlung der Wunde und damit auch des offenen Knochenbrucl~s nicht beigebracht werden. Nut sicht man bei n~therer Kritik der ~tlteren Chirurgie, daI] man doch wagte, frische Wunden operativ anzugehen; schmutziges und schwer gesch~tdigtes Gewebe trug man ehfigerma[3en sorgsam ab. So sah L a r r e y , der Wundarzt Napoleons, ws der Revolution 1789 die Excision bei Schul~wunden dtuch D e s s a u l t . L a r r e y selbst hat neben der Indikation fiir Amputationen ~uch eine 5hnliche fiir Wtmdexeision -- wahr- scheinlich auch bei der komplizierten Fraktur -- gekarmt.

Im 19. Jahrhundert erschienen S e m m e l w e i s und L i s t e r und fiig~en dieser ~ o b mechanischea Reinigung der Wunde die ,~ntL~eptL~che hinzu. I11 Deutschland setztc V o [ k m a n n am sch~irfsten (lie L i s t e r schen Idecn in die Tat urn. Im dieser antiseptischen Zeit zeig~ sich am kl~rsteu die schicksal- hafte Verbundemheit der Wunde und des offenen Knochenbruchs. Es erregtc n~tmlich grfl]tes Aufsehen, als V o l k m a n n 1881 in L o n d o n in eingehenden Ausfiihrungen seinen tiberrascheud giinstigen Bericht fiber die Beh~ndhmg komplizierter Frakturen abgab.

Die damalige Begeisterung wird erst verst~ndlich, wenn man die Sterb- lichkeitszahl der komplizierten Frakturen arts den ~ot]en deutschen Klinikeu in der vorantiseptischen Zeit liest, sie sehwankt zwischen 40 + 50~ .

V o l k m a n n s Verfahren bestand darin, nach Spaltung s's Weich- teile aa die BmmhsteUe heranzugehen, diese antiseptisch zu behandeln und ausgiebige Drainage ~nzuschliel~en. Die offene Fraktur stand damit fast im ~fittelpunl~t des chirurgischen Luteresses. Inzwischelx erschien unter v o n B e r g - m a n n und N e u b e r die aseptische Methode. Mau glaubte, bei der Mehrzatfl der Antiseptica Schaden und ~achteil irL eiweit]reichem Gewebe erkamlt zu haben; man wollte nunmehr dureh aseptisches Vorgehen die gefiirchtete Sekund~ir- infektion beseitigen trod glaubte, der prim~iren Infektion dutch strenge Ruhig- stellung, ab und zu mit Drainage trod Incision, Herr zu werden. Das iibertrug man auch alff die Verh~ltnisse bei der komplizierten Fraktur, auch unter Kriegs- verhtiltnissen.

In den folgenden ]~u begriindete dann F r i e d r i c h nach ein- gehenden Tierversuchen -- 1898 -- sein Verfahcen der radikalen Ausschnei- dung der Wunde innerhalb der ersten 6--8 Stunden nach der Verletzung. Neben- her -- bis auf den heutigen Tag -- gingen noch immer Bestrebungen, teils durch AUgemeinmittel den Kampf gegen die Infektion zu erleichtern -- B ie r -- teils auf chemo-therapeutischem Wege der I,tfektionsgefahr beizukommen -- M o r g e n r o t h .

Schon vor F r i e d r i c h hatte man in den yon S c h i m m e l b u s c h 1893 bekannt gewordener~ Experimeuten m i t a n g e z iie h t e t e n Keimen eine sehwache Stelle erkannt. H e n l e deutete sehon 1894 an, dal~ man bei der akzidentellen Wunde kaum je mit so hoch virulenten lind pathogenen Bakterien und hi solchen Massen zu rechnen h~tte, und dab die meist~n Keime erst durch Akklimati- sation an den K6rper allm~thhch den gefi~hrlichen Virulenzgrad erreichen..

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Die prim.ire Wundnaht bei offencn Knochenbriichen. 63

Und hier liegt das groBe Verdienst yon F r i e d r i c h , dab er dieser sog. Kcim,~npassung mit Bezug auf die akzidentelle Wunde in seinen Tierversuehen Rechnung trug.

Folgerichtig baute nml J~'riedrieh bei der akzidentellen Wunde die sog. Umschneidimgsdesinfek~ion aus, d. h. die Bemeitigung des prim~ir und sekundiir keimbeladenen Gewebes und damit die Entferuung des fiir alle -- besonders die Anaerobier -- Keime giinatigsten Nghrbodens. Die Durctfffihrung der primgren Wund-Hautnaht nach der prim~iren Wundversor~mg der akziden- tcllen Wtmde war damit entst,~nden.

Das war die Entwickdung bis zum Weltkriege; aber schon kltrz vorher uml besonders zu Anfang des Krieges war der Umschneidungsdesinfektion F r i e d r i c h s vorgeworfen und entgegengehMten worden, sit habe nur enge Grenzen, sei nur bcschrSnkt und bedingt ausffihrbar. Anatomische, lokale Verh~ltnis~e -- Gef~Be, Nerven, Gelenke -- machten das Verfahren zum Tell tmmSglieh; die stark versp~itete Ankunft der Kriegsverletzten schlieBe es ebenfMls teihveise oder ganz aus, und so kombiuierte m~m das mechanische Moment tier Wundumschueidung mit dem chemk~ehen Faktor geeigmeter anti- septiseher Mittel. Die primgre Wundnaht sehied damit fiir sehr viele F~lle aus.

Im Gegensatz dazu n/~herten sieh im weiteren Verlaufe des ~Veltkrieges ~mdex~c Autoren - Seh6ne , F r f ind -- in ihrel~ Arbeiten wieder dem OriginM- verfalu'en F r i e d r i c h s , und das auch ffir die FSlle der komplizierten Fraktur.

Wer ntm glaubt, da f3 nach dent Weltkriege dam F r i e dr i e h sche Verfahren die Methode der Wahl bei der akzid.entellen WundbehandJung geworden sei, der ist im Irrtum. Sowohl die Einsicht in die Literatur und mehr noch die Kemltnis der Arbeitsmethoden vielcr Krankenhguser und Anstalten macht em gewiB, dab die prim~tre Wundversorgung und Iqaht nach F r i e d r i e h timer- halb der ersten 6--8 Stuuden noch l~ngst nicht zu einer Methocle erhoben ist. ~Noeh viel weniger ist das der Fall mit Bezug auf die frimche komplizierte Fraktur.

Die Klinik ]?ran~urt -- B o n n 1924 -- uncl Wfirzburg -- K 6 u i g 1927 -- habe~l eingehende .krbeiten fiber dieses letzte wiehtige Gebiet herausgebraeht.

Aus unserem Krankenhause ,'eferierten wir auf dem Chirurgenkongreg 1926 iiber ein grSl]eres MateriM yon komplizierten Brfichen, die nach dem F r i e d r i c h s e h e n Verfahren behandelt wurden. Es sollen in der folgenden Abhandlung die n~heren Unterlagen daffir gegeben werden.

In der H~uptsache handelt es Ach um die komplizierten Briiehe, die unter y o n B r u n n yon Jufi 1918 bis Ende 1924 im Bergmam~sheil nach dem :Fried- r ichschen Verfahren ~ersorgt lmd weiterbehandelt wurden. A_nsohlieBend moll noch fiber jene F~Ile berichtet werden -- soweit erfal]bar --, die tinter v. B r u n n 1914/18 w/~hrend seiner Leitung in dem Augustakrankenhaus Bochum behandelt wurden. J?iir den Zeitmum im B e r g m a n n s h e i l steht die Erfahrung fiber die p r i m ~ r e W u n d n a h t bei 219 k o m p l i z i e r t e n E x t r e m i t ~ t e n - b r i i c h e n zur Verfiigung.

Zungchst soil eine Aufkl'~rung eingeschaltet werden fiber die Art der vor- liegenden F/ille: Es handelt sich fast .ausnahmslom um bergmgnnisehe Ver- letzungen. Die angebliehe Ungef~hrlichkeit des Kohlenst~ubes und des berg- m~nnischen Unfalles ~mter und fiber Tage iiberhanpt entsprieht heute nicht mehr den Tatsachen. Die Schwere der GewMteinwirknmgen unter Tage ist in

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~;4 E. Koch:

Zml~hme be~iife~l, zuma! aueh der Gcbirgsdruck bei den nach Nordea vor- rfickenden Zeohen ungfinstiger wird und so den Stein- und Kohlefal[ "-- wie es bed 420/0 aller bergm/hmischen FMle zutrifft '-- begfinstigt. Weiterhm sind die nSrdlichen FJSze yon mehreren hundert Meter dickem Dcckgebirge ~berlagert, so dab eine Entgasung der Kohle im Gegensatz zu den sfidlichen F15zen nicht so ausgiebig st~ttfinden kaml. Auch dieses Momellt ist mitbeteiligt an tier Schwere der GewMtein~drkmlgen. Weiterhin miissen schwere kSrperliche ,M'beiten attf sehr be~oTenztem Raume bci spgrlichem Lichte ausgefiihrt werden, wobei unter Umst4nden ausstrSmende Gase ein stgndiges e.~losibles Gemiseh darstellen. So erklhrt sieh bei 5rtlich beschrSnkt<'n und lokMen Explosionen die vcrheerende Gewalteinwirkung der fortgesehleuderten Massen.

~;ei ter sind die gesamten Untertagebetriebe in Rheinland-V~'estfalen bei Tag lind Nacht sthndig yon hundertt~usenden /~rbeitern begangen. Aile Werkzeuge und Maschinen gehen dutch zahllose MenschenhSnde, das rollendc Transportmatezial wird tells elektrisch , teils yon Pferden, teils yon Menschen bedient. B o h l e n und H S l z e r , die in Form yon Stempehl zum Verbauen gebraucht werden, sind beim Transport yon Hand zu Hand geg~ngen. Es kann al~o yon einer Keimarmut oder Keimfreiheit der Untert~gebetriebe und dt,s gesamten vorhalldenen Materials gar keine Rede sein.

Dabei ist trotz ~ller W~:tterzuftihrung hunderte Meter tief ~mten im Scbacht die Temperatur stark crhSht und somit dem Keimwachstum und der Verbrei- tLmg der Keime sehr zutr~glich. Die Gewalteinwirkung trifft auf eiucn erhitzten, durehschwitzten, dureh schwere Arbeiten mitgenommenen K6rper; aueh d~s ist nicht belanglos bei den Verletzten.

Und nun noch ein Wort zur Gew~lteinwirkul~g selbst. Jeder, der fremd ills Industriegebiet kommt, ist immer wieder erstauut fiber die GrS~e und Aus- dehnung der gesetzten Wunclen und Verletzungen bei unseren Bergieuten. ,,Xlan ist hiec an der Front, im Feldlazarctt oder bei tier Sanithtskompagtfie", hSrt ln~tt nicht selten bei einer Krankenvisite im Bergmannsheil.

Hereinbrechende La.gen yon Kohle und Stein, vielfach zentnerschwer, umstfirzende, einbrechende Stempel- lmd VerzughSlzer unter der Gewalt des Gebirgdruckes treffen den Arbeiter und. schlagen Wunden yon einer GrSl~ und Ausdehnung, die rlur der Kriegsttqlnehmer gesehen hat und erzeugen kom- plizierte Fraktu_~en, die in ihrcm Aussehen ehmr Gratmt~'ertetzung nicht viel Imohgeben. Weit hinaus fiber die gewaltsam er6ffnete K5rpersteLle reicht die Schiidigung der Haut , sgmtlicher Weichteile mit Gef/~2en und Nerven. .Die Verletzlmgen, besonders die komplizierten Frakturen bei t3berf~hrung, Einklemmung zwisehen Korb, W~gen und M~uer usw. lassen sofort den ganzen Ernst der SchAdigung erkelmen. Rechnet man dazu noch die vielen sohweren tYbertageverletzungen ~uf den Zechen am Schacht und im Ttansportbetr iebe, so sollte damit das M~rchen der an~o~blichen leichten ga~tartigen bergm~innisehen Verletzung erledigt sein.

Der einzige Vorteit, den ~vir bei der Durckffihrmig des F r i e d r i c h s c h e n Verfahrens an den komplizierten Frakt.uren f/ir uns buchen konnten, war der, d,~B wit die 3[ehrzahl der Verletzten mit Hil~e des von uns selbst ausgebauten Transportwesens vor Abl~tff der ersten 6- -8 Stunden in den Operationss0~l

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bekameu. Wfirden wit fiir unsere Bchandlung nur solche komplizierten Frakturen hcraugezogen haben, bei denen sich nach prim-grer Wundexcision dic })rimiire I-Iautnaht ohne bcsondere 3Iiihe erreichen ]ieB, dann wiirdcn wit keine so statt l ichen Zahlen anffihren k6nnen.

Wir haben vielmehr in den vergangenen Jahrml fast ausnahmslos alle - - auoh die gr6gten komplizierten Frakturen - - dem Verfahren nach den unten folgenden Grundshtzen unterwoffen mit dem festen Vorsatz, aus dem F r i e d r i c h- sehen Verfahre~l fiir unsere Verletzten das BestmSgliehe heraltszuholen und tins fiber die Ilesultate Rechenschaft zu geben.

Wit lehnen un.s d e s h a l b im folgenden an dig Einteflung der B o n n s e h e n Arbeit 1924 an aus der Erw~t~mg heraus, dab dutch diese verehffachte Gegen- iiberstellung eia bequemer Vergleieh erm6glicht und der Beitrag zur Frage der ])rim/iren Wun(t~-ersorgung mit Wmldnaht bei kompliziertell Frakturen nach dem F r i e d r i e h s e h e n Verfahren vereinfacht wird.

I. A l l g ' e m e i n e G e s i c h t s p u n k t e .

Bei Anlr des Frischverletztet~. wurde, wenn es der Allgenleinzustand mu" ebell zuliel~, ein It2intgenbild in zwei Richtungen angefertigt. S(xlann wurdc der operative Eingriff an den unterml Gliedmal3en in der ~Iehrza&l in Lumbalangsthesie oder .~ther-Tropfrxarkose durchgefiihrt. Bei kleineren, absolut einfachen Wtmdverh~iltnis~n hat tcn wit keine Bedenkeu gegen die (irtliche BetSmbung, wobei alierdings dig Einspritzung in dex n6tigen Entfernung ~'on dcr Verletzungsstelle aus erfolgtc. Am SchluB folgte hiiufig der Chlor- :Athylrausch zwecks Einrichtung m14 zm" Anlegung der fixierenden Gipsscbiene. Vort der Plexlman'~sthesie haben wh" bei den Verletzungen der oberen Extremi- ti~ten verh~ltnism~il3ig wenig Gebrauch gemacht. ,Mles in allem bevorzugten wir sehon aus psychischen Griinden unseren Schwerverletzten gegenfiber (lie Allgemeinnarkose mit ~ther.

Einc gnmds'~tzlich wiehtige Frage ist. weiterhin, ob man bei der Wund- ~'ersorgung der komplizierten Fr~kturell B l u t l e e r e anwenden sollte oder rLicht. Wir haben mit wcnigell Ausnahmen grunds~tzlicla die Blutleere abgelehnt. Da wir bei unseren Schwerverletzten oft genug mit Anaerobiern in dem zer- tr i immerten und schwer geschiidigten Gewebe rechnen muBten, glaubten wir .~chon deshalb eine Blutieerc nieht verantworten zu k6nnen, zumal die operativen Eingriffe zeitlich nieht eug zu begrenzen waren; und weiter machteD wit immer wieder die Erfahrung, dal~ die Blutleere uns die Aus4ehnung der Gewebssehgdi- gung chef verdeckte als Idar erkenne~l liel3. Die Blur- und Saftlosigkei$ der Gewebc zei~e uns -- olme Anwendtmg der BIutleere - - viel sicherer den Be- zirk der Sch~ligung an Ms bei Anwendung der Blutleere. Gerade das Auf- tauehe~l yon Blutpunkten und tdeinen spritzenden GefiiBen gab uns die Ge- n,-il3heit, ann~hernd den operativ zu opfernden Bezirk abzugrenzen. Aueh wurdett wir atff diese Weise mebx zu einer gewissenttaften und peinliehen Blutstillung gezwungen. Aus M1 diesen Grfinden gait sowohl damals wie auch heute im all- gemeinen die Anwendung der Biutleere bei der kunstgerechten Versorgung der komplizierten Fraktur als unzweekms

Arch.iv fiir orthop'~dische und Unfall-Chtrurgte. Bd. XXVII . 5

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66 E. Koch:

II. Technische Einzelhei ten des Verfahrens.

1, Prim~re Wundreinigamg. Man sollte meinen, dab nach dem Studium der ]~ m e d r l c h s c h e n Vor-

schriften der technische Eingriif iiberall klar und gleichartig durchfiihrbar sei. I)~s ist jcdoch nach den ~delfachen Beobachtungen an den Fs die mls yon anderen Stellen zu Gesicht kamen, durchaus nicht der Fall. Dort sahen wir oft genug einc durchaus unvollsts Ausschneidung der Wtmde, eine zaghMte und chirurgisch-mech~niseh unvollkommenc S~,uberung der Wunde bis zur Bruchstelle hin und im Anschlul3 daran eine mangelhafte, nut teilwcise Wund- naht. Von einer radikalen chirurgischen Wundexcision mit liickenloser Haut- naht war keine Rede.

Wir glaubten und glaubeu auch hettte ltoch ant sichersten zu gehen, ~enn wit die Wunde fiber der offenen Fraktur einem bSsa~tigen Tumor gleichsetzen, der raAikal entfernt werden mul~, um (lie gefShrdete Bruchstelle vor weiterem Schaden zu bewahren. Es klhlgt banal, ist aber trotzdem wahr, dab au dem Erfolg und Mil3erfolg bei diesem Vorgehen die Operationsschwester indirekt mitbeteiligt ist. Sic war gehalten, auch bei scheinbt~r kleir~en E[ngrfffen durch die Reichhaltigkcit yon Instrumenten und Handschuhen das Wechseln dieser Materialien immer wieder zu erzwingen. Auch War der m6glichst ~eitausgedehnte Anstrich der Jodtinktur und das Auflegen der sterilen Tficher in der nStigen Form kein mlwichtiger Punkt.

Gut 1 cm vom Wundrand entfernt se tz t d~s Skalpell zur Excision der Haut an; in einem glatten Zuge erfo]gt die Skalpell~iihrlmg auf der einen Wund- seite; jetzt kommt der sehr wichtige 5loment, wo an tier oberen mid unteren Wundecke bei dem ~J~bergang zur anderen Wundseite die Branchen der Pin- zette gewechselt werden mfissen. Geschieht das nicht -- wie wit das im An- fang h~ufig beobaehten konnten --, dann ist die Berfihrtmgsbranehe des eben ausgeschnittenen infizierten Wundrandes die Keimtr~gerin fiir den gegen- iiberliegenden zu bearbeitendeu zweiten Wtmdrand. R'ach Excision des ge- samten Haut'a'tmdrandes tr i t t der erste Instrumentenwechsel ein. Es folgen Excision yon Fet t und Fa,scie in gleicher Weise. Die Reinigung mid Ausschnei- dung der Musknlatur erheiseht ganz besondere Gewissenhaftigkeit, worauf aueh F r i e d r i c h lind S c h 6 n e ganz besonders hinweisen. In langeu glatteu Ziigen erfolgt die mechanische Siiubermlg dttrch Ausschneiden mit peinlicher Blutstilhmg. Dat~ hierbei die Riicksicht auf IN~erven und Gef~13e geboten ist, ist selbstverst~ndlich. So gelan~ man zu dem Periost, yon dem Schmutz und Verunreinigung durch Skalpell und Raspatorinm beseitigt werden. Oer Knochen, (lie Frakturstelle, ist erreicht bei mehrfachem Instrumenten- und Handschuh- wechsel. Es bmucht kaum erwt~hnt zu werden, dal] nut v61lig losgeltiste Knochen- splitter primer entfernt und periostanhaftende Splitter erhalten werden miissen. Mehrf~ch wurde es n6tig, schwer verumreinigte Knocherffl~tchen, besonders aueh bei Durehstechungsfrakturen, dutch Meil~elschlag zu beseitigen. Die Bruchstelle selbst gebietet ein Halt ; unn6tiges Mobilisieren und Besichtigen ist nut yon Nachteil. In den ersten Jabxen hielten wi res fiir nStig, die Bruch- stelle selbst noch besonders mit Phenolcampher, Jodt inktur usw. zu bearbeiten. In den letzten oXahren haben wir davon Abstand genommen, well wi2 keinea

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Die prim~re Wundnaht bei offenen Knochcnbriichen. 67

wesentlichen ~N'utzen von dieser MaBn~hme sahen. Die eben besehriebenen MaBnahmen sind das Entscheidende, mid nieht die problematische ~og. S~iu- berung tier Bt~mhstelle selbst.

2. Prim~rer Nahtversehlu~.

Er beginat wieder mit Instrumentenweehsel. Die Muskulatur wird fiber dem herangezogenen :Periost verniiht. Dabei haben wir in den vergangenen Jahren ausschliel]lich Seide angewandt und waren uns wohl bewul~L daft manche Sp/~tstSrungen der Wunde dadurch veranlaBt waren. Friihere schlechte Er- fahrungen mit Catgut, Mlerdings bei anderen opcrativen Eingwiffen, lieflen uns in den Jahren 1919--1924 das Catgut vfllig meiden. Auf die Naht der Faseie legten ~@ nicht denselben groilen We.rt wie bei der Muskulatur. Es sckien uns bei manchen F~illen ratsam, eine iibermh~ige Dnlckwirkung durch Faseiem~aht zu vermeiden. Die Hautnaht erfolgte meistens lfiekeiflos, wobei wir durch Gegeniiberstellen der Wundr~nder und durch ein vorsichtiges An- ziehen dabei eine .ami~mie .zu vermeiden suchten. Die ~Nichtbeachtung dieser scheinbar ei~fachen Vorschrift ist sicher manchmal der Grm~ct zu Randilekrosen gewesen, die weitere unangenehme Folgen hatten. Vor Anlegen der letzten Haut- naht entleerten wit im oberen oder unteren Wundwinkel durch vorsiehtigen Druck das angesammelte Blut.

Um diese liickerflose Hautnaht zu el~zwingen, tmben wir uns nie gescheut, entsprechende Entsparmtmgsschnitte anzulegen. Es kam uns eben darauf an, den gei~hrdeten Ort der Bralchstclle in der Tiefe unter alien Umst~indea zu schiitzen. Reichte die Entspannung nicht aus, dalm gingen wir vielfach zuc Lappenbildung fiber, wobci uns der zweibasige Lappen immer der beste schien. Abet auch Versehiebelappen mit einigermal~en gesicherter Basis erschienen uns manchmal wfinschenswert. Beziiglich des sekundhren :Defektes machten wir mm keine Sorge; oft liel~ er sich zusammenziehen, oft aueh dttrch Mobili- sieren tier Riinder und mit Hilfe yon Thierschlappen schliei]en. Diese schiitzten wir regelmi~Big dureh Lexersche Silberfohe. Bei den Thierschlappen war es immer ~deder ~4chtig, sie der Unter'lage ganz anzuschmiegen, Abheben dureh einen ldeinen Blutergul] brachte sie zu Verlust. Kleinere Drains haben wir durch die prim'~rc Hautnaht eingeffihrt, wenn sich vorher eine H6hlenbildung unter keinen Umst~tnden hatte vermeiden lassen. Sonst half uns bei auftretenden H/imatomen unter tier Hautnaht mfghchst baldige Plmktion.

I l I . E i n r i c h t e n d e r B r u c h s t e l l e .

:Die nach Einlieferung des Verletzten angefertigten RSntgenbilder in 2 Ebenen erlaubten uns meistens naeh Ausfiihrung der mechanischen Wtmd- reinigtmg und der mechalfischen Antisepsis die Bruchstelle dh'ekt zu besichtigen und unser Auge durch Rekonstruktion der Gewalteinwirkung bzw. ihrer Wir- kung zu schulen. Were1 eben mfgfich, mieden wir jede unsanfte Einwirkung auf die Bruchstelle selbst. Lcichte ~bertreibung der pathologischen SteUung: vorsichtiger Zug trod Gcgenzug lieflen in vielen FMlen u~ter Kontrolle des Auges die Bruchstficke in richtiger Stellung atffeinander pa~sen, gutes HMten in dieser Stellung bis zur Erledigtmg der Hautnaht war natfirfich gul~erst wichtig.

5*

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68 E. Koch:

Bcsonderen Wert legten wir stets auf den Ausgleieh bei der Verstellung ad poripheriam. Zahlreiehe Naehuntersuchungen bewiesen uns immer winder, dMl dieser Pmlkt viel zu wenig beachtet wird.

Gelang die, Verz~tmung nicht, dann hat ten wir keine Bedenken, mit Knochenhaken die richtige Stelkmg zu erzwingen. Die n5tige Entspa~mung durch Flexion mad Semifle.,don der entsprechenden Gelenke ta t uns dabei gute Dienste. Lag die Bruehstelle entfernt yon dem W~mdtriehter, d~mn hat ten wir keine Veranlassung, dieselbe besonders freizulegen, sondern reponier~eu vielmehr nach SehluB der Wunde vor Anlegen des feststeUenden Verbandes. Dabei schien es uns durcha~s nicht immer n6tig, unter allen Umst~ndenideMe anatomische Verh~iltnisse der Bruehstelle zu sehaffen; die bei m~s allmShlich ausgebildete und ausgebaute Methode der feststellenden VerN~nde mit der v. B r u n n s c h e n Gipssehiene in Verbhldung mit funktioneller Behandlung lielten uns das Ziel guter Gebrauchsfi~higkeit der Glier fiber die alte For- demmg ehter unbedingt idealen anatomischen Ste]lung der Bruchstficke --- auch bei der komplizierten Fraktur -- steUen. Da, wo trotz all urLserer Mfihe die Bruchstelle l~bellisch blieb, wo die Stellung der Achse mid der benachbarten Gelenklinien wirklich mangelhaft waren, gingen wir in den ersten J,~hren in vermehr tem Mage zur Fixierung tier Bruchstfieke mit Fremdk6rpern fiber. Hier glaubten wit in der L a n e s c h e n S o h i e n e mit ihrer Versehraubung da.~ l~ichtige gefunden zu haben. Die verhMtnism~tBig groBe zknzahl der FMle mit der L a n e s c h e n Sehiene sprieht in diesem Sinne. Die genauere Beobachgung der einzelnen F~lle, vor allem aueh die weitere Beobachtung und I(~ontrolle noeh naeh Jahren, hat uns jedoeh gelehrL dab unsere alff~inglich giinstige Mei- nung fast ganz gegndert werden muBte. Sehlieglieh bis Ende 192'4 maehten wir in der Haupts~che nut noeh Gebraueh yon der L a n e s e h e n Sehiene bei kompli- zierten Briichen am Oberarm in Kopfnahe. Besonders ungiinstig waren unsere Er- fahrungen mit der L a n e sehen Sehiene oberhalb des Fuggelenkes am Sehienbein.

Wir sind dutch unsere Erfahrungen zu der ~,~berzeugung gekommen, dab jedes Ehibringen yon Fremdk6rpern in (tie Frakturstelle beim frisehen komplizierten Brueh die Sekundgrinfektion begthasti~ lm(t auch andere Nach- tefle naeh sick zieht. Und welter wurde der vorfibergehende Vorteil der Fi- xiertmg dutch Lanesehe Sehiene in vielen F~llen alffg, ehoben dm'ch die ursi~ch- lich damit zusammenh~ngende mangelnde ReaktionsfS&igkeit des Kamehen- gewebes. Die Spiitkontrolle der l~Sntgenbilder zeigte, dMt die Callusbildm~g auf der Seite der Sehrauben oft ausblieb, trod nur auf tier entgegengesetztcn Seite in Erscheinung trat. Wit sahen aueh FMle, wo die C'o, llusbiidung bis zum Festwerden gut verlief, manchmM sogar iibersehiissig, wo dam~ aber bald sekmn- d~ire ~iickbildung desselben mit Refraktur oder Pseudarthrosenbildtmg attf- t rat . Zudem stellte nieht selten die Sp/~tentfermmg der L a n e s c h e n Sehiene einen reeht erheblichen Eingriff in dem schwieligen ~md stark ver5nderten Gewebe dar. Die BohrtSeher f~nd man s tark erweitert mad angenagt., (he Schrauben zum Teil ~bgebroehen und angefressen. So kam es, dab wit die :knwendung der Lanesehen Sehienen mit dem Jahre 1924 fast ganz aufgaben. Andere Fremdk6rper, z. B. die Sehienen oder Kl~mmern nach L a m b o t t e -- die K 6 n i g empfiehlt -- haben wir in den vergangenen Jahren nicht angew,~ndt bei der komplizierten Fraktur.

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Die primiire Wuadm~ht bei offenen Knochenbriichen. 69

1. Or%ne Gelenkfrakturen. Auch bierbei geschsh die ~Vtmdversor~mg zml~ehst in der oben beschrie-

benen }Veise. Bei der Wundversorgung hat ten wir oft keine besonderen Be- den_ken wegen der Excision an der Gelenkkapsel zu iiber~hlden, (lem~ die GrSI~ der Gewalteiawirkung hatte vielfaeh die Kapsel weitgehend geschhdigt. Die Frskturstel le wurde in der iibliehen Weise angegangen; am Kniegelenk fiihrten wir mehrfsch IJrim/ir dig Rescktion durch. In weniger schweren FMIeu ersehien es uns wiehtig, gerade bei der offenen Kniefraktur yon einer susgiebigen Lappen- verschiebung Gebrauch zu maehen. Dabei machten wit bei alien offenen Ge- lenkfrakturen mit Vorteil yon Phenoleampher Gebrsuch. Kspseldefekte, wenn sie night zu susgiebig waren, suehten wit durch gestielte Fascielflsppen zu ersetzen.

IV. N a e h b e h a n d l n n g .

Nseh Versorgen dcr Wm~de mxd :4aflegen der HautnM~t geschah die Fixa- tion, bzw. Retention tier Brucl~telle fast ausnahmslos mit der Gipsschiene nach v. B r u n n , deren Einzelheiten der Befestigung und des Anmodellierens m der Arbeit yon S c h e f f l e r - - Arch. orthop. Chir. 24, H. 3 (1926) - - sngegeben shad. Den Druck auf die Naht und ihre Umgebung konnte man hS, ufig dadurch ~erhindern, dug man eine Aussparung im Verlauf der Schiene anbrachte oder ihr eine besondere Form gaben, z. B. die Hir tenstabform am Unterschenkel. Auch bei komplizierten Oberschenkelbriiehen lieBen wit mchrfach dic UfSrmige Schienc bis oben hin laufen. Wit glaubten, zuniichst a~ff diese Weise der Fraktur Hal t genug zu geben. An der oberen ExtremitSt kam nur die Gipsschiene in Frage. Bei gsnz besonderen Verhi~ltnissen - - Zcrtriimmerung mit D~.fekt- bildung -- adsptierten wir mehrfsch Kramerschienen, die mit Gipsbinden umwickelt waren. Auch stellten wit uns in dersclben Weise Gipsbriicken her.

Den zirkulS, ren Gipsverband hsben wir bei den primar versorgten kom- pliziertert Frskturen iibcrhsupt nicht sngewandt. Wir wollten 1ms durch Ar- wendung unserer beschriebenen Methodert des Vorteils der freien ZugAngkich- kGit zur Nsh t lind evtl. Bruchstclie nicht begeben.

Bei einer nicht gcringen Anzahl yon komplizierten Frakturen des U n t e r- s c h e n k e 1 s liel3ea wir dig Pstienten nach etwa 8 Tsgen mit der Schiene sufstehen lind umhergehen. Wit haben davon keine besonderen Nachteile gesehen. Be- sondere Wundst6rungen traten bei ctiesen FMlen nicht auf. Beweis dsftir ist ~mch die g'roge Anzahl der primar verheilten und in der iiblichen Zeit konsoli- dierten F/~Ue, wie wir unten selma werden. Es ist klar, dab wit bei den komph- zierten Frakturen such dem Faktor der Ruhigstellung angesiehts cler M6glich- keit einer Infektion Beschtung schenkten. I m Gegensatz zu aaderen Stellen jedoch rii, umten wir mit Bew~lgtsein dem Moment der a b s o l u t e n Ruhig- stelhmg - - z. B. durck geiensterten Gipsverband, Brfickengips usw. - - nicht jene Bedeutung ein, wie es sonst geschieht. Dss sei gesagt besonders mit Bezug auf die Unterschenkelfmk-turen. Dabei hs t ten wir da~ absolute Vertrauen zu der Wirkung unserer Gipsschienen, dig ideM ~tapt ier t ~aren trod die reponierte Stellung such beim Aufstehen festhielten; zum Tell wollten wir auch bewuBt durch eine m6glichst liickenlose Serie yon Fiillen den Wert der Gipssehienen- behandhmg - - such bei der komplizierten Fmktu r - - nach primfirer

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70 E. Koch:

Wundversorgtmg feststellen. Zu welehen R~sultaten wir auf diesem Wege kamen, zeigen unsere Zahlen, wobei wir auf die Mil]erfolge und die aus ihnen zt~ ziehen- den Lehren noch besonders eingehen werden. Eine Einschr~nkung sei aller- dings schon bier gemaeht bezfiglich einer unserer, meht absolut feststellenden Verbandmethoden bei komplizierten Brfichen. Wir gebranchten in den erstelt Jahren nach der Wundversorglmg bei komplizierten O b e r s c h e n k e I b r ii c h e n den A n s i n n schen selbstt/itigen Bewegungsapparat. Dabei erlebteu wir zwei sehr sehwere Wundinfektionen, yon denen eine zugrunde ging. Es war kein Zweifel, dab die Eigenart des Apparates und seirm Anwendung die Schuld ar~ diesem Ausgang trug, und so riiekten ~dr schon At~fang 1924 you einer grunds/~tzliehen Anwendung des Ans innschen Apparates bei komplizierten Oberschenkel- fraks ab. Heute ist er fiberhaupt nicht mehr in Gebraueh. Wit bevor- zugten im AnscMu[3 darall den Nagel - - spgter den Drahtzug -- dureh den Schienbeinkopf in freiem Zuge, bei Abductionsstellmlg lmd leiehter Semi- flexion der Hiifte durch HochsteUen des Bettendcs. Zugleieh legten wit dabei Weft auf m6glichst einf~ehen Wandverband - - werm mSglich mit Mastix- fixdertmg, um beginnende Arrzeichen yon Infekt ioa oder Verf/~rbung sogleich fiber- sehauen zu k6nnen. Dieses Prinzip einer offenen oder fmien W u n d b e h a n d - l u n g nach lmserer Wundversorgung berficksichtigten wir aueh besonders bei denjenigen komplizierten Untersehenkel ~ besonders Zertrfimmerungsfrak- turen, bei ctenen das Anlegea einer Gipsschiene yon vornherein nieht in Frage kommen konnte. Es handelte sich besonders um jene ]~'/~lle, die bei der Eigen- ar t und Schwere der bergmgnnischen Gewalteinwirkung eine yon der Bruch- steUe und Wunde weithinreichende Haut - und Wciehteilsch~digmlg aufwiesen, so dab man sekund~re ~Nekrosen erwarten muBte. Bei diesen ]~'hllen war naeh der Wtmdexeision eine plastisehe Hautverscbiebung oder Deckung unmSglich, einfaeh deshalb, weft das erforderSehe Material fehlte. Bei diesen F'~llen muSte tier Nagelzug dutch die Ferse mit Lagerung auf tier B r a u n s c h e n Sclaiene weiter- helfen; mSglichst einfacher Wundverband sollte uns die bei oftener Wund- behandlung heraufziehende ]_rffektionsgefahr bald anzeigen und die Abgre~mung der Nekrosebezirke erkermen lassen. Dauerberieselung mit D a k i n s e h e r LSsung war zugleich das fibliche Verfahren, sobald Verhaltung und Irtfektion beherrscht waren. An dieser SteUe nehmen wit vorweg die Feststelhmg, dal~ wir gerade bei dieser Art schwerer F'Mle k o ~ e r v a t i v vorgingen, u m gerade hier die an- gewandten Methoden ~i t i sch l?r~fen zu kSnnen.

Aus diesem Gesiehtswinkel heraus erkl~rt sich aueh trotz der groBen Anzahl wirklich schwerer F/~lle yon komplizierten Frakturen unser verhkltnis- m/~fig geringer Prozentsatz prim~rer Amputationen.

Auf Grund des Umstaades, daft s~mtliche Kunstglieder unserer Sektion 2, aueh bei ausw~rtigeu Amputierten, in der Werks ta t t u n s e r e s Krankenhauses angefertigt werden miissen, und an Hand der Akten sind wit in der Lage, fest- zustellen, dab die absolute Indikatiort zur Absetzung einer Gliedmal3e bei kom- plizierten Frakturen an anderen Stellen viel weiter gcfaBt wird als bei uns. Wir haben aber gerade dltreh diese Vergleiehe - - die andernorts in dieser Zahl nieht zur Verfiigung stvhen kSnnen - - keinen Grund gefunden, yon unserem Standpunkt abzugehen, es sei denn bei jenen F~i.llen, die wit unten noch unter tier Rubrik , ,~Ii~rfolge" auffiihren.

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Die primiire Wun4nt~ht bei offenen Knochenbriichen. 71

Gestalteten sich bei der Gipssehienen- oder Nagelzugbehandlung die Verhhttnisse durch Ilffcktion, dutch Rebcllisehbleiben der Bruchstelle, ~NCekrosen, Dttrchstol3en der Bruchstiieke besonders ungiinstig, so dal~ der Gedanke an eine Absetzung der Gliedma[~c aufkommen mul~te, dam1 machten wit noch mehr- fach Gebrauch yon dem ~usgezeichneten Sand.bad nach Th i e s . Mehrfach fanden wir in diesem Mittel die letzte g e t t u n g derart , dab die Sekrete in dauern- dem Abflul] an der Oberfl~che der Sandschicht attftraten und bei nicht ua- bedeutender Fixierung der Bruckstiicke (lurch die 8andm~se Abfall der Tem- peratur und Besserung des AUgemeinzustancles bewirkt wurdem So sincl wir absolute Anh:,~nger dieser eirdachen t~hysikalischen Hilfsmethode bei cler kom- plizierten Fraktur geworden, wenn die prims Wundversorgung teilweise odcr ganz versagt hattc.

]?,ei besollders komplizierten Verh~[tnissen am Oberarm fand seit Ende 1923 der Nagelzug dttrch das Olecranon bei oftener Wundbehandlung An- wendung. Bei alledem haben wit natfirlich uns jener Kilfsapparate bedient, die tins fiir unsere Verhs empfelflenswel~ eeschienen. So land die Col- mers sche verstellbare Armschiene vieKa~h Anwendung. Wit f~nden jedoch allmfi, hlieh, dab man mit selbsthergesteltter~ und leieh~ zu ~n(~ernctea Vorr~eh- tungen - - z. B. Gestell yon K r a m e r , Schienen lind Gipsbinden - - individueller vorgehen und schneller zum Ziele kommen karm. Auch land die Beinschiene nach Sommer 1921. mehrfach ~4anwendtmg. Von den besonderen Vorteilen ihrer Verstellbarkeit konnten wit uns auf die Dauer nicht iiberzeugen. Das Eilffaehe und Unkompiizierte bei alien Hilfsmal3nahmen hat uns - - wie wit auch heute noch glauben -- die besten Dienste fiir unsere Verletzten gAeistet.

Vor der Erl~utertmg lmserer Fiille nach der Richtung der erreichteil Prozentzahlen muB noch kurz a l l die zeitlichen VerhMtnisse hingewiesen werden, die bei der Wundversorgung fiir die iiberwiegende Mehrzahl unserer F'~lle Frage kamen. Da wit aus den Kriegszeiten her den Wer t der ersten HiKe xlnd des Transport~s mit Kinblick aid das endgiiltige Heilverfahren ka~mten, so haben wir gleich nach dem Kriege diesen Fragen im gesamten Industriebczirk unsere Aufmerksamkeit gesehenkt. Das schien arts gerade bei der Httufigkeit tier komplizierten Frak-tttrert mit Bezug auf (fie Stundengwezme naeh F r i e d r i e h yon besonderer Bedeutung.

I)er Gebraueh des keimfreien Verbaades sehon unter Tage - - m6glichst art o(ler in der N~he der Unfallstelle ~ wurde dureh entsprechende Organi- sation un([ Aufkli4rung in reeht vielen Fi~llen erreieht. Bei artderen war das keimfreie Verbinden der Verletzten iibcr Tage, also atteh reeht ba1`d nach tier Verlctzmxg - - dutch gut ausgebildete Heilgehilfen - - das Normalverfahren.

Entsprechende Sehiemmg mit Kramerschienen bildete die n6tige Er- gs In unmittelbarem AnsehluB d a m n erfolgte der Abtransport zum ]3ergmarmsheil mit Automobilen, tells durch die Zeehen selbst, tells dutch das Bergm~ _nnaheil, da~s atd Anruf bei Tag und Naeht Wagen zur Verf~gung stetlt. In dieser Weise - - diese ganze Organisation ist inzwischen noch vollkommener ausgebaut - - langten die Verletzten meistens vor der 6. Stunde bei uns an; was daz fiir die primi~re Wundversorgung bei der komplizierten Fraktur be- deutet , braueht nieht niiher ausgefiihrt zu werd.en. Der weiteste Radius fiir unsere Transportmit tel reichte bis etwa 35 Kilometer vom Bergmarmshei[

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72 E. Koch:

entfernt; dariiber hinaus gl~ubteu wir den Tr~l~qpot~r der sch~rver le tz ten Berglcute nicht mehr aufnehmen zu diirfen.

Wir trugen allerdings bei diesen Verh/~ltnissexl der erste, ll Hilfe ltud de~ Transportes keinc Bedenken, bei besonders gelagerten F~llen die Zeitspanne beziiglioh der Wundvcrsorgung bis zur 8., ja ausnahmsweise bis zur 10. Stunde, auszudehnen. Jenseits dieses Zeitpunktcs haben wir bm grSBercn komt~liziertell Fraktltren der Extremit~itcn -- besomters bci Oberschenkelfrakturen -- keinc prim~re Wundversorgung mehr gewagt. Untec die~n Gcsichtspunkten siad unsere F~ille zu betrachten.

V. E r g e b n i s s e .

Gehen wi.r nun zur Auswertung tmscrer Z~hlem-cihelt iiber trod schhc[~en daran -- Zahlen und Prozente allein werden allcrdings niemals die letzte Ent- scheidung bringen kSanell -- art Hand ciniger typischer FSlle unsere Folge- rtmgen und Lchreu.

3[it der prim~reu Wundexcision lm4 N~ht wlu'den fit der Zeit yore duli1918 bis Ende 1924 213 k o m p l i z i e r t o F r a k t u r e n de r G l i e d m a B e n behandelt. Auf die eirmelnen GIied~bsehnitte berechnet verteilen sich die Zahlen wic folgt :

Unterschel~kelfrakturen : 150 Obcrschenkel/rakturen: 18 I~n6chelfrakturen: 6 Oberarmfrakturen : 21 Unterarmfrakturen : 18

Von diesen Fi~llen heilten 120 primgr, 15 Fglle mit teichten St6rungen ha tier Wundnaht . Die Konsolidationszeit dicser F~lle ist in der S c h e f f l e r s c h e n Arbeit n~her angegeben. Unter leichter StSnmg fanden wir: Geringes Auf- gehen der Naht, umschrieben Fadeneitertmg, klehae, nicht ganz blaadc H:,~m- atombildung in der ~Naht, Mles ohne erns~re Folgezust~inde. Wit sind also wohl berechtig% diese 15 Fgllc zu den 120 F~llen, die primi~r abheilten, zuzn. rechnen. Danach ergibt sich:

1. 213 Fiille: davon 135 Fr, flle einwandfrei geheilt = gleich 60,33~

2. Schwere Wundstiirungen.

Abscesso -- Sepsis - - Gasbrand -- Tetanus. 30 F~lle auf 213 komplizierte Frakturen----- 11,6~

3. Todesfiille. Prim~re 6: Sehwere tier Verlctzung -- Verblutung -- Shock -- Embolie. Sekund~re Inlektion: 12 F/~lle: Sepsis - - Gas -- Tetanus ~ 18 Fiille gest.,

auf 213 komplizierte Frakturen = 8,40/0.

4. Primate Amputationen. Schwere der Verlctzung -- Zertriimmcrung der Ghedmal~e usw. 16 F~lle auf 213 komplizierte Frakturen = 7,8~

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Die pr imate Wundnah t bei offenen Knochenbri iehen. 73

5. Sekund~ire Amputationen. W u n d s t S r u n g e ~ - - G a n g r ~ n - - usw.

10 Fs a u f 213 k o m p l i z i e r t e F r ~ k t u r e n --=- 4,7 0/0.

6. L a n e - S e h i e n e .

14 F~lle a u f 213 k o m p l i z i e r t e F r ~ k t u r e n ---: 6,50/0.

Z u 1. B e i s p i e l e : }Ieihmg pp.

Nr. 23: M~rz, Rudolf -- 21 Jahre. Verletzmlg dutch Steinfall, r. Unterschenke[ unters tes Dritta~l. 10 cm gro~e Wunde, F rak tu r von Schien- und XVadenbein. Behandlung: 0r t l iche Betiiubung, primiim Wundversorgung -- groi~e Lappenverschiebung - - Natl t - - T h i e r s c h l a p p e n -- Uf6rmige Gipsschiene -- p r i m i i r e H e i l u n g . Dauer 16. I I I . bis 30. V. 1921. E.V.: 250/o.

Nr. 85: Kiiper, Fri tz -- 22 Jalwe -- unt~r Bruch gekommen. 8 era lange, verschmutzte Wunde un te rha lb des rechten Knies. F rak tu r yore Schienbeinkopf. Behandlung: Lumbal- an/isthesie, prim/ire Wundexcision ~- Naht . Uf6rmige Gipssehiene bis oberhalb des Knies. H e i l u n g : pp. Dauer: 17. XII . 1924 bis 19. If . 1925. E.V.: 20o/0.

Nr. 4: Kohlenberg, Wilhelm . - 48 Jahre -- Vertetzung dureh F6rderkorb. Rechter Obersehenkel, unteres Drittel, Frak tur -- Wuade bis zur Kniekehle 8 : 4 cm. Behandhmg. -kthertropfnarkose. Prim/ire Wundversorgtmg, ~Naht, S t e i n m a n n s c h e r ~agel dutch .~ehienbeinkopf. H e i l u n g pp. Dauer: 28. VI. his 25. IX. 1919. E.V.: .500/o.

Nr. 18: Lawrenz, Otto -- 16 Jattre -- FSrderwagenverletzung. Rechter Ober- schenkel, "anteres Drit tel Frak tur -- 6 cm lange, 2 cm breite Wunde mit Weichteilzerfetzu_ng. Behandlung: J%thcrtropfnarkose, primiire Wundexc is ion-}-Naht , Eutspannungsschni t te -- T h i e r s c h t r a n s p l a n t a t i o n -- Nagetzug dureh Schienbeinkopf -- H e i l u n g : pp. Dauer : I. VI. bis 16. VIII . 1921. E.V.: 10~

,N~r. 5: Stal lmana, Fri'edrich -- 40 Jahre -- . Verletzung durch F6rderkorb -- unter- halb l inker Ellenbogen -- F r a k m r beider Knochen. Wunde 10 . 6 cm. Ellenbogengelenk erSffnet. Muskula tar zerfetz~. ]3ehandlung: "-~thertropfnarkose. Prim/ire W u n d e x c i s i o n - Entfernung yon Knochenspli t tern -- Brt ickenhwpen -- v6llige Naht . H e i l u n g : pp. Dauer: 17. VI. bis 29. XI . 1919. E.V.: 40~

~'r. 8: Kammer, Karl -- 22 Jahre -- . Zahnradverletzung. Linker Unterarm ~[itte, Beugeseite, 5 markstiickgro[~e Wunde, schmierig, Muzkeln zum Tell zerfetzt. Behandlung: Plexusan~sthesie -- prim~tre Wundexeision -- Night naeh En t spannung -- T h i e r s c h - lappen -- U-Schiene. H e i l u n g : pp. Dauer: 1. X. bis 18. XI . 1922. E.V.: 10~

Nr. 2: Linde, Emil - - 34 Jahre -- Stcinfall, l inker Unterschenkel, untercs Drittel. 10 om lange, schmutzige Wunde. Beide Knoehen fraktur ier t . Dazu Mlgemeine Que'cschung. Behandlung: Athertropfnark~se -- prim/ire Wundexcision -- N~ht -- lYf6rnfige Gipsschiene. Aufstehen am 7. Tage. Kleiner NahtabsceS, etwas verz6gerte Callusbildung. Dauer: ]8. VIII . 1921 bis 23. I. 1922. E.V.: 20o/o.

Nr. 12: Jtmg, Eduard -- 22 Jahre -- . Steinfall l inker UnCerschenkel unteres Dri t te l :~u8en. 4 : 3 em grofle, sehmutzige Wunde, beide Knochen gebrochen. Behandlung: "kther. narkose - - prim/ire Wundversorgung -- l~ah~ -- 1Nagelzug durch CMcaneus. Kleiner Naht- abseeB - - sp/iter mehrero kleine Sequester. Dauer: 26. I I I . bis 12. VII. 1924. E.V.: 400/0.

Nr. 4: Krachr Gusgav -- 18 Jahre -- . Steinfall 4 cm lange Wunde oberhMb linker Ellenbogen. Oberarra gebrochen. Behandlung: _~thertropfnarkose - - prim/ire Wund- excis ion-k Nah$ -- Gipssehindelverband. Leiehtes Au~gehen der Nah~ -- kleiner um- sehriebener AbseeB in der Naht . Dauer: 5. IX. bis 1. X L 1919. E.V.: 200/0.

A u s d i e s e n K r a n k e n g e s c h i c h t e n ak~ E r l R u t e r u n g z u 1 ersieh% m a n d e n

V e r l a u f y o n d e n 135 pp . g e h e i l t e n F/~Uen. E s i s t e in V e r l a u f , wie be i e i n e r a sep -

t i s c h e n O p e r a t i o n . F f i g e n w i r d a z u n o c h d ie s c h o n f r f i he r b e s o n d e r s e r w s T a t s a c h e , daI] d e r a r t i g e FMle z. B. b e s o n d e r s be i d e n U n t e r s c h e n k e l f r a k t u r e n ,

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74 E. Koch :

im Ver lauf der ers ten Woche mi t de r Gipsschiene a l f fges tanden mid umher- gegangen sind, so wird man die Resu l t a t e als gi inst ig ansehen kSnnen.- Aus den l e t z t en Krankengeseh ich ten , die oben angeff ihr t sind, ers ieht man auch , was wi t u n t e r le ichten Wunds tSrungen vers tehen, und welter , da2 es sich t a t s~ch l i ch um harmlose StSrungen handel te , die in manchen F~illen wohl die Ca l lusb i ldung um W o c h e n hinauszSgerten, die aber keinesfaIls als e in erschwerendes Moment gegen (tie 3[ethode angeff ihr t werden kSnnen, zumal es sich - - wie noehmals be ton t werden muB - - fas t fiberaU u m erhebl iche u n d e indrucksvol le kompl i - z ier te F r a k t u r e n handel te .

Zu 2. Be i sp ie l e : Nr. 14: Ruhaau, Josef -- 44 Jahre -- . Schwerer Steinfali linker UnterschenkeI

im unr Drittel. 6 cm lange Wunde, verschmiert. Schienbeinbruch. Schwere Schiirf. wunden am ganzen linken Bein. Behandlung: Athertropfnarkose -- prim~,re Wundversor- gung -- N*aht -- Uf(~rmige Gipsschiene. Am 4. Tage grol3e H a u t n e k r o s e n . Sp~t- infektion der Frakturstelle. Behandlung mit Briickengips. Offene Wundbehandlung; nach der Konsolidation oder kurz vorher wieder Uf6rmige Gipsschiene. Aufstehen. Dauer: 12. IX. 1921 bis 28. IH. 1922. E.V.: 331/3~ .

Nr. 33: Gr~,~n, Gustav -- 60 Jahre -- . Verletzung durch FOrderwagen. LinkEr Unterschenkel untercs Drittcl 6 cm lange, schmutzige Wunde, iibrige Haut scheinbar ml- besch'idigt. Behandlung: Lumbalanhsthesie -- prim~ire Wundversorgung -- Nah~ -- Uf6rmige Gipssehiene. Am 6. Tage groi~e H a u t n e k r o s e . Teilweise Infektion der Bruchstelle. Ausnahmswei~ zirkul~rer Gips mit Fenster. 0ffcne Wundbehandlung. Kurz vor der Konsolidation Uf6rmige Gipssehiene, Aufstehen. Dauer: 12. VL bis 5. XI I . 1922. E.V. : 500/0 .

Dieser A r t F~lle mi t deut l icher W u n d s t 6 m m g und verz6ger te r Callus- b i ldung kSnn t en der Zahl naoh nooh v e r m e h r t werden. Sie s tel len j e d o c h keine Be las tung der Behandhmgsmethode dar , denn m a n sieht , dab eine pr im~re He ihmg de r N a h t in s t rengem Sinne des W o r t e s wohl e inge t re ten ist. Die S t6 rung im Wundver la t t f geht urs&chlich n ich t auf die N a h t und W'undver . sorgung zuri ick, sondern le tz ten Endes auf die E i g e n a r t der bergmfi, nnisehen Ver le tzung, wie wir sie frfiher geschi lder t haben. Bei der W u n d v e r s o r g u n g is~ bei de ra r t i gen F~llen die Gewal te inwirkung attf die H a u t und die Weich te i le noch n i ch t zu fibersehen. E r s t nach E n t f e r n u n g der F~.den, n icht se l ten nach e t w a 6 - - 1 0 Tagen, zeigt s k h als Folge der GewMt eine t rockene ode r feuehte Gangr~n der H a u t in der Umgebung der Bruchstc l le . Die Bruchs te l le wird frei, in a l lm~hl ichem For t schre i t en k o m m t es zu einer Mi tbe te i l ig~ng de r Bruch- stel]e und zu einer verzSgerten Konso] ida t ion . W i r h a t t 3 n aber den b e s t i m m t e n E ind ruck , d a b gerade durch die W u n d v e r s o r g u n g u n d ~Naht und d u t c h den Schutz de r Bruchstel le fiir e twa 6 - - 10 Tage die In fek t ion mi lder verl ief u n d auch alas Abstol~en der gesch~a~ligten Weichte i le s icher n i ch t kompl iz ie r t wurde . Auch das Anlegen der U-f6rmigen Gipsschiene war bei d iesen FhUen k e i n Kuns t - fehler, d e n n bei der primii,ren Versorgung war yon den H a u t - und Gewebs- sehg~digungen noch nichts Wesent l iches zu sehen. N~ch A u f t r e t e n der Nekrosen jedoch k a m m a n friih genug mi t Nagelzug, B r a u n s c h e r Schiene, of tener W u n d - b e h a n d l u n g ; in diesem Sirme spreehen ja auch die mi tge tc i l t en Prozen t s~ tze t ier E r w e r b s v e r m i n d e r u n g nach Absehlu~ der Behand lung .

h'r. 61: Wolf, Wilhelm -- 45 Jahre -- . Schwerer Steinfall Mitte rechter Unter. schenkel. 10 cm lange, verschmutzte Wunde. .4~ der Wade 15 cm lange schmierige Wunde mi, Mu.~kelfetzen. Beide Knochen gebrochen. Behandlung: ~thertropfnarkose -- Wund-

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Die primi~re Wundnaht bei offenen Knochenbriichen. 75

excision -- ~Naht unter Sp,xnnung -- UfOrmige Gipsschiene. Am 7. Tage hohe Tem- pera~ur, Braunverfg.rbung der Wade, Knistern, TympaniB. Typischer G a s b r a n d . bakteriologisch festgelegt. Amputation Oberschenkel. Offene Behandlung. Dakinberiese- hmg. Dauer: 12. VIII. his 8. XII. 1924. E.V.: 70~

Nr, 96: Griife, Wilhelm -- 23 Jahre --. Sturz in den Sumpf under Tage. Rechter Unterschenkel in der ~litte 15 cm lange Wunde, zum Tell Zertriimmerung der Knochen, Muskelfetzen. Behandluag: Lumbalangsthesie -- Entfernung der Splitter -- primate Wuadexcision -- Lappenverschiebung -- schlechte Hautdeckung. Thierschlapperx .... �9 N'aht -- U-Schiene. Am 5. Tage naeh der Verletzung hohe Temperatur. Bratmverf~rbung 15nSersehenkel, Kni~ern. Tympanie bis Oberschenkel, t yp i sehe r G a sb r a nd , Amputation Obersehcnkcl, offene Bchandhmg, Dakiaberiesehmg. Dauer: 26. IIL bis 21. VII. 1924. E.V.: 70~

Hier handel t es sich um G a s b r a n d f ~ l l e , die wir friih genug h~bett retter~ kSrmen. Wi r miissen den Al~sbruch dieser schweren Irffektion zum Tell dcr Methode zur Last legen, (t. h. unserem Unterfar~gen, bzw. Vcrsuch, auch (ter- ~rtige sclawere komplizierte F r a k t u r c n mi t der p r i m h r e u Wundm~ht zu ver- sehen. Es ist lrlar, dal3 wir im Latff tier J~hre aus dcrar t igeu crns ten .F~llen sehr bald unsere Lehren gczogea haben. D i c pr imate A m p u t a t i o n ist for diese F~lle das einzig riohtige. Wei terhin ist ohrte weiteres bei der Eigenar t der oben geschilderten schweren komplizierten F r a k t u r e n uns heutc klar, dal3 auch selbst die U-f6rmige Gipsschierte fiir dicse FMle eine schwere Belastung, ja ein unbed ing t scla~dliches Moment darstell t . W i t habea spi~ter derartige F~lle e n t ~ e d e r pcimhr a b g e ~ t z t ocler yon vornhere in nach m6glichster mechanischer S~iuberung der Wtmden und nu r teilweiser N a h t mi t ~Nagelzug bchartdelt.

Nr. ,54: Gritzka, August -- 62 Jahre --. ~beffahrung durch F6rdcrwagen. Linker Un~erschenkel unteres Drittel tcilweise Zertriimmerung mit grol3er Wunde, Muskelzcr. fetzung. Behandlung: Lumbalan~sthesie -- Wundversorgung -- ~N'aht nach :Entspannung

Thiersehlappen -- Nagelzug -- einige Drains. Am 5. Tage F iebe r , arterielle Blutung mit R6hrenabscel~bildung, Kniegelenksergul]. Rivanolbehandlung. 2malige sep t i sehe N a c h b l u t u n g . Infektion der linken Schulter. Im Punkta~ Streptokokken. Amputation nach Gri~ti. Dauer: 29. IIL bis 2. X. 1922. E.V.: 70~ .

Nr. 55: Joli, Richard -- 21 Jahre --. Sturz in Sehacht. Rechter Unterschenkel unteres Drittel zwei fiinfmarkstiickgroi~e Wunden, zerfetz~. Fr~ktur beider Knochen. BehandJtmg: Lumbalangsthesie -- primhre Wundversorgung -- Naht under Sparmung -- Uf6rmige Gipsschiene. Am 4. Tagc hohe Temperatur, Beingangr~'m. Amputation naeh Grit~i. Dauer: 11. III. his 17. V. 1922. E.V.: 600/0.

Bei diesert F~llelt handel t es sich u m schwcrs teWunds tSr tmgen s e p t i s c h e r A r t , die wit ebeIff~lls noch friihzeitig ha be n rot ten kSnnen, die aber auch tier Methode zur Last zu legen sind. Bei derar t ig schweren F rak tu ren - - zumal am Untcrscheltkel - - ist es falsch gewesen, nach der Wundexc is ion die H a u t - n a h t un te r allen Umst~nden zu e r z w i n g e n . Die zu grol3e S p a n n u n g der N~hte u n d die daAureh erzeugte Druokwirkung ha t zweffeUos a n dem schweren Vcr- lauf des Falles Nr. 54 einen erheblichen Anteil . Auch war rdcht be~chtct , dal~ es sich u m einen Verletzten in h6herem Lebensal ter handel t , bei ctem eine der- artig'e Beh~ndlung zweifellos cin zu grol~cs Risiko bedeutete. Bei (lem Fal l Nr. 55 war das Anlegen der U-f6rmigen Gipssehiene n ich t angezeigt, was sich sehwer ger~i.cht hat. Es ist selbstverst~,ndlich, dal~ in den folgenden Zeit- abschn i t t en derartige F~lle yon unse, rer Methode ausgeschlossert wu.rden.

Zu 3. Beispiele: Nr. 37: K16p, Adam -- 55 Jahre --. Sturz yore Gcriist, iiber Tage. Linker Unter-

sehenkel untercs ]:)riVtel 4 cm lange, eCwaz zeffetzte Wuade. Frak-tttr beider Knochen.

Page 16: Die primäre Wundnaht bei offenen Knochenbrüchen

76 E. Koch:

l~-handlung: l,umbalanhsthesie -- prim/i, re "~Vundexci.~ion --- Lanesehe Sehiene -- Naht -- U-Sehiene =-- Hautnekrose. Am 10. Tage T e t a n u s , tOdlieh in 48 Stunden. l)auer: 28. I[. bis 10. IIi . 1.<~22 t6dlieh.

Nr. 57: Butniek, Gustav --- 46 .lahre --. Sgeinfall. Reehter I_'ntersehenkel univre Hglfte 10 em lange sehlaierige Wunde.. Mtusk~tlatur zerfetzt,. Beide Knoehen gebroehen. zum Tell zertr~immert. Haut~ geseh/i, digt. Behandlung: Lumbalan/isthesie - - prim/irt- Wundexeision -- Entfernung der Knoehensplitter -- vollstitndJge Naht -- Nagelzug Ferse --- Braunsehe Schiene. Am 4. Tage Braunverf~irbun~ des L'ntersehenkels. Knistern. Tympanie. Gasbrand. Bakteriologiseh naehgewiesen: Weleh-Fri tnkel . Dauer: 2. l l l , his 6. I i [ . 1922. T6dlieh.

Nr. 147: 3[eier, Otto --- 51 ,Jahre --. Schwerer Steinfall. l~echter Unte~chenkel ~mt.eres I)rittel Zertriimmerung. Sehmierige Wmlde 4 : 3 era. 3iuskulatur zerfetzt. Be- handhmg: Lumbalan/isthesie -- Wlmdversorgung -- Naht -- U-Sehiene. Am 7. Tag~. P;ruunverf~rbung d.er Wade, Knistern, kliniseh einwandfrei Gasbrand. Amputal.ion Ober- sehenkel. Tod. Dauer: 21. II. his 21. IlI . I923.

Nr. 124: Fr~inkel, Hugo -- 51 .Iahre --. Verletzun~ dutch F6rderwagen. Linker Obersehenkel unteres Dritte[ markstiiekgroBe, zer:fetzte Wunde. Fraktxlr Tibiakopf. Be- handlung: Lumbalanasthesie - -pr imhre Wundexeision--- v611ige Naht. -- I;-Schiene. Naeh 10 Tagen Absee6b.ildung, Lymphangitis. Faseiennekrose. 5Ietastat.isehe Ab,~eessc, Sepsis. !['Sdlich. Dauer: 17. IV. his 16. VII. 1919.

Diese Beispiele vort t 6 d l i e h v e r l a u f e n e n F i i l l e n schwerster W u n d - s tSrungen sind zuniichst geeig~tet, <lie angewandte 5[ethode sehwer zu br Es i~st n icht 7u leugnen, daft wir bei diesml u~td /~hnlich gelagerten m~d ver- laufenen F/i, llen yon falsehen Voraussetzungen beziiglich der Leistungsf~ihigkeit, der pr imiiren Wtmdversorgtulg ausgegangen sind. Bei dem T e t a n l t s f a l l ist zweifeUos die Wundexeis ion eine unvol lkommene gewesen. Dazu f i ig ten wit noeh die 5Iaflnahme, das an a n d ftir sich sehwer geseh~digte Gewebe durch den Druek lmserer Gipsschiene zu belas tcn; und weiterhhl legten wi r damals noch n ieht den Wef t darauf, ~ u n d s ~ t z l i e h bei l~?bertageverletzungen Te tanus- an t i tox in prophylakt iseh zu geben. Die Lehren, die wit aus diesem Falle gezogen haben, s ind fiir jedert Kenne r Mar. Bei den G a s b r a n d f ~ t l l e n mit den schweren WeiehteilzerstSrungen -- besonders im Bereich des Unterschmtkels

hS, t t en wit ebenfalLs eine Gipsschiene yon vornhere in n icht in Ar~wendamg br ingen diirfen. Es handelte sich tun I,'itlle, bei denen wir teils yon vornhe re in die Amputa t ion , teils nach der Wundexc is ion offen und mit B r a u n s e h e r Sehiene im Nagelzug hS, t t en behandeln miissen.

Hicr ist die Stelle, um kurz auf die sehlechten Er fah rungen mi t der pr imgren Nah t bei den reinen k o m p l i z i e r t e n K n S e h e l f r a k t u r e n hin- zu~eisen. Das ist scbon in entspreehender Weise in der S c h e f f l e r s e h e n Arbei t geschehen, soll bier aber nochmals ausdriicklieh wiederholt werden. Von den 6 reinen, sehweren komplizier ten Kn6ehelf rakt t t ren ging mls einer a n Gas- b rand zugrunde, einer ~ntrde sekundii.r amput ie r t , bei einem 1)r i t ten t r a t e n ebenfalls en~ste Wm~dst6rungen aM; lediglich die drei anderen Fiille verl iefen einigermaBen befriedigend; jedoeh ersieht m a n aus der Durehschn i t t szah l der Erwerbsverminderung , die fiir diese F/ille am Sehluft des Hei lverfahrens fest.- gesetzt wurde, dab der Verla~ff unbefr iedigend war. Es ergibt sieh ni~mlich als Erwerbsverminder tmg ein Satz zwischen 50--60~

Zu 6. Be i sp ie l e : Nr. 5: Bodde, Karl -- 30 Jahre --. S~infall. Pfennigsttickgrol]e zerfet.zte Wm~de

oberhalb des Knies. Obersehenkel gebroehem Behandlung: Xthertropfnarkose -- primate

Page 17: Die primäre Wundnaht bei offenen Knochenbrüchen

Die primttre Wundn,~ht bei offenen Knochenbriichen. 77

"~Vundve~.~orgung -- Lane-Schiene -- ,N-aht -- ~Nt~gelzug dutch Schienbeinkopf. 1-[cilung: l)p. Dauer: 18. I. bi.s 23. I l I . 1923. ]~.V.: 30~

~*r. 12: Busse, Leo -- 36 Jahre -- . ~Einklemmung zwischen Wagen. Oberarm links Mitre 10 cm lange zerfetzte Wundc, R~dialis zerrissen. Behandlung: At hert.ropfnarkose, Wundexeision - - L a a e - S c h i e n e --- Naht -- Gipsschiene. iNach 4 Tagen Temperatur. Ab:~cell, groflc Scqucsterbildung. Erysipel. Multiple Abscesse. Dauer: 10. VII. 1923 bis I I. VH. 1924. E.V.: 50~

Nr. 5: Schuster, }leim'ich -- 27 Jahre -- . Steinfall. GroBe zerfetzte Wmlde unteres I)rittel linker Unterschenkel. Brueh des Schienbeins. ]~handlung: Lumbalan~sthesie -- \Vundexcision -- Lane -Sch i ene -- _N'aht -- U-Schiene. Am 10. Tage Nekrose der Igaut. iiber tier Lanesehen Schiene. Offene Wundhehandhmg -- ,Nagelmlg -- grol3e Sequester- bildung -- verz6gerter Callus. Dauer: 12. XI. 1921 bis 27. III . 1922. E.V.: 331,/a~

Von den 14 ]?iillen k o m p l i z i e r t e r F r a k t u r e n , mi t L a n e s c h e r S c h i e n e behande l t , verl iefen 3 olme merkl ichc WundstSru_ngcn; abe t auch bei diesen war die spStere En t fe rnung der L ~ n e s c h m l Schiene mi t e rhebl ichml Schwierig- ke i t en und en l eu t em l'gngeren K r a n k e n l a g e r ve rbunden . Die (ibrigml 11 F'~II~ waren sgmt l ich an schwereu ~VundstSrungen betei]igt . Der kl iuischc Ver lauf bewies uns, dab der F r e m d k S r p e r ~Is solcher e inen erhebl ichen .~mteil an d e m A u s b r u c h und der Schwerc der W u n d i n f e k t i o n und tier nackfo lgenden Ver- hii.ltnisse ha t t e . Als Einschr i inkung dazu mull a l lerdings gesagt werden, dt~l~ d ie L a n e s c h e Schiene meistens gerade bei dcrt schwierigstert Verh~tltnisselx de r Bruchstc l le irt Anwcndm~g kam. Aber auch abgesehen d a v o n s t imme n m~sere Zahlen m~d Erf~hmmgen zu den jen igen der ~Frankfurter K l in ik : DaB dic Gefahr yon StSrungen au der Bruchstel le in sehr hohem Mal~e bes teht , wenn zur F ix~ t ion der F r~gmente F r e m d k S r p e r m a t e r i a l angew~mdt ~ i rd . Bei 5 Fgl len, d ie mi t der L~u~eschen Schienc b e h a n d d t x~mrden, s tel l te sich eine s t a rk ver- zSgerte Callusbi ldung, teilwcise Pseudr ein. Die Durchschn i t t sdaue r der Konso l ida t i on ffir unscm 14 Fglle bc t rgg t 9 bis 11 Monate . Also auch in d iescm P u u k t e bes tg t ig t unser Materh~l (lie auch anderswo gemach te Er fah rung , daft d u r c h verscnkte F r e m d k S r p e r bei de r kompl iz i e r t en F r a k t u r mange lhaf te perio- s ta le Calhtsbildm~g verursach t und Ausb le ibcn der Konso l ida t ion mi t veranla iJ t wi~xl.. L~ber diese Erfahruugm~ berichtet~: B on n , l~i m a n n (Trendelenburg) , l t z e r o t h (v. Bramann) .

~'ehmet~ x~@ die GesamtzaM unserer t~'glle yon koml:liziert, en 7~'rakturen, .~o h a t t e n wi t bei 110 Fgl len d a r o n eine durehschnit . t l iehe D a u e r d e r K o n s o l i - d a t i o n yon 8,9 Woehen, das ist also bei e twa 550/0 der :Fglle. Angesichts der Sehwere m ~ e r e r Verletzm~gen s ind diese Zahle.n im Vergleich zu deujenigm~ yon B o n n - - 7,6 Wochcn - - als durc tmus befr iedigend anzusehen.

Zusammens te lhmg der kompl iz ie r ten F r a k t u r e n 1914--1918

k u g u s t a - K r a n k e n a n s t a l t Bochum.

Es war ein besonderer Wunsch v. B r u n n s , die komplizierter~ 7Frakturen dieses Ze i tabschn i t t e s aus seiner e rs ten Tg t igke i t in Bochum zmsammenzustel len. Dss In te resse d~ran ws r deshalb besonders rege, well cs sich zum gTol~en Tell u m ganz anderes Vcr ie tzungsmater ia l hande l t e ~L~ ira Bergm,~nnsheil. Die 42 Fiille aus der A u g u s t a - K r a n k e n a n s t a l l a s ind fast. aUe {~'bertagever- letz~mgen yon F a b r i k e n und anderen indus t r i e l l en Werkcn . We i t e rh in ~mrde

Page 18: Die primäre Wundnaht bei offenen Knochenbrüchen

7S E. Koch:

hi den Jahren 191'4--1918 das F r i e d r i c h s c h e Verfahren bei den komplizierten Frakturen nur unvollst~hldig und teilweise durchgefiihrt. Es handel0e sich um

24 F~tle komplizierter Unterschenkelfrakturen 7 Fhlle komplizierter Oberschellkelfrakturen 9 F~lle komplizierter Unterarmfrakturen 3 F~ille komplizierter Obcrarmfrakturen

43 YMle.

Von t[iesen 43 Fhllen wur(len 15 mit primiirer Wundexcision un4 teiiweiser Hau tnah t behandelt. 28 ]?~ille tells mit aseptischem Verband, tells mi t lmvoll- stgndiger "vVundversorgung. Die ResLdtate waren durchaus nicht so befriedigend wie bei den Fhllen im Bergmannshcil, trod so ergibt sich bei der Zusammenfassung s~mtlicher FMle aus b e i d e n K r a n k e n h ~ u s e r n : bei 256 F~illen insgesamt eine pr imate Heihmg yon knapp 500/0. Die gfinstige Prozentzahl aus dem Berg- mannsheil wird also durch die teilweise schlechten Resultatc aus der Augusta- krankenanstal t weseJltlich ungiinstig herabgedriickt. A u c h das ist f~r utts ci~ Fingerzeig gcwesen, streng nach den Grundsiitzen bci den komplizierten Frak- turen zu handeln, wie sie sich a.llm~hlich in dem Zeitabschnitt 1918--192r herausgebildet haben.

VI . K o m p l i z i e r t e S c h i i d e l f r a k t u r e n 1 9 1 4 - 1926 .

Die 3iehrzahl dieser F~lle s t ammt naturgem~l] aus dem Bergmanusheil. Beziiglich tier Schwere der Verletzungen und der Gewalteinwirkung ist dasseibe zu sagen wie friiher.

85 Fi~lle komplizierter Sch~delfrakturen. Davon pp. geheilt: 54 FMle == 63,5~

Prims TodesfMle (schwere Zertriimmerung, Schs Fct tembolie) : - 13 F~lle = 15,3~ .

4 seklmd'gre WundstSrmlgen, die mit dcr primSren Wundversorgung und Naht zusammenh~ngen: 1 Hirnabscei~, nach ]0 Tagen bei eialer Fissur; eine Meningitis am 3. Tage nach unvollstiindiger Wundversorgamg. 2 mitt lere StSrungen ebenfalJs bei unvollst~ndiger Wundversorgung aus i~uBeren Grfinden.

])as Endresult~t. bei unseren FS,11en, bzw. das Prozentverh~i]tnis tier primSr ge.heilten F.AUe bei komplizierten Sch~delfrakturen spricht ftir sich. Die pr imate exakte Wundrevision mit voUstiindiger Naht sollte bcim komplizierten Sch~del- bruch im Frieden das fibliche Verfahren sein. Diese Methode ist das beste Mittel nach unseren Effahrungen, um Prolapse - - Abscesse - - Meningitis- Verwachsungen usw. zu verhhldern. Die Riickverlagerung der Bruchstficke

- - wenn nStig mit L~ppenverschicbung -- ist dabei ein sehr bew~bxtes Hilfs- mittel. Ausgiebige Lumbalpunktionen haben uns in der Nachbehandlungszeit bei leichteren StSrungen groi]elx Nutzen gebracht. Dabei sind Desinfektions- mittel in den Riickenmarkssack nicht eingegeben worden. Es ist -klar, dai~ unsere Resultate nut erreicht werden kom~ten bei der Versorgung imlerhalb der ersten 6 Stunden. Wir hat ten mehrfach Gelegenheit, yon draul~en ein- gelieferte, nicht versorgte oder lmvollst~ndig versorg~ Sch~delfrakturen zu sehen. Sie zeigten shmtlich schwere StSrungen. Drei dcrartige Fs gingerl uns 8 Tage naeh der Einlieferung an Meningitis und Abscei~ zugrundc.

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Die prim~re Wunch~aht bei offcnen Knochenbr~ichen. 79

Warnende Bcispiele, aus dcnen wir gelernt haben. Von grunds~tzlieher Bedeutung ist der Umstand, dab wh' aueh ill.den ver-

gangenen Jahren jede Weichteilwunde des Sch~dels naeh Excision erweitert und ausgiebig bezfiglich der Verh~ltnisse am Knoehen revidiert haben. Das ist z .B . bei dem Vorhandensein yon Fissurcn entscheidend. Nur so konnteu wir uns vor unliebsamen tYoerrasehungen sehfitzen. Durch unsere strenge Anweismlg an die Zeehen, m6glichst j ede Weiehteilverletzung des Sch~dels innerhalb der ersten Stunden bei uns abzulicfern, haben wit Vorteil f/it unsere Verletzten stiften k6nnen. At~sehliel~end unterstretehen wit noch einen wichtigen Pnnkt, der eigentlich schon dutch die Kriegsverh~Itnisse gekl~rt war, aber aaeh unseren hiesigen Erfnhrungen oft vergessen wird. Gerade fflr die sehweren komplizierten Seht~delbrfiehe ist die p r i m ~ r e e n d g i i l t i g e Wundversorgung und Naht yon attssehlaggebender Bedeutung. Es ist falsch, den Abtransport dieser Verletzten aus l~ficksicht attf den Befund zu vet~chieben oder ganz zu unterlassen. Sehon P e t e r m a n n betonte im Kriege, dab gerade derartig~" komplizierte Schi~delfrakturen den Transport fibcrraschend gut fiberstehen.

Es lieBen sich unsere ~F'~llc noeh nach maneher Richtung hin auswertell; jedoch geh6rt das nieht mehr in den l~ahmen unserer auszuftihrenden Arbeit. Es ist z. B. flit mrs eine Selbst'~crst~ndliehkei~ -- auch das seheint mehrfach vergessen zu sein - - da[~ bei allen Sch:,~delvcrletzten sofort die Fach~rzte zu- gezogen werden. Schon im ~[nteresse des Verletzten und der spgter vorzunehmen- den Abseh~tztmg der Erwerbsverminderung muB das unbedingt erreieht werden.

Bei s tark verunreinigten Schiidelwunden maehten wir mehrfach yon Rivanol Gebrauch. Wir hattcn davon einen giinstigen Eindi'uck. Auch ge- brauchten wir dasselbe Mittel ffir d i e zuriickzuvcrlagernden Knochenstiicke. Die Gewalteinwirk,mgcn bci unscren Verlctzten waren vielfach so ausgiebig, dab gro[~ Teile, auch clef Dura, glatt zu Verlust kamen. Wir verzichteten dann (b~rauf, primgre Duraplastiken anzuwenden. Entsprcchende Wtmdvcrsorgung, Rfickverlagerung der Bruchstficke, cxaktc Hau tnah t gcnfi~cn ~ms, um die erste Infcktion mit ihren Folgcn zu beherrschcn; das weitere mul~tc der Zukunft iibcrlassen bleiben.

Von den 85 kompliziertcn Sch:~idcl[rakturen konnten am SchluB der Behand- lung 23 mit einer E.V. yon 0~ entlasscn wcrden. Bci den iibrigcn F~llen ergab sich einc E.V. yon 10 bis 60~

Zli Salll lllell ~a~Sl111~. B o n n sagt am SchluB seincr Arbeit aus der Frankfurter Klinik, dal~

bei der kleinen Anzahl seiner FMle - - im ganzen 17 komphzicrte Frakturen - - die Statistik kcinen Anspruch alff Mlgemeinc Giiltigkeit erhe, ben diirfe. Trotzdem kommt er bei aller Vorsicht doch zu dem Schlusse, dal~ das Verfahren der prim~ren Wundexcision mit ~Naht auch bei schweren F~llen im Falle des Gelingens eine cbenso rasche und gute Heilung herbciffihren kann, wic man es bei der geschlossenen Fraktur sieht. Man halte das Vel<ahren fiir wertvol[ und werde es ziclbewuBt welter anwender,.

Fiigen wir dieser kleinen Anz~hl yon F~llen mlsere grofien Zaldcnreihen an, so kommen wir n~ch den obigen Ausfiihrungen zu denselben SchluBfolge- rungen wie die Frankfurter Klinik. Wit glauben, durch ein Experiment im

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80 E. Koch: Die primare Wundnaht bei offenen Knoehenbr/iehen.

(~rol~et~ einen l~icht unwesent l ichen Beitrag ztt der Frage des F r i e d r i c h s c h e n Verfahrens geliefert zu haben. Sind wh- schon seit Kriegsende grlmdss Anh~%nger dieses Verfahrens bci alleu Weichte i lver le tzungen, so h a b c n uns obige Effahr tmgen bei den kompiizier ten :Frakturen - - also bei einem besonders ~einen und empfindlicheit Testobjekt - - erst recht zu .~_uh~ingerll seiner Ideen gemacht. Die guten m~d }~friedigenden Erfolge, (lie wir erzielen konnten , s ind wohl restlos aLs ein Vorteil des F r i e d r i c h s c h e n Verfahrens anzusehen. Eine Anzahl der Mifterfolge jedoch k o m m t zum gro6en Teil auf unser eigenes ] (onto, da wit im Streben nach Klarhe i t u n d GewiBheit beziiglich dieser Fragen n ich t immer jene Indika t ior , sgrenzen einhiel ten, dig F r i e d r i c h selbst wohl beachte t haben dfirfte. Nachdem wir aus unseren Fehle~l gelernt haben, erkl~ren wir u m so iiberz~ugter und bewullter, dal3 wit bei den komplizier ten F r a k t u r e n unserer B~rgleute - - fiit" fiber mid uu te r Tage - - (lie prim~re Wlmdexcis ion u n d Nah t als die _~[ethode der Wahl ,~nsehen und zwar unte, ' Be tonung folgender zusamme~ffassender SchluSs~itze :

]. Die 6 - - 8 Stuudengrenze nach F r i e d r i c h mufi beachteg werden. 2. Der Eingriif der prim~gren Wm~dversorgung u n d H a u t n a h t se tz t pein-

liche Gewissenlmftigkeit tu~d Beaehtung jener Grundss voraus, dic oben in den Einzelhei ten erls siud.

3. Bei wirklich schweren Zer t r ihnmerungsbr i i ehen u n d Weichteflver- l e t z m ~ e n sell die prim~re Nah t n u t mi t gro~er Auswahl durchgefiihr~ bzw. r e r such t werdcn. Dabei ist die Anwendung der B r u n n s c h e n Gipsschiene n u r mi t grol]er Einschr i inkung gestatte~.

Bei ss tYbertageverletztmgeu, bei Sprengsehiissen, bei Ful isohlen- ver le tzungen und Ix4 Unf~ille,~ ,~uf Zechen mi t Pferdebetr ieb mu8 Te tanusse rum verabreicht werden.

L i t e r a t u r :

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