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Kennziffern fu ¨r Performanz von Gesund- heitssystemen an, die gerne bei internatio- nalen La ¨ndervergleichen herangezogen werden, so muss zugegeben werden, dass wir eher im oberen Mittelfeld rangieren. Ganz weit oben sind wir bei den Kosten unseres Gesundheitssystems und noch im- mer bei der Anzahl an Krankenhausbetten pro Einwohner, aber schon bei der mittleren Lebenserwartung belegen wir einen mitt- leren Platz. Hinsichtlich der Sa ¨uglings- sterblichkeit finden wir Deutschland mit 3,5 je 1000 Lebendgeburten unter den 20 La ¨ndern mit der niedrigsten Kindersterb- lichkeit im ersten Lebensjahr, jedoch nicht im Spitzenfeld (Statista 2014). Die A ¨ rzte- dichte pro 1000 Einwohnern ist in Deutsch- land mit 3,6 (2009) vergleichsweise gut, a ¨hnlich wie z.B. in der Schweiz (4,1) oder in Schweden (3,8)(DESTATIS Statis- tisches Bundesamt). Aber bei genauerem Hinsehen offenbaren sich doch deutliche Unterschiede zwischen a ¨rmeren la ¨ndlichen und reicheren sta ¨dtischen Regionen in Deutschland. Und damit na ¨hern wir uns letztlich auch in diesem Text der zentralen und essenziellen Frage nach der Gerechtigkeit unseres Ge- sundheitssystems, denn Kosten oder mittlere Versorgungsdichte sagen wenig bis gar nichts u ¨ber Qualita ¨t aus. Ist denn unser Ge- sundheitssystem gerecht finanziert? Kann man von einer gerechten Allokation der Res- sourcen sprechen? Hat jeder von uns die gleichen Gesundheitschancen? Ist der Ge- samtkomplex der gesundheitlichen Versor- gung nicht zu einem eintra ¨glichen Gescha ¨ft einflussreicher Akteurs-Gruppen verkom- men, in dem der Patient nur noch Mittel zum Zweck ist? Weshalb sind wichtige Ver- sorgungsbereiche wie z.B. die Pflege und Altenpflege chronisch unterfinanziert mit mittlerweile zum Teil desastro ¨sen Arbeits- bedingungen? Und weshalb ist der Notarzt in manchen Regionen schon in fu ¨nf Minuten am Ort, in anderen braucht er eine halbe Stunde? Und weiter gefragt: Wer steuert eigentlich unser Gesundheitssystem, wer bestimmt u ¨ber die Verwendung der Gelder, wer setzt die Anreize? Eine weitere zentrale Frage ist die nach der Qualifikation der in der gesund- heitlichen Versorgung ta ¨tigen Personen. Oder was will eigentlich der Patient? Was ist eigentlich der Patientennutzen und ist er angemessen beru ¨cksichtigt? Selbstversta ¨ndlich ko ¨nnen nicht alle dieser oder anderer wichtiger Fragen in diesem Heft umfassend beantwortet werden. Viel- leicht gibt es ja auch an manchen Stellen keine Antworten. Aber Sie finden hier Bei- tra ¨ge vor, die sich damit bescha ¨ftigen, inwie- weit sich die vielseitigen Bemu ¨hungen um Qualita ¨tssicherung, Qualita ¨tsmanagement oder Qualita ¨tsberichterstattung aus unter- schiedlicher Perspektive in Versorgungsqua- lita ¨t u ¨bersetzen lassen. Weiterhin wird die Rolle des Patienten hinterfragt oder auch inwieweit die Organisationsqualita ¨t, ge- meinhin Arbeitsbedingungen, Folgen fu ¨r die Versorgungsqualita ¨t haben ko ¨nnen. Was sagen uns die real vorhandenen regio- nalen Versorgungsunterschiede und ko ¨nnten andere Strukturen oder Vergu ¨tungssysteme zu einer besseren Allokation der Ressourcen und damit zur Verbesserung der Qualita ¨t beitragen? Auch eine ehemalige Bundesge- sundheitsministerin bezieht Stellung zur Qualita ¨t. Insgesamt erwartet Sie ein bunter Strauß, der Verstand und Gefu ¨hl ansprechen will. Aber stellen Sie selbst die entscheiden- de Frage: ,,Where’s the beef?‘‘ http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.03.016 Die Qualit at der gesundheitlichen Versorgung Max Geraedts Mit der Qualita ¨t der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland scheint et- was nicht in Ordnung zu sein. Obwohl schon zwei Institute auf der Bundes- ebene, IQWiG und AQUA, die Quali- ta ¨t im Gesundheitswesen im Fokus haben, plant die große Koalition die Gru ¨ndung eines neuen Instituts fu ¨r Qualita ¨t und Transparenz im Gesund- heitswesen. Das Institut soll fu ¨r den Bu ¨rger versta ¨ndliche, vergleichende Informationen zur Qualita ¨t der ambu- lanten und stationa ¨ren Gesundheits- versorger bereithalten. Langfristig soll wohl eine qualita ¨tsorientierte Auswahl und Vergu ¨tung medizi- nischer Leistungserbringer etabliert werden. Obwohl unklar ist, inwieweit diese Idee tatsa ¨chlich umgesetzt wird, kann dennoch hinterfragt werden, ob dieser Ansatz grundsa ¨tzlich geeignet ist, die Qualita ¨t der gesundheitlichen Versorgung zu verbessern oder ob an- dere Ansa ¨tze zu pra ¨ferieren wa ¨ren. Zur Beantwortung dieser Frage sollen im Folgenden einige grundlegendere Fragen gekla ¨rt werden: - Was ist die ,,Qualita ¨t der gesundheit- lichen Versorgung‘‘? - Wie steht es derzeit um die Qualita ¨t der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland? - Welche Maßnahmen zur Qualita ¨ts- verbesserung werden mit welchen Effekten eingesetzt? Qualita ¨tsdefinition Eine allgemein anerkannte Definition von ,,Qualita ¨t der gesundheitlichen Versorgung‘‘ fu ¨r Deutschland existiert nicht. Vielfach werden daher allge- meine bzw. internationale Qualita ¨ts- definitionen genutzt. Wolfgang Han- sen, ehemaliger Pra ¨sident der Deut- schen Gesellschaft fu ¨r Qualita ¨t, definiert: ,,Qualita ¨t ist die U ¨ berein- stimmung von Ist und Soll und was das Soll ist, das bestimmt der Kunde.‘‘ U ¨ bertragen auf die Gesundheitsver- sorgung gilt es, die verschiedenen ,,Kunden‘‘ des Gesundheitssystems und deren jeweilige Sollwerte zu be- achten (Geraedts und Selbmann, 1997). Auf den Punkt gebracht bedeu- tet Qualita ¨t fu ¨r Patienten bzw. Bu ¨rger, dass sie sicher behandelt werden, Er- krankungsfolgen und fru ¨he Mortalita ¨t verhindert sowie Lebensqualita ¨t und Patientenzufriedenheit aufrechterhal- ten werden. Fu ¨r die Leistungserbrin- ger ist Qualita ¨t dann gegeben, wenn die Behandlung nach dem ,,Stand der Kunst‘‘, also evidenzbasiert erfolgt. Die Kostentra ¨ger betonen zusa ¨tzlich Public Health Forum 22 Heft 83 (2014) http://journals.elsevier.de/pubhef 2.e1

Die Qualität der gesundheitlichen Versorgung

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Public Health Forum 22 Heft 83 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

Kennziffern fur Performanz von Gesund-heitssystemen an, die gerne bei internatio-nalen Landervergleichen herangezogenwerden, so muss zugegeben werden, dasswir eher im oberen Mittelfeld rangieren.Ganz weit oben sind wir bei den Kostenunseres Gesundheitssystems und noch im-mer bei der Anzahl an Krankenhausbettenpro Einwohner, aber schon bei der mittlerenLebenserwartung belegen wir einen mitt-leren Platz. Hinsichtlich der Sauglings-sterblichkeit finden wir Deutschland mit3,5 je 1000 Lebendgeburten unter den 20Landern mit der niedrigsten Kindersterb-lichkeit im ersten Lebensjahr, jedoch nichtim Spitzenfeld (Statista 2014). Die Arzte-dichte pro 1000 Einwohnern ist in Deutsch-land mit 3,6 (2009) vergleichsweise gut,ahnlich wie z.B. in der Schweiz (4,1)oder in Schweden (3,8)(DESTATIS Statis-tisches Bundesamt). Aber bei genaueremHinsehen offenbaren sich doch deutlicheUnterschiede zwischen armeren landlichenund reicheren stadtischen Regionen inDeutschland.Und damit nahern wir uns letztlich auch indiesem Text der zentralen und essenziellenFrage nach der Gerechtigkeit unseres Ge-

sundheitssystems, denn Kosten oder mittlereVersorgungsdichte sagen wenig bis garnichts uber Qualitat aus. Ist denn unser Ge-sundheitssystem gerecht finanziert? Kannman von einer gerechten Allokation der Res-sourcen sprechen? Hat jeder von uns diegleichen Gesundheitschancen? Ist der Ge-samtkomplex der gesundheitlichen Versor-gung nicht zu einem eintraglichen Geschafteinflussreicher Akteurs-Gruppen verkom-men, in dem der Patient nur noch Mittelzum Zweck ist? Weshalb sind wichtige Ver-sorgungsbereiche wie z.B. die Pflege undAltenpflege chronisch unterfinanziert mitmittlerweile zum Teil desastrosen Arbeits-bedingungen?Undweshalb ist der Notarzt inmanchen Regionen schon in funf Minutenam Ort, in anderen braucht er eine halbeStunde?Und weiter gefragt: Wer steuert eigentlichunser Gesundheitssystem, wer bestimmtuber die Verwendung der Gelder, wer setztdie Anreize? Eine weitere zentrale Frage istdie nach der Qualifikation der in der gesund-heitlichen Versorgung tatigen Personen.Oder was will eigentlich der Patient? Wasist eigentlich der Patientennutzen und ist erangemessen berucksichtigt?

Selbstverstandlich konnen nicht alle dieseroder anderer wichtiger Fragen in diesemHeft umfassend beantwortet werden. Viel-leicht gibt es ja auch an manchen Stellenkeine Antworten. Aber Sie finden hier Bei-trage vor, die sich damit beschaftigen, inwie-weit sich die vielseitigen Bemuhungen umQualitatssicherung, Qualitatsmanagementoder Qualitatsberichterstattung aus unter-schiedlicher Perspektive in Versorgungsqua-litat ubersetzen lassen. Weiterhin wird dieRolle des Patienten hinterfragt oder auchinwieweit die Organisationsqualitat, ge-meinhin Arbeitsbedingungen, Folgen furdie Versorgungsqualitat haben konnen.Was sagen uns die real vorhandenen regio-nalen Versorgungsunterschiede und konntenandere Strukturen oder Vergutungssystemezu einer besseren Allokation der Ressourcenund damit zur Verbesserung der Qualitatbeitragen? Auch eine ehemalige Bundesge-sundheitsministerin bezieht Stellung zurQualitat. Insgesamt erwartet Sie ein bunterStrauß, der Verstand und Gefuhl ansprechenwill. Aber stellen Sie selbst die entscheiden-de Frage: ,,Where’s the beef?‘‘

http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.03.016

Die Qualit€at der gesundheitlichen Versorgung

Max Geraedts

Mit der Qualitat der gesundheitlichen

Versorgung in Deutschland scheint et-

was nicht in Ordnung zu sein. Obwohl

schon zwei Institute auf der Bundes-

ebene, IQWiG und AQUA, die Quali-

tat im Gesundheitswesen im Fokus

haben, plant die große Koalition die

Grundung eines neuen Instituts fur

Qualitat und Transparenz im Gesund-

heitswesen. Das Institut soll fur den

Burger verstandliche, vergleichende

Informationen zur Qualitat der ambu-

lanten und stationaren Gesundheits-

versorger bereithalten. Langfristig

soll wohl eine qualitatsorientierte

Auswahl und Vergutung medizi-

nischer Leistungserbringer etabliert

werden.

Obwohl unklar ist, inwieweit diese

Idee tatsachlich umgesetzt wird,

kann dennoch hinterfragt werden, ob

dieser Ansatz grundsatzlich geeignet

ist, die Qualitat der gesundheitlichen

Versorgung zu verbessern oder ob an-

dere Ansatze zu praferieren waren.

Zur Beantwortung dieser Frage sollen

im Folgenden einige grundlegendere

Fragen geklart werden:

-

Was ist die ,,Qualitat der gesundheit-

lichen Versorgung‘‘?

-

Wie steht es derzeit um die Qualitat

der gesundheitlichen Versorgung in

Deutschland?

-

Welche Maßnahmen zur Qualitats-

verbesserung werden mit welchen

Effekten eingesetzt?

Qualitatsdefinition

Eine allgemein anerkannte Definition

von ,,Qualitat der gesundheitlichen

Versorgung‘‘ fur Deutschland existiert

nicht. Vielfach werden daher allge-

meine bzw. internationale Qualitats-

definitionen genutzt. Wolfgang Han-

sen, ehemaliger Prasident der Deut-

schen Gesellschaft fur Qualitat,

definiert: ,,Qualitat ist die Uberein-

stimmung von Ist und Soll und was

das Soll ist, das bestimmt der Kunde.‘‘

Ubertragen auf die Gesundheitsver-

sorgung gilt es, die verschiedenen

,,Kunden‘‘ des Gesundheitssystems

und deren jeweilige Sollwerte zu be-

achten (Geraedts und Selbmann,

1997). Auf den Punkt gebracht bedeu-

tet Qualitat fur Patienten bzw. Burger,

dass sie sicher behandelt werden, Er-

krankungsfolgen und fruhe Mortalitat

verhindert sowie Lebensqualitat und

Patientenzufriedenheit aufrechterhal-

ten werden. Fur die Leistungserbrin-

ger ist Qualitat dann gegeben, wenn

die Behandlung nach dem ,,Stand der

Kunst‘‘, also evidenzbasiert erfolgt.

Die Kostentrager betonen zusatzlich

2.e1

Public Health Forum 22 Heft 83 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

die Effizienz des Ressourceneinsatzes.

Und aus der Public Health Perspektive

sollten auf der Basis des Konzepts

der WHO zur Performanzmessung

von Gesundheitssystemen noch die

Aspekte ,,Patientenorientierung‘‘ und

,,Finanzierungsgerechtigkeit‘‘ einbe-

zogen werden (Murray und Frenk,

2000).

Situation in Deutschland

Beachtet man diese verschiedenen

Perspektiven, resultieren unterschied-

liche Situationsbeschreibungen. Die

einen argumentieren, es gebe im Hin-

blick auf die Zuganglichkeit und den

solidarisch finanzierten Leistungska-

talog kaum ein besseres Gesundheits-

system. Andere sehen allerorten Qua-

litats- und Patientensicherheitsdefizi-

te, fehlende Patientenorientierung und

Ressourcenverschwendung.

Einige Belege fur beide Argumenta-

tionslinien seien hier angefuhrt. Der

Euro Health Consumer Index 2013

(EHCI) bestatigt anhand eigener Be-

fragungen und der Analyse offizieller

Statistiken die gute Zuganglichkeit

des deutschen Gesundheitssystems –

moniert aber Praventionsdefizite

(Health Consumer Powerhouse,

2013). Schaut man in die Vergleichs-

datenbanken der WHO (WHO, 2014)

oder OECD (OECD, 2014), dann liegt

Deutschland bei typischen Public

Health Indikatoren wie Lebenserwar-

tung oder perinatale- undMuttersterb-

lichkeit nur im oberen europaischen

Mittelfeld. Die Wirtschaftsberatung

KPMG hat die Daten des EHCI auf

die relativen Gesundheitsausgaben

bezogen und attestiert Deutschland

bei der ,,Ausgabeneffizienz‘‘ eine der

europaweit schlechtesten Noten

(KPMG, 2013). Konkrete Qualitatsda-

ten aus dem akutstationaren Bereich

liefern die externen Qualitatssiche-

rungsdaten des AQUA-Instituts. Im

Bericht zum Jahr 2012 wird einerseits

konstatiert, dass sich die Qualitat in

2.e2

vielen Bereichen uber die letzten Jah-

re hinweg kontinuierlich verbessert

hat. Jedoch werden auch fortbestehen-

de Qualitatsdefizite berichtet, so zum

Beispiel im Bereich der Indikation

zum kathetergestutzten Aortenklap-

penersatz oder Todesfalle bei der

Erstimplantation eines kunstlichen

Kniegelenks (AQUA, 2013). Weitere

Hinweise auf Qualitatsdefizite sind

regionalen Versorgungsanalysen zu

entnehmen, die Unterschiede in der

Versorgung aufzeigen, welche allein

aufgrund unterschiedlicher Erkran-

kungshaufigkeiten nicht zu erklaren

sind (Bertelsmann Stiftung, 2011).

Aus dem ambulanten Sektor zeigen

Daten der Disease Management

Programme sowohl Verbesserungen

der Versorgungsqualitat, als auch fort-

bestehende Defizite (z. B. NGE-DMP,

2012). Und was die Patientenzufrie-

denheit angeht, so wird niedergelasse-

nen Arzten fast durchweg eine hohe

Fachkompetenz und ein gutes bis sehr

gutes Vertrauensverhaltnis zu den

Patienten bescheinigt (FGW, 2013).

Maßnahmen zur

Qualitatsverbesserung

Das heterogene Qualitatsbild zur deut-

schen Gesundheitsversorgung spiegelt

sich in einem ebenso heterogenen

Bundel an Maßnahmen wider, das

der Qualitatsverbesserung im deut-

schen Gesundheitswesen dienen soll.

Grob zu unterscheiden sind gesetzlich

verpflichtende Maßnahmen und frei-

willige. Nachdem die Qualitatssiche-

rung erstmals 1989 im funften Sozial-

gesetzbuch (SGB V) erwahnt wurde,

sind entsprechende Anforderungen

Bestandteil jeder SGB V-Anderung.

Genauso finden sich Qualitatsanforde-

rungen bei der Pflege (SGB XI) und

Rehabilitation (SGB IX). Unter den

bedeutsamsten nun geltenden gesetz-

lichen Strukturanforderungen sind zu

nennen, dass alle medizinischen Leis-

tungserbringer verpflichtet sind, ein

internes Qualitatsmanagement einzu-

fuhren und dass Arzte einer nachzu-

weisenden Fortbildungspflicht unter-

liegen. Im ambulanten Sektor wird

eine Fulle an Nachweisen als Voraus-

setzung zur Erbringung bestimmter

Leistungen verlangt. Darunter Min-

destmengenvorgaben, wie es sie

auch im stationaren Bereich gibt.

Zudem sind alle Leistungserbringer

verpflichtet, sich an externen Quali-

tatsvergleichen (EQS) zu beteiligen.

Von der Ruckmeldung der Ergebnisse

erhofft man sich, eine Orientierung

an den jeweils Besten zu motivieren.

Die Ergebnisse der EQS werden

großtenteils auch in den gesetzlich

vorgeschriebenen Qualitatsberichten

der Krankenhauser veroffentlicht.

Diese sollen vor allem eine qualitats-

orientierte Auswahl von Leistungser-

bringern ermoglichen.

Neben diesen verpflichtenden Quali-

tatsmaßnahmen setzen Leistungser-

bringer in Medizin und Pflege eine

Vielzahl weiterer Maßnahmen der

Qualitatsforderung ein. Kursorisch er-

wahnt seien hier nur die Teilnahme an

Qualitatszirkeln, Fehlerberichtssyste-

men, Qualitatsregistern und Peer

Review Verfahren, die Qualitatsbe-

richterstattung auf der Grundlage

von Patientenbefragungen und GKV-

Routinedaten mit anschließendem

Benchmarking, die Erprobung

qualitatsorientierter Vergutung im

Rahmen integrierter Versorgungsver-

trage und die Zertifizierung von

Gesundheitseinrichtungen.

Unerfreulich wird es, wenn man nach

der Evidenz fur die Effektivitat und

Effizienz dieser qualitatsfordernden

Maßnahmen fragt. Zwar gibt es Bele-

ge fur die Wirksamkeit einzelner

Maßnahmen, jedoch kommen alle

Ubersichtsarbeiten zu dem Schluss,

dass die methodische Qualitat bisheri-

ger Studien nicht ausreicht, um

eine generelle Wirksamkeit und

Public Health Forum 22 Heft 83 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

Wirtschaftlichkeit bislang erprobter

Verfahren abzusichern (Pietsch, 2013;

Øvretveit, 2009; Nicolay et al., 2012;

Simoes et al., 2004; Glattacker und

Jackel, 2007).

Dennoch, der Grundsatz primum nihil

nocere verlangt, dass die Qualitat der

Gesundheitsversorgung von jedem

Leistungserbringer kontinuierlich hin-

terfragt wird. Dazu ist eine systema-

tische Messung notig, die den Ist-Zu-

stand mit dem Soll der verschiedenen

Akteure vergleicht und bei Abwei-

chungen Abhilfemaßnahmen auslost.

Nichts anderes bezwecken die einge-

fuhrten Maßnahmen der Qualitatsfor-

derung. Da die fehlende Evidenz fur

die Wirksamkeit nicht als Evidenz fur

die fehlendeWirksamkeit interpretiert

werden darf, kann nur dringlich dazu

aufgefordert werden, die Forschung

zur Qualitat in der Gesundheitsversor-

gung zu starken. Wenn das neue Insti-

tut fur Qualitat und Transparenz im

Gesundheitswesen dazu beitragt, die

Wissenschaftlichkeit der Qualitatsbe-

wertung und Qualitatsforderung zu

fordern, kann man dessen Einrichtung

nur befurworten.

Der korrespondierende Autor erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.

http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.03.017

Univ.-Prof. Dr. med. Max GeraedtsUniversitat Witten/HerdeckeInstitut fur GesundheitssystemforschungAlfred-Herrhausen-Straße 5058448 [email protected]

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2.e3

Public Health Forum 22 Heft 83 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

Einleitung

Mit der Qualitat der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Obwohl schon

zwei Institute auf der Bundesebene, IQWiG und AQUA, die Qualitat im Gesundheitswesen im Fokus haben, plant die

große Koalition die Grundung eines neuen Instituts fur Qualitat und Transparenz im Gesundheitswesen. Das Institut soll

fur den Burger verstandliche, vergleichende Informationen zur Qualitat der ambulanten und stationaren Gesundheits-

versorger bereithalten.

Summary

Something seems to bewrong with the quality of care in Germany. In spite of two institutions on the federal level – IQWiG

and AQUA - focussing quality of care, the new government plans to install a new institute for quality and transparency in

health care. The institute is assigned to provide citizens with comprehensible and comparative information on the quality of

health care providers.

Schlusselworter:

Qualitat der Gesundheitsversorgung = Quality of care, Qualitatssicherung = quality assurance, Qualitatsbewertung =

quality assessment, Qualitatsverbesserung = quality improvement, Deutschland = Germany

2.e4