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Die Rattenschwanzsehne als Testobjekt für adstringierende Wirkung

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Page 1: Die Rattenschwanzsehne als Testobjekt für adstringierende Wirkung

Arch. exper. Path, u. Pharmakol., Bd. 215, S. 469--482 (1952).

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~tt Bern (Direktor: Prof. Dr. W. WILBR),~DT).

Die Rattenschwanzsehne als Testobjekt fiir adstringierende Wirkung ~.

Von W. WILBRANDT~ H. RYSER und P. ~. WITT.

Mit 9 Textabbildungen.

(Eingegangen am 31. Januar 1952.)

Die Adstringentien geh6ren chemisch sehr verschiedenen Gruppen an. Neben den organischen Gerbmitteln wie Tannin und anderen Gerbs~nren rechnet man. zu ihnen den Formaldehyd, ferner Sehwermetallsalze, Alu- miniumsalze und Calcium.

Gemeinsam ist allen diesen Verbindungen bis zu einem gewissen Grade eine Wirkung, n~mlich die F~llung 15slichen EiweiBes. Auf diesen Zusammenhang ist vielfach hingewiesen worden. Die Wirkung auf das gelSste EiweiB ist auch direkt zur Deutung der adstringierenden Wir- kung in der Weise herangezogen worden, dab die Bildung einer Schutz- schicht ausgefi~llten EiweiBes supponiert wurde, die die Zellen gegen ~uBere Reize abschirmen sollen n, la. Auf die Unzul~nglichkeit dieser Deu- tung hat H~CB~ER schon 19246 aufmerksam gemacht.

Eine andere MSglichkeit, die gemeinsame EiweiBwirkung zur Deutung zu verwenden, liegt in der Wirkung auf GerfisteiweiBkSrper. In diesem Fall kann die Wirkung allerdings nicht in einer Au~f~llung bestehen, sondern w~re in Vorg~ngen zu suchen, die eiweiBchemisch der ausf~llenden Wir- kung am 16slichen EiweiB entsprechen miil3te.

Ein Beispiel solcher Wirkungen an Gerfisteiweil3 wurde in der Beein- flussung der Zellmembran gefunden, ffir die die Untersuchungen yon WYss 19, sowie yon H E ~ S 2° und yon G~R~ER a Belege erbracht haben (siehe auch 16, 17). Der Formaldehyd 15st an diesen Zellen eine Wirkung aus, die mit grSl]ter Wahrscheinlichkeit als Membranwirkung gedeutet werden daf t und die zu einer starken VerzSgerung yon Penetrations- prozessen fiihrt, also offenbar mit einer Herabsetzung der Membrandurch- l~ssigkeit verbunden ist. Aueh ffir Tannin konnte eine ~hnliche, wenn auch schw~chere Wirkung nachgewiesen werden. MSglicherweise besteht sie auch bei Schwermetall, wo sie jedoch noch genauer analysiert werden nlu~.

* Herrn Prof. Dr. W. HEuBNER zum 75. Geburtstag gewidmet.

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Ein anderes Objekt, an dem Geriisteiweifiwirkungen als Modell der Adstriktion beniitzt werden kSnnen, ist die Rattenschwanzsehne 3, s, ~4 Die ersten Untersuchungen, die an diesem Objekt durchgefiihrt worden sind, sind diejenigen yon FmEDm~RG. Er benfitzte vor allem die Dehn- barkeit der Sehne als Kriterium der Wirkungen.

In einer sp~teren Arbeit yon KOMIYAMA s, ebenfalls aus dem STRAUB- schen Institut, wurcle dalm ein anderes Ph~nomen als Modell der ad- stringierenden Wirkung ben~itzt, n~Lmlich die Verk~irzung der Sehne in LSsungen yon Adstringentien. Da die Wirkung der Adstringentien yon jeher mit der Vorstellung einer ,,Zusammenziehung" in Verbindung ge- bracht worden ist (worauf sehon der Name Adstriktion hinweist, ferner die immer wieder gemachte Angabe, der Gesehmack der Adstringentien sei ,,zusammenziehend"), schien die Beobaehtung yon KOMIYAMA ein besonders ansehauliches Bild der adstringierenden Wirkung zu geben. Die Adstriktion im Sinne der zusammenziehenden Wirkung schien hier unmittelbar augenfAllig gemacht.

Trotzdem diirfte die Deutung KOMIYAMAS eine Fehldeutung gewesen sein. Es fiel schon friihzeitig auf, dab die yon KOmYAMA besehriebene Kontraktion der Sehne nicht durch alle Adstringentien bewirkt werden. Tanninl6sungen rufen sie so gut wie gar nicht hervor, auch Formal- dehydlSsungen nur unter Bedingungen, die yon den]enigen der thera- peutischen Verwendung weit entfernt sind.

Der KOMIYAMAsche Effekt ist als Modell der adstringierenden Wir- kung jedoch nicht nut deshalb unzulgnglich, weil er gewisse Adstrin- gentien nicht erfaBt, sondern er ist direkt falseh in dem Sinne, dab er eine Eiweil~wirkung zeigt, die der adstringierenden Wirkung eiweiB- ehemisch entgegengesetzt ist. Dies zu zeigen ist neben anderem Zweck der vorliegenden Arbeit.

Die Untersuchungen gingen aus yon der Beobaehtung, dab neben den Adstringentien eine zweite Gruppe eiweil~chemisch eharakterisierter Ver- bindungen eine typisehe Wirkung auslSsen, n~mlieh die EiweiBdena- turantien. Man erhAlt mit ihnen ~hnliche Spannungsentwicklungen wie mit gewissen Adstringentien, etwa Aluminiumacetat 16. Fiir eine ein- gehendere .~ualyse dieser Wirkungen schien es empfehlenswert, nicht nur eine einzelne Spannungsmessung als Kriterium zu beniitzen, sondern das Verhalten der Sehne in einem weiteren Bereich zu priifen, mit anderen Worten ganze LAngenspannungsdiagramme aufzunehmen TM. Das Resul- tat dieser Untersuchungen ergab nicht nut ein einheitlicheres, liicken- loseres Bild der adstringierenden Wirkungen, sondern auch eine experi- mentell sowohl als theoretisch gut gestiitzte Abgrenzung gegeniiber den denaturierenden Wirkungen. Die beiden Wirkungstypen erweisen sich Ms im Grundmechanismus entgegengesetzt, indem die denaturierende

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Wirkung auf LSsung, die adstringierende offenbar auf Neubildang seit- licher Verknfipfungen der EiweiBketten beruht. Der KoMTY~Asche Verkiirzungseffekt gehSrt offenbar zur Gruppe der denaturierenden Wir- kungen.

Methodik.

Methodisch warden zwei Anordnungen benfitzt. Die eine (Methode I) bestimmt die L~nge der Sehne als Funktion der Spannung, die andere (Methode II) die Spannung als Funktion der L~nge. Die Methode II ist

1 ~g o gT~

b)

. ~ o ~ i b l e D6hnun

I I E 10 Be/agfur~g

Abb. 1. a) Dehnungskurve eines Sehnenfadens. Verl~ngerung des Fadens nach unten gezelchnet. Durchgepauste Originalru~kurve. -- b) Auswertung der Kurve a. Hebelfibersetzung 1:47 (47 m m

Dehnung am Kymographion = 1 m m Dehnung der Sehnc).

die bequemere and pr~zisere. Sie kann auch benfitzt werden zur Messung bzw. Registrierung yon Spannungen, die durch chemisehe Ein~irkungen ausgelSst werden (Ko~n~AMAscher Effekt).

Die Methode I ist die yon KOMIYAMA benfitzte, bei der die Sehne zwischen einem Fixpunkt and einem Maskelschreiber eingespannt and ihre Verkfirzung direkt am Kymographion registriert wird. L~ngen- spannungsdiagramme kSnnen mit dieser Anordnung leicht aufgenommen werden, indem der Schreibhebel auf der tier Sehne entgegengesetzten Seite des Drehlaunkts belastet and die Verkfirzungen aufgezeiehnet werden.

Eine Dehnungskur-ce, die auf diese Weise gewonnen wurde, zeigt Abb. la. Die Sehne wurde in gleichen Zeitabst~nden mit steigenden Ge- wichten (in Stufen ~¢on 0,5 g) belastet and wieder entlastet. Die Kurve zeigt, dab die Verl~ngerang der Sehne zwei Anteile enth~lt, einen rever- siblen and einen irreversiblen bzw. schlecht reversiblen (Dehnungs- riickstand). Ein L~ngenspannungsdiagramm l~I3t sieh demnach auf zwei verschiedene Arten erhalten (Abb. lb) : durch Auftragen des reversiblen Teils der Dehnung (Kurve I) oder der gesamten Verl~ngerung (Kurve II) gegen die Belastung.

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472 W. WILBRANDT, H. RYsm~ und P. N, WITT :

Als die aufsehluBreiehere K o m p o n e n t e wurde die revers ible Dehnbar - ke i t be t r ach te t . Sie is t die im Fo lgenden als , ,Dehnbarke i t " bezeichnete GrSBe, beispielsweise in den Messungen der Abb. 8.

Die zweite Methode, die sich im ganzen besser bew~hr t h a t und bei den sp~teren Versuchen ausschlie~lich benf i tz t worden ist , is t in Abb . 2 dargeste l l t . Sie ben i i tz t ein fr i iher beschriebenes ~s pneumat i sches Uber- t ragungspr inz ip . Die Sehne ist auch hier zwischen zwei P u n k t e n A und B

[

b)

o 5 7O g zog S, Ognnunq

Abb. 2. a) Schema der Anordmmg Methode I I . S = Sehne, A und B = E inspannpunkte der Schne, (7 = Oeh~nge, K == Kugel, D = Diisenrohr, W = Drehpunkt , R = Widers tand , M i ~ Mikro- meterschraube, M a ~ Manometer ; ni~heres i m Text. -- b) Dehnungskurven, die m i t der Anordnung A gewonnen wurden. Ordinate : Verl~ngerung der Sehne (Ablesung an der Mikrometersehraube). Abscisse: Spannung in Gramm (aus den Ablesungen an M a und der zugeh6rigen E ichkurve

gewonnen).

eingespannt , die be i der Aufnahme yon Dehnungsku rven gegeneinander versehoben werden (s. unten) , bei der Reg i s t r i e rung des Ko~IYA~LAsehen Ef fek tes dagegen nahezu unver~nder l iehen A b s t a n d haben. Es wird also die en twieke l te Spannung b e i m KoMIYA~Aschen Effekt wei tgehend isometr isch gemessen. ((~ber den Grad der Ann~herung an isometr isehe Bedingungen siehe unten.)

Das Prinzip der Spannungsmessung ist folgendes. Aus einem Druckreservoir strSmt dutch den Widerstand R in das Diisenrohr D ein (mit Pfeilen angedeuteter) Luftstrom, der an der Kugel K entweiehen kann. Die Kugel K ist in die Ausgangs- 6ffnung der Dtine eingeschliffen und mit einem starren Geh~nge G verbunden, das den Aufhangungspunkt B der Sehne tr~gt. Entwickelt die Sehne Spannung, so wird die Kugel K gegen die Dtise gepreBt und die Luft zurtickgestaut. Der entstehende Staudruck P kann am Manometer Ma abgelesen oder mit einer Registrierkapsel registriert werden. Eichungen der Anordnung durch Anh~ngen yon Gewichten an G haben gezeigt, dab in einem gentigend groBen Bereich der Druck P der Spannung t proportional ist.

Zur I)ehnung der Sehnenf~den dient die Mikrometerschraube Mi, mit der d~s Diisenrohr D um den Auflagepunkt W gedreht werden kann. Die Abst~nde

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der Mikrometerschraubenspitze und der Zuglinie der Sehne vom Drehpunkt sind gleich, so dab die an M i abge]esene Zahl unmittelbar die Dehnung der Sehne in mm angibt.

Mit Hilfe der Dehnvorrichtung wurde aueh gepriift, inwieweit Isometrie der Messung erreicht werden kann. Die Sehne kann sich bei Spannungsentwicklung noeh um den Betrag verkiirzen, um den der Spalt zwischen Kugel und Dtise ver- engt wird. Er kann folgendermaBen bestimmt werden.

Ersetzt man die Sehne durch einen starren Meta]lstab und bet~tigt die Mikro- meterschraube, so verengt man den Spalt um die an M i abgelesene Millimeterzahl m u n d erzeugt so meBbare Staudrucke P. Entnimmt man die zugehSrigen Span- nungswerte t aus der Spannungseichkurve (P gegen t, siehe oben), so erh~lt man dutch Auftragen yon m gegen t die Verkfirzung pro Spannungseinheit.

Es ergab sieh eine Verkiirzung yon etwa 0,002 mm/g Spannung. Mit dieser GrSl3e waren an sich auch die gemessenen Dehnungen bei Aufnahme der Liingen- spannungsdiagramme zu korrigieren. Die Korrektur betr~gt etwa 6~/o der ge- messenen Dehnung. Da keine Absolutmessungen bezweekt waren, sondern nut ~nderungen der Dehnbarkeit interessierten, bei denen die Korrekturen weitgehend herausfallen wiirden, wurde auf ihre Anwendung verziehtet *.

L~ngenspannungsdiagramme, die an einem normalen Sehnenfaden mi~ dec Methode I I gemessen wurden, zeigt Abb. 2b. Der Faden wurde mehrmals gedehnt. Die erste erhaltene Kurve ist die steilste, die sp~teren sind flacher. Auch hier er- weist sich so die Debnbarkeit als zusammengesetzt aus einem reversiblen und einem irreversiblen Anteil. Um den letzteren auszuschalten, wurden alle Sehnen- f~den mehrmals gedehnt und erst die 3. oder 4. Kurve wurde verwertet.

Als Ma~ der Dehnbarkeit wurde die Neigung der Kurve, Al /A t (l := L~nge, t - Spannung) gew~ihlt. Sie wurde in dem mit beater Anni~herung linearen Kurven- tell (zwischen 6,5 und 15 g Spannung) bestimmt und betrug im Mittel etwa 0,38 ram/8,5 g Spannung. Diese GrSBe ist in den folgenden Darstellungen der Bezugswert (1,0) der ,,relativen Dehnbarkeit".

Eine Berechnung in absoluten Einheiten muB die L~nge I und den Querschnitt q der Sehnenf~den berticksiehtigea. Die L~nge der verwendeten F~i.den war einheit- lich 70 ram, der Querschnitt wurde in der l~egel nicht ausgemessen, es wurden jedoch nur Sehnenf~den eines mittleren Querschnitts beniitzt, ffir den als Nithe- rungswert 0,1 mm ~ eingesetzt werden kann. Mit diesen Zahlen ergibt sieh ffir die Dehnungszahl ( ~ Elastizit~tskoeffizient) :

A1 .q 1 . A t

der Wert 7 0 - 0 , 0 0 8 5 - 0,0655 mm~/kg bzw. ffir den Elastizit/itsmodul E ~

der Wert 15,66 kg/mm ~**.

Die Sehnenf~den warden frisehgetSteten Rat ten entnommen und in isoto- niseher KoehsalzlSsung im Ktihlsehrank aufbewahrt. ])as Vorgehen bei der Ent- nahme wurde yon FRIEDBERG ausftihrlieh besehrieben. Die Faden wurden meist am gleiehen Tag, niemals sparer als am 2. Tag bentitzt.

* Anmerkung bei der Korrelctur: Neuere Versuehe seheinen zu zeigen, dal3 die L~ngen~inderungen der Sehnenf~den doeh gr61]er waren als diese Korrektur (Verbiegbarkeit und Dehnung der zur Verbindung yon Sehne und Geh~nge be- niitzten Glashaken und Zwirnf~iden). N~heres in der demn~chst erscheinenden Dissertation RYSER (Bern 1952).

** Dieser Wert ist erheblieh kleiner als diejenigen yon FRIEDB]~RG (150---200), vermutlieh weft ]?RIEDBERG viel h6here Spannungen verwendete.

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474 W. WILBRA~DT, H. R'ZSES und P. N. WITT :

A le LSsungen waren, wenn nicht ausdriicklich anders vermerkt, mit iso- tonischer KochsalzlSsung hergestellt bzw. verdiinnt. Das entsprieht zwar insofern nicht dem therapeutisehen Vorgehen, als die praktisch therapeutisch verwendeten LSsungen im allgemeinen mit Leitungswasser verdiinnt werden. An den lebenden Zellen, vor allem auf Schleimh~uten, werden aber doch durch die Anwesenheit yon Driisensekreten und Gewebssi~ften die Bedingungen sieh den unserigen mehr

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Abb. 3. A Spannungsentwicklung eines Sehnenfadens in verschieden konzentrierten Liisungen yon Natriumsalicylat, -- B Dehnungskurven vor, wiihrend un4 nach der Einwirkung yon ½ tool. l~atriumsalicylat auf einen Sehnenfaden. W~hrend der Elnwirkung des Natriumsalicylats ist eine spontane Bpannung yon 1 g entwickelt worden und die in diesem Zustand registrierte Dehnungs- ku~ve zeigt betr~chtlich erhShte Dehnbarkeit (geringere Spannungsentwicklung bei Dehnung). Die Spannungsentwicklung geht nach Auswaschen der Salicylatliisung vollst~ndig zuriick, die

Dehnbarkeits~inderung teilweise. -- Zeitsignal: 7,5 sec.

anni~ hern als denjenigen in elektrolytfreiem Wasser, so dab sie uns zweckm~Biger erschienen.

U m die I)ehnbarkeit unter verschiedenen Einwirkungen zu vergleichen, wur- den te ils Messungen an verschiedenen Sehnen durchgeffihrt, mit und ohne An- wesenheit des zu priifenden Agens, teils Messungen an der gleichen Sehne, vor und nach der Einwirkung. I)as zweite Vorgehen ist zweckm~i~iger. Beim ersten erhMt man, vermutlich wegen der Streuung der Fadendicke, starker streuende Resultate, die statistiseh beurteilt werden miissen und grSBere Versuchszahlen erforderlich maehen. Die in den Abb. 4, 5 und 6 wiedergegebenen Versuehe sind mit dem t-Test von STUDENT 9 gepriift. Die Resultate sind statistiseh gesiehert.

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I. Die wirkung eiweifldenaturierender Agentien.

l~ber die spannungserzeugende Wirkung yon EiweiBdenaturantien an Sehnenf~den wurde schon in einer kurzen Mitteilung yon WEBER und ROW~DD~.a z~ berichtet. Eine ausfiihrlichere Ver6ffentlichung dariiber er- folgt demn~chst an anderer Stelle.

Abb. 3 A zeigt Registrierungen solcher Wirkungen, die mi~ Natrium- salizylat gewonnen wurden. Die L6sungen erzeugten Spannungen yon einigen Gramm, die nach Auswaschen mit KochsalzlSsung rasch wieder zuriickgingen. Bei Steigerung der Konzentration erreichte die ent- wickelte Spannung bald ein Maxi- mum. HShere Konzentrationen be- wirken in diesen Versuchen nur noch eine Beschleunigung der Spannungs- entwicklung. Bei den hSchsten Kon- zentrationen nimmt die Spannung wieder ab, schliel]lich kann die Sehne bei Dehnung reii]en.

Andere Denaturantien, die mit /~hnlichen Resultatengepriift wurden, sind Guanidin, Rhodanid und Iodid.

Man erh/~lt also mit dicsen eiweiB- denaturierenden Agentien gleiche Wirkung wie KOMrrAMA sie be- schrieben hat, obwohl sie keine Adstringentien sind.

Priift man die Dehnbarkeit eines Sehnenfadens unter diesen Bedin-

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Abb. 4. D e h n u n g s k u r v e n yon Sehnenfi iden in a Harnstoff* und b Salicylat lSsungen. -- Ord ina t e : Re la t ive D e h n b a r k e i t (siehe Text) , Abscisse : K onzen t r a t i on der LSsungen in l oga r i t hmi sc he m lVIaflstab. I n Abb.4 a geben die Kre ise diel~Iittelwer te aus denEinze lmessungen (Punkte ) an. -- E inw i r kungsz e i t 5 rain.

gungen, so erweist sie sich als erh6ht. Der Elastizit~tskoeffizient kann auf ein Vielfaches des Normalwertes steigen. Abb. 4 zeigt Messungen fiir Harnstoff und Salicylat.

Abb. 3 B zeigt eine Registrierung der Spannungsentwicklung und der erhShten Dehnbarkeit unter Salicylat an der gleichen Sehne. Nach Auf- nahme yon zwei Dehnungen wird die Kochsalzl6sung durch Natrium- salicylatl6sung ersetzt. Die Sehne entwickelt nun ohne Dehnung eine Spannung yon 1--2 g. Die darauf folgende neuerliche Dehnung da- gegen erzeugt fast keine Spannung mehr, der Elastizit~tskoeffizient ist stark angestiegen. Die Spannungsentwicklung geht in Kochsalz- 16sung sofort ganz zuriick, die ~nderung der Dehnbarkeit teilweise bzw. langsamer.

Arch. exper. Pa th . u. Pha rmako l . , Bd. 215. 3 2

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476 W . WILB'RANDT, H . RYS~ER u n d P . N . W r r r :

I I . Die W i r k u n g yon Gerbsto]]en.

Tannin bewirkt keine Spannungsentwicklung. Dagegen wird die Dehnbarkeit dutch Tannin herabgesetzt. Abb. 5 zeigt Messungen in ver- schiedenen Konzentrationen. Die Wirkung ist in einem betriichtlichen Bereich unabh~ngig yon der Konzentration. Mazerat aus Eichenrinde zeigt sie in gleicher Weise (Abb. 5b).

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Abb. 5. Dehnbarkeitsmessungen yon Sehne~flidenin a Tanninl6sungen und b Eichenrinde-Maeerat. -- Ordinate: Relative Delmbarkeit (siehe Text). -- Abscisse : Konzentratiou in logarithmischem MaB- stab. Die Kreise sind die Mittelwerte aus den Einzelmessungen (Punkte). Die gestriehelten Linien geben dieMeBresultate bei Messungen an ein und derselben Sehne vor und nach der Einwirkung an.

Das sehrafflerte Gebiet entsprieht etwa den therapeutisch gebr~iuchlichen Verdtinnungen. Einwirkungszeit 5 rain.

i 7,0

0,6'

, , I nonm_a+.l . ~ . . . . . . . . . . . . . . .

I I + I + , , ~ O,~-L , I I

7 7o °1o 700 7 70 °1o 700 l(onz. ~ i(onz.

Abb. 6. Delmbarkeitsmessungen yon Sehnenf~den in LSsungen von a essigsaurer Tonerde und b Biei- wasser. -- Ordinate: l~elative Dehnbarkeit (siehe Text). -- Abscisse: •onzentration in logarith- mischem Mai3stab. (100% = sehweizerische otflzinene LSsung unverdfinnt.) Schraiflert sind die therapeutisch etwa gebr~uchlichen Verdiinnungen angegeben. Kreise: Mittelwerte aus den l!~inzel- messungen (Kreuze). Gestrichelte Linie : Resultat yon Messungen an ein und derselben Sehne (vgl.

Abschnitt Methodik). Einwirkungszeit 5 rain.

I I I . Die W i r k u n g metall ischer Adstr ingent ien .

Die Wirkung yon MetallsalzlSsungen ist komplex. Abb. 6 zeigt Dehn- barkeitsmessungen in verschiedenen Konzentrationen von essigsaurer Tonerde und Bleiwasser. In einem Konzentrationsbereich, der etwa den therapeutisch gebrauchlichen Verdiinnungen entspricht, ist die Dehnbar- keit nach 5 min Einwirkung herabgesetzt wie bei Tannin. In hSheren Konzentrationen ist sie stark gesteigert wie bei Denaturantien.

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Die Rattenschwanzsehne als Testobjekg ffir adstringierende Wirkung. 477

Itier bestehen offenbar zwei Wirkungen, die sich mSglicherweise iiber- lagern: eine gerbende und eine lockernde. Sie kSnnen (in Anlehnung an analoge gebr~uchliche Bezeichnungsweisen) nach den Agentien, die sie in reiner Form erzeugen, als ,,tanninartige" und als ,,harnstoffartige" Wirkung bezeichnet werden.

Abb. 7 zeigt die Priifung auf Spannungsentwicklung in verschieden konzentrierten L5sungen yon essigsaurer Tonerde. In unverdiinnter LS- sung tr i t t betr~chtliche Spannung auf, in 1/10 Verdfinnung ist sie schon

Abb. 7. Spatmungsentwicklung eines Sehnenfadens in verschieden konzentrierter L6sung yon essig- saurer Tonerde. Die unverdiinnte L6sung erzeugt starke, die 10fach verdiinnte noch geringfflgige Spannung, die 100fach verdiinnte ist wirkungslos. Beim Auswaschen mit NatriumchloridlSsung wurde die Registrierung unterbrochen, well der Riickgang der Spannung sehr langsam erfolgt.

Zeitsignal: 7,5 sec.

fast verschwunden, in 1/100 ganz. Sie ist also vor allem dann stark, wenn die Dehnbarkeit erhSht ist, im Gegensatz zu der KOMIYA~Aschen Angabe (aber in ~bereinstimmung mit seinen Messungen, siehe unten).

Dal] Metalle an Kollagenfasern in verschiedenen l~ichtungen wirken kSnnen, ist aus anderen Beobachtungen bekannt und bei der hohen Reaktionsf~higkeit der Metalle nicht fiberraschend. Calciumsalze senken beispielsweise die Schrumpfungstemper~tur (siehe unten) und erhShen die Dehnbarkeit 3 wie es Eiwei~denaturantien tun, Chromsalze erhShen sie la.

Nach unseren bisherigen Beobachtungen wird das gegenseitige Ver- h~ltnis der beiden Wirkungen bei Metalladstringentien nicht nur durch die Konzentration bestimmt, sondern noch durch andere Faktoren, wie die Anwesenheit oder Abwesenheit anderer Elektrolyte, die Einwirkungs- zeit und vermutlich weitere. Eine Analyse dieser Faktoren und ihres Ein- flusses wfirde betr~chtlich mehr Beobachtungsmaterial erfordern als bis- her vorliegt. Ffir den Augenblick mSchten wir uns auf die Feststellung beschr~nken, dab unter unseren Versuchsbedlngungen, die wir der thera- peutischen Situation anzupassen bestrebt waren (5 min Einwirkungszeit,

32*

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478 W . WILBRANDT, Ho RYSER und P. N. W[TT :

isotonische Kochsalzl6sung als LSsungsmittel), die untersuchten metal- lischen Adstringentien in therapeutisehen Verdiinnungen tanninartig wirken, in hSheren Konzentrationen harnstoffartig.

Abb. 8 zeigt eine Zusammenstellung yon Dehnungskurven naeh der Methode I, Abb. 9 Me6resultate nach der Methode II. Neben den bisher genannten Agentien ist hier noch Formaldehyd aufgenommen, der ~hn- lich wie die Metalle bei m~6igen Konzentrationen tanninartige, bei sehr hohen harnstoffartige Wirkung zeigt.

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Abb. 8. Abb. 9.

Abb. 8. Dehnungskurven nach Methode I in verschiedenen L6sungen. Konzentrationen: l~atrium- Salicylat 1,0 tool Harastoff 6 mol. l~aCl isotonisch (0,95%), Tannin 5%. Einwirkungszeit 5 rain.

Abb. 9. Zusammenfassung der Resultate mi~ Methode I I . -- Ordinate: Relative Dehnbarkeit in Prozent des normalen Werts. Einwirkungszeit 5 min.

Es ergibt sich so als gemeinsame Wirkung aller gepriiften Adstrin- gentien die Herabsetzung der Dehnbarkeit in Verdfinnungen, die etwa den therapeutisch gebri~uchlichen entspreehen, daneben eine dehnbar- keitssteigernde Wirkung der Denaturantien sowie einiger Adstringentien in hohen bis hSchsten Konzentrationen. Spannungsentwicklung an der ungedehnten Sehne ergibt sich im allgemeinen dann, wenn die Dehnbar- keit erh5ht ist.

IV. Die Grundwirkungen am Eiweiflmoleki~l und ihre pharmakolog@che Bedeutung.

Kollagen ist ein Fadeneiweil3, d. h. die Molekiile sind langgestreckte Polypeptidketten, die in der Richtung der Faser parallel zueinander liegen. Die Faser erh~lt ihre Festigkeit durch seitliche briickenartige Ver- bindungen zwischen den Kettenmolekiilen. Im Kollagen bestehen sie vor- wiegend aus Wasserstoffbriicken, z.B. zwischen --NH und --CO- Gruppen, sowie aus salzartigen Bindungen zwischen ---COO- und

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Die Rattenschwanzsehne aIs Testobjekt fiir adstringierende Wirkung. 479

--NH3+-Gruppen an Seitenketten yon Diamino- und Dicarboxyl- Aminos~uren. Daneben kSnnen auch andersartige Briicken ,¢orkommen. Im Keratin z. B. sind - - S-S-Briicken yon groBer Bedeutung, die den Hauptangriffspunkt keratolytischer Wirkungen (z. B. durch SH-Grup- pen) bilden. Eine Zusammenstellung der mSglichen Briickenarten finder sich bei LUNDGI~EN 10.

Wird eine Faser gedehnt, so kSnnen entweder Kettenmolekiile aneinander gleiten (,,FlieBen" der Sehne) oder die Hauptvalenz- ketten selbst gestreckt werden. Letzteres geschieht gegen elastisehe Krgfte, die in der gegenseitigen Anziehung gewisser Gruppen begriindet sind, und fiihrt daher zu Spannungsentwicklung. Je starrer das System durch Briickenbindungen gefiigt ist, desto grS~er wird die entwickelte Gegenspannung sein, d. h. desto kleiner die Dehnungszahl (Elastizitgts- koeffizient) und desto grSl~er der Elastizitgtsmodul. ,,Vernetzung" durch Seitenbriicken ist demnach ein mSglicher Mechanismus der tanninartigen Wirkung. Tats~Lchlich wird der Meehanismus der Ledergerbung auf solche Vernetzungsvorggnge bezogen (eine ausfiihrliche Darstellung finder sich bei GVSTAVSONS), die zum Teil gut bekannt sind (z. B. beim Formaldehyd, Literatur dazu siehe bei FRENCH und EDSALL2). Auf die Parallele zwi- sehen Ledergerbung und Adstriktion ist wiederholt, so z. B. bei HENS- ~ER und SCHREIB]~R 1937 ~, hingewiesen worden.

Die Wirkung der Denaturantien am 15sliehen Globulareiweil~molekiil wird heute in der LSsung yon Briiekenbindungen gesehen, z. B. mit An- griff an Wasserstoffbrficken dutch Molekiile, die selbst Wasserstoffbin- dungen eingehen (Harnstoff, Salieylat u. a.) oder dureh Entladung der ionisierten Gruppen der Salzbindungen (Sgure, Alkali). Am 15sliehen Ei- well3 ist die Folge eine Entfaltung der Polypeptidkette, die sieh in er- hShter Viskosit~t, erhShter l~eaktionsi'ahigkeit gewisser Gruppen (z. B. SH) verminderter LSsliehkeit u. a. guBert. (Eine ausffihrliehere Diskus- sion finder sich bei ANSON.)

Am unlSslichen Fadenmolekiil wird die gleiche Wirkung sieh zungchst in erhShter Dehnbarkeit ~ul3ern miissen, wie sie tatsAehlich beobaehtet wird. Wird die Zahl der geSffneten :Briicken sehr groG, so ,,zerflieBt" die Sehne bei Dehnung, die Molekiile gleiten aneinander vorbei, ohne da~ noeh die M6glichkeit zur Bildung elastiseher Gegenkr~fte bestehen wiirde.

Wird die Sehne nicht gedehnt, so ~LuBert sieh die LSsung der Briieken unter der Wirkung yon Denaturantien in freierer thermischer ]3eweglich- keit der Ketten in der Querriehtung zur Faser. Die Folge davon mug eine ErhShung der Spannung sein, in ~3bereinstimmung mit der Be- obaehtung. Ffir den Fall der Hitzedenaturierung ist diese Anschauung schon 1937 yon M~.yxl~ und FERI~112 thermodynamiseh begriindet und experimentell belegt worden. Die Verkiirzung der freien Sehne bei der Hitzedenaturierung (die der Spannungszunahme der isometriseh fixierten

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480 W. WILBRANDT, Ho RYSER und P. N. WITT:

Sehne entspricht) ist seit langem bekannt und das schmale Temperatur- gebiet der Hitzedenaturierung spielt als , ,Schrumpfungstemperatur" in der Gerbereichemie die Rolle eines wichtigen Tests. Sie ist eine Funktion der Zahl der Seitenbriicken, bei Vernetzung steigt sie an, bei Ent- netzung (,,Denaturierung") sinkt sie. Die so molekularkinetisch erzeugte Spannung zeichnet sich dutch einen (thermodynamiseh begriindeten) positiven Temperaturkoeffizienten aus, wie er fiir die Spannung yon Kautschuk bekannt ist. Das Verhalten wird daher auch als ,,Kautschuk- elastizit~t" bezeichnet.

Erweisen sieh so die Spannungserzeugung durch Denaturantien und die Dehnbarkeitsverminderung durch Gerbstoffe als im Wesen antago- nistisch, so ergibt sich in der Tat die Folgerung, dab die KOMIYAHAsehe Beobaehtung nicht als Modell der adstringierenden Wirkung betrachtet werden darf, sondern einen gegensinnigen Effekt darstellt.

Es geht auch aus allen yon KOMIYAHA wiedergegebenen Kurven her- vor, dab in seinen Versuchen die Dehnbarkeit der Sehne stark erhSht war, wenn eine Verkiirzung dureh Adstringentien ausgel6st worden war. In der KoHiYAHAsehen Diskussion wird das dadureh verschleiert, daI~ er yon ,,Verringerung der absoluten, ErhShung der relativen Dehnbar- keit" spricht. Gemeint ist mit dieser unverst/indliehen und irrefiihrenden Bezeichnung vermutlich die Tatsache, dal~ die etwa durch Aluminium- acetat verkiirzte Sehne sich bei Belastung mit 8 g zwar st/~rker dehnt als die unbehandelte (etwa um einen ffinffach h6heren Betrag!), aber doeh noch nicht die Lgnge des unbehandelten Fadens erreicht. Das ist jedoch offenbar nur eine Frage der angesetzten Belastung. Verst/£rkt wird die Irrefiihrung dadurch, dab in der Zusammenfassung der VerSffentlichung iiberhaupt nur noch die Rede ist yon ,,Verminderung der Dehnbarkeit".

Fiir die Gruppe der konzentrationsabhgngig wirkenden Agentien, d.h. fiir die Metalle, aber auch fiir den Formaldehyd ist demnach anzunehmen, dab sie sowohl vernetzen, also neue Briicken bilden, als auch bestehende 16sen kSnnen.

Es ist nicht wahrscheinlich, dal] beides an den gleichen Punkten der Ket te geschieht. Im Fall des Formaldehyds finder die Vernetzung in erster Linie zwischen NH2-Gruppen stat t (ausfiihrliche Diskussion bei FRENCH und EDSALLS). Die harnstoffartige Wirkung (Dehnbarkeits- zunahme) in hohen Konzentrationen dagegen wird auf die F/~higkeit des Molekiils zuriickzufiihren sein, Wasserstoffbindungen einzugehen. In den Versuchen yon M]sY]Sl~ und FSRRI wurde, um den positiven Temperatur- koeffizienten der Spannung an der hitzedenaturierten Sehne zu zeigen, mit verdiinnten LSsungen yon Formaldehyd vorbehandelt. Dadurch wurden offenbar an Stellen, an denen die Denaturierung nicht angreift, Briicken geschaffen, die dann nach der Denaturierung das ,,Gleiten" verhinderten.

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Die Rattenschwanzsehne als Testobjekt ftir adstringierende Wirkung. 481

Die Eigenschaft metallischer Adstringentien, inhohen Konzentrationen harnstoffartig zu wirken, wird auf die F~higkeit der Metalle zu beziehen sein, mit verschiedenen Gruppen Bindungen einzugehen. Eine Sprengung yon Briicken ist auf diese Weise sowohl an der Stelle der Wasserstoff- bindungen als an der Stelle der salzartigen Bindungen denkbar.

Die Beobachtungen am FasereiweiB des Kollagens haben auffallende Parallelen an der Zellmembran, die auf ~hnliches Verhalten des Mem- braneiweii3es zu beziehen sein dfirften.

Tannin verzSgert den Durchtritt gelSster Substanzen, wie des Gly- cerins und in besonders starkem Ausma2 yon Anionen. Alle gepriiften Denaturantien bewirken Durchl~ssigkeitssteigerungen, die sich vor allem in kolloid-osmotischer H~molyse ~ul~ern (Kationenpermeabilit~t), aber auch organische Molekfile wie Saccharose betreffen. Formaldehyd wirkt in m~Bigen Konzentrationen penetrationsverzSgernd (vor allem auf die Penetration des Wassers und des Formaldehyds selbst), in hohen pene- trationsbeschleunigend (kolloid-osmotische H~molyse). Schwermetalle haben ebenfalls beide Wirkungen: kolloid-osmotische H~molyse und ,,Hi~rtung" (letztere noch nicht genfigend analysiert in bezug auf den Angriffspunkt der Vernetzung: MembraneiweiB oder H~moglobin).

So ergibt sieh aus diesen Parallelen eine weitere Stiitze fiir die Annahme, dab das Substrat der biologisehen Eiwei~wirkung der Adstrin- gentien weniger in gelSsten Eiwefl~kSrpern zu suchen ist als in Geriist- eiweiBen, vor allem in der Zellmembran.

Zusammenfassung. Die Sehnenf~den der Rattenschwanzsehne zeigen unter der Einwir-

kung chemischer Agentien hauptsi~chlich zwei Reaktionstypen, die als tanninartig und als harnstoffartig bezeichnet werden.

Die tanninartige Wirkung besteht in einer Herabsetzung der Dehn- barkeit der Sehne und wird auf Vermehrung der Briickenbindungen zwischen den Kettenmolekiilen der Fadeneiwei~e bezogen.

Die harnstoffartige Wirkung, die yon einer Reihe als Eiweil~dena- turantien bekannten Agentien ausgelSst wird, besteht in einer spontanen Spannungsentwicklung und in einer erhShten Dehnbarkeit des Fadens. Die spontane Spannungsentwicklung wird als thermoelastischer Effekt im S~nne der Kautschukelastizit~t (Spannungsentwicklung durch ver- mehrte thermische Beweglichkeit in der Querrichtung zur Faser) ge- deutet. Ihre Ursache wird in der LSsung yon Querverbindungen gesehen, die auch als die Grundlage der erhShten Dehnbarkeit betrachtet wird. Die gelSsten Briicken sind in diesem Fall offenbar Wasserstoffbriicken, im Fall der Siiure- oder Alkaliwirkung in erster Linie Salzbrficken.

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482 W. WILBRANDT, ~-I, I~YSER und P. I~. WITT: Die Rattenschwanzsehne usw.

M e t a l l a d s t r i n g e n t i e n u n d F o r m a l d e h y d ze igen be ide W i r k u n g e n : in

t h e r a p e u t i s c h e n V e r d i i n n u n g e n t a n n i n a r t i g e , in h S h e r e n K o n z e n t r a t i o -

n e n h a r n s t o f f a r t i g e W i r k u n g . A u c h diese W i r k u n g e n w e r d e n in g le icher

W e i s e a u f V e r m e h r u n g bzw. V e r m i n d e r u n g der Q u e r v e r b i n d u n g e n be-

zogen. D ie in F r a g e k o m m e n d e n M e c h a n i s m e n w e r d e n d i sku t i e r t .

Es w i r d a u f die Pa ra l l e l e zu W i r k u n g e n h ingewiesen , die an de r Zell-

m e m b r a n m i t A d s t r i n g e n t i e n aus lSsba r s ind. E s w i r d a n g e n o m m e n , dab

sich dabe i a m Membraneiwei l~ ~hnl iche Vorg~nge absp i e l en wie an d e n

F a s e r m o l e k f i l e n des K o l l a g e n s in de r R a t t e n s c h w a n z s e h n e . So lche W i r -

k u n g e n an Z e l l m e m b r a n e i w e i ~ w e r d e n als das w ich t i g s t e S u b s t r a t d e r

p h a r m a k o l o g i s c h e n a d s t r i n g i e r e n d e n W i r k u n g b e t r a c h t e t .

L i t e r a t u r .

1 Ai'~SON, M. L.: Advances of Protein Chemistry II , 361 (1945). - - 2 FRENCH, D., and J . T. EDSALL: Advances of Protein Chemistry II , 278 (1945). - - 3 FRIED- BERG, E. : Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 89, 66 (1921). - - 4 G~RBER, J. : Diss. Bern 1952. - - 5 GUSTAYSOI% •. H. : Advances of Protein Chemistry V, 354 (1949). - - s HEUB~R, W. : Klin. Wschr. 3, 824 (1924). - - 7 H~UB~ER, W., u. E. SCnREIBER: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 184, 340 (1937). --SKoMIYXMA, T.: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 112, 22 (1926). - - 9 LIEDER, A. : Statistische Methoden. Basel 1951. - - 10 LVNDGREN, H. P. : Advances of Protein Chemistry V, 305 (1949). - - 11 H]CYER, H. It . , u. E. GOTTHEB: Experimentelle Pharmakologie, S. 245. Wien 1936. - - 12 MEYER, K. I~., u. C. F~RRI: Pfliigers Arch. 238, 78 (1937). - - 13 RYSER, H., W. WILBRA~DT et P. N. WITT: tIelvet. Physiolog. Acta 8, C 70. - - 14 STRAUB, W. : J. of Pharmacol. 29, 83 (1926). - - 15 W E ~ R , J. R., et M. ROWEDD~R : Helvet. Physiol. Acta 7, C 64 (1949). - - 16 WILBRA~DT, W.: Arch. exper. Path. u. Phar- makol. 212, 9 (1950). - - 17WILBRANDT, W.: Schweiz. reed. Wschr. 1952 (im D r l l c k ) . - - 18 WILBRANDT, W . , et J. L. DE LA CUADRA: Helvet. Physiol. Acta 5, 272 (1947). - - 19 WILBRANDT, W., et H. U. WYss: Helvet. Physiol. Acta 5, 457 (1947). - - ~.0 WILBt~ANDT, W., et H. H E I ~ A ~ : Helvet. Physiol. Acta 6, 750 (1948).

Prof. Dr. W. WILBRANDT, Bern, Pharmakol. Institut der Universit~t.