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Die Rolle der konfessionellen Wohlfahrt im 20.Jahrhundert Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Konfessionellen Wohlfahrt im 20. Jahrhundert Vorgestellt von Kornelia Becker-Oberender

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Die Rolle der konfessionellen Wohlfahrt im 20.Jahrhundert

Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Konfessionellen Wohlfahrt im 20. Jahrhundert

Vorgestellt von Kornelia Becker-Oberender

Die Rolle der konfessionellen Wohlfahrt im 20.Jahrhundert

Ende des 19. Jahrhunderts:WohltätigkeitArmenpflege

Konfessionelle Verbände

und Initiativen,Privatpersonen

KommunaleArmenpflege wie

z.B.Elberfelder System

unabhängig operierende

kleine Verbände

Anforderung: Modernisierung des Armenwesens

Konstituierung der Weimarer Republik

1919 Weimarer Verfassung und damit erhält der Staat die Gesetzgebungskompetenz für das Armenwesen, die Wandererfürsorge, Jugendfürsorge, das Gesundheitswesen und die Fürsorge für die Kriegsteilnehmer

Politikum: → Sozialdemokraten attackieren die konfessionellen Wohlfahrtsverbände mit ihren

wohlfahrtspolitischen Konzepten der Kommunalisierung und Entkonfessionalisierung der Wohlfahrtspflege

→ Unterstützung der konfessionellen Wohlfahrt durch katholisches Zentrum (stellte Arbeitsminister) und den Aufbau einer schlagkräftigen konfessionellen Lobby in Form der Gesamtorganisationen der Caritas, Inneren Mission und Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden

Forderung der Konfessionellen Wohlfahrtsverbände:Subsidiaritätsprinzip (Kern der katholischen Soziallehre) gegenüber staatlichen Zuständigkeiten

Definition „Subsidiarität“

Beschreibt das Verhältnis von Staat und Individuum. Er bezieht sich auf die "Nachrangigkeit" der öffentlichen Träger; diese übernehmen soziale Aufgaben erst dann,

wenn der Bedarf nicht durch freie Träger gedeckt werden kann.

Bürgerliche liberale Gesellschaftsauffassung des 19. Jahrhunderts. Die Verantwortung für die eigene Existenz liegt beim Individuum selbst. Organisation sozialen Handelns auf der Linie: Individuum - Familie - Gemeinde - Staat

Ursprung des Begriffs

Bestandteil der katholischen Soziallehre, welche in der Enzyklika "Quadragesimo anno" von 1931 das Verhältnis verschiedener Sozialgebilde untereinander regelt. Kleine gemeinschaftliche Sozialorganisationensollen demnach vor dem Zugriff übermächtiger bürokratischer Staatlichkeit geschützt werden.

lat. zurücktreten, nachrangig sein

Duale System der Wohlfahrtspflege

Subsidiaritätsprinzip als "Kampfformel"

Sieg der Konfessionellen Wohlfahrt 1920 Aufnahme in die Weimarer Verfassung Art. 138.2 zuzüglich der dort festgelegten hoheitsrechtlichen Garantieerklärungen Art. 136 – 139 und 141 des Staates an die Kirchen

1924 Stärkung mittels Fürsorgepflichtverordnung (RFV) - Einbau der Verbandswohltätigkeit in die wohlfahrtsstaatliche Politik

1926 Anerkennung durch die Reichsregierung und Status eines „Spitzenverbandes“ und damit ausgedehnte Möglichkeiten einer öffentlichen Förderung und der paritätischen Besetzung der sozialen Ausschüsse

Unterstützende Faktoren zum Aufbau der dualen Struktur → 1919 Anschluss der Abeiterwohlfahrt und des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband

→ Staat und Kommunen allein überfordert mit der Ausführung der Wohlfahrtspflege.

→ Erfahrung der Wohlfahrtsorganisationen, ihre Dienste und Einrichtungen unverzichtbar

→ Unterstützung der Verbände- Politik durch Reichsarbeitsministerium (Zentrumspartei)

Leitnormen einer neuen Art von Wohlfahrtspflege

Aus den unterschiedlichen Interessen wie

→ Volksmissionarische Aufklärung und der Kampf gegen eine drohende Säkularisierung der Gesellschaft

→ Polizeirechtlich und ordnungspolitisch intervenierender Fürsorgestaat

→ Ansätze einer kommunalen Armenfürsorge

→ Optionen eines demokratischen und sozialen Verfassungsstaates

bilden sich nun Leitnormen einer neuen Art von Wohlfahrtspflege, die sich in praktischer Arbeitsteilung zwischen öffentlichen und freien Trägern aufteilt.

Reichsspitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in der Weimarer Republik

Deutscher Caritasverband (DCV) 1897 - katholischen Kirche

Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland unter dem Namen Innere Mission 1849

Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) 1917 Dachverband jüdischer Organisationen

Arbeiterwohlfahrt (AWO) 1919 – konfessionsfreie Selbsthilfe der Arbeiterschaft

Deutsches Rotes Kreuz (DRK) 1863 aus der Hilfe für Kriegsopfer entstanden

Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DER PARITÄTISCHE) 1924 jüngster Verband aus Organisationen und Verbände aller Fachbereiche, die ihre Eigenständigkeit fördern wollen.

Konfessionelle Wohlfahrt zur Zeit des Nationalsozialismus (NS)

Soziale Arbeit überflüssig?

Im Bereich der Jugendpflege kümmern sich:

HJ – Hitlerjugend um die gesunde, gemeinschaftsfähige Jugend NSV um die Problemgruppen Kirchen (Caritas und Diakonie) um die Erbminderwertigen

Nach 1941 kollabiert angesichts der wachsenden Kriegsfolgen das gesamte Wohlfahrtswesen und die Bevölkerung aktiviert die „Selbsthilfe“.

Neustrukturierung der Wohlfahrtsverbandslandschaft, d.h. nach 1933 sind nur noch vier Organisationen Spitzenverbände: Die neu gegründete NS-Volkswohlfahrt NSV, Innere Mission der evangelischen Kirche, Caritas der katholischen Kirche und Rotes Kreuz.

Die NS-Volkswohlfahrt (NSV) hat durch Führernähe die Steuerungsfunktion über die gesamte Wohlfahrtspflege.

Die Wohlfahrtsregelung in den Gesetzen RJWG und FSV bleiben erhalten, denn nicht der Inhalt ist entscheidend sondern in welcher Gesinnung sie ausgeführt werden.

Reorganisation der konfessionellen Wohlfahrtsverbände

Konfessionelle Wohlfahrtsverbände und Kirchen überstehen organisatorisch den Nationalsozialismus und erlangen durch Hilfslieferungen beim Wiederaufbau großes Prestige. Die AWO, DPWV, DRK, ZWSJD werden wieder neu gegründet.

Politikum:CDU/CSU hatte parteipolitisch großes Interesse an einer starken konfessionellen Wohlfahrt. Garantieerklärungen für die konfessionellen Wohlfahrtsverbände werden im Grundgesetz Art. 123 und Art. 140 festgelegt.

1961 baut die Regierung Adenauer die Vorrangstellung der freien Wohlfahrtsverbände durch gesetzliche Regelungen aus. „Das Verhältnis von öffentlicher und privater Fürsorge wird im Sinne der Kontinuität nach den in der Weimarer Republik etablierten Prinzipien bestätigt“(Hering 2005, 196)

Das Subsidiaritätsprinzip (Kirchliche Subsidiarität) wird erneut im Bundessozialhilfegesetz - BSHG und Jugendwohlfahrtsgesetz - JWG verankert und die Vorrangstellung der konfessionellen Wohlfahrtsverbände mittels Einer "Funktionssperre" gestärkt.

Der Subsidiaritätsstreit

Ende der 60er Jahre gibt es konfliktreiche Auseinandersetzungen über das Verhältnis und die Kompetenzen von öffentlicher Fürsorge und Freier Wohlfahrtspflege.

Konfessionelle Wohlfahrtsverbände sind bestrebt ihre frühere Stellung im Bereich der Jugendhilfe zu stabilisieren

Und die Stellung der Kirchen gegen wachsende Säkularisierungs-tendenzen zu verteidigen.

1967 Entscheidung des BVerfGPlanungs- und Finanzhoheit bei öffentlichem Träger (Staat, Land, Kommunen)

Handlungsvorrang bei freien Trägern sowie ein Mitspracherecht bei wohlfahrtlichen Angelegenheiten

Veränderung:"säkularisiertes" Subsidiaritätsprinzip

Kooperationszusammenhänge komplex zwischen Staat und Verbänden. Verbände werden jedoch durch Vorgaben baurechtlicher, personeller und konzeptioneller Standards eingeengt.

Die 70er und 80er Jahre

Neokorporatismus und die konfessionelle Wohlfahrt → Wohlfahrtskartelle (Spitzenverbände) erfahren großen Aufschwung → Aktive Beteiligung in der Sozialpolitik → Schaffung von entwicklungspolitischen Organisationen wie „Brot für die Welt“ und „Miserio“

Entstehung und Verbreitung selbstorganisierter Initiativen und Selbsthilfegruppen → Gleichsam dieselben Wurzeln wie die Wohlfahrtsverbände→ Solidarisch organisierte Gruppen als Alternative zu den etablierten Wohlfahrtsverbänden→ Ausdruck der Unzufriedenheit mit bestehenden Hilfsangeboten bei den Betroffenen→ Legitimationsdruck durch Kritik an der praktischen als auch propagandistischen Arbeit → Bestreben nach Autonomie, Selbstorganisation und Selbsthilfe der Betroffenen

www.selbsthilfegruppen-augsburg.de/home/bild.gif

Rolle der konfessionellen Verbände nach

der deutschen Vereinigung

1991 in KJHG Subsidiaritätsprinzip für Wohlfahrt bekräftigt und in verschiedenen Einzelbestimmungen wie §§ 3, 4, 5, 8, 9,11,36,71,74,78 und 80 verankert. Gleichzeitig in Bevölkerung Kritik an Legitimität des Systems Freier Wohlfahrtspflege. Forderung nach Neugestaltung der Wohlfahrt.

Die Deutsch - Deutsche Vereinigung:Förderung von Trägern orientiert sich am traditionellen Subsidiaritätsverständnis der Weimarer Republik und daher Bevorzugung der konfessionellen Verbände.

Aufbau der Wohlfahrtsverbände in den neuen Bundesländern wird in Form einesInstitutionentransfers inklusive rechtlicher Grundlagen, staatlichen Förderungsprogrammen und ordnungspolitischen Vorstellungen kooperativ von Wohlfahrtsverbänden und Bundesregierung organisiert.

Besonderheit: Dienstleistung orientiert sich vorwiegend an Kostendeckung und Leistungsfähigkeit.

Ökonomisierung konfessioneller

Wohlfahrtsverbände

Situation Ende des 20. Jahrhunderts:

Ambivalenz der konfessionellen Wohlfahrtsverbände

Verbandsspezifische Charaktere der jeweiligen Arbeit immer weniger deutlich

Marktöffnung und Gleichstellung gewerblicher Träger

Säkularisierungsprozesse

Neue Aufgaben

Motto jetzt: Am Ball bleiben!

Die Europäisierung und die konfessionellen Wohlfahrt

Vertretung der konfessionellen Wohlfahrtsverbände:

Wunsch:Deutsche Spitzenverbände möchten die Anerkennung als dritter Sozialpartner neben Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. deren Organisation

Neue Aufgaben:→ Kosten-Nutzen-Rechnungen statt traditionelle sozialethisch begründeter Privilegien→ Ökonomische, effiziente Aufgabenwahrnehmung → Professionelles Management → Entwicklung eines neuen Dienstleistungsverständnisses → Wirtschaftliche Rationalität in Form einzelwirtschaftlicher Betriebe

Die Europäisierung und die konfessionellen WohlfahrtVielen Dank!

Referentin: Kornelia Becker-Oberender