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«Ich hätte nie erwartet, dass die Märkte nach diesem faulen Kompromiss in der Griechenland-Frage ein derartiges Kursfeuerwerk einleiten», gesteht Raieisen-Ökonom Martin Ne. Bild: Manuel Zingg/Ex-Press Von Claude Chatelain 08:10 Stichworte Griechenland vor dem Grexit Konjunktur Geld Raieisen Artikel zum Thema Varoufakis' Grexit- Geheimplan Plante die griechische Regierung einen Währungsputsch? Ja, behauptet eine griechische Zeitung. Sie veröffentlichte angebliche Details der Pläne. Mehr... 27.07.2015 Nicht mehr von dieser Welt Reportage Alle reden derzeit vom Grexit. In Griechenland leben auf dem Berg Athos Männer, die sich schon längst von allem verabschiedet haben. Mehr... Michael Hugentobler. 23.07.2015 «Will keine weitere Grexit- Debatte» Grexit oder nicht? Oder nur auf Zeit? Bundeskanzlerin Angela Merkel verbittet sich solche Diskussionen. Ein Währungsaustritt Griechenlands ist für sie vom Tisch. Mehr... 19.07.2015 Zur Person Martin Neist seit April 2013 Chefökonom von Raieisen Schweiz. Diese neu geschaene Stelle erfolgte im Rahmen der Strategie, sich verstärkt als Vermögensberatungsbank zu positionieren. Martin Nediplomierte als Volkswirt an der Universität Konstanz und war Leiter des Economic Research sowie Chefökonom der CS. Dort befasste er sich hauptsächlich mit dem Schweizer Immobilienmarkt. cch «Die Schweiz ist angeschlagen wegen des Wechselkurses» Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe, über Börsenkurse, Zinsentwicklung und Absturzrisiken. Herr Neff, seit Monaten heisst es, wegen der tiefen Zinsen gebe es kaum Alternativen zu Aktien. Und doch hat Raiffeisen Aktien untergewichtet. Martin Neff: Im Mai hatten die Märkte damit angefangen, den Grexit als ein ernst zu nehmendes Szenario zu betrachten. Da haben wir uns gesagt, der unsichere Ausgang werde nicht spurlos an den Märkten vorbeigehen. Damit lagen wir richtig. Ich hätte aber nie erwartet, dass die Märkte nach diesem faulen Kompromiss vom 6.Juli 2015 ein derartiges Kursfeuerwerk einleiten. Man hatte die Wahl zwischen Grexit und Weiterwursteln. Man entschied sich fürs Weiterwursteln. Warum soll das positiv sein? Für mich ist das Durchwursteln auch die schlechtere Nachricht. Doch die Märkte sehen das anders. Sie ziehen das Durchwursteln einem Grexit mit seinen noch grösseren Unsicherheiten vor. Man ist fürs Erste zufrieden, obschon die Griechenland-Problematik damit überhaupt nicht vom Tisch ist. Es ist paradox: Die Griechen haben ein noch schärferes Sparpaket angenommen, das sie tags zuvor an der Urne noch ablehnten. Es gibt eine Laune im Markt, die sich sagt, man wolle sich nicht mehr mit Griechenland beschäftigen. Die Anleger haben die Nase gestrichen voll von der Griechenland-Thematik. Man hat wochenlang das Griechenland-Problem nicht ernst genommen, bis sich der Grexit zuspitzte und die Zahlung an den Internationalen Währungsfonds ausblieb. Mit dem faulen Kompromiss geben sich die Märkte auch deshalb vorerst zufrieden, weil sie sich nicht mehr mit diesem kleinen, wirtschaftlich unbedeutenden Land befassen wollen. Und jetzt wird der Swiss Market Index (SMI) seinen historischen Höchststand von 9548 Punkten vom Juni 2007 bald übertreffen? In diesem Jahr hat der SMI schon zweimal vor dem historischen Höchststand gedreht, auch Anfang letzter Woche wieder. Ich glaube nicht, dass der SMI im laufenden Jahr auf 9800 oder gar 10'000 Punkte steigen wird. Oder anders «Die Schweiz ist angeschlagen wegen des Wechselkurses» -... http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-kon... 1 von 3 28.07.15 09:43

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  • Ich htte nie erwartet, dass die Mrkte nach diesem faulen Kompromiss in der Griechenland-Frageein derartiges Kursfeuerwerk einleiten, gesteht Raieisen-konom Martin Ne.Bild: Manuel Zingg/Ex-Press

    Von Claude Chatelain 08:10

    Stichworte

    Griechenland vor dem Grexit

    Konjunktur

    Geld

    Raieisen

    Artikel zum Thema

    Varoufakis' Grexit-Geheimplan

    Plante die griechische Regierung einenWhrungsputsch? Ja, behauptet einegriechische Zeitung. Sie verffentlichteangebliche Details der Plne. Mehr...27.07.2015

    Nicht mehr von dieser WeltReportage Alle reden derzeit vom Grexit. InGriechenland leben auf dem Berg AthosMnner, die sich schon lngst von allemverabschiedet haben. Mehr...Michael Hugentobler. 23.07.2015

    Will keine weitere Grexit-DebatteGrexit oder nicht? Oder nur auf Zeit?Bundeskanzlerin Angela Merkel verbittet sichsolche Diskussionen. Ein WhrungsaustrittGriechenlands ist fr sie vom Tisch. Mehr...19.07.2015

    Zur Person

    Martin Ne ist seit April 2013 Chefkonom vonRaieisen Schweiz. Diese neu geschaeneStelle erfolgte im Rahmen der Strategie, sichverstrkt als Vermgensberatungsbank zupositionieren. Martin Ne diplomierte alsVolkswirt an der Universitt Konstanz und warLeiter des Economic Research sowieChefkonom der CS. Dort befasste er sichhauptschlich mit dem SchweizerImmobilienmarkt. cch

    Die Schweiz ist angeschlagen wegen desWechselkursesMartin Neff, Chefkonom der Raiffeisen-Gruppe, ber Brsenkurse, Zinsentwicklung undAbsturzrisiken.

    Herr Neff, seit Monaten heisst es, wegen der tiefen Zinsen gebe es kaumAlternativen zu Aktien. Und doch hat Raiffeisen Aktien untergewichtet.Martin Neff: Im Mai hatten die Mrkte damit angefangen, den Grexit als ein ernst zunehmendes Szenario zu betrachten. Da haben wir uns gesagt, der unsichere Ausgangwerde nicht spurlos an den Mrkten vorbeigehen. Damit lagen wir richtig. Ich htteaber nie erwartet, dass die Mrkte nach diesem faulen Kompromiss vom 6.Juli 2015ein derartiges Kursfeuerwerk einleiten.

    Man hatte die Wahl zwischen Grexit und Weiterwursteln. Man entschiedsich frs Weiterwursteln. Warum soll das positiv sein?Fr mich ist das Durchwursteln auch die schlechtere Nachricht. Doch die Mrktesehen das anders. Sie ziehen das Durchwursteln einem Grexit mit seinen nochgrsseren Unsicherheiten vor. Man ist frs Erste zufrieden, obschon dieGriechenland-Problematik damit berhaupt nicht vom Tisch ist.

    Es ist paradox: Die Griechen haben ein noch schrferes Sparpaketangenommen, das sie tags zuvor an der Urne noch ablehnten.Es gibt eine Laune im Markt, die sich sagt, man wolle sich nicht mehr mitGriechenland beschftigen. Die Anleger haben die Nase gestrichen voll von derGriechenland-Thematik. Man hat wochenlang das Griechenland-Problem nicht ernstgenommen, bis sich der Grexit zuspitzte und die Zahlung an den InternationalenWhrungsfonds ausblieb. Mit dem faulen Kompromiss geben sich die Mrkte auchdeshalb vorerst zufrieden, weil sie sich nicht mehr mit diesem kleinen, wirtschaftlichunbedeutenden Land befassen wollen.

    Und jetzt wird der Swiss Market Index (SMI) seinen historischenHchststand von 9548 Punkten vom Juni 2007 bald bertreffen?In diesem Jahr hat der SMI schon zweimal vor dem historischen Hchststandgedreht, auch Anfang letzter Woche wieder. Ich glaube nicht, dass der SMI imlaufenden Jahr auf 9800 oder gar 10'000 Punkte steigen wird. Oder anders

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    ausgedrckt: neue historische Hchstwerte dauerhaft bertrifft.

    Was heisst schon historischer Hchststand? Der deutsche Aktienindexhat das vor dem Lehman-Kollaps erreichte Allzeithoch schon im Mai2013 bertroffen.Das ist paradox und allein mit fehlenden Anlagealternativen zu erklren. IstDeutschland wirklich besser aufgestellt als vor dem Kollaps von Lehman Brothers?Ganz und gar nicht. Deutschland profitiert von einem schwachen Euro, der derLeistungsfhigkeit dieser Volkswirtschaft berhaupt nicht entspricht. Das nehmendie Mrkte gerne zur Kenntnis, weil dadurch die exportorientierten Unternehmenhhere Gewinne schreiben. Doch irgendeinmal wird die Tiefzinspolitik derEuropischen Zentralbank (EZB) ihr Ende haben. Dann muss sich der Markt auchohne monetre Rckendeckung behaupten knnen.

    Und die Schweiz?Die Schweiz ist angeschlagen wegen des Wechselkurses. Die Realwirtschaft sendetzwar stabile, aber nicht berauschende Impulse. Damit befindet sich wenig Fantasie inden Gewinnerwartungen der Unternehmen. Gleichzeitig sind die Bewertungenbereits hoch. Dann schwebt frher oder spter das Damoklesschwert einerZinserhhung in den USA. Das ist insgesamt nicht positiv fr Aktien.

    Schon im Januar sagten Sie an der Medienkonferenz von Raiffeisen, anden Finanzmrkten htte sich eine Blase gebildet. Was sagen Sie jetzt?Es kommt darauf an, wie eine Blase definiert wird. Wir haben ja gesehen, waspassiert, wenn in der Schweiz der Wechselkurs freigegeben wird. Vier Monate spterfing das Griechenland-Debakel an. Von daher war die damalige Aussage gar nicht soschlecht. Nur ist die Blase nicht geplatzt. Sie hat bloss Luft herausgelassen.

    Jede Blase platzt irgendeinmal.Es gibt zwei Mglichkeiten: Die Blase kann platzen oder sie kann nach und nach Luftverlieren. Das sieht man am Beispiel der USA. Dort sieht man seit einiger Zeit keinePerformance mehr. Die Indizes entwickeln sich nur noch seitwrts. Wenn paralleldazu die Wirtschaft wchst, die Kurse aber seitwrts tendieren, so verliert die Blasenach und nach Luft.

    Wenn man davon ausgeht, dass die Blase platzt oder nach und nach Luftverliert, msste man doch jetzt Aktien verkaufen und sie spter zu einemtieferen Kurs wieder kaufen.Das kommt aufs Profil des Investors an. Viele haben Schweizer Aktien gekauft, alsder SMI unter 8000 Punkte getaucht war. Diese sind vielleicht nicht schlechtberaten, wenn sie heute einen Teil der Kursgewinne realisieren.

    Muss man davon ausgehen, dass der SMI nochmals unter die 9000Punkte fallen wird?Davon gehe ich aus. Wir werden noch in diesem Jahr einen SMI-Stand von unter9000 Punkten erleben, vielleicht sogar wiederholt.

    Wo sehen Sie die grssten Risiken?In zwei Gebieten: Wenn immer mehr Anleger mangels Alternativen auch in Aktienmit einer Dividendenrendite von zum Beispiel 2 Prozent investieren. Die Rendite istdamit immer noch hher als bei anderen Anlagen. Wobei die Leute gerne vergessen,dass Aktien eben doch ein anderes Risikoprofil aufweisen als festverzinslichePapiere.

    Das zweite Thema ist der Zinsschock?Richtig. Das sieht man derzeit in den USA. Die Anleger sind sehr verhalten, weil dasFed frher oder spter die Zinsen anheben wird und man nicht so recht weiss, wiedie Mrkte nach einer gefhlten Ewigkeit von Nullzinsen auch nur eine kleineZinserhhung wegstecken werden.

    Anderes Thema: Warum wurde der Crash an der chinesischenAktienbrse von Ende Juni kaum wahrgenommen?

    Die Schweiz ist angeschlagen wegen des Wechselkurses -... http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-kon...

    2 von 3 28.07.15 09:43

  • Man hat den Crash schon wahrgenommen. Aber man muss wissen, dass chinesischeAktien im Laufe des Jahres abgehoben hatten. Das ist ein isoliertes Phnomen. Dieanderen Mrkte haben nicht mitgezogen. Wer im Januar chinesische Aktien kaufte,liegt immer noch in der Gewinnzone, vielleicht nicht mehr um 110 Prozent, aber soum die 70 Prozent.

    Also eine gesunde Korrektur?Ich wrde eher sagen eine erste Korrektur von Exzessen. Aber es reicht noch nicht.Ich denke, der Markt wird eher gegen unten ausbrechen als gegen oben.

    72 Prozent der Leser der Finanz+Wirtschaft setzen auf Europa. Nur 13Prozent auf die USA. Japan ist mit 5 Prozent weit abgeschlagen. Warumdieser Optimismus fr Europa mit seinem ungelsten Euro- undGriechenland-Problem?Wegen der Geldpolitik der Europischen Zentralbank (EZB). Mario Draghi hatgesagt, er werde das Quantitative Easing (QE) bis Mitte nchsten Jahres fortsetzen.Damit wird er die Zinsen flachklopfen, was Obligationen vllig uninteressant undAktien alternativlos macht. Dies nehmen die Mrkte als positives Zeichen war, zumaldie Konjunktur in Europa wieder anzieht.

    Wollen Sie damit sagen, dass die monetre Lockerung die Konjunkturtatschlich anzukurbeln vermag?Nein, berhaupt nicht. Die Konjunktur zieht aus zyklischen Grnden wieder an. AberEZB-Prsident Mario Draghi wird den Erfolg natrlich fr sich beanspruchen.

    Das heisst, dass das QE zwar die Aktienkurse nach oben treibt; dieKonjunktur aber aus anderen Grnden wieder anzieht?Exakt. Die monetre Lockerung ist eine Finanzmarktgeschichte. Das Geld drehtzwischen der Zentralbank- und Bankbilanzen Runden an den Finanzmrkten. Nurganz wenig kommt in der Realwirtschaft an. (Berner Zeitung)

    (Erstellt: 28.07.2015, 08:10 Uhr)

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