1
UBT aktuell Nr. 2 // 2012 // 67 // Auszeichnung Info Personalia International Lehre Forschung Aktuelles Die Singstimme im Mittelpunkt Das Forschungsinstitut für Musikthe- ater (fimt) der Universität Bayreuth ist eine renommierte Stätte für die Entwicklung aktueller musik(theater) wissenschaftlicher Fragestellungen sowie deren systematischer Ausarbei- tung. Das neueste Projekt des Instituts dreht sich um das Feld der Singstimme. Zu dieser Thematik hat das Institut ein dreitägiges Symposium veranstaltet – mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und Italien. Einer der neu- eren Ansätze in dieser Disziplin ist es, die Stimme als geschlechtsspezifisches Phänomen, ausgehend von den Er- kenntnissen und Methoden Judith But- lers, zu betrachten. Paradigmatisch für dieses Phänomen ist der Countertenor, der mit seiner männlichen Alt- bzw. Sopranstimme Geschlechtergrenzen überwindet. Von dieser Kunst konnte sich das Publikum bereits am ersten Abend bei dem Konzert von Kai Wes- sel und Markus Märkl einen Eindruck verschaffen: Eindrucksvoll demonst- rierte der renommierte Countertenor seine stimmliche Kunstfertigkeit. Das Konzert war festlicher Ausklang für die zuvor stattgefundene Verleihung des Thurnauer Preises für Musiktheater- wissenschaft 2011 an die Kanadierin Marie-Hélène Benoit-Otis. Die Vortragsreihe am darauffolgen- den Tag eröffnete Rebecca Grotjahn, Professorin für Musikwissenschaft in Paderborn und Detmold, die sich die Frage stellte, welche Merkmale die Konstruktion von (Stimm-)Ge- schlecht ausmachen und ob diese vom jeweils anderen Geschlecht bewusst rekonstruiert werden können. Der Vortrag von Bernhard Richter be- leuchtete diese Thematik aus dem ent- gegengesetzten Blick- winkel: Der Leiter des Freiburger Zentrums für Musikermedizin untersuchte die ana- tomischen Verände- rungen des Stimmap- parates während des Singens. Dazu ließ er Sänger mit verschiede- nen Stimmlagen kurze Melodien singen, wäh- rend sie im Kernspin- tomographen lagen, und machte Aufnahmen ihrer Stim- mapparate. Dabei wurde deutlich, dass sich bei einem Tenor, der eine Melodie mit Bruststimme singt und danach die Phrase eines Heldente- nors vorträgt, nicht in erster Linie die Stimme etwa die Zungenstellung oder das Gaumensegel, sondern die Stel- lung der Lippen verändert. Musik- journalist Jürgen Kesting beschäftigte sich mit der Genealogie der Tenor- stimme bei Richard Wagner. Wagner, der sich von den Sängern seiner Zeit enttäuscht zeigte, fragte sich gegen Ende seines Lebens, warum er in all seinen Werken „alle seelisch wichti- gen Hauptpartien“ ausgerechnet für die Tenorstimme geschrieben habe. Kesting erläuterte, dass Wagner eine natürliche, männlich klingende Tenor- stimme schätzte und die Technik des Falsettierens oder gar den Auftritt von Kastraten rigoros ablehnte. Deswegen ließ er den Tonumfang seiner Tenor- partien auch selten das eingestrichene ‚a‘ passieren, um den Übergang in die Kopfstimme zu vermeiden. Weiterhin konstatierte Wagner, dass der Sänger seine Partie geistig erfassen müsse, um sie überzeugend auf der Bühne darzu- stellen. Ob es jedoch in der heutigen Tenoristenszene einen Sänger gibt, der all diesen Anforderungen gerecht zu werden vermag, ließ Kesting vielsa- gend offen. Thurnauer Preis für Musiktheaterwissenschaft an Dr. Marie-Hélène Benoit-Otis Preisverleihung (v.l.): Landrat Klaus Peter Söllner, die Preisträ- gerin Dr. Marie-Hélène Benoit-Otis und Professor Dr. Anno Mungen (Foto: Jürgen-Mähder) Das Wissenschaftsministerium der Russischen Föderation hat Herrn Pro- fessor Dr. Michael Steppat (Anglistik/ Amerikanistik) eine Ehrenprofessur verliehen. Die Auszeichnung geschah in Anerkennung seiner wissenschaft- lichen Leistungen im Gesamtprofil. Gleichzeitig wird damit Professor Steppats Einsatz für die Wissenschafts- kooperation mit Moskauer Partne- runiversitäten gewürdigt. Bei einer Feier in Moskau wurden ihm vom Präsidenten Professor Dr. Liviu Ter- entiy Urkunde und Diplom überreicht. In der Laudatio wurden Professor Steppats Forschungsleistungen in der sprachwissenschatlich fundierten Lite- raturforschung hervorgehoben, die der Kooperation zugute kommen sollen. In der Erwiderung würdigte Professor Steppat die dynamische Entwicklung der wissenschaftlichen Zusammenar- beit wie auch des linguistischen Insti- tuts, und hob an Beispielen besonders relevante Forschungsaspekte hervor. America gehören. Verleihung der Ehrenprofessur Professor Dr. Liviu Terentiy und Professor Dr. Michael Steppat (v.l.n.r.)

Die Singstimme im Mittelpunkt - fimt.uni-bayreuth.de · Nr. 2 2012 UB // 67 // Info Auszeichnung Pr Intrnational Lre Fr Aktuelles Die Singstimme im Mittelpunkt Das Forschungsinstitut

Embed Size (px)

Citation preview

UBT aktuellNr. 2 // 2012

// 67 //

AuszeichnungInfo Personalia International Lehre Forschung Aktuelles

Die Singstimme im Mittelpunkt

Das Forschungsinstitut für Musikthe-ater (fimt) der Universität Bayreuth ist eine renommierte Stätte für die Entwicklung aktueller musik(theater)wissenschaftlicher Fragestellungen sowie deren systematischer Ausarbei-tung. Das neueste Projekt des Instituts dreht sich um das Feld der Singstimme. Zu dieser Thematik hat das Institut ein dreitägiges Symposium veranstaltet – mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und Italien. Einer der neu-eren Ansätze in dieser Disziplin ist es, die Stimme als geschlechtsspezifisches Phänomen, ausgehend von den Er-kenntnissen und Methoden Judith But-lers, zu betrachten. Paradigmatisch für dieses Phänomen ist der Countertenor, der mit seiner männlichen Alt- bzw. Sopranstimme Geschlechtergrenzen überwindet. Von dieser Kunst konnte sich das Publikum bereits am ersten

Abend bei dem Konzert von Kai Wes-sel und Markus Märkl einen Eindruck verschaffen: Eindrucksvoll demonst-rierte der renommierte Countertenor seine stimmliche Kunstfertigkeit. Das Konzert war festlicher Ausklang für die zuvor stattgefundene Verleihung des Thurnauer Preises für Musiktheater- wissenschaft 2011 an die Kanadierin Marie-Hélène Benoit-Otis.

Die Vortragsreihe am darauffolgen-den Tag eröffnete Rebecca Grotjahn, Professorin für Musikwissenschaft in Paderborn und Detmold, die sich die Frage stellte, welche Merkmale die Konstruktion von (Stimm-)Ge-schlecht ausmachen und ob diese vom jeweils anderen Geschlecht bewusst rekonstruiert werden können. Der Vortrag von Bernhard Richter be-leuchtete diese Thematik aus dem ent-

gegengesetzten Blick-winkel: Der Leiter des Freiburger Zentrums für Musikermedizin untersuchte die ana-tomischen Verände-rungen des Stimmap-parates während des Singens. Dazu ließ er Sänger mit verschiede-nen Stimmlagen kurze Melodien singen, wäh-rend sie im Kernspin-tomographen lagen,

und machte Aufnahmen ihrer Stim-mapparate. Dabei wurde deutlich, dass sich bei einem Tenor, der eine Melodie mit Bruststimme singt und danach die Phrase eines Heldente-nors vorträgt, nicht in erster Linie die Stimme etwa die Zungenstellung oder das Gaumensegel, sondern die Stel-lung der Lippen verändert. Musik- journalist Jürgen Kesting beschäftigte sich mit der Genealogie der Tenor-stimme bei Richard Wagner. Wagner, der sich von den Sängern seiner Zeit enttäuscht zeigte, fragte sich gegen Ende seines Lebens, warum er in all seinen Werken „alle seelisch wichti-gen Hauptpartien“ ausgerechnet für die Tenorstimme geschrieben habe. Kesting erläuterte, dass Wagner eine natürliche, männlich klingende Tenor-stimme schätzte und die Technik des Falsettierens oder gar den Auftritt von Kastraten rigoros ablehnte. Deswegen ließ er den Tonumfang seiner Tenor-partien auch selten das eingestrichene ‚a‘ passieren, um den Übergang in die Kopfstimme zu vermeiden. Weiterhin konstatierte Wagner, dass der Sänger seine Partie geistig erfassen müsse, um sie überzeugend auf der Bühne darzu-stellen. Ob es jedoch in der heutigen Tenoristenszene einen Sänger gibt, der all diesen Anforderungen gerecht zu werden vermag, ließ Kesting vielsa-gend offen.

Thurnauer Preis für Musiktheaterwissenschaft an Dr. Marie-Hélène Benoit-Otis

Preisverleihung (v.l.): Landrat Klaus Peter Söllner, die Preisträ-gerin Dr. Marie-Hélène Benoit-Otis und Professor Dr. Anno Mungen (Foto: Jürgen-Mähder)

Das Wissenschaftsministerium der Russischen Föderation hat Herrn Pro-fessor Dr. Michael Steppat (Anglistik/Amerikanistik) eine Ehrenprofessur verliehen. Die Auszeichnung geschah in Anerkennung seiner wissenschaft-lichen Leistungen im Gesamtprofil. Gleichzeitig wird damit Professor Steppats Einsatz für die Wissenschafts-kooperation mit Moskauer Partne-runiversitäten gewürdigt. Bei einer Feier in Moskau wurden ihm vom Präsidenten Professor Dr. Liviu Ter-

entiy Urkunde und Diplom überreicht. In der Laudatio wurden Professor Steppats Forschungsleistungen in der sprachwissenschatlich fundierten Lite-raturforschung hervorgehoben, die der Kooperation zugute kommen sollen. In der Erwiderung würdigte Professor Steppat die dynamische Entwicklung der wissenschaftlichen Zusammenar-beit wie auch des linguistischen Insti-tuts, und hob an Beispielen besonders relevante Forschungsaspekte hervor. America gehören.

Verleihung der Ehrenprofessur

Professor Dr. Liviu Terentiy und Professor Dr. Michael Steppat (v.l.n.r.)