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Die Texte Lyrik Agnes Miegel (1879-1964) Wagen an Wagen Um Allerseelen In der dunklen Nacht, Wenn vor uns stehen, Die immer neu unserem Herzen fehlen, - Erinnerung erwacht An die alten Kirchen, die Hügel im Feld, Wo sie schlafen, Vätern und Nachbarn gesellt, In verlorener Heimat über der See, - Und an alle, die hilflos und einsam starben, An Alle, die sinkend im Eis verdarben, Die keiner begrub, nur Wasser und Schnee, Auf dem Weg unserer Flucht, - dem Weg ohne Gnade! Und wir ziehen im Traum verwehte Pfade Wagen an Wagen, endloser Zug, Der ein Volk von der Heimat trug! Von Norden, von Osten kamen wir, Über Heide und Ströme zogen wir Nach Westen wandernd, Greis, Frau und Kind. Wir kamen gegangen, wir kamen gefahren, Mit Schlitten und Bündel, mit Hund und Karren, Gepeitscht vom Wind, vom Schneelicht blind, - Und Wagen an Wagen. Zuckend wie Nordlicht am Himmel stand Verlassner Dörfer und Städte Brand. Und um uns heulte und pfiff der Tod, Auf glühendem Ball durch die Luft getragen. Und der Schnee wurde rot. Und es sanken wie Garben, die hilflos starben. Und wir zogen weiter, Wagen an Wagen, - Und kamen noch einmal, trügrisches Hoffen Durch friedliches Land. Tür stand uns offen Bei jenen, die nicht unser Leiden gekannt. Sie kamen, sie winkten, sie reichten uns Brot, - Sie luden die Not Am warmen Herde zu sich als Gast. Scheune und Stroh rief Müde zur Rast.

Die Texte Agnes Miegel (1879-1964) Wagen an Wagen · Wenn vor uns stehen, ... Du überschreitest die Grenze ... im anderen Land Einer begegnet dir den du nicht kennst du sagst ein

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Die Texte Lyrik

Agnes Miegel (1879-1964)

Wagen an Wagen Um Allerseelen In der dunklen Nacht, Wenn vor uns stehen, Die immer neu unserem Herzen fehlen, - Erinnerung erwacht An die alten Kirchen, die Hügel im Feld, Wo sie schlafen, Vätern und Nachbarn gesellt, In verlorener Heimat über der See, - Und an alle, die hilflos und einsam starben, An Alle, die sinkend im Eis verdarben, Die keiner begrub, nur Wasser und Schnee, Auf dem Weg unserer Flucht, - dem Weg ohne Gnade! Und wir ziehen im Traum verwehte Pfade Wagen an Wagen, endloser Zug, Der ein Volk von der Heimat trug! Von Norden, von Osten kamen wir, Über Heide und Ströme zogen wir Nach Westen wandernd, Greis, Frau und Kind. Wir kamen gegangen, wir kamen gefahren, Mit Schlitten und Bündel, mit Hund und Karren, Gepeitscht vom Wind, vom Schneelicht blind, - Und Wagen an Wagen. Zuckend wie Nordlicht am Himmel stand Verlassner Dörfer und Städte Brand. Und um uns heulte und pfiff der Tod, Auf glühendem Ball durch die Luft getragen. Und der Schnee wurde rot. Und es sanken wie Garben, die hilflos starben. Und wir zogen weiter, Wagen an Wagen, - Und kamen noch einmal, trügrisches Hoffen Durch friedliches Land. Tür stand uns offen Bei jenen, die nicht unser Leiden gekannt. Sie kamen, sie winkten, sie reichten uns Brot, - Sie luden die Not Am warmen Herde zu sich als Gast. Scheune und Stroh rief Müde zur Rast.

Doch wir konnten nicht bleiben. Wir zogen vorüber, Wagen an Wagen. Und hörten durch Sturm und Flockentreiben Das Glockenlied ihrer Türme noch Und hörten doch Das Dröhnen des Krieges, der hinter uns zog. Und vom Wegkreuz bog, Blutend, mit ausgebreiteten Armen, Sich dorngekrönter Liebe Erbarmen. Wir konnten nicht halten, wir konnten nicht knien. Sie kamen hinter uns, Wagen an Wagen, - Unsre Herzen nur schrien: 0 blick nach uns hin! Wir wandern, wir wandern, endloser Zug. Volk, das die Geißel des Krieges schlug, Entwurzelter Wald, von der Flut getragen, - Wohin? Wohin? –

Heinz Piontek: Die Verstreuten Wir haben Wind unter den Sohlen. Wir haben Wind im Nacken. Des Nachbarn Stimme fing sich in Nctzen Schnees. Da stopften wir Silber und Brot in die Säcke, entriegelten die Tür. Als die Nacht anhub zu flackern, liefen wir waffenlos zu den Ställen und hinaus auf Straßen von wandernden Ratten. Zerstoßenes Blech und Kälte: das Land der Geschlagenen. Wir fuhren im Schritt. Ein Mädchen kam nieder zwischen den Speichen. Ein Blinder stolperte hinter- Leuten an einem Strick und er schrie in den Schneefall: Wo sind wir? Wir müssen vor Kreuzungen warten. Wir besitzen keine Dokumente. Mancher starb kauernd – im Hader über seine verendeten Pferde, mancher streckte sich unter Planen, schweigsam für immer. Und als wir einzeln eine getroffene Brücke passierten, waren viele im Eis zu sehen, grün und wie schwebend. Der Himmel ein Sieb, und hinter den Karawanen aus Leiterwagen und Kutschen wurde es still, ein zugiger Horizont blieb zurück, auf dem wir biwakiert, der Schläfer, froststarr, der die Verfolgung nicht mehr fürchtete. Wir dürfen kein Feuer machen. Wir dürfen den Zug ohne Erlaubnis nicht verlassen. Man rief mich: „Erzähle! Wir wissen zu wenig von jenen, die im April eines frommen Jahrhunderts sich aufgemacht hatten, um ihre Reiche – zwölfhundert Ruten Wildnis – zu roden, vom Mehl der Gebeine auf unseren Friedhöfen erzähle!“ Ich sagte zu ihnen: Es war ein Volk, das auszog nach dem gelobten Land und es nicht fand und verdarb. - „Narr, sie erreichten es – süß und barbarisch zwischen Wasserbächen! Wir aber müssen nun unsere frühe Heimat erkunden.“ Wir beugen die Rücken unter leichte Lasten. Wir nähren uns von Schnee und Vögeln. Unsere Scharen lichteten sich und warfen nur dünne Schatten. Einer verlor den anderen. Der Osten – wie eine feurige Sage – ging hinter Armeen zugrunde. Jammer war er und Aschenflug über der Öde und dunkel wie einst. Doch holte uns ein, der einen Knaben führte: ein übermüdeter Mann, sein Waffenrock war von Sommern versengt, und er trug einen Alten, den schlaffen Vater, auf beiden Schultern. Da wurde es Tag vor unseren Augen mit rosenblättrigem Licht. Wir werden zu einer festen Stadt kommen im Wind. Wir werden Frieden finden auf Felsen.

Ilse Tielsch: Jenseits der Grenze An einem Sonntag im Mai betrat ich ein Haus ohne Mauern die Zimmer ausgelegt mit Teppichen aus Gras die Decken seidenblau bemalt mit Frühlingswolken luftig möbliert waren die lichten Räume überall Pflanzen Nesseln und wilder Mohn unter dem transparenten Klavier grub ich mir meine Wurzeln aus Im Schlosspark von Eisgrub flüsterte mir der Wind alte Geschichten ins Ohr vor dem Palmenhaus lag noch mein Kinderschatten ich nahm ihn mit er war leicht zu tragen

Ilse Tielsch: EINES TAGES VIELLEICHT Du überschreitest die Grenze ein Schritt und noch einer da bist du im anderen Land Einer begegnet dir den du nicht kennst du sagst ein Wort zu ihm er gibt dir eines zurück Am Wegrand ein Halm die Ähre geneigt du greifst danach ein Korn fällt in deine Hand Das Korn in Erde gelegt eines Tages vielleicht treibt es aus und bringt Frucht Ob das Wort gesprochen von Mund zu Mund eines Tags vielleicht blühn wird? Du sollst nicht fragen nur hoffen

Ilse Tielsch: Brücken Laß uns Brücken baun sagt er aus Steinen und Stahl unzerstörbar vom Gewicht der Gepanzerten die uns retten werden Laß uns Biegsames flechten sagt sie Lianen und grünes Gezweig haltbare Stege von Ufer zu Ufer für die eiligen Tritte derer die vor den Gepanzerten fliehn Ich baue mit dem was ich habe sag ich und werfe mein Herz über den Abgrund es zieht eine Spur durch das Dunkel die biete ich euch als Notbrücke an sie ist schmal doch sie trägt

Ilse Tielsch: Erinnerung III (Autofahrt durch das Waldviertel mit Wilhelm und Valerie Szabo) Im Wagen unterwegs zu den Stationen früher Vergangenheit: (Es muß Spätherbst gewesen sein in Weitra raschelte Laub unter meinen Füßen) dieses Zittern der Stimme als er uns das kleine Haus zeigte in dem er mit den Zieheltern gelebt hatte dann der Weg durch das Dickicht zur Höhe der Blick von oben über die blinkenden Spiegel der Teiche dunkel ragten die böhmischen Wälder nachts war der Himmel besternt Es blieb eine Spur im Gedächtnis eingegraben wenn ich Waldviertel denke sehe ich einen kleinen barfüßigen Buben über Feldraine gehen sehe ihn älter geworden beim Licht einer Funzel über Skripten gebeugt hör ich ihn sagen: hier hätte ich gerne ein Haus gehabt hör ich ihn sagen: hier hätte ich trotzdem gerne gelebt

Ilse Tielsch: Circulus Brunnensis (Vor einer alten Karte

von Mähren) Ich bin oft dort (gelb war immer schon meine Lieblingsfarbe) nachts überschreite ich die Grenze des Austriae pars gehe die alten Straßen entlang kein Mond leuchtet mir Barmherzigkeit kein Hundegebell tröstet mich knietief im Schnee finde ich dennoch den Weg zu der Tür die in rostigen Angeln hängt zu den Kinderträumen Ich bin oft dort (die Hügel rufen mich) wachse in Nessel und Feilchenstrauch Feldraine entlang wiege mich in Holunderbüschen tanze in sterntoller Nacht über den Horizonten flügelschlage vor den römischen Ziffern der Kirchturmuhren vor den Altären knie ich die Lippen ohne Gebete übersteige die Mauern des Schulhofs im leeren Turnsaal zittert noch etwas Mozart auf verstimmten Klavier gespielt aber die Lieder sind verstummt die Stimmen nicht mehr hörbar vergebens lege ich mein Ohr auf die Schwelle fremd gehe ich durch die Gassen eingehüllt in Schatten und Schlaf weiß: der Regen bleibt nicht aus schreibe doch immer wieder mit Kreide an die Häuserwände alle Antworten die sie mir schuldig geblieben sind

Rudolf Mayer-Freiwaldau

Kain uns Abel – Abel und Kain

Eine deutsch-tschechische Lesung

Wörter fließen über die Haut streifen über Narben und Ungewisses

rütteln am Tor des Erinnerns Wörter krallen sich ein ins Fleisch

geh’n in die Tiefe neben den alten Wunden

Vater Mutter Bruder hier

Unter dem Asphalt wuchern die Racheblumen gegen den Totschlag

aller Befreier Dort über das Brückengeländer

gestoßen die Schwachen in’s Eis im November

Kein Sternenkranz über dem Fluß kein Nepomuk damals der wachte

Jetzt in neuen Sandstein gehauen Frantischek Stefan und Florian

Jan und Matka Maria mit einer Taube aber noch keine Sterne im Fluß

Wenn da sich ein Morgenrot spiegelte

in den Wellen und die Schmerzen auslöschte im Fluß

Dann fielen neue Sterne aus Nepomuks Augen

anzuzeigen einen neuen Tag für unsere Freundschaft

Rudolf Mayer-Freiwaldau Heimat Manche ließen ein Grab zurück und nannten es Heimat manche verloren ihr Herz dort und gaben ihm diesen Namen andere flüchteten aus ihrem Bett auf dem Pritschenwagen fallen nach Jahren ins Fette und sagen wir haben eine Zweite aber die erste Heimat

haben sie uns geraubt Jene erkennen nicht wieder woraus sie vertrieben sind angewurzelt in Tontopf und Wintergarten und träumen von Bergen Tälern und Särgen aus Wiegenholz Weil sie nicht annehmen wollen das Natürliche den Abschied vom Unwiederbringlichen

Ulla Haas Zu spät geboren Tschechien (1997) Wo ich mich hinter einem Baum aufgemacht habe wo niemand heute mehr ist Bin ich so sagen sie heute am falschen Platz Doch finde ich mich als wie mein Baum aus Elbwasser gewachsen bin ich nie mehr zu Haus Sagen sie und doch fliegt in mir die böhmische Lerche fort

Hans Lieber: Ein Apfelbaum in Böhmen Vor Jahren hat Vater den Baum gepflanzt Im Garten, der einst unser Eigen war; Wir Kinder haben darunter getanzt. Die Blütenpracht im Lenz war wunderbar! Marschenke, böhmischer Nachbarn Kind, bekam zur Reifezeit den gleichen Teil der Früchte, die vom Aste brach der Wind. Doch Sturm brach auf – uns war beschert Unheil... Oft denke ich zurück an jene Zeit. Nun erscheint mir als war’s ein schöner Traum! Wir waren Freunde, kannten keinen Streit, und freuten uns am Spiel dort unterm Baum. Sagt’ „Apfel“ ich – „Jablko“, doch wussten wir, des Wortes gleicher Sinn machte im kindlichen Genuß uns froh, und jeder Erntetag gab uns Gewinn... Es blies der rauhe Wind vom Osten her. – Zerrissen ward der Freundschaft einend Band. Die Abschiedsstunde brachte groß’ Beschwer: Verlassen mussten wir das Heimatland! Vom Baume fiel das Laub, kahl stand er da. Nachtschwarze Krähen flogen über’s Land. O Heimat Böhmen! – Großes Leid geschah! Als ich den Apfelbaum spät wieder sah, hat er die Zweige trauernd abgewandt...

Hans Lieber Vertriebenen-Bauer auf Besuch in der Heimat Am Kreuzberg steh’ ich, weit schweift mein Blick durch das Land voll versunk’nem Kindheitsglück. Ich sehe im Tale mein Dörfchen dort. Es war mein und der Ahnen Heimatort. Ganz zaghaft von fern noch das Glöcklein klingt. So schrill, als wenn eine Saite zerspringt. Im Dorf ist es still; nur spärlich Rauch weht durch des Wintertags frostigen Hauch. So frostig die fremden Leute auch sind, die hierher wehte der Böhmische Wind. Es ist die altvertraute Heimat nicht: Im Dorfe man fremde Laute jetzt spricht. Ich nehme mir Zeit und schaue umher, aber die Wiederbegegnung fällt schwer! Ich geh’ in den Hof, der einst uns gehört’ – Potz Blitz! – wie ist er vom Wohlstand entleert! Verwuchert sind Garten, Wiese und Feld. Kein Christbaum die gute Stube erhellt. Kein Kripplein im Moos, kein Sternlein davor. – Leer ist die Nische über dem Tor, Darin einst Maria hat mit dem Kind Gesegnet Dorf, Hof und das Ingesind. Der Hof ist verwüstet. – Der Tannwald rauscht. Am Dorfplatz draußen der Brunnen noch plauscht. Kommt keiner, der bietet zum Gruß die Hand? Wieso auch, ich bin ja hier unbekannt! Doch horch! – Dort hinten, im finsteren Stall, da wiehert’s mit freudigem Widerhall: Ward auch ein Willkomm von Menschen verwehrt, den einst’gen Herrn grüßt das treue Pferd. Und zogen der Monde viele ins Land, getreu hat das Pferd sich zum Herrn bekannt!

Inge Methfessel Du Land hast Deine Seele ausgetauscht. Was such’ ich noch bei dir? Du Land hast mich vergessen. Es rauscht der Wald, der Wildbach rauscht, die Berge sind an ihrem Platz, der Wind bewegt das Gras – ich wandere durch ein Land, das mich vergaß. Noch einmal Herzweh, noch einmal der Gang vom Hier zum Dort – und dann zurück zum Hier. Ich schaue in die Runde und von meinem Schuh Schüttle die Erde ich – einst war sie mein. Das ist schon lange her. Nicht jedes Leben währt so lange. – Und die Zeit macht alles neu. Mein Herz, was hast du gegen frische Farben? Doch von den buntgestrichenen Fassaden nickt, winkt mir heute nichts als Fremdheit zu.

Alfred Görgl Unvollendet (Im Anschluß an die Dresdenrede des Bundespräsidenten) Unvollendet ist noch die Versöhnung, bleibt von der Vertreibung aus Böhmen, bleibt von Verdrängung, Gewöhnung noch viel, viel noch vom Ziel, leise spricht die leidende Seele, was da noch fehlte zum Händereichen als Tauwetterzeichen. Aber höret, ich bitte: probt die kleinen Schritte hin auf das Menschenrecht, hin zum Versprechen, es nicht zu brechen. Denn – die es brachen, handelten schlecht, leiden und litten! Höret meine Bitten! Nach dem Vertreiben darf die Erstarrung als bloße Beharrung, darf sie als Eiszeit nicht Stehen bleiben. Gehört werden und hören, wird das Sich empören verringern. Zu Friedensbringern werden die Menschen, wenn Mensch zu Mensch spricht „Erkennet einander im Menschengesicht!“

Texte Sachtexte Text der Städtepartnerschaft (www.isergebirgs-museum.de/links.htm)(Heimatkreis Reichenberg e.V., Aktuelles) Vereinbarung zwischen den Städten Liberec (Tschechische Republik) und Augsburg (Bundesrepublik Deutschland) Die Städte Liberec (früher Reichenberg) und Augsburg vereinbaren auf der Grundlage der jeweiligen Stadtratsbechlüsse in Anknüpfung an das Patenschaftsverhältnis zwischen dem Heimatkreis Reichenberg und der Stadt Augsburg und im Sinne des europäischen Einigungs- und Integrationsprozesses eine Städtepartnerschaft. Ziel ist die Vertiefung der gutnachbarlichen Beziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern sowie Vereinen, Institutionen und Organisationen beider Städte. Auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und Wertschätzung wollen beide Städte die kommunalen Aufgabenbereiche, insbesondere Kultur, Bildung, Sport, Jugendpflege, Wirtschaft und Sozialwesen, unter dem Aspekt der Förderung des gegenseitigen Verständnisses betrachten und pflegen. Diesem Ziel dienen Informationen, Begegnungen und vielfältige Formen des Austausches und der Zusammenarbeit. Der Heimatkreis Reichenberg in Augsburg und der Verband der Deutschen in Liberec unterstützen die Bemühungen. Mit dieser Vereinbarung tragen die beiden Städte Liberec und Augsburg Anteil an den staatlichen und internationalen Bemühungen zu einem neuen Anfang in Gerechtigkeit und Frieden in Europa. Stadt Liberec Stadt Augsburg Ing. Jiri Kittner Dr. Peter Menacher Primator Oberbürgermeister In Liberec am 1. Mai 2001

Loreto (Internet homepage) Liebe Freunde und Förderer von Maria Loreto Das Jahr 1945 setzte mit der Beendigung des unheilvollen zweiten Weltkrieges und der Vertreibung von Menschen aus ihrer angestammten Heimat auch in der Geschichte von Maria Loreto einen Meilenstein und zwar mit entgegengesetzten Wegführungen: zurück auf fast drei Jahrhunderte mit Errichtung, Aufblühen und weiter Ausstrahlung der Wallfahrtsanlage und voraus auf die inzwischen abgelaufenen 50 Jahre mit ihrer Vernichtung und begonnenem Neuerstehen. Die Heiligtümer lagen bis 1989 im Sperrgebiet des Grenzlandgürtels und waren durch das kommunistisch-atheistische Regime der Zerstörung und Schändung preisgegeben. Meterhohes Gestrüpp umhüllte die von Kunstschätzen entleerte, dem Verfall überlassene Ruine des frühbarocken Bauwerkes. Dessen kunsthistorischen Wert bezeugt eine Dokumentation, die 1990 das Prager Staatsinstitut für Rekonstruktionen denkwürdiger Städte und Objekte, unter Leitung von Herrn Architekt Vystyd, auch für Maria Loreto erarbeitete, die Kosten für Sanierungsmaßnahmen bzw. Schleifung berechnete und feststellte, daß weder für die eine noch für die andere Lösung Geldmittel vorhanden seien, also nichts geschehen könne. Maria Loreto wäre weiter verfallen und untergegangen. Die Initiative zum Wiederaufbau kam von diesseits der Grenze, entsprang der Liebe zur alten Heimat. Sie bewog mich zur Gründung eines Vereins zur Erhaltung und Förderung der Wallfahrtsstätte Maria Loreto. Die Gründungsversammlung fand am 11.02.1992 in Waldsassen statt. Der Förderverein stellte die Ausgangsposition für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden, voran Otakar Mika, Oberbürgermeister von Eger/Cheb und der dortigen Kirche auf der Basis eines soliden Vertrauensverhältnisses. Allen Mitverantwortung Tragenden danke ich herzlich. Das brückenschlagende gemeinsame Tun hat den bisherigen Wiederaufbau ermöglicht; es möge den weiteren leiten. Mein Mitwirken geschieht aus Liebe zur Heimatkirche - ich bin in Neukinsberg geboren - und aus Dankbarkeit gegen Gott, der mich aus dem 2. Weltkrieg wieder glücklich zurückkehren ließ. Nach zweijähriger Bauzeit konnte 1994 das 330-jährige Jubiläum im gemeinsamen Festgottesdienst von Deutschen und Tschechen gefeiert werden. Ergriffen und beglückt vom Erlebnis schrieb ein Festteilnehmer: "Möge der Klang der neuen Glocken nie mehr verstummen und von Frieden, Freiheit, Verständigung und Freundschaft künden". Die Worte sprechen die Zukunftsaufgabe der neuen Gebetsstätte an. Gebe Gott die Erfüllung! Anton Hart Anton Hart wurde im Frühsommer 2002 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Cheb/Eger verliehen

Wurzeln verloren? Wurzeln bewahrt? Wurzeln gefunden?

Mein Lebenslauf Sigrid Leneis, geboren am 25. Oktober 1934 in dem kleinen Städtchen Schluckenau im nördlichsten Zipfel des sudetendeutschen Niederlandes, nahe der sächsischen Grenze. Die ersten Kindheitsjahre verbringe ich in der Geborgenheit des Elternhauses. Mein Vater ist Lehrer - seit 1939 Soldat - meine Mutter Haus- und Geschäftsfrau; trotz Krieg verlebe ich eine für mich unbeschreiblich schöne Kindheit! -

Ich heiße Egerter 19. Juni 1945! Nach sieben furchtbaren Wochen - Wochen ausgefüllt mit Hausdurchsuchungen durch die tschechischen Partisanen, Angst vor Erschießungen, schlaflose Nächte........... - werden wir um 5 Uhr morgens von tschechischen Soldaten abgeholt. Mit 9 anderen Familien, mit kaum 30 kg Gepäck werden wir gejagt, der Grenze entgegen, nochmals durchsucht, geplündert, vertrieben! Am Nachmittag sind wir in Sachsen - gerettet? - Ohne Angst? - Ein neuer Anfang? - Geborgen? -- Meine Mutter kämpft mit den Tränen. Werden wir unser Geburtshaus noch einmal sehen? Wird uns unser Vater finden? Bange Fragen! Mein 14jähriger Bruder versucht zu trösten. – Geborgen? Nein! Die sowjetische Besatzungsmacht gibt die Weisung: Keine Lebensmittelkarten an Vertriebene und Flüchtlinge - Einheimische, die Flüchtlinge länger als 24 Stunden beherbergen, laufen Gefahr, selbst ohne Lebensmittelkarten zu sein! -

Ich heiße immer noch Egerter, aber ich bin ein Kind der Straße!

Wir ziehen von Ort zu Ort, wir betteln um Kartoffeln und Brot - wir schlafen im Wald - wir essen Gras und Pilze - wir ziehen durch Straßen, an deren Alleebäumen sich verzweifelte Schicksalsgefährten erhängt haben. - Meine Mutter versucht uns Durchhaltevermögen zu geben. Sie singt mit uns, wenn wir auf der Landstraße dahinziehen - sie versucht, unsere Würde zu wahren - a b e r s i e w e i n t. In Lauba, einem kleinen Dorf im Kreis Löbau, finden wir gute Menschen; - sie nehmen uns trotz aller Gefahren für einige Zeit auf. - Im September 1945 ziehen wir weiter nach Thüringen. - In Schwansee, im Kreis Weimar, finden wir auf einem Bauernhof die erste Bleibe. Eine eigene Stube! Mein Bruder arbeitet als 'Schweineknecht'. Er ist der Großverdiener unserer Familie - 1,50 Mark pro Tag - Aber ein gutes Essen! - Für uns ein Glück - erhalten meine Mutter und ich doch seine Lebensmittelkarten. - Meine Mutter und ich stricken Mützen, pro Stück 2,00 Mark! 1.Weihnachten - es gibt sogar kleine Geschenke. Ich brauche nicht zur Schule zu gehen, die einklassige Schule ist geschlossen. Meine Mutter erzählt von unserer Heimat - wir singen am Abend Lieder - bald ist unsere Stube an den Abenden Treffpunkt der Flüchtlinge des Dorfes.

Ich heiße Egerter Ich bin Sudetendeutsche!

Mai 1946! Wir haben das große Glück, nach Bayern zu kommen - nach Altdorf bei Landshut in Niederbayern. Wieder ein neuer Anfang! Eine kleine Dachkammer! - Wieder Geborgenheit! - Mit 90,00 Mark Fürsorge im Monat versucht meine inzwischen erkrankte Mutter uns über Wasser zu halten, eine neue Existenz aufzubauen. Ihr größtes Anliegen: „Kinder, ihr müßt auf eine Schule!" - Wir halten zusammen, - wir helfen zusammen - wir arbeiten mit. Auch jetzt ist es nicht leicht, sich einzuleben. Wir erleben noch einmal oder schon wieder das Gefühl, nicht dazuzugehören - aber wir atmen freier! - Meine Mutter vereint wiederum die Vertriebenen im Dorf in unserer Stube. Wir erleben unvergeßliche Abende.

Ich bin Sigrid Egerter aus Schluckenau,

einer kleinen Stadt im Nordsudetenland. Ich habe meine Identität.

Wir gewinnen Freunde - auch unter den Einheimischen. Wir sind arm -, aber wir empfinden es nicht mehr. Die Währungsreform schockt noch einmal. Doch wir sind Aufbau inzwischen gewöhnt. - 1948 gründet meine Mutter eine Ortsgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft, mein Bruder und ich die Sudetendeutsche Jugend in Landshut. - 1953 mache ich mein Abitur - 1955 lege ich das Examen als Lehrerin ab.

I c h b i n S i g r i d E g e r t e r ! 1959 heirate ich und gründe meine eigene Familie. - 1964 erhält meine Mutter zum 1.Mal die ihr zustehende Pension ihres Mannes. Sie und wir hatten uns lange - bis 1956 nicht entschließen können, unseren vemißten Vater für tot erklären zu lassen. - Vielleicht kam in meinem Bericht zu oft das Wort "meine Mutter" vor? Aber ihr - und allen Müttern dieser Jahre – gilt mein großer Dank! Ich habe durch sie meine Identität nicht verloren. Ich konnte und kann durch sie das geistige Wurzelgefühl meiner Heimat an meine drei Kinder weitergeben! Ich bin Sigrid Leneis, geborene Egerter. Ich stamme aus Schluckenau im Nordsudetenland

Otto Herbert Hajek Der Christus aus dem Böhmerwald Ich stehe zu der Behauptung, daß jedes Weihnachten das schönste ist. Wenn ich die Jahre seit meiner Kindheit in einer Bauernfamilie im Böhmerwald Revue passieren lasse, dies sind die Jahre der Kriegs- und Nachkriegszeit, die Studien- und Wander-Jahre, die Gründung der eigenen Familie ohne bürgerliche und berufliche Absicherung, ganz im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des schöpferischen Selbstbewusstseins und der herausfordernden künstlerischen Aufgaben gestellt, so fällt mir zu jedem Jahr etwas ein, was das Weihnachtsfest zu dem jeweils schönsten gemacht hat. Und nun kommen seit vielen Jahren die längst erwachsenen und selbständig lebenden Kinder mit ihren Kindern zu Weihnachten ins Haus, in dem der geschmückte Baum und die Krippe seit Jahrzehnten in den Wochen des Festes den gleichen Platz einnehmen und schon wieder Erinnerung bilden an die Kindheit in der Kette der Generationen mit der nicht abreißenden Schnur der Anekdoten des „Weißt Du noch?“ und „Das war doch damals in dem Jahr, als so viel Schnee lag und wir im Garten den Schneemann gebaut und mit Farbe angemalt haben, blau, rot und gelb, bis er unter der Fackelhitze zu farbigem Schneewasser zerfloß“ und dabei der erste 8-mm-Familienfilm entstand, der jetzt nach 25 Jahren plötzlich wie neu in der Fernsehdokumentation zum 65. Geburtstag wieder auftauchte. Es ist für mich einfach so: Jedes Weihnachten ist das schönste. Und das Besondere, in der eigenen Geschichte Markierte? Ein Jahr der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1947/48 – ein Jahr nach der Vertreibung aus dem Haus der Kindheit. Wir hatten uns auf der anderen Seite des Böhmerwaldes, auf seiner bayerischen Seite also, in Fürholz, vorläufig und notdürftig wieder angesiedelt. Ich war mit 20 Jahren an die Kunstakademie nach Stuttgart gegangen, um zu lernen, was mir an Handwerk zur Bildhauerei noch fehlte. Noch dachte und imaginierte ich nur in Holz, sah mit innerem Abstand auf das Gipsen und Modellieren meiner Studienkollegen im ersten Semester. Ich hatte meinen Schwager Lukas gebeten, mir einen Baum zu fällen und vorzubereiten, weil ich in den Weihnachtsferien bei den Geschwistern im Bayerischen Wald etwas Eigenes arbeiten wollte mit meiner ersten Kraft. Es war kalt, jeden Morgen mußte ich erst einmal den Schnee wegschaufeln, bevor ich bei erheblichen Minusgraden mit dem Bearbeiten des Stammes beginnen konnte. Aus dem Baumstamm schälte ich die Figur heraus, 3m hoch, einen „Christus aus dem Baumstamm“, so wie der Baum gewachsen war. Den Kopf schwer und schmerzlastig im dickeren Teil des Stammes, stark ausgeprägt die beiden Hände, Schmerzhand und Schwurhand, zeugnisgebend vom erlittenen, vom besiegten Leid, schlaff der hängende Leib und übergroß die Füße, stigmatisiert von den Nagelmalen. Kein Kreuz – dieser Christus hängt an seinem Schmerz. Die Nachbarn, neugierig und befremdet, staunten, wunderten sich, lachten und spotteten. Das war nicht die vertraute Gestalt, die für sie verbindlich war, das sprengte die Konvention des vertrauten Symbols. In Säcke und Pappe mühsam eingeschnürt, ließ ich das Werk nach Stuttgart zur Akademie transportieren. Überlebensgroß und so heftig in der expressiven Formlosigkeit. Das entsetzte nicht nur Nachbarn und Familie, das überstieg auch die Erwartungen und das

Fassungsvermögen der Lehrer und Kommilitonen an der Akademie. Ein Berserker war ich ihnen, ein Maßloser, eben ein böhmerwäldlerischer Dickschädel, der in die Kunst verirrt, gestaltendes Formen mit Holzschnitzerei verwechselte. Schon ein Jahr später, als ich die Skulptur in meiner ersten Ausstellung zeigte, erregte sie nicht nur Ablehnung, Aufsehen und Spott. Es gab Stimmen der Beachtung, die sich der Kraft der Figur nicht verweigerten, die dem Eindruck des Leides nicht verschlossen blieben, die das Symbolische erkannten und würdigten. Es war mein erstes und zugleich für meinen ganzen weiteren Weg entscheidendes Werk, von dem ich mich nie getrennt habe, auch nicht für verlockend hohe Angebote, die meine Familie wirtschaftlich für ein Jahr aller Sorgen enthoben hätten. Seitdem hat dieser „Christus aus dem Baumstamm“ mehr als vierzig Jahre lang meine Arbeit begleitet und wurde auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Ich war zwanzig und hatte beides erlebt: die Annektierung Böhmens durch die Nazis. Den Krieg und anschließend die Vertreibung durch die Tschechen. Ich war zu jung, um den Schuldzusammenhang zu ermessen, ich war alt genug, um das zweifache Leid, den doppelten Verlust ganz wahrzunehmen. Dem „Christus aus dem Baumstamm“ sind der Kopf, die Hände und Füße geschwollen des Leides, an dem der schwache Leib des Mensch-Gottessohnes hängt. 42 Jahre später – 1989 ist ein besonderes Jahr für die Tschechoslowakei und für die Deutschen und damit auch für den Böhmerwald. Eine sanfte Revolution hatte eine ideologisch zerschlissene, ökonomisch herabgewirtschaftete und moralisch entwurzelte Illusion der Macht historisch erledigt. Auf der Prager Burg wünschte sich das Volk nicht einen Sieger, sondern einen Menschen, der sein Leben in der Wahrheit zu leben versucht, was ihn für Jahre hinter Gefängnismauern verbannte: Václav Havel. Weihnachten 1989 war die Festzeit der neuen Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen, einer Versöhnung für die vielen meiner Freunde, die auf beiden Seiten der Grenzen über all die Jahre hinweg in Kulturbegegnungen vorgearbeitet hatten. Václav Havel war der erste Staatspräsident der erneuerten CSFR. Ich fragte bei ihm an, ob er meinen „Christus aus dem Baumstamm“ als Geschenk, als Zeichen der Versöhnung, annehmen würde. Nach 42 Jahren war eine solche Geste wieder möglich. Auf ausdrückliche Anweisung von Václav Havel wurde der „Christus aus dem Baumstamm“ in der St. Georgs-Basilika auf dem Hradschin aufgestellt, gegenüber dem Schrein der Schutzherrin Böhmens, der hl. Ludmilla. Ein Rückkehr in mehrfachem Sinn. 1947 in den Weihnachtsferien hatte ich diese Figur aus dem Baumstamm geschält, aus mir herausgehoben. 1989 in den Weihnachtstagen habe ich mich entschlossen, sie in dieser gewandelten Zeit dorthin zurückzugeben, woher sie ideell und geographisch stammt. 1989 ist zu meinem besonderen böhmischen Weihnachtsfest geworden. ( Erstveröffentlichung in: Meine Weihnachtsgeschichte – Prominente erzählen, eingeleitet und herausgegeben von Barbara Genscher, Bergisch Gladbach: Lingen Verlag 1993. )

Ganzschrift-Empfehlung Gashi, Sadbera: Vertrieben – Sadberas Tagebuch – Ein Mädchen erlebt den Krieg im Kosovo, Wilhelm Heyne Verlag, München 1999. ISBN 3-453-16292-7 Statt eines Vorwortes „28. März Hallo Mimi, gestern konnte ich dir nicht schreiben. Es war zu gefährlich. Kaum waren wir oben und hatten uns schlafen gelegt, mussten wir wieder runter, weil sie uns bombardiert haben. Aber heute bin ich mit Kiki hinausgegangen, um die zerstörten Häuser zu betrachten. Lieber Gott, bitte hilf uns. Wir sind hier in einer immer größer werdenden Tragödie. Ich kann nicht mehr, ich bin müde. Wie es wohl denen in den Bergen geht? Gestern wurde erzählt, sie hätten Tausende von Menschen massakriert, und genauso viele seien geflohen. Oder sie haben sie vertrieben. Hoffentlich gibt es bald Frieden, und wir können genauso leben wie die anderen jungen Leute auf der Welt. Heute haben sie auch meine Schule kaputtgeschossen. Als ich die Trümmer gesehen habe, fühlte ich mich schlecht, ganz schlecht. Ich hätte da drin sein können. Ich würde alles dafür geben, wenn ich wieder zur Schule gehen und dem allem ein Ende setzen könnte. Sadbera hat die gleichen kleinen und großen Träume, die gleichen Leidenschaften und Sorgen wie italienische, französische, serbische und amerikanische Mädchen in ihrem Alter auch: die Flirts und Enttäuschungen der Jugendlichen, die Abende in der Disco, die leidenschaftliche Schwärmerei für Leonardo Di Caprio, die Ferien am Meer, Streitereien in der Familie, Eifersüchteleien, dicke Freundschaften und unwiderrufliche Antipathien. Doch Sadbera ist im Kosovo geboren und in Pristina aufgewachsen, bis die Polizei ihres Landes eines Tages an die Tür klopfte und sie und ihre Familie, wie auch Hunderttausende andere Jungen, Mädchen, Männer und Frauen aufforderte, alles stehen- und liegen zu lassen und fortzugehen, weil ihre Volkszugehörigkeit, albanisch, und ihre Religion, mohammedanisch, in diesem Land nicht mehr geduldet wurden.“

Ganzschriftempfehlung Josef Holub: Der Rote Nepomuk Klappentext Im schönen Böhmerland ging damals alles wild durcheinander. Jeder war gegen jeden. Nur die beiden 12jährigen Freund, Jirschi und Pepitschek, die brachte niemand auseinander. Dabei war der eine Deutscher, der andere Tscheche. Natürlich haben sie herausgekriegt, wer den roten Nepomuk von der Brücke gestohlen hat. Und noch viel mehr ist passiert in diesem einen Sommer, bevor ihnen Hitler das Paradies gestohlen hat. „Diese Geschichte ist prall voll Zeitgeschehen. Es ist ein Buch gegen den Krieg und für ein friedliches Zusammenleben. Und alles wird warmherzig auf unvergeßliche Art erzählt. In diesem Roman finden sich Humor und tiefe Menschlichkeit. Dieses Buch könnte für Kinder von richtunggebender Bedeutung sein – ein Glücksfund.“ (Aus der Jurybegründung zum Peter-Härtling-Preis für Kinderliteratur) Aus der Dankesrede zur Verleihung des Peter Härtling Preises „In meiner Erinnerung gab es da einiges, von dem ich meinte, man sollte es für die Nachwelt festhalten, und wenn es nur für die eigenen Kinder und Enkel wäre. Denn es könnte nicht schaden, dachte ich, wenn andere, vor allem Kinder und Jugendliche, an einem typischen Beispiel erzählt bekämen, wie leicht und wie schnell Menschen politisch verführbar und manipulierbar sind. Ich wollte aber auch beschreiben, dass sich eine Freundschaft von Haß und Verhetzung rundherum nicht kaputt machen lassen muß. So ist aus einem Gemisch von Erinnerung und ein bisschen Phantasie der „Nepomuk“ entstanden... Warum ich in die Haut eines Zwölfjährigen geschlüpft bin? Wegen des dadurch möglichen etwas naiven Blickwinkels und der unkomplizierten und ungeschminkten Sprache. Und auch wegen der in diesem Alter besonders ausgeprägten Gefühlswelt. Und weil ich diese Zeit in eben diesem Alter von zwölf Jahren selbst erlebt habe. Ein wenig festhalten wollte ich nebenbei die Atmosphäre jener Zeit, in der jahrhundertealte nachbarschaftliche Verbindungen und Bindungen von beiden Seiten, von Deutschen und Tschechen, mutwillig zerstört worden sind.“ (Josef Holub)