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Sonderabdruck aus dem Anzeiger der phik-h ist. Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1948, Nr: 1, S. 9ff•. Die Trelleborg anf Seeland und der Runensteln VOll Uök Von Prof. Dr. Otto Höfler Mit 2 Abbildungen im Text Rudolf 11. Rohrer Wien

Die Trelleborg anf Seeland und der Runensteln VOll Uök · Sonderabdruck aus dem Anzeiger der phik-hist. Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1948, Nr:

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Page 1: Die Trelleborg anf Seeland und der Runensteln VOll Uök · Sonderabdruck aus dem Anzeiger der phik-hist. Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1948, Nr:

Sonderabdruck aus dem Anzeiger der ph ik-h ist. Klasse der österreichischenAkademie der Wissenschaften, Jahrgang 1948, Nr: 1, S. 9ff •.

Die Trelleborg anf Seeland und derRunensteln VOll Uök

Von

Prof. Dr. Otto Höfler

Mit 2 Abbildungen im Text

Rudolf 11. RohrerWien

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Seit dem vorigen Jahrzehnt hat die wikingzeitliche Festungs-anlage der ,Trelleborg' bei Slagelse im Westen der Insel Seelandin steigendem Maße die Aufmerksamkeit der Frühgeschichts-forschung auf sich gezogen. Denn diese Wikingerburg stelltnach der übereinstimmenden Meinung aller Fachleute emUnikum innerhalb der nordeuropäischen Geschichte dar.

Die Ausgrabungen, die seit 1934 unter der Leitung desDirektors des Dänischen Nationalmuseums, Paul Norlund, durch-geführt worden sind, haben ergeben, daß es sich dabei umeine militärische Großanlage handelt, die nach einem strengmathematisch-exakten Plan mit einer Präzision ;'lusgeführt ist,die im skandinavischen Altertum nicht ihresgleichen hat.!

Die Anlage (s. Fig. 1), zwischen zwei der größten Wasser-läufe von \Yestseeland, Tudeaa jmd Vaarbyaa, gelegen, die sichdort vereinigen, um bald darauf in den Großen Belt zu münden,besteht aus einem kreisrunden \Vall von 17 m Dicke und 6 mHöhe; der die Hauptburg umschließt, und einer Vorburganlage,die im Südosten die beiden schützenden Flüsse verbindet.

Das Charakteristische dieser Befestigung, das sie so scharfvon allen anderen Anlagen der germanischen Frühzeit unter-scheidet, ist die extrem mathematisch-rationale Anlage, alsderen Grundmaß sich der römische Fuß (29,5 cm) erweist:Die Hauptburg wird durch zwei Straßenzuge, die genau nord-südlich und ost-westlich orientiert sind und die vier Tore ver-binden, in vier Viertel geteilt, in deren jedem vier Häuser vongenau 100 Fuß .(d. i. 29,5 m) Länge quadratisch .angeordnetsind. Den Grundriß dieser Häuser bildet je eine an den Enden

I Narlund, Fra ~ationnlrnuseets Arbejdsrnark 1936, S. flfIfr., und 1938,S. 69 fr., und in der Zs. DlInmark, 19H, S. 13-1fr.; ferner Sune Lindqvist,Nordisk Farniljeboks lIUnadskrönika, 1939, S. 400 tr., Breudsted,Danmarks Oldtid Ill, 1940,-S. 333fr.

2Anzeiger 19-18.

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abgekappte Ellipse. Diese vier Ellipsen haben je einen Brenn-punkt gemeinsam. Die vier Brennpunkte bilden sehr genauein Quadrat. Die Mathematizität des Baues, die sich zumTeil geradezu dem Spielerischen nähert, I ist mit einer erstaun-lichen Präzision durchgeführt."

Sune Lindqvist hat, eine Anregung Oscar Almgrens auf-greifend, darauf verwiesen, daß die Winterlager der skandinavi-schen "rarüger, die mit Byzanz Handel trieben, von Konstnntin VII.Porphyrogcnnetos als rV(!a~ d. h. ,Kreise', bezeichu.et wcrden.!Doch keine der bis jetzt bekannten Wikingerburgen (die nichtseIten Rundwallanlagen darstellen')! zeigt eine mit derTrelleborgvergleichbare )Iathematizität, Es ist unbezweifelbar, daß derschematischen Regelmäßigkeit in der äußeren Anlage dieserBurg eine ebensolche in ihrer inneren, sozialen Organisationentsprochen haben muß. Da die Lage am Großen Belt aufeine Seekriegerschaft schließen liiI.lt;:ihat man vermutet, daßjedes der Häuser der Innen burg eine Schiffsmannschaft beherbergthabe." Die Seernannschaft, die in der Innenburg der Trelleborg

1 Narlund, a. a. 0., 193G, bes, S. 61 If. (vgl. 1938, S. 78 l, nennt U.Il. folgendeZahlenverhültnisse i gt'nnu 100, Fuß mißt auch die Diagonnie desMittelplat7:es. Der üußere Radius des Walles ist 85 m, seine Dicke17 ru, also ein Filnftel davon. Aucl.J. die Lüngsnchse der Häuser ist inFünftel geteilt: je zwei Querwände teilen in 20 Fuß Entfernung vonbeiden Enden je einen Raum ab. Die IIüuser der Vorburg (derenLänge genau neunZehntel von der der inneren Häuser betrügt, s. Narlund,a. a. 0., 1938, S. 77) sind streng radial angeordnet. Der Abstand ibrerInnengiebel VOID Zentrum ist doppelt 80 groß wie der Radius desInnenrandes des Walles. Weitere Zahlenverhältnisse a. a. O.

I Nacb Lindqvist, a. 11. 0., S.402, betrngt die grüßte Abweichuug dertatsächlichen Ausführung vom Plan beim Innenrand der Vorburg-gebäude, der 13G m vom Mittelpunkt entfernt ist, bloß 25 em, alsonicht einmal 2 Promille.

I 11.a. 0., S. 40äf.4 Brandsted, 11. a. 0., S. 335.6 9. Brendsted, a. a. 0., nuch S"rlund iu der Zs. Danmark ", 19-14,S. 134 fI.

• Lindqvist, 11.L 0., hat die Hypothese ausgeführt, daß sieh der ellip-tische Grundriß dieser Bauten daraus erklüre, daß im Winter dieSchiffe in die Burg (der jede Hafenanlage zu fehlen scheint) gezogenworden seien und ala Dächer über die elliptischen Eichenwände der

,HlWser - die erst dadurch zu solchen geworden wären - ge~tillpt

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ihr Quartier hatte und von ~0rlund auf 1000Mann oder mehrgeschätzt wurde,' hätte also aus 16 Schiffsmanuschaften'[(suje 60-70 Manu?) 2 bestanden, die in vier genau kongruenra;£:gebaute Teile zerfallen wäre.

Fig. 1. Die Anlage der Trelleborg(nach J. Br0ndsted, Danmarks Oldtid III).

Eine Viertelung VOll Kriegerorganisationen ist zwar emim alten kandinavien häufig belegtes Prinzip/ doch die miteiner so radikalen trenge durchgeführte Symmetrie der vier

wurden. Vgl. jedoch auch C. G. Schultz, Vikingetidshuset paa Trelleborg1= Fra Xationalmuseel Arbejdsmark, 19,1,2).

1 3.3.0., 19JJ, S. 13 . Der offizielle Ortsfübrer ,Trelleborg. En IorelabigVejledning', . 3, veranschlagt die Besatzung auf 2000-3000 Mann.

t So die Schätzung von X0rIund, a. n, O.3 Ja im Kriegergefolge Knuts de GroBen, den uiitluerloqh, das manmehriach mit der Trelleborg in Yerbindung gebracht hat, s. Narlund,a. a. 0., 193 ,S. 0; Lindqvist. a, a. 0., S. 406 f.; Brandsted, a. a. 0.,.335. E war in vier ,Viertel' eingeteilt; über jjerdhung, .Viertel',

s. Kolderup-Rosenvinge, Samling af gamle dnnske Love V, 1827, S.4,Z. 3 v, u. Dazu bes. E. Hjär ne, VederIag och sjöväsen, Namn ochbyod rr, 1929, S. 3 fr., be . S. 101 fr.

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Teile dieser seeländischen Flottenorganisation scheint, wieüberhaupt der Aufbau der Trelleborg, ohne jedes Gegenstuckin den handschriftlichen Quellen und in den Ausgrabungender Archäologie.

Aber ein Runendenkmal des Nordens dürfte ein unerwar-tetes Licht über diese scheinbar so isolierte Anlage bringen.

Der Runenstein von Rök im schwedischen Östergötlandbietet Angaben, die, wie ich glaube, mit der Kriegerorganisationder seeländischen Trelleborg im Zusammenhang stehen· unduns einen Einblick in deren inneres Gefüge geben können.'

Der Rökstein, dessen ea, 750 Zeichen bekanntlich dielängste aller Runeninschriften bilden, enthält im zweiten Teilseiner Schrift - von dem an dieser Stelle allein die Redesein so11- einen" kunstvoll angeordneten, sicherlich magischenText, dessen Sinn der schwedische Runologe Otto von Friesenin seinem Bueh ,Rökstenen' (Stockholm 1920) so gedeutethat: Der Ritzer des Röksteins, Varin, hat dieses Denkmalzum Andenken an seinen Sohn errichtet, der im Kampf gefallenwar. Der greise Vater hat einen zweiten Sohn gezeugt, derfür den Getöteten an dessen Feinden Rache nehmen soll. DieNamen dieser Feinde werden nun auf der Hinterseite (s. Fig. 2)des Monumentes aufgezählt, umgeben von einem Inschrift-Rahmen, dessen vier Seiten je 24 Runenzeichen enthalten.Von Friesen hat dargetan, daß der Sinn dieser seltsam anmuten-den Schriftanordnung .der war, daß die Namen der in Zukunft...zu vernichtenden Feinde magisch gebannt werden sollten, in-

1 Die hier mitgeteilte Kombinätion bildet einen Teil einer Arbeit desVerf. über den Runenstein von Rök, die seit dem Winter 1944/45gesetzt ist, aber aus zeitbedingten Gründen nocb nicht gedruckt werdenkonnte. Ein Exemplar der Korrekturbogen wurde nuf Bitte des Verf.von der Universitätsbibliothek Uppsala im Frühling 19-15 in Ver-wahrung genommen. Seitdem erschienene Faehliteratur wurde hierweder zugänglich noch bekannt. Mehrflll"he Anfragen blieben ohnepositive Antwort, so daB ich schließe, es seien seitdem einscbliigigeskandinavisehe Arbeiten nicht erschienen. Die vorllesende vorlüuüueMitteilung. beschränkt sich allein auf diejenigen Teil: der Höker r;-scbrrtt, die die Trelleborg beleuchten können.

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dem sie von allen Seiten durch die als magisch wirksam an-gesehene Zahl 2-1:eingeschlossen wareu.!

In diesem Rahmen nun (vgI. Fig. 2) stehen, in sogenanntenchwedisch-norwegischen Runenzeichen, die folgenden Zeilen,

Fig. 2. Der Rökstein (Rückseite)(nach O. v. Friesen, Rökstenen).

die ich zunächst in Y. Friesens Translitteration und der von ihmgegebenen '';"bertragung ill klassi ehe" Altisländisch wiedergebe: 2

1 Von Friesen, a. a. 0., . l31f., 661f. und. 100f. (nach vorausgehendenBeobachtungen von Ludwig "-immer und Sophus Bugge, Der Runen-stein von Rök, . 225 If.. über die runenmagische Bedeutung derZahl24 . bes. ~Iagnlls Olsen k la sischeu Aufsatz iu der Zs. Edda V,",.225 If.

, Vg!. v, Friesen, a. a. 0, S. 29, resp. 7; es sind, nach v. Fr iesensZählung, die ,fiockar' (Abschnitte) 12-1.1.

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[12.] ]1atsakumtualftahuarhistRsiku / n ani tu-ituqki~nkunukaRtuaiRtikiRsua I pqlikia.

[13.] patsakum]>ritauntahuariRt I ua int.ik ink u-nu kanaat in ts iul un ti fia I kurauinturatfia-kurumnabnumburn(i) I nfiak u ru mbr up r um-

[14.] ualkaRfimr;pulfsu / n inh rai pu l fanf'i m ru ku lf-sun inh qiala afimh a ru ]. I ssun ink un mun tanfi m-bi rn a as un in-

In v. Friesens altisländischer Übertragung:12. Pat segillm tolfta, hoar hest" Gunnar eidi etai

vdtvallgi ci svli at ci liggia tuttugu konunqar.13. Pat segium }J1'ettlinda, hoerir tuttuqu: kommgar

sdti i Seluudi (oder: Silundi) fiom uetr atfi(h'um 1llJfllum, bornir fiorum b,·65rum.

14, Peil' v.uu; fim bl'f15,', Rd5ulfs synil';peil' Hreitsulfr, fim bl'b51', Rugulfs synil';jJei,' *Hdisl, firn bl'e5r, HQ1"5s synil';}JeiJ' *Ky"mundl', firn bl'b51', Biarnar sYllil',

Im Gegensatz zu älteren Forschern (Sophus Bugge, AxelOlrik u. a.) hat v. Friesen in diesen Zeilen nicht den Hinweisauf ein in der Vergangenheit liegendes (historisches odersagenhaftes) Ereignis gesehen, sondern - das war einer derentscheidenden Gedanken bei seiner Interpretation des Rök-steins - eine Beschwörung des Runenmeisters, die über gegen-wärtig lebende, wirkliche Feinde, die Töter seines Sohnes,einen magischen Fluch aussprechen soll: der 'VoIf (,das Roßder 'Valkure', eine typisch altnordische Forme) möge ihreLeichen auf dem Schlachtfeld finden. Dieser Satz ist 1 in dieForm einer indirekten Aussage gebracht: [12.] ,Das sage ichzum zwölften, wo das Roß Gunns (d. h. der Walküre, s.o.)Speise finden soll (wörtlich: sieht) auf dem Schlachtfeld, aufdem zwanzig Könige liegen.'!

1 AhnIich wie vorher der Inhalt der Abschnitte II, 1, 2, 5, 6 (s.. v,Friesen, a. a. 0.), von denen hier nicht die Rede zu sein braucht.

I Ober die Einzelinterpretation, die übrigens seit Dugge bezüglich desSprachlichen bei diesen Zeilen kaum strittig ist, s. v, Friesen, a. a. 0.,S• ..§6ff.

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Diese zwanzig ,Könige' werden nun in den beiden nächstenAbschnitten (13. und 14.) näher bezeichnet: [liq .Das sageich zum dreizehnten, welche zwanzig Könige in"Siulunt" I vier'Vinter saßen, mit vier Namen, Söhne von vier Brüdern.' 2

[14.] ,FünfWalkes,3 Raöulfs Söhne, fünf Hraitlulfe, RugulfsSöhne, fünf Hqisle, Haruös Söhne, fünf Kunmunde, Berns(oder: Björns ') Söhne.'

So klar gerade dieser Teil der Rök-Inschrift in sprachlicherHinsicht ist, so seltsam erscheint sein sachlicher Gehalt:

Diese zwanzig ,Könige', welche in Siulund überwinterten,waren in vier genau gleichförmig strukturierte Gruppen ein-geteilt, indem je fünf von ihnen nicht nur als Brüder bezeichnetwerden, sondern sogar denselben Eigennamen führten. Unddie vier Väter dieser vier Brüdergruppen seien, so sagt derAbschnitt 13 aus, wiederum untereinander Brüder gewesen.

Diese Sozialstruktur ist überaus auffallend und scheintin der altnordischen Kultur, soweit wir über sie literarischunterrichtet sind, ohne Gegenstück zu sein. Zumal die Be-hauptung, daß fünf Brüder denselben Namen getragen hätten(und dies nun gar in vier miteinander verbundenen Gruppen)scheint zunächst ohne Analogon.

Solange man - wie es die ältere Forschung gctan hat-in dieser Zwanzig-König-Schar ein sagenhaftes Phantasiegebildesah,5 mochte man das Unglaubliche der Freiheit der Ein-bildungskraft zuschreiben. W·enn aber mit v. Friesen indiesen ,Königen' wirkliche Zeitgenossen des Runenschreiberszu sehen sind - und damit steht und Billt v. Friesens Deutungdes Röksteins als eines Rachemahnmals -, dann wird es un-möglich, diese Brüdergruppen und ihre Namen als Produktfreier Phantasie abzutun. Und v. Friesen hat für die Historizitätdieser Königsgruppen ein sehr schwer wiegendes Argument

I Uber diesen Namen und seine Form siehe unten.S "'örtlich: ,vier Brüdern geboren'., UalkaB: Plural des Namens IValke; ebnnso sind die drei folgendenNamen: 1lraipulfaB, Haislae, KunmundaB. im Plural gebraucht; diessucht die obige Verdeutschung wiederzugebt·n.

4 Cber Schriftbild uud Form dieses Namens vgl. v. Friesen~ a. a.O., S..73 ff.6 Ober Bugges und Olriks Deutung vg!. v. Friesen, 8. n. 0., S. 71 ff.

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beigebracht: ihre Namen zeigen zum Teil nicht nordische,sondern westgermanische Lautform. bzw. Bildungsweise.! Sohat sie also gewiß weder der skandinavische Runenmeisternoch eine nordische Sagentradition frei erdacht. Wenn es sichdagegen um Zeitgenossen handelte, deren Tötung ihm Blut-rachepflicht war und deren Namen er auf dem Stein runen-magisch .bannte', dann allerdings mußte er damn interessiertsein, ihre Namen; ihre ,Identität' möglichst geuau festzuhalten.Denn davon hing ja die erstrebte Wirkung der Runeninschriftnach der Überzeugung jeder 'Vortmagie entscheidend ab.2

'Venn aber die seltsame Schar von 4 X 5 gleichbenannten,Königen' historische 'Virklichkeit war, dann rückt diese schein-bar so isolierte, weil mathematisch durchorganisierte Krieger-gruppe, die auf Siulun; überwinterte, in unmittelbare Nähedes ebenfalls so auffallend ,mathematisierten' Trelleborger'Vikingerlagers auf der Insel Seeland. Und - dies sei vorweg-genommen - Siulunt ist sprachlich in der Tat identisch mitdem Namen der Insel Seeland (s. u.).

Wir wollen erst die Historizität der Angaben des Röksteinsnachprüfen, bzw. durch kulturhistorische Parallelen bekräftigen,und können dabei ein wesentliches StUck über v, FriesansBelege hinausführen. Sodann soll gezeigt werden, wie die aufdem Rökstein bezeugte Kriegerorganisation mit der in der.TreUeborg stationierten zusammenhing und wie die An-gaben des Runensteins das: innere Sozialgefüge der Trclleborgerleuchten, die in der Geschichte Dünemarks bis in dieZeit Knuts des Großen (1018-1039) eine so bedeutendeRolle gespielt haben muß. S

Das erste Paradoxon, das zu klären bleibt, ist die Namens-identität von je fünf dieser ,Könige'.

Sophus Bugge hatte auf einige Fülle aus dem nordischenAltertum hingewiesen, in denen zwei, bisweilen auch drei

I s. v. Friesen, a. a. 0., S. 71 Ii., bes, 81 f.: vgl. u.t Von wie ausgesprochen magischer Art diese lluneniuschrift war, dar-über sind sich die neueren Forscher wohl ausnahmslos einig. Dafür.z~g(>n u. a. die magischen Zahlenverhältnisse des Röksteins.

, Uber'diehistorische BedeutungderTrelleborg s.bes. Nerlund, a. a. 0.,1944.

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Brüder den gleichen Namen trugen. J Da. es sich aber dabeistets um leibliche Zwillinge oder Drillinge handeln dürfte,so scheiden diese Fälle zur Erklärung unserer Fünfergruppenaus. In der Tat nennt auch keine altnordische literarischeQuelle eine Vierer- oder Fünfergruppe von Gleichbenannten.s

Dagegen hat v. Friesen die Hypothese ausgesprochen, esmöchte sich bei diesen .Brüder'-Gruppen nicht um leiblicheBruder gehandelt haben, sondern um Bruderschaften von Artder alten Gilden, wobei er' an Kaufmannsgilden dachte." Dochhat v. Friesen damit erstens das Moti v der Namensidentitätnicht erklärt (er erwog daher die :::Uöglichkeit irriger Auffassun-gen von Seiten des Runenmeisters)." Noch seltsamer erscheintzweitens bei einer solchen Deutung die Erwähnung von ge-meinsamen ,Vätern' jener Königsgruppen. Und endlich drittensscheint dann die Behauptung unbegreiflich, daß diese ,Väter'(die ja sogar mit Namen genannt werden!) untereinander Brudergewesen seien.

Indessen lassen sich altskandinavische und neunordischeBelege beibringen, die für die geschichtliche Zuverlässigkeitder Angaben des Röksteins sprechen.

Zunächst für die Namensidentität innerhalb der Brüder-kreise. Ein Parallelbeispiel dazu bietet im nordischen Altertumeine Stelle bei Saxo Grammaticus (lib. VI., cap. 2 ff.), die abernicht eine westgermanische Handelsgilde betrifft (wie sie v. Friesenaus der Rökinschrift erschließen zu müssen glaubte), sonderneinen einheimischen skandinavischen Verband: unter König

1 Der Runenstein von Rök, 1910, S. 87ff.; weitere Purallelen solcherNamengebung jetzt bei Gering-Sijmons, Kommentar zu den Liedernder Edda, I, S.378t (zu Hyndluljöß 18, 3), und bei Lagerholm, DreiLfgisögur (Altnord. Sagabibliothek17, S. 2 f., Anm. 2); dort werden,außer leiblichen Geschwistern gleichen Namens,als zweite Gruppeeinige Fälle genannt. \\'0 gleichbenannte Personen, die nicht ver-schwistert sind, ,zusammen auftreten, z. B. zwei Berserker'. Dochsteigt in den von Lagerholm genannten Beispielen deren Anzahl nichtüber zwei.

I Deshalb hatte Axel Olrik in seinem Anhang zu Bugges Buch an einsprachliches oder sonstiges TraditionsmiBverständnis gedacht, umunsere InschriftsteIle zu erklären, siehe a. a. 0., S. 259 ..

:a a. a. 0., S. 82f., 105f.t ebenda, S. 82, vgl. S. 72 f.

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Fridlev habe sich eine kriegerische Schar von zwölf Brüdern(fratrum} in Norwegen auf einer schwer zugänglichen Inselniedergelassen, sich dort hinter einem hohen 'Vall verschanzt(praealtum moliti vallum) und die Gegend durch zahlreicheÜberfälle beunruhigt: Quol'lwdam eero ex ipsis nomina {uamcetera vetllstas abstulit] subnotaui : (Ierbiorn, Gunbiom, Armbicn»(von J. Olrik gebessert in Al'illbiol'II), Stenbiorn, Esbioru,Thorbiorn et Biom.

Es ist gewiß kein Zufall, daß die Namen dieser siebenräuberischen fratres sämtlich mit -biorn gebildet sind. Die fünfrestlichen, in Vergessenheit geratenen, waren sicher ebenso gebaut.Die Individualisierung geschah durch das Bestimmungswort,das Grundwort hatten sie gemeinsam. Es bezeichnete dieseKrieger als .Bären', und sicherlich darf man sie dem wohl-bezeugten skandinavischen Typus der Bärenkrieger, an. berserkir,zuzählen, die, in Tierfelle gehüllt, als dämonische 'Vesen auf-traten. Auch dieser Typus wird durch Varianten als weitver-breitet und fest erwiesen. So ist es historisch bezeugt, daßOlaf der Heilige durch einen gewissen Thorir Hund» getötetwurde (1030), der durch eine Zwölferschar YOIl in .zaubcrische'Fellkleider gehullten Männern umgeben gewesen sein soll;man darf in ihnen, nach Ausweis anderer Analogien, dämonische.Hunde-Krieger' sehen} Eine vergleichbare [Zwölfer-] Schar VOll

Elitekriegern, welche als ulfheCiIlCl1', d. h. ,'Volfspelze', be-zeichnet werden, ist durch altnordische Quellen als Kern-truppe König .Harald Hdrfaqri» auf dessen Königsschiff beider Schlacht im llaf1'sfjgl'd (872) bezeugt.! Diese Zwölfer-gruppen von Bären-, Wolfs- und Hundekriegern - also offen-

1 8. Verf., Cangrande von Verona und das Hundsymbol der Langobarden(in: Brauch und Sinnbild, Festschrift für E. Fehrle, 1940), S. 111 fT.und Anm. 60 und 63. Diese fellbekleideten Krieger werden - wasfür die solchen .Verwandlungskulteu' zugrunde liegenden Anschauungenkennzeicbnend ist - geradezu als hundar (Appellatlrum l) bezeichnet,s. a. a. 0., Anm. 62.

t vgl. dazu Egilssnga, ed, Finnur Jönssou (AS B3), Anm. zu cap. IX, 4, linddie zeitgenössische Skaldcnstrophe in llurbjQrn Hornklöfls Ilarald.kt",·Cii.Als fcste Institution sind Zwölfergruppcn (anorw. tylft usw.) im IIN'r-. we~n Skandinaviens bis ins 14. Jh. nachweisbar, s. Hjärne, 8. a. 0.,S. Ut.

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bar eine feste Institution - sind (wofür sich auch völker-kundliche Parallelen beibringen ließen) als kultische Ein-richtungen zu verstehen, deren Träger durch eine gemeinsameSymbolik zur Einheit zusammengefaßt waren.'

Eine neunordische Parallele, die mit der Saxostelle auchdas gemeinsam hat, daß die Eigennamen des Verbandesein-heitlich geprägt, wenn auch individuell variiert sind, bietetein isländisches Märchen, das Adelins Rittershaus mitgeteilt hat: ~Dort wird von zwölf :Räubern'erzählt: die alle den NamenHaukw', d. h. ,Habicht', trugen. Zur Unterscheidung hattensie Beinamen: der Graue, der Blaue u. s. f. Ihr Anführer hießHallkll1' Mi, d. h. .der Hohe'.

Dieses Motiv kann kaum eine junge Erfindung sein.s Dennsolche .Habicht-Krieger' sind uns schon durch die altnordischeLiteratur bezeugt, die einen Kriegerverband der ,Habichte' oder.Habichtmänner' (lwukmellll) kennen lehrt.' Daß es sich beidiesen ,Habicht-Kriegern' nicht um ein freies Phantasiemotiv,sondern um eine historische Reminiszenz handelt, zeigt u. a.die bekannte: auf dem Vendelhelm abgebildete Gruppe vonVogelhelm-Trägern. Denn ähnlich wie - nach S. Bugge6 -

der Träger des Eberhelms selber als je!m'l', d. h. ,Eber', be-zeichnet worden ist und wie die Bären- und Wolfskriegersowohl durch Tiermasken als auch durch TierheIme (oder:symbolische' Helme) charakterisiert waren," oder wie nach einerverbreiteten Hypothese der von einem Vogelhelm (Adlerhelm?)bedeckte und von (ähnlichen) Vögeln begleitete Reiter auf derPlatte des Vendelhelms den Gott Odin darstellte, der selbersowohl Arnhf!foi, d. h. :Adlerkopf', genannt wie .als' Adlervorgestellt wurde - so hilt es jenen haukmenn gewiß nichtan einer kultischen Habichtssymbolik gefehlt.

I Verf., a. a. O. (mit weiteren Hinweisen).2 Neuisländische Volksmärchen, 1902, Nr. 52 (vg!. Gering-Sijmons,Kommentar zu den Liedern der Edda I, S. 378).

a Sie gelten auch als (magisch) gefeit, wie man das im nordischen Alter-tum von den Berserkern glaubte.

, s. Hälfs saga ok Hälfsrekka, ed. A. Le Roy Andrew (= ASB 14, 1909),S.120 f., Str. 54, auch 51, des Hröksliedes; darübermehr an anderer Stelle.

11 Norges Indskrifter med reldre Runer J, S. 248.• Dazu Verf., Cangrande (s.o.), S. 118 fr.

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Die Tradition, daß die lIitglieder auch jenes räuberischenVerbandes alle den .gleichcn' (nur sekundär differenzierten)Namen Haukur batten, darf also, zusammen mit dem BerichtSaxos über die .Räuber-Brüder' auf der umwallten Insel, alsStUtze für die Zuverlässigkeit der Rüker Inschrift gelten.l

Als letzter Parallelbeleg sei _ wegen der Wichtigkeitund scheinbaren Isoliertheit des Röker Runenzeugnisses _ein schwedischer Beleg beigebracht: In Mittelechweden bestandbis zum 19. Jh. ein Schwurverband VOll jungen Leuten, demjeweils nur zwölf )Iann angehören durften, deren oberster als,Könit (kulIg) bezeichnet wurde. Diese Öja.lms(s)al· - buse(bllsse) bedeutet u. a. ,verkleideter Mensch' und ,'Volf' ll_ trugenFellkleider mit nach außen gekehrtem Pelz, traten zu Zeitenmaskiert auf (eine entsprechende Jungmannschaft im Nachbar-bezirk nannte sich lre.~terlllo !:al'gm', d. h. Wölfe von Vestermo)und zeigen auch sonst eine Hcihe von Strukturmerkrnalen, dieauf sehr alte Zusammenhänge weisen.! Auch sie hatten übrigensihren Schlupfwinkel in einer Ringwallanlage auf einer Inselim Hjälmarsee. \Vichtig ist für unseren Zusammenhang, daßihnen die Volkstradition einen _ offenbar mythischon=-, gemein-samen ,Vater: (BussfUl') zuschrieb,' obwohl sie ja Schwurbrüder.nicht leibliche Brüder waren.

I Für die historische Zuverlüssigkeit spricht auch die ofTenbare Unab-hüngigkoit des neuisländischen Zeugnisses von dem des Saxo: in beidenist Gleichheit und Variation der Nnrnen dureh verschiedene sprachlicheMittel erreicht (bier dun-h Komposition, dort durch Attribution) undes sind auch die Sympathiosyrnbole verschieden!', wenngleich beide imgermanischen Altertum wclrlbezeugte,

, ~. Svenska Akndemiens Ordbok, V. Bd., 4605.• Ober den von R. Dybeek, Runa (Folio) I, Stockholm 1865, S. 9-lff., 11,

ib, 1874, 8.13 If., geschilderten Verband 8. Sigurd Erixon, Yngliugalaget.En genglngare i samhället, (7.s.) Fataburen 19:!1, S. 05 ff.

• Ihn glaubte mnn nuf einem nlten Ruuenstein nbgebildet ; Dybeck, n.a.O.II, S. U, berichtet, als er bei einer Runenaufnnhme in öja einem alten.Mnnn sagte, jener Runeusteiu (es handelt sich wohl um den von Brateund Wessen, Södermanlands Ituninskr ilter, S. 6:!, besprochenen und imBildband PI.9 und 43 abgebildeten Stein) sei vielleicht 700 - 800 Jahrealt, da habe der Alte geantwortet, dies könne wohl stimmen, denn da--müls hätten es jene am iirgstcn getrieben, und jen!'r ~lännerkopf nufdem Stein sei wohl der ,Bussvater selbst' (6ru'Jar ,jii,lf). Also offenbar

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Dabei handelt es sich offenbar darum, daß dieser kultische-also auf übermenschliche Realitäten bezogene - Verband einemythische Person als Schutzpatron verehrte: also eine religions-historisch durchaus typische Erscheinung. Es ließen sich ausder Völkerkunde genügend Parallelbeispiele anfuhren, .welchezeigen, daß die Beziehung kultischer Verbände zu einem solchenSchutzpatron, an den sie sich gebunden fühlen, zu den typischenStrukturen gehört. Die hohe Bedeutung der Gildenpatrone imMittelalter ist bekannt. Da die Institution der germanischenGilden aus vorchristliclien Formen hervorgegangen ist, die erstim Lauf des Mittelalters verchristlicht wurden, I liegt der Gedankenahe, daß auch die so WIchtige Institution des Gildepatronsin vorchristliche Zeit zurückreiche. Skandinavische Ortsnamen,wie Torkarbp und Odenskm'eby,!! zeigen, daß sich da eine festeMenschengruppe an eine bestimmte mythische Persönlichkeitgebunden fühlte. und dies auch in ihrer Selbstbenennung zumAusdruck brachte. Und noch im 17. Jh. begegnet auf denschwedischen .Alands-Inseln als Benennung. einer nach altemkulti~chem Brauch umreitenden Schar die Bezeichnung .Odens.Männer' (Odells mänS). Beide Male druckte die Bindung derSynonyma män und kar[lJ e ein - offenbar kultisch festes -Zugehärigkeitsverhiiltnis dieser Schar zu Oden aus."

eine feste Traditionsvorstellllng. - Cbrigens trug der AnfUhrer dieserSchar die Bezelchnuug ,König' (kung), s.o., und daß d~eser Titel altwar, darauf deutet vielleicht der Name Kcmuflg,ö fUr die Insel, 'aufder dieser Schwurverband in einer alten Umwallung seinen Schlupf-winkel hatte, 8. Dybeck, a. a.O. I, S.95. Auch dies scheint ein Gegen-·stück zu Saxes Bericht und zur Trelleborg, bzw, zu deren Vorformen.

1_8. Villi. Grönbech bei Chanpetie de la Saussuye H, S. 598 f., und Kulturund Religion der Germanen 11, S.116 ff.

~ s. Hellqvist, Et. Ob.', S. 5-U und 992.a Beleg von 1639, 8. Finska Kyrkohistoriska Samfundeta Hnndlingnr VI,

Borg! 1908, vg], Verf., Kult. GebeimbUnde der Germ. I, S.44 •.4 Der Einwand von J. Götlind, Folkminnen och folktankar, 1935, 8.144 f.,daB Oden hier eine (sekundäre) Benennung für den Teufel Sill, über-sieht, daß der Brauch kultischer Umritte nicht zur Tellfe)svorstellung,wohl aber zu germanischen Kulten p'IBt; die zur Odinsverehrung gehören(Hinweise bei R_ Wolfram, Schwerttanz und Mlinnerbund, S. 365 ff.).Bei dem mit dem Ausdruck Oderu m(in parallelen Oderukal'[lJe in demgenannten Ortsnamen wird- eine diabolistische Interpretation durchdas damit korrespondierende Torkar[leJb!J unmöglich gemacht.

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Es darf dazu ergänzt werden, daß auch ·die persönlichekultische Bindung einzelner Personen an eine bestimmte Gott-heit - am häufigsten an Od in - zu den typischen Formender altgermanischen Religiosität zählte.' Es ist dabei' charak-teristisch, daß das Verhältnis des mythischen Patrons zu seinemGeweihten häufig als das eines ,Ziehvaters' zu seinem Ziehsohn(jostl'i) bezeichnet wird. So wird in der Tradition Harald lIdlfagrials Dofrafdstri, der Ziehsohn des (mythischen) Dofrl, gekenn-zeichnet, Stal·kalir als justri des lIrosshdl·sg1·ani, d. i. (kiln, oderivur Vilifallmi als jJstl'i des HQI·lIl·, in dessen Person sichebenfalls dieser Gott verbirgt.t Die ins Mythisch-Jenseitige er-hobenen Einherjas- werden von Snorri als Ollins ,\Vunschsöhne'(oskas!Jnir) bezeichnet," und andererseits wird mehrfach inSagen betont, daß die BegrUndung von Schwurbrüderschafts-Verhältnissen auedrücklieh auf den Gott bezogen wurde, an-scheincnd auch im wirklich ausgeübten Kult.'

1 Als Belege seien hier genannt die Traditionen von Harald Ililditon»,JIad(d)ing (bei Saxo Grammnticus), Sigmund und Sin.fj~tli in derV~lmnga,aga, von 9Mlar Odd oder von Eguind Kinnr(fa in der Ge-schichte Olaf Tryg9"a,om, von Horald Ilarfagri und j"al· Villfa<lmi,ferner die Starka5-Tcadition. Ober die Bedeutung dieses Typus, dernicht nur der Literatur, sondern auch dem realen Leben angehörte,an anderer Stelle mehr.

t Eingehendere Belege für diesen historischen Typus wird die erwähnteArbeit des Verf_ über den Rökstein beibringen.

a SnE I, S.84, 12. Wenn die von L. Weiser, Altgermanische Jünglings-weihen und ~Iännerbünde, und Verf., a.a. 0., ausgefUhrteThesezutrifIt,daBdie Einherjer von kultischen Mannschaftsverbänden in ,Verwandlungs-kulten' dargestellt wurden, wobei sich der Verband mit den Toten identi-fizierte, dann gewinnt dieses ,Wunschsohn'- (Adoptionssohn-) Verhältnisneben seiner mythischen auch kultische, real soziologische Bedeutung.

, So die Anbrüderun~ zwischen HadingU8 und Liseru« bei Suo (ed,Olrik-Rreder, S.23, Z.26); vgl. Ö,."ar-Odd.-Saga, hgg. v. R. C. Boer,Leiden 1888, S. 125 (Fassung A); auch für die Bindung solcher Schwur-verbandgruppen nu persönliche Gottheiten lieBen sieb völkerkundlicheParallelen beibringen, die diese Beziehung uls eine typische erscheinenlassen. Weitere Belege aus dem germanischen Kreis Bollen a. 11. O. vor-gelegt werden. - DIl, wie bed. Max Pappenheim gezeigt hat, dasRitual der Schwurbrüdersebaftsstiftung auch mit einer symbolischengemelnsamen Wiedergeburt verbunden war, ist es sinnvoll, daß die

.....Br~der< auf dem Rökstein nicht nur als .unin eines (mythischen)Vaters, sondern auch als ihm geboren (burnin) bezeichnet werden.

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Es gibt also sowohl historische wie volkskundliche Gegen-stucke zu der Beziehung des Verbandes der Öjabussar zu ihrem(offenbar mythischen) Bussfar. Diese Beziehung wird außerals Sohnschaft auch als Ziehsohnschaft bezeichnet.

Anderseits ist die Benennung der Mitglieder von Gilden odergildenähnlichen Verbänden als ,Brüder' wohl belegt, nicht erst immittelalterlichen Gildewesen. sondern bereits auf Runensteinen.!

-Damit scheinen die beiden ersten der oben genanntenParadoxien der InschriftsteIle, die Namensgleichheit der ,BrUder'und die Beziehung dieser (offenbar nicht wirklich miteinanderblutsverwandten) Genossen auf einen trotzdem gemeinsamen,nämlich mythischen, ,Vater, kulturgeschichtlich geklärt, bzw._:typologisch' aufgehellt. Denn die Beibringung von kulturellen.Parallelen' hat ja nur dann methodologische Berechtigung undBedeutung, wenn ihr Vorkommen das Vorhandensein eineshistorischen (sozialen) Typus bekundet. Das ist hier der Fall.

Es bleibt noch die dritte Paradoxie aufzuklären. Wennin derRegel als der mythische Herr oder Patron der kultischenMannschaftsverbände Odin erscheint." so können die ,Väter'der Brüder-Gruppen des Röksteius offenbar nicht mit diesemGott identifiziert werden, denn es sind ja ihrer vier genannt,die untereinander als Brüder bezeichnet werden. Das hindertjedoch nicht, daß diese vier ,Väter' mythische Personen voneinem dem Odin ähnlichen Typus waren, die als Patrone jenerSchwurbrüder verehrt wurden - wie umgekehrt so oft Lokal-gottheiten sekundär mit Hochgöttern analoger Struktur identi-fiziert worden sind, so daß mehrfach Orts- oder Stammgott-heiten mit Odin gleichgesetzt werden konnten, resp. ihre Namen,als' Odinsnameu verwendet 'wurden, etwa Langbar~J1',Gout»,HQ1"~1",der Stammgott der Hf!1"~a1'(Harudes), wohl auch Svafnirals Heros eponymos der Srdfar oder Skilfill!Jl' alsder derSkilfingal'. s .

1 Auf dem Hüllestad- und dem Turingestein, s. zuletzt Upplands Run-inskrifter 11,2[Stockholm Iüdö), 8.138 fr., und die dort genannte Literatur. .Ein Analogon aus dem mittelalterlichen dänischen Gefolgschnftswesen,wo kleinere Untergruppen als fratres bezeichnet werden, s. bei Hjärne,a: a. 0., K 112.

, s. Yerf., a, a. O. I, bes. S. 323 fr.a Vgl. die Sehlußstrophe der.eddischen Grfumismäl, 'Ober Sva/nir, dessen

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Hier. war eine solche Identifizierung mit dem Hochgottwegen der Kombination von vier gleichrangigen Namen un-möglich. Aber zum ,Typus' jener Patronatsgottheiten könnensie sämtlich gezählt werden.

Zwei von ihnen sind anderweitig tatsächlich als Odisnamenbelegt, bzw. zu solchen geworden.

Denn dem urn. har u11-, auf dem Rökstein Vater derfünf Hqislan, entspricht altnordisch 1I1]1'5, der als mythischerPatron des Königs ival' Vi5fa5mi auftritt (s.o.) und, wennauch wohl meist mit Odin identisch gedacht, resp. sekundärmit ihm identifiziert, so doch gewiß ursprUnglich der mythischeHerr und Eponymheros des vielgewanderten Stammes der·lIal'udes war, deren einer Teil gegen Cäsar kämpfte, währendandere in JUtland und im norwegischen llQ1'5aland saßen.'

hirn-, der ,Vater' der fünf kunmumtan, war, ob nun dieLautform des Namens nord- oder westgermaniseh sein mag(darüber v, Friesen, S. 73 ff.), jedenfalls nach dem Bären be-nannt - ein sehr sinnvoller Name einer berserkermäßigenBärenkriegerschar, wie wir sie oben in den zwölf räuberischen.Brüdern' auf der verschanzten Insel bei Saxo kennenlernten.Da aueh sonst bei den Berserkern eine kultische Bindung aneine sie verwandelnde und beherrschende Gottheit typischist,:! so paßt der Name sehr wohl für den ,Patron' einer solchenaltertümlichen ,Brüder'-Grllppe, die wohl noch, wie so viele,z. T. weit jüngere; durch kultische Tiersymbolik gekennzeichnetgewesen sein wird.

Bei rukulf-, .dem ,Vater' der fünf hl'aiJmlfaR, steht anStelle der Bärensymbolik die "~olfssymbolik. Seine fünf .Söhne'werden als ,Ruhmwölfe' bezeichnet, ihr Vater oder Patron als

Name als 01'1n8 heia verstanden oder (daneben) vom Volksnamen her-geleitet werden kann, an anderer Stelle.

1 s. Much bei Hoops, Reallex., B. v. Auch der in einem langobardischenHochadelsgescblecht verehrte Stammahne A"odiuI (5. Much a. a. 0., § 5)wird als mythische Person zu gelten haben.

t s. Veri. a. a. 0.; deswegen werden auch Odin selbst wiederholt Biire!t-merkmals. zugeschrieben, auch in der Namengebung, s. Hjalmar Falk,Odensbeite [Kristiania, Videnskapsselskapets Skrifter 1I, Hist -filos.Kl.,11l21, Abh. 10], S. 4f., 18, 20f., 41 (Nr. 9, 10, 80, 82,93); dort S.19,Nr< 88, a!lch über H'lr5," als Odinsnamen.

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.Rugierwolf", Schon Sophus Bugge hat darauf hingewiesen,daß das Nebeneinander des Namens der Rugier und der Harudenin den Namen rukulf- und haru]» nicht zufällig sein wird,sondern auf Zusammenhänge mit den benachbarten Stämmen'der R!l9ir und llQI"Jw)" deutet.'

Der Name des ersten - und also wohl auch vornehmsten -der vier .Väter' aber, ra pul f-, fugt sich dieser Erklärung eben-falls ein: das Grundwort ulf- hat er mit jenem gemeinsam;das Bestimmungswort jedoch, zu altnordisch "ul5a .herrschen'gehörig, bezeichnet diesen ersten und führenden unter denvier verbrüderten ,Vätern' als den prlmus intel' pal·es. -

Diese vier ,Väter' werden als Brüder bezeichnet. Da nochkein Erklärer des Röksteins gewagt hat, dies physisch wirk-lich zu nehmen und also jene 20 Könige als leibliche Vetternanzusehen, so schien nur die Möglichkeit zu bleiben, hier ir-gendein Mißverständnis des Runenmeisters anzunehmen. Dieshaben m. "'. auch alle bisherigen Interpreten außer Buggegetan. Doch dem widerspricht die sonstige Genauigkeit desRunenritzers, die magische Notwendigkeit, die Namen undIdentitäten der Gebannten richtig zu fassen, endlich die, be-sonders von v, Friesen hervorgehobene, tatsächliche Sorgfaltin der Wiedergabe der zum Teil seltenen Namen.

Unsere mythische Deutung beseitigt diese Schwierigkeit.Denn daß die Stammheroen oder sonstigen mythischen PatroneVOll Menschengruppen, die sich -einander zugehörig fühlten, als(urzeitliche) Bruder angesehen werden, ist eine in der Mythe-logie ebenfalls ganz typische Erscheinung. Es genügt hier, aufdie durch Tacitus bezeugte germanische Stammsage (Germ. c. 2)zu verweisen, daß die göttlichen Ahnherren der Inqaeoonen,lstaeconen und Erminone» Bruder gewesen seien. ZahlreicheHerkunftssagen vieler Völker erweisen diese Vorstellung alstypisch.

Die Kamen der ,söhnc' nun, also der 20 Könige selber,lassen eine sehr merkwürdige Tatsache erkennen, die schonv. Friesen hervorzehoben wenn auch in anderer "'cisc'inter-<:> ,

I 8. Bugge, Der Runenstein von Rök, S. 87 fT., uucb v. Friesen, a. a. 0.,S. 738".

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pretiert hat, als wir es versuchen wollen: l\Iehrere dieser Namenscheinen nichtskandinavisch.sondern westgermanischer Herkunft.

u a l k an hält v, Friesen 1 nicht für nordisch, sondern fürden Plural eines ndd. *Waliko oder* lValika,* lValko oder* lValka.h ra ihu lf- hat einzelne Gegenstucke in schwedischen Runen-sehriften, doch ist Hrceitolf u. ä, auch im Hoch- und Mittel-deutschen bezeugt." Hn is l- ist im Nordischen ganz unbekannt.Als nächstes Gegenstück nennt v, Friesen ein ahd. Hahkis m."Bei ku nm un tan endlich, das formal ein all. *Gunnmund-oder *KlInmllnd- wiedergeben könnte, hält v, Friesendasletztere für wahrscheinlicher und glaubt eher an einen Zu-sammenhang mit dem häufigen westgermanischen Namen (ags.',Cynemulld, ahd. Cllnilllllnd usw.) als mit dem nur auf dem Tjurkö-Brakteat belegten urnord. Kunimunduu (dat, k un imujnj d iuj.s

So findet v, Friesen, daß von den vier Namen der 20 Königezwei ,deutlich westgermanisches Gepräge' tragen, und da auchlIqisl am ehesten zum Deutschen stimme, so kommt er zu demSchlußsatz, daß die 20 .Könige' von nicht nordischer Herkunftgewesen seien; dem widerspreche nicht, daß drei der Namen,nämlich RaJJUlf-, Harui» und Hraipulf-, nordisch sein könnten:denn auch diese 'Namen seien auf dem Kontinent wohl bezeugtgewesen.! Und damit kommt v. Fnesen zu dem Schluß, daßdiese 20 .Könige', welche vier 'Winter hindurch auf Siuluntsaßen, westgermanischer Herkunft g~wesen seien, und zwar denkter an eine zu einer Gilde zusammengeschlossene Schar von20 Häuptlingen von der deutschen Nordseeküste oder der Rhein-mUndung, etwa an friesische wehrhafte Kaufleute." Deshalbvermutet er in dem 'Vort siulunt, wo sie überwinterten, amehesten Sillende, das nach Alfreds .Orosius' nordwestlich derEIbemündung, südlichvon Jütland, lag.

Ich glaube, daß uns die Kombination der Röker Inschriftmit der seeländischen Trelleborg eine andere Deutung ermöglicht.

1 a. a. 0., 8. 76fr.t s. i.b.S. 78 f.:I ib. 8.19 nach Förstemann It, Sp, 785 (vg!. übr igens auch ib, 8p. 6-12f.) ..!--ib. 8. 79 f.a ill: S. 80 f.e ib. 8;.ßl e., t05 f.

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Ehe wir die aus dieser Kombination sich ergebendenFolgerungen ziehen, ist aber noch eine Frage zu beantworten:

Nach den oben für die' Namensidentität von (Sehwur-)Bruder-Kreisen beigebrachten Analogien würde man erwarten,daß der einer solchen Bruder-Schar gemeinsame Name keingewöhnlicher Personenname, sondern ein Kultname (wie -biornoder Haukul') gewesen wäre.!

Eine solche Deutung der vier Gemeinschaftsnamen scheintmöglich. Der in der ganzen altgermanischen Literatur sonst unbe-kannteName Hqisl, den v.Friesen mitSophus Buggeaufein älteres*Ha..nhagislaz zuruckfuhrt,! wUrde, ähnlichwie das einzig ver-gleichbare ahd. Hähkis (s.o.), zum Stamm ,hängen' gehören,während das Grundwort ,Sproß', ,junger Mann' oder ähnlichesbedeutete. Dieserseltsame Name fände eine gute Erklärungim Kult: denn bei Initiationsriten spielt, wie in außerordent-lich vielen Kulturen, so auch bei den Germanen, ein zeitweiligesAufhängen des Einzuweihenden einebedeutsame RoUe.s Dermythische ,Empfänger' und Herr dieser Weihung gehört' inder Regel zum Typ Odins, der selber als Hangagup bezeichnetwird. Daß auch harup, hier der ,Vater' der fünf h aialan,

I Axel Olrik hatte im Anhang zu Bngge, Der Runenstein von Rök,S.259, zur Erklärung der Verfünffachung jener Namen an lateinischeAusdrüc~e wie (Jaltorel für (Jailor et Pollua, Oereres für Ileres etProserpina erinnert. v. Friesen, a. a. 0., S. 72, wendet dagegen ein,daB ein solcher Sprachgebrauch im Norden unbekannt ist. Wennman nun nicht, wie Olrik, a .a, 0., und v, Friesen, S. 72a,82. die Ver-fünffachung der Namen für eine (mißverstehende) Stilisierung durchden Runenmeister hält - wogegen jene Parallelen sprechen -, dannmüßte, falls diese Namen keine Kultnamen wären, wohl angenommenwerden, daB der Eigenname des Altesten in der Wirklichkeit auchauf seine Schwurbrüder übertragen worden wäre, wozu es aber m. W.keine Gegenstücke gibt. Auch die bekannte altnordische Ausdrucks-weise ~i,. Gunnar für ,Gunnar und seine Leute' usw, (s, Nygaard,Norren Syntax, § 74; Hensler, Altis!. Elem., S.Aufl.,' § 404. auch§ 395f.; vg!. OIrik, a. a. 0., S. 261) kann schwerlich als Zeugnis einesälteren Namensbrauches solcher Art gelten.

I S.19, nach Bugge ..... a. 0., S. 78f.I Belege etwa bei Gering.Sijmons im Edda-Kommentar zu Ha'IJamal.8tr. 138; es bleibe dahingestellt, ob .gül- dabei die prägnante Bedeutung-,Geisel' im Sinne einer kultischen Gebundenheit. ähnlich wie owl)Ju}u:toaR.,Ulls Knecht', auf der Torsbjre~ger Zwinge, haben mochte.

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mit Od in identifiziert wurde, wenn auch nicht stets: und zwaraucli in der Funktion des Weihegottes und Königs-Patrons,wurde oben betont.

Die fünf'h rai p ulf'an können als ,Ruhm-Wölfe'Träger einerTiersymbolik wie die zwölf Bären-Brüder u. a. gewesen sein. Wiebei allen den vier FUnfernamen kann die Tatsache, daß erpluralisch flektiert wird, darauf deuten, daß er eher als Appellativdenn als gewöhnliches Nomen proprium empfunden wurde.'

Die fünf k u nmu n taa hat v. Friesen für Westgermanengehalten, weil der Name Kunimusul. im Norden selten, imDeutschen häufig war (s.o.). Die andere mögliche Form,GlL71(n)mund, erscheint im Norden erst verhältnismäßig spätbelegt, mehrfach als Wechselform mit Gurimund.2 DiesesGurimund nun ist ein wohlbezeugter mythischer und wahr-scheinlich auch kultischer Name, der in der Edda, in mythischenSagas, aber auch noch im neunorwegischen Volksglauben er-scheint.' Er dürfte, wie Much dargetan hat, als kultischerPersonenname (bzw. als kultischer Beiname) gebraucht wordensein.' Da nun im Subst, gunn- « *gunJ)-) ,Kampf' die Formen

1 Die von Gering·Sijmons, a. a. O. I, S.378, genannten gleichnamigenGeschwister werden in der Regel nicht pluralisch benannt. BeiErekar Mtsi,. (Hyndlulj6lS 18, 3) könnte ein appellaHvischer Sinnmitschwingen, ebenso bei den IIaddin!Jia,. t"ei,.. Beides sind wohltraditionelle mythische Namen. Eine gennuere Untersuchung ist mirz. Zt. nicht möglich. - Obrigens fUhren auch die von Lagerholm(s. o, S. 17, Anm. 1) als zweite Gruppe erwähnten gleichbennnntenNichtverwandten (abgesehen von dem erdichteten Val'r) nppellativischverstehbare Namen: Hauler, Grima,. (glo1m.= ,lIIaske'); zuvor derPlural Bjarnal'.

, v. Fr iesen, a. a. 0., S. 79 I. Vg!. aber vandalisch Gunthamund, B. ib.;auch Noreen, Aschwed. Gr., §257, Anm. 7, und Ais!. Gr.4, § 238, Anm. 15.

I Darüber Heinzel, wsn, Phil.·hist. Klasse 109, S. 697 If.; Much, Dergermanische HImmelsgott, S. 83, auch nerrigs Archiv 108, S. 410;zc I.· d. A. 61, S. 9911., und Die Germnnia des Tacitus, S. 40~ fT.;. Veri., a.·a, O. I, S. 17211. (wo weitere Literntur).I Bes. zur Stelle FMS 3,·S. 182 I., vg!. Much, a. a. 00. Wenn in Norwegen,wo ein Gudmund·Kult his heute lebt (8. Veri., a. a. 0., und die dortgenanntenArbeiten von Nils Lid), der NAme Gudl7lund, im Gegensatzzum übrigen Norden, biB zum 14. Jahrhundert 018 Toufnome vermiedenW-ird:(s. Ger ing-Sijmons, •. a. O. Il, S.89), 110 kann das daher kommen,dalO man eich seines heldnieeben Hintergrundes dort lange bewußt war.

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glllS- und gUnll- wechseln, so konnte für ein GulSmulId (primärzu -gulS-, ,Gott:), wie das später häufig bezeugt ist (8. 0.), em-Gun[ nJlIlIlIId eingesetzt werden.'

Dann wäre auch der Xame der fünf *Gur5mundal' einkultischer. Auch Gur5mu71d zeigt übrigens, von der Edda undder Sagaliteratur bis zum modernen Volksglauben, theriomorpheZUge.' - Daß diese Deutung hypothetisch bleibt, ist klar,ebenso der folgende Vorschlag zur Erklärung des vierten Namens.

ua lkaa führt v. Friesen auf ein niederdeutsches, bzw.friesisches *Walka (*Walko, oder *Walika, * lVuliko?) zurück,da ein einheimisch nordisches - Jralki sehr unsicher sei undKosenamen auf -(i)ke im Xorden erst seit dem 11. Jh. undda wohl durch deutschen Einfluß aufgekommen seien.!

Es wäre aber möglich, daß auch in ualkae, ähnlich wie inHaukar, ein Vogelname steckte. Denn altnordisch »alr:(Jagd-)Falke', das in der Dichtung sehr verbreitet war,' undähnlich wie ags. sceolhlcafoc eigentlich einen .welschen' Jagd-vogel bezeichnet hat, muß aus dem \Vestgermanischen insXordisehe gekommen sein. Xur im Germanischen konnte manihn als ,welsch' bezeichnen. Das \Vort ist im Westgerm. rechtalt, es begegnet schon seit dem 9.Jh. in ahd, (nach ags.)

I Voraussetzung für die erstere Annahme ist, außer dem' Obergang von-np- > -fln- [zw ischeu 700 und 950, s. Noreen, Aisl. Gr_', § 275;vg I. Aschwed_Gr.,§ 236,undJacobsen-lloltke, Danmarks Runeindskrifter,Sp, 777: auf dem Stein von Glavendrup e IJnIJn, ib, Sp, 252, vorJellinge), einerseits der von ·nm·· « ·nnn-, 8. Ais!. Gr., § 2Gä und277b) > -lSr- (Ai5!. Gr. § ~61: ,frOhestens in der Wikingerzdt'; wennaueb die Lesung [Bugges] m=!}lH auf dem Rökstein - 50 auch Noreen,Aschwed. Gr., § 1~8, Anm. 1, 229; vg!. S. 492 - hinfilllig ist, so ist~er Beginn des Vbergangs zur Rök-Zeit doch möglich); anderseitsdie Synkope des Fugenvokals in Gur5mund: diese ist 11. a. vollzogenin der Inschrift von Skivum (s. Jaeobsen·Moltke. on, Sp. 171, 658),wühread k up um u t lIuf dem Helmesstein alterlUmlicber als Rök ist(ib. Sp. 225; vgL v. Friesen, L D. 0., S.80; bes. OR, Sp. 658 11. v. undAnw. 1). _ Nach der Zeit. dieser Synkope aber war auch einegewöhnliche Assimillltion von -tim· > -nm- möglich, s. Noreen, Asehwed.Gr., § 237, Anw.7, lIuch 28;1, -iö Ais!. Gr.·, § 238, Anm. 15.

I L Verf., D••• O. I, S. 17Ur.I L •• 0., S. 76ff.• L Lexicon Poetic~m, S. 590.

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Glossen.' Der Korden wird das \Vort kaum aus einem west-germ. Kompositum übernommen haben, sondern aus einemwestgerm. Simplex *rcalch- o. ä., das auch ins Romanische alsgwalch gedrungen scheint.t Neben den Formen mit -x- scheinenim Germ. solche mit -k- vorzukommen. S Die nächste Erklärungwäre, daß der Formwechsel in dem so bedeutungsverwandtendeutschen falk(e) : falch(e)' neben *tvalch(e) in Norddeutsch-land ein analogisches *tvalk(e) entstehen ließ. Wie nun Falkobei Langobarden, Westgoten und Franken in Gallien ein be-liebter Männername war,5 so konnte wohl auch * TValko, *TValkeals solcher fungieren, -da es sich dabei um ein vornehmes \Vorthandelte.f

1 cod. Paris. 2685; 8. die Glossenbelege bei Steinmeyer-Sievers, I, S40,21; 496, Slf. Die Glossen sind aus einer ags, Vorlage abgeschrieben,s. Suolahti, Die deutschen Vogelnamen, S. 331, Anm. 1, und D. v- KraIik,Götting. Gelehrte Anzeigen 1914, S. 153. Vgl. die ags, Belege beiBosworth-Toller, Ags. Diet. s. v.

t s. Grimm, DW S, 1269, s. v. Falke (der jedoch irrtümlich ,welsches'glcaleh für eine Abteilung von falk- hiUt); die Verbreitung und dieFormen dieses romanischen Wortes kann ich z. Zt. nicht feststellen.

J Die ahd, Formen uualue hac fuch; uualai: hchahuhe, uuale atme, uaUhefuc, uylehefue, s. a. a. 0., wiegen als verstündnislose Abschriften nichtviel, da in der ags. Vortage vielleicht statt des ·h + h- ein -(h) eh-stand, vgl. Sievers-Brunner, AI'. Grat-nm, 1942, § 220, Anm. 1. Immer-hin scheint im Ags. neben uiealh» auehuine Lnutform soeale- vorzu-kommen, s. Bosworth-Toller, Ags. Diet. 11. v. wealMallu: wealebaltewere,tcealoebaltu oder wealCllt&dneben tcealkllMd; vgl. jedoch t»eoloc·rea(l undweoloe, a. a. O. (ein anderes Wort i vgl. wuluc ,Purpurschnecke', I!. Ae.Gr., § l14b).

, s. Much, Zs. f. a, A. 40, S. 296; Edward Sehröder. Anz. f. d. A. S4,S. 5, sieht falk : falch .der Fahle' als Wurzel des Vogelnamens l!'alkan. (Zu den von Sehröder genannten Fällen, wo Vogelnamen aufRosse übertragen werden, vgl. auch an. "alr als Pferdename, B.)..eX.Poet. 590, s, Valr 2.) Bei einem Kultunvort wie falke, das sich sichernicht räumlich stetig, sondern sprunghaft ausbreitete, u.zw. nord-wärts, konnte der Wechsel von k : X (vgl. auch mhd. walker: waleheru. it) eine zeitweise Formunsicherbeit bewirken, die ein gleichbedeuten-des ndd. ·walch(e) ,Falke' mit ergriff. (Schließlich deutet an. Valkerar,Bewohner von lValcheren' s. Lex, Poät., S. 589, auf die Möglichkeiteiner _Lautsubstitution.)

• s. Baist, Zs. f. d. A. 27, S. 60 ff.It""fJeben dem ags. Namen lVellterfalea erscheint die Form JVutorwalcna'(JVutOl'wealcna), s. Suolahti, a. a. 0., S. 300 und' Anm. 1.

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Da dasFalkenmotiv zum hohen Stil in Dichtung undMythos gehört - der Held, als Falke symbolisiert, erscheintin, vielen Literaturen.' und auch Odin nimmt die Gestalt einesvalr an 2 -, so böte, falls die vorgebrachte Vermutung zuträfe,diese Schar der fünf Valkar ein GegenstUck zu der der hauk-meuu, zu den zwölf Haukar in der isländischen Tradition und zuden Kriegergestalten mit den gleichartigen Vogelhelmen auf derberühmten Platte des Vendelhelmes. -

Bleibt die etymologische Deutung der Namenjener 20 Könige,die der Rökstein nennt, teilweise hypothetisch, sodarf docheiniges von diesem Königsverband Bezeugte als sicher gelten:

1. Der nach einem einheitlichen Schema durchgeführteA.ufbau dieser in vier gleiche Viertel geteilten Kriegerschaftist streng symmetrisch, gewiß nicht zufällig, sondern nach einersie systematisch gruppierenden Ordnung geschaffen.

2. Injeder dieser Viertelscharen tragen alle ,Könige' denselbenKamen, und sie sind schon dadurch einander näher zuge-ordnet.

3. Die Bezeichnung der vier Väter als .Brüder' ist einZeichen dafür, daß auch die Zusammenordnung der vier Viertel-scharen eine sehr enge und ihrerseits systematisierte war. _.

4. Die Bezeichnung als .Könige' zeigt, daß. es sich umFührer handelt, und da sie, auf ,Siulunt' überwinternd, sicher-lich Seekrieger waren, dürfte jeder ein Schiffsführer ge-wesen sein.

5. Diese Kriegerschar scheint aus Angehörigen verschiedenerStämme gebildet gewesen zu sein: rugische und harudische Be-ziehungen werden durch die Namen rugulf- und haru p- an-gedeutet - was sich auf nordische oder westgermaniche Teile die-ser in Deutschland nnd Skandinavien sitzenden Stämme beziehenkann (doch mag ihre Nachbarschaft in Norwegen eher nord-

1 8.. Frings, Pßß 5-1, 1930, S. IH tr., und C. v. Kraus, Des MinnesangsFrühling,-Untersuchungen, 1939, S. 25 tr.

I Hervararsaga, cap. 15; zu den Odinsnamen, die ihn als Falken kenn-zeichnen, 8.. llj. Falk, Odensbeite, S. 41 f. Ober die Heiligkeit desFalken vgl, Grimm, Gesch, d. dt. 8pr", 1880, I, S. 36 f. Auch dadurchwurde er "geeignet zum Kultsymbol.

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wärts weisen); andere Namen werden mit v. Friesen als west-germanisch auszusprechen sein.

6. Diese Schar überwinterte auf ,Billlulltl, das nach v. Friesensalternativem Vorschlag entweder als Billende zu deuten istoder aber als .Seeland',

Ehe wir den Zusammenhang dieser Königsschar mit derseeländischen Trelleborg feststellen und so den Rökstein zurErklärung der Ausgrabungen auf Seeland benutzen, sei nochder letzte dieser Punkte, die sprachliche Identität von si ul un tmit ,Seeland', geklärt.

'Venn v. Friesen, a. a. 0., S. 69fr., den Namen siulunt vonSelund (mit -u-!), dem awn. Namen Seelands, trennt und ihnmit Sillende, dem ags. Namen einer Landschaft nördlich VOll

der ElbemUndung, zu kombinieren vorschlägt, so war dabeiwohl seine Annahme entscheidend, daß jene 20 Könige Friesen,bzw. 'Vestgermanen waren (s. bes. S. 81 ff.), nicht aber sprach-liche GrUnde. Denn der zweite Teil von siulunt, mit -U-,hat zwar Gegenstucke im Namen der Insel (awn. Selund beiverschiedenen Skalden seit dem 10. Jh.1), aber m. ,V. nicht imNamen jener deutschen Landschaft. Bei Thietmar von l\lerseburgheißt Seeland Selon (für *Selond?),2 entsprechend Siolond inderMorkinskinna. S 'Vas nun auch _die Etymologie des erstenBestandteils des Inselnamens sein mag (darüber zuletzt Brondum-Nielsen, vgl. u.) - jedenfalls liegen seit alters Formen .mitDiphthong in der ersten Silbe vor, so Sialand, latin. Sialandiabei Sven Aggeson, Saxo u. v. a.,~ und awn. Bjolltnd (-land),sei es durch Brechung aus *Sellmnrli/' sei es durch teilweisevolksetymologische Anlehnung an sjo- usf., ,See' (wozu dt. Seelandund wohl der Gefjon-Mythos vom Auspflügen Seelands ausdem hlälar-See zu stellen ist). Sillende hingegen hat m. 'V.nirgends Diphthong. - Ohne sich also von der Etymologiedes Inselnamens ahhängig zu machen, darf man in siulunteine formal befriedigende Entsprechung alter Formen des

1 s. Bugge, Arkiv f. nord. filo!. 6, 1890, S. 238 If.t s. Brandum-Xielsan, Namn och bygd 20, 1932, S.95.a ed. Unger, S.17, 35; s. Bugge, u, a, 0., S. 240f.; vg!. u.4 s.;Brsndum.Xielsen, a, a, 0., S. 95.

- 6"ih:S. 97.

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Xamens Seeland sehen.' Besonders die in der Morkinsk inna 2

belegte Form Sioloud entspricht ja dem runischen siuluntgenau.!

Der Zusammenhang zwischen der Trelleborg auf Seelandund der auf dem Rökstein beschriebenen KriegerorganisationstUtzt sich demnach auf die folgenden Tatsachen:

Das I1auptcharakteristikum der TreIleborg ist die durch-geführte Mathematizität ihrer Anlage, die sie radikal von allenU_brigen bisher bekannten vergleichbaren Denkmälern desnordischen Altertums unterscheidet.' Anderseits ist die Organi-sation der auf dem Rökstein gcschilderten Königsbruderschaftebenfalls von einer Mathematizität, die unter all den skandi-navischen und sonstigen altgermanischen Sozialgcbilden, welchewir kennen, ähnlich einzigartig dasteht wie die Trelleborg unterden Baumonumenten. Je isolierter aber die beiden Denkmälerunter ihresgleichen erscheinen, um so größer ist offenbar die\Yahrscheinlichkeit, daß sie unter sich zusammengehören.

Da nun auch der Hökstein vou Seeland spricht, so scheintmir diese Kombination gewiß.

Doch sind dabei noch einige 'llomente zu klären. Erstens dasZeitliche:

Der Hökstein wird aus sprachlieben Gründen als Wcrkdes 9. Jhs., meist aus dessen erster Hälfte, angesehen." DieTrelleborg hingegen scheint zu ihrer jetzigen Gestalt im 10. Jh.ausgebaut zu sein, wobei damit zu rechnen ist, daß die V.or-burg später angelegt ist uls die Zentralwallanlage. Wie weit

1 I. Brendum-Nielsen, Gammcldausk Grammatik I, S.473, 9. v. Sialand;vgl. auch Germanska namnstudier, tjllügnnde E. Lldän, 1932, S. 99 if.:dazu Valter Jansson, Ark. f. n. f. 53,' 1937, S.91. .

I ed. Finnur J6n90n, S UG N L ss, S.89, Z.25 (dazu ib. S.90, Z. 2:S~lond und S. 162, Z. 7: Sioland). .

I vgl. A. Kock, Ark. f. n. f. 33. 1916, S.273f.t So lIußert Poul Nerlund, Fra Notionalmu_ta Arbe)dsmnrk, 1936,S. 65: ,Trelleborg-.\nlwgget er alt for klart og reguliert til at detkan Vll"re udtrenkt ay yore nordiske Forfodre, hvem saadan Plan-mleS6igbed, efter alt hvad vi bidtil har viJst om dem, laa gnnske Ijrernt.'

I a. etwa v. Friesen, D. a. 0., S. 106; auf die Einzelheiten der Datierungkann hier nicht eingegangen wl'rden.

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die neuesten Ausgrabungen ältere Vorformen der endgültigenAnlage erkennen lassen,' muß hier offen bleiben, da die Aus-grabungsergebnisse der letzten Jahre dem Verf. unzugänglichgeblieben sind. .

Die Rökinschrift läßt vermuten, daß diese Seekrieger-organisation zur Zeit der Runenritzung noch keine so festeBurg besaß wie die ausgeführte Trelleborg. Denn es wird jagesagt, diese Königsbruderschaft sei .vier Winter' auf Seelandgesessen.

Es darf aber geschlossen werden, daß die bereits im 9. Jh. sostreng durchmathematisierte Bruderschaft von Seefuhrern oderSeekönigen sich im 10. Jh. weiter behauptet hat und sichdann eine ihren Bedürfnissen entsprechende Festungsanlageschuf. Daß deren geometrisches Grundmaß der römische Fuß(29:5cm) war [vgl. 0.], beweist, daß sich diese ansehnlicheHeerschar der südlichen technischen Errungenschaften zu be-dienen wußte. Die Grundordnung ihrer Organisation jedochwar offenbar älter als ihre Burg.

Daß sich die mathematische Geregeltheit ul;er den Wechselder Generationen hinweg erhielt - und nicht etwa, was denk-bar wäre, nach :Maßgabe der. personellen Zuzuge und Abgängewechselte -, ist nicht unglaubwürdig, sondern hat prinzipiellanaloge Gegenstücke. Bei den einfacheren Schwurbrüder- undKultkriegerverbändcn pflegte, wie wir sahen, ebenfalls dieMitgliederzahl - dort die Zwülferzahl - meistens fest ge-regelt zu sein und den Personalwechsel zu überdauern, bzw.ihm übergeordnet zu bleiben. Zwischen der Zwölfergruppevon Harald lIarfagris Berserkern und der der Öjabussar liegtja fast ein Jahrtausend. innerhalb dessen auch andere Fällebelegt sind (s. 0.). .

Daß aber. sowohl in der Trelleborg wie anderseits aufdem Rökstein ein so viel komplizierteres - und insofern

1 Nach Nerlund, a. a. 0.,1938, S. 71 I., weisen die Funde in den Brunnender Burg auf die Zeit um 900. Es ist wohl möglich, daB Seekrieger-flotten an dieser so gilnstig gelegenen Stelle öfter überwinterten, ehedie neue Burg angelegt wurde. - über ältere und pr imitivere nor-·~ische Vorformeu der seelündischen Ringwall-Anlage vgl. Lindqvist,a, a. 0., S. -l03 ff.

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durchaus untypisches! - Zahlensystem auftaucht, spricht ge-wichtig für die historische Zusammengehörigkeit dieser beidenSeeländer Organisationen.

Der auffallendste Unterschied nun scheint der zu sein:Die Rökinsehrift nennt 20 Könige und die Trelleborg umfaßtnur 16 Schiffsmannschaften.

Zwei Deutungen scheinen mir möglich:Entweder reduzierte sich dieser Verband, als er sich die

Trelleborg schuf, von 20 auf 16 Mannschaften, weil diesegeometrisch und baulich zweifellos viel praktischer anzuordnenwaren, wie das ja der Grundriß der Trelleborg noch heute zeigt.

Eine zweite Möglichkeit wäre diese: Das mächtige Heerdieser Seekrieger - ob nun die Schätzung auf 1000 oder dieauf 2000-3000 Mann (s. o.)zutrifft - konnte nicht wohlunter dem Kommando von 20 praktisch ganz gleich berechtigtenFührern stehen, wenn auch die rigoros gleichförmige Anlagedes Baues die schärfste Illustration jener prinzipiellen Gleich-heit gibt, die nach Dudos Mitteilung Rollo bei der Belagerungvon Paris ausgesprochen haben soll.' Eher ist wahrscheinlich,daß jedes der Viertel des Gesamtheeres einen Oberführer stellte."

Nun haben die Ausgrabungen in der l\litte zweier Häuser-quadrate kleinere Bauten aufgedeckt, deren Bestimmung un-gewiß erschien.' Denkbar wäre, daß es sich dabei um dil:.f

1 8. NBrlund, a.va. 0., 1936, S. 65; dazu A. Olrik, Nordisches Geistes-leben, 1925, S. 73, 219, und Steenstrup, Normannerne I, S. 277ft.Sicher hatten gleichwohl die 20 ,Könige' des Röksteins Leute uutersich, wie ja auch Rollo, Name schließlich den der Seinen überragt hat.

, Erland Hjärne hat a. a. 0., bes, S. 101ft., die im politischen undterritoriellen Aufbau Skandinaviens weitverbreitete Einteilung in,Viertel' auf die Viertelung der altnordischen Schiftsbesatzungen zurück-geführt. Dieses Prinzip sei beibehalten worden, auch als sich die sogegliederten Verbände längst von den Schiftseinheiten gelöst hattenund ins Große gewachsen waren. Sogar die Viererteilung in derspäteren dänischen Adelsorganisation gehe letztlich auf die Viertelungder Besatzuaz des Köni"sschiftes zurück. Aus einer solchen Beibehaltungdes alten EinteiIungs;rinzipes auch beim Anwachsen der Verbändekönnte sich die Funktion des ,Fjärdingnnan', bzw, vierer solcher, alswichtiger Funktionäre erklären (s, bes, S, 103ff.). - Dazu würde diehier vermutete Rolle von vier Oberbefehlshabern sehr wohl passen.

I s, N9rlund, a. a.O., 1938, S. 73f.(gegen 1936, S.6H.) und :Fig. 6 und 7;

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Wohnung solcher Oberführer handelte. Dann hätte jedes der,Viertel: auch noch in der Trelleborg fünf Anführer gehabt,und die Zahl entspräche der auf dem Rökstcin mitgeteiltennoch im 10. Jh. genau. -

Eine weitere Schwierigkeit scheint die Stammeszugehörig-keit dieser Mannschaft zu bereiten: Rugier, Haruden, vielleichtauch Friesen und Xiedersaohsen, anderseits aber Skandinavierscheinen daran beteiligt.'

Doch diese Schwierigkeit ist zu beseitigen.Da die Trelleborg bis gegen die )Iitte des 11. Jhs. in

Betrieb gewesen zu sein scheint und also unter der HerrschaftSven Gabelbarts und Knuts d. Gr. besetzt war, ist mehrfachdie Vermutung ausgesprochen worden," daß diese Anlage nichtein Feindesheer im Lande dieser mächtigen Herrscher beher-bergt hätte, sondern im Dienst des dänischen Königtums ge-standen habe, vielleicht - am Auslauf in den Großen Belt -als Instrument zur Beherrschung Englands verwendet.

Xun wissen wir aber durch zuverlässige historische Zeug-nisse, daß in der Kriegsmannschaft des Dänenkönigsdamals)Jänner verschiedener Stammeszugehörigkeit dienten, u. zw.,was für unseren Zusammenhang wichtig ist, kaum als bunte~Iischung von Einzelnen, sondern nach Stammesgemeinschaftengegliedert, welche aber in eine straffe Gesamtordnung zusammen-gefußt waren.'

Der Chronist Sven Aggeson bezeichnet die Verschieden-heit dieser so zusammengeordneten Stämme geradezu als dieUrsache, weshalb eine so strenge Ordnung habe eingeführtwerden müssen.'

vgl.uuch a. 8. 0., 1944. Was seitdem freigelegt wurde, konnte ich nochnicht in Erfahrung bringen. Ob die asymmetrischen Bauwerke amNord- und Westtor (s, Abh. bei Narlund, 1944, S.135) Offizierswohnungengewesen sein können und nicht eher Wachttilrme, ülanlich wie in derJomsburg, bleibe unentschieden.

I 8. O•.

t 8. N"rlund, auch Brandsted, a. a. 00.3 Schon unter Ariovist hatten Stammesgruppen verschiedener Uerkunft,nach Stümmen (gl'1leratim) aufgestellt, aber nach gemeinsamem Planoperierend, gefochten, 8. Cäsar, BG I, cap. ~l. Die Gruppe der Harude«h:Ute sieb ihm erst kurz vorher angeschlossen, ib, cap. 31 lind 37.

• Lex Castrenais cap. III (= Scriptores minores historine Danieee

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37In 'Vahrheit freilich scheint der dänische König sein

7:in!Jlid auf ältere, schon· bestehende Verbände aufgebaut zuhaben.' so wie man nach den - sagenhaften - Berichten vonden Jomswikingern vermuten darf, ·daß in der Zeit SvenGabelbarts das Königtum diesen festen Schwurverband inseine große Politik gezogen habe. Und auch dem Jomswikinger-bund hatten Krieger aus verschiedenen Stämmen angehört.

So wird der Heeresverband der Trelleborg, mit welchemnach der Vermutung der genannten dänischen Gelehrten Knutd. Gr. die dänische Herrschaft über England gestUtzt habenmag, auf die Schwurbruderschaft zuruckgehen, die uns derRökstein im 9. Jh. keimen lehrt. Dann aber- gibt uns dessenRuneninscbrift einen tiefen Einblick in den Ursprung unddas innere Gefüge des Verbandes, dessen greifbare Hinter-lassenschaft die Trelleborg darstellt., Dieses Gefüge war, wennunsere Deutung zutrifft, durchaus religiös bestimmt. Die Einzel--elemente seines Aufbaus konnten wir fast durchgehend imakandinavischen Volksbrauch und Kult nachweisen. Was jedochdiese Elemente und Keime hier zu einem großen, in dieGeschichte eingreifenden Gebilde werden ließ, war die um-fassende und klare Orduung, in der sie da entfaltet worden sind.

medii aevi, ed. Gerb: I, 1917/18, S.68ff.): ,Own ita2ue tam dilt80'1101MtUl gentit"r~t!) uni coaduRal8et [seil. Oanutu,] familie, opus el'at, u6 tanti.,.egi. exe'rcitUl, utpote : ex "a,.iiB adunatuB nationibult (!), . uniue!'BiB,,&deUcet regniB iul"iBdic.tioni.ue llUbiugatis, quoI'un~ )'ittu(l) düsona tamen"arietate dUCf"epahant, omni contrarietatu lIopita contl'ouel'8ia, proutcantedale .. deed honuto" comm"ni domino, adinuicem non altel'cantea,pari uoto fam"larentur, nulla diBcidii liuoriB2"e uel inuidie maculadutrahente, Uef"UJII. potiUl tanquam unitu capitiB membra )'cgia·obtemperal·emandatu uoluntatu unione parati, pro"t fidele, (lIodaleB) nil adue/'se'Ulpitionü de ee pre,umentea. Non enim negotio facili tantorum cetumdiuonum pacificare u,alu'.. et, niBi pane (enormitaie} pl'ecipitium temperaret'exCUBUl, ut ipla COf"f"eptionUmagnitudo audaciam refrena)'et delinquendi.

a Dies vermutet, freilich ohne nn die auf dem Rökstein bezeugteKriegerschnft zu denken, u. a. Gertz, Sven Aggesllns HistoriskeSkrifter (= Skrifter, udg. al Selskabet til historiske KildeskriftersOversrette1se. 9. R~kke I, 1916; S.U, Anm. 1). VgI. auch Hjärne a. a. O.

Druck TOD Adolf Holzbausens Nfg .• Wien.