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Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis Fuß Steinheim Die Urmenschstadt hat seit wenigen Wochen einen eigenen Urmenschen. Die lebensechte Figur ist eine so genannte Dermoplastik und steht im ersten Stock des Urmensch-Museums: So in etwa muss die Frau ausgesehen haben, deren Schädel 1933 in der Kiesgrube Sigrist in Steinheim gefunden wurde. Gelebt hat sie vor rund 400 000 Jahren, die Pariser Künstlerin Elisabeth Daynès hat ihre Nachbildung geschaffen. Hilde Beyerbach, die Vorsitzende des Fördervereins Urmensch-Museum, weiß mehr über die Ur-Steinheimerin. Von Sandra Brock Größe Der Homo steinhei- mensis war nicht besonders groß: 1,40 bis 1,50 Meter maßen die Menschen. Die Nachbildung im Urmensch-Mu- seum misst 1,50 Meter. Das hat die Künstlerin Elisabeth Daynès anhand der Proportionen des Schädels errechnet – an die Körpergröße hat sie die Größe der Hände und der Füße angepasst. Essen Das Nahrungsangebot anno dazumal war gut, weil das Klima gut war. Die Menschen gingen auf die Jagd und aßen das Fleisch von Wildpferden, Rindern, Rehen oder Kleintieren. Außerdem gab es Samen, Früchte und Nüsse. Unter an- derem standen Haselnüsse, Holzäpfel, Bucheckern, Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren auf dem Speiseplan. Todesursache Die frühere Vermutung, dass die Stein- heimerin umgebracht wurde, hat sich nach einer Untersuchung in der Unikli- nik Tübingen nicht bestätigt. Die Frau hatte wohl einen gutartigen Tumor im Kopf und ist letztlich eines natürlichen Todes gestorben. Kleidung Hat sie nicht. Die Nadel war noch nicht erfunden. Auch Kleidung aus Fell war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht modern. War aber auch nicht nötig. Es herrschte feuchtwarmes Klima, keiner musste frieren. Hautfarbe Die Hautfarbe der Urmenschin ist etwas dunkler als die eines Mitteleuropäers heutzutage. Der Grund: Die Vorfahren des Homo steinheimensis kamen wohl aus Afrika. Die afrikanische Herkunft dürfte auch der Grund für das leicht krause Haar der Frau sein, erklärt Hilde Beyerbach. Gewicht Die Dermoplastik im Museum wiegt rund 18 Kilogramm. Das Lebendgewicht der Dame betrug etwas mehr, nämlich 45 bis 50 Kilogramm, so die Infos sei- tens des Naturkundemuseums in Stutt- gart. Die Ur-Steinheimerin war also gut genährt, aber muskulös und sportlich. „Damals ist man viel gelaufen“, sagt Hil- de Beyerbach. „Nicht nur herumgeses- sen wie heute.“ Alter Die Ur-Steinheimerin ist etwa 30 Jahre alt geworden. Das konnte anhand ihres Gebisses beurteilt werden. 30 Jahre klingt in der heutigen Zeit nach nicht viel, war aber damals relativ normal, sa- gen die Experten. Bis dahin hatten die Menschen ein hartes Leben hinter sich. Die Ur-Steinheimerin hatte wahrschein- lich einige Kinder geboren, war zeitle- bens Wind und Wetter ausgesetzt. Herstellung Der Schädel des Homo steinheimensis diente der Künstlerin Elisabeth Day- nès als Vorlage für ihre Dermoplastik. Dazu hat sie gemeinsam mit Paläoanth- ropologen und Kriminal- technikern das Gesicht re- konstruiert und dann einen entsprechenden Körper dazu geschaffen. Zunächst wurden Kopf und Körper aus Ton ge- formt, dabei hat Daynès auch schon Adern und Co. genau erarbei- tet. Dann wurde Silikon darüber gegos- sen und die Plastik entsprechend be- malt und „behaart“. Faustkeil Dass die Steinheimer Urfrau einen Faustkeil trug, lässt sich zwar nicht be- weisen, ist aber sehr wahrscheinlich. Es ist das „Allround-Werkzeug“ der Stein- zeit. Es bestand aus einem harten, drei- ecksförmigen Stein, dessen Seiten abge- schlagen und geschärft waren. Verwen- det wurde es für so ziemlich alles: krat- zen, schaben, schneiden . . . Kosten Regulär wären die Kosten für die Skulp- tur bei 38 000 Euro gelegen. Die Künst- lerin gewährte dem kleinen Museum in Steinheim aber einen Nachlass von 15 Prozent. Dennoch kamen noch einige weitere Kosten hinzu – wie die Spedi- tion, die Installation oder die Alarmanla- ge. Letztlich kamen durch private Spen- den 30 000 Euro zusammen, der För- derverein Urmenschmuseum zahlte 5000 Euro und die Stadt Steinheim 10 000 Euro. Familie Zwar gibt es in der Gegend keine weite- ren Funde von Urmenschen, dennoch dürfte die Ur-Steinheimerin Familie ge- habt haben, denn allein überleben konn- te der Mensch nicht. Man brauchte eine Gruppe, betont Hilde Beyerbach. Aller- dings: Dicht besiedelt war die Gegend vor 400 000 Jahren nicht. Die Urmenschstadt freut sich über eine Dermoplastik ihres Urmen- schen. Foto: KS-Images.de/Copyright: © 2017, Rekonstruktion Elisabeth Daynès, Paris IV Nr. 266 | Samstag, 18. November 2017 MARBACH & BOTTWARTAL

Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis Fuû · 2017. 11. 25. · Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis Fuû Steinheim Die Urmenschstadt hat seit wenigen Wochen einen eigenen Urmenschen. Die

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Page 1: Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis Fuû · 2017. 11. 25. · Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis Fuû Steinheim Die Urmenschstadt hat seit wenigen Wochen einen eigenen Urmenschen. Die

Die Ur-Steinheimerin von Kopf bis FußSteinheim Die Urmenschstadt hat seit wenigen Wochen einen eigenen Urmenschen. Die lebensechte Figur ist eine so genannte Dermoplastik und steht im ersten Stock des Urmensch-Museums: So in etwa muss die Frau ausgesehen haben, deren Schädel 1933in der Kiesgrube Sigrist in Steinheim gefunden wurde. Gelebt hat sie vor rund 400 000 Jahren, die Pariser Künstlerin Elisabeth Daynès hat ihre Nachbildung geschaffen. Hilde Beyerbach, die Vorsitzende des Fördervereins Urmensch-Museum, weiß mehr über die Ur-Steinheimerin. Von Sandra Brock

Größe

Der Homo steinhei-mensis war nicht besonders groß: 1,40 bis 1,50 Meter maßen die Menschen. Die Nachbildung im Urmensch-Mu-seum misst 1,50 Meter. Das hat die Künstlerin Elisabeth Daynès anhand der Proportionen des Schädels errechnet – an die Körpergröße hat sie die Größe der Hände und der Füße angepasst.

Essen

Das Nahrungsangebot anno dazumal war gut, weil das Klima gut war. Die Menschen gingen auf die Jagd und aßen das Fleisch von Wildpferden, Rindern, Rehen oder Kleintieren. Außerdem gab es Samen, Früchte und Nüsse. Unter an-derem standen Haselnüsse, Holzäpfel, Bucheckern, Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren auf dem Speiseplan.

Todesursache Die frühere Vermutung, dass die Stein-heimerin umgebracht wurde, hat sich nach einer Untersuchung in der Unikli-nik Tübingen nicht bestätigt. Die Frau hatte wohl einen gutartigen Tumor im Kopf und ist letztlich eines natürlichen Todes gestorben.

Kleidung Hat sie nicht. Die Nadel war noch nicht erfunden. Auch Kleidung aus Fell war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht modern. War aber auch nicht nötig. Es herrschte feuchtwarmes Klima, keiner musste frieren.

Hautfarbe

Die Hautfarbe der Urmenschin ist etwas dunkler als die eines Mitteleuropäers heutzutage. Der Grund: Die Vorfahren des Homo steinheimensis kamen wohl aus Afrika. Die afrikanische Herkunft dürfte auch der Grund für das leicht krause Haar der Frau sein, erklärt Hilde Beyerbach.

Gewicht Die Dermoplastik im Museum wiegt rund 18 Kilogramm. Das Lebendgewicht der Dame betrug etwas mehr, nämlich 45 bis 50 Kilogramm, so die Infos sei-tens des Naturkundemuseums in Stutt-gart. Die Ur-Steinheimerin war also gut genährt, aber muskulös und sportlich. „Damals ist man viel gelaufen“, sagt Hil-de Beyerbach. „Nicht nur herumgeses-sen wie heute.“

Alter

Die Ur-Steinheimerin ist etwa 30 Jahre alt geworden. Das konnte anhand ihres Gebisses beurteilt werden. 30 Jahre klingt in der heutigen Zeit nach nicht viel, war aber damals relativ normal, sa-gen die Experten. Bis dahin hatten die Menschen ein hartes Leben hinter sich. Die Ur-Steinheimerin hatte wahrschein-lich einige Kinder geboren, war zeitle-bens Wind und Wetter ausgesetzt.

Herstellung Der Schädel des Homosteinheimensis diente derKünstlerin Elisabeth Day-nès als Vorlage für ihreDermoplastik. Dazu hat siegemeinsam mit Paläoanth-ropologen und Kriminal-technikern das Gesicht re-

konstruiert und dann einenentsprechenden Körper dazu

geschaffen. Zunächst wurdenKopf und Körper aus Ton ge-

formt, dabei hat Daynès auchschon Adern und Co. genau erarbei-

tet. Dann wurde Silikon darüber gegos-sen und die Plastik entsprechend be-malt und „behaart“.

Faustkeil Dass die Steinheimer Urfrau einen

Faustkeil trug, lässt sich zwar nicht be-weisen, ist aber sehr wahrscheinlich. Es ist das „Allround-Werkzeug“ der Stein-zeit. Es bestand aus einem harten, drei-ecksförmigen Stein, dessen Seiten abge-schlagen und geschärft waren. Verwen-det wurde es für so ziemlich alles: krat-zen, schaben, schneiden . . .

Kosten

Regulär wären die Kosten für die Skulp-tur bei 38 000 Euro gelegen. Die Künst-lerin gewährte dem kleinen Museum in Steinheim aber einen Nachlass von 15 Prozent. Dennoch kamen noch einige weitere Kosten hinzu – wie die Spedi-tion, die Installation oder die Alarmanla-ge. Letztlich kamen durch private Spen-den 30 000 Euro zusammen, der För-derverein Urmenschmuseum zahlte 5000 Euro und die Stadt Steinheim 10 000 Euro.

Familie Zwar gibt es in der Gegend keine weite-ren Funde von Urmenschen, dennoch dürfte die Ur-Steinheimerin Familie ge-habt haben, denn allein überleben konn-te der Mensch nicht. Man brauchte eine Gruppe, betont Hilde Beyerbach. Aller-dings: Dicht besiedelt war die Gegend vor 400 000 Jahren nicht.

Die Urmenschstadt freut sich übereine Dermoplastik ihres Urmen-schen. Foto: KS-Images.de/Copyright: © 2017,Rekonstruktion Elisabeth Daynès, Paris

IV Nr. 266 | Samstag, 18. November 2017MARBACH & BOTTWARTAL