DIE VAN HARTEN-AFFÄRE

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Ein jüdischer Naziagent in Meran als Bindeglied zwischenSS-Männern und zionistischen Geheimdiensten. Unterschlupf Tel Aviv

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Shraga Elam

DIE VAN HARTEN-AFFRE:Ein jdischer Naziagent in Meran als Bindeglied zwischen SS-Mnnern und zionistischen Geheimdiensten EinleitungDas Schloss Labers bei Meran sowie die Stadt selbst waren am Ende des Zweiten Weltkriegs Schauplatz geheimdienstlicher und obskurer Ttigkeiten von internationaler Tragweite. Besondere Brisanz kommt dabei der Zusammenarbeit zwischen SS-Leuten und zionistischen Untergrundorganisationen zu den Vorluferorganisationen des spteren israelischen Geheimdienstes Mossad. Die Geschichte gehrte nicht zufllig jahrelang zu den wohl gehteten Geheimnissen Israels. Mehrere HistorikerInnen, die gengend Anhaltspunkte besaen, um den Zndstoff erkennen zu knnen, begngten sich jedoch mit sehr knappen und verschlsselten Hinweisen auf diese Zusammenhnge. Zentrale Figur der Affre ist ein jdischer Naziagent namens Jaques-Jules Yaacov Levy, alias Jaac van Harten, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Tel-Aviv einen sicheren Unterschlupf fand und 1947 den Schutz von niemand geringerem, als der spteren Premierministerin Golda Meir (Meyrson) genoss. Der ehemalige Agent, Schalhewet Freier, der in Israel am meisten ber van Hartens Nazi-Vergangenheit wusste, war selber erstaunt, dass sein Name whrend des Eichmann1- bzw. Kastner2-Prozesses nicht auftauchte.3 Denn van Harten war offensichtlich von zentraler Bedeutung fr die antijdischen Manahmen in Ungarn. Sein Name figurierte hingegen in einem streng geheimen Bericht des US-Beamten Vincent La Vista und weckte die Neugier mehrerer ForscherInnen auerhalb Israels. In seinem Report wird auch auf die Verbindung einer SS-Einheit zu zionistischen Organisationen hingewiesen:Auf der Brennerpassroute von sterreich herkommend ist die erste Station an der Untergrundlinie [des jdischen Fluchtwegs] in Italien ein Schloss in Meran, dessen Direktoren deutsch sprechen. Es heisst offenbar SCHLOSS RAMETZ und gehrt CRASTAN ALBERT, einem Juden, der sich als Schweizer Konsul und Mitglied des Internationalen Roten Kreuz Komitees [IKRK] ausgibt. Whrend des Krieges war er Agent einer SS-task-force, SCHLOSS LABERS oder auch WENDIG-GRUPPE genannt, welche Oberst Friedrich SCHWENDT unterstand, der nur gegenber KALTENBRUNNER und HIMMLER Verantwortung zu tragen hatte.[...] Ein gewisser VAN HARTEN, JAAC, im Moment in der Hayarkon-Strae 184 in Tel-Aviv/Palstina wohnhaft, verlangt von der Amerikanischen Regierung fnf Million[en] Dollar, welche Beute der SS-Gruppe war, die im SCHLOSS RAMETZ und SCHLOSS LABERS dem Hauptquartier SCHWENDTS und anderen Gebuden in Meran lagerte. Bestandteil dieser Beute ist eine groe Anzahl geflschter britischer Pfundnoten. [...] Die genaueren Beziehungen zwischen dem Rest von SCHLOSS LABERS und dem jdischen Untergrund sind 4 im Moment nicht bekannt, aber eine Verbindung scheint zu bestehen.

Unternehmen Bernhard1

Adolf Eichmanns Prozess fand 1961 in Jerusalem statt. In seinem polizeilichen Verhr findet sich ein Hinweis auf seine Beziehungen mit einem jdischen Naziagenten namens Jacques. 2 Ein Fall eines vermeintlichen jdischen Nazi-Kollaborateurs in Ungarn. ber den Kastner-Prozess siehe weiter unten. 3 Schalheweth Freier im Interview mit Nana Nosinow 17.7.1966, Hagana-Archiv , Tel-Aviv, 197.27. 4 Vincent La Vista Report, Illegal emigration movements in and through Italy, May 15, 1947, Appendix C Page 4, National Archives (NA), Record Group (RG) 59, FW800.0128//5-1547.

Ohne es zu merken und trotz mehrerer Ungenauigkeiten, stieen La Vista und seine Agenten in Meran auf das Hauptquartier des weltweiten Vertriebs der von der SS geflschten britischen Pfundnoten. Die Blten wurden im Rahmen des Unternehmens Bernhard im KZ Sachsenhausen hergestellt und sollten ursprnglich als Wunderwaffe ber Grobritannien aus der Luft abgeworfen werden, um die dortige Wirtschaft zu ruinieren. Nach der missglckten Invasion Englands hatte man fr die Falsifikate andere Verwendung: Nun wurden damit die fr das Dritte Reich notwendigen Devisen, Rohstoffe und Waren beschafft und geheime Operationen wie die Befreiung Benito Mussolinis oder die Verhandlungen mit feindlichen Geheimdiensten finanziert. Mit diesem letzten Schritt wollten sich SS-ler eine Art Lebensversicherung fr die Nachkriegszeit verschaffen. Die Blten schmierten die Zusammenarbeit der vermeintlichen Todfeinde. Die SS lancierte 1939 das Unternehmen Bernhard das sich viel aufwendiger gestaltete als erwartet; so konnten die Falsifikate erst ab 1942 eingesetzt werden. Die Produktionswerkstatt wurde bald von Berlin ins nahegelegene KZ Sachsenhausen verlegt. Dort wurden von jdischen Hftlingen unter strenger Geheimhaltung Falsifikate in einem geschtzten Gesamtwert von 134,6 Millionen Pfund Sterling hergestellt. Dies war fr die damalige Zeit eine unglaubliche Summe. Der Gesamtprofit des Unternehmens Bernhard fr das Dritte Reich soll ungefhr 50 Mio. Pfund betragen haben.5 1942 wurde ein groer Apparat aufgebaut, um das Falschgeld zu waschen. Als Chef dieser Operation wurde der gerissene schwbische Geschftsmann Friedrich Schwend ernannt. Der Abenteurer Schwend war wegen seiner internationalen Beziehungen die ideale Besetzung. Er konnte eine kuriose Mischung von Gaunern und respektablen Personen wie Bankiers, Politiker und katholische Priester als Blten-Verkufer rekrutieren. Dazu zhlten auch mehrere Juden wie Jaac van Harten. Laut dem deutschen Journalisten Wolfgang Lhde handelten auch deutsche Adlige aus Kreisen der 20.-Juli-Verschwrer mit den Bernhard-Pfundnoten. Schwends Agenten erstanden mit den Blten in ganz Europa Waren aller Art, darunter Schwarzmarktgter und Waffen, die dann wieder verkauft wurden und zwar diesmal gegen echte Devisen. Da er im istrianischen Kurort Abbazzia wohnte, mobilisierte er dort vier vertraute Chefagenten: die Gebrder Rudolf und Oskar Blaschke und die Schweizer Alfred und Franz Manser. Er grndete in Triest die Firma Saxonia, die allein in Italien 60 Agenten besa. Zum Sitz der Zentrale erkor Schwend 1943 das Schloss Labers. Viele seiner Topagenten wohnten im Sanatorium Stephanie oder Hotel Palace im benachbarten Meran. Der verantwortliche SS-Nachrichtenoffizier, Wilhelm Httl, stellte eine Wachmannschaft zur Verfgung und kreierte dafr eine spezielle Dienststelle mit dem Namen SonderstabGeneralkommando III. Germanisches Dienstkorps. Schwend wurde als Einkufer des Korps deklariert, erhielt den Grad eines SS-Sturmbannfhrers und den Decknamen Dr. Fritz Wendig. Auf diesen Namen besa er eine ganze Palette echter Personaldokumente diverser Nationen, sowie Ausweise von Partisanen, mit denen er ebenfalls handelte.6 Jaac van Harten, der sich als IKRK-Delegierter ausgab, versuchte der Gruppe Wendig bei Kriegsende Schutz zu gewhren. Er verteilte den Agenten geflschte IKRK-Mitarbeiter-Ausweise, versah ihre Autos mit der Flagge dieser Organisation und sicherte Warenlager voller Beutegut mit IKRKPlaketten. Durch die Beziehung van Hartens mit jdischen Agenten sollte er der SS-TaskForce zustzliche Sicherheit verschaffen. Der wendige Schwend fand unmittelbar nach5 6

Julius Mader, Banditenschatz, Berlin 1966, S. 68. Vgl. dazu Gerald Steinacher, Sdtirol und die Geheimdienste 19431945 (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, Bd. 15), Innsbruck Wien Mnchen, 2000, S. 160 ff. Werner Brockdorff, Flucht vor Nrnberg. Plne und Organisation der Fluchtwege der NS-Prominenz im Rmischen Weg, Mnchen Wels, 1969, S. 55 ff und S. 76 ff. Neben viel Spekulation enthlt der Band von Brockdorff auch einige wertvolle Detailinformationen zu Schwend und dem Unternehmen Bernhard in Meran.

Kriegsende eine Anstellung beim US-Geheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC). Zuvor versteckte er in der ganzen Region Beutegut wie Gold und andere wertvolle Gegenstnde, was selbstverstndlich zur Bildung von Mythen beitrug. 1946 setzte er sich mit einem IKRK-Reisepapier nach Peru ab, wo er spter zusammen mit bekannten Naziverbrechern wie Klaus Barbie und Josef Mengele zusammenarbeitete. Gewisse Forscher bezeichneten ihn als designierten Finanzminister des geplanten Vierten Reichs.

Zionistische Kollaboration mit den Nazis7Es ist sehr schwierig, einen sachlichen Umgang mit dem Phnomen der jdischen Kollaboration mit den Nazis zu pflegen. Einerseits wird das Thema gierig und verschwrerisch aufgenommen, um damit den Beweis zu erbringen, dass die Juden an ihrem Schicksal selber schuld seien. Andererseits wird aus der gleichen berlegung von vordergrndig pro-jdischen Kreisen das Vorhandensein dieser verwerflichen Zusammenarbeit verharmlost oder negiert. Die Kollaborationsleugner teilen eigentlich die gleiche einfltige Schlussfolgerung aus diesem Tatbestand und befrchten deshalb eine Strkung der offenen Judenhasser. Diejenigen, die dieses Tabu aufrechterhalten, bersehen aber, dass die Kollaboration ein klarer Ausdruck von Unterdrckung ist. Denn Kollaboration ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung fr bestimmte Verhltnisse zwischen Unterdrckten und ihren Peinigern. Repressionen sind die logische Voraussetzung fr diese Art der Kollaboration, und die Kollaborateure sind nicht verantwortlich fr die Entstehung der Unterdrckung, obwohl sie bestimmt zu ihrer Aufrechterhaltung beitragen. Die Mitverantwortung von Quislingen fr allfllige Verbrechen entlastet keinesfalls die Haupttter! Die Vergangenheitsaufarbeitung ist noch tabuisierter, wenn es sich nicht um Kollaboration von Privatpersonen handelt, sondern um die Zusammenarbeit von jdischen Organisationen mit den Nazis. Die Tendenz, solche Erscheinungen auf das gesamte Judentum zu projizieren als ob die Fhrungen solcher Organisationen die Interessen aller Juden wirklich vertreten htten oder vertraten, ist unbersehbar. Anderseits versuchen die betreffenden Organisationen diese Kritik zu unterdrcken und die Aufarbeitung dieser problematischen Vergangenheit zu verhindern. Diese Zensur ist bislang weitgehend wirksam gewesen. Nur: Gerade diese bermig erfolgreiche Tabuisierungspolitik liefert Nhrstoff fr die wildesten Spekulationen und Verschwrungstheorien. Bei der internen jdischen Diskussion zu diesem Themenbereich zeigen sich zwei Hauptstrmungen: Auf der einen Seite stehen die mchtigen Verteidiger der Main-StreamOrganisationen, wie der World Jewish Congress (WJC) und die Jewish Agency (JA). Auf der Gegenseite gibt es eine auergewhnliche Koalition von antizionistischen ultraorthodoxen und skularen Juden sowie rechtsradikalen Zionisten, welche die JA-Fhrung die vorstaatliche israelische Regierung der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt. Die Vorwrfe stellen eigentlich eine Grundsatzkritik am Nationalismus dar. Denn anhand dieses Beispiels zeigt es sich, dass die sogenannte nationale Befreiung gar nicht im Interesse des 'Volkes' ist, sondern lediglich einer bestimmten Gruppe Vorteile bringt. Die Errichtung eines Judenstaates wie in diesem Fall hatte hohe Prioritt und die die JA-Fhrung scheute sich nicht vor der Zusammenarbeit mit den Nazis.

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Vgl. dazu allgemein Barbara Schfer (Hrsg.), Historikerstreit in Israel. Die neuen Historiker zwischen Wissenschaft und ffentlichkeit, Frankfurt New York 2000.

Das Image Israels als Zufluchtsort fr verfolgte Juden entpuppt sich als Mythos, und mehrere Beweise legen die Schlussfolgerung nahe: Htte es den Zionismus nicht gegeben, so wren die Rettungschancen fr sehr viele Juden whrend der NS-Zeit bedeutend grer gewesen. So berichtete der rechtsstehende (!) israelische Forscher S.B. Beit-Tzvi8, es sei dem JA-Direktorium ab 1938, infolge der zunehmenden britischen Einwanderungsbechrnkung, klar gewesen, dass Palstina als Zufluchtsort fr die meisten der gefhrdeten Juden gar nicht in Frage komme. Alternative Auswanderungsorte seien jedoch als Bedrohung fr das zionistische Vorhaben betrachtet worden. Sie htten zu einem Abfluss von Geldern gefhrt und die politisch-moralische Rechtfertigung fr einen Judenstaat in Palstina drastisch geschwcht. Deshalb sei es Aufgabe der zionistischen Delegation, unter Beteiligung von Golda Meir, gewesen, die Rettungsanstze an der Evian-Flchtlingskonferenz von 1938 zu verhindern. Gesttzt auf Dokumente stellt Beit-Tzvi gegen die gngige Meinung die Theorie in den Raum, es wre damals ohne diese Sabotage mglich gewesen, eigentlich fr alle bedrohte Juden Unterschlupf zu finden. Der Kollaborationsvorwurf bezieht sich beispielsweise auf das sogenannte Transfer-Abkommen der 30er Jahre, welches deutschen Juden, die nach Palstina auswanderten, die Mitnahme eines gewissen Teils ihres Vermgens in Form deutscher Waren ermglichte. Im Rahmen dieses Transferdeals konnten die jdischen Flchtlinge aber nur einen Bruchteil ihrer Besitztmer retten. Sie wurden nicht nur von den Nazis beraubt, sondern auch noch von der Jewish Agency ausgenommen, die fr die Abwicklung der Transaktionen fette Kommissionen einkassierte. Das zionistische Interesse an dieser Abmachung galt primr der bitter ntigen Finanzspritze fr den Aufbau des nationalen Projekts in Palstina. Durch dieses Geschft mit den Nazis sprengte die JA-Fhrung die effektiven Boykottbemhungen gegenber Deutschland und wurde zur Hauptimporteurin von Naziprodukten fr den ganzen Nahen Osten.9 Die Verhandlungen, die zum TransferAbkommen fhrten, knnen auch als Geburtsstunde der sogenannten 'Holocaust Industrie' betrachtet werden. Damals wurden die Prinzipien und berlegungen entwickelt, welche die sptere jdische Reparations- und Restitutionskampagne prgen sollten. Diese Entwicklung erfolgte nicht zuletzt wegen der Teilnahme einiger Hauptakteure des Transfergeschfts an den spteren Entschdigungsverfahren. In den spten 30er Jahren entstand eine enge Zusammenarbeit jdischer Funktionre mit dem SS-Vertreter Adolf Eichmann, der 1938 Palstina bereist hatte und sich vom zionistischen Projekt begeistern lie. In seiner Auswanderungszentrale in Wien gingen 1938 die zionistischen Delegierten ein und aus, genossen ein Vertrauensverhltnis10 und waren bei der Deportation und Vertreibung der sterreichischen Juden behilflich. Denn es gab berraschenderweise anfangs gemeinsame Interessen zwischen den Nazis und dem zionistischen Bestreben wenn natrlich auch aus ganz anderen Motiven. Beide, die SS wie die JA-Funktionre, wollten die Juden auerhalb des Dritten Reichs haben und konnten sich zu dieser Zeit auf Palstina als Destination einigen. Die beschrnkte Aufnahmekapazitt Palstinas, bedingt durch die arabischen Proteste, die britischen Einwanderungseinschrnkungen, die Schwche der konomischen und sozialen Infrastruktur wirkten hemmend auf diese Zusammenarbeit. Trotzdem konnten whrend der ganzen Kriegszeit zionistische Delegierte mit der Erlaubnis der Behrden in Deutschland operieren. 11 Unter ganz anderen Umstnden strebte 1944 die SS-Fhrung wieder die Zusammenarbeit mit der Jewish Agency in grerem Stil an. Der SS-Chef Heinrich Himmler wusste, dass sich fr8

S. B. Beit-Zvi, Post-Ugandan Zionism in the Crisis of the Holocaust, Tel Aviv 1991. Siehe z.B. Edwin Black, The Transfer Agreement, New York 1984. 10 Gesprche des Verfassers mit Natan Dror-Schwalb (einem zentralen zionistischen Rettungsaktivisten) 19911996. 11 Interviews des Verfassers mit Natan Dror-Schwalb 19911996.9

Deutschland eine Niederlage anbahnte und versuchte deshalb zu retten, was noch zu retten war. Er bot der JA einen Deal an: Sie, als Teil des angeblichen herrschenden 'Weltjudentums' sollten ihm die Sonderfriedensverhandlungen mit den westlichen Alliierten vorantreiben helfen und dafr knne die JA, eine Million ungarische Juden freikaufen. Ginge diese auf das Angebot nicht ein, so wrden die Juden nach Auschwitz deportiert. Himmlers Judenexperte, Adolf Eichmann, nahm dann im April 1944 Kontakt mit einem zionistischen Rettungskomitee in Ungarn auf und prsentierte ihnen das erpresserische Angebot Himmlers. Der Komiteechef, Jol Brand, flog darauf in die Trkei, um die Botschaft der JA-Fhrung mitzuteilen. Brand wurde jedoch an die Briten ausgeliefert, die ihn verhafteten und seine Rckkehr nach Ungarn verhinderten. Damit wurde der Versuch gemacht, mgliche Rettungsmglichkeit zu sabotieren. Die britische Regierung befrchtete nmlich, dass sie eine solche jdische Massenauswanderung unter Druck setzen wrde, ihre Immigrationspolitik in Palstina zu ndern, so dass eine sehr groe Anzahl Juden htte zugelassen werden mssen. Dem JADirektorium war die britische Haltung bekannt und es sah keine groe Chance, diese zu verndern. Wie schon 1938 bei der Evian-Konferenz war diese Fhrung auch 1944 als die Judenvernichtungden Hhepunkt erreichte gegen einen alternativen Zufluchtsort fr bedrohte Juden. Beide, die britische Regierung und die JA-Leitung, wussten auch, dass die Russen solchen Verhandlungen sehr misstrauisch gegenber standen, denn diese befrchteten die Bildung einer neuen Allianz von Nazis und westlichen Alliierten gegen sie. Abgesehen davon war die Judenvernichtung absolut im militrischen Interesse der UdSSR. Denn die Zge, die tglich 10 bis 12,000 Juden von Ungarn nach Auschwitz transportierten, belasteten das schon berforderte deutsche Bahnsystem. Roosevelts Administration und vor allem das Auenministerium waren ebenfalls gegen solche Verhandlungen,12 die den Krieg auch htten verkrzen knnen. Denn die USA war im Stande dank des Zweiten Weltkrieges die Wirtschaftskrise der 30er Jahre zu berwinden. Eine vorzeitige Rckkehr der vielen GIs htte den erholten US-Arbeitsmarkt wieder destabilisieren knnen.13 Deshalb wurden solche groe Freikauf-Aktionen wie in Ungarn vom US-Auenministerium sabotiert, und zwar mit der zynischen Ausrede, dass solche quasi einen Versto gegen die Bestimmungen darstellten, welche den Handel mit dem Feind verbten. Dass zur gleichen Zeit dieselben US-Beamten Grounternehmen wie Standard Oil bei ihren l-Lieferungen nach NS-Deutschland untersttzten, stie offensichtlich nicht gegen diese Bestimmungen.14 In Ungarn begann Eichmann inzwischen, Juden nach Auschwitz zu deportieren. Gem Zeugenaussagen soll er vom zionistischen Rettungskomitee untersttzt worden sein, welches nach der Abreise Brands von Rudolf Kastner geleitet wurde. Zeugen beschrieben im israelischen Gericht, wie Kastner fr eine reibungslose Deportation nach Auschwitz sorgte. Dies sollte nach dem Muster der Judenrte geschehen, welche allflligen Widerstand der Deportierten neutralisierten und sie zu einem ruhigen und ordentlichen Einstieg in die Todeszge bewegten. Ein Augenzeuge, der Auschwitz berlebt hatte, erzhlte, wie Abgesandte Kastners ins etwa drei Kilometer von der rumnischen Grenze gelegene Cluj (Klausenburg) gekommen seien, um bei den 20.000 jdischen Einwohnern mit Postkarten von nach Auschwitz deportierten Juden, die von paradiesischen Zustnden berichteten, Propaganda zu machen. Sie empfahlen den dortigen Juden, die sich damals ohne weiteres ber die Grenze in Sicherheit htten retten12

ber das US-Verhalten siehe David Wyman, Das unerwnschte Volk. Amerika und die Vernichtung der europischen Juden, Max Hber Ismaning, 1986. 13 Zitat nach Charles Higham, Trading with The Enemy. An Expos of The Nazi-American Money Plot 1933 1949, Delacorte Press, New York 1983, S. 157. 14 Shraga Elam, Hitlers Flscher. Wie jdische, amerikanische und Schweizer Agenten der SS beim Falschgeldwaschen halfen, Wien 2000, S. 103 ff.

knnen, so schnell wie mglich die wartenden Zge zu besteigen wer zuerst komme, mahle zuerst, soll es geheien haben. Kastners Kritiker begrnden seine Zusammenarbeit mit Eichmann mit einer Palette von Argumenten, die sich von Korruption bis hin zur Absicht bewegen, auch die ungarischen Juden zu opfern, um die politischen Ansprche auf einen unabhngigen Staat zu strken. Kastners seinerseits behauptete, dass er lediglich die Verhandlungen mit den Nazis weitergefhrt und dabei sein eigenes Leben riskiert habe, um Juden zu retten. Er, als relativ unbekannter Funktionr, sei sowieso nicht im Stande gewesen, groen Einfluss auf die Juden auszuben, um damit die Deportationen direkt zu beeinflussen. Die verschiedenen Versionen sind bis heute unklar. Es ist durchaus mglich, dass Kastner aus dem Glauben, eine groe Anzahl Juden retten zu knnen bereit gewesen oder gezwungen worden sein knnte, einen Teil von ihnen zu opfern. Dass die Rechnung nicht aufging, kann man ihm nicht vorwerfen, denn es scheint, dass er alles unternommen hatte, damit die Rettungsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen wrden. Fr das Scheitern der Gesprche sind die Alliierten und jdische Organisationen wie die JA oder das USamerikanische Hilfswerk Joint verantwortlich, denn sie lieen Kastner und die ungarischen Juden im Stich und sabotierten die reellen Rettungschancen. Immerhin konnte Kastner und sein Komitee 1684 Juden freikaufen. Mangels Untersttzung von Auen bezahlten die ungarischen Juden das Lsegeld selbst. Bezahlt wurde mit Wertgegenstnden und Fremdwhrung an Kurt Becher, Himmlers Delegierten fr den Raub in Ungarn, der Eichmann bei den Verhandlungen ablste. Einiges deutet darauf hin, dass diese Wertobjekte von Bechers Kunst- und Juwelenexperten geschtzt wurden. Dieser Spezialist soll Jaac van Harten gewesen sein! Um sich jetzt selber freizukaufen, bergab Becher bei Kriegsende das Lsegeld, welches dann den Namen Becherschatz bekam, der Jewish Agency. Dies reichte aber nicht ganz, um Becher zu retten, der ein wichtiger Bestandteil der NaziVernichtungsmaschinerie war. Eichmann mordete und Becher kassierte, schrieb der Schweizer Journalist Kurt Emmenegger in seiner ausgezeichneten Serie ber diesen Raubexperten.15 Erst die Zeugenaussage Kastners 1948 in Nrnberg sorgte fr die Entnazifizierung Bechers sowie anderer NS-Verbrecher. Becher befahl im Gegenzug seinem Schweizer Vertrauensmann noch mehr Gelder an die Jewish Agency in Genf zu berweisen.16 Damit manifestiert sich eine Linie der damaligen israelischen Fhrung: Die Verfolgung von Naziverbrechern diente offensichtlich mehrheitlich propagandistischen Zwecken. Konnten die Kriegsverbrecher genug bezahlen, so war es ihnen mglich, sich die Absolution zu erkaufen.

Jaac van Hartenber Jaac van Harten schreibt der SD-Geheimdienstoffizier Wilhelm Httl: Erfolgreichster Chefverkufer nach den Abrechnungen Schwends war der hollndischdeutsche Jude Louis van Harten...17 Wer war dieser Jaac van Harten? Am 11. Juli 1940 verhrte die Schweizer Polizei in Lausanne ein jdisches Paar aus Deutschland, das in der Villa La Roseraie in Territet bei Montreux wohnte. Der Mann und die Frau besaen geflschte hollndische Psse, die auf den Namen van Harten ausgestellt waren.

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Kurt Emmenegger, Reichsfhrer gehorsamster Becher, 18-teilige Serie in der Schweizer Wochenzeitschrift Sie & Er, 1962/63. 16 Elam, Hitlers Flscher, S. 70. 17 Wilhelm Httl, Einsatz fr das Reich. Im Auslandgeheimdienst des Dritten Reiches, Koblenz, 1997, S. 331.

Sie waren gem einem Denunziationsbrief deutsche Agenten. Der echte Jaac van Harten sei ein hollndischer Chauffeur, dessen Identitt 'geliehen' worden sei.18 Im Verhr gab Jaac van Harten sofort zu, dass er eigentlich Jacques-Jules Levy heisse und bestritt vehement, ein Spion zu sein.19 Er erzhlte, er sei 1901 in Gleiwitz/Schlesien geboren und in Breslau aufgewachsen, wo er die elterliche Bijouterie bernommen habe. 1935 sei er nach Berlin bersiedelt. Dort habe er seine Lebenspartnerin, die schne Bildhauerin Viola Boehm, Tochter der bekannten jdischen Grounternehmer-Familie Schocken, kennengelernt. 1938, so Levy, soll die Gestapo ihn zum Verlassen Deutschlands aufgefordert haben. Da er als Jude seine Staatsangehrigkeit verloren habe, habe er den besagten hollndischen Pass von der Gestapo gekauft. Am 3. September 1938 sei er mit Viola Boehm und deren zehnjhrigen Sohn Michael in die Schweiz eingereist. Die Familie behielt von nun an den Namen van Harten. Im zweiten Verhr verstrickte sich van Harten in gravierende Widersprche. Er behauptete auf einmal, die hollndischen Psse wrden nicht von der Gestapo stammen. Nachdem ihm der Pass abgenommen worden sei, habe er sich in Verbindung mit einem befreundeten hollndischen Bijoutier namens Kurt Stavenhagen gesetzt und ihn um Hilfe gebeten. Stavenhagen habe ihm dann kurz darauf die Psse geschickt. Weshalb van Harten zwei Versionen zum besten gab, ist nicht ersichtlich: Warum sollte die Schweizer Polizei die Gestapo als Passflscherin eher akzeptieren, als einen hollndischen Bijoutier? Oder merkte van Harten selber, dass die erste Fassung ihn zu stark in die Nhe der Gestapo rckte? Er wies bei der Polizei ein Vermgen von 30 000 Schweizer Franken aus. Auch diese Angabe ist aber nicht richtig, denn wie Stiefsohn Michael dies mit einem Bankauszug belegt, besa sein Ziehvater damals ein viel greres Vermgen bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zrich. Van Harten junior erklrt vehement: Mein Vater war so reich. Er hatte es nicht ntig, ein Naziagent zu sein.20 Im Herbst 1940 reiste die Familie aus und lie sich in Budapest nieder. In einem Interview behauptete van Harten, er sei auf Anweisung von Dr. Chaim Pozner vom Palstina-Amt21 in Genf nach Budapest geschickt worden, um dort eine Spezialaufgabe zu erfllen.22 Pozner jedoch schrieb: Im Sommer 1940 hat er [...] ein Zertifikat zur Einwanderung in Palstina erhalten und kurz darauf die Schweiz verlassen. Im Herbst 1944 hrte ich zum ersten Mal wieder von ihm [...].23 Michael van Harten widerlegt die Version seines Vaters ebenfalls und erzhlt, dass sie unterwegs nach Palstina gewesen und nur zufllig in Budapest stecken geblieben seien.24 Sogar Jaac van Harten entschuldigt sich 1945 brieflich bei Pozner, dass er und seine Familie Palstina nicht erreicht htten.25 In einem 1944 erstellten amerikanischen Register deutscher Spione ist auch Jaac van Harten, alias Julian Levy, aufgefhrt: Bis 1940 sei er der Abwehrstelle Stuttgart unterstellt gewesen (Diese war fr die Spionage in der Schweiz zustndig). Die Liste fhrt ihn im April 1944 als einen der wichtigsten deutschen Abwehragenten in Budapest auf.26 Auch Schwend besttigte diese Information und sagte: Van Harten war ein Agent der Wehrmacht und der SS in Ungarn.2718

Brief an die Fremdenpolizei Bern, 19.4.1940, Schweizerisches Bundesarchiv (SBAr) E4320(B) 1990/206 Bd. 190, C.16.1925. 19 Verhr bei der Kantonspolizei Vaud, Lausanne, 11.7.1940, SBAr E4320(B) 1990/206 Bd. 190, b.16.1925. 20 Interview des Verfassers mit Michael van Harten im November 2001. 21 Das Palstina-Amt war sozusagen die vorstaatliche israelische Botschaft. 22 Interview mit Jacques van Harten von Nana Nusinow-Sagi, 23. September 1967. Hagana Archiv, Tel-Aviv, 93.23. 23 Eine undatierte Aktennotiz von Pozner, Central Zionist Archives (CZA), L17/174. 24 Habib Kann'an, Die ungarische Krone, in: Ha'aretz, 31.5.1974. 25 Brief van Hartens an Pozner, 12.4.1945, CZA L17/174. 26 Hinweis des US-Forschers John Loftus. 27 Interrogation Summary, 349th Infantry , US-Army, 21.5.1945. Kopie im Besitz des Verfassers.

Van Harten in Ungarnber van Hartens Ttigkeit in Budapest gibt es nur sprliche und zum Teil widersprchliche Informationen. Selber behauptete er, im Dienst des Schwedischen Roten Kreuzes (SRK) bzw. des IKRK gestanden und dabei sehr viele Juden gerettet zu haben. Fr van Hartens Version spricht ein Brief des zionistischen Rettungskoordinators, Nathan Schwalb, der whrend des Krieges in Genf stationiert war:Herr van Harten ist mir aus den Briefen von Perez [Reves] sehr gut bekannt als ein sehr ergebener Vertreter des Schwed.[ischen] R[oten] K[reuzes] in Budapest, und der sehr viel fr die Rettung der jd.[ischen] Kinder durch 28 Erffnung von RK-Heimen fr jd. Kinder getan hat.

Perez Reves, zentrales Mitglied des jdischen Rettungskomitees in Budapest, behauptet hingegen: Ich traf van Harten im Dezember 1944, und er erzhlte mir, dass er der Finanzmanager des SS-Manns Kurt Becher sei.29 Von einer Mitarbeit van Hartens beim SRK will Reves gar nichts wissen, er meint ganz im Gegenteil, dass die Ehefrau des SRK-Chefs, Nina Langlet, van Harten vllig misstraute. Reves erhielt von van Harten 10.000 britische Pfund und 600.000 ungarische Pengs fr jdische Kinderheime. Diese Betrge sollten nach dem Krieg zurckbezahlt werden. Wie der berhmte Shoa-Forscher Randolph Braham herausfand, erzhlte Reves Ende der 80er Jahre eine ganz andere Variante ber seine Kontakte mit van Harten: Darin erwhnte er nichts ber van Hartens jdische Identitt, sondern beschrieb ihn als hollndischen Baron im Dienste der Nazis, der Kontakte zu einer einflussreichen jdischen Persnlichkeit gesucht habe.30 Dafr verschwieg Reves in der jngeren Version, dass er zusammen mit seinem Bruder Pufi und einem anderen Rettungsaktivist bei van Harten war, um mit zwei Zeugen das oben erwhnte Darlehen zu quittieren. Das Vermgen sei, berichtet Reves in seiner lteren Fassung, nicht fr Kinderheime verwendet, sondern an den SS-Mann Kurt Becher als Lsegeld gezahlt worden sein, um das Budapester Ghetto zu schtzen. Nach dem Krieg fanden die Rettungsaktivisten zu ihrer groen Belustigung heraus, dass diese Pfundnoten geflscht waren.31 Und in der Tat fanden JA-Delegierten nach dem Krieg im Becherschatz auch geflschte Pfundnoten. Reves begrndet seine Verschwiegenheit ber den jdischen Naziagenten van Harten so: Ich tat dies aus Rcksicht auf van Hartens Kinder.32 Diese Argumentation vermag nicht ganz zu berzeugen und knnte bestenfalls fr 1974 gelten. Damals, kurz nach van Hartens Tod 1973, erschien ber diesen eine verherrlichende zweiteilige Serie in der israelischen Zeitung Ha'aretz. Reves wusste aber schon ab Ende der 40er Jahre, dass van Harten in Israel wohnte. Der Naziagent fhlte sich damals so sicher, dass er das Budapester Darlehen von der JA bzw. vom Hilfswerk Joint zurckverlangte. Dafr brauchte er erneut eine Besttigung und nahm deshalb Kontakt mit Pufi auf. Reves behauptet, sie htten mit van Harten nichts zu tun haben wollen und dessen Bitte abgelehnt, weil die Pfundnoten geflscht seien.

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Brief Schwalbs an Mayer vom 15.5.1945, CZA L17/174. Interview des Verfassers mit Peretz Reves, April 2000. 30 Randolph L. Braham, the Nazi collaborator with a jewish heart: the strange saga of Jaac van Harten, in: East European Quarterly, XXXV, No. 4, January 2002. 31 Tpd le a srga csillagot (Rip Off the Yellow Star). Hrsg. von Istvn Gbor Benedek and Gyrgy Vmos (Budapest: Pallas Lap- s Knyvkiad, 1990), S. 174185 besonders S. 184185. 32 Interview des Verfassers mit Reves, April 2000.

Reves' Rcksicht auf van Hartens Kinder mutet seltsam an. Er wusste doch einiges ber van Hartens Rolle als Bechers33 Helfer und zeigte ihn trotzdem nicht an. Die Geschichte nahm ganz skurrile Dimensionen an, als van Harten 1953 ausgerechnet von Schwend, der damals in Peru lebte und zusammen mit Klaus Barbie und anderen Nazis verkehrte, eine Besttigung fr das Budapester Darlehen verlangte. Aus dem damaligen Briefverkehr geht hervor, dass van Harten auf Veranlassung Schwends die jdische Rettungsaktion untersttzt hatte. Kannst Du mir aus dem Gedchtnis eine Aufstellung davon geben, welche Leistungen van Hartens fr dessen Bestrebungen im Rahmen des Joints von Dir finanziert wurden? 34, wurde Schwend von seinem Vertrauten Georg Gyssling gefragt. Fr Schwend, der sich bei Kriegsende in alle Richtungen abzusichern suchte, wre es nicht abwegig gewesen, Kontakte zu einflussreichen Juden zu knpfen, um sich ein Alibi als Gutmensch zu verschaffen. Dieses geschickte Manver htte zugleich ein raffinierter Schachzug werden knnen, um die Pfundblten zu waschen. Denn nach dem Krieg sollten die betreffenden jdischen Funktionre nicht nur Persilscheine fr Schwend und van Harten besorgen, sondern auch mit echtem Geld die Schulden begleichen. Van Harten behauptete, dass er, um Juden zu retten, in Budapest spezielle Werksttten errichtet habe, in denen jdische Fachkrfte wie Schuster, Schneider etc. fr die Wehrmacht Waren hergestellt haben und dadurch vor der Deportation nach Auschwitz gerettet worden seien. Er erzhlte weiter, wie er 60 Mitglieder der Manfred-WeissFamilie in die Schweiz geschickt habe, nachdem er ihr Grounternehmen bernommen habe.Da van Hartens Aussagen mit viel Skepsis betrachtet werden mssen, ist es schwierig zu beurteilen, ob er tatschlich in diese zwei wichtigen Aktionen verwickelt war. Was van Harten hier als Judenrettung beschrieb, wurde vom Kurt Emmenegger als zentraler Bestandteil des deutschen Raubzugs in Ungarn bezeichnet. Becher und sein Stab wandten raffinierte Methoden an, so Emmenegger, um an jdische Vermgen zu gelangen: z.B. durch die SS-Werksttten und die SS-Schutzjuden. In diesen Werksttten wurden Fachleute unter Zwang eingezogen. Diese kosteten die Deutschen nichts, denn sie wurden vom Judenrat bezahlt. Im Vergleich zu den Deportierten und anderen Juden waren sie jedoch weitgehend geschtzt. Noch lohnender war das Geschft mit den freiwilligen Schutzjuden. Manchmal bergaben die Juden ihre Warenvorrte und manchmal wurden auch deren Maschinen und Arbeiter der SS zur Verfgung gestellt. Dafr erhielten sie die rettenden Schutzpsse. Wer keine Waren besa, konnte sich das Leben mit einer groen Summe Geld erkaufen. Dies war das planmssige Vorgehen, der bestens aufeinander abgestimmten SS-Abteilungen.35 Ein zustzlicher Vorteil fr die Deutschen manifestierte sich nach dem Krieg. In den Entnazifizierungsverfahren beriefen sich viele SSMnner auf diese Werksttten, bzw. auf die Erteilung der Schutzpsse als Zeichen ihrer menschenrettenden Gromtigkeit. Dieser Mechanismus ist mittlerweile durch den Film Schindlers Liste weltweit bekannt. Denn Oskar Schindlers Betrieb in Polen funktionierte genau nach dem gleichen Muster wie in Ungarn. War es reiner Zufall, dass Schindler genau wie Becher bei Kriegsende in seinen Mercedes einstieg, um mit einigen Schutzjuden und einem Schatz den deutschen Zusammenbruch ungeschoren zu berleben? Die Rettung der Familie Manfred Weiss war nichts anders als eine Erpressung riesiger Dimensionen. Becher, der aus unbekannter Quelle ausfhrliche Details ber die komplizierten Verschachtelungen des grten Unternehmens in Ungarn, des Manfred-Weiss-Konzerns, besa, war imstande, einen Plan fr die komplette bernahme zu entwerfen. Darauf steckte er zwei fhrende Kpfe der Familie in ein Arbeitslager, bis diese auf seine Forderung eingingen und den Konzern der SS bergaben. Als Gegenleistung durften 39 Familienmitglieder nach Lissabon

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Kurt Emmenegger: Eichmann mordete Becher kassierte. Brief Georg Gyslings an Schwend, 12.9.1953, Schwend-Akten im Archiv fr Sozialgeschichte, Hamburg. 35 Kurt Emmenegger, Der Fall Deutsch. Tatsachen zu einem Justizskandal, Zrich 1970 S. 179.

und Zrich ausreisen. Fnf Geiseln mussten jedoch in Wien zurckbleiben, damit die Geretteten im neutralen Ausland keine Greuelmrchen verbreiten.36 Wenn van Harten also nicht einfach prahlte und tatschlich an diesen Aktionen teilgenommen hatte, ist er eher als Erpresser, denn als Retter zu bezeichnen. Van Harten zieht mit seiner Aussage den Verdacht auf sich, dass er es war, der Becher die notwendige Information fr die bedeutendste deutsche Raubaktion die bernahme des Manfred-Weiss-Konzerns geliefert haben soll. Schlielich musste er den Ruf als wichtiger deutscher Spionageagent in Ungarn verdient haben. Seine Schwiegertochter Aviva ist jedoch fest davon berzeugt, dass er kein Naziagent, sondern ein groer Held wie Oskar Schindler war, der auch viele Juden gerettet habe. Als Beweis dafr zeigt sie einen Dankesbrief eines berlebenden. Reves schliet aber aus, dass van Harten, wie dieser behauptete, das Leben hunderter Juden in Budapest gerettet habe. Dies htte ich bestimmt gewusst, sagt der Rettungsaktivist. Eine interessante Aussage machte Alois Menick, ein gebrtiger tschechoslowakischer Textilunternehmer, der whrend des Krieges in Budapest wohnte:Ein SS namens Becher war nmlich beauftragt, mglichst viele Waren, unbekmmert um welchen Preis, aus Ungarn herauszuholen. Zu diesem Zweck setzte er sich mit einem Hollnder, Herrn van Hardten, in Verbindung. Dieser war bereit, den Deutschen zu helfen, unter der Bedingung allerdings, dass ihm zugesichert werde, dass einige Juden, mit denen er besonders in Kontakt war, unbehelligt bleiben. Auf diese Bedingungen wurde eingegangen und die Betreffenden erhielten von den Deutschen Identittsausweise, gesttzt auf welche sie dann nicht belstigt wurden. Auf diese Weise sind (natrlich nicht alle durch Vermittlung des Herrn van Hardten) 37 Tausende solcher Identittsausweise ausgestellt worden.

Van Harten wird zum Bernhard-AgentenDass van Harten schon in Budapest geflschte Pfundnoten wusch, geht aus der Aussage Marko Beranis, eines albanischen jdischen Agenten Schwends, hervor. Berani beschrieb, wie Anfang 1944, als er in Budapest wohnte, zwei Bernhard-Chefagenten, Rudi Blaschke und Hans Zentner, zu ihm kamen. Sie wollten verschiedene Waren kaufen.Ich schickte sie zu einem Bekannten, VAN HARTEN, dem Direktor der Firma TRANSCONTINENTAL in BUDAPEST, deklarierte Berani, den ich durch SELADIM DRAGA kennengelernt hatte. DRAGA reiste oft nach Budapest, weil er mit VAN HARTEN Geschfte machte. Soweit ich wei, ging es um Devisentransaktionen mit Napoleon d'ors, Gold usw. BLASKI [Blaschke] und ZENTNER kauften bei VAN HARTEN Waren und zahlten dafr 4 bis 500,000 britische Pfund. Nach dem BLASKI BUDAPEST verlassen hatte, blieb ZEUSINGER [Zentner] dort und trieb fr eine lange Zeit Handel mit VAN HARTEN. Die gekauften Waren wurden nach Deutschland geschickt und mit britischen Pfundnoten bezahlt. Es wurden etwa 20 bis 30 38 Zugwaggons nach Deutschland geliefert.

Es ist aus diesem Zitat nicht ganz ersichtlich, ob van Harten zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die Pfundnoten geflscht waren. Selber nennt er seine Firma Transkontinent Import Export Gesellschaft, die sich mit Medikamenten, Harzen und Pflanzenlen befasst habe. Van Harten behauptete, dass er im Sommer 1944 gewaltige Warenlager in deutschen Freihfen besessen habe. Diese Gter soll er an die Deutschen verkauft und dafr ber eine Million britische Pfund bekommen haben, die ihm in Meran ausbezahlt worden seien.39 Wenn diese Erklrung stimmt, deutet dies darauf hin, dass van Harten in Ungarn noch nicht wusste, dass die Pfundnoten geflscht waren und dass er36 37

Ebd. Aussage Alois Menick bei Oberrichter Dr. Kehrli, 4.7.1945, Schweizerisches Bundesarchiv (SBAr) E2001(D) 7 Bd. 17 S. 245 (fehlerhaftes Deutsch im Original). 38 Statement of Marko Berani, S. Vittorio Prison, Milano, 24.5.1945 (Kopie im Privatbesitz des Verfassers). 39 Bericht van Hartens an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes IKRK, 8.6.1945, Archiv des IKRK, G61, Dossier des falschen Delegierten Jaac van Harten.

damals sozusagen ein Opfer des Unternehmens Bernhard war. Seine Verteidiger knnten argumentieren, allein die Tatsache, dass er sich nach dem Krieg so hartnckig fr die Rckgabe des Darlehens an das jdische Rettungskomitee einsetzte, beweise, dass er keine Ahnung hatte, dass es sich um Falschgeld handelte. Van Harten bemhte sich auch unermdlich um die Rckgabe seines Vermgens, welches vom US-Geheimdienst CIC beschlagnahmt worden war. Fr diesen Anspruch lie er sich sogar durch den Rechtsanwalt Robert Kempner vertreten. Kempner war niemand geringerer als der stellvertretende Chefanklger in den Nrnberger Prozessen (!).40 Kann es aber wirklich sein, dass ausgerechnet der gewiefte van Harten nicht gewusst hat, dass die Pfundnoten geflscht waren? Es ist kaum vorstellbar. Die Aussage des Hagana-Chefs in Italien, Yehuda Arazi, zeigt, dass die van Hartens sptestens in Meran gewusst haben, dass es um Blten ging. Denn nach dem Krieg traf er dort die vllig verzweifelte Frau van Harten, deren Mann inzwischen vom US-Geheimdienst als Nazi-Agent verhaftet worden war. Sie bergab Arazi in der Hoffnung, dass er helfen wrde eine groe Summe und sagte, dass es sich bei einem Teil dieses Geldes um ausgezeichnete geflschte Pfundnoten handle.41 Aus dem Schreiben van Hartens an Schwend 1960, in welchem er nachdem die Bemhungen Kempners nichts gefruchtet hatten um die Hilfe des ehemaligen Chefs bei den Restitutionsansprchen bittet, ist zu verstehen, dass es ihm bewusst war, dass es sich bei den Pfundnoten um Falschgeld handelte. Trotzdem schreckte ihn diese Tatsache nicht davor ab, seine Forderung ohne jegliche Skrupel voranzutreiben. Er schreibt:Wissen Sie einen positiven Fall, wo das Reich [hchstwahrscheinlich die BRD] die Pfunde bezahlt hat? [...] Fr die Pfunde wurden hochwertige Waren geliefert, und dies stellt eine ungerechtfertigte Bereicherung dar. Aber wie gesagt, es fehlt die Gesetzgebung. Und ich habe in die Sache bereits ziemlich viel Geld hineingesteckt, aber keinen Pfennig herausbekommen, und bin skeptisch. Natrlich wenn Sie die Innenverhltnisse kennen, knnte es 42 die Sachlage grundlegend ndern.

Van Harten musste sich sehr sicher gefhlt haben, dass er ausgerechnet einen angeblichen Nazifresser wie Robert Kempner als Anwalt anheuerte und einen erwiesenen Naziverbrecher wie Schwend als Kenner der US-Innenverhltnisse engagieren wollte. Mit dieser Selbstsicherheit und Schamlosigkeit berlebten er und seine Kumpane den Krieg. Van Hartens Verhalten widerspiegelt die Kultur der Bernhard-Agenten. Schwend selbst schrieb 1961, als er in Peru zusammen mit anderen Nazikriminellen zusammenarbeitete, mehrere Briefe in seinem richtigen Namen an die israelische Behrde, die den Eichmann Prozess vorbereitete.43 Er denunzierte in diesen Schreiben einen ehemaligen jdischen Mitarbeiter, Georg Spencer Spitz, der ihn nach dem Krieg betrogen und verraten hatte. Warum aber vertrat Robert Kempner den Agenten van Harten? Angesichts der Untersttzung und Deckung, die dieser in Israel genoss, ist anzunehmen, dass Kempner das Mandat bernahm, weil ihm beispielsweise der einflussreiche Rechtsanwalt und sptere israelische Botschafter in London, Eliash, van Harten wrmstens empfohlen haben knnte. Der Agent Freier, der die Verbindung zwischen Eliash und van Harten hergestellt hatte, schrieb denn auch: Eliash verliebte sich in van Harten und wollte mit ihm Geschfte machen, denn er war geldgierig.44 Ein Entschdigungsverfahren ber mehr als vier Millionen US-Dollar war fr einen Anwalt sicherlich sehr lukrativ.40 41

Brief van Hartens an Schwend 5.11.1960, Schwend-Akten, im Archiv fr Sozialgeschichte, Hamburg Yehuda Arazi-Bericht, 21.8.1955, S. 23, Yad Tabenkin, Block 25, Serie: Tav, Kontainer 2 File 26. 42 Brief van Hartens an Schwend, 5.11.1960, Schwend-Akten., im Archiv fr Sozialgeschichte, Hamburg 43 Brief Schwend an die israelische Botschaft in Lima, 13.6.1960 und Brief Schwend an Chefinspektor Samuel Roth (israelische Polizei), 25.7.1960. Israelisches Staatsarchiv, Eichmann-Prozess-Akten A/3054 AZ 206. 44 Schalheweth Freier, Interview mit Nosinow.

Van Harten zieht nach MeranVan Harten verlie Ende Dezember 1944, am gleichen Tag wie sein Chef Becher, Budapest und fuhr nach Meran. Reves soll ihm beim Beladen seines Autos geholfen haben. Dabei sei ihm ein geplatzter Koffer aufgefallen, der voll gepackt mit englischen Pfundnoten gewesen sei. Michael van Harten findet diese Aussage hingegen etwas gar phantasievoll, u.a., weil Reves ihr Auto als mit elektrischen Fenstern ausgerstet beschrieb. Etwas, das auch eine Luxuskarosse wie ein MG Jahrgang 1937 bestimmt nicht hatte. Jaac van Hartens Erklrung, warum er und seine Familie sich ausgerechnet in Meran niederlieen, ist nicht besonders glaubwrdig. In einem Bericht schrieb er:Im Dezember 1944 erfuhr ich, dass Reste der italienischen Juden sich noch in Konzentrationslagern in [Bozen] Italien befinden sollten. Zu diesem Zwecke fuhr ich mit meiner Familie Ende Dezember 44 aus Budapest nach 45 Meran.

In einem Schreiben an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes versuchte van Harten den Eindruck zu erwecken, dass er im Auftrag vom Chaim Pozner vom Palstina-Amt in Genf nach Meran bersiedelte.46 In seinem Brief an Pozner suggerierte van Harten, dass er im Dienst des IKRK nach Meran zog, was absolut nicht der Wahrheit entsprach, denn seine Akten bei dieser Organisation sind unter den 'falschen Delegierten' archiviert:Durch unsere Erfahrungen, die wir leider persnlich durchmachen mussten, hatten wir erkannt, dass wir unsere Wege und Beziehungen in den Dienst der Sache stellen mssen. So konnten wir die Verhandlungen Becher inspirieren und dadurch positive Ergebnisse erreichen [...]. Wir konnten einige 1000 Kinder in Heimen unterbringen unter dem Schutz des I.[nternationalen] R.[oten] K.[reuzes] sowie des Schwed.[ischen] R.[oten] K.[reuzes], denen wir Beide angehren. Meine Aufgabe war Mitte Dezember in Ungarn gelst und so gingen wir 47 nach hier, wo groe Aufgaben unserer hnlich der in Budapest harrten. [...]

Schwend hingegen behauptete, dass ihm Wilhelm Httl van Harten zum Schutz zugewiesen habe.48 Diese Erklrung scheint glaubwrdig zu sein. Denn Httl war hchstwahrscheinlich fr die geheimdienstliche Ttigkeiten van Hartens verantwortlich, und Ende 1944 fanden mit seiner Hilfe mehrere andere dubiose Figuren aus Ungarn, wie der ungarische faschistische Auenminister Baron Gabor von Kemny, Zuflucht in Meran.

Machenschaften in MeranIn Meran angekommen, lie sich die Familie van Harten im Jnner 1945 im noblen Sanatorium Stephanie nieder. Dort logierten auch andere Mitglieder der Gruppe Wendig, in welche sich Jaac van Harten rasch integrierte. Als Bernhard-Verkufer wickelte er in Meran wohl nur ein einziges Geschft ab: Er kaufte 150 Tonnen Terpentin und belieferte damit die Wehrmacht. Bezahlt wurde selbstverstndlich mit Falschgeld. Van Hartens Bedeutung fr die SS lag aber woanders. Wie schon erwhnt bemhte sich Schwend, wie andere Nazi-Bonzen, dazumal um ein Alibi fr die Nachkriegszeit und um die Sicherung seiner Beute. Die norditalienische SS-Fhrung versuchte, im Rahmen der Operation Sunrise, eifrig, Kontake

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Bericht ber Italien von J. van Harten, Yad Vashem Archiv, Nachlass Pozner, P12/38. Bericht van Hartens an das IKRK, 8.6.1945, , Archiv des IKRK, G61, Dossier des falschen Delegierten Jaac van Harten. 47 Brief van Hartens an Pozner, 12.4.1945, CZA Nachlass Pozner, L17/174. 48 Brief Schwends an den Stasi-Mann Julius Mader, 15.7.1964, Schwend-Akten.

mit dem deutschfreundlichen OSS-Mann in Bern, Allen W. Dulles, zu knpfen.49 Schwend und seine Kumpane waren ebenfalls mit von der Partie. Die Nazis in Norditalien verwendeten das gleiche Erpressungsmuster wie Becher und Eichmann in Ungarn. Sie benutzten das Leben von Juden als Druckmittel, um die Verhandlungen mit den Alliierten voranzutreiben und dabei auch Lsegeld zu kassieren. Hier dienten als Faustpfand 150 Juden, die im Gefngnis San Vittore in Mailand festgehalten wurden. Die Initiative ging offenbar vom SchwendVertrauten SS-Offizier Walter Rauff in Mailand aus, einem der mageblichen hheren Offiziere bei den ersten Versuchen, Juden in Lastwagen zu vergasen. Mit dem Angebot des Judenhandels nahm Valerio Benuzzi, ein jdischer Kollaborateur, welcher im Dienste Rauffs und der geheimen faschistischen Polizei OVRA stand, Kontakt mit dem IKRK-Vertreter fr Norditalien, Oberst Hans Bon, und auch mit dem jdischen Hilfswerk Joint auf, welches das Lsegeld zahlen und fr die Aufnahme der befreiten Juden in der Schweiz sorgen sollte. Dank der Vermittlung Benuzzis traf Bon im Jnner 1945 mit dem SS-Chef von Norditalien, General der Waffen-SS Karl Wolff, dem Erzbischof von Mailand, Kardinal Schuster, und dem deutschen Botschafter im faschistischen Teil Italiens, Rudolf Rahn, zusammen. Dies kann wahrscheinlich als Anfang einer wichtigen Schiene der Operation Sunrise angesehen werden, welche zur deutschen Kapitulation in Norditalien fhrte. Die Verhandlungen wurden verschleppt. Am 16. Februar teilte Benuzzi dem Joint-Vertreter in der Schweiz, Saly Mayer, telefonisch mit, dass die Juden nun von Mailand ins KZ Bozen transferiert worden seien. Von dort sollten sie weiter nach Berlin deportiert werden. Ob die Deutschen diese Drohung wirklich umsetzen wollten bzw. konnten, bleibt offen. Van Harten, der inzwischen auch eingeschaltet worden war,50 berichtete: Am Morgen des 25. Februar kam ich nach Bozen [...] Man hatte am vergangenen Abend 130 Juden und 700 politische italienische Gefangene waggoniert, um sie zu deportieren.51 Die Deportation wurde dann gestoppt. Im Gegenzug durfte Benuzzi mit Hilfe des IKRK nach Bern fahren, um die Verhandlungen - wahrscheinlich mit Allen Dulles weiterzufhren.52 In einem Bericht des jdischen italienischen Hilfswerk DELASEM heit es: Vertrauensmann 552 , [wahrscheinlich van Harten] bt immer eine groe Ttigkeit aus und hat einen Kontakt mit dem Konzentrationslager Bozen ins Leben gerufen, der der wichtigste fr dieses Lager sein wird.53 DELASEM sandte jede Woche eine groe Zahl Pakete, die persnlich an die Internierten verteilt werden sollten. Van Harten erzhlte von groen Lebensmittellieferungen und der berbringung von Paketen in das Polizeiliche Durchgangslager in der Bozner Reschenstrasse. Ein britischer Gefangener erzhlte, dass van Harten Ende Februar im Konzentrationslager Bozen auftauchte, 1000 Lire pro Kopf verteilte und versprach, Lebensmittel zu beschaffen. Danach kam er zweimal im Monat. Die Gefangenen verlangten nach den versprochenen IKRK-Pckchen, aber van Harten meinte, dass dies schwierig sei. Am 26. April wurde Oberst Bon von Genf aus mitgeteilt, dass nach den Verhandlungen zwischen IKRK-Generalsekretr Hans Bachmann und dem zweiten Mann in der SS-Hierarchie, Ernst Kaltenbrunner, letzterer der Freilassung der Juden im KZ Bozen zustimmte. Bon solle diese Botschaft so schnell wie mglich nach Sdtirol weiterleiten.54 Er rief noch am gleichen Tag van Harten nach St.49

Zur Rolle von Allen Dulles vgl. Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier der amerikanischen Geheimdienste 1941 bis 1945, Stuttgart 1999, S. 152 ff. 50 Selber behauptet van Harten, dass er schon am 7. Januar 1945 das erste Mal das KZ-Bozen besuchte. Bericht van Hartens an das IKRK, 8.6.1945, S. 4. , Archiv des IKRK, G61, Dossier des falschen Delegierten Jaac van Harten. 51 Ebd., S. 5. 52 Benuzzi ist in Bern spurlos verschwunden. 53 Delasem-Bericht, unsigniert, 2.4.1945, Saly Mayer-Archiv, Mikrofilm Nr. 16, ETH-Archiv fr Zeitgeschichte. 54 Telefongesprchs-Protokoll, 26.4.1945, AIKRK G.59/8/EV.

Moritz und trug ihm auf, die KZ-Insassen zu befreien. Van Harten verstand diesen Auftrag als eine Ernennung zum IKRK-Delegierten in Meran und versuchte dies voll auszunutzen, um die Schwend-Gruppe auch rckwirkend als IKRK-Vertretung darzustellen. Die Rolle Bons bei diesem Auftrag ist noch nicht klar. Sein Stellvertreter, Kurt Tschudi, wusste gar nicht davon und wre bestimmt dagegen gewesen. Denn schon Ende Februar 1945 beschwerte sich dieser ber van Hartens Auftritt als IKRK-Delegierter, und zwar ausgerechnet beim SS-Offizier Walter Rauff. In seinem Bericht schrieb Tschudi: [...] nach Erhalt von weiterem belastenden Material gegen v. Harten, trat ich mit Herrn Oberst Rauff von derSS-Polizei in Verbindung, um dem Mann sein Handwerk zu legen. Oberst Rauff wich jedoch in geschickter Weise immer aus und wollte von einer Verhaftung nichts wissen, was mich nur noch mehr stutzig machte, denn 55 im Allgemeinen war jeder Vorwand zum Vorgehen gegen einen Nichtarier gut genug.

Am 28. April 1945 erschien van Harten mit Lastwagen im KZ Bozen. Er brachte einen Teil der Hftlinge aus dem Lager, so die Aussage eines englischen Gefangenen, und lie sie nach Meran transportieren. Zwei Tage spter wurden auch die Juden frei gelassen und einige davon im Schloss Labers untergebracht. Selber berichtete van Harten, dass er whrend zweier Tage 2972 Personen aus dem Bozner und aus den verschiedenen Auenlagern weitere 7000 befreit habe. Zahlen, die ohne Zweifel weit bertrieben sind. Nach ber vier Jahren am 12. April meldete sich van Harten wieder bei Chaim Pozner, dem Finanzmann der Jewish Agency in Genf, um die Unterbringung der jdischen Hftlinge in der Schweiz zu koordinieren. Am 30. April schrieb van Harten an Pozner: Soeben tritt das ungarische Auenministerium an mich heran, das I.R.K. vertreten durch mich, mchte denSchutz des ungarischen Staatsschatzes in Form von Gold, Juwelen, etc., Gemldesammlungen bernehmen. [...] 56 Groe Mengen der Juwelen stammen aus den Juden enteigneten Vermgen.

Van Harten untermauerte die Mitteilung mit einer Bevollmchtigung, datiert vom 17. Mrz und signiert durch den ungarischen Auenminister Gabor Baron von Kemny.57 Pozner war von dieser groen finanziellen Mglichkeit sehr beeindruckt, denn van Harten gab ihm zu verstehen, dass die Jewish Agency die jdischen Wertsachen beanspruchen knne, um damit zum Aufbau des jdischen Staats beizutragen. Es ist ausgeschlossen, dass van Harten tatschlich der Beschtzer des ungarischen Staatsschatzes war. Kemny flchte zwar um diese Zeit nach Meran, aber bestimmt nicht mit so viel Waren wie in der Vollmacht erwhnt, und der Kronschatz wurde am 4. Mai beim ungarischen Machthaber Ferenc Szlazi, weit weg von Meran, beschlagnahmt. Der Israeli Yitzchak Tamari, der damals als Soldat der ersten britischen Einheiten diente, die Bozen erreichten, erzhlte, wie er dort van Harten getroffen habe. Dieser informierte die jdischen Soldaten, dass in Meran der ungarische Staatschef Ferenc Szlazi weile, 58 der fr die Judenvernichtung mitverantwortlich sei und entsprechend viel gestohlenen Schmuck besitze. Die Soldaten sollten den besagten Verbrecher umbringen und den Schatz beanspruchen. Wie sie aber zum Haus des Ungarn kamen, war dieses schon von US-Soldaten umzingelt. Es kann sich hier nur um eine Verwechslung handeln, denn der hohe Politiker muss Kemny gewesen sein, welchem van Harten die Verantwortung fr die geraubten jdischen Schmuckstcke in die Schuhe zu schieben versuchte. Diese Anschuldigung erhob van Harten auch vor dem IKRK. Dabei waren solche Wertsachen, laut zuverlssigen55 56

Bericht K. Tschudi an den Prsidenten des IKRK, 22.6.1945, AIKRK G61. Brief van Hartens an Pozner, 30.4.1945, Yad Vashem Archiv, P12/38. 57 Bevollmchtigung, 17.3.1945, Yad Vashem Archiv, P12/38. 58 Interview des Verfassers mit Yitzhak Tamari, November 2001.

Berichten, im Besitz der Familie van Harten selbst. So berichtete der Hagana-GeheimdienstChef in Italien, Yehuda Arazi: Sie [die van Hartens] hatten mehrere Koffer voller Schmuck und Diamanten bei sich. [...] Woher hatten sie das alles? Ich habe da Zweifel, vor allem wegen der Eheringe. Alles wurde dann nach Palstina geschickt.59 Ein anderer israelischer Agent, Schalheweth Freier, meint dazu:Auerdem vermag ich mich noch zu erinnern, dass es Schmuckpakete gab, die sehr schn verpackt und mit Namen versehen waren. Ich glaube, die Geschichte dazu lautete, dass es sich um Schmuckstcke handelte, die sie [die van Hartens] von Juden in Ungarn zur Aufbewahrung bekommen htten. [...]. Ich glaube, spter sah ich 60 im Bro von Yehuda Arzi einen Sack voller Eheringe, die wahrscheinlich von KZ-Juden stammten.

Die Bevollmchtigung fr den ungarischen Kronschatz muss als Tarnaktion betrachtet werden, die van Harten und der Beute der Wendig-Gruppe zustzlichen Schutz verleihen sollte. Diese Geschichte diente als Alibi fr die groen Warenlager des Unternehmens Bernhard und fr die jdischen Vermgenswerte. Dafr musste aber ein Teil der Diebesgter geopfert werden. Die erwhnten jdischen Wertgegenstnde werfen unweigerlich Fragen auf, die den betreffenden Agenten auch ins Auge sprangen, welche sie aber offensichtlich aus naheliegenden Grnden nicht weiter verfolgten. Woher kam dieser Schatz? Theoretisch besteht die Mglichkeit, dass die Schmuckpakete, welche mit Namen versehen waren, van Harten zur Obhut berlassen wurden. Nur ist es nicht sehr plausibel, dass ungarische Juden einem Naziagenten so kurz vor der deutschen Niederlage ihren wertvollen Besitz anvertrauen. Die berzeugendste Erklrung ist, dass es sich um Lsegelder handelt, welche von ungarischen Juden als Schutz (SS-Schutzjuden) und/oder im Zusammenhang mit dem BecherFreikauf-Deal bezahlt wurden. Becher gab ja das Lsegeld bei Kriegsende an die Jewish Agency. Dabei fehlte aber ein erheblicher Teil dieses sogenannten Becher-Schatzes. Trotz mehrerer Untersuchungen bleibt das fehlende Vermgen, welches mehrheitlich aus Schmuckstcken bestand, bis heute unauffindbar. Die hier aufgefhrten Indizien erhrten den Verdacht, dass van Harten mit dem verschwundenen Rest des Becher-Schatzes zu tun hatte. Freiers Hinweis ber die Eheringe, die wahrscheinlich von KZ-Juden stammten, sollte nicht vllig ignoriert werden, denn er war derjenige, der van Harten bei Kriegsende in Norditalien intensiv verhrt hatte, entsprechend musste er auch wissen, ob van Harten die Mglichkeit hatte, KZ-Raubgut zu besitzen. Was geschah mit diesem jdischen Vermgen? Es sieht danach aus, dass der HaganaGeheimdienst sich die Wertsachen mit den van Hartens teilte. Es darf nicht vergessen werden, dass van Harten spter in Tel Aviv eine Bijouterie mit besonders ausgesuchten Juwelen besa. Zionistische Organisationen waren absolut im Stande, geraubte private jdische Besitztmer als ihr Eigentum zu betrachten. Nach der deutschen Kapitulation fanden die US-Soldaten mehrere Meraner Gebude voller Gter, die der Kemeny-Vollmacht-Liste entsprachen. Diese Lagerhuser waren alle mit Schildern Unter Schutz des IKRK versehen. Gegenber dem IKRK behauptete van Harten, dass die Waren grtenteils von italienischen Juden geraubt worden seien. Ich vertrete den Standpunkt, dass diese Warenvorrte an ihre Besitzer htten zurckgegeben werden mssen, respektive an deren Erben. Ich nahm diese Lager, um sie vor Ausplnderung zu schtzen, unter den Schutz des Comits, und siegelte sie zu.61 Den59

Yehuda Arazi-Bericht, 21.8.1955, S. 23.

60Interview Schalheweth Freiers mit Nana Nosinow, 17.7.1966.61

Bericht van Hartens an das IKRK, 8.6.1945, S. 11., , Archiv des IKRK, G61, Dossier des falschen Delegierten Jaac van Harten.

amerikanischen Soldaten, die 248 000 IKRK-Identittsausweise bei ihm entdeckten, erzhlte van Harten, dass er IKRK-Chef in Budapest gewesen sei. Den US-Soldaten fiel aber auf, dass die SS-Mannschaften, wenn sie van Harten sahen, sofort salutierten.62 Zustzlichen Schutz erhoffte sich die Gruppe Wendig durch die freundlichen Dienste des Schweizer Konsularagenten, Alberto Crastan. Crastan, der Schlossherr von Rametz, hatte das Weingut von seinem Vater geschenkt bekommen. Dieser wollte dem erfolglosen Sohn eine solide Existenzgrundlage verschaffen. Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Durch die Beziehungen zu seinen SS-Nachbarn im Schloss Labers erhoffte sich Crastan endlich eine lukrative Einnahmequelle. Wie lange er mit den Schwend-Leuten kooperierte, ist aber nicht klar. Bei Kriegsende arbeitete er jedenfalls eng mit van Harten zusammen. Er fuhr z.B. mit dem Naziagenten in die Schweiz, um Oberst Bon zu treffen und in seinem Schloss lagerten Bernhard-Waren. Van Harten richtete sich eine groe Geschftsstelle im gleichen Gebude ein, in dem Crastan sein Bro hatte. Laut dem Bericht eines Schweizer Arztes, welcher mit einer Rotkreuzkolonne am 15. Mai 1945 in Meran eintraf, entfaltete van Harten aus diesen Rumlichkeiten, eine ungewhnlich rege und vielseitige Ttigkeit. Den tglich erschienenden Hunderten von Deportierten, Flchtlingen und Heimatlosen stellte er selbstgedruckte Rotkreuzpsse [...] aus. Im weiteren versah er diese Leute mit Geld und Lebensmitteln.63 Aus diesem Bericht geht hervor, dass sich auch mehrere Nazis unter dem Flchtlingsstrom mischten. Schwend behauptete, van Harten habe auf seine Veranlassung agiert. Laut Yitzhak Tamari stoppten italienische Partisanen SS-Leute mit echten Einreisevisa an der Schweizer Grenze: Ihre Visa htten sie, so Tamari, von van Harten erhalten.64 Nur Crastan konnte die Quelle fr solche Dokumente. Am 25. Mai 1946 verhaftete die italienische Polizei Crastan. Bei einer Durchsuchung im Schloss Rametz wurden viele Schwarzmarktwaren entdeckt, welche mit geflschten Pfundnoten gekauft worden waren. Crastan blieb fr lngere Zeit in Untersuchungshaft. Er vermochte die Polizei nicht davon zu berzeugen, dass er vom verbrecherischen Charakter der Operation im benachbarten Schloss Labers nichts gewusst habe, wo man doch in ganz Meran ber die anrchigen Geschfte der Schwend-Bande sprach.65 Aus unerklrlichen Grnden lieen die Alliierten und die italienischen Behrden die Untersuchung jedoch pltzlich fallen und Crastan wurde frei gesprochen. Sogar die Schweizer Gesandtschaft in Rom wunderte sich darber, denn diesem wurden doch schwerwiegende Verbrechen vorgeworfen. Diese Feststellung wiederum hatte den Schweizer Botschafter zuvor nicht daran gehindert, sich fr den ehemaligen Konsularagenten einzusetzen.66 Alexander Kinkelin, ein Schweizer in Meran, berichtete: Es scheint, dass die beschlagnahmte Ware von Dritten, zum Teil, in der Folge weiter verschoben worden ist und dass nunmehr auch diese Dritten ein Interesse daran haben, dass kein Prozess gefhrt werde.67

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Undatierter Bericht von Rock Ferris, AMG 5th Army, AIKRK G61. Bericht eines rztlichen Begleiters der Rotkreuzkolonne vom 14.5 25.5.1945 nach Meran, Dr. Jovanovits, Kantonsspital Zrich, 4.6.1945, AIKRK SG 4/13/M, S. 3. 64 Interview des Verfassers mit Yitzhak Tamari, November 2001. 65 Vgl. dazu Eva Pfanzelter, Zwischen Brenner und Bari. Jdische Flchtlinge in Italien 1945 bis 1948, in: Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jdische Exodus durch sterreich nach 1945, hrsg. v. Thomas Albrich, Innsbruck Wien Mnchen 1998, S. 240 f. 66 Brief des Botschafters Ritter aus Rom an das EPD, 4. 10.1945, Botschafter Ritter an das EPD, 4.10.1945, Personalakten Alberto Crastan, SBAr E2500 -/1 Bd. 7 B.21.213.22. 67 Ebd., Brief Alexander Kinkelin, an das Schweizer Konsulat in Venedig, 6.5.1947.

Van Harten und zionistische OrganisationenAls sehr ntzlich erwiesen sich die Beziehungen, die van Harten mit der Untergrundarmee Hagana knpfte. Bei den britischen Truppen, die Italien eroberten, waren zwei jdische Transportbrigaden aus Palstina. Es ging ihnen um Waffenbeschaffung sowie um die Organisierung der illegalen Auswanderung von Juden nach Palstina.68 Deren erste Station in Italien, wie im La Vista Report zu lesen ist, war in der Tat Meran. Da die finanziellen Bedrfnisse dieser Organisationen sehr gro waren, sollte der Zweck die Mittel heiligen: Einige der eretz-israelischen Soldaten bereicherten sich selber, wie es damals auch bei den Alliierten blich war. Es gab keinen strengeren Kmpfer gegen diese Korruption als Eliyahu Cohen, der fr die Briten lediglich ein Feldwebel, tatschlich aber Italien-Kommandant der Hagana war. Ausgerechnet dieser Moralapostel war es, der zusammen mit dem lokalen Hagana-Geheimdienstchef-Chef, Yehuda Arazi die Kollaboration mit van Harten bewilligte und betreute. Spter sorgte er fr dessen Sicherheit und Integration in Israel. Die einfachen zionistischen Agenten Shmuel Ossia und Elizer Bigar, die bei dieser Affre nur eine marginale Rolle spielten, waren vllig schockiert und niedergeschlagen, als sie 56 Jahre spter erfuhren, dass ausgerechnet der legendre Cohen, der fr seinen hohen moralischen Standard bewundert wurde, bewusst einen Naziagenten gedeckt hatte. Bei Arazi waren sie nicht berrascht, denn fr sie war dieser Abenteurer zu allem fhig.69 Ende April 1945 stie der israelische Hauptmann Alex Moskowitz in Meran auf van Harten, welcher ihm ber die in der Region versteckten Raubgter berichtete. Der Naziagent war bereit, so Moskowitz, ihn zu den Versteckorten zu fhren. Van Harten habe in Meran eine Transitstation fr die jdischen Flchtlinge einrichten wollen, die bald von Norden nach Sden strmen wrden.70 Anfang Mai erschienen bei Moskowitz zwei Agenten der geheimen Auswanderungsorganisation Ha'Bricha, die unterwegs nach Ungarn waren, um die Fluchtwege nach Palstina zu organisieren. Moskowitz bat nun um van Hartens Hilfe bei der berquerung des Brennerpasses. Dieser offerierte den Agenten spontan eine groe Summe, um ihre Aktivitten zu finanzieren und bat sie auch, Gelder fr verschiedene Leute in Budapest mitzunehmen. Er gab ihnen dann 22.500 Bernhard-Pfunde, die bei den bisherigen sprlichen Schilderungen immer als Spende dargestellt wurden. Van Harten verlangte jedoch spter die Rckzahlung und wurde dabei von Arazi untersttzt. Der Geheimdienst-Chef wusste zwar, dass das Darlehen mit Falschgeld bezahlt worden war, rechnete jedoch mit noch greren Leistungen van Hartens.71 In verschiedenen Quellen wird nebenbei erwhnt, dass seine Beitrge und die Pfund-Blten damals wichtigste finanzielle Sttzen fr die illegale Auswanderung und fr sonstige Aktivitten der Hagana waren. Levi Argov (Kopilowitch), einer der Agenten, die das Geld von van Harten in Meran erhalten hatten, behauptete aber, sobald man gemerkt habe, dass die Pfunde geflscht waren, habe die Ha'Bricha aufgehrt, mit

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Laut der israelischen Historikerin Idith Zertal war diese illegale Auswanderung nach Palstina keine Rettungsaktion fr die Shoa-berlebenden, sondern die Ausntzung ihres Leidens fr propagandistische Zwecke, um die Briten noch mehr unter Druck zu setzen. Die damaligen Bilder der berlebenden, die von brutalen britischen Soldaten daran gehindert wurden, nach Palstina auszuwandern, waren in der Medienkampagne sehr effektiv. 69 Interview des Verfassers mit Shmuel Ossia und Elizer Bigar im November 2001. 70 Thomas Albrich (Hrsg.), Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jdische Exodus durch sterreich nach 1945, Innsbruck Wien Mnchen 1998. Vgl. auch Gesellschaft fr bedrohte Vlker Bozen (Hrsg.), Minderheiten auf der Flucht, Auf dem Weg nach Palstina, Zweites Kapitel: Flucht aus Sdtirol, Flucht nach Sdtirol http://www.gfbv.it/3dossier/flucht/2kap.html#17 (Stand: 24.8.2002). 71 Hagana Archiv 14/88.

den Falsifikaten zu handeln.72 Jol Palgi, der in Budapest die Arbeit der Ha'Bricha koordinierte, erfuhr, dass in Italien Sterling feil zu haben waren und man in Osteuropa ausgezeichnete Preise dafr erzielen konnte. Deshalb verlangte er von den Kollegen in Italien, Pfunde in groem Stil zu kaufen. Dann behauptete Palgi jedoch etwas schwammig: Soweit ich wei, sah die Delegation in Italien von dieser Mglichkeit ab [...].73 Palgis Behauptung wird von den Ausfhrungen von Arazi widersprochen:Wir fanden heraus, dass diese [van Hartens Gelder] die von den Deutschen geflschten Pfunde waren. Ich schickte dieses Geld zum Korporal Katz nach sterreich. Er sollte versuchen, die Blten auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Wir kauften Goldbarren, die wir zuerst nach Frankreich schickten und nach einem groen Umweg 74 in die Schweiz. Wir verdienten dadurch das Neunzehnfache des ursprnglichen Wertes.

Die Akten des Hagana-Finanzchefs, Pino Ginsburg, zeigen, dass Genf das Zentrum dieses umfangreichen illegalen Handels war,75 und van Hartens Beitrag dazu kann nicht genug betont werden. Insofern zahlte sich der Einsatz zur Befreiung van Hartens fr die zionistischen Gruppen aus, nachdem dieser vom CIC im Mai 1945 in Meran als Naziagent verhaftet und im Lager Terni fr fast ein Jahr interniert worden war. Auerdem beschlagnahmte der CIC weitere Teile seiner Besitztmer. Van Harten behauptete, dass sich die betreffenden US-Agenten bereichert htten und spter unter mysterisen Umstnden ums Leben gekommen seien. Verzweifelt suchte van Harten nach Rettung. Einzig der Hagana-Geheimdienst kam ihm zu Hilfe und ihm den Agenten Freier sandte. Dieser kmmerte sich auch um die verzweifelte Frau van Harten und deren Sohn und brachte sie von Meran nach Mailand. Dort arbeitete die Frau eine Weile in der Kantine der jdischen Soldaten. Der kritische Yitzhak Tamari fragte dann den strengen Hagana-Chef Cohen, warum die Nazi-Agenten geschtzt wrden, worauf dieser antwortete: Ich versprach es ihnen, und ein Gentleman hlt sein Wort.76 Dank seiner Kontakte wurde der Naziagent van Harten Mitte 1946 freigelassen und blieb zum Jahresende in Italien im Dienst dieser Organisation. Spter zog er nach Tel-Aviv, wo seine Familie inzwischen wohnte und lebte sich schnell ein. Erstaunlicherweise war fr diese rasche Integration Cohens Vater Abba verantwortlich und nicht die reiche Familie Schocken, mit der Frau van Harten verwandt war. Abba Cohen folgte blind den Instruktionen seines geheimnisvollen Sohnes, ffnete van Harten wichtige Tren und wurde selbst zu dessen Geschftsfhrer.77 1947 wollten die damals in Palstina herrschenden Briten van Harten wegen seiner Bernhard-Vergangenheit loswerden. Freier, der mittlerweile wieder im Lande war, half dem ehemaligen Agenten, die Verbindung zum renommierten Rechtsanwalt Eliash herzustellen. Auf das Gesuch Eliashs hin stellte Golda Meir, in ihrer Funktion als De-factoAuenministerin, van Harten einen Persilschein aus, der seine Abschiebung vereitelte. In ihrem Brief an Eliash schrieb sie:Ich mchte Sie informieren, dass wir Beweise besitzen, dass Herr van Harten whrend des ganzen letzten Krieges Mitglied des jdischen Untergrundes in Europa war. [...] Ich bin der Meinung, Herrn van Hartens Vergangenheit whrend des Krieges rechtfertigt eine bevorzugte Bercksichtigung seines Gesuchs, in Palstina 78 zu bleiben.

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Interview Levi Argov mit dem Verfasser, November 2001. Ergnzung zum Bericht von Joel Nussbacher [Palgi], Hagana Archiv 14/477. 74 Yehuda Arazi-Bericht, 21.8.1955, S. 23. 75 Hagana Archiv 14/86. 76 Yitzhak Tamari. Gesprch mit dem Verfasser, November 2001. 77 Meir Cohen, Eliyahus jungen Bruder, Interview mit dem Verfasser, November 2001. 78 Brief Goldie Myerson (spter Golda Meir) an RA M. Eliash 26.9.1947, Zentral Zionistisches Archiv S25/1247.

Dieses Leumundszeugnis steht jedoch im krassen Widerspruch zu Berichten der jdischen Agenten, die mit ihm nher zu tun hatten. So gut geschtzt fhrte van Harten ein Schmuckgeschft im Herzen Tel-Avivs und wohnte als angesehener Brger im Nobelort Savyon. Niemand untersuchte die Quellen seiner Schmuckstcke und Gemlde, die er z.T. aus Ungarn gebracht hatte. 1973 starb er, und die Bijouterie wurde von seinem Stiefsohn weitergefhrt bis nach der Verffentlichung eines Artikel in der bekannten israelischen Zeitung Ha'aretz ber die braune Vergangenheit Jaac van Hartens.79 Ein hoher Mossad-Amtstrger meinte danach im Privatgesprch mit Yitzchak Tamari, dass er die Emprung ber diese Angelegenheit nicht verstehe: Wir brauchten damals Geld, und er hatte viel davon. So einfach war das.80

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Ronen Bergman: Nazi collaborator, or hero?, in: Ha'aretz, 28.4.2000 (dieser Artikel basiert mehrheitlich auf den Recherchen desVerfassers). 80 Quelle dieses Zitats ist Yitzhak Tamari.