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für Schadstoffe festzulegen, um eine einheitliche Basis für schadstoffbezogene Maßnahmen in den verschiedensten Verursacherbereichen und transparente Grundlagen für die Bewertung von Schadstoffen im Boden zu schaffen Was zu Besorgnis bei den Mitgliedstaaten führt, ist die Vorschrift über die Beschaffung der Finanzmittel für die Umsetzung der Bodenschutzstrategie und Richtlinie Die Richtlinie enthält eine Reihe von Verpflichtungen, die möglicherweise – vorbehaltlich einer sauberen überpr ü- fung – Kostenfolgen nach sich ziehen Der Richtlinienentwurf tut dem Subsidiaritätsprinzip prima vista hinreichend Genüge 157 und lässt den Mitglied- staaten genügend – wenn nicht zu reichlichen Spielraum, bei der Umsetzung nationale Gegebenheiten zu berück- sichtigen 158 Dabei ist zu hoffen, dass die Spielräume nicht zu sehr überdehnt werden und mit dem Rechtsinstrument die Intentionen des sechsten Umweltaktionsprogramms „die optimale Effizienz und Effektivität“ erreichbar sind 159 Die in der thematischen Bodenschutzstrategie mit Recht in den Vordergrund gestellten Kernziele zum Schutz der Böden bedingen wirksame Instrumente Angesichts steigender Ressourcenknappheit und dro- hender Klimakatastrophe 160 – der allseits diskutierte dies- jährige IPCC-Bericht, die Aktualisierung der Studie des Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ 161 und das sog 30-Year-Update, 162 verheißen nichts Gutes, ebenso wenig die in der Literatur erörterte drohende überschreitung der globalen Wachstumsgrenzen 163 – müssen kurzfristige ökono- mische Belange und Belange der Landwirtschaft gegenüber den Belangen des Umweltschutzes und des Gemeinwohls zurückstehen Für die Zukunft ist vor diesem Hintergrund ein effektiverer und nachhaltiger Bodenschutz erforderlich, der weitere Bodenzerstörungen verhindert und die Böden als nicht weiter zu vernachlässigendes Umweltkomparti- ment für zukünftige Generationen erhält Dazu wäre es wünschenswert, dass die Europäische Bodenschutzpolitik die bodenschutzspezifischen Empfehlungen der Rio-Agen- da 21 und die Ziele des sechsten Umweltaktionsprogramms „nachhaltige Entwicklung“ umsetzte, auf weiche Kompro- missformulierung verzichtete und wenigstens wieder auf die ursprüngliche Fassung der Bodenrahmenrichtlinie 164 zurückginge Es muss sichergestellt werden, dass der Bo- den künftig nachhaltig genutzt wird, so dass seine Fähig- keiten zur Erbringung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Leistungen gewahrt wird und gleichzeitig seine ökologischen Funktionen erhalten bleiben, um dem Bedarf künftiger Generationen gerecht zu werden Nach dem zehnjährigen Arbeitsprogramm für die the- matische Strategie der Europäischen Kommission werden Maßnahmenprogramme und nationale Sanierungsstra- tegien nach 2018 implementiert Wenn die Europäische Union auf internationaler Ebene eine führende Rolle spie- len will 165 , sollte sie ohne weitere Verzögerung die von der Kommission vorgelegte Richtlinie ohne Abstriche durchsetzen Bis heute haben Länder wie die USA, Ka- nada, Südkorea, Australien und Brasilien und Japan eine effektive Bodenschutzpolitik formuliert und zielführende Regelungen geschaffen 166 Hinter diese sollte Europa nicht zurückfallen Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) 1 wurde letztmalig im Jahr 2004 von einer Expertenkommission überarbeitet und am 21. 9. 2004 vom LAI den Ländern zur Anwendung und Umset- zung in Verwaltungsvorschriften empfohlen. Mit der Überarbei- tung sollten zahlreiche zu Tage getretene Schwachstellen und Män- Rechtsanwältin Dr iur Mirjam Lang, Rechtsanwälte Bohl und Collegen, Würzburg gel der Richtlinie behoben werden. Insbesondere wurde das bislang angewandte Ausbreitungsrechenmodell Faktor 10 Modell der TA- Luft 1986 durch das Ausbreitungsrechenprogramm AUSTAL 2000 G ersetzt. Ferner wurden sogenannte Polaritätenprofile zur DOI: 10.1007 /s10357-007-1403-y Die Vereinbarkeit der Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmis- sions-Richtlinie (GIRL) mit den Vorgaben des BauGB/BauNVO Mirjam Lang © Springer-Verlag 2008 Lang, Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie 123 157) Vgl KOM(2006) 231 /2 endgültig 158) Vgl IP /06 /1241 vom 22 9 2006, Brüssel 159) Lee/Bückmann (Fn 4), Kennzahl 0254, S 35 160) Gegen die „Apokalypseblindheit“ unserer Zeit wendet sich auch: Anders, Die Antiquiertheit des Menschen 2 über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, München 2002 161) Meadows u a, The Limits of Growth, New York 1972 Deutsch: Die neuen Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972 162) Dennis/Meadows/Randers, Grenzen des Wachstums – Das 30- Jahres-Update, Stuttgart 2006 163) Kritiker der Studie bemängeln die Fortschreibung von vorhan- denen Entwicklungstendenzen in die Zukunft, bei der Mög- lichkeiten der Anpassung durch technologische, wirtschaftliche und politische Veränderungen ignoriert würden Weiter wird unzutreffend und ohne substantiierte Begründung die Mei- nung vertreten, dass sich die Probleme auch ohne Verzicht auf Wirtschaftswachstum lösen ließen 164) Bückmann (Fn 5), S 210 ff 165) Vgl KOM(2006) 231 endgültig /2, 27 9 2006, S 7 166) Vgl KOM(2006) 231 endgültig /2, 27 9 2006, S 5; Lee (Fn 4) Vgl im Einzelnen für zum Bodenschutzrecht in den USA, in Südkorea (besonders vorbildlich) und Japan: Lee (Fn 10), S 214 ff Ferner: Lee, Nachhaltiger Bodenschutz in Südkorea, in: Korea-Jahrbuch 2006 – Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Hamburg: Institut für Asienkunde, 2006, S 87 ff; Lee, Boden- schutzrecht in der Republik Korea und in Japan, in: Boden- schutz Ergänzbares Handbuch der Maßnahmen und Empfeh- lungen für Schutz, Pflege und Sanierung von Böden, Landschaft und Grundwasser, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007, BoS 45 Lfg VII /07, Kennzahl 0320 1) Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchs- immissions-Richtlinie – GIRL) in der Fassung vom 21 9 2004 mit Begründung und Auslegungshinweis (abgedruckt z B in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht Bd 4, C 411, Heidelberg, Loseblatt Stand 2006 Natur und Recht (2008) 29: 15–18 15

Die Vereinbarkeit der Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) mit den Vorgaben des BauGB/BauNVO

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für schadstoffe festzulegen, um eine einheitliche Basis für schadstoffbezogene Maßnahmen in den verschiedensten Verursacherbereichen und transparente Grundlagen für die Bewertung von schadstoffen im Boden zu schaffen .

Was zu Besorgnis bei den Mitgliedstaaten führt, ist die Vorschrift über die Beschaffung der finanzmittel für die umsetzung der Bodenschutzstrategie und Richtlinie . Die Richtlinie enthält eine Reihe von Verpflichtungen, die möglicherweise – vorbehaltlich einer sauberen überprü-fung – Kostenfolgen nach sich ziehen .

Der Richtlinienentwurf tut dem subsidiaritätsprinzip prima vista hinreichend Genüge157 und lässt den Mitglied-staaten genügend – wenn nicht zu reichlichen spielraum, bei der umsetzung nationale Gegebenheiten zu berück-sichtigen158 . Dabei ist zu hoffen, dass die spielräume nicht zu sehr überdehnt werden und mit dem Rechtsinstrument die Intentionen des sechsten umweltaktionsprogramms „die optimale effizienz und effektivität“ erreichbar sind .159 Die in der thematischen Bodenschutzstrategie mit Recht in den Vordergrund gestellten Kernziele zum schutz der Böden bedingen wirksame Instrumente .

angesichts steigender Ressourcenknappheit und dro-hender Klimakatastrophe160 – der allseits diskutierte dies-jährige Ipcc-Bericht, die aktualisierung der studie des club of Rome „Grenzen des Wachstums“161 und das sog . 30-year-update,162 verheißen nichts Gutes, ebenso wenig die in der Literatur erörterte drohende überschreitung der globalen Wachstumsgrenzen163 – müssen kurzfristige ökono-mische Belange und Belange der Landwirtschaft gegenüber den Belangen des umweltschutzes und des Gemeinwohls zurückstehen . für die zukunft ist vor diesem hintergrund ein effektiverer und nachhaltiger Bodenschutz erforderlich, der weitere Bodenzerstörungen verhindert und die Böden als nicht weiter zu vernachlässigendes umweltkomparti-ment für zukünftige Generationen erhält . Dazu wäre es wünschenswert, dass die europäische Bodenschutzpolitik die bodenschutzspezifischen empfehlungen der Rio-agen-da 21 und die ziele des sechsten umweltaktionsprogramms „nachhaltige entwicklung“ umsetzte, auf weiche Kompro-missformulierung verzichtete und wenigstens wieder auf die ursprüngliche fassung der Bodenrahmenrichtlinie164 zurückginge . es muss sichergestellt werden, dass der Bo-den künftig nachhaltig genutzt wird, so dass seine fähig-keiten zur erbringung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Leistungen gewahrt wird und gleichzeitig seine

ökologischen funktionen erhalten bleiben, um dem Bedarf künftiger Generationen gerecht zu werden .

Nach dem zehnjährigen arbeitsprogramm für die the-matische strategie der europäischen Kommission werden Maßnahmenprogramme und nationale sanierungsstra-tegien nach 2018 implementiert . Wenn die europäische union auf internationaler ebene eine führende Rolle spie-len will165, sollte sie ohne weitere Verzögerung die von der Kommission vorgelegte Richtlinie ohne abstriche durchsetzen . Bis heute haben Länder wie die usa, Ka-nada, südkorea, australien und Brasilien und Japan eine effektive Bodenschutzpolitik formuliert und zielführende Regelungen geschaffen .166 hinter diese sollte europa nicht zurückfallen .

DieGeruchsimmissions-Richtlinie(GIRL)1wurdeletztmaligimJahr 2004 von einer Expertenkommission überarbeitet und am21.9.2004vomLAIdenLändernzurAnwendungundUmset-zung inVerwaltungsvorschriften empfohlen.Mit derÜberarbei-tungsolltenzahlreichezuTagegetreteneSchwachstellenundMän-

Rechtsanwältin Dr . iur . Mirjam Lang, Rechtsanwälte Bohl und collegen, WürzburgRechtsanwältin Dr . iur . Mirjam Lang, Rechtsanwälte Bohl und collegen, Würzburg

gelderRichtliniebehobenwerden.InsbesonderewurdedasbislangangewandteAusbreitungsrechenmodellFaktor10ModellderTA-Luft 1986 durch das Ausbreitungsrechenprogramm AUSTAL2000Gersetzt.FernerwurdensogenanntePolaritätenprofilezur

DOI: 10.1007 /s10357-007-1403-y

Die Vereinbarkeit der Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmis-sions-Richtlinie (GIRL) mit den Vorgaben des BauGB /BauNVOMirjam Lang

© Springer-Verlag 2008

Lang, Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie

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157) Vgl . KOM(2006) 231 /2 endgültig .158) Vgl . Ip /06 /1241 vom 22 . 9 . 2006, Brüssel .159) Lee/Bückmann (fn . 4), Kennzahl 0254, s . 35 .160) Gegen die „apokalypseblindheit“ unserer zeit wendet sich

auch: anders, Die antiquiertheit des Menschen . 2 . über die zerstörung des Lebens im zeitalter der dritten industriellen Revolution, München 2002 .

161) Meadows u . a ., the Limits of Growth, New york 1972 . Deutsch: Die neuen Grenzen des Wachstums, stuttgart 1972 .

162) Dennis/Meadows/Randers, Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahres-update, stuttgart 2006 .

163) Kritiker der studie bemängeln die fortschreibung von vorhan-denen entwicklungstendenzen in die zukunft, bei der Mög-lichkeiten der anpassung durch technologische, wirtschaftliche und politische Veränderungen ignoriert würden . Weiter wird unzutreffend und ohne substantiierte Begründung die Mei-nung vertreten, dass sich die probleme auch ohne Verzicht auf Wirtschaftswachstum lösen ließen .

164) Bückmann (fn . 5), s . 210 ff .165) Vgl . KOM(2006) 231 endgültig /2, 27 . 9 . 2006, s . 7 .166) Vgl . KOM(2006) 231 endgültig /2, 27 . 9 . 2006, s . 5; Lee (fn . 4) .

Vgl . im einzelnen für zum Bodenschutzrecht in den usa, in südkorea (besonders vorbildlich) und Japan: Lee (fn . 10), s . 214 ff . . ferner: Lee, Nachhaltiger Bodenschutz in südkorea, in: Korea-Jahrbuch 2006 – politik, Wirtschaft, Gesellschaft, hamburg: Institut für asienkunde, 2006, s . 87 ff .; Lee,Boden-schutzrecht in der Republik Korea und in Japan, in: Boden-schutz . ergänzbares handbuch der Maßnahmen und empfeh-lungen für schutz, pflege und sanierung von Böden, Landschaft und Grundwasser, Berlin: erich schmidt Verlag, 2007, Bos 45 . Lfg . VII /07, Kennzahl 0320 .

1) feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchs-immissions-Richtlinie – GIRL) in der fassung vom 21 . 9 . 2004 mit Begründung und auslegungshinweis (abgedruckt z . B . in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht Bd . 4, c 4 .11, heidelberg, Loseblatt stand 2006 .

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hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen eingeführt.GleichwohlweistdieRichtlinienachwievorzahlreicheMängelund Ungereimtheiten insbesondere auch in rechtlicher Hinsichtauf.2EinedieserUnzulänglichkeitenbetrifftdievonderGIRLvorgenommene Gebietsdifferenzierung und damit letztlich dasKernstückdesRegelwerks.

A. Regelungsinhalt

Das Kernstück für die Beurteilung und Bewertung von Geruchsimmissionen findet sich in ziffer 3 .1 GIRL . Darin werden für insgesamt vier Gebietskategorien der Baunut-zungsverordnung zwei Immissionsrichtwerte festgesetzt . für Wohn- und Mischgebiete wird in spalte 1 eine Im-missionsbelastung von maximal 10 % (= 0,10) Geruchsstun-den /Jahr und für Gewerbe- und Industriegebiete in spalte 2 eine Maximalbelastung von 15 % (= 0,15) festgesetzt . sons-tige Gebiete, in denen sich personen nicht nur vorüberge-hend aufhalten, sollen entsprechend den Grundsätzen des planungsrechts den spalten 1 oder 2 zugeordnet werden .

Mit dieser Differenzierung zwischen Gebieten mit Wohnnutzung einerseits und Gebieten mit ausschließlich gewerblicher Nutzung andererseits sind die Verfasser der GIRL seinerzeit der empfehlung des Medizinischen Insti-tuts für umwelthygiene aus dem Jahr 1992 gefolgt und ha-ben an diesem Vorschlag auch in der folgezeit festgehalten . In der damaligen studie über die „psychophysiologische und epidemiologische Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen“ wurde seitens der Berichterstatter vorgeschlagen, „die trennung zwischen „unerheblicher“ und „erheblicher“ Geruchsbelästigung bei 10 % Geruchsstundenanteil durchzuführen und grob nach der Gebietsnutzung zu differenzieren“ .3

Dieser Grobeinteilung liegt die – an sich zutreffen-de – überlegung zugrunde, dass in Gebieten mit Wohn-nutzung grundsätzlich weniger Immissionen zumutbar sind, als in Gebieten, die ausschließlich oder ganz über-wiegend gewerblichen und industriellen zwecken dienen . Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Gebietskontinuum der BauNVO, das entsprechend der schutzwürdigkeit der einzelnen Gebiete gestaffelt ist und an dessen einem ende der schutz des Wohnens stark ausgeprägt ist, an dessen an-derem ende demgegenüber der gewerblichen Betätigung der Vorrang eingeräumt wird .4 fraglich ist allerdings, ob die von der GIRL vorgenommene Gebietseinteilung sowie ihre anbindung an lediglich zwei Immissionswerte ausrei-chend ist, um für die in tabelle 1 der ziffer 3 .1 genannten Gebiete ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu gewähr-leisten und damit den erheblichkeitsbegriff des § 3 abs . 1 BImschG gesetzeskonform zu konkretisieren .

B. Die Gebietsgebundenheit der Zumutbarkeitsschwelle

Nach ganz herrschender auffassung in Rechtsprechung und Literatur richtet sich die zumutbarkeit von (Geruchs-)Im-missionen und damit ihre eigenschaft als „schädliche umwelteinwirkung“ im sinne des § 3 abs . 1 BImschG insbesondere nach der art des immissionsbetroffenen Ge-biets .5 Je nachdem, wie das Gebiet bauplanungsrechtlich genutzt wird und welchem zweck es dient, können mehr oder weniger Immissionen zumutbar sein . entscheidend für die Bestimmung des zumutbaren Maßes ist dabei aller-dings nicht nur, ob in dem betreffenden Gebiet Wohnnut-zung generell zulässig ist oder nicht . entscheidend ist viel-mehr, welches Gewicht die Baunutzungsverordnung der jeweiligen Nutzungsart in dem Gebiet konkret beimisst . Während zum Beispiel reine Wohngebiete (§ 3 BauNVO) fast ausschließlich der unterbringung von Wohnnutzung dienen und dementsprechend bereits verhältnismäßig ge-ringe Beeinträchtigungen als unvereinbar mit der eigen-art des Gebiets angesehen werden,6 zeichnen sich die üb-

rigen Wohngebiete der Baunutzungsverordnung (§§ 2, 4, 4 a BauNVO) dadurch aus, dass sie nur vorwiegend dem Wohnen dienen und daneben andere nicht beeinträchti-gende Nutzungsarten zulässig sind . Der zulässige Grad an störanfälligkeit in den einzelnen Wohngebietskategorien der Baunutzungsverordnung ist also je nach der zulässigen Nutzungsstruktur ein sehr unterschiedlicher . Mischge-biete wiederum zeichnen sich dadurch aus, dass gemäß § 6 abs . 1 BauNVO Wohnen und nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe gleichberechtigt nebeneinander zulässig sind . aufgrund der zum teil konfligierenden Nutzungen in diesen Gebieten sind sie von vornherein stärker auf Kompromisse angelegt .7 Die einzelnen Nutzungsarten werden sich, was das Maß an zumutbaren störungen anlangt, stärker in der Mitte treffen müssen .8 Gewerbe- und Industriegebiete (§§ 8, 9 BauNVO) unterscheiden sich schließlich durch die zulässige art der gewerblichen Nutzung . Während Gewerbegebiete unter gleichzeitigem ausschluss der üblichen Wohnnutzung vorwiegend der unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewer-bebetrieben dienen, ist das Industriegebiet der standort für solche Betriebe, die wegen ihres hohen störgrades in ande-ren Gebieten unzulässig sind .9

C. Das Regelungskonzept der GIRL

Die GIRL trägt diesen gebietsspezifischen Besonderheiten mit ihrem Immissionswertekonzept keine Rechnung . Durch die Differenzierung zwischen lediglich zwei Ge-bietsarten und die Gleichschaltung verschiedener Gebiete mit unterschiedlichen schutzwürdigkeiten zwingt sie zu Nivellierungen der gebietsspezifischen Besonderheiten und führt zu ergebnissen, die den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht mehr gerecht werden .10 um den er-heblichkeitsbegriff des § 3 abs . 1 BImschG zutreffend zu konkretisieren, müsste die GIRL zwischen jedem einzel-nen der in spalte 1 und 2 genannten Gebiete differenzieren und jeweils einen eigenen Immissionsrichtwert ausweisen . hinsichtlich der Gebietskategorie „Wohngebiet“ der spal-te 1 wäre zudem eine untergliederung entsprechend den Vorgaben der Baunutzungsverordnung erforderlich . Dem-gegenüber erscheint das gegenwärtige Bewertungsraster der Nr . 3 .1 tabelle 1 GIRL als zu grob, um nicht zu sagen willkürlich, um ein gebietsadäquates Immissionsniveau für die in tabelle 1 genannten Gebiete zu gewährleisten und

Lang, Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie

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2) ausführlich zur GIRL: Lang, Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen – Dargestellt am Beispiel von Geruchsimmissionen aus der schweinehaltung, Berlin 2007 .

3) Steinheider/Winneke, Materialienband zur Geruchsimmissions-richtlinie in NRW – psychophysiologische und epidemiolo-gische Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Ge-ruchsimmissionen, durchgeführt im auftrag des Ministers für umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nord-rhein-Westfalen, Düsseldorf 1992, s . 2 .

4) Koch in: GK-BImschG, Düsseldorf 2005, § 3 Rdnr . 59 . 5) BVerwG, Beschl . v . 27 . 1 . 1994 – 4 B 16 /94, NVwz-RR 1995,

6; OVG Bautzen, Beschl . v . 15 . 7 . 1998 – 1 s 257 /98, sächsVBl . 1998, 292 /293; Bender/Sparwasser/Engel, umweltrecht, 4 . aufl ., heidelberg 2000, Kap . 8, Rdnr . 102; Jarass, BImschG, 6 . aufl ., München 2005, § 3 Rdnr . 55; Ketteler/Kippels, umweltrecht, Köln 1988, 217 .

6) Bielenberg in: ernst /zinkahn /Bielenberg, BauGB Bd . V, Mün-chen 2007, § 3 BauNVO Rdnr . 3; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10 . aufl ., stuttgart 2002, § 3 Rdnr . 4 .

7) Koch (fn . 3), § 3 Rdnr . 130 .8) Koch (fn . 3), § 3 Rdnr . 130 .9) Ficker/Fieseler, BauNVO, (fn . 6) § 9 Rn . 1 . 10) VG Oldenburg, Beschl . v . 17 . 5 . 2004 – 5 B 3381 /03, JuRIs;

Moench/Hamann,Geruchsbelästigungen und Immissionsschutz-recht, DVBl . 2004, 201 /206; a . a . Hansmann, Rechtsprobleme bei der Bewertung von Geruchsimmissionen, NVwz 1999, 1158 /1161 .

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ist damit nicht geeignet, die erheblichkeitsgrenze des § 3 abs . 1 BImschG gesetzeskonform abzustecken .11

D. Die Zuordnung der „sonstigen Gebiete“, Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL

Dass das Bewertungsraster der GIRL zu grob ist, wird auch deutlich, wenn es um die Beurteilung derjenigen Gebiete geht, für die die GIRL keine eigenen Immissi-onswerte festgesetzt hat . Betroffen hiervon sind: das Dorf-gebiet (§ 5 BauNVO), das Kerngebiet (§ 7 BauNVO), die sondergebiete nach §§ 10,11 BauNVO sowie diejenigen Gebiete gemäß § 34 BauGB, deren eigenart keinem der Gebiete der Baunutzungsverordnung zuordenbar ist . für diese Gebiete bestimmt die GIRL in ihrer Nr . 3 .1 abs . 2 GIRL lediglich: „sonstige Gebiete, in denen sich per-sonen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entspre-chend den Grundsätzen des planungsrechts den spalten 1 oder 2 zuzuordnen .“ eine weitergehende aussage hierzu enthält die GIRL nicht . Insbesondere lässt sie offen, an-hand welcher Kriterien die zuordnung konkret erfolgen soll . Wie jedoch aus der Gebietseinteilung in tabelle 1 der Nr . 3 .1 GIRL als auch aus dem auslegungshinweis zur Nr . 3 .1, 3 . spiegelstrich zu schließen ist, kommt es der GIRL für zuordnung vor allem auf einen Vergleich der schutzwürdigkeiten und schutzbedürftigkeiten der jewei-ligen Gebiete an . Diese sollen offenbar das maßgebliche zuordnungskriterium bilden .

stellt man demnach auf die schutzwürdigkeit /-bedürf-tigkeit als dem maßgeblichen Vergleichskriterium ab, so ist die Regelung der Nr . 3 .1 abs . 2 GIRL – soweit es sich bei den „sonstigen Gebieten“ um die Gebiete gemäß § 34 abs . 1 BauGB handelt – aus rechtlicher sicht nicht zu bean-standen . In diesen fällen wird es keine andere Möglichkeit als die von der GIRL vorgesehene geben, um das zumut-bare Maß an Immissionen zu bestimmen . eine ganz ähn-liche Regelung findet sich in der Nr . 6 .9 ta Lärm 1998, in der es heißt: „(…) Gebiete (…), für die keine festsetzungen bestehen, sind nach Nr . 6 .1 entsprechend der schutzbe-dürftigkeit zu beurteilen“ .

Bedenken gegen die Regelung ergeben sich allerdings, soweit es sich bei den „sonstigen Gebieten“ um die üb-rigen, von der GIRL nicht berücksichtigten Gebiete der Baunutzungsverordnung handelt . Damit diese Gebiete entsprechend den Grundsätzen des planungsrechts einan-der zugeordnet werden können, müssten sie dasselbe oder zumindest ein vergleichbares schutzniveau wie die in ta-belle 1 aufgeführten Gebiete aufweisen . Wie die einzel-nen Gebietsbeschreibungen der Baunutzungsverordnung jedoch deutlich machen, ist dies gerade nicht der fall . Vielmehr ist mit jeder Gebietskategorie der Baunutzungs-verordnung ein unterschiedlich hohes Maß an Immissi-onsschutz verbunden . eine zuordnung dieser Gebiete ent-sprechend den Grundsätzen des planungsrechts ist somit im ergebnis nicht möglich .

Besonders deutlich wird dies, wenn man zum Beispiel versucht, das Dorfgebiet, welches in der Genehmigungs-praxis eine große Rolle spielt, entsprechend den Grundsät-zen des planungsrechts zuzuordnen . so ist eine zuordnung zu den Gebieten der spalte 1 nicht möglich, weil nach den Gebietsbeschreibungen der Baunutzungsverordnung die Wohnnutzung im Dorfgebiet ein deutlich höheres Maß an landwirtschaftstypischen Immissionen hinzunehmen hat, als etwa in Wohn- /Mischgebieten .12 so entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Gerüche von ställen, Dungstätten sowie die üblichen tiergerüche zum Nut-zungsbild des Dorfgebiets dazugehören und als typische baunutzungsrechtliche Begleiterscheinung innerhalb ge-wisser toleranzgrenzen keine erhebliche Belästigung dar-stellen .13 eine zuordnung zur spalte 2 scheidet ebenfalls aus, weil im Dorfgebiet anders als in den Gewerbe- und Industriegebieten Wohnnutzung generell zulässig ist und

Dorfgebiete damit ein deutlich höheres schutzniveau nach der Baunutzungsverordnung aufweisen, als die Gebiete der spalte 2 .

Was das Dorfgebiet anlangt, so bewegt es sich also zwi-schen den Gebieten der spalten 1 und 2, so dass eine ein-deutige zuordnung unter Wahrung seiner gebietsspezi-fischen Besonderheiten entsprechend den Grundsätzen des planungsrechts nicht möglich ist . um den erheblichkeits-begriff für diese Gebietskategorie zutreffend zu konkreti-sieren, müsste ein eigener Wert ausgewiesen werden . Dies gilt im ergebnis auch für die übrigen Gebiete der Bau-nutzungsverordnung . Das derzeit gültige Regelungskon-zept der NR . 3 .1 abs . 2 GIRL reicht demgegenüber nicht aus, um den erheblichkeitsbegriff auch für diese Gebiete gesetzeskonform zu konkretisieren . Das Regelungskonzept der Nr . 3 .1 abs . 2 GIRL erweist sich somit als nur bedingt brauchbar und findet seine Grenzen dort, wo nach der Bau-nutzungsverordnung vordefinierte Gebietstypen existieren und diese einander zugeordnet werden sollen .

E. Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL

Was die zuordnung der Dorfgebiete anlangt, enthält schließlich der auslegungshinweis zur Nr . 3 .1 GIRL noch eine interessante Vorgabe . Darin heißt es: „(…) Dominie-ren in einem Dorfgebiet die landwirtschaftlichen Betriebe, so kommt eine zuordnung zum Gewerbe- /Industriegebiet (IW = 0,15) in Betracht . entwickelt sich ein Dorf zum Wohngebiet und enthält nur noch wenige landwirtschaft-liche Betriebe, so ist eine zuordnung zum Wohn- /Misch-gebiet (IW = 0,10) möglich“ .

hinsichtlich des zumutbaren Maßes an Geruchsimmis-sionen im Dorfgebiet soll sich der Regelanwender also an den tatsächlichen Verhältnissen bzw . der tatsächlichen ent-wicklung orientieren und der Landwirtschaft nur dann eine gewisse Vorrangstellung einräumen, wenn die hofstellen das Ortsbild „dominieren“ . Ob diese angedachte Vorge-hensweise allerdings aus rechtlicher sicht sachgerecht ist, insbesondere mit den Vorgaben des § 5 BauNVO vereinbar ist, erscheint mehr als fraglich .

Gemäß § 5 abs . 1 BauNVO zeichnen sich Dorfgebiete dadurch aus, dass sie sowohl der unterbringung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen als auch der unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebe-trieben dienen, wobei auf die Belange der Land- und forst-wirtschaft einschließlich ihrer entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist . für die Qualifizierung eines Gebiets als Dorfgebiet kommt es also entsprechend dieser Legaldefinition auf ein bestimmtes prozentuales Mi-schungsverhältnis der drei hauptnutzungsarten nicht an .14 Ob das Nutzungsbild von landwirtschaftlichen hofstellen dominiert wird oder ob diese in der Minderzahl sind spielt für § 5 abs . 1 BauNVO keine Rolle .15 aufgrund der Rege-lung in § 5 abs . 1 satz 2 BauNVO ist vielmehr auch dann auf die Belange der Landwirtschaft vorrangig Rücksicht zu nehmen und damit der schutz des Wohnens gegenüber landwirtschaftlichen Immissionen deutlich geringer ausge-staltet als in sonstigen Gebieten mit Wohnnutzung, wenn sich das Dorfgebiet immer mehr zum ländlichen siedlungs-

Lang, Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie

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11) Im ergebnis ebenso: VG Oldenburg, Beschl . v . 17 . 5 . 2004 – 5 B 3381 /03, JuRIs; Moench/Hamann (fn . 10) DVBl . 2004, 201 /206; a . a . Hansmann(fn . 10) NVwz 1999, 1158 /1161 .

12) Bielenberg in: ernst /zinkahn /Bielenberg, (fn . 6), § 5 Rdnr . 9e; Fickert/Fieseler, BauNVO (fn . 6), § 5 Rdnr . 4 .

13) BGh, urt . v . 21 . 6 . 2001 – III zR 313 /99, upR 2001, 438 /438 f .; VGh München, urt . v . 31 . 10 . 1989 – 20 B 85 a .2535, NVwz-RR 1990, 529 /530; VGh München, urt . v . 26 . 2 . 1993 – 2 B 90 .921, BayVBl . 1994, 78 /79 .

14) Bielenberg in: ernst /zinkahn /Bielenberg, (fn . 6), § 5 Rdnr . 8; Fickert/Fieseler, BauNVO (fn . 6), § 5 Rdnr . 1 .3 .

15) Bielenberg in: ernst /zinkahn /Bielenberg, (fn . 6), § 5 Rdnr . 8 .

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gebiet entwickelt .16 Der Verordnungsgeber wollte auf diese Weise sicherstellen, dass das Dorfgebiet auch dann standort für landwirtschaftliche Betriebe sein kann, wenn vermehrt Wohnnutzung entsteht, die keiner Wirtschaftsstelle zuge-ordnet werden kann und sich das Dorfgebiet immer wei-ter Richtung Wohn- /Mischgebiet entwickelt .17 Mit dieser zielsetzung ist eine hochstufung der Wohnqualität im falle abnehmender landwirtschaftlicher Nutzung entsprechend dem auslegungshinweis demgegenüber nicht vereinbar .

soweit sich der auslegungshinweis zur GIRL also im falle des ausdünnens landwirtschaftlicher Betriebe hin-sichtlich des zulässigen störgrades vorrangig an der Wohn-nutzung orientiert und das schutzniveau dementsprechend anheben will, ist diese Vorgehensweise mit der Wertung des § 5 abs . 1 BauNVO nicht vereinbar . Mittel- und lang-fristig würde dies dazu führen, dass das Dorfgebiet nicht mehr standort für landwirtschaftliche Betriebe sein kann . Die landwirtschaftlichen Betriebe würden vermehrt in den außenbereich (§ 35 BauGB) abgedrängt, wodurch nicht nur die dörfliche siedlungsstruktur zerstört werden würde, sondern es auch zu einer vermehrten zersiedelung der freien Landschaft käme .18 umgekehrt wäre auch eine landschaftsschonende Verdichtung der Wohnbebauung im Dorfgebiet nur noch ausnahmsweise möglich .19

F. Die Gemengelage

Nicht geklärt wird von der GIRL schließlich auch die fra-ge, wie zu verfahren ist, wenn Gebiete unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher schutzwürdigkeit zusam-mentreffen .

Nach ständiger Rechtsprechung ist in derartigen Ge-mengelagen die Grundstücksnutzung mit einer spezi-fischen pflicht zur Rücksichtnahme belastet .20 Während die Wohnbebauung Immissionen auch oberhalb der ein-schlägigen Immissionswerte hinzunehmen hat, muss sich die emissionsträchtige Nutzung stärkere einschränkungen gefallen lassen, als in einem dafür ausgewiesenen Gebiet .21 Nach auffassung der Rechtsprechung ist in Gemengelagen dabei „ein Wert zuzumuten, der zwischen den Richtwerten liegt, welche für die benachbarten Gebiete unterschied-licher Nutzung und unterschiedlicher schutzwürdigkeit bei jeweils isolierter Betrachtung gegeben“ sind .22 Damit soll zum „ausdruck gebracht werden, dass als konkretes ergebnis der gegenseitigen Rücksichtnahme sich weder der eine noch der andere Richtwert durchzusetzen ver-mag“ .23 In welchem umfang eine abweichung von den Immissionswerten zulässig ist, ist bislang allerdings noch nicht geklärt . Die Rechtsprechung verlangt eine Bewer-tung unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit sowie der umstände des einzelfalles; eine schematische Mittelwert-bildung im sinne einer mathematischen Interpolation lehnt sie ab .24 Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28 . 9 . 1993 gilt diese Rechtsprechung, die ursprünglich für den Bereich der Lärmimmissionen entwickelt wurde, nun auch für Geruchsimmissionen .25

In der GIRL wird diese Gemengelagenproblematik nicht behandelt . zwar wird an verschiedenen stellen da-rauf hingewiesen, dass ein überschreiten der Immissi-onswerte möglich ist .26 auch wird im auslegungshinweis zur Nr . 3 .1 GIRL hinsichtlich des Dorfgebiets bestimmt, dass in begründeten einzelfällen an die Möglichkeit der festlegung von zwischenwerten zu denken ist . Letztlich handelt es sich dabei aber nur um die umschreibung des Richtwertcharakters der in der GIRL festgelegten Immis-sionswerte . um eine Gemengelagenregelung, die den an-forderungen der Rechtsprechung gerecht wird, handelt es sich dabei nicht . Dies gilt auch für die Vorgaben im ausle-gungshinweis die Nr . 5 GIRL betreffend . Darin heißt es: „um eine Bewertung einer Gemengelage vorzunehmen, sind die Geruchsstunden für nicht angenehme und ange-nehme Gerüche getrennt zu erheben (Rasterbegehung)

oder zu berechnen (Immissionsprognose) . Die häufigkeit der angenehmen Gerüche ist für jede Beurteilungsfläche mit dem faktor 0,5 zu multiplizieren und anschließend zur ermittlung der Kenngröße für die Gesamtbelastung mit der häufigkeit der nicht angenehmen Gerüche zu addieren“ .27 Diese Vorschrift präzisiert jedoch nur die handhabung der Methodik zur hedonischen Klassifikation von anlagenge-rüchen im falle des aufeinandertreffens von Gebieten mit unterschiedlichen Geruchsqualitäten . Welche Kriterien im einzelnen für die Bestimmung der zumutbarkeit von Ge-rüchen in einer Gemengelage von Bedeutung sind und in welchem ausmaß von den Immissionswerten der GIRL abgewichen werden kann, sagt auch sie nicht .

G. Fazit

Das von der GIRL in der ziffer 3 .1 aufgestellte Bewer-tungsraster ist zu grob, als dass es den erheblichkeitsbegriff des § 3 abs . 1 BImschG zutreffend konkretisieren könnte . Die festsetzung von lediglich zwei Immissionswerten für vier Gebiete unterschiedlicher art und Nutzung reicht bei weitem nicht aus, um ein gebietsadäquates Immissionsni-veau zu gewährleisten . erforderlich wäre vielmehr eine ge-bietsspezifische Differenzierung anhand der Vorgaben der Baunutzungsverordnung und eine separate festsetzung von Immissionswerten, die den Besonderheiten dieser Gebiete auch tatsächlich Rechnung trägt . hinsichtlich der höhe der zumutbaren Geruchsimmissionen sind dabei die Vor-gaben der Rechtsprechung zu beachten, die zum teil deut-lich über die 15 % -Grenze der spalte 2 hinausgehen . so hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Beschluss aus dem Jahr 2002 entschieden, dass Wahrnehmungshäu-figkeiten von über 20 % aus Rinderställen in Dorfgebieten keine erhebliche Geruchsbelästigung darstellen .28 für den fall des Nebeneinanders landwirtschaftlicher Betriebe im unbeplanten Innenbereich hat das Oberverwaltungsgericht Münster sogar Wahrnehmungshäufigkeit von mehr 50 % als zulässig erachtet .29 In anbetracht dieser Rechtsprechung wird deutlich, dass nicht nur die Gebietsdifferenzierung einer überarbeitung bedarf, sonder auch die höhe der Immissionswerte überdacht werden muss . Das derzeitige Regelungskonzept jedenfalls zwingt zur Nivellierung der gebietsspezifischen Besonderheiten und führt zu ergebnis-sen, die den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht mehr gerecht werden .

Lang, Gebietsdifferenzierung der Geruchsimmissions-Richtlinie

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16) Fickert/Fieseler, BauNVO, (fn . 6) § 5 Rdnr . 3 .41 .17) Bielenberg in: ernst /zinkahn /Bielenberg, (fn . 6), § 5 Rdnr . 8;

Fickert/Fieseler, BauNVO (fn . 6), § 5 Rdnr . 4 . 18) VGh München, Beschl . v . 25 . 1 . 1991 – 14 cs 90 .3271, BayVBl .

1991, 694 /695 . 19) VGh München, Beschl . v . 25 . 1 . 1991 – 14 cs 90 .3271, BayVBl .

1991, 694 /695 . 20) BVerwG, urt . v . 12 . 12 . 1975 – IV c 71 .73, BVerwGe 50, 49 /54;

BVerwG, Beschl . v . 28 . 9 . 1993 – 4 B 151 /93, NVwz-RR 1994, 139 .

21) Dürr/König, Baurecht, 4 . aufl ., Baden-Baden 2000, Rdnr . 180 . 22) BVerwG, Beschl . v . 28 . 9 . 1993 – 4 B 151 /93, NVwz-RR 1994,

139 .23) BVerwG, Beschl . v . 28 . 9 . 1993 – 4 B 151 /93, NVwz-RR 1994,

139 .24) BVerwG, Beschl . v . 28 . 9 . 1993 – 4 B 151 /93, NVwz-RR 1994,

139 /140 .25) BVerwG, Beschl . v . 28 . 9 . 1993 – 4 B 151 /93, NVwz-RR 1994,

139 /140 .26) Vgl . Nr . 3 .1 abs . 4 i . V . m . Nr . 5 abs . 1 s . 1 lit b), 2 . spiegelstrich

GIRL . 27) Begründung und auslegungshinweis zur Nr . 5 GIRL (fn . 1),

43 .28) OVG Münster, Beschl . v . 3 . 11 . 2000 – 7 B 1533 /00, JuRIs . 29) OVG Münster, Beschl . v . 18 . 3 . 2002 – 7 B 315 /02, NVwz 2002,

1390 /1391 .

18 Natur und Recht (2008) 29: 15–18