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Managed Care 1 2007 FORSCHUNGS- PRIORITÄTEN FÜR MANAGED CARE 25 «Die Vorteile von Managed Care müssen mit Fakten belegt sein» Erika Forster-Vanini, Ständerätin FDP St. Gallen und Präsidentin Kommission für soziale Sicherheit und Gesund- heit (SGK-SR), erläutert, welche For- schungsthemen bei Managed Care für die Politik prioritär sind. Managed Care: Die Vorlage Managed Care wird aktuell in Ihrer Kommission diskutiert. An welchen Forschungsergebnissen aus die- sem Bereich sind Sie besonders interessiert? Erika Forster-Vanini: Ich hätte gerne kon- krete Ergebnisse darüber, was die einzelnen MC-Modelle wie Gate Keeping, HMO, klei- nere und erweiterte Netze an Qualitätsver- besserung bringen. Wichtig wäre auch zu wissen, ob bei gleichen Kosten eine bessere Qualität erzielt werden kann. Neben der Qualität interessiert mich die Effizienz. Man liest ja immer wieder, dass mit MC-Model- len Einsparungen möglich sind. Aber wie kommen diese Einsparungen zustande? Ist es tatsächlich so, dass allein durch Vermei- dung von Doppelspurigkeiten die Effizienz gesteigert werden kann? Ich staune immer wieder, wie enorm wichtig es den Leuten ist, ihren Arzt selbst aussu- chen zu können. Deshalb sollten vermehrt die Patientenbedürfnisse untersucht und die MC-Modelle allenfalls erweitert werden. Wenn jemand unbedingt freie Arztwahl ha- ben möchte, dann sollte dies möglich sein, allerdings mit einem höheren Selbstbehalt. Wäre dies vielleicht eine Lösung, um mehr Versicherte für MC-Modelle zu gewinnen? Umgekehrt könnte man aber auch fragen, weshalb bisher relativ wenige Leute in diese Modelle eingestiegen sind. Zum Thema Qualität wäre es aufschlussreich zu erfahren, wo die Umsetzung der Motion von Nationalrätin Bea Heim steht, in der es um Qualitätssicherung und Patientensicher- heit geht. Mit einer parlamentarischen Initiative, ein- gereicht im Mai 2004, verlangte Frau Natio- nalrätin Bea Heim, dass dem Bund die Ver- antwortung für die Qualitätssicherheit und Patientensicherheit zu übertragen sei. Dies im Rahmen einer nationalen Plattform ge- meinsam mit den Kantonen, Leistungs- erbringern, Krankenversicherungen und Pa- tientenorganisationen. Im November 2004 hat Nationalrätin Heim die Initiative zurückgezogen, nachdem die zuständige Kommission beschlossen hatte, eine Kom- missionsinitiative einzureichen. Der Natio- nalrat stimmte der Motion im März 2005 zu, der Ständerat mit einer Änderung im Juni 2005. Damit wird der Bundesrat beauftragt, Qualitätssicherung und Patientensicherheit in der medizinischen Behandlung zu steu- ern, zu regeln und zu koordinieren. Der Na- tionalrat hat dieser Änderung im März 2006 zugestimmt. Der Bundesrat ist somit beauf- tragt, im Sinne der Motion zu handeln. Höhere Kosteneinsparungen durch MC wer- den erst möglich sein, wenn sich mehr Versi- cherte diesen Modellen anschliessen, und dies geschieht nur, wenn gezeigt werden kann, dass MC ebenbürtige oder bessere Qualität bedeu- tet. Was kann oder wird das Parlament dazu beitragen, um diese Entwicklung zu fördern? Zur Qualität kann das Parlament eigentlich nichts beitragen, da die Qualität in erster Li- nie von den Leistungserbringern abhängt. Erika Forster-Vanini

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Managed Care 1 2007

FORSCHUNGS-PRIORITÄTEN FÜRMANAGED CARE

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«Die Vorteile vonManaged Care müssen mitFakten belegt sein»

Erika Forster-Vanini, Ständerätin FDPSt. Gallen und Präsidentin Kommissionfür soziale Sicherheit und Gesund-heit (SGK-SR), erläutert, welche For-schungsthemen bei Managed Care fürdie Politik prioritär sind.

Managed Care: Die Vorlage Managed Carewird aktuell in Ihrer Kommission diskutiert.An welchen Forschungsergebnissen aus die-sem Bereich sind Sie besonders interessiert? Erika Forster-Vanini: Ich hätte gerne kon-krete Ergebnisse darüber, was die einzelnenMC-Modelle wie Gate Keeping, HMO, klei-nere und erweiterte Netze an Qualitätsver-besserung bringen. Wichtig wäre auch zuwissen, ob bei gleichen Kosten eine bessereQualität erzielt werden kann. Neben derQualität interessiert mich die Effizienz. Manliest ja immer wieder, dass mit MC-Model-len Einsparungen möglich sind. Aber wiekommen diese Einsparungen zustande? Istes tatsächlich so, dass allein durch Vermei-dung von Doppelspurigkeiten die Effizienzgesteigert werden kann? Ich staune immer wieder, wie enorm wichtiges den Leuten ist, ihren Arzt selbst aussu-chen zu können. Deshalb sollten vermehrtdie Patientenbedürfnisse untersucht und dieMC-Modelle allenfalls erweitert werden.Wenn jemand unbedingt freie Arztwahl ha-ben möchte, dann sollte dies möglich sein,allerdings mit einem höheren Selbstbehalt.Wäre dies vielleicht eine Lösung, um mehrVersicherte für MC-Modelle zu gewinnen?Umgekehrt könnte man aber auch fragen,weshalb bisher relativ wenige Leute in dieseModelle eingestiegen sind.

Zum Thema Qualität wäre es aufschlussreichzu erfahren, wo die Umsetzung der Motionvon Nationalrätin Bea Heim steht, in der esum Qualitätssicherung und Patientensicher-heit geht. Mit einer parlamentarischen Initiative, ein-gereicht im Mai 2004, verlangte Frau Natio-nalrätin Bea Heim, dass dem Bund die Ver-antwortung für die Qualitätssicherheit undPatientensicherheit zu übertragen sei. Diesim Rahmen einer nationalen Plattform ge-meinsam mit den Kantonen, Leistungs-erbringern, Krankenversicherungen und Pa-tientenorganisationen. Im November 2004hat Nationalrätin Heim die Initiativezurückgezogen, nachdem die zuständigeKommission beschlossen hatte, eine Kom-missionsinitiative einzureichen. Der Natio-nalrat stimmte der Motion im März 2005 zu,der Ständerat mit einer Änderung im Juni2005. Damit wird der Bundesrat beauftragt,Qualitätssicherung und Patientensicherheitin der medizinischen Behandlung zu steu-ern, zu regeln und zu koordinieren. Der Na-tionalrat hat dieser Änderung im März 2006zugestimmt. Der Bundesrat ist somit beauf-tragt, im Sinne der Motion zu handeln.

Höhere Kosteneinsparungen durch MC wer-den erst möglich sein, wenn sich mehr Versi-cherte diesen Modellen anschliessen, und diesgeschieht nur, wenn gezeigt werden kann, dassMC ebenbürtige oder bessere Qualität bedeu-tet. Was kann oder wird das Parlament dazubeitragen, um diese Entwicklung zu fördern?Zur Qualität kann das Parlament eigentlichnichts beitragen, da die Qualität in erster Li-nie von den Leistungserbringern abhängt.

Erika Forster-Vanini

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Das Parlament kann aber die Entwicklungvon MC insofern fördern, als es für Versi-cherer und Versicherte die richtigen Anreizesetzt. Erlauben Sie mir dazu eine generelleBemerkung: In zahlreichen Gesprächen istmir aufgefallen, dass viele Leute gar nichtwissen, was MC ist. Offenbar können sie mitdiesem englischen Begriff nichts anfangen.In Diskussionen muss ich jeweils erst er-klären, dass es sich um gesteuerte Behand-lung handelt, und mit Beispielen erläutern,worum es eigentlich geht. Erst dann verste-hen es die Leute. Mir scheint, der richtigeBegriff ist noch nicht gefunden.

Sollen Forschungsinitiativen bei MC nur vonden Leistungserbringern beziehungsweiseden Versicherern ausgehen oder sind dazuForderungen, Vorschläge oder Anreize vonBundesseite vorgesehen?In erster Linie müssen diese beiden Instan-zen daran arbeiten. Denn es ist in ihrem In-teresse zu erfahren, ob ihre Angebote etwasbringen oder ob sie allenfalls ergänzt werdenmüssen. Wo der Bund eingreifen sollte, istbei der Qualitätssicherung, denn Qualitätmuss gegeben sein. Das ist auch in der MC-Vorlage festgehalten. Die Entwicklung derQualität muss in unabhängigen Untersu-chungen dokumentiert sein und in regel-mässigen Abständen vom Bund überprüftwerden. Hat der Bund den Eindruck, erbenötige mehr Informationen zur Qualitätund es fehle an entsprechenden Untersu-chungen, muss er einen Anstoss geben undallenfalls einen Forschungsauftrag erteilen. Ich komme immer wieder auf die Qualitätzurück, denn ich höre häufig von Leuten,die sagen, MC sei eine Art Billigmodell, wasso nicht stimmt. Deshalb ist es wichtig, auf-zuzeigen, welche Qualität MC-Modelle bie-ten.

Welche Rolle spielen die Kosten in dieser Dis-kussion?Gerade wenn Ärztenetze effizient sind undQualität zu weniger Kosten bieten, solltendie Leistungserbringer wie auch die Patien-ten etwas davon haben. Aber das ist nichtmöglich, solange der Risikoausgleich nichtstimmt. Es braucht einen verfeinerten Risi-koausgleich, auch für die Netze. Ich hoffesehr, dass dieser Antrag im Parlament durch-

kommt. Mit einem verfeinerten Risikoaus-gleich lässt sich zudem eine Risikoselektionvermeiden, weil dann Krankenkassen mitvielen älteren und chronisch kranken Perso-nen einen Ausgleich von den anderen Kas-sen erhalten. Auch für die Netze sollten An-reize geschaffen werden. Wenn sie qualitativgut und effizient arbeiten, sollen sie auch fi-nanziell belohnt werden.

Wer soll Forschung im Bereich Managed Carefinanzieren?Zur Hauptsache die Versicherer, weil sieeinen direkten Nutzen haben, wenn sie an-hand von Forschungsergebnissen sehen, wel-che MC-Modelle für sie und ihre Versicher-ten vorteilhaft sind. Sie sind ja auch daraninteressiert, dass die Managed-Care-Angebo-te den Erwartungen der Versicherten ent-sprechen. Um vermehrt Leute für MC-Mo-delle zu gewinnen, müssen die Versichereranhand von Fakten belegen können, welchesdie Vorteile sind.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wasdenken Sie, wo steht Managed Care in siebenJahren?Wir werden bestimmt ein gutes Stück weitersein, vorausgesetzt, es gelingt, den Risiko-ausgleich anzupassen und damit das Interes-se aller Beteiligten deutlich zu erhöhen. Dasgilt für die Leistungserbringer, aber vor al-lem für die Versicherer, welche diese Leis-tungspakete anbieten müssen. Und nicht zu-letzt braucht es Versicherte, die gut über Ma-naged Care informiert sind. Sobald dieseüberzeugt sind, dass die Qualität in diesenModellen gleichwertig oder sogar besser ist,und wenn vielleicht sogar die Kostenbeteili-gung verringert werden kann, ist für MC vielgewonnen. Da ich persönlich von diesenModellen überzeugt bin, finde ich, es solltenmöglichst viele, längerfristig sogar alle Versi-cherten in einem solchen Modell sein. Aberwenn es in sieben Jahren 20 oder 25 Prozentder Versicherten sind, bin ich schon sehr zu-frieden.

Interview:Karin DiodàRedaktion Managed Care