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ROMANIK Baukunst und Bildkultur im Hochmittelalter 1020–1250 Herausgegeben von Rolf Toman Fotografien von Achim Bednorz Text von Uwe Geese Produziert von Thomas Paffen Die Welt der

Die Welt der Romanik - Ullmannmedien · stimmt, dass sich die Architektur des 11. und 12. Jahr-hunderts vielfach an der Kunst der römischen Antike ori-entierte. So etwa folgte die

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ROMANIKBaukunst und Bildkultur im Hochmittelalter1020–1250

Herausgegeben von Rolf TomanFotografien von Achim Bednorz

Text von Uwe GeeseProduziert von Thomas Paffen

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Saint-Gilles, ehem. Abteikirche Saint-Gilles,Detail der Westfassade: nördliches Gewändedes Mittelportals, Zwischenwand und nördli-ches Portal; Gewände: Johannes und Petrusüber Löwen; im Fries darüber: Christus sagtPetrus seine dreifache Verleug nung voraus,Fußwaschung

Die Rede vom »finsteren Mittelalter«, die die Humanis-ten der Renaissance einst aufgebracht hatten, ist, nach-dem sie in ihrer klischeehaften Hartnäckigkeit lange ge-führt wurde, längst überholt. In der Begründung für ihrnegatives Urteil blickten sie aus der Höhe ihrer eigenenZeit, die angetreten war, die Hochkultur der Antike wie-derzubeleben, auf ein mittleres Zeitalter zurück, in demdurch die Abkehr von der antiken Vergangenheit ein kul-tureller Niedergang erfolgt sei. Die noch heute gängigeBezeichnung Mittelalter indes geht auf den HallenserProfessor für »Beredsamkeit und Geschichte«, ChristophCellarius (1638–1707), zurück, der den Begriff in seiner1688 veröffentlichen »Historia medii aevi« enzyklopä-disch etablierte. Seine zeitliche Einordnung reichte vomTod Kaiser Konstantins im Jahr 337 bis zur EroberungKonstantinopels durch die Türken 1453. Heute ist manvon derart starren Zeitgrenzen abgekommen und siedeltdas Mittelalter eher zwischen Zeitzonen an, be ginnendim 4.–6. Jahrhundert und endend im 15. Jahrhundert,

Zwischen Tradition und UmbruchDas romanische Hochmittelalter

wobei sich innerhalb dieser rund tausendjährigen Ge-schichte des Abendlandes große regionale und geistesge-schichtliche Unterschiede zeigen.

Das Mittelalter sah sich selbst in einem eschatologi-schen Sinne als mittleres Zeitalter innerhalb der göttli-chen Heilsgeschichte. So unterschied der kalabresischeAbt Joachim von Fiore (um 1130/35–1202) die Weltge-schichte nach dem Plan Gottes in drei Zeitalter, wobeidas erste, das Zeitalter des Vaters, mit der Menschwer-dung Gottes geendet habe. Die media aevi, das mittlereZeitalter, in dem man sich befinde, reiche bis zur Wieder-kehr Christi am Jüngsten Tag. Ihm folge schließlich dasdritte Zeitalter, das des Heiligen Geistes. Das neuzeitlicheMittelalterbild verzichtet freilich auf diese heilsge-schichtliche Sicht, ist aber in sich gespalten, was sich bisin die Mediävistik der Gegenwart tradiert. Dabei konkur-rieren zwei unterschiedliche Ansätze, die sich als Alteri-tät und Kontinuität bezeichnet finden. Der Standpunktder Alterität ist im Wesentlichen von der Haltung derHumanisten bestimmt und geht von einer generellen Zä-sur zwischen Mittelalter und Neuzeit aus. Demgegenübersieht die von der Romantik beeinflusste Position derKon tinuität im Mittelalter einen Ausgangspunkt für dasErscheinungsbild der neuzeitlichen Welt. Die Mediävis-tik der Gegenwart ist bemüht, diese Polarität aufzulösen,indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die Komplexität his-torischer Abläufe richtet und dabei die Problematik epo-chaler Periodisierungen zunehmend in den Blick rückt.

Dennoch bleiben bei Büchern, die mit einem einge-übten Verständnis ihres Publikums rechnen, Periodisie-rungen notwendig, da sie die Vergangenheit mit einerzur Verfügung stehenden Gliederung versehen, in derenRahmen sie sich beschreiben lässt. So entspricht der Pha-se des Mittelalters, die von der Geschichtswissenschaftallgemein als Hochmittelalter bezeichnet wird und imKern die Herrschaftszeit der Salier umfasst, in der Kunst-geschichte in etwa die Epoche der Romanik. Eine im 11.Jahrhundert unvermittelt einsetzende und den ganzenKontinent überziehende Bautätigkeit und Bildproduk -tion wurde ökonomisch getragen von einem rasantenwirt schaftlichen Aufschwung, der sich unterschiedli-chen Faktoren verdankte. Ausgehend von Nordspanienund Südfrankreich entfaltete sich ein architektonischund bildkünstlerisch einheitlicher Stil, in dem sich erst-mals in der nachantiken Kunstgeschichte eine Epochemanifestierte, die um 1820 in Frankreich in einem zu-

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nächst pejorativen Sinn als roman bezeichnet wurde.Unter dem Einfluss der Romantik wandelte sich der Be-griff »romanisch« zu einem Terminus der Kunstgeschich-te. Diese Bezeichnung war von der Beobachtung be-stimmt, dass sich die Architektur des 11. und 12. Jahr-hunderts vielfach an der Kunst der römischen Antike ori-entierte. So etwa folgte die Fassadengestaltung der pro-venzalischen Abteikirchen in Arles oder Saint-Gilles-du-

Kunstzentren und Orte bedeutenderArchitektur in Europa in der Zeit der Romanik.Ein großer Teil Spaniens befand sich nochunter islamischer Herrschaft.

Gard (siehe S. 354–359) unmittelbar antiker Triumphbo-genarchitektur. Mehr noch diente die Form der antikenBasilika den romanischen Kirchen wie schon denen desfrühen Christentums als direkte Vorbilder.

Darüber hinaus entstand in Burgund mit dem Tympa-non ein neues Bildmedium an der Kirchenfassade, das inerster Linie der Darstellung des Weltgerichts an den Kir-chen Südfrankreichs vorbehalten war, und in dem die

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eschatologische Weltorientierung der Zeit zum Ausdruckkam. Begleitet wurden die Tympana von den Kreuzgän-gen, deren Kapitelle mit zahllosen Monstern und Misch-wesen bevölkert waren. Es war eine Herausforderungund ein weites Betätigungsfeld für die Fantasie der Bild-hauer, was bekanntlich den Zorn des Zisterziensers Bern-hard von Clairvaux (1090–1153) hervorgerufen hatte.

Entgegen der Behauptung maßgeblicher Autoren derRenaissance wie Vasari, die antike Kultur sei mit demUntergang des Römischen Reiches vernichtet worden,war diese nie vollständig verschwunden. Das Mittelaltersah in der Antike eine fremde Welt, die als heidnischeVergangenheit verstanden wurde, die aber auf unter-schiedliche Weise in die mittelalterliche Gegenwart hi-neinragte. Man stand der Antike so unmittelbar gegen-über, dass man sie nicht nur ablehnen konnte, sondernsie auch in die Gegenwart aufnehmen musste. Das trafvor allem für Italien und Südfrankreich zu, wo das antikeErbe in der Architektur, aber auch in der Skulptur zahllo-ser Sarkophage noch unmittelbar vor Augen stand. DieAntikenrezeption der Romanik blieb aber nicht aufkünstlerische Aspekte beschränkt, sie galt ebenso der Re-präsentation der Herrschaft. So sahen sich vor allem diedeutschen Kaiser in der Tradition der Antike, indem sie

sich als Nachfolger der römischen Kaiser verstanden. Daslässt sich besonders gut am Cappenberger Barbarossa-kopf (siehe S. 142) aus dem 11. Jahrhundert beobachten.Oder antike Göttergestalten fanden, zu christlichen Hei-ligen umgedeutet, Eingang in die mittelalterliche Bild-kunst. Eines der wirkmächtigsten Kultbilder des Mittelal-ters war die Hl. Fides von Conques aus dem 10. Jahrhun-dert (siehe S. 106). Sie bezog ihre Bildmagie aus der gol-denen Gesichtsmaske eines spätantiken Kaiserkopfes, dieihr als Gesicht appliziert wurde.

Die Legende vom anonymen Künstler des Mittelalterskonnte im 19. Jahrhundert, beflügelt durch die Roman-tik, entstehen, da entsprechende Angaben oder Quellenfehlten oder nicht erkannt wurden. Sie ist von der Kunst-geschichte gründlich widerlegt worden. In zahlreichenInschriften haben die Künstler ihre Namen angebracht.Was gerne als Künstlersignatur bezeichnet wird, hatte in-des weder etwas mit dem Künstler noch mit der Signaturim modernen Sinn zu tun. Vielmehr diente sie der memo-ria, dem Wunsch des mittelalterlichen Künstlers, derNachwelt in Erinnerung zu bleiben, damit sie für ihn be-ten möge. Mitunter war die Hervorbringung eines Wer-kes ganz unmittelbar mit der Erwartung der Sündenver-gebung verbunden. So fügte der Mönch Radulf seinem

� Tympanon der Porte Miégeville, vor1118, Marmor, Toulouse, KollegiatskircheSaint-Sernin

� Fußbodenmosaik, von sog. Cosmaten -künstlern gefertigt, 1. Hälfte 12. Jh., Rom,Santi Quattro Coronati

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Glaube undMobilität

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Kreuzzüge, Wallfahrt und Reliquienkult

Die Möglichkeiten mittelalterlicher Mobilität wareneher begrenzt. Die Vorstellungen, die etwa Dorf be -woh ner von dem sie umgebenden Landschaftsraumhatten, waren kleinräumig und auf die Orte und Re -gionen in unmittelbarer Nähe bezogen. In einer Zeit,da es kein normiertes Entfernungsmaß gab und Ent -fernungen in Bewegungszeit – Fußstunden oder Tages -reisen – unterteilt wurden, waren Wallfahrtsorte wieJerusalem, Rom oder Santiago de Compostela abstrak-te Fernziele. Deren Erreichbarkeit ließ sich nur durchdie hohe Motivationskraft des Glaubens realisieren,zumal auf dem Weg zahlreiche Heiligengräber zu be -suchen waren.

Gegenüber der Landbevölkerung hatte die Aristokratieeinen viel weiter reichenden Horizont, und das nichtnur geografisch. So vermischten sich in den Kreuz zü -gen religiöse Gründe mit politischen Aspekten, etwaherrschaftlicher Dominanzansprüche innerhalb desabendländischen Adels. Zudem galt die Befreiung desHeiligen Landes von muslimischer Herrschaft nicht nurdem Ziel, die Zugänglichkeit der christlichen Grün -dungsstätten zu erreichen, sondern auch dem imperia-len Anspruch von Staatsgründungen im vorderenOrient. Die Etablierung des Outremer und der geistli-chen Ritterorden zeugen davon.

Mobilität zog den Austausch von Kunst und Kulturnach sich. Künstlerische Innovationen etwa im Kirchen -bau verbreiteten sich von den Wallfahrtsrouten bis inentlegene Gegenden des Kontinents. Auch war sie ver-bunden mit einem Zugewinn an Selbstwahrnehmungder Menschen und ihrer Umgebung. Insofern konntedie vielfache und unterschiedlich motivierte Mobilitätneue Dimensionen einer differenzierteren Welt orien -tierung vermitteln.

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GLAUBE UND MOBIL ITÄT

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Reisen im Mittelalter

Wer sich im Mittelalter auf Reisen begab, sah sich meistgroßer Mühsal ausgesetzt, denn zu reisen bedeutete inder Regel zu Fuß zu gehen. Hatte man die richtige Jahres-zeit gewählt, was sich auf die Monate zwischen April undOktober konzentrierte, blieb man dennoch den Unbil-den des Wetters ausgesetzt. Waren es nicht Angehörigedes Adels, die von Hof zu Hof ziehen konnten, so bliebden meisten Reisenden nichts weiter, als unter freiemHimmel zu übernachten.

Befestigte Straßen gab es nicht, allenfalls gebahnteWege, und die führten oft durch dunkle Wälder oder un-wegsame Wildnis. Man musste reißende Flüsse überwin-den, tiefe Schluchten durchqueren oder von Geröll oderLawinen verschütteten Wegen folgen. Aus der Naturdrohten nicht nur Unwetter, Hitze oder Kälte, auch wil-de Tiere schreckten die Reisenden.

Wer sich also in einer vorwiegend ortsgebundenenGesellschaft auf Reisen begab, musste gute Gründe ha -ben. Das konnte aus kriminellen oder ideologischen An-lässen Flucht vor Verfolgung sein, das konnte motiviert

sein von der Absicht, in wörtlicher Nachfolge Jesu einLeben in andauernder Pilgerschaft zu führen. Die weit-aus überwiegende Zahl der Reisenden war indes angezo-gen von den Reliquien der Heiligen. Zu Tausenden zogendie Menschen zu deren Gräbern, wo sie sich nicht nurAblass von Sünden, sondern auch Heilung von Krank-heit oder Befreiung aus Notlagen erhofften.

Nach der Jahrtausendwende, als das christlicheAbendland einen deutlichen Aufschwung nahm, verbes-serten sich die Wegeverhältnisse. Fortschreitende Urba-nisierung, überregionaler Handel, der Transport vonBaumaterialien und vielem mehr erforderten eine erhöh-te Mobilität. Daher wurden Mittel, die nun reichlicherflossen, aufgewandt, um Straßen und Brücken zu errich-ten, auf denen sich die Transportmittel fortbewegenkonnten. War man, solange befahrbare Straßen fehlten,auf Packtiere wie Maulesel oder Maultiere angewiesen, sokonnten nun auch Ochsen vor die Karren gespannt wer-den. Ochsen waren die am weitesten verbreiteten Zugtie-re sowohl in der Landwirtschaft als auch im Warenver-kehr des Nahbereichs. Da sie nur langsam gingen undwenig Ausdauer hatten, waren die Kosten für Treiber undFourage auf langen Distanzen zu hoch, denn sie wurden

� Normannische Soldaten in einem Boot,den englischen Kanal überquerend, Miniaturaus »La Vie de Saint Aubin d’Angers«,Französische Schule, 11. Jh., Ms. Lat. 1390,fol.7r, Paris, Bibliothèque Nationale de France

� Christus als Jakobspilger in Emmaus,Relief im Kreuzgang, Mitte 12. Jh., Silos, Klos -ter Santo Domingo

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Mönchtum im Hochmittelalter

Die Motive, ein monastisches Leben zu wählen,waren angeführt von dem eschatologischen Idealdes Mönch tums. Man glaubte, sich der Frage nachder Existenz nach dem Tod und dem ewigen Lebenmit Christus widmen zu können, indem man schonzu Lebzeiten seinem ewigen Reich möglichst nahewar. Als göttliche Berufung wurde es verstanden,wenn man in brüderlicher Gemeinschaft der vitacontemplativa folgte, um sich für die Sündhaftig keitder Men schen in andauernde Buße zu begeben.Da bei bildete das Gebet für das ewige Heil der Le -benden und der Toten den Kern der Bußleistung.Zu den zentralen Aufgaben des Klosters gehörtedas Gotteslob, das nach der mittelalterlichen Ein -teilung des Klostertages zu vollziehen war. Hinzukamen das Stundengebet, die mitternächtlichenVigilien sowie zur Matutin, dem Tagesanbruch, dieLaudes.

Die Klöster hatten im Hochmittelalter einen außer-ordentlichen Zulauf gerade auch von Men schen ausvornehmen und wohlhabenden Schich ten, die aufden Genuss des irdischen Lebens verzichteten undsich asketischer Konzentration hingaben. Die Vor -stellung, dass Bußleistungen Verdienste waren, dieauch stellvertretend für andere geleistet werdenkonnten, hat nicht selten dazu geführt, dass bereitsKinder dem Kloster versprochen wurden, damit siedem Seelenheil der Familie dienen sollten. Ohnedas Mönchtum, das zwischen dem 9. und dem 11.Jahrhundert seine größte Bedeutung und Viel gestal -tigkeit entfaltete, ist das christliche Leben desAbendlandes kaum denkbar.

Ora et Labora

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Baukunst und regionale Besonderheiten romanischer Kirchen

Eine der Hauptaufgaben der romanischen Architekturbestand in der Errichtung steinerner Sakralbauten. DieKirchen dominierten nicht nur optisch die Städte undländlichen Räume, zugleich repräsentierten sie sowohlgeistliche als auch weltliche Herrschaft. Allen gemein-sam war indes die Bestimmung, Heiligengrab und Kir -chengebäude miteinander in Beziehung zu setzen, wasseit der Frühzeit unmittelbare Auswirkungen auf die Ge -stalt der Architektur hatte. Fand die physische Präsenzdes Heiligen durch die Bergung seiner Reli quien im Altarihre Gewähr, so regulierte die Architek tur den Zugangder verschiedenen Gruppierungen zum Heiligtum. Dasfand seinen Ausdruck etwa in den Krypten oder in denChorumgängen der französischen Kloster- und Pilger -kirchen.

Einer grundlegenden Einheit des Baustils stand ein um -fangreiches Formenrepertoire der Architektur zu Verfü -gung, die in den verschiedenen Regionen Euro pas zuunterschiedlichen Ausprägungen kamen und von deneneinige hier vorgestellt werden.

Meist waren es Bischöfe, Domkapitel oder Äbte, die da -rüber entschieden, wie eine Kirche aussehen sollte undwas die Baumeister auszuführen hatten. Dabei standenKonzeptionsfragen im Vordergrund wie die Ausfor mungneuer Raumgefüge, die Gestaltung der Wand struk turenoder die Probleme der Wölbung, für die die Baumeisterihr technisches Vermögen bereitstellten.

Gleichwohl waren architektonische Formen nie Selbst -zweck, sie transportierten Bedeutungen, die den An -spruchsniveaus der Bauherren entsprachen und die sichdurch Innovationen oder Zitate anderer Kirchenbautenmanifestierten.

Das Haus Gottes

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D A S H A U S G O T T E S

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Köln – romanische HauptstadtDeutschlands

Die große Zeit der romanischen Kirchenbauten in Kölnbegann unter Erzbischof Bruno (953–65), dem BruderKaiser Ottos I. Neben König und Kaiser gehörte er zu denmächtigsten Männern seiner Zeit, und Köln war seineResidenz. Mit dem Erwerb zahlreicher Reliquien war erbestrebt, Köln wie Rom zu einer heiligen Stadt zu erhe-ben. Was Bruno angebahnt hatte, entfaltete sich unterseinen Nachfolgern während der folgenden zwei Jahr-hunderte zu einem Zentrum romanischer Architektur. Sowird die 1106 begonnene Stadtmauer wie das Himmli-sche Jerusalem mit zwölf Toren versehen, und auch inden vieltürmigen Kirchen findet sich die Himmelsstadtabgebildet.

Erst durch diese Stadtmauer wurde etwa Sankt Apos-teln in das Gebiet der Stadt integriert. In dem älteren sa-lischen Bau wurde um 1150 ein Westchor mit einemTurm errichtet. Um 1200 folgte dann der Bau des Ost-chors als größter Dreikonchenchor Kölns. Darin findetsich der Chor von Sankt Maria im Kapitol zitiert, der frü-heste der rheinischen Dreikonchenanlagen (siehe S.231). Wie in einem Kleeblatt sind alle drei Konchengleich gebildet, so dass der Ostteil wie ein Zentralbau er-scheint, dessen Vorbild in der Geburtskirche in Bethle-hem gesehen wird. Die Vierung wird von einem oktogo-nalen Turm mit aufsitzender Laterne bekrönt, der mitden Treppentürmen und dem Westturm eine eindrucks-volle Gruppe bildet.

Ebenfalls um 1150 begann das BenediktinerklosterGroß Sankt Martin, eine neue Kirche zu errichten. Auchhier ist die Ostanlage noch vor Sankt Aposteln als Drei-konchenchor angelegt, über dessen Vierung ein gewalti-ger quadratischer Turm aufragt. Wie bei Sankt Apostelnsind die Außenseiten der Konchen von Groß Sankt Mar-tin mit von Säulen getragenen Arkaden gestaltet, überdenen eine Zwerggalerie die Ostanlage umläuft. Das Un-tergeschoss der Konchen ist im Inneren in schmale Ni-schen unterteilt, die von durch Säulen getragenen Blend-bögen überfangen sind. Die Wand des Obergeschosses istzweischalig aufgelöst, wobei auf der Galerie zwischenden drei Fensterbögen jeweils hohe, schlanke, doppeltangeordnete Säulen auf viereckigen Sockeln stehen unddas Apsisgewölbe stützen.

� Köln, Sankt Aposteln, 1. Hälfte 11. Jh.,Westchor um 1150, Ostchor um 1200, An -sicht von Nordosten

� � Köln, Groß Sankt Martin, ehem. Bene -diktiner-Abteikirche, um 1150–um1240, Ost -bau und Ansicht vom Chor in den Kir chen -raum

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Bildnachweis

Die meisten Abbildungen dieses Bandessind im Auftrag des Verlages entstandeneNeuaufnahmen des Kölner FotografenAchim Bednorz. Diese sind im Folgendenaufgelistet. Der Verlag und der Herausge-ber danken den Museen, Archiven undFotografen für die Bereitstellung weitererBildvorlagen und die erteilte Reproduk -tionsgenehmigung. Neben den bereits inden Bildlegenden erwähnten Institutio-nen seien hier im Einzelnen genannt:

© BPK images: 54, 62, 231 o., 534 l.; BPK/British Library: 552 l., 552/553 M., 553 r.;BPK/SCALA: 56, 57© The Bridgeman Art Library: 25 l., 25 r.,30 u., 31, 59, 76 o., 77 o., 78 r., 79, 83,526 r.; BAL/British Library Board. AllRights Reserved: 28 o., 46 l., 58 r.; BAL/Culture and Sport Glasgow (Museums):90 l.; BAL/De Agostini Picture Library:127 l., 128; BAL/Flammarion: 129 u.l.;

BAL/Giraudon: 28 u., 30 o., 130/131 u.,131 o., 131 M., 132 u.l., 141 o.; BAL/Kunsthistorisches Museum, Wien, Öster-reich: 127 r.; BAL/Paul Maeyaert: 29; BAL/Winchester Cathedral, Hampshire, UK:559 o., 559 u.© Bildarchiv Foto Marburg/Dom-MuseumHildesheim, Lutz Engelhardt: 520© Burgerbibliothek Bern/Bibliothèque dela Bourgeoisie de Berne: 63 l.© The Dean & Chapter of Winchester Ca-thedral 2014, Reproduced by kind permis-sion of The Dean & Chapter of WinchesterCathedral: 558© Erzbischöfliches Diözesanmuseum Pa-derborn, Ansgar Hoffmann: 522© Erzbistum Köln, Kulturdenkmalarchiv,Matz und Schenk: 116© Ghent University Library: 58 l.© Herzog Anton Ulrich Museum Braun-schweig: 549© Hessische Hochschul- und Landesbib -

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Herausgeber und Verlag haben sich bisPro duktionsschluss intensiv bemüht, alleInhaber von Abbildungsrechten ausfindigzu machen. Sollten dennoch weitere An -sprüche bestehen, so werden die betrof-fenen Personen oder Institutionen gebe-ten, sich nachträglich an den Verlag zuwenden.

© h.f.ullmann publishing GmbH

Redaktion und Produktion: Rolf Toman, Thomas PaffenFotografien: Achim BednorzIdee und Konzept: Rolf Toman, Lucas LüdemannLitho und Satz: Thomas PaffenKarten: Rolli ArtsBildredaktion: Dania D’Eramo, Barbara Linz, Martha Taschen

Gesamtherstellung: h.f.ullmann publishing GmbH, Potsdam

ISBN 978-3-8480-1156-8

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1X IX VIII VII VI V IV III II I

[email protected]/ullmannmedientwitter.com/ullmannmedien

Dank des Herausgebers

Mein Dank gilt allen, die zum Gelingendieses Werkes beigetragen haben, ganzbesonders möchte ich na mentlich hervor-heben: Lucas Lüdemann, der das Pro jektvon Verlagsseite be treut hat und dem ichmanche konstruktive Kritik verdanke, Da-nia D’Eramo, Bar bara Linz und Martha Ta-schen, die sich um die oft schwer zu erlan-genden Fotogenehmigungen gekümmertha ben. Ihnen und den vielen Un ge -nannten, die uns bei den zahlreichenNeu auf nah men freund lich entgegenge-kommen sind, gilt mein Dank für ihrenEinsatz und ihre Unterstützung.

Abbildungslegenden der Seiten 2–7und der Kapiteleingangsseiten:

Seite 2: Prophet Jeremias, Trumeau-Ost-seite vom Südportal der ehem. Abteikir-che in Moissac, 1120–35

Seite 4/5: Kapitell des Kreuzgangs derehem. Abteikirche in Moissac, 1100 fertiggestellt

Seite 6/7: Wurzel-Jesse-Fenster (Detail),Glasmalerei, um 1220–30, Köln, SanktKunibert, Nordquerhaus

S. 22/23: Mahl des Herodes, Detail einesKapitells aus dem ehem. Kreuzgang vonSaint-Étienne in Toulouse, 2. Viertel 12.Jh., Toulouse, Musée des Augustins

S. 52/53: Schöpfungszyklus, 1215–35,Kup pelmosaik von San Marco in VenedigS. 74/75: Flucht nach Ägypten, Wandma-

B I LDNACHWE I S / IMPRESSUM

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lerei, 2. Viertel 12. Jh., Brinay-sur-Cher,Saint-Aignau

124/125: Bamberger Reiter, um 1227/28,Bamberg, Dom

148/149: Arkaden des Kreuzgangs inMoissac, 1100 fertig gestellt

240/241: Alte Kathedrale in Coimbra(Portugal), Westfassade, außen schmuck-lose Wehrkirche aus dem 12. Jh.

340/341: Westportal-Tympanon der Ka-thedrale von Bitonto, ein Meisterwerk derapulischen Romanik, um 1200

510/511: Altarretabel: Halbfigur Christimit zwei Engeln, darunter: zwölf Apostel,1170–80, Holzkern, Silberblech, getrie-ben, gestanzt, vergoldet, Grubenschmelz,Braun firnis, Beinschnit zerei, Höhe 47 cm,Fritzlar, Domschatz

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Dies ist eine unverkäufliche Leseprobe des Verlags h.f.ullmann publishing.

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies

gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

© h.f.ullmann publishing, Potsdam (2017)

Dieses Buch und unser gesamtes Programm finden Sie unter

www.ullmannmedien.com.