Die Weltschöpfungskuppel Der Markuskirche Zu Venedig

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Weltschöpfungskuppel der Markuskirche zu VenedigGenesisMosaik

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  • DIE WELTSCHOPFUNGSKUPPEL IN DER WESTLICHENVORHALLE DER MARKUSKIRCHE ZU VENEDIG

    ARNE EFFENBERGER

    Zwischen 1220 und 1280 wurden in der westlichen und nordlichen Vorhalle der Mar-kuskirche zu Venedig funf Kuppeln und zwei groe Gewolbebogen, teilweise auchdie Pendentifs und Lunetten der Kuppeljoche, mit Mosaiken ausgeschmuckt, derenThemen dem Buch Genesis (1. Buch Mose) entnommen sind.1 In der um 1220 ent-standenen sudlichen Kuppel der Westhalle sind in 24 Einzelbildern die beiden Berichteder Schopfung (Gen. 1,1-3,24) wiedergegeben vom kosmischen Urzustand bis zurVertreibung des ersten Menschenpaares aus dem Garten Eden und ihrem muhseligenErdendasein (Tafel). Diesem bedeutenden Bildzyklus, der die Gultigkeit der spatan-tiken Auffassung von der Erschaffung der Welt und die dafur benutzten bildlichenChiffren noch fur das hohe Mittelalter bezeugt, soll im Folgenden unsere Aufmerk-samkeit gelten.

    Schon vor uber einhundert Jahren erkannte der finnische Kunsthistoriker JohanJakob Tikkanen, dass die Darstellungen der meisten Mosaiken auf eine spatantike Bil-derhandschrift zuruckgehen: die sogenannte Cotton-Genesis.2 Dieser prunkvolle Per-gamentkodexwurde vermutlich im 5./6. Jahrhundert in Konstantinopel oder Alexandriain griechischer Sprache nach dem Text der Septuaginta abgeschrieben und illustriert.Er umfasste ursprunglich 294 Blatt (circa 273 x 222 mm) und wies etwa 359 Miniatu-ren zu Ereignissen aus dein Buch Genesis (1. Buch Mose) auf.3 Davon lasst sich eineAuswahl von etwa 100 Szenen in den Mosaiken der beiden Vorhallen nachweisen.4

    Fur die Erforschung der byzantinischen Kunst war dies eine folgenreiche Entdeckung,da hier in aller Deutlichkeit offenkundig wird, in welchem Mae die mittelalterlicheMonumentalmalerei (wozu die Mosaikkunst zu rechnen ist) von der Buchmalerei in-spiriert sein konnte.5 Denn in der Regel haben die groformatigen Bildprogramme derkirchlichen Wand- und Mosaikmalerei auf andere Gattungen der Kunst und besondersdes Kunsthandwerks vorbildhaft eingewirkt.

    Die Bildentwurfe der Buchmalerei folgten jedoch eigenen Gesetzen, da Text undIllustration stets eine untrennbare Einheit bilden, wobei die Form des Buches Schrift-rolle oder gebundener Kodex fur die Ausfuhrung der Bilder und die Dichte ihrer

    1 Otto Demus: The Mosaics of San Marco in Venice. Vol. 2. Chicago 1984, S. 72-104, 143-182.2 Johan Jakob Tikkanen: Le rappresentazioni della Genesi in S.Marco a Venezia e loro relazionc con laBibbia Cottoniana. In: Archivio storico dellarte 1 (1888), 5. 212-223, 257-267, 348-363; Ders.: DieGenesismosaiken von San Marco in Venedig und ihr Verhaltnis zu den Miniaturen der Cotton-Bibel.Nebst einer Untersuchung uber den Ursprung der mittelalterlichen Genesisdarstellungen besondersder byzantinischen und italienischen Kunst. In: Acta Societatis Scientiarum Fennicae 17. Helsingfors1889 (Nachdruck: Soest 1992). Hingegen geht die Moseskuppel im Nordatrium auf eine illustrierteBibel in Gerona/Spanien aus dem 9. Jahrhundert zuruck.

    3 London, British Library, Cod. Cotton Otho B VI: Kurt Weitzmann, Herbert L. Kessler: The CottonGenesis. British Library Codex Cotton Otho B. VI. Princeton, N. J., 1986.

    4 Kurt Weitzmann: The Genesis Mosaics of San Marco and the Cotton Genesis Miniatures. In: Demus1984 (wie Anm. 1), 5. 105-117, Abb. 30-34, 107-132.

    5 Ernst Kitzinger: The Role of Miniature Painting in Mural Decoration. In: Kurt Weitzmann, WilliamC. Loerke, Ernst Kitzinger, Hugo Buchthal: The Place of Book Illumination in Byzantine Art.Princeton, N. J. 1975, S. 99-142.

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    Abfolge eine entscheidende Rolle spielte. Mit der Ubertragung der Darstellungen ausdein Miniaturformat der Buchillustrationen in das Groformat der Mosaiken gingenmannigfache Veranderungen einher (beispielsweise in der Komposition und im Stil,durch Weglassungen oder Zusatze, durch Anpassung an den Ort der Anbringung), ob-gleich mit den kopierten Vorlagen durchaus auch deren Stil in das neue, aus einer ganzanderen Epoche stammendeMedium ubertragen werden konnte.6 Gerade dieMosaikender Welt-schopfungskuppel bieten im Vergleich zu den wenigen erhaltenen Resten derCotton-Genesis mannigfaltige Hinweise auf dieses uberaus spannende Abhangigkeits-verhaltnis.

    Einer nicht mehr nachprufbaren Uberlieferung zufolge wurde die Handschrift KonigIIeinrich VIII. von England (1509-1547) von zwei griechischen Monchen aus Phil-ippi geschenkt.7 Der Kodex stammte moglicherweise aus der Kreuzfahrerbeute von1204 und gehorte schon wegen seiner Herkunft aus Konstantinopel sicherlich zu denkostbarsten Besitztumern der Signoria. Da sich nicht erklaren lasst, wie eine Prunk-handschrift, die sich im 13. Jahrhundert in Venedig befunden haben musste, spaternach Nordgriechenland gelangt sein konnte, vertrat schon Tikkanen die Ansicht, dasseine Schwesterhandschrift der Cotton-Genesis von den venezianischen Mosaizistenals Vorlage benutzt worden sei. Doch ist es kaum vorstellbar, dass ein luxurios aus-gestattetes Buch von ehrwurdigem Alterganz gleich, ob das Original oder die Replik auf dem Gerust der Mosaikhandwerker gelegen haben sollte, zumal sich die Aus-schmuckung der beiden Vorhallen uber einen sehr langen Zeitraum hinzog. So bleibtals einzige Moglichkeit die Annahme, dass sorgfaltig ausgearbeitete und mit notwen-digen Instruktionen fur die Kunstler versehene Kopien der einzelnen Bilder in einerArt Musterbuch zusammengestellt waren und den jeweiligen Arbeitsschritten alsunmittelbare Vorlagen gedient haben.

    Im 17. Jahrhundert befand sich die Handschrift in der Bibliothek von Sir RobertBruce Cotton (1571-1631), einem bedeutenden britischen Staatsmann und Sammlervon alten Handschriften und Antiquitaten.8 Nach diesem Besitzer tragt sie ihren Na-men Cotton-Genesis. Cotton lieh den Kodex 1618-1622 an Nicolas-Claude Fabri dePeiresc (1580-1637) nach Paris aus, denn der hochgelehrte franzosische Astronomund Antiquar beabsichtigte die Herstellung eines Faksimiles mit Kupferstichen, dochwurde dieses Vorhaben leider nicht ausgefuhrt. Nur zwei von Daniel Rabel (1578-1637) angefertigte Aquarellkopien sind erhalten, die offensichtlich dem Kupferstecherals Probevorlagen dienen sollten.9 1730 wurde die Cotton-Bibliothek von London nach

    6 Die zehn Prinzipien, nach denen die Ubertragung vorn Miniatur- in das Groformat erfolgte, hatKurt Weitzmann verschiedentlich dargelegt, zuletzt in: Kurt Weitzmann, Herbert L. Kessler: TheFrescoes of the Dura Synagogue and Christian Art (Dumbarton Oaks Studies 28). Washington D.C.1990, S. 6-9.

    7 Thomas Smith: Catalogus librorummanuscripto-rumBibliothecae Cottonianae. Oxford 1696, S. 70f.zitiert eine Bemerkung von Dr. Richard James, Bibliothekar von Sir Robert Cotton; siehe EdwardMaunde Thornpson: Catalogue of An-cient Manuscripts in the British Museum. Vol. 1. London1881, S. 20.

    8 Christopher J. Wright (Hg.): Sir Robert Cotton As Collector. Essays an Early Stuart Courtier andHis Legacy. London 1977. Colin G.C. Tite: The Early Records of Sir Robert Cottons Library.Formation, Catalogue, Use. London 2003.

    9 Paris, BNF cod. fr. 9530, fol. 32: Henry Omont: Fragments du manuscrit de la Gene`se de R. Cotton,conserves parmi les papiers de Peirese. In: Memoires de la Societe Nationale des Antiquaires deFrance 53 (1885) S. 163 ff., 2 Tafeln. Ders.: Miniatures des plus anciens manuscrits grecs de la

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    AshburnhamHouse inWestmieter verlegt. 1731 erfasste jedoch ein verheerender Branddie Bibliothek und vernichtete einen Groteil der wertvollen Buchbestande. Von derHandschrift blieben nur circa 150 stark angekohlte und verformte Fragmente erhalten,die 1753 mit der Cotton-Bibliothek in das neu gegrundete British Museum gelangten.Ware das Unternehmen von Peiresc gelungen, besaen wir heute nicht nur das ersteFaksimile nach einer byzantinischen Handschrift, sondern wenigstens eine vollstandigeKopie des nur noch in klaglichen Resten uberlieferten Bildbestandes. Den Forschungenvon Kurt Weitz-mann und Herbert L. Kessler ist es gleichwohl zu verdanken, dass wireine sehr genaue Vorstellung vom Aufbau der Cotton-Genesis und ihren Miniaturenhaben,10 wenngleich es an kritischen Einwendungen nicht gefehlt hat.11

    Wahrend in den jungeren Kuppeln der beiden Vorhallen die einzelnen Szenen undFiguren radial und meist ohne Rahmung in den Goldgrund eingefugt sind, erfand derEntwerfer der Weltschopfungskuppel fur die Anordnung der 24 Bilder eine genialeLosung, indem er sie friesartig in drei konzentrischen Kreisen um ein nur ornamen-tal verziertes mittleres Medaillon aufreihte und dabei den Charakter der Einzelbilderbeibehielt. Das Prinzip, Kuppeldekorationen in mehreren konzentrischen Zonen umein zentrales Medaillon im Zenit anzuordnen, ist alt. Wir finden dieses Schema inspatantiken Rundbauten wie zum Beispiel in den Kuppeln des sogenannten Baptiste-riums der Orthodoxen zu Ravenna oder der Georgsrotunde in Thessaloniki, wobei diebildliche Komposition eines jeden Rings immer in sich geschlossen ist und zugleichauf die nachsthohere Zone beziehungsweise auf das Bild oder Symbol im Kuppelzenitverweist. In der Weltschopfungskuppel wird jedoch das Geschehen beginnend iminneren Ring und jeweils auf den nachsten uberspringend fortlaufend von innen nachauen erzahlt. Wer lesen konnte, fand zudem oberhalb der Bilder Tituli vor, die denlateinischen Text der Genesis in sehr verkurzter Form zitieren. Allerdings stehen dieAnfangsworte (Gen. 1,1) +IN PRICIPIO CREAVIT DS CELVM E. TERA (Am Anfangschuf Gott Himmel und Erde) nicht uber dem Bild des Chaos, das der Eintretendezuerst erblickte, sondern uber dem vierten und funften Bild des dritten Schopfungstags(Abbildung 5 und 6).

    Die Abhangigkeit der Weltschopfungskuppel von der Cotton-Genesis lasst sich an-hand der einen von Daniel Rabel angefertigten Aquarellkopie noch leicht nachvollzie-hen (Abbildung 1). Doch auch die von Weitzmann und Kessler publizierten Fragmenteder Handschrift erlauben mannigfache Gegenuberstellungen. Rabel war beruhmt furseine botanischenAquarelle, was vielleicht einGrund gewesen seinmag,weshalb er ge-rade den drittenSchopfungstag die Erschaffung der Pflanzen undBaume ausgewahlthat. Die Miniatur lasst im Vergleich zum entsprechenden Bild der Weltschopfungskup-pel zweierlei erkennen: zum einen, wie schon der spatantike Buchmaler den Bibeltextin ein koharentes Bild umgesetzt hat, und zum anderen, wie die Mosaizisten des 13.Jahrhunderts nun ihrerseits mit der spatantiken Vorlage umgegangen sind. Darauf istspater zuruckzukommen.

    Der Schopfer steht in denmeisten Szenen am linken Bildrand. DaGott selbst unfass-

    Bibliothe`que Nationale du VIe au XIVe sie`cle. Paris 21929, 5. 1 ff., 10 f., Taf. Zahlreiche Fragmentesind als Stiche in den Vetusta monumenta quae ad rerum Britannicarum memoriam conservandam.Society of Antiquaries of London, 1. London 1747, Taf. LXVI und LXVI I abgebildet.

    10 Siehe Anm. 3.11 Siehe John Lowden: Concerning the Cotton Genesis and Other Illustrated Manuscripts of Genesis.

    In: Gesta 32,1 (1992), S. 40-53.

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    bar und somit undarstellbar ist, erscheint an seiner statt stets der praexistente gottlicheLogos in Gestalt Christi, gema dem schon im Johannesevangelium (1,1) formuliertenTheologem: Am Anfang war das Wort, und das Wort war hei Gott, und Gott wardas Wort (griech. kcor). Fur die Kunstler des Mittelalters war dies eine vertrauteVorstellung, die es uberhaupt erst erlaubte, Gott = Christus in menschlicher Gestaltund als handelnde Person darzustellen. Der Schopfer-Logos ist angetan mit den furChristus ublichen und durch goldene Besatze besonders ausgezeichneten Philosophen-gewandern (Armeltunika, Dalmatika und Pallium). Das jugendliche Haupt wird voneinem goldenen Nimbus mit eingeschriebenem silbernen Kreuz hinterfangen. In sei-ner Linken halt er ein kreuzbekrontes Zepter, wahrend die Rechte leicht ausgestrecktist. Da Gott in allen Versen spricht, ist die Haltung seiner rechten Hand wohl alsRedegestus zu verstehen. Uber das eigentliche Schopfungswerk hinaus hat der Malerder Cotton-Genesis dem Schopfer-Logos weitere geflugelte Figuren entsprechend derZahl des jeweiligen Tags beigesellt. Es sind, wie die griechische Kleidung (Peplos)schon zeigt, weibliche Figuren, die in der spatantiken Vorlage Blatter- und Bluten-kranze auf ihren Hauptern tragen (Abbildung 1). Man hat in ihnen zu Recht Horenerkannt, die antiken Gottinnen der Jahreszeiten, des Gedeihens in der Natur, aber auchder sittlichen Ordnung und der geregelten Zeiteinteilung. Die Verwendung solcherheidnischer Personifikationen war fur den Maler der Cotton-Genesis sowenig einProblem wie uberhaupt fur die spatantiken Kunstler, die zum Beispiel in das Bild derTaufe Christi den Jordan in Gestalt eines Flussgottes eingefugt hatten. Die Mosaizistender Weltschopfungskuppel haben die ursprungliche allegorische Bedeutung der Horenwohl nicht mehr verstanden und ihre auere Erscheinung dem ublichen Bild der Engelangeglichen. Allerdings haben die Mosaiken im 19. Jahrhundert zahlreiche und oftentstellende Restaurierungen erfahren.

    Die Erschaffung der Welt ist in funf Bildern des inneren und in einem Bild desmittleren Rings dargestellt. Die bildlichen Chiffren, die bereits der Maler der Cotton-Genesis fur die einzelnen Zustande des Universums gewahlt hat, sind nun besondersgeeignet, um die spatantike und mittelalterliche Vorstellung von den kosmischen Ele-menten nachvollziehen zu konnen. Die Motive sind zwar von antiken Vorstellungengepragt, zeugen aber von einem groen Erfindungsreichtum in der Umsetzung sprach-licher in bildliche Formulierungen von eindrucksvoller Klarheit und Pragnanz. Dabeifallt auf, dass buchstablich eine Vers-fur-Vers-Illustration erfolgte, sich also schon dieCotton-Gene-sis allein anhand der Bilder lesen lie. Bei den meisten Darstellungendes Schopfungsberichts durfen wir davon ausgehen, dass die Mosaizisten der Vorlagegetreu gefolgt sind, wir uber die Mosaiken somit eine Vorstellung von den verlorenenMiniaturen der Cotton-Genesis zuruckgewinnen.

    Das erste Bild des inneren Rings (Abbildung 2) zeigt den Zustand der Welt vorihrer Erschaffung das Chaos und illustriert wortwortlich Gen. 1,2: Die Erdewar aber unsichtbar und unerschaffen, und Finsternis lag uber dein Urgrund, undder Geist Gottes schwebte uber dem Wasser.a Das gesamte Bildfeld ist mit einerblaulich-grunen, durch Wellen gegliederten Wasserflache ausgefullt. Uber ihr schwebteine Taube mit weit ausgebreiteten Flugeln und einem goldenen Nimbus. Die Scheibe(Aureole) hinter der Taube ist durch drei konzentrische und farblich abgestufte Kreise

    a Nach der Ubersetzung der LXX: d c m qator ja jatasjeastor, ja sjtorpmy tr bssou, ja pmela heo pevqeto pmy to dator terra autem eratinvisibilis et incomposita, et tenebrae erant super abyssum.

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    gegliedert, vielleicht ein Hinweis auf die Trinitat. Die nimbierte Taube finden wir alsbildliche Allegorie des Heiligen Geistes schon seit dem 3. Jahrhundert in Darstellungender Taufe Christi, weshalb sie wie kein anderes Motiv geeignet war, den Geist Gotteszu versinnbildlichen.

    Das zweiteBild vomChaos durch einen goldgrundigen, links noch demWellenver-lauf desUrmeers folgenden Steg getrennt eroffnet die Reihe der sechs Schopfungstage(Abbildung 3). Die Gestalt des Schopfer-Logos verharrt in leichter Schrittstellung. DieVerse Gen. 1,3-5 Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Und Gottsah, dass das Licht gut war. Und Gott schied zwischen dem Licht und zwischen derFinsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Undes wurde Abend und es wurde Morgen, erster Tag inspirierten schon den Maler derCotton-Genesis zu einer adaquaten Losung. Er unterteilte den Hintergrund zunachstin eine hellere linke und eine dunklere rechte Halfte. Wenig aus der Mitte nach linksgeruckt, platzierte er das Licht in Gestalt einer Scheibe aus drei konzentrischen Kreisenin unterschiedlicher purpurfarbener Abstufung um ein helleres Zentrum, wobei vommittleren Ring sechs goldene Strahlenbundel ausgehen. In gleicher Weise, doch ausdunkelblauen bis schwarzlichen Kreisen gebildet, erscheint in der rechten Bildhalftedie Finsternis, von der ebenfalls sechs goldene Strahlenbundel ausgehen. Das mag zwarauf den ersten Blick als Widerspruch erscheinen, doch will das Bild besagen, dass dasLicht in der Finsternis enthalten war und erst durch die Scheidung als Tag sichtbarwurde, wie schlielich auch die Nacht sichtbar ist. Hinter dem Licht und von diesemteils uberdeckt steht die Hore des ersten Tags. Die ausgebreiteten Arme drucken gemadem seit der Antike gelaufigen Kanon der Gesten und Gebarden ihr Staunen uber dassich vor ihren Augen vollziehende Geschehen aus. Dabei fallt auf, dass sowohl ihrlinker Arm als auch ihr linker Flugel in die Finsternis hineinragen und daher ebenfallsin dunklen Farbtonen wiedergegeben sind, wahrend in der Lichtzone der rechte Flugelgoldglanzend und der rechte Arm in naturlicher Farbgebung erscheinen.

    Das dritte Bild zeigt die Erschaffung des Firmaments und die Sdheidung derWasseram zweiten Schopfungstag (Abbildung 4) (Gen. 1,6-8): Und Gott sprach: Es entsteheein Firmament inmitten der Wasser und es sei geschieden zwischen dem Wasser unddem Wasser. Und es geschah so. Und Gott machte das Firmament und Gott schiedzwischen dem Wasser, das unterhalb des Firmaments war und zwischen dem Wasser,das oberhalb des Firmaments war. Und Gott nannte das Firmament Himmel. Und Gottsah, dass es gut war. Und es wurde Abend und es wurde Morgen, zweiter Tag. Getreuder Textvorlage hat der Buchmaler (und ihm folgend der Mosaizist) ein oberes und einunteres Wellenmeer wiedergegeben. Vor dem Schopfergott ist eine breite blaue Zonemit ebenfalls angedeutetenWellen eingefugt, wodurch die sich vollziehende Scheidungder unteren und der oberenWasser angezeigt wird (der Bereich ganz rechts, wo sich dieScheidezone fortsetzte, ist durch eine missverstandene Restaurierung gestort). Etwasaus der Bildmitte nach links versetzt erscheint als Ergebnis des Schopfungsaktes dasFirmament, das jetzt gema demText als Himmel bezeichnet werden darf, wiederumals Scheibe aus unterschiedlich blauen bis schwarzlichen Ringen um ein helleres,medaillonartiges Feld im Zentrum gebildet. Die beiden Horen sind allerdings etwasungeschickt wiedergegeben, da ihre Arme in die Gegenrichtung und nicht auf denvollzogenen Schopfungsakt hinweisen.

    Das vierte Bild illustriert den ersten Akt des dritten Schopfungstags, die Scheidungvon Land und Meer (Abbildung 5). Auch hier wird deutlich, wie genau die Darstellung

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    dem Text (Gen. 1,9-10) folgt: Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser, dasunterhalb des Himmels ist, zu einer Ansammlung, damit das Trockene sichtbar werde.Und es geschah so. Und es sammelte sich das Wasser, das unter dem Himmel ist, inseinen Ansammlungen, und das Trockene wurde sichtbar. Und Gott nannte das Trocke-ne Erde und die Vereinigung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gutwar. In der Mitte des Bildes erscheint abermals der noch ungestirnte Himmel. Mit derUmsetzung der Verse beschritt schon der Maler der Cotton-Genesis eigene Wege. ImBereich, wo der Schopfergott steht, und unterhalb des Himmels ist das trockene Landdurch die purpurbraune Farbung hervorgehoben. Die in groen goldenen Lettern ein-gefugte Beischrift TERRAM (auf der Erde) ist freilich eine Zutat des venezianischenMosaizisten. Nach rechts setzt sich die Erde in einem schmaleren, zerklufteten Streifenfort und wird von einem senkrechten, gleichsam aus sieben ineinander geschachteltenSchollen gebildeten Landstreifen gekreuzt, wodurch die oberen und die unterenWasserin vier Meere unterteilt werden.

    Der zweite Akt des dritten Schopfungstags ist im funften und letzten Bild des innerenRings dargestellt (Abbildung 6) (Gen. 1,10-13): Und Gott sprach: Es lasse die Erdedas Gras derWeide hervorsprieen, Samen ausstreuend nach Art und nach Ahnlichkeit,und fruchtbringendes Geholz, die Frucht mit ihrem Samen darin nach der Art uber dieErde tragend. Und es geschah so, die Erde lie das Gras der Weide hervorsprieen,Samen ausstreuend nach Art und nach Ahnlichkeit, und fruchtbringendes Geholz, dieFrucht mit ihrem Samen darin nach der Art uber die Erde tragend. Und Gott sah, dass esgut war. Und es wurde Abend und es wurde Morgen, dritter Tag. Im Unterschied zurCotton-Genesis, wo fur alle Bilder stets ein blauer Hintergrund gewahlt ist, begegnetin diesem Bildfeld erstmals der auch in den folgenden Darstellungen wiederkehrendeGoldgrund, der fur byzantinische Mosaiken typisch ist und das uberirdische Himmels-licht symbolisiert (obgleich das Licht hier noch nicht erschaffen ist). Von diesem Bildhat sich ein Fragment der Cotton-Genesis (fol. 1 recto) erhalten, das die Rekonstrukti-on einer ganzen Buchseite erlaubte. Im Vergleich mit dem Aquarell von Daniel Rabel(Abbildung 1) bemerkt man jedoch weitere Unterschiede: Auf der Vorlage war of-fenbar die ganze untere Bildzone den sprieenden Pflanzen vorbehalten, wahrend derSchopfer-Logos und die drei Horen sowie die vier Baume etwas weiter oben platziertsind. Hingegen musste der Mosaizist mit der vorgegebenen Bildhohe der Ringzoneauskommen und hat eine durchgehende Bodenzone aus gelb und grun abgestuftenWellen eingefugt sowie die Anzahl der Baume und Pflanzen reduziert. Eine Zutat istauch hier die unter beiden Granatapfelbaumen eingefugte Beischrift LIGNV[M] POMI(Apfelbaum) vielleicht eine Vorwegnahme des Baums der Erkenntnis.

    Das sechste Feld mit dem vierten Schopfungstag (Abbildung 7) befindet sich bereitsin der mittleren Ringzone direkt unterhalb des Chaos. Nur in diesem Bereich bildendie linken Begrenzungen des mittleren und des unteren Felds eine durchgehende Linieund bieten somit dem Auge des Betrachters eine klare Orientierung fur den Beginnund die Fortsetzung des Zyklus. In Genesis 1,14-19 lesen wir: Und Gott sprach: Eswerden Lichter am Firmament des Himmels, der Erde zu leuchten, damit zwischendem Tag und zwischen der Nacht geschieden werde, und sie sollen Zeichen sein fur dieZeit und fur den Tage und fur den Jahreslauf, und sie sollen Leuchten am Firmamentdes Himmels sein, damit sie die Erde erleuchten. Und so geschah es. Und Gott machtedie beiden groen Lichter, das groe Licht fur die Herrschaft uber den Tag und daskleinere Licht fur die Herrschaft uber die Nacht und die Sterne. Und Gott heftete sie

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    an das Firmament des Himmels, damit sie die Erde erleuchten. Und sie herrschen uberden Tag und die Nacht und scheiden zwischen dem Licht und der Dunkelheit. UndGott sah, dass es gut war. Und es wurde Abend und es wurde Morgen, vierter Tag.Der in den beiden voraufgehenden Tagen noch leere Himmel ist jetzt gefullt mit derroten Sonne auf der Tagseite oben links und dem blauen Mond auf der Nachtseiteunten rechts sowie mit zahlreichen goldenen Sternen. Fur Sonne und Mond hatte schonder Maler der Cotton-Genesis (fol. 1 verso) gelaufige antike Bilderfindungen benutzt,indem er fur die Sonne das strahlenumkranzte Haupt des antiken Sonnengottes Heliosund fur den Mond das Antlitz der Gottin Selene wahlte. Allerdings wird man davonausgehen durfen, dass in der Vorlage der gestirnte Himmel hoher angebracht war undnicht wie im Mosaikbild auf der Erde lag.

    Weshalb die Erschaffung der Gestirne und die Trennung von Tag und Nacht erst amvierten Tag erfolgten, ergibt sich aus dem rhythmischen Aufbau des ersten Schopfungs-berichts. Denn die sechs Strophen, die den sechs Schopfungstagen entsprechen, lassensich in zwei Gruppen zu je drei Strophen einteilen: An den drei ersten Tagen erfolgendie groen Scheidungen und Sichtbarwer-dungen der kosmischen Bereiche (Licht undFinsternis = Lichtraum; Wasser und Wasser = Luftraum; Wasser und Erde = trockenesLand und Vegetation). An den drei folgenden Schopfungstagen werden die geschie-denen Raume bevolkert: der Lichtraum mit den Gestirnen, Wasser- und Luftraummit Fischen und Vogeln und das trockene Land mit Tieren und Menschen.12 Es waralso nicht Platzmangel im inneren Ring, weshalb das Bild des vollendeten Kosmosunter dem des Chaos angebracht wurde, sondern der Entwerfer der Kuppel folgte sehrgeschickt der Struktur des biblischen Berichts, indem er an dieser Stelle den viertenSchopfungstag beginnen lasst.

    Der funfte Schopfungstag umfasst zwei Bilder: die Erschaffung der Meereslebewe-sen und der Vogel im siebten Bild (Abbildung 8) (Gen. 1,20-21) sowie ihre Segnungim achten Bild (Abbildung 9) (Gen. 1,22-23). Die Hervorbringung der Landtiere imneunten Bild (Abbildung 10) (Gen. 1,24-25) und schlielich im zehnten Bild die Er-schaffung des Menschen fallen auf den letzten Tag (Abbildung 11) (Gen. 1,26-27),wobei im Text noch die Segnung des ersten Menschenpaares (Gen. 1,28-28) und dieUbergabe der Schopfung (Gen. 1,29-30) an den Menschen berichtet werden. EinigeBildfelder sind recht lang gestreckt, weshalb angenommen werden kann, dass der Ent-werfer der Gesamtkomposition der Kuppel mit dieser Einteilung absichtlich Rahmenund Proportionen der Vorlagen gesprengt hat, schon um die Szenen reicher mit Figurenund Beiwerk ausstatten zu konnen. So erkennt man im siebten Bild der Vogel undMeerestiere eine besondere Freude an der Wiedergabe der einzelnen Fischarten, dieschon der Maler der Cotton-Genesis nach einem meereskundlichen Handbuch kopierthaben durfte, wobei auch das im Text erwahnte Seeungeheuer nach antiker Gewohn-heit in Gestalt eines Ketos nicht fehlt. Im Bild der Tiere verharrt zunachst vor demSchopfer-Logos ein Lowenpaar mit ehrfurchtig gesenkten Kopfen, womit der Mosai-zist vermutlich auf das Wappentier der Seerepublik Venedig, den Lowen des heiligenMarkus, anspielen wollte.

    In der Erschaffung desMenschen weicht die Darstellung des letzten Schopfungstagsin mehrerlei Hinsicht vom Text ab, denn dort heit es (Gen. 1,27): Und Gott erschufden Menschen, nach dem Bilde Gottes erschuf er ihn, als Mann und als Frau erschuf er12 Siehe Herbert Haag: s. v. Schopfungsbericht. In: Bibel-Lexikon, herausgegeben von Herbert IIaag.

    Zurich 31983, Sp. 1552-1554.

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    sie. Der Schopfer-Logos sitzt hier auf einem prachtigen Thron und ist im Begriff, denMenschen zu formen, dessen rechten Arm seine Linke umfasst hat. Schon der Malerder Cotton-Genesis folgte hierin einer antiken Bildtradition, namlich der Erschaffungdes Menschen durch Prometheus. Doch abgesehen davon gehort dieses Bild zum zwei-ten Schopfungsbericht (Gen. 2,7): Und Gott formte den Menschen aus dem Staubder Erde und blies in seine Nase den Hauch des Lebens, und es wurde der Menschein lebendes Wesen. Durch die dunkle Farbe der Gestalt wird die Formung aus demStaub der Erde sinnfallig zum Ausdruck gebracht. Wie anderen Genesis-Zyklen zuentnehmen ist, die auf verwandte Bildrezensionen zuruckgehen, bestand die Erschaf-fung des Menschen jedoch aus drei Szenen: Formung, Belebung und Beseelung. DieBeseelung ist im zwolften Bild am Beginn des zweiten Schopfungsberichts dargestellt,wo sie gema dem Text auch hingehort. Anscheinend fehlte in der Vorlage das Bildzu Gen. 1,27, weshalb der Entwerfer der Kuppel fur das Bild des sechsten Tags denAkt der Formung eingefugt und mit den sechs Horen verbunden hat. Das erklart auch,weshalb jeglicher Hinweis auf die Erschaffung der Frau fehlt. Selbst die Ubergabeder Schopfung an die Menschen ist nicht dargestellt. Im Unterschied zu der ublichenschematischen Aufreihung der Tageshoren ist die Hore des sechsten Tags am rechtenBildrand gegenuber dein Schopfer-Logos angeordnet und weist mit der Gebarde ihrerArme und Hande auf die sich vollziehende Erschaffung des ersten Menschen hin

    Das Sechstagewerk endet im ersten Schopfungsbericht (Gen. 1,31) mit den Wor-ten: Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und er sah, dass es vortrefflich war.Und es wurde Abend und es wurde Morgen, sechster Tag. Von geradezu feierlicherEindringlichkeit ist trotz der erheblichen Entstellungen durch die Restaurierungen des19. Jahrhunderts das elfte Bild, der siebte Tag, an dem Gott von seinem Schopfungs-werk ausruhte (Abbildung 12) (Gen. 2,2-3): Der Schopfer-Logos sitzt streng frontal aufeinem hohen Thron mit Suppedaneum vor dem schimmernden Goldgrund des uberir-dischen Himmels. Gema dem Text Und Gott segnete den siebten (Tag) und heiligteihn hat er der siebten Hore, die von links vor ihn getreten ist, seine rechte Hand seg-nend auf das Haupt gelegt. Doch bei diesem Bild, das in seinem Aufbau ganzlich vonder Kompositionsweise der Cotton-Genesis abweicht, ist die Forschung der Ansicht,dass es auf eigene Intentionen des venezianischen Mosaizisten zuruckgeht.

    Das zwolfteBild zeigt die bereits erwahnte Beseelung des Menschen (Gen. 2,7). DieSeele in Gestalt eines kleinen Menschen mit Schmetterlingsflugeln folgt wieder eineruralten antiken Vorstellung (griech. xuw bedeutet sowohl Seele als auch Schmetter-ling). Im dreizehnten Bild, dem letzten des mittleren Rings, fuhrt der Schopfer-Logosden ersten Menschen durch ein Tor am linken Bildrand (mit der Beischrift PORTAPARADISI) in den Garten Eden ein (Gen. 2,8-9 und 15), wobei seine Linke auf diebeiden Baume hinweist den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis. Mogli-cherweise hat der Mosaizist hier zwei separate Miniaturen zusammengezogen, wobeiin der zweiten das Verbot, von den Fruchten des Baums zu essen (Gen. 2,17), darge-stellt gewesen sein konnte. Die vier Paradiesesstrome, die den Garten Eden bevolkern(Gen. 2,10-14), sind in der Art antiker Quellgottheiten gebildet, wobei wieder nichtausgeschlossen werden kann, dass es sich um Zutaten des Mosaizisten handelt. In Vers16 wird der Mensch (griech. mhqypor) erstmals Adam (Mann) genannt.

    Der auere Kreis ist ganz der Geschichte des ersten Menschenpaares gewidmet,wobei dem erzahlenden Charakter der elf Szenen der sehr viel breitere Bildraum zugu-tekam. Auch in diesem Falle steht das erste (vierzehnte) Bild wieder beziehungsreich

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    unter denen des Chaos und des vollendeten Kosmos. Nach dem Genesistext (2,18-20)schuf Gott alle Tiere und Vogel und brachte sie zu dem Menschen, damit er ihnenNamen gebe, und so, wie Adam sie benenne, so sollten sie heien: Erst nachdem jedesseinen Namen empfangen hatte, war also die Schopfung vollendet. Zwar fehlen hierdie Vogel und Fische, doch ist bemerkenswert, dass Adam seine Rechte auf das Haupteines der Lowen gelegt hat, womit wieder auf das Wappentier von Venedig, den Lowendes heiligen Markus, angespielt wird.

    Das funfzehnte Bild, das eigentlich noch dem Schopfungswerk angehort, zeigt dieErschaffung der Frau (Gen. 2,21-22): links der Schlaf Adams, dem der Schopfer-Logoseine Rippe entnimmt, und rechts die Formung Evas. Die folgenden neun Episoden(Gen. 2,23-3,24) seien hier nur kurz aufgezahlt, da ihre ausfuhrliche Beschreibung denRahmen dieses Beitrags sprengen wurde: Die Zufuhrung Evas zu Adam durch denLogos, die Versuchung durch die Schlange, der Sundenfall (Eva gibt Adam vom Baumder Erkenntnis zu essen), die Erkenntnis ihrer Nacktheit, die Verbergung vor Gott,das Verhor Adams und Evas durch den richterlich thronenden Logos, die Verfluchungder Schlange und die Aufburdung der Arbeit und der Muhsal, die Bekleidung Adamsund Evas, die Ausweisung aus dem Garten Eden (im Text ist nur die Rede von derAusweisung Adams), wobei Adam und Eva schon die Werkzeuge ihrer kunftigenArbeit - Hacke und Spindel - in Handen halten, wahrend sie das Tor durchschreiten,schlielich die Muhsal ihres Erdendaseins.

    Ein Detail ist noch bemerkenswert und soll hier abschlieend beschrieben werden.Im letzten Vers (Gen. 3,24) heit es: Er (Gott) stellte die Cherubim und die flam-mende Schwertscheide auf, um den Ruckweg zum Baum des Lebens zu bewachen.Im Paradies und links vom Logos steht ein Baum, in dessen Gezweig ein groes gol-denes Kreuz erscheint. Gemeint ist der Baum des Lebens, aus dem der christlichenUberlieferung zufolge das Kreuz Christi gefertigt worden sei. Vor dem Stamm drehtsich als Hinweis auf das flammende Schwert ein feuriges Rad, uber dessen oberenZungen zwei ebenfalls feuerfarhene Vogel flattern. Die Cherubim, die im Mosaikbildfehlen, erscheinen in den vier Zwickeln unterhalb der Kuppel, doch wird in der Minia-tur der Cotton-Genesis mindestens ein Cherub zwischen Austreibung und Erdendaseinvorhanden gewesen sein. Dieses letzte Bild steht wieder in unmittelbarem Bezug zudem daruber angebrachten: dort die Einfuhrung Adams in den Garten Eden, hier dieAustreibung des ersten Menschenpaares aus dein Paradies.

    LITERATUR

    Gisela Hellenkemper Salis: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Mosaikenin der Vorhalle des Markusdoms in Venedig. Mit 25 Farbbildern, aufgenommen vonHelmuth Nils Loose. Freiburg i. Br., Basel, Wien 1986.

    Martin Buchse]: Die Schopfungsmosaiken von San Marco. Die Ikonographie derErschaffung des Menschen in der fruhchristlichen Kunst. In: Stadel-Jahrbuch 13(1991), S. 29-80.

    Penny Howell Jolly: Made in Gods Image? Eve and Adam in the Genesis Mosaicsat San Marco, Venice (California Studies in the History of Art, Discovery Series,6). Berkeley 1997.

    Barbara Zimmermann: DieWiener Genesis im Rahmen der Buchmalerei. Ikonogra-phie, Darstellung, Illustrationsverfahren und Aussageintention (Spatantike fruhes

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    Christentum Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspek-tiven, 13). Wiesbaden 2003.