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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Leipzig. (Direktor: O. Gros.) Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der Meth~imoglobinvergi~tung. Von F. Hausehild. Mi~ 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. November 1936.) In einer friiheren Mitteilung iiber die Wirkung einiger Redoxfarbstoffe bei Zust~nden gestSrter Atmung 1 -- ira besonderen fiber die des Katalysins* (Thionin) bei der Meth~moglobinvergiftung -- konnte berichtet werden, dal] diesem unter dem Namen L authsches Violett bekannten Farbstoff im Tierversuch eine ausgesprochene Wirkung als Antidot bei der Vergiftung mit Meth~moglobin bildencien Substanzen zu- kommt. In diesen Untersuchungen wurde festgestellt, dab das Katalysin die Giftwirkungen tSdlicher und iiber~Sdlicher Dosen, z.B. von Natrium- nitrit, vSllig zu behebea vermag. Methylenblau, dessert Muttersubsta.qz ja das Katalysin darstellt, wirkte in gleicher Weise, wKhrend Redoxfarb- stoffe, deren E h in wesentlich ande~en Bereichen lag (Neutralrot, Kresol- indophenol), keine Wirkung zeigten. Die in friiheren Untersuchungen 1 ausgesprochene Vermutung, dal] das Katalysin das atmungsuntaugliche Meth~moglobin (Met-Hb) auf dem Wege eines ,,Nebenatmung" zu ersetzen vermag, bedusfte noch der experi- mentellen Stiitze. Des Zweck des vorliegenden Untessuchungen war es, festzustellen, ob die dutch die Meth~moglobinKmie bedingte St5rung des O2-Versorgung und das sich somit entwickelnde Vesgiftungsbild dutch eine ,,Nebenatmung" giinstig beeinfluitt wisd odes ob alas Meth~moglobin wieder zu atmungstaugl.iche m E~moglobin zustickveswandelt wird. Wenn man sich fsagt, auf welche Weise als Redoxsysteme im Organis- mus wirkende Vesbindungen in die Vosggnge des Sauerstofftranspostes eingreifen kSnnen, so gibt es prinzipiell zwei MSglichkeiten: Die Sub- stanzen kSnnen sich ~hnlich dem Hb mit Sauerstoff beladen und diesen a.n anderen Stellen in die Gewebe abgeben. Aul~es dem Hb und dem H~mocyanin der wirbellosen Tiere sind bisher derartige Stoffe nieht bekannt. Fiir die seversiblen Redoxsysteme yore Typus des MB odes tier Sulfhydril- k5rper kommt eine derartige direkte Sauesstoffiibertsagung nicht in Frage, deren Wiskung ist im Sinne des Wielandschen Dehydrierungstheorie in der F~higkeit begriindet, Wasserstoff sevessibel aufzunehmen und ab- zugeben. Das Ausmal~ dieser Wechselwirkungen ist dutch alas l~eduktions- 1 Hausehild, F. : Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 182, 118 (1936). * ,,Kat~]ysin" der Firma Georg Henning, Berlin.

Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der Methämoglobinvergiftung

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Page 1: Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der Methämoglobinvergiftung

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Leipzig. (Direktor: O. Gros.)

Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der Meth~imoglobinvergi~tung.

Von F. Hausehild.

Mi~ 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. November 1936.)

In einer friiheren Mitteilung iiber die Wirkung einiger Redoxfarbstoffe bei Zust~nden gestSrter Atmung 1 - - ira besonderen fiber die des Katalysins* (Thionin) bei der Meth~moglobinvergiftung - - konnte berichtet werden, dal] diesem unter dem Namen L authsches Violett bekannten Farbstoff im T i e r v e r s u c h eine a u s g e s p r o c h e n e W i r k u n g als A n t i d o t bei der V e r g i f t u n g mi t Me th~mog lob in bi ldencien S u b s t a n z e n zu- kommt . In diesen Untersuchungen wurde festgestellt, dab das Katalysin die Giftwirkungen tSdlicher und iiber~Sdlicher Dosen, z.B. von Natrium- nitrit, vSllig zu behebea vermag. Methylenblau, dessert Muttersubsta.qz ja das Katalysin darstellt, wirkte in gleicher Weise, wKhrend Redoxfarb- stoffe, deren E h in wesentlich ande~en Bereichen lag (Neutralrot, Kresol- indophenol), keine Wirkung zeigten.

Die in friiheren Untersuchungen 1 ausgesprochene Vermutung, dal] das Katalysin das atmungsuntaugliche Meth~moglobin (Met-Hb) auf dem Wege eines ,,Nebenatmung" zu ersetzen vermag, bedusfte noch der experi- mentellen Stiitze. Des Zweck des vorliegenden Untessuchungen war es, festzustellen, ob die dutch die Meth~moglobinKmie bedingte St5rung des O2-Versorgung und das sich somit entwickelnde Vesgiftungsbild dutch eine ,,Nebenatmung" giinstig beeinfluitt wisd odes ob alas Meth~moglobin wieder zu atmungstaugl.iche m E~moglobin zustickveswandelt wird.

Wenn man sich fsagt, auf welche Weise als Redoxsysteme im Organis- mus wirkende Vesbindungen in die Vosggnge des Sauerstofftranspostes eingreifen kSnnen, so gibt es prinzipiell zwei MSglichkeiten: Die Sub- stanzen kSnnen sich ~hnlich dem Hb mit Sauerstoff beladen und diesen a.n anderen Stellen in die Gewebe abgeben. Aul~es dem Hb und dem H~mocyanin der wirbellosen Tiere sind bisher derartige Stoffe nieht bekannt. Fiir die seversiblen Redoxsysteme yore Typus des MB odes tier Sulfhydril- k5rper kommt eine derartige direkte Sauesstoffiibertsagung nicht in Frage, deren Wiskung ist im Sinne des Wielandschen Dehydrierungstheorie in der F~higkeit begriindet, Wasserstoff sevessibel aufzunehmen und ab- zugeben. Das Ausmal~ dieser Wechselwirkungen ist dutch alas l~eduktions-

1 Hausehild, F. : Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 182, 118 (1936). * ,,Kat~]ysin" der Firma Georg Henning, Berlin.

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und Oxydationspotential dieser Substanzen im jeweiligen Milieu bestimmt. Die F~higkeit derartiger Redoxystoffe, in die Verbrennungsvorg~tnge des Organismus einzugreifen (und sie zum Teil auch ira physiologischen Verlauf erst zu erm5glichen) ist dutch zahlreiche Untersuchungen sichergestellt ( B s r r o n , C o n n a n t , H a r r o p , H o p k i n s , L. M i c h a e l i s , O. W a r - b u r g u.a.). Diese Versuche wurden durchweg in v i t r o , d .h . in Zell- suspensionen, Gewebsschnitten, Erythrocytensuspensionen usw. durch- geftihrt und gesichert.

Auf Grund dieser Erkenntrdsse lag es nahe, die Wirkung derartiger Redoxverbindungen such therspeutiseh in bezug auf den in seiner inneren Agmung gestSrten Orgsnismus zu verwerten. Im besonderen bei der Blau- s~ure- und Kohlenoxydvergiftung sowie bei krankhaften Prozessen (Herz, Lunge), welche die Sauerstoffversorgung des Orgsnismus mindern (Ge ige r , M.M. B r o o k s , D e u t s c h und Weis s , G r o s s k u r t h und H a v e m a n n , R. v o n den V e lden , B e c k e t , K e m k e s u. a.2-s), wurde dieWirkung des MB und des Katslysins untersucht. Jedoch sind diese Befunde nicht un- sngefochten geblieben und es fehlen bisher noch immer geniigende Unter- suchungen, um die Wirkungen dieser Fsrbstoffe bei derartigen StSrungen des Os-tIaushaltes sicherzustellen. Ich wghlte deshalb fiir meine tier- experimentellen Untersuchungen die a kt~te Met-Hb-Vergiftung als experi- mentell besonders gut fal~baren Zustand gest5rter Atmung. Es war sn- zunehmen, dal] da.s Ka~slysin bei diesem Vergiftungszustsnd, falls es eine ,,I~ebenatmung" erm5glicht, begiinstigend in den Verlauf der Vergiftung eingreifen wiirde.

Phsrmacs, welche imstande sind, ohne sch~digende Nebenwirkungen die Met-Hb-Vergiftung spezifisch zu beeinflussen, sind seither nicht be- ksnnt. Wohl gelingt es ira Resgensglas durch Reduktionsmittel dss Met-Hb. in zweiwertiges Hb zuriickzu.bilden, jedoch in vivo kSnnen derartige Stoffe nicht verwendet werden, da der Reduktionsvorgang ein zu universe]let und vor allem irreversibel ist. S s k u r a i 9 untersuchte den Einflul~ yon Natriumthiosulfat und 0rganextrakten auf die Met-Hb.-Vergiftung bei Kaninehen und Kstze, jedoch kam dem Thiosulfat gegeniiber hSheren Dosen der Met-Hb-Bildner keine und gegeniiber geringeren Dosen such nur eine geringfiigige Wirkung zu. O. W s r b u r g und Mitarbeiter 1~ konnten zeigen, dsf~ durch Amylnitrit in roten Blutk5rperchen in v i t r o gebildetes Met-Hb Kohlehydrat oxydiert und dabei selbst reduziert wird. Des- gleiehen konnten O. W a r b u r g und F. K u b o w i t z 1~ zeigen, dal] MB,

2 Geiger: J. amer. reed. Assoc. 101, 269 (1933). - - a Brooks, M.M.: Amer. J. of Physiol. 102, 145 (1932). - - 4 Deutsch u. Weiss: Wien. klin. Wschr. 1934, S. 618. - - 5 Grosskurth u. Havemann: D~sch. med. Wschr. 1935, S. 41, 1629. __ 0 Velden, R.v.d. : Ebenda S. 1634; Fortsehr. d. Therap. 1936, Heft 3. - - 7 Becket.." Med. Welt 12, 411 (1936). - - s Kemkes: Dtsch. reed. Wschr. 1935, Nr. 49. - - 0 Sakur~i: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 109, ~ (1925). - - 10 War- burg, O., F. Kubowi~z u. W. Christian: Biochem. Z. 227, 245 (1930). - - tl War- burg, O. u. F. Kubowitz: Ebenda 221, 294 (1930).

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460 F. HAUSCtHLD :

roten Blutzellen zugesetzt, Met-Hb bildet. Auf Grund diesex' Befunde erklgren die Antoren die MB-Wirkung an lebenden Zellen durch die Fs keit des MB, das Ferroeisen des I-Is zu Ferrieisen zu oxydieren, wobei das entstandene Ferrieisen (Met-Hb) die organisehe Substanz oxydiert und zur Ferrostufe reduziert wird. Aueh L. Miehael i s und Sa lomon 12 u. a. bestgtigen diese Befunde und zogen noch andere Redox- farbstoffe in ihre Untersuehungen ein. Sie zeigten die Abhingigkeit des Ausmal]es der Met-Hb-Bildung yon dem Potentialbereich dieser Farb- stoffe. M. M. BroolCs 13 kommt neuerdings zu dem Ergebnis, dab das MB in v ivo k e i n M e t - H b - B i l d n e r sei. G r o s s k u r t h u n d H a v e m a n n s konnten bei Katalysin ebenfalls ke ine Met-Hb-Bildung feststellea. Es mSchte zun~ehst paraAox erscheinen, von Farbstoffen, wdche selbst Met-Hb-Bfldner sind, eine Wirkung bei der Met-Hb-Vergiftung zu er- warten. Jedoch zeigte sieh in den Tierversuchen speziel] mit Katalysin, da{~ diesem Farbstoff eine therapeutisehe Wirkung zukommt. D~e in den frfiheren Versuchen ausgesprochene Vermutung i, da~ das Katalysin das atmungsuntaugliche Met-Hb auf dem Wege einer Nebenatmung zu ersetzen vermag, bestatigte sieh in den folgenden Untersuchungen nieht, obwoh| damit nicht gesagt sein darf, dal~ derartige Vorgange hierbei eine Rolle spielen kSnnen. Es zeigte sieh vie]mehr in den folgenden quantitativen Untersuchungen fiber den Met-Hb-Gehalt des Blutes vergifteter Tiere mit und ohne Katalysinbehandlung, 4all dem K a t a l y s i n die E igen- s cha f t zakomm~, in v ivo das M e t - H b zu a t m u n g s t a u g l i c h e m t t b z u r i i c k z u v e r w a n d e l m

Experimenteller Teil.

Methodik.

Die quantitative Bestimmung des Met-Hb erfolgte dutch Messung der Atmungskapazit~t des Blutes mittels der Ferrieyanidmethode nach H a ] d a n e - B a r c r o f t in der ~odifikation nach S t ad i e in. Es war immerhin and insbesondere bei den Versuchen in vivo die MSglichkeit gegeben, dalJ sieh der Hb-Gehalt des Blutes im Versuehsverlauf ~nderte. Es wurde deshalb laufend am Stufenphotometer der Hb-Gehalt des Blutes dutch Umwandlung des Hb iiber Met-Hb in Cy~nhimoglobin bestimmt. Aul~er- dem wurde jeweils am Mikrospektroskop der Meth~moglobinstreifen beob- achtet.

Die Bestimmung der Atmungskapazit~t er{olgte teils am Barcroftschen Differentialmanometer, teils an der Warburg-Apparatur mit entsprechenden Schiittelgef~en, welche die Zugabe des roten Blutlaugensalzes gestatten. Es wurde defibriniertes Blur oder Oxalatblut verwendet: Nach Ermittelung der Gef~$- k0nstante kamen in die Schiittelgefs jeweils 2 ccm CO~-freier Ammoniakl6sung

13 Michaelis, L. u. Salomon: Bioehem. Z. 234, 107 (1931). -- is Brooks, M.M.: Proc. Soe. exper. Biol. u. Med. 81, 1134 (1934). - - 14 Stadie, W. C.: J. of biol. Chem. 41, 1 (1921). ....

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Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der Methgmoglobinvergiftung. 461

und 1 ecru Blur. 0,2 ccm einer frisehen, kalt gesgttigten KaliumferricyanidlSsung wurden zugegeben und bei Zimmertemperatur gemessen. Zur Ermi t t lung des Gesamthgmoglobins der Blutproben wurden 0,3 ccm des Oxalatblutes mit Wasser auf 5 cem verdiinnt, yon dieser LSsung 2 ecru abpipett iert und mit 0,25 ccm 0,5%igem Ferricyankalium versetzt. Nach 15 Minuten wurden 0,25 ccm 0,1%iges Cyankali zugegeben, rnit Wasser auf 10 ccm aufgefiillt und am Stufenphotometer bei 0,5 cm Sehichtdicke und Fi l ter $57 abgelesen. U m absolute I-l/imoglobinwerte zu erhalten, muBte zungchst der mitt lere Faktor dureh Vergleieh mit der Methode nach H e i l m e y e r 15 ermittel t werden. Die Genauigkeit war befriedigend. Es er- gaben sich z. ]3. fiir versehiedene ]3estimmungen folgende Werte:

Bhlt: i IV V i Vl VII ii VIII I r I

Hb-Werte nach H e i l m e y e r 10.3 13,1 i 12,4 i 10~6113,7 Hb 'Wer te nach 8 t a d i e . . 9,8 12~9 11 ,9110,7114,1 Hb-Werte manometriseh . . 10~1 13,1 12,5 11,1 i13.8

I II III

12,6 13,7 13,7 12,5 14,0 13,4 12,9 13fl 13fi

T a b e l l e i.

Kaninchen, 0,14g/kg NaNO 2 s.c., naeh 1 Stunde ]81ut entnommen und Rtick- bi]dung mit und olme Katalysinzusatz extra corpus bestimmt.

Blur ohne Katalysin . . . . . . Spektroskopischer Naehweis . .

Blur mit Katalysin . . . . . . Spektroskopiszher Naehweis . .

5 Min. nachl Naeh 105 Nin. Naeh 240 Min. ] I{iiek- Entnahme ! bildung i

i

74 68 + + + +

60 34 + 4 - +

63 15% + +

22 63 % 9

Zu d e n T a b e l l e n : Die Zahlen bedeuten stets O/o Met-Hb des Gesamtblutfarbstoffes. Die + geben die Intensiti~t des Met-Hb-Streifens im Spektrum an: + + sehr deutlich nachweisbar; + sieher nachweisbar: ? unsieher nachweisbar; -- nicht nachweisbar.

T a b e l l e 2.

Zwei Kaninchen, 0,08 g/kg N a N O 2 und einem Tier 80 ~ i n u t e n na(:h Injektion 0,5 ccm 0,4~oiges Katalysin i . v .

45 Min. nach 90 Min. nach 135 3iin. naeh Injektion Injektion Injektion

i

Tier ohne Kaialysin . . . . . . . 25 Spektroskopiseher Nachweis . . . . . +

Tier mit Katalysin . . . . . . . . 39 8pektroskopiszher Naehweis . . . . i +

44 +

0

27 +

18 9

T a b e l l e 3.

i 45 Min. nach 90 Min, nach 135 Min. nach In j eMion I n j e k t i o n I n j e k t i o n

Tier ohne Katalysin . . . . . . . i 69 61 56 Tier mit Katalysin . . . . . . . . 36 37 39

Eines der beiden Kaninchen erhielt vor der Nitr i t injektion 2 ccm Katalysin i. v. Beide Tiere erhielten 0,1 g/kg NAN02 subcutan injiziert.

15 H e i l m e y e r , L. :Med. Spektrophotometrie, S. 86. Jena, Gust. Fischer, 1933. Archly f. experiment. Path. u. PharmakoL Bd. 184. 30

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462 F. HAusemzD:

V e r s t l e h e .

I. V e r s u e h e an K a n i n e h e n .

A. 1 Kaninehen erhielt 0,14 g/kg einer 5~igen Natrimnnitritl6sung subeugan injiziert. 1 Stunde naeh der Injektion wurden 20 eem Blur s~eril engnommen, die H~ilfte davon wurde mit 0,5 ecru Katalysin (0,2~o) versetzt, tier Best des Blntes diente zm' Kontrolle der Spontanriiekbildung. Das Ergebnis ist aus Tabe!le I zu ersehen. Es ergab sich, dat~ in dem Bht~, ig welehem sieh in v ivo 5Iet-I-Ib d u t c h N a t r i u m n i t r i t b i l d e t e , die g i i c k b i l d u n g des M e t - I I b d u t c h K a t a l y s i n in v i t r o innerhalb t 8tunden gegeniiber der Spontanrtiekbildung d e u t l i e h b e s e h l e u n i g t ist. Aueh spektroskopise h liel3 sieh diese l~iiekbildung dureh das all~n~&liehe Abblassen des Met-tIb-St.reifens erkennen.

B. 2Kaninehen erhielten je 0,1 g/kg NAN02 subeutan injiziet% 45 Mimlten naeh der Injektion wurde beiden Tieren aus der Ohrarterie

i ' U I

"1oOO 10~0 lO~O 11oo 1/o mo i2oo q2so q290 73oo

Abb, 1.

Blur entnommen und das Met-Hb bestimmt. 80 Minuten naeh der In- jektion wurde dem einen der beiden Tiere 0,5 eem Katalysin (0,4 %) intra- venSs injiziert und der le tJgb-Gehal t jeweils noeh zweimal bestimmt. Das mit Kat.alysin behandelte Tier wies 10 Minuten naeh der Injektion iiberhaupt kein Meth~moglobin im Blur mehr auf, das Blur war hellrot, arteriell gefs und spektroskopiseh Met-Hb nieht mehr naehweisbar (s. Tabelle 2).

Desgleiehen zeigten Kaninehen, welehe mit Ka~alysin vorbehandelt waren, einen geringeren Met-Hb-Gehalt des Blntes a]s die Kongrolltiere (s, Tabelle 3).

C. In anderen Versuehen erhiel%en die Tiere tSdliche Dosen yon Nitrit (0,15 und 0,17 g/kg) injiziert und in bestimmtell Abstiinden wurde oder Met-ttb-Gehalt ermittelg. Einige Tiere erhielten naeh Eintritt voiler Seitenlage eventuell wiederholt Katalysin injiziert. Die Kurven (Abb, !) geben ansehaulich wieder, dab naeh tier Katalysininiektion der Met-Hb- Gehalt stark absinkt, wiihrend die mabehandelten Tiere s~mtlieh bis zum Exi~us st~indig ansteigende Met-I-Ib-Werte zeigten.

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Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der ~iethtimoglobinvergiftung. 463

2. V e r s u c h e an K a t z e n .

A. N i t r i t - D a u e r i n f u s i o n .

Die Versuehe an kiinstlich beatmeten, dekapitierten Katzen, welehe Natriumnitrit als Danerinfusion erhielten, ergaben, dag aneh bier dutch Katalysininjektion, obgleieh die Nitritinfusion nieht unterbrochen wurde, ein deutliehes Absinken des Met-Hb-Gehaltes des Blutes stattfand. Die ][nderungen des Gesamthgmoglobingehaltes, die bier w~ihrend der Versuehs- dauer zwisehen 2--10 ~o betrugen, wurden natiirlieh bei der Bereehnung beriieksiehtigt.

Aus einer Anzahl yon Versuehen folgt ein Protokoll:

V e r s u c h v e t o 11. S e p t e m b e r 1936.

IKatze, 2650 g.

i Spektro- i Eingel. 3tct-Hb [NAN0 2-

Zeit in 01o skopischer Merit6 in Naehweis [ g/kg/Std. !

9~5 h

10~

! 0 ~

t l i0 11">5 11~5

ll~'J 12~o 12 m 12~a

Katze erh/ilt O,18~[kg Avertin per os. Nach Ein~ritt der Na,'ko.~e 0pera, ion: Je eine Kaniile wurde in Car, t is und Ju_~ularis e,n- gele~t, anschliel~end das Tier kiinstlieh be- atmet und dekapit ier t

En tnahme einer normalen Blutprobe aus der Carotis . . . . . . . . . . . . . . .

t3egi, u der Dauerinfusion (0,03 g Na N O,)/kg/Slbd. in 0 .3%iger Lhsung)

Bluteatnahme . . . . . . . . . . . . . . . 34 , . . . . . . . . . . . . . . 4[ ,, ~ Herz schlecht, Coramin, Epheto- 71

! nal subcutan 82 2 ecru Katalysia (0,i %) i, v. Bluteat, ,ahme . . . . . . . . . . : . . . . 66 2 ccm Ka~alysin Blutentnahme, Farbe des Blu~es deutlieh ]miler ~t2

0 , 0 - - 0 , 0

+ o,0125 + 002

-}- -F O.q3 + + 0,035

+ + 0,0425

+ 0,05

B. V e r s u e h e m i t A n i l i n , N i t r e b e n z o l , p - A m i n o p h e n o l .

Zwei Katzen erhielten je 0,05 g/kg A n i l i n e h t o r h y d r a t in 3~oiger Lhsung subeutan injiziert. Anschliel3end wurde in leiehter Avertinnarkose in Carotis und Jugularis je eine Kaniile eingelegt und wghrend des ganzen Versuehes dureh Reetidon die Narkose weiterhin aufreehterhalten. Alle 30 Minuten wurde Blur entnommen trod das ~et-Hb bestimmt. Eines der beiden Tiere (Tier II) erhielt dann Katalysin, das andere blieb unbe- handelt. Der Gesamthiimoglobingehalt des Blutes, welches jeweils bei allen Blutentnahmen bestimmt wurde, gnderte sieh nut wenig (maximal 4%).

Bei diesen Versueben war auffallend, dag die flaehe Atmung der Tiere dutch die Katalysininjektion (natiirlieh so welt sJe nieht kiinstlieh beatmet waren) fast augenblieklieh bedeutend gebessert wurde. Aueh war die hell- rote Farbe des Blutes naeh der Injektion derartig atfffallend, dal~ aueh

39*

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464 F. HAUSCt:IILD :

V e r s u e h y o r e 15. S e p t e m b e r 1936.

2 K~tzen , s. auch Kin ' re , Abb . 2.

Zeit

1015 l~

i11'~ 1 l ~ 12~e 12v~

12~ 1312

13~2 15~,~

' 3Iet-Hb-GehMt i Spektroskopi- in O[o I scher Nachweis

Tier I Tier I I i Tier I IT ier II

Injekt ion yon je 0,05 g/kg Anil inchlorhydr~t . AnschlieBend Averti~ per os uad nach Eintritt dot" Narkose Kznfilen ia Curogis und Jugularis eingefiihrt

Beiden Tieren Blur en~nommen . . . . . 30,0 ,, . . . . . , . . . . . 40,4

. . . . . . 41,0 Tier I I 2 ccm K~t~lysin in~r~ven6s~ Atmung

sofort besser 40,0 Blutentnahmen Blur II arteriell gefkrbt 41.5

Tier II"l cem Katalysin iatraven6s Biutentnahmen . . . . . . . . . . . . . 48.5

,, . . . . . . . . . . . . . 52,0

_ • t I 1 J

- , y T~wl~!o.~i ~ z ~ ( X ~

2 3 4 5 2 t d

Abb. 2.

I

' i

31,0 + + 35,0 + + 36,0 § ..L

5,0 + - -

6,0 § + - -

4,0 + + - -

m~kroskopisch kein Zweifel d~ran sein konnte, d~B zumindest em g~o~e~ Teil des Met-Hb zu~ckge- bildet wu~de.

Weitere Versuche, die mit N i t r o- b e n z o l und p - A m i n o p h e n o l dttrchgefiiJhrt wurden, gabea die gleichen eindeutigen Resultate. Die

Kurven (Abb. 3) zeigen, d~B in beiden F~llen nach der Katalysininjektion der Met-Hb-Gehult des Blu&es der Tiere I u n d I I I zu~iickging, w~hrend er bei dem zun~chstunbehandelten Tier I I bis zur Katalysininjektion vor

8O %

66

2~

L I - ' o, 05g/~g p-zh.opho.o/(nor }uod~)

!

Dy r r 12 ;'3 i~

Abb. 3.

Beendigung des Versuches recht hoch war, naeh dieser Injek~ion (12.28 Uhr) jedoch auch erheblich zuriickging. Diese Befunde wurden ebenf~lls dutch die spektroskopische Kontrolle gestiitzt. N~ch der Ka.t~lysininjektion war der Met-I-Ib-Streifen tefis nut noch schwach, ~eils nicht mehr zu sehen.

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Die Wirkung des Katalysins (Thionin) bei der M.eth/imoglobinvergiftung. 465

Bespreehung der Untersuehungen.

In den v o r l i e g e n d e n V e r s u c h e n k o n n t e geze ig t we rden , dag das K a t a l y s i n (und auch das MB) das Me t - t I b v e r g i f t e t e r Tiere z u r i i c k z u b i l d e n ve rmag . Dieser Befund unterstiitz~ die Er- gebnisse einer friiheren Un~ersuehung 1, in welcher gezeigt werden konnte, daI~ dieser Farbstoff bei mit tSdlichen Mengen Met-tIb-bildenden Sub- stanzen vergifteten Tieren (Ratte, Ka~ze, Kaninehen) einen 5,ugerst giinstigen Einflul~ auf den Vergiftungsverlauf zeigt und als Antidot bei diesen Vergiftungen bezeiehnet werden kann. Es konnte in diesen friiheren Untersuehungen augerdem festgestell~ werden, dab dem Katalysin im Gegensatz zum MB eine zentral erregende Wirkung zukommt (A~em- zentrum). Diese beiden Befunde verdienten eingehendere Besehgftigung mit dem Verhalten dieses Farbstoffes und anderer Redoxsubstanzen. !

Um einen Einblick in diese Veshgltnisse zu bekommen, mugte eine quantitative Methode der Met-Hb-Bestimmung herangezogen werden. Spektrophotometrisehe Bestimmungen waren aus gul3eren Griinden leider nieht mSglieh uM so wurde der Weg der manometrischen Bestimmung gegangen. Es zeigte sieh in Vorvessuehen, dal] sieh mi t dieser Methodik einwandfreie Messungen durchfiihren lieBen und die Gegenwart des Redoxstoffe nieht st6ste. Wurde Tieren in vivo die therapeutisehe ~enge Katalysin injiziert und ansehliegend die Sauerstoffkapazitgt des Blutes mehrmals und in zeitliehen Intervallen aueh naeh li~ngerem Stehen gemessen, so ergaben sieh stets die gleiehen O2- und Hb-Werte, die dureh- aus innerhalb des Fehlergrenzen lagen, l/let-Hb-Bildung konnte n i e h t festgestellt werden. Die Messungen selbst wusden stets bei Zinmaertempe- ratur (etwa 18 ~ vorgenommen. Als KontrolIe diente neben der makro- skopiseh naeh einiger Ubung secht gut aus des Braunfgrbung des Bhttes zu sehgtzeMen Intensitg~ der Met-Hb-Bitdung noch des spektsoskopische Naehweis, der ja aueh grobe quantitative Schglbzungen zulgl3t. Es konnte die manometrisehe Bestimmung hierdureh gestiitzt wesden. War der Met-Hb-Gehalt z. B. um etwa 30 ~o gesunken, so sah man aueh an der helleren Blutfarbe und im Spektsoskop ziemlich sieher die Abnahme des ~Iet-Hb. Die letzte Stiitze erhalten diese Befunde nun noeh dureh den Tierversueh, weleher jeden Untersueher yon des einwandfreien Wirkung der Katalysininjektion beim stark vergifteten, in Seitenlage befindliehen. Tier tiberzeugt.

Die bier vorliegenden Zahlen zeigen, da$ in jedem Fall dareh Kata- lysininjektion betr/~ehtliehe 3iengen des voshandenen Met-IIb versehwin- den. Was keiae zu starke Vergiftung gesetzt, so wurde praktisch alles 5{et-Hb zuriickgebildet. Bei einem Met-Hb-Gehalt yon maximal 40--45 ~o alrf der HShe cler Vergiftung mit untestSdlichen Dosen seheint die Injektion yon wenigen ccm Katalysin oft zur fast vSlligen Riickbildung geniigen. War der Met-Hb-Gehalt h6her, so gingen die Werte dutch gleiche und

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4=66 ! ~. HAUSCHs :

gr61~ere Desert Katatysin auf etwa 25--40 ~ herunter. Diese Dinge mfissen a n dieser Stelle betont werden, da ]a dutch die Untersuehungen yon O. W a r b u r g und Mitarbeitern, L. Miehael is u. a. gezeigt wurde, daI~ das dem Katalysin so ~hnliche MB sowie andere Redoxyfarbstoffe im Blute in v i t ro Met-tIb bilden und dadurch ein gewisser Widerspruch zu den vorliegenden Ergebnissen gefolgert werden kSnnte.

M. M. Brooks I~ vertritt die Auffassung, dag MB in r i v e kein ~[et-Hb-Bitdner sei und die Entgiftung bei Cyanidvergiftungen nich~ dureh die ~llet-Hb~Bildung erkliirt werden kSnnte. Sic erklart die Tatsaehe, dag nach Iniektion yon MB Met-Hb in nennenswerter Menge nieht naeh- zuweisen sei im Sinne O. W a r b u r g s damit, clal~ in vivo gebildetes Met-Hb dm'ch die Glucose sofort wieder in Hb verwandelt wiirde und stellt sich damlt in Gegensatz zu den Untersuchungen Wende l s 16. L. Michael i s und Sa lomon 17 fanden, daft in vitro die Oxydation des Hb zu Met-Hb dutch Mb nieht zu Ende geht, sondern an einem nieht gut reproduzierbaren und nieht dutch ein thermodynamisehes Gleichgewicht bestimmten Punkte stehen bleibt. C o n n a n t is hat gezeigt, dab eine Mischung yon tIb und Met-Hb sieh annghernd wie ein reversibles Redoxsystem verhMt und ein. einigermaften gut definierbares Potential zeigt. Ko ich i ro Sa i to is zweifelt an der Existenz eines l~edoxpotentiales im System tIb/Met-Hb. Diese Dinge sind also aoch keineswegs Mar und noeh durehaus im Fluid. Es erscheint jedoch wahrseheinlich, dab das Kata]ysin in den vorliegenden F~llen als Redoxkatalysator wirkt, clabei das Meth~moglobin reduziert und sieh ieweils ein Gleichgewieht zwischen dem System Thionin/Leuko- thionin und Hb/Met-tIb zugunsten des l ib einstellt. Ob dabei die Re- duktionskatalyse im Sinne O. W a r b u r g s atff dem Weg fiber das Kohle- hydrat stattfindet oder ob noch andere Faktoren hierbei eine Rolle spiden, bedarf noch weiterer Untersuchungen. Glueoseinjek~ionen atlein vermSgen jedenfalls naeh eigenen Versuchen meht rettend in den Vergfftungsverlauf einzugreifen, ebenso kommen anderen Bedoxsubstanzen wie dem Gluta- thion, der I-Ascorbinsgure usw. bei der ?r keine besonderen Wirkungen zu.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Mittels 4er manometrischen Methode warde die Einwirkung des Katalysin (Thionin) au:f alas Blur bei der Methgmoglobinvergiftung i n vivo untersueht und dcr jeweilige Meth~moglobingehalt quantitativ ermittelt.

Im Einldang mit friJheren BefuMen komate festgestellt werden, dal3 das Katalysin und das ibm verwandte Methylenblau in r i v e das Met- h~moglob in zu r f i ckzub i lden vermSgen. Daraus erkl~rt sieh die bisher unbekannte Wirkung des Katalysins als ungiftiges Antidot bei der Methg,mo- globinvergiftmlg.

~6 Wendel, W.B.: Science, New York 2, 381 (19340; J. of Pharmacol. 54, 283 (1935). -- ~7 Miehaelis, L.: Oxydations- und Beduktionspotentiale, S. 205. Berlin, Jul. Springer, 1933. - - is Connant: 3. of biol. Chem. 62, 595 (1925). -- ~9 Saito, Koichiro: J. B]ochem. 22, 409 (1935).

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Die \Virkung des Katalysins (Thionin) bei der Mevh~imoglobinvergifiung. 4:67

In Versuehen an Katzen und Kaninchen, welehc lnit N i t r i t , An i l in , N i t r o b e n z o l und p - A m i n o p t t e n o l vergiftet waren, liel3 sich diese Wirkung sieherstellen. Wurden toxisehe, aber nietlt t6dliche Dosen der Met-IIb-bildenden Stoffe injiziert, so dag der Netl!.gn:loglobingel~.alt auf der H6Jae.der Vergiftung etwa ~0--50~ betrug, so war dureh wenige ecru Ka~alysin oft sehon 10l~Iinuten naeh der Injektion praktiseh all,es ~fe~hgmoglobin zuriiekgebilde~. Bei 56herem 5iet-!Ib-Gehalt war die Riiekbildung entspreehend geringer, be~rug aber immer miudestens 50 ~ o des gesam~en Met-Hb. , , P r o p h y l a k t i s e h e : ' Kataiysininjelc~ionen wirkten ebenfalls giinstig und hemmten die Methiimoglobinbildung.

Es erseheint wahrscheil~lieh, dab das Kat.alysin il~ Form des reversiblen Redoxsystems Thionin/Lsukot.hionin reduzierend auf das Mct.]~iimoglobin wirkt und das System Hb/Met-Hb zugunsten des Itb verschiebt, eventuell auf dem Weg tiber die Glucose im Sinne Warbu rgs . Die zentral er- regende Wirkung dieses Farbs~offes wirkg siel~er ebenfalls beg~nsgigend auf den Vergifgungsverlauf. Weitere Untersuehungen zur KI~rung des WJrkungsmechanismus sind im Gange und erseheinen wtinsel~enswert..