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III. Arbeiten aas dem Pharmakologisehen Institut zu GSttingen. 2. Reihe. 25. Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. (Ein Beitrag zur Tonusfrage.) Yon Dr. Konrad Zueker. (Mit 2 Abbildungen und 7 Kurven.) (Eingegangen am 4. VIII. 1922 ) ~o Seitdem die Untersuchungen yon Botazzi(3) und Joteyko die Ansieht aufgebracht hatten, dab die schnellen Zuckungen des Skelett- muskels die Funktion der quergestreiften Fibrillen und die langsame Verkiirzunff and besonders die liinger dauernde Erhaltung tier Ver- ktirzung die Ti~tigkeit des sarkoplasmatisehen Anteils im Muskel sei, bauten spi~tere Arbeiten tiber den Tonus des quergestreiffen Muskels zum groBen Teile auf dieser Theorie weiter auf. -- Seitdem ferner yon Boeke (1) der anatomisehe Nachweis erbracht wurde, dab sieh aueh im Skelettmuskel marklose Iqervenfasern mit hypolemmal ge- legenen Endorganen fiinden, sehien es gegeben, diese mit einer Inner- ration der tonischen Komponente des Muskels in Verbindung zu brinffen. -- So viele Aatoren sieh nun seither mit dem Problem des Muskeltonus bzw. mit dessen Innervation befaBten, so viele Mei- nunffen fast werden vertreten, und ebenso viele experimentelle Me- thoden zur Klarung der Frage herangezogen. Besonders sind es in neuerer Zeit Arbeiten yon Frank (4, 5~ 6), die unter Anwendung verschiedener Methoden die Theorie zu sttitzen sachen~ dag alas parasympathische blervensystem fiir den Tonus in Frage komme, wiihrend de Boer(2) auf Grund seiner Untersuchungen den Sympathikus dafiir verantwortlich maeht. Riesser(21 ) fordert vor allem eine ein-

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

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Page 1: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

III.

Arbeiten aas dem Pharmakologisehen Institut zu GSttingen. 2. Reihe.

25. Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel.

(Ein B e i t r a g zur Tonus f rage . )

Yon

Dr. Konrad Zueker .

(Mit 2 Abbildungen und 7 Kurven.)

(Eingegangen am 4. VIII. 1922 )

~o

Seitdem die Untersuchungen yon Botazzi(3) und J o t e y k o die Ansieht aufgebracht hatten, dab die schnellen Zuckungen des Skelett- muskels die Funktion der quergestreiften Fibrillen und die langsame Verkiirzunff and besonders die liinger dauernde Erhaltung tier Ver- ktirzung die Ti~tigkeit des sarkoplasmatisehen Anteils im Muskel sei, bauten spi~tere Arbeiten tiber den Tonus des quergestreiffen Muskels zum groBen Teile auf dieser Theorie weiter auf. - - Seitdem ferner yon B o e k e (1) der anatomisehe Nachweis erbracht wurde, dab sieh aueh im Skelettmuskel marklose Iqervenfasern mit hypolemmal ge- legenen Endorganen fiinden, sehien es gegeben, diese mit einer Inner- ration der tonischen Komponente des Muskels in Verbindung zu brinffen. - - So viele Aatoren sieh nun seither mit dem Problem des Muskeltonus bzw. mit dessen Innervation befaBten, so viele Mei- nunffen fast werden vertreten, und ebenso viele experimentelle Me- thoden zur Klarung der Frage herangezogen.

Besonders sind es in neuerer Zeit Arbeiten yon Frank (4, 5~ 6), die unter Anwendung verschiedener Methoden die Theorie zu sttitzen sachen~ dag alas parasympathische blervensystem fiir den Tonus in Frage komme, wiihrend de Boer(2) auf Grund seiner Untersuchungen den Sympathikus dafiir verantwortlich maeht. Riesser(21 ) fordert vor allem eine ein-

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 29

gehendere Kenntnis der tonischen Funktion als solehor und lal]t die Frage einer besonderen Innervation zunaehst ii~ den Hintergrund treten. - - Arbeiten, die sieh strikte gegen Franks Auffassung wenden, wurden ktirz- lich yon Kahn(14)~ Spiegel(26) und besonders yon Hansen, Hoff- mann und Weizsaeker(10) unternommen; augerdem kam v. Kries (15) auf Grund mehr theoretiseher Betraehtungen und Zusammenfassung der Resultate vieler anderer Arbeiten zu einer Ablehnung der Franksehen Auffassung. Xhnlieh aueh H. H. Meyer (18).

In einem Te'il dieser und noeh anderer Arbeiten spielt das Phy- sostigmin mit seiner sehr interessanten Wirkung auf den Skelett- muskel eine bemerkenswerte Rolle. m Auch hier finder sieh eine Ftine widerspreehender Ansiehten, und zwar sehon in alteren Ar- beiten, in denen noeh keine Stellung zum Tonusproblem genommen wurde, sondern in denen mehr der Frage naeh dem Angriffspunkte des Giftes naehgegangen wurde.

Harnaek und Witkowsky(9) nehmen als Angriffspunkt des Phy- sostigmins wenigstens am FroschmuskeI die kontraktile 8ubstanz selbst an. Rothberger (22): der am Warmbltiter arbeitet% sieht ihn in tier moto- rischen I~erven-Endplatte. Magnus (17) findet ihn am Y~ervenende. Znm gleiehen Resultat kommt Ftihner (7) flit alas Guanidin am Froseh, welches Gift naeh Frank bei Kaltbltitern die gleiehe Wirkung ausiibt wie alas Physostigmin am Warmbltiter. Frank selbst nimmt far alas Physostigmin im AnsehluB an Langleys Konzeption eine rezeptive neuromuskulare Substanz als Angriffspunkt an, die er mit parasympathisehen l~erveu ver- kntipft denkt. - - Es kann nieht Wunder nehmen, dal] bei derart diffe- renter Auffassung auch die Physostigminphanomene in ihrer Beziehung zum Tonus ganz versehieden gedeutet wurden, zumal unter ,Tonus,, yon den einzelnen Autoren nieht immer das gleiehe verstanden wird.

Um mSgliehst wenig zu prajudizieren, m~ehte ieh im folgenden den Ausdruek Tonus unter Anlehnung an die Ausfiihrungen yon P a r n a s (20) in dem Sinne gebrauehen, dab er die reziproke Lange des Muskels wahrend eines ~nieht aktiven, Zustandes bedeutet, oder besser, weil allgemeiner: Die HShenlage seiner Dehnungskurve wKh- rend dieses Zustandes. Als ~nieht aktiv, wird der Zustand insofern betrachtet, als er dutch zentrale impulse auf der gewShnliehen moto- risehen Bahn nieht erkennbar hervorgebraeht oder ver~indert wird.

Die folgende Arbeit befal~t sieh, unabhangig yon theoretisehen Meinungen mit der Muskelwirkung des Physostigmins: Da ieh tier Ansieht bin, dab die letzte Erkl~rung der Physostigmineffekte am Muskel mehr oder weniger abhangig ist yon der Klarung des Terms- problems und nieht umgekehrt, so k~nnen aueh die bier erSrterten Ergebnisse keinen Ansprueh darauf erheben, einen Beweis fur oder gegen die Theorie eines selbstandigen, isolierten Tonus und dessen

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30 [H. KO~RAD ZCCK~m

eventueller innervafion zu geben. Die folgenden Versuche solien vielmehr zuniichst nut durch m(igliehste Abi~nderung der Versuehs- bedingungen die Kenntnis der Physostigminwirkung erweitem. Da jedoeh das Physostigmin einer der I-Iauptreprii, sentanten derjenigen Pharmaka ist, die in elektiver Weise den Tonus beeinflussen, so er- seheint die Hoffnung nieht unbereehtigt, dab diese oder jene Ersehei- hung f~rdernd zur Kliirung der Tonusfrage herangezogen werden kSnnte. ~ Bei dem jetzigen, aueh dureh meine Versuche erreiehten Stande unserer Kenntnisse ist es aber noch nieht m~glieh, die Summe aller ermittelten Tatsaehen dureh eine logisehe und lUekenlose Reihe yon Gedanken zu verkntipfen; und es ist im folgenden daher aueh nut soweit der Versuch dazu gemaeht~ a l s es sieh zwanglos ergab.

I I .

Das Physostigmin erzcugt in Doscn, die fur Tiere wie fiir den Mensehen noeh nicht toxiseh sind, am Muskel drei voneinander unter- scheidbare Symptome: 1. Die bekannte Erregbarkeitssteigerung', die sich dureh Senkung der Reizschwolle fur die gewtihnliehe Zuckung zu erkennen gibt, 2. eine Muskelrigidit~t oder Tonussteigerung, so dab die Bewegungen des physostigminierten Tieres unbeholfen und spastiseh erscheinen und sein Gang ~,wie auf Stt}eken,, ist ( t teubner 11), 3. cigentUmliche fibrill~rr oder faszikuP, tro Zuekungen, aueh ~Iuskel- sehwirren oder Muskelflimmern genannt. Diese Erseheinung wird bei Kaltbliitern vermiBt oder nnr sehr selten und inkonstant beob- achtet .

Die Erregbarkeitssteigerung fanden und studierten u. a. Harnaek und Wi tkowsky (9) am Frosch und am Warmbltiter, und zwar reizten sie dabei den Muskel direkt. Frank (6) stellte diese Erscheinung neuer- dings aueh am Mensehen bei indirekter Applikation dos elektrisehen Reizes fest, fand sie jedoch nur f~r den galvanischen und verneint sie ftir den faradisehen Strom. Sehr eingehend befaBte sieh Rothberger(22) m~t dor Wiederherstellung der Erregbarkeit des zuvor dureh Kurare gelahmten Skelettmnskeis durch Physostigmin; auch or reizto veto ~erven aus. Die tonussteigernde Eigensehaft des Physostigmins besch~ftigte n. a. be- senders Riesser(21). Er zeigte am isolierten Kaninehenmuskel~ dal~ der weiBe Muskel auf Physostigmin naeh Reizung nut mit einer erh6hten Zueknng reagierte, w~hrend am roten Muskel hierzu noch regelmafiig oine langdauernde Kontraktur im absteigenden Schenkel kam. Ferner studierto Frank den Muskeltonus am Mensehen und an Tieren u. a. aueh naeh Physostigmin und ihm antagonistiseh wirkenden Pharmaeis. Auf seine Er- gebnisse und SehluBfolgerungen wird sparer noeh kurz eingegangen werden. - - ~ber die fibrillaren Zuekungen nach Physostigmin sagt R o t h ber g e r, dab sie sehnell und sieher dureh geringe Mengen Atropin zn beseitigen

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 31

und danach aueh durch groi~e Desert Physostigmin nicht wieder-hervor- zurufen seien, l~ieht abet sistierten sie nach Kurare oder durch ChloraN narkose. - - H a r n a c k und W i t k o w s k y (9) zeigten (ebenfalls am Warm- bltitermuskel), im Gegensatz zu R o t h b e r g e r , dab die Muskelzuckungen dureh komplette Kuraresierung, wenn aueh zuniichst nieht, so doch bald darauf zum StilIstand gebraeht werden. - - Magnus ' (17) Versuehe be- wiesen in diesem Punkte dasselbe. Er stellte sie an Kaninehen an und zeigte daran aueh welter noeh~ daft die fibrilliiren Zuckungen nach kNerven- durchsehneidung noeh anhielten und bis zum 18. Tage naeh ~ervendurch- sehneidung durch Physostigmin wieder hervorzurufen seien. - - F r a n k stetlte fest, daI~ nieht nur der durch Physostigmin gesetzte Hypertonus~ sondern aueh die fibrilli~ren Zuckungen dureh Atropin (vgl. Ro thberger ) und Skopolamin zu beseitigen sind. Weiterhin fund er die glei~he Auf- hebung dutch Novokain, und zwar bereits in Dosen, die die motorischen bTerven noeh unbeeinflul~t l i e f t e n . - Sehi~ffer (23) fund diese Aufhebung auch naeh Adrenalin.

FaBt man die in der Literatur niedergelegten Ergebnisse zu- sammen, so ergibt sieh das Bedtirfuis nach Ergiinzung vor allem der Versuche am WarmblUter sowie naeh einer Aufkliirung des Unter- sehiedes zwischen Warm- und Kaltbliiter bezliglich des Auftretens der fibrilliiren Zuekungen.

III. Methodisches. Zu meinen Versuchen w~hlte ich aufer FrSsehen an Warmbltitern

Hunde, Katzen~ Kaninehen, Meersehweinehen und Tauben. Letzteren wurde anfangs, der bequemeren kymographisehen Registrierung wegen der Vorzug gegeben. Denn haufig genug erwiesen sieh die im Laboratorium zur Verftigung stehenden Halteapparate far grfiftere Tiere als ungeniigend beim Versuch einer genaueren kymographisehen Aufzeiehnung der Langen~ anderung eines einzelnen M u s k e l s . - Die Fr~sehe wnrden stats friseh dem Ranarium entnommen und in dem B~hmschen Frosehpanzer fixiert. Der zu untersuchende Gastroknemius wnrde in situ gelassen~ nut die Sehne dutch Einsehnitt losgetrennt und mit einem doppelarmigen Sehreibhebel verbunden. Ferner wurde zweeks elektriseher Reizung der :N. ischiadieus am 0bersehenkel bloggelegt und unter peinlicher Sehonung tier Gefage isoliert. - - Die Tauben wurden auf das Ewaldsehe Taubenbrett gespannt und naeh einer yon G i ldeme i s t e r (8 ) angegebenen Methode so prapa- riert, dag ein~ eventuell auch beide Mm. extensores carpi mit je einem Sehreibhebel verbunden das Kymographion beschrieben. ~ Soweit in den Versuehen der Muskel direkt oder yore Nerven aus~ gereizt werden muftte~ wurde zumeist tier Induktions-0ffnungssehlag des Kroneeker-Sehlitten- induktoriums benutz~; und zwar kamen nut Intensitaten in tier Nahe der Reizschwelle in B e t r a c h t . - Die Reizelektroden waren b-ffrmig gebogene Platin-Versenkelektroden, bei deren Anwendung die dem Nerven anlie- genden Gewebe yon diesem ganzlieh isoliert waren. - - Da sieh heraus- stell~e, da b die Befeuehttmg des et~a 3/4 em lang freiliegenden Nerven mit RingerlSsung seine Erregbarkeit beeinflul~te, vermied ich die Anwen-

, dung yon Ringerl~sung, indem ieh aus der umliegenden Muskulatur ein

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32 !II. KONRAD ZUCKER,

kleines Stttekchen heraassehnitt und dieses iiber die dureh die Elek~rodea- fassung laufende Streeke des Nerven legte, ohne ihn selbst damit in Be-

rtihrung zu bringen; auf diese Weise wurde

f ~-c-cv--" eine feuehte Kammer im kleinsten Magstabe

hergestellt (vgl. Abb. 1). Als Physostigminpriiparat benutzte ieh ein

"'" sehr reines sehwefelsaures Salz~ das im Phar- makologischen Institut zu Gilttingen sehon i/fter

"- ~kel~ckchqn gepriift worden war. Es beziehen sieh also im folgenden auch alle quantitativen Angaben auf

~_ das sehwefelsaure Salz des Physostigmins. Zur ~rv. Injektion gelangte es in Ringer gel~ist. Die

L~isung wurde in dunklen Flaschen und in Abb. 1. dunklem Raume aufbewahrt und wurde minde-

stens jede Woehe el'neuert. An FrSsehen~ die relativ unempfindlieh gegen dieses Gift sind~ konnte

ieh erst in Dosen yon 3- -4 mg an aufwiirts siehere Erfolge am Muskel erzielen (Froseh ----- 50--55 g). - - Bei Tauben 7 an denen ieh immer an- ni~hernd gleieh sehwere benutzte (270--285 g)~ fund ieh die wirksame Dosis zwisehen 0~05 und 0712 mg. Wiihrend sieh in einzelnen Fallen sehon 0~13 mg als tSdlieh erwies 7 wirkte eine Dosis yon 0715 mg bei einer sonst normalen Taube unbedingt letal. Diese Werte beziehen sieh auf subkutane Applikation~ die ieh bei Tauben aussehliefilieh anwandte. - - 1Keerschweinehen und Kaninehen gab ieh als wirksame Dosis 0,6--0~7 mg pro Kilogramm Tier subkutan; intravenSs waren dieses doeh sehon etwas gefahrliehe Dosen.

IV. Yersuehsergebnisse .

a) Beziiglieh der Erregbarkei tss teigerung.

Die Erregbarkeitssteigerung am Froschmuskel dureh Physostig- min fund ich zuniiehst bei direkter Reizung wie sie j a aueh sehou yon H a r n a c k und W i t k o w s k y ( 9 ) besehrieben wurde. Doch ist sie hier nieht SO Stark ausgesproehen, wie wenn man veto Nerven aus reizt. Bei solcher indirekten Reizung lieB sich jedoch eine Er- regbarkeitssteigerung nur dann feststellen, wenn der Nerv intakt ge- lassen wurde. Wurde der Nerv kurz vor dem Versuehe durch- sehnitten~ so konnte selbst nach grol]en Mengen Physostigmin keine Steigerung der Erregbarkeit festgestellt werden; in einigen Fallen sank die Erregbarke!t sogar. Es sell dies nattirlich nicht auf Reeh- hung der Physostigminwirkung gesetzt werden, sondern sell nur dar: tun, dab in diesen Fallen ein Sinken der Erregbarkeit nach Dureh- schneidung des Nerven auch nieht dutch Physostigmin aufgehalten werden konnte. - - Wurde also der Nerv intakt gelassen, dann stieg die Erregbarkeit durch 4- -5 m E Physostigmin um durehsChnittlich 5 - - 6 cm Rollenabstand, und zwar wurde das Maximum etwa 25 Mi- nuten nach der Injektion erreieht. - - Als einmal w~ihrend eines

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Die Wirkung des Physosfigmins auf den quergestreiffen ~Iuskel. 33

Versuehs tier physostigminierte Frosch enthirnt wurde, trat eine be- deutend htihere Steigerung der Erregbarkeit auf als sie sonst naeh Physostigmin allein beobachtet wurde. Bei systematiseher Unter- suehung dieser Erseheinung wurde folgende ann~thernde GesetzmitBig- keit gefunden: Die Erregbarkeitssteigerung nut naeh Enthirnung ohne Physostigmin drUekte sieh dutch ungefiihr 5--6 cm Rollenabstand aus. Enthirnte ieh nun naeh vorheriger Physostigmingabe, so land ich, dab sieh seheinbar die Wirkung beider Faktoren addierte oder sogar m i n d e s t e n s addierte; denn die Erregbarkeitssteig'erung ent- spraeh nun 12--16 em Rollenabstand. - - Dasselbe Verhalten ergab sieb, wenn zuerst enthirnt und danaeh Physostigmin gegeben wurde.--Wurde abet die Enthirnung dem Versuehe um 1 Stunde vorausgeschiekt, in der Annahme, dab eine Shoekwirkung in tier Zeit abgeklungen war, so wurde nun auf Physostigmin hin nut eine unbedeutende Erreg- barkeitssteigerung gefunden, die sieh bestenfalls auf 3 em belief.

Einige Beispiele aus den Versuehsprotokollen m~gen das Gesagte er- li~utern.

V e r s u e h 43. Froseh (indirekte Reizung; intakter Nerv).

1. Normale Reizsehwelle. 2. ~aeh Physostigmin: I

l~ach Minuten Roizschwelle [ Bemerkungen in cm I

0 5

10 15

20 25 30 35 40

39 40 401/.2 40~/2

5 mg Physostigmin. 4o [ 401/2 41 44t/.~ 45,/_0

V e r s u c h 36.

normal

F

Frosch ohne Physostigmin 7 indirekte Reizung. 1. ~ormale Reizschwelle. 2. 5lath Enthirnung.

Nach Minuten Reizschwelle Bemerkungen in cm

0 5

10 15

20 25

34 34 33 33t h

Enthirnung. 37 39I~

Arch iv f. exper iment . Pa th . u. Pharmakol , Bd. 96.

/ orm l

3

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36 Ill[. KONI~AD ZUCKER.

Ver such 35. Frosch; indirekte Reizung.

Y. Normale Reizschwelle. 2. Nach Physostigmin. 3. Und dann nach Enthirnung.

Nach ~Iinuten Reizschwelle Bemerkungen in cm

0 5

10 15 20

25 30

35 40 50

41 39 40 39 41

6 mg Physostigmm. [ 411/2

42 Enthirnung.

42 48 54%

normal

V e r s u c h ~2. Frosch; 55 Minuten zuvor enthirnt.

1. Reizschwelle vor, 2. nach Physostigmin.

Nach Minnten Reizschwelle Bemerkungen in cm

I0 15

20 25 30 35

40 45 50 55

37 361/2 normal 37

5 mg Physostigmin. 38 381/2 38V2 351/2

3 mg Physostigmin. 39 391/2 351/2 35

Die schon yon R o t h b e r g e r ( 2 2 ) eingehend studierte antag'oni- stisehe Wirkung des Physostigmins nach Kuraresierung in bezug atff die Erre~,barkeit konnte auch yon mir an FrSschen best~tigt werden; jedoch wiederum n u t , w e n n de r N e r v n i c h t d u r c h s c h n i t t e n war (vgl. Versuch 10), Mit der Dosierung yon Kurare maitre inso-

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Mnskel. 35

fern vorsichtig umgegangen werden~ als es dutch noeh so hohs Phy- sostigmindosen nisht mehr gelang, die Knrarewirkung zu behsbsn, wenn erst einmal die Errsgbarksit veto Nsrvsn aus auf wsnigs Zentimster Rollenabstand gssunken war. Die Kurarsmenge~ dis solehss bewirkte, lag bei dem yon mir verwsndsten Kurare zwisehen 071 and 0715 rag. Es mnl~te also, um einsn Physostigminerfolg zu haben~ unterhalb yon 071 mg Kurars gsblisbsn wsrdsn.

Versuch 10.

Frosch erhi~It innerhalb 2 Stunden vet Beginn des "Versuchs in summa 0~08 nag Kurare. Dann an einena Bein •erv durehschnitten und indirekt

gereizt. Kontrolle am andern Bein. 1. Reizsebwelle vor, 2. naeh Physostignain.

3. Prfifung des anderen Sehenkels mit nicht durehsehnittenena :Nerven.

Vor 2 Stunden 0~08 nag Kurare, dann:

~aeh Minuten Reizschwelle Bemerkungen in cm

0 10 20 30 40 50

05 I 6O 65 70

34 31

29 bei durchschnitteuena Nerven 24 2O 171/2

4 nag Physostigmin.

17 bei durchschnittenem Nerven 17 17

Am anderen Schenkel. 85 351/2 J mit nicht durehschnittenem l%rven

Immerhin mu~te aber auch versucht werden, wie es sich mit der Erregbarkeit bei direkter Reizung des Muskels verhielt~ wenn dis Errsgbarksit veto Nerven aus dursh eine Uberdosis vsn Kurars unwiederbringbar gsmacht worden war. Und da zsigts sieh, dab aush in diesem Falls dutch Physostigmin die Erregbarkeit bei Rei- zung des Muskels selbst gesteigert wurde. Zwar war disse Stsige- rung nur rslativ gsring (3--4 em Rollenabstand), sis mulcts abet dennoch als solehs angssproehsn wsrden, da sieh die Reizsehwslle bei dirsktsr Reiznng, besonders wenn tier Nerv zuvsr ausgesehaltst wnrde, sehr konstant und in engsren Grsnzen halt, als 3 em Rollen- abstand sntspricht (vgl. hierzn Versuch 50).

3*

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36 III. KONRAU ZUCKER.

Versuch 50.

Frosch bekam 1 Stunde 10 Minuten zuvor 0,5 mg Kurare, dann: 1. Direkte und indirckte Reizsehwelle vor, 2. direkte Reizschwelle nach

Physostigmin. 3. Indirekts Reizschwelle als Kontrolle.

1 Stunde 10 Minuten zuvor 0,5 mg Kurare, dann:

Nach Minuten Reizschwelle in ccm

0 ! indirekt ~ 10 direkt 20

5 ~, 20 7 mg Physostigmin.

10 15 20 30 35 40

50

direkt

,~ 24 ,~ 24

indirekt % 10

2O 201/2 201/2 23 23

Die Versuehe tiber die Erregbarkeitssteigerung wurden dann an Tauben unter i n d i r e k t e r Reizung" weiter fortgesetzt, und zwar mit durchaus ~hnliehen Resultaten. Aueh bier keine Steigerung naeh Physostigmin, wenn der Nerv nicht intakt war. (Aus technischen GrUnden wurde an der Taube der Nerv: wenn er gesch~tdigt werden sollte, nieht durchsehnitten, sondern lest ligiert.) In] tibrigen erreiehte die Erregbarkeitssteigerung" bei Tauben betrKehtlich hiJhere Werte als beim Froseh und konnte auBerdem auch bei faradiseher Reizung eindeutig festgestellt werden entgegen F r a n k s (6)Angabe, der sie fiir den Menschen wenig'stens verneint. - - Lang'e Zeit allerdings konnte ieh die Erregbarkeitssteigerung an der Taube nieht beob- achten, bis ieh eines Tages ein Tier etwas sehwitcher als Ublieh narkotisierte (n~tmlich mit 0,2 g Urethan statt 0,3 g); in diesem Ver- suche war sie dann auch gleich stark ausgesprochen und entsprach 11 cm Rollenabstand. - - Jedoeh t ra t e iu Symptom auf Physostigmin aueh in tiefer Narkose und aueh bei ligiertem Nerven auf, ni~mlich eine erhShte Zuckung bei Reizschwellenwerten. Wiihrend j a be- kanntlieh am normalen Tier die Zuckung bei Reizschwellenwerten klein ist und demgemiiB bei sti~rker werdenden Reizen an HShe zu- nimmt, trat nach Physostigmin - - und besonders am narkotisierten T i e r - - die bemerkenswerte Erscheinung auf, dab beim Aufsuchen

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muske 37

der jeweiligen Reizsehwelle durch immer nur minimale Versehiebung der sekund~ren Spule (urn ~/~ era) entweder noch keine oder aber eine hohe Zuckung auftrat.

Nach Keith Lucas (12) beruht die normale allmiihliehe Steigerung der ZuekungshShe zwischen Schwellen- und maximalen Reizen darauf, dal3 die einzelnen Elemente des Nerven eine verschiedene ~,Empfindliehkeit,, haben; das Einzelelement bewirkt entweder gar keine oder maximale Kontraktion tier yon ibm versorgten Muskelfasern, d.h. es folgt dem Alles-oder=~ichts-Gesetz. Nach meinen Versuchen hebt Physostigmin diese Unterschiede der Empfindlichkeit auf.

b) Beobaehtungen fiber Tonus und fibrill~re Zuekungen.

1. Bei u n g e s c h ~ d i g t e m ~e rven .

Zun~ehst sollen diese beiden Physostigminsymptome, die sich eiffentlieh nur gemeinsam betrachten lassen, besehrieben werden, wie sie sich am Muskel bei ungeseh~digtem Nerven manifestieren.

Hat man einer Taube 0,05--0,11 mg Physostigmin subkutan in- jiziert und zeiehnet nun die spontan auftretenden Erscheinungen am Muskel kymographiseh auf, so bemerkt man nach etwa 5--12 Mi- nuten, dab die horizontale Linie, welche der Muskel sehreibt, sieh langsam hebt, zugleieh aber sieht man feine Zaeken in der Kurve auftreten.

Die auf einigen der im folgenden abgebildeten Kurven sich zeigenden etwas gr6beren Wellen: die in gleiehen Intervallen auftreten: sind Atem- sehwankungen 7 deren Registriel"ung sieh hiiufig nieht vermeiden liel~.

Diese feinen Zacken, die fibrilliiren Zuckungen, nehmen nun im weiteren Verlauf der Giftwirkung ganz in dem MaBe zu, wie auch der Tonas steigt. Beide Erseheinungen sind also in ihrem Auftreten und in ihrer Stiirke durehaus abhttngig voneinander, so dal~ man am n o r m a l e n W a r m b l U t e r m u s k e l nie das At t f t r e ten des e inen S y m p t o m s ohne das a n d e r e beobaehten kann. - - Nicht ganz so konstant verhi~lt es sieh allerdings beim Abklingen der Physostigmin- wirkung. Wenigstens beobachtete ieh zweimal, dab die fibrilli~ren Zuekungen langsam kleiner warden and sebwanden, wi~hrend der Tonus doeh noch nieht ganz wieder auf das Ausgangsniveau gesunken war. - - A m Meerschweinchen, am Kaninchen and am Hand treten nach subkutaner Injektion des Giftes die fibrilli~ren Zuckungen zuerst in den der Injektionsstelle benachbarten Muskeln auf; bei kleinen Dosen bleiben sie sogar oft auf diese beschri~nkt. Ist die H~ihe der Pbysostig'minwirkung Uberschritten, und nehmen die fibrilli~ren

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38 [II. KO~RAD ZUCKER.

Zueknngen wieder etwas ab, so kann man sic auf's neue ftir einen Augenbliek stark steigern, wenn man das Tier (Meersehweinchen, Kaninehen, Hund) erschreckt oder tiberhaupt zu motorischen Impulsen anregt. Dabei tritt dann auch sofort wieder die typisehe MuskeL steifigkeit auf, wie sie ja sehon u. a. yon S c h w e e d e r (24) und yon H e u b n e r ( l l ) genauer gesehildert wurde. Ja, es gibt sogar einen Zeitraum wahrend des Abklingens der Giftwirkung, wo man die Extremitiiten des Tieres ruhig langsam hin and her bewegen kann, ohne eine deufliehe Rigiditiit zu ftihlen; ftihrt man jedoeh die passiven Bewegungen brusk aus, oder ftigt man dem Tiere wi~hrend der Bewegung Schmerz zu, dann tritt die Steifigkeit and das Muskel- flimmern sofort manchmal wieder auf.

Die Wirkung des At rop ins (und des Skopolamins) auf den physostigminierten Muskel wurde~ wie z. T. schon erw~hnt, aueh yon den meisten Autoren studiert, die sieh mit der Muskelwirkung des Physostigmins befat]ten. Und es ist in der Tat bemerkenswert, wie schnell dieses Gift sehon in geringen Dosen selbst sti~rkste fibrilliire Zncknngen nnd Tonussteigerung beim Warmbliiter verschwinden lai~t. Allerdings verh~tlt sich das Kaninchen, das bekanntlich tiberhaupt erst auf relativ hohe Dosen Atropin reagiert aueh in diesem Punkt etwas resistenter gegen Atropin. Bei Tauben genUgte 0,1 mg Atropin. snlfi subkntan, um in sp~ttestens 2 Minuten zu wirken. - - Es mug hier aber aueh einer vorUbergehend paradoxen Wirkung des Atro- pins Erwiihnung getan werden, wenngleieh mir wenigstens eine ein- leuchtende Erkl~trung dazu einstweilen noeh fehlt. - - Unter 20 Ver- suchen, bei denen ieh die Wirkung des Atropins beobaehtet habe, sah ich zweimal an Tauben und zweimal am Kaninchen, dab im ersten Moment der Atropinwirknng die fibrilliiren Zuekungen ganz erheblich zunahmen, am sofort ansehlieBend abzufallen und zn ver- schwinden. Der Tonus stieg wahrend der durch Atropin bewirkten Zunahme der fibrilli~ren Zuckungen nieht aueh noeh, er sank viel- mehr sofort mit beginnender Abnahme der fibrilli~ren Znckungen (vgl. Kurve 1, Versueh 4).

�9 f .

23 Minuten nach 0,065 mg Physostigmin. ] (26 Minuten nach Physostigmin).

Kurve 1, Versach 4 (Taube}.

I 3 Minuten nach 0,1 mg Atropin ! 4 Minuten nach Atropin.

Page 12: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiflen Muskel. 39

Es ist noeh zu bemerken, dal~ sieh dieses Phanomen in den Ver- suehen, in denen es dutch noeh kleinere Gaben yon Atropin (0701 , 0705 and 0,075 rag) hervorgerufen werden sollte, nieht zeigte.

Trotzdem darf die gesehilderte Erseheinung vielleicht in Parallele zu tier ~paradoxen~ Bradykardie,, gestellt werden: die oft vor Eintritt der Taehykardie und bei kleinen Dosen auch ohne diese naeh Atropingaben beobaehtet wird (vgi. dazu O. P l a t z 29).

Die dureh Physostigmin verursaehte Erregbarkeitssteigerung aber wird dutch Atropin in keiner Weise negativ beeinfluBt: wie dies aueh schon R o t h b e r g e r in seinen Kurare-Physostigminversuehen festgestellt hat. Vielleieht ware diese Tatsache ein Argument gegen F r a n k s (6) Ansieht, tier die Erregbarkeitssteigerung als eine dutch den erhiihten Tonus ge- schaffene angesehen wissen will; denn dieser wird ja dureh Atropin zur ~Norm oder annahernd zur ~orm zuriickgebraeht (vgl. Protokoll des fiinften Versuches, der aueh kymographiseh registriert wurde).

Ve r s ueh 5. Taube; intakter ~erv, indirekte Reizung. ~arkose 0~2 g Urethan.

1. Reizsehwelle vor, 2. naeh Physostigmin 7 3. nach Atropin.

Naeh Reizsehwelle Bemerkungen Minuten in cm

0 5

20

25 30 40 45

60 80

100 110

120 125

i3o 132 135 140 145

301/2 311/2 30

30 30 291/2 32

35 381/2 39 36

36 36

38

38l/2 39 41

0,05 mg Physostigmin

0,03 mg Physostigmin

m

0~03 mg Physostigmin

Auftreten yon fibrill~iren Zuckungen und Tonussteige- rung

0,03 mg Physostigmin fibrilliire Zuckungeu uud Tonus werden st~h'ker 0,1 mg Atropin! fibrill~ire Zuekungen gesehwunden, Tonus gesunken!

Ebenso laBg Atropin die besehriebenen erh6hten Zuekungen unbeein- flugt. Sie treten naeh wie vor am Muskel des physostigminierten Tieres auf.

Page 13: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

40 [H. KO~RAD ZUOXEu.

Es schien mir yon Interesse, einen physiologisehen Zustand yon erh~ihtem Tonus mit Muskelzuekungen yon mehr oder weniger fibril- ii~xem Charakter, namlich den Zustand des F r i e r e n s mit dem Phy- sostigminzustand in bezug auf die Reaktion gegen Atropin zu ver- gleiehen. Zu diesem Zweck wurde ein kurzhaariger Hund (5 kg) etwa 40 Minuten im Freien bei - - 4 ~ angebunden, bis er dauernd deatliehe Kaltezuekungen am ganzen KSrper zeigte. Darauf wurden ihm 0,04 g Atropin subkutan injiziert. - - Der Erfolg war ein dureh- aas negativer. Die Ki~ltezuekungen bestanden unvermindert fort, bis der Hund naeh 1/2 Stunde ins Warme zuriiekgebraeht wurde, wo er ~/2 Tag" lang noeh deutliehe Atropinsymptome (Sehwanken, weite Pu- pillen, Liehtseheu) aufwies.

Auger dem Atropin, Skopolamin und Novokain sehreibt F r a n k (4, 5) and ebenfalls Sch i i f f e r (23) dem A d r e n a l i n einen tonolytisehen Ein- flag auf den dureh Physostigmin hypernormal gesteigerten Tonus zu. - - Ieh konnte mieh in den hiertiber angestellten Versuehen n i e h t davon Uberzeugen. Weder am Kaninehen noeh am ~[eersehweinehen, weder naeh subkutaner noeh naeh intravenSser Applikation ver- moehte das Adrenalin weder auf Tonus noeh auf fibrill~tre Zuekungen irgend einen erkennbaren Einflug auszuUben.

Die fibrill~tren Zuekungen sollen naeh Rothberger (28) aueh am kuraresierten Tier auftreten, wi~hrend - - wig eingangs erwahnt -- H a r n a e k und W i t k o w s k y ( 9 ) sowie Magnus(17)behaupten, sie seien dutch Kurare allm~thlieh zu beseitigen. Die Resnltate meiner Versuehe, die allerdings tiber diesen Punkt nieht in grSl3erer Zahl angestellt wurden, besti~tigen die Angaben der letztgenannten Forseher und driingen zu der Vermntung, dab der Widersprueh nut eine Frage der Dosierung des Kurare ist.

2. E in f lug der N a r k o t i k a .

Sehr bemerkenswert seheint nun der Einflug der Narkotika auf die dureh Physostigmin verursaehten fibrilli~ren Znekung'en und die Tonussteigerung zu sein. Naehdem ieh in etwa seehs Taubenver- suehen, in welehen die Tiere zuvor mit 0,3 g Urethan and mehr narkotisiert waren, vergeblieh anf das Eintreten yon Tonussteigerung und fibrill~tren Zuekungen wartete and die Tiere buehstitblieh lang- sam zu Tode physostigminierte, ohne dab die Erseheinungen frUher als kurz ante mortem (and dann noeh sehwaeh) auftraten, suehte ieh diesem Verhalten systematiseh auf die Spur zu kommen. - - Es stellte sieh zuni~ehst dasselbe, was vorhin yon der Erregbarkeitssteig'erung gesag't warde, aueh hier heraus: Die fibrillaren Zuekungen und die

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 41

Tonussteigerung traten desto frUher nnd starker auf, je schw~tcher narkotisiert wurde. Am Hunde, an Kaninchen und Meerschweinehen konnte dasselbe beobaehtet werden. Und umgekehrt wurden die st~trksten fibrilliiren Zuckungen and Rigiditiit durch "~thernarkose beseitigt. Allerdings sistierten sie erst in tiefer Narkose; and nur in einem einzigen Falle wurde beobaehtet, dab auch noeh bis 5 Mi- naten naeh dem Tode durch Athernarkose fibrill~tre Zuckungen ver- einzelt and sehwach auftraten. Das gesehah aber, naehdem das Meerschweinchen yon 550 g 0,5 mg Physostigminsalz intravenSs (!) bekommen hatte, so d a b es auch hier often bleibt, ob der Ted wirk- lich dureh die ~arkose oder aber dutch zu hohe Physostigmindosis eintrat. - - Sorgt man nun durch erneute Physostigmininjektion schon w~thrend der Narkose dafUr, dab das Gift aueh nach dem Erwaehen des Tieres noeh wirksam sein kann, so treten die fibrilliiren Zuckungen und die Rigidit~t nach Abklingen der ~arkcse aueh prompt wieder auf. Man kann sie nun wiedcr dureh iNarkose b e s e i t i g e n . - Die folgende Kurve 2 zeigt das Verhalten der fibrilliiren Zuckungen and des Tonas bei kurzer "~therinhalation an der Tanbe.

Afhcr > ab

s

12 Sekunden Inhalation yon ~ther. Wiederauftreten von Tonusstei- gerung u. fibril- liire Zuckungen 10 Sekund. nach Abset.zung des

I Athers.

Kllrve 2, Versuch 32 (Taube). Wirkung yon Atherinhalation an einer physostigminier~en Taube.

Es ist ferner beaehtenswert, dab die fibrilliiren Zaekungen~ wenn narkotisiert wird, zuletzt an der der Injektionsstelle benachbart lie- genden Muskulatur schwinden and auch dort nach der Narkose zu- erst wieder auftreten.

Page 15: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

42 IlL KO~RAD ZUCKEa,

V e r s u e h 27.

)Ieersehweinchen, 360 g Gewieht. 1. Physostigmin. 2. Xther.

Uhr Bemerkungen

Ii h 10'

!i h 12'

I! h 16'

115 17'

I ! h 20' I1 h 30'

ii h 31'

!I h 40'

12 h I0'

0,25 mg Physostigmin in die linke Inguinalgegend. Auftreten yon fibrilliiren Zuekungen in die linke InguinMgegend. fibrill~ire Zuekungen auch an den vorderen Extremitiiten. fibrilSire Zuekungen iiberall stark und konstant.

Beginn der ~thernarkose. Tiefo Narkose. Fibrill~ire Zuekungen treten nut noeh vereinzelt am

die Injektionsstelle herum auf. Absetzen des Athers. villliges Aufh~iren der fibrilli~ren Zuekungen. Tier viillig erwacht.

V e r s u c h 29.

$Ieerschweinchen~ 600 g Gewieht. 1. Ather. 2. Physostigmin.

Uhr : Bemerkungen

12 h 50 t Beginn der Xthernarkose. lh 05' viillige Reflexlosigkeit.

I h 06 ~

i h 08 r

i h 09 r

1 ~ 20'

I h 25'

! h 43 r

! h 46'

! h 47 ~

l ~ 50 r

1 h 59'

2 h 02' 2 h 15'

0,35 mff Physostigmin subkutan in die linke Ingainalgegend. Ather abgesetzt. wieder Xther, da Kneifi'efiexe schon positiv werden. 0,2 mg Physostigmin. Xther abgesetzt. Tier versucht sich langsam aufzurichten, erste Kotentleerung; bis zweimal Kotentloerung. Tier roll erwacht, Kotentleemng. Auftreten der ersten fibrill~ren Zuckungen in der Inguinalgegend

beider Ober,schenkei. fibrill~ire Zuckungen stiirker und kontinuierlich, aber noch wie vor-

her lokalisiert. fibrilliire Zackungen auch an den Vorderbeinen. fibrillih'e Zueknngen and Rigidit~it am ganzen Kiirper stark ausge-

sproehen. - - Tier erholt sich bald.

Wie man nun einerseits dem narkot is ier ten Tier t iberhaupt er- heblich mehr Physos t igmin his zum Effekte geben mug als dem nor- malen Tier, so scheint aueh anderersei ts die Narkose das Tier da- hin za beeinflussen, dab es wesentl ich hShere Dosen des Giftes vertriigt, die ohne Narkose sicher letal wi rken wiirden.

Page 16: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 43

Ein Hund yon 111/2 kg rsagierte ohne Narkose auf 2 mg Physo- stigmin anniihernd 2 Stunden lung mit hehigsten fibrilliiren Zuckungen und starker Rigidit~t. Als er am n~tchsten Tags mit 9 g Chloral- hydrat (innerhalb yon 21/2 Stunden gsgebsn) narkotisiert wurde, rea- gierte er auf 7,3 mg Physostigmin nut mit kaum merklichen fibril- liiren Zuckungen um dis Injektionsstelle herum, und diese Dosis, die im Verlaufe yon ll/4 Stunde injiziert wurde, bseintriichtigte ihn so wenig, dab er in der kommenden Naeht aus dem Stalls entlief und einen weitsn Wsg zurUekleg te . - So vertrug fsrner sine mit 0,25 g Urethan narkotisierte Taubs 0,25 mg Physostigmin, wo dash, wie erwi~hnt, 0,15 mg eiue sonst sieher letale Dosis ftir die Taabe bsdeutet. Allerdings wurde diese Menge Physostigmin im Verlaufe van 1 Stunds und 20 Minuten in seehs Malen g e g e b e n . - Einer anderen, mit 0,25 g Urethan narkotisierten Taube wurden im Verlaufe yon 2 Stunden 0,45 mg Physostigmin einverleibt, die sis vertrug. Zwei anders Fi~lle, bei denen die narkotisierten Tauben erst hash Dossn yon 0,49 bzw. 0,41 mg Physostigmin - - in 21i/2 Stunden bzw. 50 Minuten injiziert - - starben, besagen iihnliches. - -Auch Kaninchen, die (aus andsren Grtinden) wi~hrend eines Versuchs sine starke Uber- dosis Physostigmin bekommen hatten, und deren Zustand dadurch akut bedrohlich wurde, konnten leieht dutch sehnell eingsleitete .'~thernarkose gerettet werden. Selbst wenn man die rasehe Zer- stiJrbarkeit und Ausscheidung des Physostigmins in Rschnung stellt [vgl. H e u b n e r (11) S, 322], erseheinen die yon narkotisierten Tieren ertragenen Dosen erstaunlich h o c h . - Es starben allsrdings auch einmal zwei narkotisisrts Taubsn, dis nur 0,05 mg Physostigmin be- kommen hattsn; doeh konnte das ebenso gut auf Kosten einer all- zustarken Narkose geschoben werden.

~arkotisiert man nun eine Taube nut schwach, etwa mit 0 ,15 bis 0,2 g Urethan, so dam Tonussteigerung und fibrill~tre Zuekungen nur spiiter als sonst auftreten und beobachtet nun die Erregbarkeits- steigerung, so finder man, dam dis lstztere wahl sshon deutlich vor- handen ist, bevor Tonussteigerung und fibrilli~re Zuekungen auf- treten (vgl. hierzu oben das Protokoll des 5. Taubenversuchs). Es seheint diese Fsststsllung nieht unwiehtig, weil sie sbsnfalls ein Argument gegen F r a n k s Auffassung einer tonogenen oder sarko- plasmatogenen Erregbarkeitssteigerung zu sein scheint. Dieses Sta- dium tier Physostigminwirkung an schwach narkotisisrten Tauben, n~tmlieh vor Auftreten yon spontanen fibrill~ren Zuekungen ist aber aueh noeh in einer anderen Hinsicht interessant. Appli~iert man n~tmlieh jetzt einen Induktionsreiz yore Nerven aus, so hat man

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44 III. KO~RAD ZUGI{ER.

manchmal Gelegenheit za sehen~ dab sich an die auf den Reiz hin erfolgte Zuckung" spontan mehrere ganz kurz hintereinander folgende Zuckungen anschlieBen, die ganz den Typ tier fibrilliiren haben. Withrend sie auftreten, steig't auch tier Tonus, um mit ihrem Auf- hSren auch wieder zu sinken. Reizt man nun naeh einigen Se- kunden wieder, so tritt dieselbe Erscheinung ein, nur schwiicher, his etwa auf die ftinfte oder seehste Reizung bin sich keine sport- mnen fibrillliren Zuckungen mehr ansehliefien (vgl. Kurve 3, Tauben- versuch 6).

] R

i R R

P~ = Reizunff mi~ Induktions-0ffnungsschlag.

Kurve 3, Versuch 6 (Taube). Auftreten yon fibrill~ren Zuckungen nach elek- ~rischem Induktionssehlaff (yon der 1.--4. Reizung abnehmend); naeh 0,17 rng Physostigmin bevor fibrill~ire Zuckungen spontan auftreten. An einer mit 0:32 g

Urethan narkotisierten Taube.

Wenn diese Erscheinung nun auch nicht immer beobachtet werden konnte, so scheint doch die Tatsache, dab sie in einer bc- stimmten Phase der Physostigminwirkung am narkotisierten Tiere auftreten kann, yon Wiehtigkeit; denn sie tragt erstens nicht un- wesentlich zum Versti~ndnis der INarkosewirkung auf die Physostig- minsymptome am Muskel bei. Dann abet seheint dieses Ph~nomen auch in Analogie zu stehen zu der Kontraktur, die R i e s s e r am iso- 5erten, roten ,nervenlosenr Kaninchenmuskel auf Physostigmin be- obaehtete, wenn er gereizt hatte. Hier trat auch eine Tonussteige- :~ung nach Reizung auf, nut fehlten die fibrillaren Zuekungen, die aber --- an Tauben wenigstens - - auch nut bei intaktem Nerven auftreten kSnnen; darauf wird sparer noch nliher eingegangen werden.

Wenn nun Ro thbe rge r erwahnt, dai~ die fibrillaren Zuckungen dutch Chloralnarkose nicht zu beseitigen waren, so mug es sich auch bier, !~hnlich wie beim Kurare, um zu schwache Dosen seinerseits handeln, denn auch S t a rkens t e in (25) berichtet, dab am Kaninchen, das mit Par-

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 45

aldehyd oder 0hloralhydrat narkotisiert ist, Physostigmin kein Muskel- schwirren hervorrufe. Und dab dieses bei umgekehrter Reihenfolge der Giftapplikation auch zutrifft~ zeigen die obenerwahnten Versuche.

Man kSnnte nun vielleicht der Meinung sein~ dal~ es sich bei der erwahnten ~Narkosewirkung auch um eine periphere~ den Physostigmin- effekt im oder am Muskel paralysierende handeln kiJnnte! ~ Um mir darUber Klarheit zu verschaffen, gab ich an der Taube das ~Narkotikum (Urethan) intramuskulgr in den zu untersuchenden, 0fl5 g wiegenden Muskel, und zwar in einer Anfangsdosis~ die schon eine grSl~ere war~ als d i e , die bei theoretischer Berechnung auf ihn ge- kommen ware. Dann wurde Physostigmin gegeben und Tonussteige- rung und fibrillare Zuckungen traten trotzdem auf und entwickelten sich weiter ungehemmt, nachdem die gleiche Dosis Urethan noch dreimal intramuskul~r gegeben wurde (vgl. Taubenversuch 48).

Versuch 48.

Taube. 1. Urethan intramuskular. 2. Physostigmin subkutan.

3. Urethan intramuskular.

Uhr Bemerkungen

4 h

4 h

4h 4 h 4 h 4 h 4 h 4 h 4 h

10' 13' 18' 20' 20' 22' 22' 24' 25' 35'

Zur Kontrolle wird Taube get6tet.

Img (i/~ o ccm) Urethan intramuskul~ir in den zu untersuchenden MuskeI. 0,11 mg Physostigmin subkutan in den Riicken. Beginn yon -fibrill~ren Zuckungen und Tonussteigerung, die stark ausgebildet sin& 1 mg (l/lo ccm) Urethan intramuskul~r. keine Anderung. 1 rag (lho eem) Urethan intramuskul~r. fibrill~re Zuekungen und Tonussteigerung noch etwas st~irker. 1 mg (lho ecru) Urethan intramuskul~r. Schlul3; bis dahin keinerlei Xnderung.

Bei 8ektion sind alle vier Injel~- tionen im Muskel als kleine Blutpunkte zu sehen.

Um den an der Taube erhobenen Befund unter Abgnderung der Versuchsbedingungen auch am S~ugetier nachzuprtifen 7 w~hlte ich folgendes Versucbsprinzip: Am Kaninchen sollte die eine Unterextre- mitat isoliert mit kiJrperwarmer TyrodelSsung durchstrSmt werden. Nach einiger Zeit sollte dann direkt oberhalb der ArterienkanUle PhysostigminlSsung in den Schlauch injiziert werden. Nach einwand- freiem Auftreten tier Physostigminsymptome sollte dann eine eben- falls kSrperwarme TyrodelSsung mit Zusatz eines Narkotikums (Ure-

t h a n , Ather) hindurchstrSmen.

Page 19: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

46 tli. KO~R~D ZUOKBR.

Die hierza nStige Apparatur bestand aus zwei M areysehen Flasdhen, die in der dem Kaninehenblutdruek entspreehenden HShe an einem Stativ befestigt waren. In der einen Flasehe befand sich Tyrodel6sung, die vor jedem Versueh friseh hergestellt und mit Sauerstoff gesiittigt wurde, in der anderen war TyrodelSsung mlt 0,5~ Urethan- oder 0,5O/oigem ~_ther- zusatz. Yon jeder der beiden Flasehen fiihrte ein Sehlaueh naeh unten in je eine 4 m lange Wiirmeschlange. Beide Wiirmesehlangen lagen in einem mit Wasser gefiillten Bassin, dessen Temperatur durch Gasbrenner and vermittelst eines Thermoregalators konstant auf 40 ~ erhalten wurde.

o ~

Durch zwei, an einer Seitenwand des Bassins angebraehte Offnungen fiihrte der Weg aus den beiden Wiirmesehlangen getrennt naeh aul~en in eln kleines Glasrohrsystem, welches Abb. 2 erli~utern mag. Die beiden

Quet~cnhahn ~ ~ ThermomEter

Umscnalte - Hahn A.~-~___._.._..~- - - , /~-~--_~Tyrode-

Arterien-Kan~le ~

Um6ci~ait~ - Mahn.B/. ~ Lu~tas~n- F,%gcr ~ y r o d e -

i~arkoti kum \ ~ebenlaul

\Que~ch-Hahn

Abb. 2. Ansieht des Reguliersystems yon oben.

Wege vereinigten sieh unmittelbar vor der eingebundenen Arterienkantile. Dabei kam es darauf a% sowohl die Temperatur wie die Einflui]gesehwin- digkeit der aus beiden Wegen mtindenden Fltissigkeitsstr6me genau gleieh zu halten and vor allem aueh einen Temperaturwechsel der' DurchstrS- mungsfltissigkeit bei Umschaltnng auf das ~arkotikum zu vermeide~. Zu diesem Zweek war an beiden Zufuhrwegen aaBer einem Luftblasenfanger and einem Thermometer dieht vor ihrem Zusammentreffen ein Seitenweg angebraeht~ dureh den d a u e r n d Fltissigkeit ausstrSmte; der AbfluB aaf diesen Seitenwegen konnte rein eingestellt werden and wurde stets in der Weise reguliert, dab die Thermometer eine konstante und nat[irlieh aueh gleiehe Temperatur anzeigten; dies gelang bis zu dem Grade, dal] die Sehwankungen beider Thermometer wi~hl'end eines gauzen Versuehs zwi- sehen 37,3 und 38,0 ~ lagen. ~attirlieh strSmte i m m e r die Hauptmenge der Fltissigkeiten auf dem Seitenwege ab, gleiehgttltig, weleher Weg zur

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Die Wirkung des Physostigmins aut den quergestreiffen Muskel. 47

Kantile geSffnet war: die GesamtstrSmung dureh das R~ihrensystem betrug etwa 60 cem je Minute, wlihrend nach Tigers tedt das Minutenvolumen eines Kaninchenhinterbeins nur 5 ecru betriigt.

Das Ergebnis dieser so angcstellten Versuchc best~ttigte~ viel- leicht noch cinwandfreier~ das an der Taube ermittelte Resultat auch ftir das Kaninchen: die isolierte periphere hTarkose beseitigt die Phy- sostigminsymptome nicht. AuBerdem ging abet noch daraus hervor, dab die isolierte periphere Physostigminierung fihrillEre Zuckungen hervorruft. Es bestand ja allerdings der nervSse Konnex mit dem Zentrum.

Versuch 54.

Dem Kaninchen werden gleich unterhalb des Ligamentum Pouparti die Arteria und Vena femoralis freigelegt. Vene durchtrennt und in die Arterie die Kantile eingebunden.

10 Minuten lung Durchstriimung mit normaler TyrodelSsung yon 38 ~ Dann in Intervallen yon je 5 Minuten viermal je 0~4 mg Physostigmin (je 1 ccm) yore Schlaueh aus oberhalb der Kantile in die Arterie infundiert.

4 )/tinuten nach der ersten Injektion Beginn yon fibrilliiren Zuckungen an der untercn Extremiti~t, die sich nach nnd nach versti~rken.

10 Minuten nach tier letzten Injektion wird Tyrode-Urethanl(~sung infundiert (38~

W~thrend der n~chsten 10 Mimlten keinerlci Ver~nderungen an der Intensitat der fibrillltren Zuckungen.

Nach 15 Minnten werden fibrillltre Zuckungen schwachcr, slnd aber dm'ch erneute Physostigmingabe alsbald wieder hervorzm'ufen trotz weiter- daucrnder Urethaninfusion.

Bei Sektion der dnrchstrSmten Extremiti~t erweist sich die Musku- latur durchweg wcii~ zeigt abet keine 5demat~se Veri~nderung.

Gelegentlich eines anderen Versuehs konnten an einem Kanin- chen keine fibrilli~ren Zuckungen beobachtet werden, obgleich noch gar keine Iqarkoseli~sung infundiert war. Auf der Suche nach der Ursaehe fund ich, dal~ das Heizkissen, dutch das tier iibrige KSrper des aufgebundenen Tieres vor Abkiihlang geschtitzt werden sollte~ nicht fanktionierte, und dab die rektal gemessene Temperatur des Tieres unter 34 ~ gesunken war. Da sich auBer dieser AbkUhlung keine anderen erkl~trenden Fehler weder an der Apparatur noch am Tiere finden lieBen, griff ich die mir durch den so miBlungenen Ver- such gebotene neue Fragc auf. Jedoch verschob ich die weitere PrUfung der Frage am unterktihlten WarmblUter auf eine spi~tere Gelegenheit~ wo ich an Winterschlafern zu arbeiten hoffe~ und unter- suchte

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48 IIL KO~RAD ZUCKER.

3. die W i r k u n g des P h y s o s t i g m i n s a u f e r w a r m t e FrSsehe .

Zu diesem Zweeke erwi~rmte ich langsam innerhalb yon 3 Tagen eine ffrSBere Anzahl yon FrSsehen in einem tiberdeekten Bassin~ welches sieh selbst wieder im Wasserbade befand~ auf 30--35 ~ Mit wenigen Ausnahmen tiberstanden die FrSsehe diese Prozedar aus- g'ezeiehnet. - - Bei plStzlicher Erwarmung verfallt bekanntlich der Kaltblttter der sofortigen W~irmenarkose. - -

Wurden nun die his 30 oder 35 ~ erw~rmten und dabei vSllig munteren und sehr agilen FrSsehe mit wirksamen Physostigmindosen g'espritzt und sofort wieder in gleieh warmes Wasser zurUckgebracht, so verfielen sic naeh wenigen Minuten ausnahmslos einem Zustand schlaffer L~hmung und vSlliger Reflexlosigkeit, dem hau@ ein kurzes Erregungsstadium voranginff und der dem der Warmenarkose dureh- aus glieh. Wurden die so gelKhmten Tiere jetzt bei Zimmertemperatur ins Trockene gebraeht oder auch in geeigneter Steltung in ktihleres Wasser gesetzt, so traten naeh 1/2--3/4 Stunden unter Wiedereinsetzung der Atmung" zrterst naeh meehaniseher Reizung" (Kneifen), dann abet aueh spontan fur etwa 1--11/2 Stunden typisehe fibrillate Zuekungen am ganzen KSrper auf, wie ich und andere Autoren sic bei Kalt- frSsehen naeh Physostigmin niemals beobaehtet batten. Die folgenden Versuehsprotokolle inustrieren diese Erseheinung noeh deutlieheri wiederum unter versehiedener Versuehsanordnung und mit den nStigen Kontrollen.

Versueh 57.

2 Warmfr6sche (Weibchen) innerhalb 3 Tagen auf 30 ~ gebracht.

.Nr. 1 erhalt 6~0 mg Physostigmin und wird in 32 gr~diges Wasser zurtickgesetzt.

~Nach 3 Minuten schlaffe L~hmung. INr. 2 erhalt 4 mg Physostigmin~ in 30gr~diges Wasser zurack. ~Nach ~ Minuten vSllig gel~hmt. Beide Tiere bei Zimmertemperatur ins Trockene gebracht. ~ach 3/4 Stunden Einsetzen der Atmung. ~ach weiterer kurzer Abktihlung in 12gradigem Wasser treten dent-

lithe fibrill~re Zuckungen auf, die etwa 1 Stunde andauerm Kontrolle: 2 Kaltfrgsehe erhalten je 6 mg Physostigmin. Erst nach 1 1/' 2 Stunden treten die ersten erkennbaren Vergiftungs-

symptome auf (Tr~tgheit und Steifigkeit). Darauf in Wasser yon 22 ~ gesetzt, werden sic vSllig gelithmt. Weder nach vOlliger Erholung noch vorher traten fibrilli~re Zuckungen

auf.

Der folgende Versuch zeigt unter anderem, dal~ beim physostig- minierten und gelahmten Warmfi'osch die nach Erholunff auftretenden

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 49

f ibri l l i i ren Z u c k u n g e n durch e rneu te , abe r nur ~rt l iche A p p l i k a t i o n

yon Wii rme e rheb l i ch g e s t e i g e r t w e r d e n k(innen.

V e r s u c h 60.

5 Fr6sehe in 21/~ Tagen auf 31~ erwiirmt. Verhalten: durchaus agil.

Nr. 1 5 h 10 r

1/2 ccm Ringer

ieigt nichts Be- sonderes bis zum SehluB des Versuchs

Nr. 2 c~ 5 h 11'

1 mg Physostigmin

Nr. 3 c~ 5rag Nr. 4 ~ [ Nr. 5 51~ 12 r 5 h 12 ~ 5 h 15 ~

21/~ mg Physostigmin Physostigmin 8rag Physostigmin

5 h 30' triti Erre- gung ein ; jedoeh bis zum Sehlu~[ des Versuehs nur I andeutungsweise I Liihmung und keine fibrill:,iren Zuckungen

i

5 ~ 18 ~ starke Erregung, 5 ~ 18' gel~ihmt, 15~30' geliihmt, und darauf Verlust der Verlust der Re- starkeBeugekon- F~higkeit, sieh selbst flexe traktur der vor- im Wasser umzu- 5h19,insTroekene deren Extremit~- drehen [ gebracht~Zimmer-~ ten. Darauf ins

5 h 25' ErRischen der[ temperatur) Trockene ge- Reflexe. Liihmung 15 h 21' E h bracht (Zimmer-

rwg.c e n mit Kontrakturstel-I tier Reflex temperatur)

e lung der vorderen / 5h 40' Wiederkehr Extremit~ten 5 ~ 45' andeutungs- l der Atmung und

h ~ h weise fibrilliire zugleich Auftre- 5 26 aufZimmertem- . 1

, ~ucKungen starken peratur insTrockene , ten yon �9 ~ebraehr 6~ 05~ deutliehe, fibrilli~renZuckuu-

I~ i ( ,~ ' . . . . 1 spontanefibrill~ire gen am ganzen o ~u ~euge~:onn'aK- I ~ ~ Zuckunge~ am Kiirper

tur liist sich i ganzen ~ i rpe r 5 h 45' naeh Ein-

J5 ~ 42 r erholt; keine 6h 10 ~ 1 Minute tauchen nur der fibrilliirenZuckungen lung Eintauchen Unter-Extremit~i-

nur der unteren ten in 30gr~idiges Extremitiiten in Wasser werden 30gr~idiges W a s - die fibrilli~ren set, worauf dort Zuckungen ganz die fibrilliiren I erheblieh starker Zuckungen viel starker werden

E in w e i t e r e r Versueh zeigt , dab 5r t l iche Wi~rmeappl ika t ion be im

p h y s o s t i g m i n i e r t e n Ka l t f rosch n ich t ims t ande ist , t yp i sche fibril l i ire

Z u c k u n g e n hervorzurufen . V e r s u c h 58.

2 Kaltfr6sehe (Mannchen).

Nr. 1 erh/flt 5 mg Physostigmin. �9 Nr. 2 normaler K0ntrollfroseh. l~aeh 1 Stunde werden b e i d e am Unterkiefer aufgehiingt, so dab nur

die unteren Extremit/iten im Wasser h/ingenj welches innerhalb 1/2 Stuude auf 37 ~ erw/irmt wil:d.

Archly f. experimenk Path. u. Pharmakol. Bd, 96. 4

Page 23: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

50 HI. KO~RAD ZUCKER.

Be[de Frt~sche warden allm~hlieh $elithmt~ ~Nr. 1 sehneller und starker. Es treten bei keinem fibrill~re Zuckungen auf.

Naeh Erholung (naeh etwa 15 Minuten) zeigt bit. 1 ftir einen kurzen Moment andeutungsweise fibrill~re Zuekungen.

DaB selbst enorme Dosen yon Physostigmin nicht imstande sind~ bei KaltfrSschen fibrill~re Zuekungen hervorzurufen i zeigt folgender Versuch.

Versuch 62.

11 h 10' 2 KaltfrSsehe (M~innehen und Weibehen) erhalten je 20 mg Physostigmir;.

11 h 20' werden beide tr~ge, Miinnchen zeigt Umklammernngsstellung 1). 11 ~ 30' Bewegungen sehr trSge, drehen sieh nicht mehr selbst urn;

langsame athetotisehe Bewegungen. 11 h 40' Einzelne, seltene, spontane langsame Zuekungen und solehe

yon athetotisehem Charakter.

Die Versuchsergebnisse an WarmfrSsehen zusammenfassend, kSnnte man sagen: Der langsam an i die Wiirme adaptierte Frosch ithnelt in seinem Verhalten anf Physostigmin insofern dem echten WarmblUter, als sieh bei ihm aueh fibrillitre Zuckungen zeigen, die am Kaltfrosch selbst dutch enorme Giftdosen nieht hervorzurnfen sind. Nun liil~t aber das Physostigmin zuvor den bislang ganz mun- teren Warmfrosch in einen Zustand verfallen, den wit ohne Zwang wohl als Kombination yon Wiirmenarkose nnd zentraler Physostigmin- wirkung anspreehen kSnnen. Und zwar tut dies das Physostigmia in einer Zeit~ in der beim Kaltfroseh noch lange keine Pbysostigmin- wirkung erkennbar ist. Diese Wiirmenarkose zeigt sieh nun ihrer- seits in ihrer Wirkung auf den physostigminierten Warmfroseh nicht anders~ als jede beliebige andere Narkose auf den WarmblUter wirken wiirde, der physostigminiert wurde: sie hemmt n~imlieh die Auswir- kung der Effekte des Giftes. Erst nach relativer Erhotung aus dieser Narkose kann jetzt beim Warmfrosch sieh wie beim Warmblilter die Wirkung des Physostigmins auf die Muskelfunktion zeigen.

Bei Betraehtung dioses Vel'haltens kSnnte man auf den Gedanke~ kommen, dafl es sieh - - analog anderen Vergiftungen, z.B. dutch Col- c h i c i n - am Stoffweehselprozesse h~ndelt, die nnr beim Warmtier hin- reiehend schnell ablaufen und die erst das Zuckungen erregende Molekti[ erzeugen. Die hohe Zersetzliehkeit des Physostigmins kSnnte diesen Ge- danken noah plausibler maehen (vgl. dazu Heubner 12). Dennoeh bietet dieser Gedanke Sehwierigkeiten, well die Tonuss te ige rung auch am Kaltfl"oseh anftritt nnd alles dafiir spricht~ dag Tonussteigerung und fibril- t~re Zuekungen irgendwie kansal verkniipft sind, also auf die gleiehe Ursaehe zurilekgehen.

1) Diese Versuche wurden im ~r angestellt (vgl. auch Kahn 14).

Page 24: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins aaf den qaergestreiften ~Iuskel. 5l

4. Die W i r k u n g des 1Jhysost igmins bei ve r~ inder tem odor au fgehobenem Nerveneinflul3.

Nach den bisher erwi~hnten Resultaten konnte man nun der An= sicht sein, daB, ganz allgemein gesagt~ die Physostigminwirkung schlieBlich abhangig sei yon der Integritiit des Zentrums, bzw. dessen EinfiuB auf den Muskel; denn eine periphere hemmende Wirkung der Narkose auf die Physostigminsymptome war ja nach den oben erw~hnten Versuchen sicher auszuschlieBen.- Es wurde auch Schon yon der ErrcgbarkeiCssteigerung gezeigt~ dab sie sich nur an der nieht oder nut schwach narkotisierten Taube zeigte and beim Frosch nut bei nicht durchschnittenem Nerven auftrat. - - Es w~re als0 nun zu zeigen, wie sich die einzelnen Versuehstiero beziiglich Tonus and fibrill~rer Zuekungen verhalten, wenn Zentrum oder Nerv grob me- chanisch zerstSrt warden.

Wenn sich abkUhlende, physos~igminierte Warmfri~sche~ bei denen also fibrillare Zuckungen auftraten, enChirnt wurden, so sistierten die fibrilli~ren Zucknngen mit einem Schlage. Dasselbe war nattirlieh der Fall, wenn ihnen auBerdem noch das RUckenmark ausgebohrt warde; ebenso, wcnn der Nerv allein durchschnitten wurde. - - Am isolierten l~erv-Mnskelpri~parat: yon denen eines in kalter, ein zweites in 35gr~tcliger Ringerl~isung, ein drittes in kalter und ein viertes in 35griidiger physostigmin-Ringerltisung aufgehiingt wurde, lieBen sich ebenfalls nirgendwo fibrillare ZuCkungen sehen, wohl aber stieg an den beiden, in kalter und in warmer Physostigminl(isung hiingenden Muskeln der Tonus betraehtlich. - -

Eingehendere Versuehe tiber diese Frage wurden an Tauben an- gestellt. - - Als einer Taube auf der t i the der Physosti~minwirkung der :N. radialis darchsehnitten wurde, sistierte nach einer hohen Zuekung sofort das Muskelzittern, und gleiehzeitig" sank auch der Tonus, um nach 9 3~inuten annahernd auf das Ausgangsniveau vet der Physostigminwirkunff znrUckzukommen. Dieser Befund wurde systematisch weiter v e r f o l g t . - Um zun;ichst eine etwa dutch die l'qervendurehschneidung gesetzte Shockwirkung, tiber deren Tragweite ieh im unklaren war, mtigliehst auszuschalten, quetschte ieh dutch eine geeignete Klemmvorrichtung den l~erven auf der tti~he der Gift- wirkung im Verlauf yon 5 Minuten langsam ab. Das Ergebnis war, dab die Tonussteigerung und die fibrilliiren Zuekungen withrend des Abqnetschens starker wurden~ sofort nach v@iger Abquetsehung aber zurUckgingen und verschwanden. (Am anderen FlUgel dauerten die Symptome natUrlich fort.)

4*

Page 25: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

52 I[[. KONR~D ZUCKER.

Des tnteresses halber wurde nun an einer anderen Taube festgestell~ wie ~iberhaupt die Abquetschung des Nerven ohne Physostigmin wirkt; und es zelgte sich, dal~ diese langsam% 5 Minuten dauernde Abquetschung auoh imstande war, den Tonus zu steigern und fibrill~re Zuckungen hervor- zurufen. Beide sistiertcn nat~irlich wieder prompt naeh vSlliger kbquet- schung. 8o erkl~rte sich wenigstens die verst~rkende Wirkung der lang- samen Abquetsehung des Nerven auf die Physosfigmlnsymptome am Muskel.

In der nun folgenden Versuchsreihe sollte die Physostigmin- wirkung am entnervten Muskel zu verschiedenen Zeiten der Nerven- degeneration beobaehtet werden. Dazu wurde an 4 Tauben je der linke Iq. radialis durchsehnitten und ein 3/4 cm langes Sttick davon reseziert. Dann wurde die erste Taube nach 2 Stunden, die zweite nach 3 Tagen, die dritte nach 9 und die letzte nach 40 Tagen unter- sueht. - -

An der ersten Taube, die 2 Stunden naeh I~ervendurehsehneidung untersueht wurde, blieb naeh Physostigmingabe bis zum Schlug des Ver- suehs die Kurve, die der operierte Biuskel sehrieb, vSllig ruhig und zeigte aueh keine Tonussteigerung. Am niehtoperierten KontrollfliIgel traten nattirlieh fibrill~re Zuekungen und Tonussteigerung auf.

Bei tier am 3. Tage untersuehten Taube begannen auf 0,11 mg Physo- stigmin fibrillate Zuekungen und Tonussteigerung auf tier gesunden Seite 6 Minuten naeh der Injektion. Die operierte Seite blieb bislang ruhig. b~aeh weiteren 2 Minuten stieg nun aueh am linken~ operierten Muskel tier Tonus ein wenig; jedoeh traten dabei keinerlei fibrill~tre Zuekungen ~uf. ~ Die Kurve 4 gibt genaueren quantitativen kufsehluB iiber diese Verhaltnisse.

4

r

Lr

6 Minuten nach 0,1 mg Physostigmin. ] 8 Minuten naeh t Physostigmin.

~ linker (operierter) Fliigel. r ~ reehter (gesunder) FlUgel.

V-J = Vergleiehsniveau.

Kurve 8, Versueh 19 (Taube). Links N. radialis vor 3 Tagen reseziert.

Page 26: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 53

Als nun einige Minuten spitter die Taube getStet wurd% fiel zuniichst unter AufhSren der fibrillaren Zuekungen der Tonus a ~ der normalen Seit% dana abet aueh aaf d~r operierten 8eite his zur Norm.

Die am 9. Tage nach Nervendurchschneidung untersuehte Taube ver- hielt sich zu Anfang des Versuchs ganz ahnlieh. Auch bier einige Mi- nuten nach 0711 mg. Physostigmin Auftreten der flbrilliiren Zuckungen und Tonussteigerung anf tier gesunden Selte, und erst l i /2 Minuten spi~ter Auftreten yon Tonussteigerung~ doeh wieder ohne fibrilliire Zuekungen, am operierten Muskel. Aber jetzt war die Tonussteigerung des operierten Muskels sehon eine wesentlieh sti~rkere als am 3. Tage (vgl. vorige Kurve). Als naeh weiteren 9 Minnten 071 mg Atropin gegeben ward% gingen anf der gesunden 8 e i t e - wie zu erwarten war - - die beiden 8ymptome prompt zuritek~ wahrend der Tonus finks unbelrrt sogar noah etwas waiter

"

t-N l"

4

V-N

l-

V-N

Vor Physostigmiu. 31/2 Minute nach 0,11 mg Physostig-

rain.

5 Minnten nach Physostigmin.

V-N

1 Minute nach 0,1 mg Atropin.

V.

r

V- N"

6 Minuten naeh f Atropin.

l = linker (operierter) Fltigel. r : rechter (gesunder) Fliigel.

V-~" ~ Vergleiehsniveau.

Kurve 5, Versuch 18 (Taube). Links N. radialis vor 9 Tagen reseziel~.

Page 27: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

54 IIL KON~AD ZUOKER.

stieg. Als am Sehlu~ des Versuehs, 16 Minuten naeh Atropin 7 das Tonus- niveau rechts (normal) fast auf den Ausgangspunkt zuriiekgekehrt war~ war der Tonus links (operiert) nur um ein geringes gefallen (vgl. Kurve 5).

Diese Resistenz des Tonus am entnervten Muskel gegeniiber Atropin entsprieht durchaus dam Verhalten~ wie es F r a n k ( 4 ~ 5) in seinen Ar- beiten aueh schon fiir den Frosehmuskel besehreibt.

Aueh am 40. Tage nach Nervendurehsehneidung treten am entnervten Muskel keine fibrilliiren Zuekungen auf. Doeh hat jetzt eine beaehtens- werte Umkehrung insofern stattgefunden, als nun naeh Physostigmin (0il rag) die Tonussteigerung am entnervten Muskel sehon 7 Minuten friiher auftritt als am normalen Muskel. Das Verhalten auf Atropin bleibt das gleiehe wie im vol:igen Versuehe. Erst betraehtliehe Zeit, naehdem der Tonus des normalen Mnskels sehon gesunken ist~ senkt er sieh auch etwas auf tier operierten Seite~ hat abet am Schlusse des Versuehs nur um etwa 2/5 seines maximalen Wertes eingebifl]t (vgl. Kurve 6).

_7. Z . :

r

V - N

i

Vor Physostigmin. 11 Miuuten nach 0,1 mg Physostig- rain. Bei ~ Pause yon 2 Sekunden, in der der Tonus pRitzlieh stieg.

r~cht5

V-N

links

r~fht5 ~

V -N

rechts

t ~t v - i ~

17 Minuten nach 1 Minute naeh Atro- 2 Minuten nach Physostigmin. 'pin (23 Minuten nach Atropin.

Physostigmin). l = linker (operierter) Fltigel. r = reehter (gesuuder)FliigeL

V-A: ~ Vergleichsniveau. Kurve 6, Versueh 26 (Taube). Links N. radialis vor 40 Tagen reseziert.

Page 28: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften MuskeI. 55

Diese Versuche zusammenfassend~ kann man also sagen: l~ach l~ervendurchsehneidung sistieren an der Taube die fibrilli~ren Physo- stigminzuckungen sofort und treten hie wieder auf. Wohl aber tritt, nach Verlauf einiger Zeit wieder eine Tonussteigerung auf~ und der entnervte Muskel wird nach und nach in bezug auf den Tonus sogar empfindlicher gegen Physostigmin. Jedoch diese Tonussteigerung ist nur wenig dutch das sonst prompt wirkende Tonolyticum Atropin zu beeinflussen. Ganz wie es F r a n k am Frosch auch festgestellt hat~ und wio es F. B. H o f m a n n (13) ganz allgemcin far die Sensibilisie- rung entnervter 0rgane auch an Avertebraten gefunden und be- schrieben hat.

F r a n k (6) sueht nun diese Erseheinung so zu deaten, dab das er- regende Alkaloid und der Chemismus der Iqervenerregung um dieselbe Gruppe des Erfolgsorgans konkurrieren, und dab naeh v~illiger Aussehal- tung des 1Nervenimpulses die Angriffsfl/~ehe des Pharmakons eine breitere oder seine Bindung eine festere sei! - -

Da F r a n k dem Tonolytikum den gleiehen Angriffspunkt zusehreibt wie dem tonussteigernden Pharmak0n , so miigte man gereehtermaBen folgern~ dal] diese Theorie auch fiir das Tonolytikum zutreffend sei. Mit anderen Worten: Das Physostigmin mtil]te am entnervten Muskel unwirk- sam sein~ wenn man zuvor Atropin gegeben hi~tte. Das trifft nun aber nieht zu. l~aeh wie vor steigert Physostigmin den Tonus am entnervten Muskel, als ob gar kein Atropin ffegeben ware. - - Die Kurve 7 zeigt dieses eindeutig. Der Taube wurde 22 Tage zuvor der linke IN. radialis in ilblicher Weise durehsehnitten. Zu Anfang des Versuchs wurde ihr

-4

V-N

r"

-4-

V-N

Lr

V-N

I~ach Atropin und 10 Minuten nach 15 Minuten naeh vor Physostigmin. 0~2 mg Physostig- Physostigmin.

rain.

r -~ rechter Fliigel. 1 = linker (operierter) Fltigel.

V-N= Vergleiehsniveau.

Kurve 7, Versuch 47 (Taube). Vor 22 Tagen linker N. radialis reseziert. linken Fltigel Atemschwankungen. Vor dem Versuch 0,1 mg Atropin.

Am

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56 IIL KONRAD ZUGKER.

0,1 mg Atropin injiziert, einige Minuteu spater 0,12 mg Physostigmin. Such 9 Minuten stieg der Tonus, aber nut am entnervten Muskel (nattir- Iieh ohne fibrillare Zuckungen . - Gerade diese Kurve links zeigt die sehwer vermeidbaren Atemsehwankungen). Und diese Steigerung nahm sogar eine ansehnliche HShe an, w~hrend der normale (rechte)Muskel sich im ganzen Verlauf des Versuehs nieht regte wegen der zuvorigen Atro- pinisierung.- Dieses Resultat, aueh vergliehen mit dem tier vorigen Ver- suehe, wirft ein eigentiimliehes Lieht auf die doeh br differente Wirkungsweise yon Atropin and Physostigmin, die nieht mit >~L~hmung,, und ,Erregungr desselben Substrates ersehSpfend erkl~rt sein kann. -- Allermindestens bestgtigt es die Meinung yon Rothberger~ t ia rnaek and Wi tkowsky und vielleieht aueh yon Magnus~ die mit aller Ent- sehiedenheit ausdrtieken, daft der Angriffspunkt von Physostigmin und der yon Atropin jedenfalls nieht der gleiehe s e i . -

Da sieh nun naeh den Versuehen~ die am Muskel mit verandertem Nerven angestellt warden, die Uberzeugung aufdr~ngte~ dab wenig- stens bei tier Taube tier normale Nervenimpuls zum Zustandekommen einer vollen Physostigminwirkung am ~uskel garantiert sein muB, sollte nun aueh festgestellt werden, ob am zuvor unterbundenen Nerven tier normale lNervenimpuls etwa dutch den faradisehen Strom zu ersetzen sei. - -

Es wurde deshalb einer Taube 9 Stunden vor dem Versuche der I~. radialis (links) fest ligiert. Dann bekam sie 0,11 mg Physostiffmin~ wonach nat[irlich Tonussteigerung, und fibrillate Zuckungen auf der ope- rierten Seito ausblieben. 1Nun wurde peripher der Ligatur mit zunaohst unterschwelligem faradischem Strome gereizt und nach und nach desseu Starke immer mehr gesteigert. Aber die beiden Symptome: die auf der normalen Kontrollseite nattil'lich auftraten~ waren aueh hiermit nicht hervor- zubringen. Der faradische Strom seheint also in diesr Punkte den nor- malen iNervenimpuls n ich t ersetzen zu kOnnen. --

Endlieh warden noeh Versuche iiber die Wirkung der tWerven- durehschneidung an S~ugetieren angestellt. Deren Ergebnisse lassen sich bis jetzt in keiner Weise in Einklang bringen mit denen, die am Froseh and an der Taube gewonnen warden.

Sehon Magnus (17) zeigte, wie eingangs kurz erw~hnt~ dal~ die fibrill~ren Zuekungen am physostigminierten Kaninehen aueh naeh Dnrehsehneidung des Iq. isehiadicus am Gastrocnemius auftraten; j a dab sie bis zum 18. Tage naeh t~ervendurehsehneidung wieder dutch Physostigmin hervorzurufen waren, sp~ter allerdings nicht mehr. - -

~eh konnte dieses Resultat am Kaninchen nur vollauf bestKtigen. Interessant war auBerdem noeh, dab die fibrill~ren Zuckungen am entnervten Gastrocnemius auf Athernarkose erst als l e tz te schwanden (12' ante mortem).

Page 30: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 57

V e r s u c h 31.

Kaninehen, 2400 g Gewieht.

Dem Tier wurde 24 Stunden zuvor der linke N. isehiad, durehsehnitten~ und zwar in der HOhe des oberen Drittels des Obersehenkels. Wunde geniiht.

12 ~ 00' 0~6 mg Physostigmin intraveniis. 12 ~ 02' Fibrillate Zuekungen am ganzen KSrper~ aueh am entnervten

Gastroenemius. 1 ~1 00' Fibrilli~re Zuekungen sehr sehwaeh geworden. 1 ~ 03' 0,5 mg Physostigmin subkutan. 1 ~ 06' Erneutes Auftreten yon fibrillaren Zuekungen. 1 h 07' -'~thernarkose. 1 h 30' Tiefe ~arkose; fibrillare Zuekungen iiberall gesehwunden~

nut am entnervten Gastroenemius noeh sehwach siehtbar. t h 34' Sehwinden sie aueh. 1 ~ 48' Tier totnarkotisiert.

Um diese Versuehe am Siiugetier mit denen am Vogel mit Reeht vergleiehen zu k~innen, mugte allerdings zuvor h ie r wie deft die gleiche Versuchsanordnung gebraueht werden. Denn an der Taube wurde die obere Extremit~t, hier die untere untersucht. - - Dies wurde im folgenden Versuche naehgeholt~ der jedoeh dasselbe Resultat bietet: die fibrill~tren Zuekungen bestehen aueh naeh Nervendureh- schneidung an der oberen Extremiti~t am Kaninehen.

Versueh 51.

Kaninehen, 2600 g Gewicht.

12 h 30' Dem Tier wird der linke lq. radialis direkt unterhalb des Plexus braehialis (in J(thernarkose) durchsehnitten:

1 h 05' Tier wieder v(iilig erwaeht; es fril]t. ~h 00' Tier wird aufgebunden und ihm die Sehne des muse. extensor

digit, sublim, dureh kleinen Einsehnitt am Handgelenk freigelegt 7 dureh- trennt und mit dem Sehreibhebel verbunden.

4 ~ 15' 0~6 mg Physostigmin subkutan. 4 h 19' Kymographiseh: Tonussteigerung und fibrilliire Zuekungen

des untersuehten (entnervten) Muskels.

DaB diese EigentUmliehkeit nieht eine des Kaninehens allein ist, sondern dab sie wahrscheinlieh den S~ugetieren allgemein zukommt~ zeig~ ein Versuch an einer Katze.

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58 IIL KO~IeAD ZUCKER.

Versuch 53. Katze (1/2jahrig).

5 ~ 00' p. m. Dcr linke ~. ischiadicus (in :~thernarkose) durchschnitten.

(Am andern Morgen.) 11 ~ 00 ~ 4 real 0,5 mg Physostigmin subkutan. 11 h 04' Aueh am entnervten Gastrocnemius treten starke fibrilliire

Zuckungen auf. 11 ~ 10' Bedrohlicher Zustand; datum Athernarkose. 11 ~ 25' Tiefe ~arkos% Absetzen des Athers; fibrilliire Zuckungen

iiberatl geschwunden. :Nach dem Erwachen keine fibrilliiren Zuckungen mehr.

Es kann demzufolge nichts mehr gesagt werden~ als was schon dutch die Versnehe konstatiert wurde, dab eben zwischen Vogel und Si~ugetier ein Unterschied in der Physostigminwirkung besteht, der zwar ohne weiteres nicht zutage trit L sondern sich erst bei Be: ~raehtung am durchsehnittenen :Nerven manifestiert; und es seheint meines Eraehtens vorderhand aueh sehr schwierig, hierftir wie auch Ftir die ~arkosewirkung eine Theorie zu finden~ die Mle 1)unkte ohne Zwang erkl~rend zusammenfaBt.

5. Zwe i w e i t e r e V e r s u e h s e r g e b n i s s e

verdienen noch Erw~thnung, yon denen das erstere naeh den bis- herigen Erfahrungen mir wenigstens nieht mehr so selbstverstiindlich war, wie es naeh den geltenden Ansehauungen etwa den Anschein haben k S n n t e . - R o t h b e r g e r beschreibt in der hier schon zitierten _krbeit, dab das Physostigmin seine~ dem Kurare antagonistisehe Wirkung nieht entfalten kann an einer Extremitiit, deren Blutzufuhr vor der I)hysostigmininjektion unterbunden wurde. - - Es sollte nun untersueht werden, ob diese Wirkungsbehinderung auch in bezug auf, Tonus und fibrillare Zuekungen am nicht kuraresierten Tiere auftritt. An Meersehweinehen wurde die ~,Ligatur en masse~ unter Sehonung des N. isehiadieus vorbereitet, und die Schlinge sofort nach einer smrken intraveniisen 1)hysostigmininjektion zugezogen. Es traten dann am Untersehenkel des ligierten Beins weder Tonussteigerung noeh fibrilliire Zuckungen auf. Der eine dieser Versuche wurde kymographiseh registriert. - -

Die beiden letzten Versuehe kntipfen an die Auffassung yon H. H. Meyer(19) tiber die Beziehung des thermogenetischen und thermolytischen Zentrums zu dem sympathischen und parasympa- thisehen Nervenzentrum an. Es schien mir denkbar, dab ein Anti- pyretikum, dessen elektive Wirkun~ auf das oder die Wiirmezentren

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Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel. 59

als bewiesen gelten darf~ aueh eine elektive Wirkung auf zentrale Elemente ausUben k(inne, yon d e n e n - entsprechend F r a n k s Theorie - - EinflUsse auf den Physostigminmuskel ausgehen. - - Die Resultate waren aber am Kaninehen negativ 7 an der Taube zweifelhaft:

An einem Kaninehen yon 1500 g Gewieht~ das im Verlaufe yon 40 Minuten 0745 mg Physostigmin subkutan und 072 nag intraven(is be- kommen hatte, blieben 0,3 g Antipyrin ohne jeden erkennbaren Erfolg auf die fibrilli~ren Znckungen. - -

Das genaue Versnchsprotokoll eines anderen 7 auch kymographisch verzeichneten Versuchs an einer Taube lasse ich folgen:

Versueh 46.

Taube ohne 1N~arkose.

12 h 40' 0~8 mg Physostigmin subkutan. 12 ~ 5 0 ' Auftreten feiner fibrilllirer Zuckungen und Tonussteigerung.

Bis 12 ~ 52' nehmen beide Symptomc nut etwas zu. 1 h 00' Tonnssteigerung nnd fibrillate Zuckungen noch nicht volt

entwickelt, deshalb noch 0,5 mg Physostigmin. 1 ~ 08' Beide Symptome stark und konstant. 1 h 09' 0,2 g Antipyrin subkutan. 1 h 10' Tonus und fibrilliire Zuckungen schwaeh gcworden. lh 15' Noch schw~tcher geworden. 1 ~ 15' 30" Erneute Zunahme yon Tonussteigerung und fibrillitren

Zuckungcn, die aber im weiteren Verlaufe bis 1 ~ 27' die vor 1 ~ 10' gehabte St~trke nicht wieder erreichen.

Wenn also wirklich Beziehungen bestehen sollten zwischen dem warmeregulierenden Apparat 7 dem vegetativen Nervensystem und der Physostigminwirkung - - und das erschcint zum mindesten nicht un- mSglich--7 so sind die Verhi~ltnisse jedenfalls reichlich kompllziert.

V. Zusammenfassnng der hanptsiichlichsten Ergebnisse.

1. Die fibrill~ren hfuskelzuckungen treten stets nur in Gemein- schaft mit einer Steigerung des Muskeltonus anf.

2. Steigcrung des Tonus ist das l~rim~re~ denn sic kann vor- handen sein ohne fibrilliirc Zuckungen.

3. Tonussteigerung ohne Muskelzittern als Folge der Physostigmin- vergiftung wird beobachtet beim normalen Frosch und bei der Taube einige Zeit nach :Nervendurchschneidung'.

4. Auch am Frosch treten fibrilliire Zuckungen durch Physo~ stigmin anf, wenn er kUnstlich an w~rmere Temperatnren gewShnt ist.

5. Atropin hebt Tonussteigerung und daher auch fibrilliire Zuckungen immer auf 7 mit Ausnahme der Tonussteig'erung am ent-

Page 33: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

60 t i i . KONI',AD ZUCKER.

nerv~en Muskel, die aber aueh sonst yon der entspreehenden Ersehei- nung am normalen Muskel abweicht.

6. Zuweilen bewirkt Atropin im Anfang eine starke Zunahme der fibrillEren Zuekungen (ohne vermehrte Tonussteigerung) am Physo- stigminmuskel.

7: Kurare in grSBeren Dosen hebt Tonussteigerung und Muskel- zittern auf, doeh langsamer als Atropin.

8. Nervendurehsehneidung hebt am Froseh und an der Taube, im Gegensatz zu S~ugetieren~ die Muskelwirkung des Physostigmins sofort auf.

9. Narkotisierte Tiere kSnnen welt htihere Physostigmindosen vertragen als nicht narkotisierte.

10. Tiefe Narkose hebt an allen Tierarten die Muskelwirkung des Physostigmins reversibel auf; isolierte ,~periphere Narkose,< da- gegen nicht.

11. Tiefe Narkose fUhrt jedoch auch zum Sehwinden der Physo- stig'minwirkung an S~ugetiermuskeln, deren Nerv durchschnitten ist.

12. Bei leiehterer Narkose kSnnen sieh Tonnssteigerung nnd fibrill~re Zuckungen noeh vor ihrem spontanen Anftreten an eine dureh elektrisehe Reizung bedingte Zuckung ftir ktirzere Zeit an- schlieBen.

13. Adrenalin ist ohne erkennbaren EinfluB auf die Muskel- wirkung des Physostigmins.

14. In Muskeln, die dureh den Nerven mit dem Zentrum zu- sammenhEngen, doeh dureh Massenligatur aus dem Kreislauf aus- geschaltet sind, treten keine Physostigminsymptome auf~ wenn das Gift im Ubrigen K(irper kreist und wirkt.

15. Die bekannte Erregbarkeitssteigerung ftir elektrisehe Reize zeigt sich bei direkter Reizung konstant unter den versehiedensten experimentellen Bedingungen; bei indirekter Reizung dagegen nur, solange der Nerv intakt ist und keine tiefe Narkose besteht.

16. Bei leichter Narkose tritt naeh Physostigminapplikation eine dentlich meBbare Erregbarkeitssteigerung zeitlieh wesentlich frtiher auf als die anderen Muskelsymptome.

17. Die ZuekungshShe des indirekt gereizten Physostigminmuskels ist bei IJberschreitung der Reizschwelle sofort (ganz oder fast) maximal.

18. Enthirnte physostigminierte Fri~sehe weisen anfangs sehr vermehrte, spiiter verminderte Erreg'barkeitssteigernng auf.

19. Der ktinstlieh erwitrmte Froseh verfallt naeh Physostigmin- gabe alsbald in einen narkotisehen Zustand: der wi~hrend seiner Dauer das Auftreten der Muskelsymptome wie eine andere Narkose verhindert.

Page 34: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiffen Muskel. 61

20. Langsames Abquetschen des N. radialis der Taube bewirkt in den yon ihm versorgten Muskeln Tonussteigerung und fibrill~re Zuckungen wahrend der Dauer der Abquetschung.

21. Dutch Frieren hervorgerufene Muskelzuekungen und Rigiditi~t am Hunde werden dureh Atropin nieht beeinfiuBt.

Schlu~.

Die Summe der geschilderten Beobaehtungen ergibt einstweilen eine fast hoffnungslose Komplikation der Erscheinungen, denen man als Folge der Physostigminvergiftung begegnet. - - M i t den bisher tiber die Physostigminwirknng aufgestellten Theorien lassen sie sich nicht erkl~tren. - - Ohne auf die sich ergebenden Schwierigkeiten im einzelnen nochmals einzugehen, liegt wohl noch die gr(iBte in der begrifflichen Vereinigung der beiden Tatsachen, dal~ einmal die iso- lierte periphere ~Narkose die Physostigminsymptome am Muskel, der mit dem Zentrum noch zusammenhiingt, nicht zurUckbringt, dab zum anderen abet die fibrilli~ren Zuckungen und die Tonussteigerung am Kaninchenmffskel mit durchsehnittenem Nerven durch allgemeine Nar- kose aufgehoben werden.

FUr den Untersehied zwischen dem Si~ugetiermuskel einerseits mit durehschnittenem Nerven und dem gleichbehandelten Tauben- und Froschmuskel andererseits scheint mir der Hinweis auf eine Arbeit yon Li iwi und Mansfe ld nicht zweeklos~ die n~mlieh beobaehteten, dab nach pr~ganglionlirer Okulomotoriotomie und Sympathikusdurch- sehneidung an der Iris wohl noch ein Effekt durch Physostigmin (Miosis) zu erzielen war, dab aber naeh Pelvikus- und Hypogastrikus- durchsehneidung an der Blase ein Erfolg nach Physostigmin ausblieb. --Viel le ieht hat man mit sehr weir peripher gelagerten, sich bet den einzelnen Tierkreisen verschieden verhaltenden, nerv~isen Ele- menten (Ganglien) zu rechnen; in dieser Hinsieht verdient es Beach- tung, daI~ Ri el~ er an seinen v(illig isolierten Kaninchenmuskeln auch keine fibrilliiren Zuckungen beobaehtete.

Von Interesse erseheint sehlieBlich noeh der I4inweis, dab in dem Zusammenhang yon Tonussteigerung und fibrillaren Zuckungen eine grol~e Analogie zu dem yon T r e n d e l e n b u r g am Darm ermittelten Verhalten erbliekt werden kann, insofern auch dort erhiihter Tonus das Einsetzen yon Bewegungen begtinstigt;

Die neuesten Arbeiten yon RieBer und Neuschlosz (30), sowie Kurd, Shinosaki~ Kishimot% Sato, Hoshino und Tsukij i (31) waren bet Abfassung dieser Arbeit noch nicht erschienen und konnten daher im Text nicht beriicksiehtigt werden.

Page 35: Die Wirkung des Physostigmins auf den quergestreiften Muskel

62 III. KONRAD ZUOKER.

L i t e r a t u r .

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