Die Zeit: »Die klare Mehrheit ist dafür«

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  • 8/8/2019 Die Zeit: Die klare Mehrheit ist dafr

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    WIRTSCHAFT

    Sieht so die schwbische Zukunft aus? Modell des geplanten Tiefbahnhofs in Stuttgart

    Die klare Mehrheit ist dafrSeit den Protesten gegen den Bahnhof ist Wolfgang Schuster kaum noch sichtbar. Hier spricht Stuttgarts OB ber seine gespaltene Stadt

    DIE ZEIT: Herr Oberbrgermeister, wie fhlt essich an, einer tief gespaltenen Stadt vorzustehen?Wolfgang Schuster:Wir haben in Stuttgart einesehr lebendige Debatte ber das Bahnprojekt.Es gibt aber, Gott sei Dank, viele andere The-men, bei denen groes Einvernehmen herrscht.Man sollte Stuttgart nicht auf den Bahnhofreduzieren.ZEIT: Wie stark hat Stuttgart 21 von der StadtBesitz ergriffen?Schuster: Inzwischen ist eine sachlichere Atmo-sphre eingetreten, nicht zuletzt, weil HeinerGeiler als Schlichter ttig ist. Das hat gewirkt.Es ist wichtig, dass man den Abwgungsprozess,der vor mehr als 20 Jahren begonnen hat, nocheinmal nachvollzieht. Es gibt nicht nur Schwarzund Wei, und da hilft die Schlichtung sehr.ZEIT: Viele Brger haben gar kein klares Bildmehr von Ihnen. Seit Monaten sind Sie regelrechtabgetaucht. Ist das Ihr Verstndnis von der Rolleeines Stadtoberhaupts?Schuster: Ich bin jeden Tag in der Stadt unter-wegs, rede tglich mit den Menschen. Allerdings:Meine Aufgabe ist es, moderierend zu wirken.Das mag nicht so medienwirksam sein, als wennich klare Kante zeigen wrde. Ich halte es aber frganz wichtig, dass ich eher beruhige, als Diskus-sionen emotional aufzuheizen.ZEIT: Sie haben sich bisher noch auf keiner De-monstration der Projektgegner blicken lassen.Warum stellen Sie sich nicht?Schuster: Ich hatte angeboten,dort aufzutreten, und bin aus-geladen worden.ZEIT: Und wenn nun eine Ein-

    ladung kommt?Schuster: Dann gehe ich selbst-verstndlich hin.ZEIT: Als wieder einmal 50 000Demonstranten in Stuttgart aufder Strae waren, da flogen Sienach Chile, um einen Platz ein-zuweihen. Flchten Sie?Schuster: Ich halte es fr verant-wortbar, auch Termine auerhalbder Stadt wahrzunehmen.ZEIT: Warum haben Sie nichteinmal spontan am Bahnhof mitden Gegnern geredet?Schuster: Ich rede jeden Tag mitvielen Gegnern und Befrwortern von Stuttgart21. Aber die Demonstrationen erhielten im Som-mer eine emotionale Dimension. Ich bekamMorddrohungen. Am Anfang habe ich das garnicht ernst genommen, nach der dritten habe ichdann die Kripo informiert. Ich kann aber, Gottsei Dank, ohne Polizeischutz leben.ZEIT: Am 30. September, jenem schwarzenDonnerstag, an dem die Polizei mit Wasserwer-

    fern und Trnengas gegen die Demonstrantenvorging, hatten Sie da Angst um Ihre Stadt?Schuster: Mich hat das sehr betroffen gemacht.Ich habe mich noch am selben Nachmittag an dieffentlichkeit gewandt mit der Bitte um Mi-gung auf beiden Seiten. Zu dem Zeitpunkt wardie Situation schon so schwierig und aggressiv.Ich habe das bedauert, weil das den Umgang mit-einander danach erheblich erschwert hat.ZEIT: Der Protest richtet sich auch stark gegenIhre Person. Sie werden zum Beispiel als Lgnerbeschimpft. Haben Sie noch gengend Rckhalt?Schuster: Ich warne immer vor Generalisierungen.Natrlich ist das wenig erfreulich, wenn mehrere

    Tausend Menschen Lgenpack skandieren undandere diffamierende Behauptungen aufstellen.

    Andererseits hat das zu einer starken Solidarisie-rung gefhrt, was meine Person anbelangt.ZEIT: Haben Sie je an Rcktritt gedacht?Schuster: Nein, warum auch? Ich habe eine Auf-gabe bernommen, die ich mit Freude, Engage-ment und Erfolg angehe. Wichtig ist dabei dieNeutralitt. Ich habe zum Beispiel verboten, dassdie Mitarbeiter der Stadt Stuttgart-21-Buttonstragen in die eine oder andere Richtung.ZEIT: Die Strategie, hart gegen die Demonstran-ten vorzugehen, hat die Landespolitik vorgege-ben. Strt es Sie, dass inzwischen die Landes-CDU das Heft des Handelns bernommen hat?Schuster: Nein. Unabhngig davon, dass die Po-lizei ohnehin Landessache ist, bin ich sehr froh,dass sich das Land in der ffentlichkeit enga-giert. Es beteiligt sich ja auch finanziell in einerganz anderen Dimension. Ich freue mich auch,dass sich die Bahn jetzt engagiert. Denn das Pro-

    jekt ist zwar zentral fr die Stadt, aber es ist keinstdtisches Projekt.ZEIT: Was wrden Sie mit dem Wissen von heu-te anders machen?Schuster: Ich htte mir gewnscht, wir htten of-fener und intensiver kommuniziert. Sptestensmit den vielen Unterschriften, die im Jahr 2007fr ein Brgerbegehren gesammelt wurden, wur-de klar, dass die Stimmung sich nderte. Aber

    damals waren unsere Partnernoch nicht so weit. Erst als Bahn-chef Grube kam, haben wir einKommunikationsbro eingerich-tet und eine neue Strategie ver-

    folgt. Das htte man schon frhermachen knnen.ZEIT: Sie htten aber auch ein-fach einen Brgerentscheid zu-lassen knnen.Schuster: Das wre 2007 rechtlichnicht mehr gegangen. Ich kann alsOberbrgermeister nicht vorstz-lich rechtswidrig handeln. Wirhatten bereits 2001 die Finanzie-rungsvertrge unterschrieben.Damals htten wir einen Brger-entscheid machen knnen berdie Frage, ob die Stadt die Gleis-flchen von der Bahn kaufen soll

    oder nicht. Es war der grte Grundstckskauf inder Stadtgeschichte.ZEIT: Warum haben Sie die Brger nicht ent-scheiden lassen?Schuster: Weil es damals eine vllig andere Situa-tion in der Stadt gab. Es gab eine klare Mehrheitder Brgerschaft fr Stuttgart 21, und alle, in-klusive der Grnen, haben den Kauf der Grund-stcke fr richtig gehalten.

    ZEIT: Kurz nach dem Polizeieinsatz Ende Sep-tember erinnerten Sie daran, dass es fr Sie auchGrnde geben knnte, aus dem Projekt aus-zusteigen. Was ist fr Sie ein Ausstiegskriterium?Schuster: Eine Prmisse war immer der Schutzunseres Mineralwassers. Deshalb gibt es im Plan-feststellungsverfahren dazu ber viele Seiten Auf-lagen auf der Basis von Gutachten. Das Grund-wassermanagement, das dem Schutz der Mi-neralquellen dient, werden wir ganz genau undsehr kritisch beobachten.ZEIT: Und was machen Sie, wenn sich heraus-stellt, dass die Quellen tatschlich gefhrdet sind?Ziehen Sie dann die Reileine?

    Schuster: Fest steht: Wenn es eine konkrete Ge-fhrdung geben knnte, wrde die Stadt sofortManahmen zur Beseitigung dieser Gefahreneinfordern notfalls mit vorlufigem Baustopp.

    Wir beobachten das sehr genau.ZEIT: Gibt es auch bei den Kosten eine Ober-grenze, bei der die Stadt aussteigen wrde?Schuster: Auf der Kostenseite ist zunchst einmaldie Bahn als Bauherrin verantwortlich.ZEIT: Die Stadt beteiligt sich mit 131 MillionenEuro an Stuttgart 21. Dazu kommen die Kostenfr das Grundwassermanagement. Knnen Sieden Stuttgartern garantieren, dass es dabei bleibt?Schuster: Die Stadt hat nicht die Absicht, mehrzu bezahlen.

    ZEIT: Anfang Dezember geht die Schlichtung zuEnde. Was wird dabei herauskommen?Schuster: Das wird Herr Geiler verknden.

    Wichtig zur Versachlichung der ffentlichenDiskussion ist, dass die wesentlichen Streitpunk-te auf den Tisch kommen. Zudem mssen wirfr die Zeit nach der Schlichtung eine neutralePlattform schaffen fr die Fragen, die uns alsBrger interessieren: vom Grundwasser ber dieGeologie bis zur Baulogistik.ZEIT: Wie soll diese Plattform aussehen?Schuster: Ich knnte mir einen BrgerkonventStuttgart vorstellen. Ich mchte die baden-

    Seit 1997 regiertWolfgang Schuster (61,CDU) in Stuttgart.Kritiker werfen ihm vor,einen Brgerentscheidber das Bahnprojektverhindert zu haben

    S T A D T O B E R H A U P T

    Neubaustrecke

    Bei Stuttgart 21 geht es nicht nur um einenBahnhof, der um 90 Grad gedreht und zwlfMeter tief unter die Erde gelegt werden soll.Eng daran geknpft ist auch die geplanteNeubaustreckevon Wendlingen nach Ulm,ohne die das Groprojekt sinnlos ist. DieSchnellbahntrasse soll die Reisezeit zwischenStuttgart und Ulm um 26 Minuten verkrzen.Doch eine Reihe von Experten bezweifelt ihrenNutzen: zu teuer, zu riskant, dazu nutzlos frden Gterverkehr, sagen sie.

    Der Bundesverkehrsminister sieht dasanders. Die Wirtschaftlichkeit ist eindeutigerwiesen, sagte Peter Ramsauer (CSU)vergangene Woche in Berlin. Alle fnf Jahrestellt sein Ministerium smtliche Projekteim Schienen- und Straenbau auf den Prf-stand. Als gerade noch wirtschaftlich gilteine Strecke, wenn jeder investierte Euroauch einen Euro Nutzen bringt. Dann liegtdas Verhltnis von Kosten und Nutzen ge-nau bei eins. Bei der Trasse nach Ulm kom-men Ramsauers Mitarbeiter auf 1,5 wennalles optimal luft. Wenn es nicht optimalluft, dann auf 1,0. Das ist deutlich unren-tabler als die anderen knapp 30 Bahnpro-

    jekte, die bis 2025 realisiert werden sollen.Sie werden im Schnitt mit 2,2 bewertet.

    An Ramsauers Rechnung gibt es nunzweifache Kritik: Der Nutzen wrde zuhoch angesetzt, und die Kosten wrdenkleingerechnet. Taschenspielertricks nenntdas Anton Hofreiter, verkehrspolitischerSprecher der Grnen im Bundestag. Er be-ziffert das Nutzen-Kosten-Verhltnis auf

    gerade einmal 0,92 Prozent. Das hiee:nicht genehmigungsfhig.Hofreiter wirft Bund und Bahn vor, sie

    rechneten mit Gterzgen, die auf der Stre-cke niemals im geplanten Umfang fahrenwrden. Auch eine Studie fr das Umwelt-bundesamt kommt zu dem Schluss, dieTrasse sei de facto fr den Gterverkehrnutzlos. Der Grund: Die Steigung ist zuhoch, steiler noch als die Alttrasse berGeislingen. Schon dort kommen schwereGterzge nur mit einer zustzlichen Schie-belok die Schwbische Alb hinauf. Auf derneuen Trasse knnten allenfalls leichte G-terzge fahren, die es heute aber noch garnicht gebe, sagt Hofreiter.

    Selbst Ramsauers Rechnung ist an eineBedingung geknpft. Die Wirtschaftlich-keit von 1,5 gilt nur, wenn die Neubaustre-cke nach Ulm Vorrang hat vor dem Ausbauder sogenannten Mottgers-Spange, dassind die Abschnitte zwischen Hanau und

    Wrzburg beziehungsweise Fulda und Er-furt. Der msste um Jahre verschoben wer-den. Nur so wrde der Verkehr weiter berStuttgart laufen und damit den Nutzen derNeubaustrecke erhhen. Das Erstaunliche:Die Mottgers-Spange wird im Bedarfsplanmit 2,0 bewertet. KERSTIN BUND

    18. November 2010 DIE ZEIT No 47 37

    Fortsetzung auf S. 38

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  • 8/8/2019 Die Zeit: Die klare Mehrheit ist dafr

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    38 18. November 2010 DIE ZEIT N o 47 WIRTSCHAFT

    Als der Bergmannschor im Essener Saal-bau Glck auf! Glck auf! Der Steigerkommt! anstimmte, da war die Weltder Kumpel wieder in Ordnung.Pnktlich zum Deutschen Steinkohle-

    tag am Dienstag zeichnete sich ab, dass die Kohle-

    lobby auch ihre letzte Schlacht erfolgreich geschla-gen hatte.Vergessen war, dass es noch Tage zuvor schlecht

    stand um die Zukunft der deutschen Zechen.Knapp drei Jahre nach dem mit der Bundesregie-rung mhsam ausgehandelten Kohlekonsens hattenmlich die EU-Kommission im Sommer interve-niert, um das Ende der Subventionen von 2018 auf2014 vorzuverlegen. Das htte den sozialvertrgli-chen Ausstieg zunichtegemacht.

    Dann aber legte Michael Vassiliadis los. Der Chefder Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie(IG BCE) lie sofort Briefe an alle EU-Parlamentarierund Kommissare schreiben. In den vergangenen Wo-chen war er dann persnlich in Brssel, Berlin undvielen anderen Hauptstdten der Union unterwegs.Mit Erfolg. Nun wird der Ausstieg wohl doch auf 2018verschoben. Das wissen wir erst, wenn die Sache durchdie gesamte Brsseler Maschinerie gelaufen ist, aberda sind wir doch deutlich optimistischer als noch voreinigen Tagen, sagt Vassiliadis selbst. Doch BrsselerDiplomaten berichten von einem Stimmungs-umschwung: Der Wind hat sich gedreht.

    Deutlich wurde die Entwicklung am Freitag ver-gangener Woche, als sich auf der Ebene 50 desBrsseler Justus-Lipsius-Gebudes 27 Botschafterder Mitgliedstaaten versammelten. Das harte Kunst-licht und der rote Teppich sorgten dafr, dass man-cher Diplomat dem Haus den Charme sptsozia-

    listischer Parteizentralen attestierte. Und an diesemNachmittag ging es tatschlich um Staatswirtschaft:Die Diplomaten aus Deutschland, Spanien undRumnien warben um Nachsicht fr ihre Kohle-subventionen. Soweit, so wenig berraschend. Da-nach aber kam nach Aussage eines Sitzungsteilneh-

    mers eine berraschung: Da meldeten sich nmlichfast 20 Vertreter von Nichtkohlestaaten zu Wort,und die meisten signalisierten Zustimmung fr das

    Anliegen. Worauf der Vertreter der belgischen Pr-sidentschaft, Didier Seeuws, dem Vernehmen nachankndigte, sein Land werde nun eine Frderfristbis 2018 vorschlagen. Wenn es so kme, urteilenInsider, drfte daran kaum noch gerttelt werden.

    Zumal auch das Europische Parlament zustzli-chen Druck auf die Kommission aufbaut. Der frnchsten Dienstag angekndigten Abstimmung inStraburg gingen Probelufe in mehreren Aus-schssen voraus. Eine Schlsselrolle spielten Abge-ordnete aus Nordrhein-Westfalen. Im wichtigen

    Wirtschaftsausschuss etwa sorgte Bernhard Rapkay einst SPD-Vorsitzender des Unterbezirks Dort-mund, bis heute ein Vertrauter von Vassiliadis frein Votum pro 2018.

    Doch die Beziehungen des IG BCE-Chefs ma-chen nicht an Parteigrenzen halt. So legte auchCDU-Mann Elmar Brok seine 30 Jahre Parlaments-erfahrung in die Waagschale, als es galt, den Stim-mungsschwenk vorzubereiten. Mich berzeugt,dass 2018 endgltig Schluss ist mit den Kohlesub-ventionen, sagt der Westfale und wurde damit beiKommissaren und Parlamentariern vorstellig.

    Endgltig: Das Wort hrt man bei den Kumpelnicht gerne. Als sie dem Kohleausstieg zustimmten,bestanden sie darauf, dass in das Gesetz eine Revisions-

    klausel aufgenommen wird. Danach msste 2012erneut diskutiert werden, ob der Steinkohlebergbaunicht doch weitergehen soll wegen st eigender Welt-marktpreise oder weil Deutschland, auch wenn es sichnicht rechnet, eine eigene klassische Energiequellebehalten soll. Doch von der Hoffnung auf die Revision

    werden sich die Kumpel wohl verabschieden mssen.Bedingung fr Kulanz in Brssel ist ganz klar dieStreichung der Klausel.

    Ist die Gewerkschaft bereit, das zu schlucken?IG-BCE-Chef Vassiliadis weicht der Frage zunchstaus. Fr uns hat die Sozialvertrglichkeit oberstePrioritt, sagt er. Wenn ein solches Signal ntigsein sollte, dann muss das zuerst einmal das Bun-desparlament so beschlieen. Vorher steht das frdie IG BCE nicht auf der Tagesordnung. Dochsein Mitstreiter Bernhard Rapkay von der SPD re-det Klartext: Es geht nicht weiter, es ist zu Ende.

    Ein tropisch heier Tag in Brssel gabden Ausschlag fr den Ausstieg

    Vermutlich wird das alles auch ziemlich schnellamtlich werden. Noch in dieser Woche wollte dasBundeskabinett den Deal beraten, der Bundestagim Januar seine Zustimmung geben. Parallel wirddas Europische Parlament am Dienstag einen Be-richt von Rapkay verabschieden. Und sich so dieErwartung vieler mit groer Mehrheit fr 2018entscheiden. Die EU-Kommission wird sich demwohl noch im Dezember anschlieen. Dann kn-nen die Bergleute unterm Weihnachtsbaum gleichnoch mal darauf anstoen.

    Welche Stimmungswende. Bis September sah esso aus, als knnten sich die Kumpel nicht einmal

    wrttembergische Ingenieurskammer dafr ge-winnen, mit uns den Bau von Stuttgart 21 lang-fristig zu begleiten, einen moderierten Dialogber die Themen wie Grundwasser und Geo-logie zu fhren. Die Ingenieure sollen uns auchdabei helfen, die geeigneten, neutralen Expertendafr zu finden.ZEIT: Stuttgart 21 ist auch ein gro angelegtesstdtebauliches Projekt. 100 Hektar Flche kn-nen neu bebaut werden.Schuster: Geplant sind bisher nur Teile des Euro-paviertels nrdlich des Gleiskrpers. Grund undBoden gehren dort der Bahn.

    Was die Gestaltung der 100Hektar frei werdender Gleis-

    flche angeht, mchten wir ausden Erfahrungen mit vergleich-baren Projekten lernen, zumBeispiel aus der HamburgerHafenCity.ZEIT: Die wirkt auf viele sterilund ist abends verlassen.Schuster: So soll es in Stuttgarteben nicht werden. Deshalbwollen wir die Brger betei-ligen. Wir werden nicht nurber das Wohnen, sondern auchber das Arbeiten der Zukunftund das soziale Miteinandernachdenken. Wir sind nichtdaran interessiert, das Gelnderasch an den Markt zu bringenund Investoren zu berlassen.ZEIT: Aber am Ende brauchen Sie Investoren.

    Worber sollen die Brger denn entscheiden?Schuster: Wir werden fr die verschiedenen The-men Brgerforen einrichten. Die dort einge-brachten Vorschlge sollen am Ende in einestdtebauliche Vision mnden. Dieses Gesamt-

    konzept wird abermals diskutiert und soll danndie Grundlage eines stdtebaulichen Wettbewer-bes sein. Das Ziel ist es, etwas zu entwickeln, dasnicht als Fremdkrper empfunden wird, sondernals lebendiger Teil der Stadt.ZEIT: Wie stellen Sie sicher, dass dort nicht bloteure Wohnungen und Bros entstehen?Schuster: Wir mssen uns im Gemeinderat aufgemeinsame Ziele verstndigen. Wir drfennicht nur betriebswirtschaftlich denken, sondernauch sozial und volkswirtschaftlich.ZEIT: Das Europaviertel in der jetzigen Planungmit dem gewaltigen ECE-Einkaufszentrum gibt

    Anlass, das Schlimmste zu erwarten.

    Schuster: Ich sage klar: Ein Teil des Europavier-tels ist nicht meine Vorstellung von Stdtebau.

    Auch daraus kann man lernen.ZEIT: In zehn Jahren werden Sie und der Ge-meinderat nicht mehr im Amt sein. Warum soll-ten sich Nachfolger an Ihre Beschlsse halten?Schuster: Die Beteiligung soll ausdrcklich lang-fristig wirken. Sie haben recht, sie kann leidernicht rechtlich verbindlich sein. Ich werde jedochalles dafr tun, dass die Politik daran festhlt.ZEIT: Zuvor wird aber eine Entscheidung fallen:Der unterirdische Bahnhof wird gebaut oder

    nicht. Ist Ihre Ankndigungeines Brgerkonvents nichtblo eine Beruhigungspille?

    Schuster: Es geht darum, dassman den Abwgungsprozessder vergangenen Jahre zu Stutt-gart 21 in einer sehr viel trans-parenteren Form wiederholt.Die Brger sind dabei.ZEIT: Aber dann ist doch klar,auf was es hinauslaufen muss:auf eine Brgerbefragung.Sonst ist Transparenz sinnfrei.Schuster: Aber wen wollen Siebefragen? Nur die Stuttgarter,die Baden-Wrttemberger oderalle Bundesbrger? Es ist ja einBahnprojekt.ZEIT: Es ist vor allem lngstein Politikum, das einer neuenBewertung und Behandlung

    bedarf. Wieso nicht die Baden-Wrttembergerbefragen und das Resultat als Ausdruck des poli-tischen Willens der Bevlkerung ansehen?Schuster: Dann kommen wir zu einer Stim-mungsdemokratie. Das Projekt ist in Bau. DieBahn hat Baurecht. Wenn ich gewusst htte, wie

    sich die Stimmungslage entwickelt, htte ich im Nachhinein betrachtet 2001 einen Brger-entscheid ber die Beteiligung der Stadt an die-sem Projekt gemacht. Ich bin mir sicher: Wirhtten die Brger gewinnen knnen. Aber waswrde das heute, zehn Jahre spter, ntzen?ZEIT: Wie wrde eine Volksbefragung dennheute ausgehen?Schuster: Ich bin berzeugt: Es gibt eine klareMehrheit fr Stuttgart 21 und die Neubaustreckenach Ulm.

    Das Gesprch fhrten KERSTIN BUND undTHOMAS E. SCHMIDT

    Fortsetzung von S. 37

    Wenn ich gewusst htte,wie sich die Stimmungentwickelt, htte ich2001 einen Brger-entscheid ber dieBeteiligung der Stadtgemacht

    mehr hierzulande der Untersttzung sicher sein.Die Liberalen waren immer schon fr einenfrheren Ausstieg. Widerwillig stimmten sie2018 zu, als sie in Berlin noch in der Oppositi-on waren. Doch nach der Bundestagswahl ber-nahm der FDP-Mann Rainer Brderle das

    Bundeswirtschaftsministerium und htte dieSache europafest machen mssen was ihm of-fenbar schwerfiel.

    In der Union war der Eifer allerdings auchnicht bergro. Oder war es Zufall, dass derdeutsche Energiekommissar Gnther Oettinger(CDU) nicht einmal anwesend war, als seineBrsseler Kollegen am 20. Juli ber Kohle ver-handelten? Klar sah es dort zunchst nach gr-nem Licht aus. Wettbewerbskommissar Joaqun

    Almunia kommt aus Spanien ein Land, dasselbst unrentable Zechen besitzt. Er hatte des-halb als Zeitpunkt fr das Ende der Subventio-nen das Jahr 2022 vorgesehen. Doch in der EUgab es auch immer wieder Widerstand gegenden Brennstoff mit dem Klimakiller CO. Undals Klimakommissarin Connie Hedegaard undUmweltkommissar Janez Potonik ausgerech-net an jenem tropisch heien Tag anfingen,ber Erderwrmung zu reden, einigte man sicheben auf 2014.

    Das ist jetzt Makulatur. Viel ist in Brsselvon pragmatischen Grnden die Rede. Wer willschon im aufkeimenden Boom Tausende Ar-beitspltze gefhrden. Mglicherweise hatte sichauch herumgesprochen, dass sich die EU-Ze-chen untereinander kaum Konkurrenz machen.Dazu sind die Mengen lngst zu gering. Diemeiste der auf dem Kontinent verfeuerten Kohle

    wird inzwischen in berseelndern wie Sdafri-ka gefrdert. Schadstoffrmer sind diese Importeallerdings auch nicht.

    In Berlin wurde dann noch ein paar Wochenlang ber die Auswirkungen fr den Fiskus dis-kutiert, darber, ob die Subventionsersparnis oder

    die Kosten der Arbeitslosigkeit berwiegen. DasForschungsinstitut RWI rechnete aus, dass sichdurch den frheren Ausstieg insgesamt 1,4 Milliar-den Euro sparen lieen. Der Steinkohleverbandlegte ein gegenteiliges Gutachten vor. Darin bezif-ferte das Forschungsinstitut Prognos (das wie dieZEITder Familie Holtzbrinck gehrt) die Zusatz-belastungen mit 2,0 Milliarden Euro. Allerdings

    waren darin neben den Kosten fr arbeitslose Berg-leute auch jene fr die Mitarbeiter der Zuliefererbercksichtigt. Die waren zuvor allerdings nie Teilder Verhandlungen, wie Wirtschaftsminister Br-derle sogleich bemngelte.

    Am Ende blieb Kanzlerin Angela Merkel ihrerpragmatischen Linie treu: Lieber Kumpel bis2018 als Feinde von 2014 an.

    Und so warb sie auch am Rande der jngs-ten Gipfeltreffen fr ihre Position, was der Ge-werkschaftsinitiative Auftrieb gab. ber politi-sche Zugestndnisse ist bisher nichts nach au-en gedrungen. Manche sehen das allerdings sonchtern wie Merkels Parteifreund Brok imEU-Parlament. Der sagt schlicht: Es luft wiein der Lokalpolitik nach dem Motto Das tuteuch doch nicht weh, und knftig habt ihrdann auch einen gut.

    Weitere Informationen im Internet:www.zeit.de/energie

    Frdern

    bis 2018Kohle aus Deutschland ist

    unrentabel und klimaschdlichsowieso. Trotzdem drfen die

    Kumpel erst einmal weitermachenVON JUTTA HOFFRITZ UND CLAAS TATJE

    01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 12 18

    Kohlebeihilfen der entlichen Hand, in Milliarden Euro

    Das Kreuz mit der Kohle

    ZEIT-Grafik/Quelle: Gesamtverband Steinkohle; *Planzahlen bei hohenWeltmarktpreisen knnen die Kohlesubventionen geringer ausfallen

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