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G 3560 48. Jg. Heft 1/2016 www.vda-kultur.de Kultur & Diplomatie Im Interview: S.E. Botschafter Christian Schlaga in Namibia Kultur & Austausch Schüler aus Paraguay verwirk- lichen ihren Reisetraum Schaufenster Europa: Kulturhauptstadt an der Oder: Breslau – Stadt der Begegnung Die beste Zeit meines Lebens mit dem VDA- Austausch ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

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G 3560 48. Jg. Heft 1/2016 www.vda-kultur.de

Kultur & Diplomatie

Im Interview: S.E. Botschafter

Christian Schlaga in Namibia

Kultur & Austausch

Schüler aus Paraguay verwirk-

lichen ihren Reisetraum

Schaufenster Europa:

Kulturhauptstadt an der Oder:

Breslau – Stadt der Begegnung

Die

beste Zeit

meines Lebens

mit dem VDA-

Austausch

ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLANDZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

Impressum

Herausgeber: Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA), gegr. 1881 als „Allgemeiner Deutscher Schulverein”, vertreten durch Klaus Brähmig MdB, Vorsitzender. Der GLOBUS erscheint vierteljährlich in der VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin, Telefon (0 22 41) 2 10 71, Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected], Internet: www.vda-kultur.de

Redaktion: Petra Meßbacher, VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH Kölnstraße 76, D-53757 Sankt Augustin, Telefon (0 22 41) 2 10 71, Fax (0 22 41) 2 92 41, E-Post: [email protected], Internet: www.vda-kultur.de

Gestaltung und Herstellung: Druckerei Engelhardt GmbH, D-53819 Neunkirchen, Tel. (0 22 47) 92 00-0, Fax (0 22 47) 92 00-92, E-Post: [email protected], www.druckerei-engelhardt.de

Jahresabonnement: Jahresabonnement 20,– € zzgl. Versandkosten. Zusätzlicher Einzelbezug auf Anforderung pro Heft 5,– € zzgl. Versandkosten. Bankkonto Verlag: Deutsche Bank AG Bonn, IBAN: DE21 3807 0059 0051 5098 00; BIC: DEUTDEDK380.

Auflage: 2300 Exemplare

Mit vollem Namen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos keine Haftung. Rücksendung nur gegen Rückporto. Abdruck für deutschsprachige Publikationen im Aus-land bei Quellenangabe und gegen Belegexemplar gestattet, im Inland nur mit Genehmigung der Redaktion.

ISSN 0721-0167

ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

Titelfoto: „Distance-Tree“ im Namibischen Outback. © Petra Meßbacher

Ein Wort vorab 3

Kultur & Politik

Ukraine: Ein Land zwischen Ost und West 4 – 5

Erfolgreiche Arbeit der Stiftung Verbundenheit

mit den Deutschen im Ausland –

Neuer Vorsitzender in Rumänischer Botschaft vorgestellt 6 – 8

Deutsche Spuren in Kamerun 9 – 11

Kultur und Diplomatie

Namibia – ein aufstrebendes, afrikanisches Land

Interview mit dem Deutschen Botschafter,

S.E. Christian Matthias Schlaga 12 – 14

Schaufenster Europa

Breslau – Die Odermetropole im Rampenlicht 15 – 16

Kultur und Geschichte

Fanny Lewald:

Eine emanzipierte Schriftstellerin aus Königsberg 17 – 22

Kultur und Sprache

Deutschsprachige Presse in den USA 23 – 24

Deutschsprachige Medien in Lateinamerika 24 – 25

Kultur und Reisen

VDA-Dirigentenseminar in San José, Costa Rica 25 – 26

Der Kaiserbrunnen von Istanbul 27

Kultur- und Jugendaustausch

Ein Traum wird wahr für Schüler aus Paraguay 28 – 30

Namibia – ein Stück von mir 31

Deutsche Schule Los Angeles auf großer Kulturreise 32

Bildungsreise für südamerikanische Schüler 33

VDA-Jugendaustausch auf Werbetour 34

VDA-Informationen

Spenderliste 35

Mitwirkende dieser GLOBUS-Ausgabe:Klaus Brähmig MdB, Roswitha Dahs, Claudia Degenhardt, Mariele

Diehl, Bianca Epp, Bernadett Fischer, Laura Fröse, Clarisse Giesbrecht,

Juliane Herbst, Dr. Rudolf Kemmerich, Thomas Konhäuser, Hartmut

Koschyk MdB, Fernando Löwen, Petra Meßbacher, Wolfgang Reith,

Marlene Röder, Dr. Roswitha Schieb, S.E. Botschafter

Christian Matthias Schlaga, Katharina Schmitt, Edmund Speiseder,

Dr. Alexander Vollmert, Regine Wegmann.

Die beste

Zeit meines

Lebens

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

VDA hat dieses Privileg und wird diesen besonderen Tag daher auch feiern. Hierzu wird daher am 28. September 2016 in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin eine festliche Veranstaltung stattfinden, über die wir noch detailliert informieren werden.

Wie Sie sicherlich wissen, besteht ein Hauptaufgabenfeld des VDA im interna-tionalen Jugendaustausch, den wir seit vielen Jahren mit Deutschen Schulen im Ausland organisieren. Auch hier ist alles im Wandel – panta rhei. Insbesondere die Erfahrungen der letzten Austauschsaison (Beginn ab September) hat alle nur denk-baren Anstrengungen des Teams in der Geschäftsstelle erfordert, um die nötigen Gastfamilien für unsere rund 350 Aus-tauschschüler zu finden. Die Gründe sind vielfältig, warum die Gastfamilienrecher-che nicht leichter werden wird. Doch ist sie unabdingbarer Bestandteil eines erfolgrei-chen Jugendaustausches für den VDA.

Daher trete ich mit der herzlichen Bitte an Sie heran, schon jetzt zu überle-gen, ob Sie oder Ihre Bekannten/Freunde Interesse daran haben, einen Austausch-schüler oder Schülerin aus Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay, El Salvador oder Namibia im Herbst/Winter 2016 für 6–8 Wochen in Ihren Familien aufzunehmen.

Gerne steht Ihnen das VDA-Team mit Rat und Tat zur Seite, um Ihre Fra-gen zu beantworten (Tel. 0 22 41/21071 oder per mail [email protected]).

Wie Sie aus den Berichten über den Jugendaustausch in dieser Ausgabe le-

es freut uns sehr, Sie auch in diesem Quar-tal mit einer vielseitigen „GLOBUS-Ausga-be“ überraschen zu können. Eine ausführ-liche Lektüre möchten wir Ihnen daher sehr ans Herz legen, vor allem deshalb, weil wir für unsere Rubrik „Kultur & Di-plomatie“ als aktuellen Interviewgast den Deutschen Botschafter in Namibia gewinnen konnten. Namibia – ein Land voller Gegensätze in Natur, Kultur und Bevölkerung. Ein Land reich an einer jun-gen, aufgeschlossenen Generation mit Talenten und Wissensdurst und vor allem mit einer engen Bindung an die deutsche Sprache. Ein Blick über den „europäischen Tellerrand“ bringt immer wieder neue Er-kenntnisse für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik deutscher international tätiger Organisationen. Auch der VDA ist permanent bestrebt, die kulturellen Bezie-hungen zu deutschen Interessensgemein-schaften im Ausland zu pflegen und daher sehr gerne im Gespräch mit der Politik.

Dieses Gespräch gilt es in diesem Jahr auch besonders zu intensivieren, denn der VDA kann auf einen erstaunlichen Geburtstag Ausschau halten: am 15. Au-gust 1881 würde der Verein gegründet, damals unter dem Namen „Allgemeiner Deutscher Schulverein“. Neben Hoch- und Tiefphasen, unruhigen und bedrohlichen Phasen, Veränderungen in der Mitglie-der- und Förderstruktur, Neugestaltung von Inhalten und Arbeitsschwerpunkten, hat sich der Verein heute auf gutem Ni-veau stabilisiert. Es gibt nicht allzu viele Organisationen in Deutschland, die ihren 135. Geburtstag begehen können. Der

sen können, k e h re n d i e d e u t s c h e n Schüler vom G e g e n a u s -tausch (Reise ins Ausland) m i t s o l c h ‘ e i n e r Fü l l e von Eindrü-cken und un-glaublichen Erfahrungen zurück, die sie sich vorher selbst nicht haben vorstellen können. Viele – und das hören wir immer wieder – wollen auf jeden Fall das Land, das sie als Gastschüler bereisen konnten, noch einmal besuchen und natürlich auch die Freundschaft zur ihrer Gastfamilie aufrechterhalten. Und unsere Erfahrung lehrt: je eher die Schüler untereinander Kontakt aufnehmen können, umso zufrie-denstellender verläuft der gegenseitige Austausch.

Also – WERDEN SIE VDA-GASTFAMI-LIE – es ist eine große kulturelle und per-sönliche Bereicherung, Schüler aus Nami-bia oder Südamerika ein paar Wochen bei sich aufzunehmen. So findet die „Globali-sierung“ nicht nur fern in Wirtschaft und Politik, sondern hautnah auch in IHRER FAMILIE oder bei Freunden Ihrer Familie statt.Mit herzlichem Gruß

VDA-Geschäftsführerin

GLOBUS-Chefredaktion

Liebe „GLOBUS“ Leser!Ein Wort vorab

...

Osterbrauchtum in FrankenDas alljährliche Schmücken der „Osterbrunnen“ gehört zum gelebten und beliebten Brauchtum in der Fränkischen Schweiz. Wasser und Ei als Symbole des Lebens werden somit besonders gewürdigt.Wir wünschen allen Lesern ein frohes und gesegnetes Osterfest.

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016 Kultur & Politik

Ein Land zwischen Ost und WestBesuch bei der deutschen Minderheit in der Ukraine

Von Klaus Brähmig MdB

Als treue Leser des „GLOBUS“ wissen Sie, dass die enge Kontaktpflege zu den im Ausland lebenden Mitgliedern der deut-schen Minderheiten seit vielen Jahren einen wichtigen Schwerpunkt meiner politischen Arbeit darstellt. Aus diesem Grunde suchte ich jüngst den Dialog mit dem „Rat der Deutschen in der Ukraine“, der Dachorganisation der deutschen Min-derheit in diesem Land an der Schnitt-stelle zwischen Ost und West. Mit Sitz in der Hauptstadt Kiew vertritt der Rat der Deutschen die Interessen der rund 33.000 Angehörigen der deutschen Minderheit im Lande, was insbesondere im Hinblick auf die aktuelle politische wie militärische Lage im Osten der Ukraine und auf der Halbinsel Krim von besonderen Heraus-forderungen geprägt ist.

Eine der wichtigsten Aufgaben in der Arbeit der deutschen Minderheit ist die fortgesetzte Pflege und Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur. Hier wird die Minderheit in der Ukraine intensiv durch die in Kiew befindliche Dependan-ce des Goethe-Instituts unterstützt, das die Durchführung von deutschen Sprach-kursen in die Hände der Selbstverwaltung der deutschen Minderheit legt, die von den dafür erhobenen Gebühren auch fi-nanziell profitiert. Das Goethe-Institut stellt qualitativ hochwertiges Lehrmate-rial zur Verfügung und übernimmt die kontinuierliche Fortbildung der entspre-chenden Lehrkräfte. Zugleich arbeiten in den landesweiten Begegnungszentren speziell ausgebildete Sprachassisten-ten des Goethe-Instituts intensiv mit der deutschen Minderheit zusammen; ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der Sprachausbildung, die selbstverständ-lich auch und in erster Linie an die ukraini-sche Mehrheitsbevölkerung gerichtet ist.

Die enge Abstimmung von Programmen mit den Vereinigungen der deutschen Minderheit ist ein richtiges und wichtiges Vorgehen von Seiten der Träger der deut-schen auswärtigen Kultur- und Bildungs-politik, denn es reduziert ihre Mitglieder und Institutionen nicht auf die Rolle eines Empfängers von staatlich finanzierten deutschen Angeboten, sondern bindet die Strukturen aktiv und zukunftsweisend als handelnde Akteure mit ein. Dieses ist für das Selbstverständnis der deutschen Minderheiten – nicht nur in der Ukraine, sondern in allen Staaten Mittelost- und Südosteuropas – von grundlegender Be-deutung. Wir alle, die wir uns für einen intensiven Austausch mit unserem im Ausland lebenden Landsleuten und Ange-hörigen unseres Kulturkreises engagieren, sollten diese Vorgehensweise zum Leitge-danken unserer Bemühungen machen.

Vor 1939 gehörten rund 880.000 Per-sonen zur deutschen Minderheit in der Ukraine. Im Jahre 1941 wurden 450.000 aus den östlichen und südlichen Landes-

teilen deportiert, die meisten nach Ka-sachstan. Die Verbliebenen leben heute über die gesamte Ukraine verteilt. Besu-che in der galizischen Metropole Lem-berg, dem heutigen Lviv, und bei den Wolhyniendeutschen in Luzk im Nord-westen der Ukraine, erweiterten die Ein-drücke von den Aktivitäten der deutschen Minderheit. So wurde im vergangenen Jahr beispielsweise ein Festival der deut-schen Sprache und Kultur in Lemberg veranstaltet. Bei einem künftigen Projekt mit dem Schwerpunkt der Stadtentwick-lung will man die spezifisch deutschen Beiträge zur Architektur der galizischen Metropole herausarbeiten. Ein wichtiges Aufgabengebiet stellt darüber hinaus die soziale und caritative Arbeit dar. Es war er-freulich zu hören, dass sich beispielsweise in Lemberg zahlreiche Vertreter der deut-schen Jugend der Betreuung und Unter-stützung sozial Schwacher und Senioren widmen, was neben einer mit dem Deut-schen Roten Kreuz initiierten Lebensmit-telhilfe auch die praktische Unterstützung

Kiew – Blick über den Maidan, einem der zentralen Schauplätze der ukrainischen Revolution des Jahres 2014. Blumengeschmückte Bilder erinnern dort an die zahlreichen Opfer.

Foto: privat

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016Kultur & Politik

im Haushalt umfasst. Die in vielen Fällen sichtbare Pflege des Brauchtums in Form von Tanz- und Gesangsgruppen war auch im Falle der deutschen Minderheit in der Ukraine charakteristisch und wirkt identi-tätsstiftend in die Kreise der Jugendorga-nisationen hinein.

Ein bleibender Eindruck, der sich auch in Gesprächen mit Bürgermeistern und anderen offiziellen Vertretern der ukrainischen Seite manifestierte, ist das öffentliche Bekenntnis zu Europa. Auch wenn die politische Umsetzung einer Mitgliedschaft der Ukraine in der Europä-ischen Union noch in weiter Ferne liegen sollte, war die prominente Präsentation der Flagge der Europäischen Union in den Räumen zahlreicher Institutionen klarer Ausdruck des Bekenntnisses eines Strebens nach Europa. Gerade viele jun-ge Ukrainer – darunter auch viele jünge-re Mitglieder der deutschen Minderheit – sehen in Europa und insbesondere in Deutschland den Ort für eine erfolgreiche Gestaltung ihrer persönlichen Zukunft.

Dem weiteren Ausbau der bilateralen Kontakte dient auch die Fortführung der seit langem unterbrochenen Arbeit der deutsch-ukrainischen Regierungskom-mission für die Angelegenheiten der

deutschen Minderheit in der Ukraine. Sie ist ein wichtiges Bekenntnis zur fort-gesetzten Unterstützung der Minderheit auch und vor allem durch die Bundesre-publik Deutschland.

Kiew – Klaus Brähmig (5. v.r.) nach einem Gespräch mit den im „Rat der Deutschen in der Ukraine“ vertretenen Organisationen der deutschen Minderheit. Foto: privat

Lemberg/Lviv – Dem sehenswerten historischen Stadtzentrum wurde im Jahre 1998 von der UNESCO der Weltkulturerbe-Status verliehen. Die Stadt ist in ihrer Geschichte vom

Zusammenleben mehrerer Völker geprägt. Foto: privat

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016 Kultur & Politik

Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland präsentiert in Rumänischer Botschaft ihre erfolgreiche Arbeit

Vorstellung des neuen Vorsitzenden Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk

Von Thomas Konhäuser

Im Vorstand der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, die 2004 von dem Industriellen Dr. Kurt Linster gegründet wurde, gab es im Herbst ver-gangenen Jahres einen Wechsel in den Ämtern des Vorsitzenden und des Schatz-meisters. Zum neuen Vorsitzenden wurde der Oberbürgermeister der Stadt Goslar, Dr. Oliver Junk, und zum neuen Schatz-meister der geschäftsführende Gesell-schafter der SeniVita Sozial gGmbH, Dr.

Horst Wiesent, gewählt. Vorsitzender des Stiftungsrates ist der Bayreuth-Forchhei-mer Bundestagsabgeordnete, Hartmut Koschyk.

Anlässlich des Wechsels im Stiftungs-vorstand fand in der Botschaft von Rumä-nien eine Veranstaltung mit anschließen-dem Empfang statt, um dem bisherigen Vorsitzenden, Dr. Kay Lindemann, und dem bisherigen Schatzmeister, Gerhard Müller, für íhre jahrelange Arbeit zu dan-ken und zugleich die beiden Nachfolger sowie die Arbeit der Stiftung Verbun-denheit mit den Deutschen im Ausland vorzustellen. Im Rahmen der Veranstal-

tung wurde auch das Stiftungsprojekt zur Instandsetzung und Nutzung des Pfarrhauses in Wurmloch (Valea Viilor) in Siebenbürgen / Rumänien. Neben dem Botschafter von Rumänien, Emilian Ho-raţiu Hurezeanu, dem Vorsitzenden des Rumänisch-Deutschen Forums, Außenmi-nister a.D. Andrei Plesu, dem deutschen Botschafter in Rumänien, Hans W. Lauk und den Mitgliedern von Rat und Vor-stand der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, nahmen u.a. auch Mitglieder des Vorstandes des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland unter dem Vorsitzenden Klaus Brähmig MdB, der stellv. Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Rainer Lehni und der Präsident des Volks-bundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Minister a.D. Markus Meckel, an der Veran-staltung teil.

Zu den anwesenden Bundestagsabge-ordneten gehörten Heinrich Zertik, Hei-ko Schmelzle, Prof. Dr. Patrick Sensburg, Stephan Mayer, Klaus Brähmig, Helmut Nowak und Dr. Silke Launert. Der Empfang in der Botschaft von Rumänien wurde un-terstützt von der der SeniVita Sozial gG-mbH und der Michael-Schmidt-Stiftung. Der aus Siebenbürgen stammende Mi-chael Schmidt, Vorsitzender der Automo-bile Bavaria Group in Rumänien, nahm persönlich am Empfang in der Botschaft

Der neue Stiftungsvorsitzende Dr. Oliver Junk dankt seinem Vorgänger Dr. Kay

Lindemann und dem langjährigen Schatz-meister Gerhard Müller für ihr besonderes

Engagement

Stiftungsratsvorsitzender Koschyk (li.) gemeinsam mit Botschafter Hans W. Lauk, Botschafter Emilian Horaţiu Hurezeanu und Michael Schmidt

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016Kultur & Politik

von Rumänien teil. Das Hauptziel der Michael-Schmidt-Stiftung ist der Sieben-bürgisch-Sächsische Kulturerhalt und die Bildungsarbeit.

Stiftungsratsvorsitzender Koschyk überreichte dem bisherigen Vorsitzenden, Dr. Kay Lindemann, und dem bisherigen Schatzmeister, Gerhard Müller im Rah-men der Veranstaltung eine Urkunde „in Anerkennung für ihre großartigen Leis-tungen und Verdienste als langjähriger Vorsitzender und Schatzmeister der Stif-tung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“. Ihr herausragender Einsatz als Gründungsvorsitzender und Grün-dungsschatzmeister der Stiftung Verbun-denheit würden unvergessen bleiben, so Stiftungsratsvorsitzender Koschyk.

Der neue Vorsitzende der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk, erklärte, dass er gerne das Ehrenamt als Stiftungsvorsitzender angenommen habe. Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise und den damit verbun-

denen politischen Spannungen innerhalb der Europäischen Union, messe er der europäischen integrativen Kraft von Städ-tepartnerschaften eine ganz besondere Bedeutung zu. Leider sei zu beobachten, dass das Interesse an lebendigen Städ-tepartnerschaften in den letzten Jahren stark zurückgegangen sei. Stiftungsvor-sitzender Junk erklärte, dass die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland auch dazu beitragen können, den „Städtepartnerschafts-Gedanken“ mit neuem Leben zu füllen.

Der Botschafter von Rumänien, Emili-an Horaţiu Hurezeanu, wünschte dem neu gewähltem Vorsitzenden, Dr. Oliver Junk, Oberbürgermeister der Stadt Goslar, so-wie dem neu gewähltem Schatzmeister, Dr. Horst Wiesent, geschäftsführender Ge-sellschafter der SeniVita Sozial gGmbH in seinem Grußwort alles Gute und würdigte die Arbeit der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland. Insbesondere dankte Botschafter Hurezeanu der Stif-tung Verbundenheit für die Förderung zur

Instandsetzung und Nutzung des Pfarr-hauses in Wurmloch. „Kirchenburg und Pfarrhaus stehen als Symbole der Toleranz und Wahrung der Identität, der Rückkehr zu den Wurzeln und Besinnung auf tradi-tionelle Werte. Zugleich aber ermöglichen sie neue Begegnungen, das Zusammen-kommen von Alt und Jung, von verschie-denen Kulturen des melting pots Sieben-bürgens und weit darüber hinaus. Ich bin froh, dass dieses Projekt erkannt hat, dass ein Pfarrhaus als Jugendbildungs- und Begegnungsstätte die jungen Menschen und deren Suche nach Identität, nach ih-rer Aufbewahrung und nach ihrer Zukunft durch seine starke Symbolik mitziehen kann“, so Botschafter Hurezeanu.

Auch der Deutsche Botschafter in Ru-mänien, Hans W. Lauk, würdigte die Arbeit der Stiftung Verbundenheit für die deut-schen Minderheiten im Ausland. Der Ort für die Präsentation der Stiftung Verbun-denheit in der rumänischen Botschaft hät-te nicht besser gewählt sein können. „Die Verbundenheit gerade im Wege einer Stif-

Stiftungsratsvorsitzender Hartmut Koschyk MdB, Peter Iver Johannsen, VDA-Verwaltungsratsvorsitzender und Stiftungsvorstandsmitglied, Michael Schmidt, Dr. Kay Lindemann, ehemaliger Stiftungsvorsitzender, Petra Meßbacher, VDA-Bundesgeschäftsführerin, Minister a.D. Markus Meckel, Präsident des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Gerhard Landgraf, VDA-Vorstandsmitglied, Richard Gebert,

Unternehmer und Sponsor, OB Dr. Oliver Junk, Stiftungsvorsitzender, S.E. Botschafter Emilian Horaţiu Hurezeanu, Knut Abraham, Stiftungs-vorstandsmitglied,  Außenminister a.D. Andrei Plesu, Vorsitzender des Rumänisch-Deutschen Forums, Daniel Walther, Stiftungsvorstands-

mitglied, Bettina Junk, Gerhard Müller, ehemaliger Stiftungsschatzmeister, S.E. Hans W. Lauk, Deutscher Botschafter in Rumänien

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016 Kultur & Politik

tung für die Deutschen im Ausland findet im deutsch-rumänischen Verhältnis einen ganz besonderen positiven Ausdruck“. Die rumänische Minderheitenpolitik, gerade auch im Hinblick auf die deutsche Minder-heit sei modellhaft und beispielgebend, so Botschafter Lauk. Gleichzeitig dankte er stellvertretend den anwesenden Bun-destagsabgeordneten, dass der Deutsche Bundestag eine verstärkte Förderung des deutschsprachigen Schulwesens in Rumä-nien beschlossen habe. Die starke Verbun-denheit zwischen Deutschland und Rumä-nien komme auch dadurch zum Ausdruck, dass auf Initiative des siebenbürger Unter-nehmers Michael Schmidt im vergangenen Jahr das Rumänisch-Deutsche Forum unter den Vorsitz von Außenminister a.D. Andrei Plesu gegründet wurde.

Stiftungsratsvorsitzender Koschyk hob die Brückenfunktion der deutschen Minderheit für die guten deutsch-ru-mänischen Beziehungen hervor. Ganz besonders dankte Koschyk Botschafter Lauk, der sich wie kein Zweiter seit seiner Amtseinführung als Deutscher Botschaf-

ter in Rumänien nachhaltig auch für die Anliegen der deutschen Minderheit vor Ort einsetze. Aber auch der beispielhaf-te Einsatz von Botschafter Hurezeanu für die Fortentwicklung der politischen und wirtschaftlichen deutsch-rumänischen Beziehungen verdiene größten Dank und höchste Anerkennung.

Koschyk verwies auf die erfolgreiche Arbeit, auf die die Stiftung Verbunden-heit zurückblicken könne. So wurde bei-spielsweise in einem Kooperationsprojekt mit der Deutschen Gesellschaft und dem VDA-Verein für Deutsche Kulturbeziehun-gen im Ausland ein „Joseph von Eichen-dorff Erzählwettbewerb“ ausgelobt, in einer breit angelegten Medienkampagne mit Unterstützung der Deutschen Wel-le die Deutschen im Ausland über ihre Möglichkeiten zur Teilnahme an den ver-gangen Bundestagswahlen informiert, ein Medienpreis an das „Argentinische Tage-blatt“ vergeben oder ein Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland he-rausgegeben, das vom Auswärtigen Amt gefördert wurde.

Koschyk erklärte, dass die Instandset-zung des Pfarrhauses in Wurmloch eines der nachhaltigsten Projekte der Stiftung sei. Die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland und die Dr. Kurt Linster Stiftung konnten auch den Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Aus-land (VDA) und den deutschen Unterneh-mer Richard Gebert, der in Klausenburg in Rumänien eine Firma zur Herstellung von Stahlschweißkonstruktionen betreibt und der an der Veranstaltung in der ru-mänischen Botschaft zugegen war, dafür gewinnen, das Projekt der Stiftung Ver-bundenheit mit den Deutschen im Aus-land zur Instandsetzung und Nutzung des Pfarrhauses in Wurmloch (Valea Viilor) zu unterstützen.

Wurmloch liegt 5 km südlich von Kleinkopisch in einem linken Seitental der Großen Kokel. Die Kirchenburg steht in-mitten der Ortschaft am Zusammenfluss zweier Bäche. In den Jahren 1840-1842 wurde das neue Pfarrhaus in Wurmloch direkt gegenüber der historischen Kir-chenburg gebaut. Das vom Verfall be-drohte Pfarrhaus hat eine Fläche von 252 Quadratmeter. Gemeinsam mit dem Evangelischen Bezirkskonsistorium A.B. Mediasch, Rumänien, ist es das Ziel der Stiftung „Verbundenheit mit den Deut-schen im Ausland“, das historische Pfarr-haus in Wurmloch zu erhalten und als Bildungs- und Begegnungsstätte neu zu beleben. Nach der Instandsetzung die-ses kulturellen Kleinods in Siebenbürgen sollen das Pfarrhaus auch verschiedene Institutionen, mit denen die Kirche eng in Verbindung steht, für Fortbildungen und Austauschprogramme nutzen können. So etwa das Deutsche Forum und die Deut-schen Schulen aus Mediasch, die „Her-mann Oberth-Schule“ und das „Stephan Ludwig Roth-Gymnasium“. Das Pfarrhaus soll auch der deutschen Gemeinschaft in der Region als Begegnungsstätte dienen. Ebenfalls sind Jugendbegegnungen zwi-schen Jugendgruppen der deutschen Ge-meinschaft vor Ort und Jugendgruppen aus Deutschland geplant, so Stiftungsrats-vorsitzender Koschyk.

Zahlreiche Bundestagsabgeordnete waren in die rumänische Botschaft gekommen

Auch der Vorsitzende des Rumänisch-Deutschen Forums, Außenminister a.D. Andrei Plesu (2.v.r) und Michael Schmidt (6.v.r.) nahmen an der Veranstaltung teil 

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016Kultur & Politik

Deutsche Spuren in KamerunDeutsche Institutionen ermöglichen vielfältige Projektarbeit

Von Thomas Konhäuser

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Min-derheiten hat vom 15. bis 20. November 2015 die Republik Kamerun besucht, um politische Gespräche zu führen. Begleitet wurde Koschyk bei seinen politischen Ge-sprächen vom Deutschen Botschafter in Yaoundé, Holger Mahnicke. Im Zentrum der politischen Gespräche stand eine Zu-sammenarbeit in Fragen der Minderhei-tenpolitik. Ethnisch gliedert sich Kamerun in mehr als 200 verschiedene Volks- und Sprachgruppen. Ebenfalls wurde Koschyk vom Repräsentanten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in der Republik Ka-merun und Entwicklungshilfe-Experten, dem ehemaligen stellv. Fraktionsvorsit-zenden der CDU/CSU-Bundestagsfrakti-on, Dr. Christian Ruck, begleitet. Neben Frankreich leistet Deutschland die größte Unterstützung für Kamerun im Bereich der Entwicklungspolitik.

Neben seinen politischen Gesprächen mit dem Präsidenten der Nationalver-sammlung Kameruns, Djbril Yeguie Ca-vayé, Verteidigungsminister Joseph Beti Assomo, Vizeaußenminister Dr. Joseph Dion Ngute sowie Finanzminister Alami-ne Ousmane Mey konnte sich Bundesbe-auftragter Koschyk ein Bild von der deut-schen Projektarbeit in Kamerun machen, das von 1884 bis 1916 eine deutsche Ko-lonie war. Bis heute erinnern zahlreiche Bauwerke an diese Zeit.

Bereits zum Auftakt seines Besuches in Kamerun hat Bundesbeauftragter Koschyk gemeinsam mit dem KfW-Di-rektor in Kamerun, Dr. Christian Ruck, die Heinrich-Vieter-Schule in Yaoundé be-

sucht, die von der Ordensgemeinschaft der Pallottiner unterhalten wird.

Die Pallottiner-Ordensgemeinschaft wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahr-hunderts von Vinzenz Pallotti in Rom

gegründet. Die Mitglieder der Ordensge-meinschaft weihen ihr Leben Gott und versprechen sich gegenseitig ein Leben in Armut und Ehelosigkeit und Gott und den Menschen zu dienen.

Bundesbeauftragter Koschyk gemeinsam mit dem Präsident der Nationalversammlung Kameruns, Djbril Yeguie Cavayé und dem Deutschen Botschafter in Kamerun,

Holger Mahnicke

Bundesbeauftragter Koschyk gemeinsam mit Kameruns Vizeaußenminister Dr. Joseph Dion Ngute, dem Deutschen Botschafter Holger Mahnicke und leitenden

Mitarbeitern des kamerunischen Außenministeriums

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016 Kultur & Politik

Der Missionssekretär der Pallotti-ner-Ordensgemeinschaft, Bruder Bert Meyer, der bereits 1996 nach Kamerun reiste und vierzig Kilometer nordöstlich von Yaoundé eine Schreinerei samt an-geschlossener Lehrwerkstatt aufbaute, um junge Menschen auf ein eigenständi-ges Leben vorzubereiten und ihnen die Chance auf eine lebenswerte Zukunft zu geben, erläuterten Koschyk und Ruck das Schulprojekt, das über einen Kindergar-ten, eine Grundschule und ein Gymna-sium verfügt und jetzt einen modernen Erweiterungsbau erhalten soll.

Die Schule ist nach dem Begründer der Kamerun-Mission der Pallottiner und dem ersten katholischen Bischof Heinrich Vieter benannt und gehört zu einer der Gemeinden der Ordensgemeinschaft in Kameruns Hauptstadt Yaoundé.

Bischof Heinrich Vieter kam 1890 als erster katholischer Missionar nach Kame-run, um das Christentum zu verbreiten. Nach seiner Bischofsweihe erbaute er die St. Peter und Paul-Kirche, die die erste Ka-thedrale Kameruns sein sollte. 1906 hielt der neue Bischof eine Synode ab, in der für die damalige Zeit sehr moderne Seel-sorgeziele formuliert werden, die stark auf die Mitverantwortung aller Getauften set-zen. Am 7. November 1914 starb Bischof Vieter in Yaoundé.

Der Pallottiner-Pater Florent Eloundou stellte Koschyk und Ruck das umfang-reiche Gemeindeleben vor. An der Hein-rich-Vieter-Schule sind derzeit auch die beiden deutschen Abiturientinnen Lynn Kaufhold aus Minden und Ann-Kirstin Hüschen aus Moers als „Missionarinnen auf Zeit“ tätig. Hierbei handelt es sich um ein Freiwilligen-Projekt des Pallottiner-Or-dens, das junge Menschen aus Deutsch-land in die ganze Welt vermittelt.

Auch die beiden weiteren Pallotti-ner-Gemeinden in Yaoundé besuchten Koschyk und Ruck. Die Pallottiner-Ge-meinschaft in Kamerun stellt inzwischen mit Bruno Ateba auch den Bischof der kamerunischen Diözese Maroua. Bi-schof Bruno Ateba hat an der Philoso-phisch-Theologischen Hochschule in

Deutschland Pastoraltheologie studiert. „An die Zeit, die ich hier verbringen durf-te, denke ich sehr gerne zurück. Deutsch-land ist für mich eine zweite Heimat. Ka-merun war ja das erste Missionsgebiet der deutschen Pallottiner. Deutschland ist also meine Mutterprovinz,“ so Bischof Bruno Ateba.

In Yaoundé hat Bundesbeauftragter Koschyk gemeinsam mit dem Regional-direktor der KfW in Kamerun, Dr. Christian Ruck, die Zentrale der KfW und der Gesell-schaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) besucht. Die KfW leistet in Kamerun vielfältige Projektarbeit.

Die KfW Entwicklungsbank stellt beispielsweise ausgewählten Städten mittlerer Größe Gelder für soziale oder wirtschaftliche Infrastrukturprojekte wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Märkte zur Verfügung. Auch unterstützt die KfW u.a. die Regierung in ihrer Forstpolitik, der nachhaltigen Wald-bewirtschaftung sowie dem Management der Schutzgebiete und möchte den Öko-tourismus fördern, um das wirtschaftliche Potential der Nationalparks und Schutz-gebiete zu nutzen und Einnahmen zu generieren.

Seit über 45 Jahren ist die GIZ in Ka-merun aktiv und fördert Projekte u.a. in

den Bereichen Umwelt- und Waldpolitik, nachhaltige Infrastruktur, Dezentralisie-rung und soziale Entwicklung. Der wich-tigste Auftraggeber der GIZ in Kamerun ist das Bundesministerium für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie die Europäische Union (EU); die wichtigsten Kooperationspartner sind neben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Bundesanstalt für Geowissen-schaften und Rohstoffe (BGR).

In Yaoundé hat Bundesbeauftragter Koschyk gemeinsam mit Dr. Ruck auch das Goethe-Institut und die Vertretung des Deutschen Akademischen Austausch-dienstes (DAAD) besucht, um Möglich-keiten einer vertieften Wissenschafts-kooperation zu besprechen. In diesem Zusammenhang besuchte Bundesbeauf-tragter Koschyk auch die Universität Ya-oundé, um ein Gespräch mit Prof. Simo, Leiter des Wissenschaftszentrums der Uni-versität, zu führen.

2009 wurde das Informationszentrum des Deutschen Akademischen Austausch-dienstes in Yaoundé gegründet. Seit Mai 2010 befindet sich das Informationszent-rum auf dem Campus der Universität Ya-oundé I im Neubau des Bloc Pédagogique. 2014 ermöglichte der DAAD 80 deutschen Stipendiaten – vom Studierenden bis zum Hochschullehrer – einen Aufenthalt in Ka-merun. Außerdem konnten 462 Kameru-ner in Deutschland studieren, lehren und forschen. Kamerun unterhält enge und sehr gute akademische Kontakte nach Deutschland. Der DAAD und die Alexan-der-von-Humboldt-Stiftung unterstützen Doktoranden, Forscher und Wissenschaft-ler mit Stipendien.

Im Januar des Jahres 1961 begann Dr. Felix Th. Schnitzler mit den ersten Deutschsprachkursen in Yaoundé. Sein Weg führte von Douala aus kommend über die Brücke des Sanaga bei Edea, welche die Wirtschafts-, Kultur- und Re-gierungsmetropolen Kameruns verbin-det. Im Herbst desselben Jahres wurde eine Zweigstelle des Goethe-Instituts in Yaoundé eröffnet. Das große Interesse an Deutschland spiegelt sich in den Aktivitä-

Der Regionaldirektor der KfW in Kamerun und langjährige Bundestagsabgeordnete

Dr. Christian Ruck

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1/2016Kultur & Politik

ten des Goethe-Instituts Kamerun wider, das neben einer im regionalen Vergleich besonders großen Sprachabteilung ein Sprachlernzentrun in Douala unterhält.

Koschyk wurde auch von der Vertre-terin der Friedrich-Ebert-Stiftung über deren Arbeit in Kamerun informiert. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist bereits seit 1987 in Kamerun tätig, derzeit als einzige der Politischen Stiftungen aus Deutsch-land. Die Schwerpunkte der Programm-arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ka-merun liegen im Bereich der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen sowie der Reformkräfte in den Regierungspar-teien und den Oppositionsparteien, aber auch in der Förderung der politischen Teil-habe der jungen Generation.

In der Deutschen Seemannsmission in der kamerunischen Hafen- und Wirt-schaftsmetropole Douala traf Koschyk mit kamerunischen Bürgern zusammen, die in Deutschland eine berufliche oder wissen-schaftliche Ausbildung absolviert haben

und in ihre Heimat zurückgekehrt sind und dort beruflich erfolgreich wirken.

Ein hervorragendes Beispiel hierfür stellt auch die von dem Physiker-Ehepaar Prof. Joseph und Elise Ndop in Douala ge-gründete private Hochschule für Ingeni-eurwissenschaften dar, die in Kooperation mit der Hochschule für Telekommunika-tion der Deutschen Telekom in Leipzig sowie weiteren deutschen Hochschulen verschiedene Bachelor- und Master-Studi-engänge im Bereich der Ingenieurwissen-schaften anbietet, die auch in Deutschland

Mit dem an der Universität Leipzig promovierten Physiker Prof. Dr. Joseph Ndop und seiner Frau Elise, ebenfalls Physikerin der Universität Leipzig und Dr. Christian Ruck

am Douala Institut für Technologie

mit dem Aufbau dieser privaten Hochschu-le begonnen. Prof. Ndop lehrt daneben an der Universität Yauondé 1 Physik.

Gemeinsam mit dem Regionaldirektor der KfW in Kamerun, Dr. Christian Ruck, besuchte Bundesbeauftragter Koschyk auch eines der eindrucksvollsten Umwelt- und Naturschutzprojekte der KfW und der GIZ in Kamerun. Der Kamerun-Berg (Höhe 4095 m) liegt in der Mitte eines der reichhaltigsten Naturparks Kameruns, wo Deutschland durch die KfW und die GIZ die kamerunische Seite im Hinblick auf

Bruder Bert Meyer, Missionssekretär der Pallottiner-Ordensgemeinschaft, Hartmut Koschyk, Dr. Christian Ruck vor dem geplanten Anbau der Heinrich-Vieter-Schule

anerkannt werden. Prof. Dr. Ndop und sei-ne Frau haben in Leipzig Physik studiert und nach ihrer Rückkehr aus Deutschland

den Schutz dieses riesigen Waldgebietes einschließlich seiner teilweise seltenen Tierwelt unterstützt, gerade auch im Sin-ne einer nachhaltigen Waldnutzung.

Ein weiteres Kooperationsziel sowohl mit der kamerunischen Regierung als auch den lokalen Behörden sowie der an-sässigen Bevölkerung stellt die Entwick-lung von Öko-Tourismus in dem Gebiet des Kamerun-Berges dar. Am Fuße des Kamerun-Berges besuchte Koschyk die Stadt Buea, die während der deutschen Kolonialzeit zeitweise Sitz der deutschen Kolonialverwaltung gewesen ist, woran zahlreiche bis heute genutzte Gebäude erinnern.

Koschyk zeigte sich beeindruckt von dem gelassenen Umgang der kameruni-schen Seite mit den Spuren der deutschen Kolonialherrschaft im gesamten Land.

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1/2016 Kultur & Diplomatie

Namibia – ein aufstrebendes afrikanisches Land Interview mit dem Deutschen Botschafter in Windhoek, S.E. Christian Matthias Schlaga

GLOBUS: Herr Botschafter, seit diesem Jahr sind Sie Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland in Namibia. Was hat Sie beson-ders bewogen, in dieses Land zu gehen?Botschafter Schlaga: Von Namibia ver-spreche ich mir eine interessante Mi-schung der zu bearbeitenden Themen: unsere bilateralen politischen Beziehun-gen mit der Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit; ein Land mit großem In-teresse an Deutschland und deutscher Kultur und Sprache; ein umfangreiches deutsches Engagement in der Entwick-lungszusammenarbeit mit Namibia sowie nicht zuletzt ein noch längst nicht aus-geschöpftes Potential in den wirtschaftli-chen Beziehungen.Zudem: ich habe meine Auslandstätigkeit im Auswärtigen Dienst vor vielen Jahren in Zimbabwe begonnen, sodass mich ein weiterer Posten im südlichen Afrika schon lange wieder gereizt hatte.GLOBUS: Ihrer Vita haben wir entnommen, dass Sie in den 1980-er Jahren auch zwei Jahre in Harare, der Hauptstadt Zimbabwes, gelebt und gearbeitet haben. Sicherlich ha-ben Sie die Entwicklung Zimbabwes weiter verfolgt. Dennoch – wie unterscheiden sich diese Länder?Botschafter Schlaga: Zimbabwe hat ein ähnlich großes politisches und wirtschaft-liches Potential wie Namibia. Leider hat die Politik der Regierung von Präsident Mugabe nicht dazu beigetragen, dieses Potential zu entwickeln. Im Gegensatz dazu haben es die bisherigen Regierun-gen Namibias geschafft, ihr Land auf ei-nen demokratischen, rechtsstaatlichen und damit friedlichen Weg zu führen und dort zu halten.GLOBUS: Seit 1990 ist Namibia unabhän-gig. Es gibt über ein Dutzend Volksgrup-pen und auch große Sprachenvielfalt. Wie haben die Gruppen zueinander gefunden? Welche ethnisch bedingten Probleme las-sen sich zwischen den Volksgruppen noch feststellen?

Botschafter Schlaga: Der Präsident von Namibia, Hage Geingob, wird in vielen Ansprachen nicht müde, seine Mitbürger aufzufordern, für die Einheit der vielen Volksgruppen in Namibia zu arbeiten. Er spricht zu Recht von einem „Haus Na-mibia“, welches auf vielen Bausteinen (Stämmen) ruht und nur dann bestehen kann, wenn diese Steine nicht ins Wanken

gebracht werden. Ich kann daraus nur den Schluss ziehen, dass der Aufbau einer ein-heitlichen namibischen Gesellschaft noch nicht abgeschlossen ist, und der heutige gesellschaftliche Friede nicht als für im-mer garantiert verstanden werden kann, und deshalb immer wieder neu erarbeitet werden muss – so auch Präsident Gein-gob selbst.GLOBUS: Namibia ist der größte Empfän-ger deutscher Entwicklungshilfegelder. Die Fortschritte im Ausbildungsbereich sind enorm. 22 % des BIP werden für Ausbil-dungszwecke zur Verfügung gestellt. Wie wird es Namibia gelingen, mit guter Schul-bildung für die Zukunft der Kinder eine posi-tive Perspektive zu schaffen? Botschafter Schlaga: Eine gute Ausbil-dung in der Schule und für den Beruf – sei es als berufspraktische oder universitäre Ausbildung – ist in der Tat essentiell für eine prosperierende Zukunft der nami-bischen Gesellschaft. Deutschland trägt dazu mit umfangreichen Programmen zur Unterstützung der Berufsausbildung wie auch dem Auf- und Ausbau der namibi-schen Universitäten maßgeblich bei. Der nachhaltigen Wirkung dieser Maßnahmen

Christian Matthias Schlaga, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Namibia

Übergabe eines von der Bundesregierung finanzierten Stadtbusses an die Stadt Windhuk (Copyright @GIZ)

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1/2016Kultur & Diplomatie

bleiben aber enge Grenzen gesetzt, wenn diese nicht durch eine Wirtschaftspolitik ergänzt werden, die zur Schaffung von Ar-beitsplätzen führt.GLOBUS: Die SWAPO verfügt über die ab-solute Mehrheit im namibischen Parlament und kann daher weiterhin ihren Weg des gemäßigten Sozialismus gehen. Ihr Haupt-ziel – so ist zu lesen – ist die Beseitigung der Armut. Weiterhin bietet Namibia eine Altersgrundversorgung. Ist Namibia als ehe-maliges Entwicklungsland auf dem Weg zu einem aufstrebenden Land, das seinesglei-chen in Afrika sucht?Botschafter Schlaga: Namibia ist gleich-zeitig Beides: ein Entwicklungsland mit großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen sowie ein Land, welches in Bezug auf Teile der Gesellschaft sicher die Bezeichnung „upper middle income coun-try“ verdient. Ungeachtet eines statistisch hohen durchschnittlichen Lebensstan-dards ist der Abstand zwischen Arm und Reich noch immer erschreckend groß – und nimmt weiter zu. Daher ist und bleibt die Bekämpfung der Armut zu Recht das zentrale Ziel der Politik der Regierung von Präsident Geingob. GLOBUS: Die „deutsche Vergangenheit“ in Namibia hat inzwischen viele deutsche Staatsbürger dazu ermuntert, nach Nami-bia auszuwandern. 40.000 Deutsche leben seit der Kolonialzeit in Namibia und bilden

eine starke Gemein-schaft. Deutsch ist die wichtigste Fremdsprache in Namibia. Inwieweit tragen deutsche Konzer-ne, deutsche Angestellte und Arbeiter zur positi-ven wirtschaftlichen Ent-wicklung des Landes bei?Botschafter Schlaga: Die hier oft seit Gene-rationen in Namibia le-benden Namibier mit deutschen Wurzeln und deutscher Muttersprache haben ganz sicher einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen und so-zialen – und damit auch politisch friedlichen – Entwicklung geleistet – und sie tun dies noch immer. Das wird auch grundsätzlich von der namibischen Politik anerkannt. Auch diese früheren Einwan-derer haben damit zu der Attraktivität Na-mibias beigetragen, die für viele Deutsche die Basis für ihre Ansiedlung in Namibia auch nach dessen Unabhängigkeit war und grundsätzlich noch ist. Zugleich haben eini-ge politische Entscheidungen Namibias der letzten Jahre früher nicht bekannte Hürden für einen weiteren Zuzug von deutschen (und anderen Ausländern) eingeführt, wie

z.B. die Einschränkung des Erwerbs von Grundeigentum sowie bei der Gewährung von Erlaubnissen für einen dauerhaften Auf-enthalt in Namibia.GLOBUS: Ein besonderes „Standbein“ der namibischen Wirtschaft ist der Fremden-verkehr. Besonders Deutsche und Englän-der (frühere Kolonialmächte) sind gern gesehene Gäste und lassen viel Finanzkraft in Namibia. Wie geht Namibia mit die-sem „boom“ um? Wird der zunehmende Tourismus das Land und seine Menschen verändern?Botschafter Schlaga: Aus Deutschland kommt in der Tat die mit Abstand größ-te Gruppe von Touristen von außerhalb Afrikas. Sie stärken damit eine qualitativ hochwertige Tourismusinfrastruktur mit vielen Arbeitsplätzen und deren weitere Entwicklung. Eine Steigerung ist sicher noch möglich und verkraftbar. Zugleich sind sich die Verantwortlichen in Namibia der Risiken durchaus bewusst, die ein un-kontrollierter Ausbau des Tourismus mit sich bringen könnte – dies gilt insbeson-dere für die fragile Natur und die Tierwelt in den Nationalparks.GLOBUS: Allein 80.000 deutsche Touristen besuchen in jedem Jahr das aufstrebende Land Namibia. Mit viel Aufwand wird die Sicherheit der Reisenden garantiert. Gibt

Zur PersonGeburtsdatum: 07. November 1953

Geburtsort: Erfurt

Familienstand: verheiratet, zwei Kinder

1972 Allgemeine Hochschulreife

1972 – 1973 Grundwehrdienst

1973 – 1979 Studium der Rechtswissenschaften

1979 1. Staatsprüfung

1979 – 1982 Juristischer Vorbereitungsdienst

1982 2. Staatsprüfung

1982 – 1984 Vorbereitungsdienst für den höheren Auswärtigen Dienst

1984 – 1987 Auswärtiges Amt; Parlaments- und Kabinettsreferat

1987 – 1989 Botschaft Harare; Kultur- und Pressereferent

1989 – 1993 Auswärtiges Amt

1993 – 1997 Botschaft Washington; Politische Abteilung

1997 – 2000 Botschaft Lissabon; Konsul und Kulturreferent

2000 – 2004 Botschaft Rom; Leiter der Politischen Abteilung

2004 – 2008 Auswärtiges Amt; Referatsleiter „Bilaterale Beziehungen EU-Mitgliedsstaaten Südeuropa“

2008 – 2011 Botschaft New Dehli; Ständiger Vertreter

2011 – 2015 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Estland

ab 2015 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Namibia

Schüleraustausch: Die diesjährigen Teilnehmer am AGDS-VDA Schüleraustausch bei der Verabschiedung in Windhuk, gemeinsam mit Botschafter Schlaga (Copyright @AGDS)

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1/2016 Kultur & Diplomatie

es das Phänomen krimineller Banden, die sich auf die Entführung oder Überfälle auf Touristen „spezialisiert“ haben, so wie wir es teilweise aus den Staaten Mittelamerikas kennen?Botschafter Schlaga: Namibia gilt auch nach Bewertung der Botschaft weiterhin als ein grundsätzlich sicheres Reiseland. Jeder Tourist kann gefahrlos in alle Ge-genden Namibias reisen. Nach unserer Erfahrung beobachten die Sicherheitsbe-hörden die Entwicklung genau und sind bemüht, neuen Risiken offensiv zu begeg-nen. Dennoch gilt natürlich auch für Na-mibia, sich – vor allem in der Hauptstadt Windhuk – mit Umsicht zu bewegen und übliche Vorsichtsmaßnahmen zu beach-ten, wie z.B. keine Wertsachen offen zur Schau zu tragen; Geldautomaten mit an-gemessener Vorsicht zu nutzen sowie be-stimmte Gegenden besonders nachts zu meiden. Erhöhte Aufmerksamkeit sollten alle selbstfahrenden Touristen jedoch den hier besonderen Risiken im Straßenver-kehr widmen, insbesondere beim Fahren auf den ungewohnten Schotterpisten.GLOBUS: Eines der besten Biere der Welt kommt aus Namibia, das natürlich nach dem deutschen Reinheitsgebot hergestellt wird, das „Windhuk Lager“. In jedem Jahr wird am 23. April Geburtstag gefeiert. In die-sem Jahr gibt es ein besonderes Jubiläum, nämlich die 500-Jahr-Feier des deutschen

Reinheitsgebotes. Steht Windhuk dann „Kopf“?Botschafter Schlaga: Ich weiß noch nicht, ob Windhuk dann Kopf stehen wird. Sicher ist jedoch, dass auch in Windhuk gerne gefeiert wird – siehe Oktoberfes-te und Karneval. Da die größte Brauerei in Namibia bereits angekündigt hat, den 500. Geburtstag des Reinheitsgebots im April 2016 angemessen zu feiern, werden wir dann sicher wieder die Feierlaune und Trinkfestigkeit der Namibier erleben.

GLOBUS: Namibia verfügt über reiche Bo-denschätze wie Diamanten und Uran sowie Minerale und verschiedene Gesteinssorten. Wie nutzt Namibia diesen „Reichtum“, um nachhaltige wirtschaftliche Ressourcen an-zulegen und in die Zukunft zu planen?Botschafter Schlaga: Namibias Reichtum liegt in der Tat zu einem großen Teil im Bo-den. Die mit der Nutzung der Bodenschätze verbundenen Einnahmen bilden einen we-sentlichen Beitrag zum Staatshaushalt von Namibia. Über die Finanzierung von Bildung – sei es Schule, Universität oder Berufs-schule –, der Infrastruktur wie z.B. Straßen, dem Ausbau des Hafen von Walvis Bay, der Strom erzeugung sowie Maßnahmen zur Be-kämpfung der Armut aus diesem Haushalt tragen auch die Bodenschätze zur Entwick-lung des Landes in anderen Bereichen bei.GLOBUS: Der VDA beabsichtigt, sein Ju-gendaustauschprogramm mit Deutschen Schulen in Namibia weiter zu intensivie-ren und auszubauen. Eine solide Schulbil-dung gehört mit zu den entscheidenden Grundlagen für eine erfolgreiche berufliche Bildung. Inwieweit könnte die Deutsche Botschaft in Windhuk das interkulturelle Austauschvorhaben des VDA mit den Deut-schen Schulen in Namibia wohlwollend unterstützen?Botschafter Schlaga: Die Deutsche Bot-schaft begrüßt ausdrücklich das vom VDA organisierte Schüleraustauschprogramm. Wir danken daher dem VDA hierfür ge-nauso wie der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Namibia, deren organisatorische und finanzielle Unter-stützung maßgeblich zum Gelingen des Austauschs beiträgt. Die Deutsche Bot-schaft fördert den Austausch seit vielen Jahren mit Zuschüssen zu den Reisekos-ten der namibischen Teilnehmer – so auch wieder in diesem Jahr. Jedes Jahr über-prüfen wir erneut die Möglichkeit, diese Unterstützung auszubauen.GLOBUS: Sehr geehrter Herr Botschafter, wir danken Ihnen sehr, dass Sie sich für die-ses Interview zur Verfügung gestellt haben und wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeitern weiterhin eine gute Hand bei der Bewälti-gung Ihrer vielfältigen Aufgaben.

Botschafter Schlaga besucht die Deutsche Höhere Privatschule in Windhuk (Copyright @Deutsche Botschaft Windhuk)

Botschafter Schlaga bei dem Besuch ländlicher Gemeinden im Norden Namibias (Copyright @Deutsche Botschaft Windhuk)

Schaufenster

Europa

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1/2016Schaufenster Europa

Kulturhauptstadt Breslau – „Stadt der Begegnung“Die Odermetropole steht 2016 im Rampenlicht

Von Bernadett Fischer

Mit einer gigantischen Inszenierung wur-de am 17. Januar 2016 in Breslau der Start-schuss in ein aufregendes Jahr gegeben. Gemeinsam mit Hunderten von Freiwilli-gen inszenierte der Performance-Künstler Chris Baldwin sein Programm „Przebudze-nie“ (Erwachen). Vier große Umzüge streb-ten aus vier verschiedenen Stadtteilen auf den Ring zu. Sie sollten das Erwachen der Stadt durch vier Geister symbolisieren: „In-novation“, „Vielfalt des Glaubens“, „Wieder-aufbau“ und „Hochwasser“.

1300 Künstler, die die Umzüge zum Leben erweckten, stellten auf dem Weg die Umbrüche in der Geschichte der Stadt Breslau dar. Goldgewandete Sänger sym-bolisierten den „Geist der Glaubensvielfalt“ im Erbe der Stadt. Auf Deutsch, Polnisch und Hebräisch wurde diese Vielfalt auch musikalisch heraufbeschworen. Schwarz-gekleidete Maschinenmenschen präsen-tierten den „Geist der Innovation“ in der Universitätsstadt. Mit Koffern und Leiter-wagen zog der „Geist des Wiederaufbaus“ durch die Straßen, deren Bevölkerung 1945 nahezu vollständig ausgetauscht worden war. Entlang der Strecke kam der Zug an der Inszenierung „Feuerwand“ vorbei, die an den Untergang des deutschen Breslau und den Beginn des polnischen Wrocław erinnern sollte. Die mit blauen Plastikpla-nen durch die Stadt tanzenden Künstler stellten die Wellen dar, die den „Geist des Hochwassers“ symbolisierten, der an die Oderflut von 1997 erinnern sollte. Für Chris Baldwin war es gerade dieses Ereignis, welches sein Bild von der Stadt Breslau ge-prägt hat. „Die Bürger dieser Stadt sind von Zuhause gekommen, sie haben sogar ihre Arbeitsplätze verlassen, ganz spontan, und sind zur Universitätsbibliothek gegangen. Die Universität liegt direkt am Fluss. Sie haben die Bücher geholt und zu höher ge-

legenen Orten am Ring gebracht. Deshalb haben wir damals einerseits eine Katastro-phe gesehen, auf der anderen Seite aber das Erwachen von Bürgerstolz und Bür-gergemeinschaft.“ Anschließend bildeten die Züge auf dem Ring eine gemeinsame eindrucksvolle Installation, die den Mikro-kosmos von Europa symbolisieren sollte. Insgesamt hatten die Organisatoren an dem fulminanten Eröffnungswochenende vom 15.-17. Januar 2016 über 100 Veran-staltungen angeboten.

Breslau – eine Kulturhauptstadt mit Brückenfunktion?

Eingeläutet wurde die Europäische Kul-turhauptstadt 2016 bereits am 21. Juni 2015 mit der Performance „Brücken bau-en“. Brücken gehörten und gehören in der Stadt mit ihren vielen Oderarmen und -inseln fest zum Stadtbild und spielen eine wichtige Rolle. Mit ihren zwölf Inseln und 117 Brücken wird sie auch als „Vene-dig des Ostens“ bezeichnet. Gleichzeitig verweist der Titel „Brücken bauen“ aber auch auf den Zweck des Kulturhaupt-stadt-Programms: „Hinter dem Projekt der Europäischen Kulturhauptstadt steht die

Idee des gegenseitigen Kennenlernens, der Annäherung und des interkulturellen Dialogs der Europäer. Die Europäische Kulturhauptstadt bildet ein wichtiges Element bei der Suche nach der neuen Identität des vereinten Europa.“ Viele der heutigen und der ehemaligen Breslauer sehen die Stadt mit ihrer komplizierten und tragischen Geschichte als Brücke zwischen Ost und West. In kaum einer anderen Stadt kam es durch den Zwei-ten Weltkrieg zu einem so totalen Um-bruch. Das deutsche Breslau endete im Mai 1945. Es fand ein nahezu kompletter Bevölkerungsaustausch statt, und das polnische Wrocław musste seine Identität noch finden und den Menschen aus dem ostpolnischen Lemberg (polnisch Lwów, heutiges Lwiw in der Westukraine) erst eine Heimat werden. Seitdem sind drei Generationen herangewachsen, und das deutsche Erbe der Stadt wird nicht mehr verdrängt, sondern gehört ganz selbstver-ständlich zum vielschichtigen kulturellen Erbe der Stadt. „Heute ist es eine wunder-schöne polnische Stadt, aber die Stadt gehört allen Einwohnern, auch allen Deut-schen, Österreichern, Tschechen, Juden, die hier irgendwann gewohnt haben. Das

Mit Koffern und Leiterwagen zog der „Geist des Wiederaufbaus“ durch die Straßen, deren deutsche Bevölkerung 1945 nahezu vollständig vertrieben worden war

Schaufenster

Europa

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1/2016 Schaufenster Europa

ist auch eine Botschaft, die wir 2016 sen-den wollen“, sagt der Stadtpräsident Rafał Dutkiewicz.

Damit das Kulturhauptstadtjahr nicht nur kurzzeitig begeistert, sind viele Pro-gramme auch langfristig angelegt. „Die Europäische Kulturhauptstadt 2016 ist ein Prozess, kein Projekt und kein Ereig-nis. Und sicher auch kein Event“ schreibt Irek Gren, Kurator für den Bereich Litera-tur, der zum Beispiel eine Sammlung von deutschen und polnischen Rezepten initi-iert, welche dann zu einem „Schlesischen Kochbuch“ verschmolzen werden.

Und wie geht Breslau mit der zuneh-menden Europa-Skepsis der neuen Regie-rung um? „Breslau ist schon immer kritisch und avantgardistisch gewesen“, sagt Krzy-sztof Maj, Direktor der Kulturhauptstadt. „Das wird auch im Jahr der Kulturhaupt-stadt so bleiben.“ Für alle die, die in diesem Jahr nicht regelmäßig nach Breslau reisen können, an den Geschehnissen in der Stadt aber trotzdem brennend interessiert sind, hat Breslau einen offiziellen Stadtschreiber. Seit dem 11. Januar 2016 steht der Kan-didat fest, es ist der Berliner Schriftsteller Marko Martin. Das Stadtschreiber-Stipendi-um des Deutschen Kulturforums östliches Europa soll das gemeinsame kulturelle

Erbe der Deutschen und ihrer Nachbarn in den Regionen Mittel- und Osteuropas, in denen Deutsche gelebt haben und heute noch leben, in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Des Weiteren soll es au-ßergewöhnliches Engagement für gegen-seitiges Verständnis und interkulturellen Dialog fördern. Marko Martin wird seinen fünfmonatigen Aufenthalt in der Europäi-schen Kulturhauptstadt am 15. April 2016 antreten. Während seiner Zeit in Breslau wird er ein Internettagebuch führen und dort über Begegnungen und Begebenhei-ten berichten. Über einen Blog kann man mit dem Autor ab Mitte April 2016 in Kon-takt treten.

Breslau persönlich – und vor Ort

Ab dem 22. Mai 2016 kann man Breslau auch im Rheinland erleben. HAUS SCHLESI-EN lässt in seiner Sonderausstellung „BRES-LAU PERSÖNLICH. Biografische Blicke auf die Kulturhauptstadt 2016“ Einheimische und Durchreisende, Deutsche und Polen, heutige und frühere Breslauer, Junge und Alte, Lebende und Verstorbene über die Odermetropole zu Wort kommen: Wie sie Breslau aktuell erleben oder erlebt ha-ben, mit welchem Viertel, welcher Straße,

welchem Winkel Breslaus sie ganz persön-liche Erfahrungen verbinden, was sie an Breslau fasziniert, welchen Menschen sie dort begegnet sind, wo sie sich gerne auf-halten oder aufgehalten haben, welche Er-innerungen sie mit Breslau verbinden? So soll ein vielschichtiges Bild der Stadt ent-stehen, sollen auch unbekannte Ecken ge-zeigt und neue Blickwinkel geboten wer-den. Vor allem Besuchern, die Breslau nicht kennen, soll so das Besondere der Stadt näher gebracht werden, aber auch Hinter-grundwissen über Geschichte, Kunstszene und heutige Bedeutung der Stadt vermit-telt werden. Begleitend zur Ausstellung zeigen zahlreiche Veranstaltungen zum ak-tuellen und historischen Breslau die vielen Facetten der Kulturmetropole. Parallel dazu zeigt HAUS SCHLESIEN zeitgenössische Kunst aus Breslau. Die beiden Breslauer Künstler Małgorzata Zukterowska und Łu-kasz Morawski stellen bis 14. August 2016 Gemälde und Zeichnungen aus ihrem Schaffen aus. Verbindendes Merkmal der beiden Werke ist das Sichtbarmachen von Landschaften – realen, persönlichen und idealen Landschaften. Dabei machen sie immer auch sich selbst sichtbar und geben mit ihren Bildern einen Teil ihrer eigenen „innerlichen Landschaft“ preis.

Weitere Informationen

Die offizielle Webseite der Europäischen Kulturhauptstadt: www.wroclaw2016.plBlog des Stadtschreibers Breslau: www.stadtschreiber-breslau.de. Informationen zur Ausstellung und Veranstaltungen im HAUS SCHLESIEN: www.hausschlesien.de

Małgorzata Zukterowska, Labyrinth, 2013, Acryl auf Leinwand

Der Schlüssel zur Stadt – Die Ausstellung BRESLAU PERSÖNLICH präsentiert die

Hauptstadt Niederschlesiens aus der Sicht ihrer Bewohner und Besucher

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1/2016Kultur & Geschichte

Fanny LewaldEine emanzipierte Schriftstellerin aus Königsberg

Von Dr. Roswitha Schieb

Im Zusammenhang mit den Flüchtlings-bewegungen wird in Deutschland und überhaupt in der westlichen Welt heute immer wieder die Frage gestellt, welche Werte der Westen angesichts anderer kulturell und religiös bedingter Vorstel-lungen der Flüchtlinge zu verteidigen gewillt ist. Dabei wird gerne die Stellung der Frauen angeführt, von Frauen, die in den muslimischen Gesellschaften eine untergeordnete Rolle spielen und oft un-terdrückt werden. Es geht also um Fragen der Gleichberechtigung und der Eman-zipation, die der Westen mittlerweile als Werte anerkennt und die er zu verteidi-gen bereit ist.

Dabei ist es in Deutschland noch nicht lange her, dass sich Frauen mehr Freiheit von den traditionellen Rollenmustern er-kämpfen mussten. Noch in den 1970er Jahren wurde die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen in schulischen Un-terrichtseinheiten wie „Nur ein Mädchen?“ angestrebt. In den 1950er, 1960er Jahren war es für Frauen ein Statussymbol, nicht arbeiten gehen zu müssen, ja, bis in die 1970er Jahre hinein brauchten sie von ih-rem Ehemann noch eine Erlaubnis, über-haupt arbeiten gehen zu dürfen. Noch vor hundert Jahren war es für Frauen aus dem Bürgertum nur bedingt möglich, jenseits einer Heirat einer Erwerbstätigkeit nach-zugehen, es sei denn in subalterner Tä-tigkeit, als Gouvernante oder als Lehrerin. Wie sah es da erst vor zweihundert Jahren aus, als Fanny Lewald, im 19. Jahrhundert die bekannteste deutsche Schriftstellerin, geboren wurde?

Als Jüdin in Königsberg

Im Jahre 1811 wurde Fanny Lewald unter dem Namen Fanny Markus in Königsberg

(heute Kaliningrad) als älteste Tochter ei-ner jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Etwa fünfzig Jahre später entschloss sie sich, ihren langen, gewundenen, manch-mal quälend stagnierenden Werdegang hin zur Schriftstellerin in einer dreibändi-gen Autobiographie („Meine Lebensge-schichte“, 1861–63) nachzuzeichnen. Zu dem Zeitpunkt war sie bereits eine aner-kannte, gefeierte Schriftstellerin, Roman-autorin, Verfasserin von Essays zu sozialen und politischen Themen, in denen es im-mer wieder um die Themen Fraueneman-zipation, Erziehung, Judenemanzipation und um demokratische Bestrebungen in der Politik nach 1848 geht. Abhand-lungen mit Titeln wie „Einige Gedanken über Mädchenerziehung“ (1843) oder „Andeutungen über die Lage der weibli-chen Dienstboten“ (1843) zeugen davon. Fanny Lewalds Schaffen ist bunt und viel-fältig, es zeugt von Arbeitsamkeit und Stolz auf ihre selbsterarbeitete Position in der Gesellschaft und ist getragen von

einem ungewöhnlich aufklärerischen Im-petus. Diese vernunftgesteuerte Haltung ist nicht verwunderlich, da Fanny Lewald doch in Königsberg geboren wurde, das durch Immanuel Kant als das damalige deutsche Zentrum der Aufklärung galt. In ihren Kindheitserinnerungen entwirft sie ein schönes Winterbild, in dem die Schil-derung eines bunten Königsberger Völ-kergemischs im Vordergrund steht:

„Bei uns in Preußen, wo der Winter so lang und so furchtbar kalt ist, dass man den nach der Schule gehenden Kindern wohl die Weisung gibt, von Zeit zu Zeit Nase und Ohren anzufassen, um sich zu überzeugen, dass sie nicht erfroren sind, und wo es vorkommt, dass man einem Vorübergehenden zuruft, es sei ihm ein Glied erfroren, – bei uns ist der Beginn des Frühlings noch viel wohltuender als in ei-nem südlichen Klima. In unseren strengen Wintern hört der Wechsel von winterli-chen und herbstlichen Tagen vollkommen auf. Wenn die helle Kälte einmal eingetre-

Huldigung der preußischen Stände vor dem Großen Kurfürsten 1663 im Hof des Königsber-ger Schlosses. Quelle: Hartmut Boockmann, Ostpreußen und Westpreußen, Berlin 1992

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

1/2016 Kultur & Geschichte

ten, wenn der Pregel und das Haff einmal zugefroren sind, so bleibt es Winter durch Monate und Monate. Alle Flüsse und alle Seen, ja das Frische und das Kurische Haff werden zu Bahnen für den schnellsten Landverkehr. Von allen Teilen der Provinz kommen die kleinen ein- oder zweispän-nigen Schlitten, mit Getreide und andern Landesprodukten beladen, auf den Markt, dass die engen Straßen vor Zufuhr schwer zu passieren sind. Auf jedem Schlitten sitzt, in seinen Schafpelz eingemummt, die Pelzmütze oder die litauische blaue Tuchkappe auf dem Kopf, welche Nacken, Brust und Gesicht bedeckt und nur die Augen frei lässt, der kutschierende Bauer oder Knecht. Masuren, Litauer und Kuren welschen ihre Dialekte auf den Märkten durcheinander, und die polnischen Juden, in ihren schwarzen kaftanartigen Pelzen mit den spitzen pelzverbrämten, noch ganz assyrischen Sammetmützen und den assyrisch gedrehten Locken an den Schläfen, tragen dazu bei, das winterliche Bild zu vollenden. Alles eilt in den Stra-ßen, dass der rauchende Atem hinter ihm herfliegt; aus allen Schornsteinen steigen Rauchsäulen in die Höhe, die ganze Stadt wird zur Schlittenbahn. Wer es ermög-lichen kann, fährt im offenen Schlitten spazieren. Den ganzen Tag knallen die Schlittenpeitschen der Studenten durch die Straßen, die Mehrzahl der Wagen, die Posten selbst, werden auf Schlitten ge-setzt. Man friert furchtbar in den Straßen, aber man will doch zum Vergnügen drau-ßen sein, und die Notwendigkeit, sich zu erwärmen, macht die Menschen beweg-lich und munter. Hier steht ein Arbeiter, der gewaltsam die Arme über die Brust zusammenschlägt, dort springt ein Ecken-steher von einem Beine auf das andere, weiterhin kauern sich Holzarbeiter um ein warmes Essen zusammen. Überall wird Holz und Brennmaterial gefahren, überall sind die Fenster dick befroren. Der Schnee liegt fest wie ein Parkett auf dem Boden, Wochen hindurch, Monate hindurch; das Eis wird ein Paar Fuß dick auf dem Pregel.“

Trotz des Völkergemischs und der Aufklärungstradition in Königsberg erleb-

te die kleine Fanny schon in ihrer frühen Schulzeit, dass sie auf der Straße als „Jude“ beschimpft wurde, dass Schulfreundin-nen nicht zu ihr zur Kindergesellschaft kommen durften, weil sie Jüdin ist, dass während der sogenannten Hep-Hep-Un-ruhen 1819 gegen Juden auch in Königs-berg Schaufensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeworfen worden waren. Zunächst sträubte sich der Vater dage-gen, aus taktischen Gründen zum Chris-tentum überzutreten, dann aber gab er nach und gestattete zuerst seinen bei-den jüngeren Söhnen, später auch Fan-ny, sich protestantisch taufen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist auch der Namenswechsel von jüdisch Markus zu - unverfänglicher klingend - Lewald zu se-hen, den der Vater vornehmen ließ, damit vor allem seine Söhne bessere berufliche Chancen hatten. Zwar beschreibt Fanny in ihrer Jugend eine Jesus-Schwärmerei, doch blieb das Christentum ihr äußerlich. Vielmehr war es ihr im fortschreitenden Alter wichtig, das Judentum, wenn nicht als Kult oder Ritus, so doch als identitäts-stiftende Herkunft nicht zu verleugnen. Ihr Erfolgsroman „Jenny“ (1843) handelt vom tragischen Kampf bürgerlicher Juden um Anerkennung und Aufnahme in die christlich geprägte Gesellschaft. Sie plä-dierte also für Stolz auf die jüdische Ab-stammung, geißelte den jüdischen Selbst-hass beinahe ebenso wie die Ignoranz, ja Ablehnung der Christen den Juden gegenüber und sprach sich für Gleichbe-rechtigung, für Toleranz aus.

Kindheit zwischen Liebe und Strenge

Maßgeblich und richtungsweisend in Fanny Lewalds Kindheit und Jugend war weniger die Mutter als der Vater, an dem Fanny, seine älteste Tochter, mit schwär-merischer Liebe hing. Von der feministi-schen Forschung, die fast die einzige For-schung zu Lewald darstellt, wird immer wieder Fannys Verhältnis zu ihrem Vater kritisiert: sie sei ihm, dem Patriarchen, un-terworfen und hörig gewesen, erkannte

ihn als Zensurinstanz an, konnte sich von ihm nie recht lösen. Aus der damaligen Zeit heraus gesehen war der jüdische Kaufmann als pater familias aber durch-aus ein aufklärerischer Garant der bürger-lichen Gesellschaft, der, vernunftgesteuert und stolz auf seine selbsterarbeitete Posi-tion, emanzipatorische Züge trug. Oder, wie diese Haltung, dieses Erfolgsrezept einmal prägnant zusammengefasst wur-de: Kant plus Judentum minus Kirche und minus Adel ergibt die Haltung von Fannys Vater.

Fanny Lewald legt in der Schilderung ihrer Kindheit Wert darauf, ihr Elternhaus als ebenso liebevoll und zärtlich wie auch als streng zu vergegenwärtigen. Zu den Erziehungsgrundsätzen, die sie für richtig hält und die zum Teil heute noch aktuell sind, zählen: ein ganz modernes Plädo-yer für das Spiel, für Spielraum, aber auch ein Plädoyer für Ordnung, für sinnvolle Zeiteinteilung, für Einsicht in die kind-liche Neigung zur Wiederholung (und zwar spielt der Vater - sehr modern - mit den Kindern oft Rollenspiele), für Ermun-terung bis Ermahnung zur Wissbegier. Deutlich spricht sie sich gegen Unfreund-lichkeit und Heftigkeit im Haus aus, statt-dessen für Liebe und Eintracht, aber auch

Lehrreiches und belustigendes Puppenthe-ater für Kinder um 1840. Quelle: Zeitschrift

Europa, Stuttgart und Leipzig 1837

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fürs Gehorchen, denn das „Parlamentieren zwischen Kindern und Eltern“ hält sie für verwerflich. Das Erlernen von Selbstbe-herrschung und – geistiger – Abhärtung erachtet sie für ungemein wichtig, gleich-zeitig hält sie aber im Zusammenhang mit den empfindlichen Seelen Jugendlicher und von Ausnahme-Naturen Vorsicht für geboten, denn: „Erzieher müssen Leiter, nicht Herren des Menschen sein.“

Der Vater, so traditionell patriarcha-lisch er sich gab, so sehr war ihm doch an der Bildung seiner Kinder, gerade auch seiner ältesten Tochter gelegen. Er schick-te sie auf eine Privatschule, auf der sie zum eigenständigen Lernen und selbst-ständigen Denken angeleitet wurde, auf der sie aber nur bis zum Alter von drei-zehn Jahren bleiben konnte. Fanny war herausstechend intelligent, lernte leicht, war ehrgeizig und neigte zu Bildungs-hochmut, den ihr Lehrer ihr durch uner-reichbare männliche Vorbilder auszutrei-ben versuchte und ihr sagte, dass ihr „Kopf auch besser auf ´nem Jungen gesessen hätte“. Emphatisch sprach sich Fanny für Schulerziehung bei Mädchen aus im Ge-gensatz zur häuslichen Schulbildung bei höheren Töchtern, die dadurch wie Ein-zelkinder oder Fürstenkinder aufwachsen würden.

Leerlauf

Während ihre Brüder weiter auf das Gym-nasium gehen durften, musste Fanny nach Beendigung ihrer Schulzeit ganz ins Haus zurückkehren. Damit ihr Tag nicht vollkommen unstrukturiert mit Hausar-beiten verplätscherte, erstellte ihr der Vater einen strengen Arbeitsplan, mit täg-lich drei Stunden Klavierspiel, was Fanny hasste, stundenlangen Näharbeiten und Wiederholung ihrer Schulbücher, die sie bereits auswendig kannte.

Hier schon begann der Leerlauf, der sie in späteren Jahren so quälen wird. Das änderte sich erst, als die zwanzigjährige Fanny ihren Vater zu ihrer ersten Reise über Berlin und viele andere Orte an den Rhein nach Baden-Baden begleiten durf-

te, wo sie wohlhabende Verwandte aus Breslau trafen, die Fanny fast ein Jahr lang nach Breslau mitnahmen. Die andere Um-gebung, der großzügige und heitere Sinn dieser Familie, das freie Salonleben, die geistigen Anregungen und nicht zuletzt die Liebe zu ihrem Vetter Heinrich Simon machten den Breslauer Aufenthalt zu ei-nem Wendepunkt in Fannys Leben. Ihre widerwillige Rückkehr nach Königsberg gestaltete sich quälend und schal, vieles in der Stadt erschien ihr abgeschmackt, klein und eng, ihre Familie fremd, die Maßstäbe hatten sich verschoben. Alles in ihr sträubte sich, wieder in Königsberg zu sein, als ahnte sie schon, dass eine sieben-jährige Leidenszeit auf sie wartete. Alles angeblich Vertraute wirkte auf sie wie ein zu enges Korsett. Alte Freundinnen waren in pietistischer Bigotterie erstarrt. Außer hauswirtschaftlichen Dingen war ihr keine Beschäftigung zugedacht, worunter sie immer stärker zu leiden begann. Während die Brüder Studenten wurden, der Vater, als Jude ganz ungewöhnlich, sogar zum Stadtverordneten aufstieg, war sie zum Leerlauf verurteilt, erging sich in unglück-licher Liebe zu dem Vetter, hasste das ewige Einerlei des Königsberger Lebens,

fühlte sich eingesperrt, stagnierte. Einen vom Vater ins Haus gebrachten Bräutigam lehnte sie radikal ab, sprach sich vehe-ment gegen das Verheiratetwerden aus und galt mit nur 25 Jahren bereits als alt. So sehr sie das familiäre Gleichmaß für die Kindheit und Mädchenzeit schätzte, so sehr begann sie das Elternhaus, die Fami-lie als Paralyse, als Lähmung zu begreifen, aus der sie sich lösen müsste, wenn sie eine Möglichkeit dazu hätte. Das absicht-liche Kindlichhalten von Frauen lehnte sie ab, Frauenbildung, ja, die Möglichkeit für bürgerliche Frauen zur Erwerbstätig-keit gaukelten ihr als unerreichbare Ziele vor. Sie wünschte sich Verhältnisse wie in Amerika und in der Schweiz herbei, wo Berufstätigkeit von Frauen schon mög-lich sein sollte, beneidete Schauspielerin-nen, sogar Königinnen um ihren Beruf, und wünschte nicht mehr die „bleichen Gesichter alternder Mädchen“ zu sehen, sondern in „ehrenvoller Unabhängigkeit“ leben zu können.

Nachdem ihr Vetter Heinrich Simon dann noch ihre Liebe zurückgewiesen hatte – er liebte eine andere Frau, Fan-nys spätere berufliche Widersacherin, die Gräfin Ida Hahn-Hahn –, begann sie sich in Entsagung zu flüchten, ihre Wünsche

Häuslichkeit in der neuesten Pariser Mode: Klavierspiel für Frauen um 1840.

Quelle: Zeitschrift Europa, Stuttgart und Leipzig 1837

Handarbeiten zum Zeitvertreib für Frauen in Fanny Lewalds Jugendzeit. Quelle: Zeit-

schrift Europa, Stuttgart und Leipzig 1837

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zu unterdrücken und sich mit 28 Jahren alt und aschgrau zu fühlen. Quälend sind diese sieben Jahre der Stagnation be-schrieben, sehr ausführlich in ihrem zähen Leerlauf und ihrer Lähmung, wohl um zu zeigen, dass Fanny das vorbestimmte Frauenschicksal vieler bürgerlicher Frauen nur zu gut kannte, entweder unglücklich verheiratet zu sein oder nutzlos und früh-zeitig ihrem Ende entgegen zu altern.

Durchbruch zur Schriftstellerin

Neue Hoffnung bekam sie erst durch ih-ren Onkel August Lewald, der als Schrift-steller und Publizist seit 1835 in Stuttgart die Zeitschrift „Europa. Chronik der ge-bildeten Welt“ herausgab. Aus ihrer Kö-nigsberger Enge hatte Fanny regelmäßig mit ihm korrespondiert. Nun teilte er ihr mit, dass er ihre Briefe, die allgemein-be-trachtender Natur waren, anonym in dieser Zeitschrift bereits seit einer Weile veröffentlichte. Fanny war elektrisiert. Sie fasste neuen Lebensmut. Eine Berlin-Rei-se, zu der die vorzeitig Gealterte im Jahr 1839 aufbrechen durfte, belebte, verjüng-te, befreite, verfeinerte sie. Ermutigt von August Lewald, der von Fannys Talent als Schriftstellerin sprach, begann sie für die Zeitschrift „Europa“ zu schreiben. Sie verhandelte mit ihrem Vater, um sozusa-gen offiziell die Erlaubnis zu bekommen, Schriftstellerin zu werden. Schließlich gab der Vater den Segen dazu, aber nur, wenn sie anonym veröffentlichte: „Er wendete sich nach der Türe, kehrte noch einmal um, sagte mit einer unverkennbaren Be-wegung: »Also eine Schriftstellerin!« – Dann zog er die schönen Augenbrauen ein wenig in die Höhe, diese Miene drück-te es bei ihm aus, dass etwas ihm nicht Erwartetes und nicht eben Angenehmes geschehen sei, und meinen Kopf in seine beiden Hände nehmend, und mich herz-lich küssend, sprach er: »Gott gebe Dir Glück dazu!« Damit ging er hinaus, und ich war so gerührt, dass mir die Tränen über das Gesicht flossen. Feierlicher war mir nicht zu Mute, als ich mich meinem Manne für das ganze Leben angelobte.“

Fanny war selig. Ihr Berufs-Credo lau-tet folgendermaßen: „Es war kein unbe-wusstes Hineindämmern in die Zauber-gärten der Poesie. Ich hatte eine große Vorstellung von der Macht des Dichters auf den Geist seines Volkes, und von der Gewalt des Wortes über das Herz der Men-schen. Und weil ich die Wahrheit suchte, und die Wahrheit über alles schätzte, wo ich sie erkannt hatte, so nahm ich mir vor, ihr in keiner Zeile und mit keinem Worte jemals abtrünnig zu werden, und wie groß oder wie gering mein Einfluß jemals wer-den könnte, ihn nie anders als im Dienste desjenigen zu verwenden, was mir Schön-heit, Freiheit und Wahrheit hieß. Und dies Versprechen habe ich mir treu gehalten! […] Es galt, wie später mein Mann das ge-nannt hat, »als ehrlicher Arbeiter mit dem Schurzfell zu arbeiten«, es galt, kein vor-nehmer Dilettant, kein gefühlsseliges, sich mit dem ungefähren Anschein der Dinge begnügendes weibliches Gemüt zu sein, sondern ernst zu arbeiten, wie der Jurist, der Philolog, wie jeder Mann es in seinem Fache tun muß, wo etwas Ordentliches geleistet werden soll.“

Schriftstellerei bedeutete ihr Selbster-ziehung. Sie wollte, nach eigenem Credo, arbeiten wie ein Mann, wie ein Handwer-ker, und so ernst genommen werden wie ein Mann. Diesem Wunsch musste sie die „Zaubergärten der Poesie“ opfern, die sie mit Sentimentalität, Gefühligkeit, reiner Intuition und weichlichem Schreibduk-tus von Schriftstellerinnen in Verbindung brachte. Da ihre eigenen Schriften von einem klaren Schreibstil geprägt sind, war ihr der romantisch-sentimentale Ton ihrer Zeit zuwider.

Ihre ersten Romane, anonym veröf-fentlicht, „Clementine“ (1842) und „Jen-ny“ (1843), behandeln gesellschaftliche Themen, letzterer von der Herabwürdi-gung der Juden in der bornierten, christ-lich geprägten Gesellschaft. Die Romane waren enorm erfolgreich, und sie bekam beneidenswert viel Geld dafür, so dass sie, wenn auch bescheiden und zunächst sehr unbequem, ein Jahr lang davon in Berlin leben konnte. Eine alleine lebende

Frau aber wurde mit größtem Misstrauen in der Gesellschaft beäugt, da sie für un-moralisch galt, den Anstandsregeln nicht genügend. Darüber setzte sich Fanny Le-wald recht nonchalant hinweg, sie ließ sich in ihrer Wohnung auch von Herren besuchen. Der Schriftsteller Berthold Au-erbach und andere verkehrten bei ihr, und sie wies alle naserümpfenden Unterstel-lungen, gerade auch von Frauen, zurück und plädierte für einen natürlichen, frei-en Umgang miteinander gegen alles Er-zwungene. Fanny unterhielt in Berlin viele Kontakte, sie verkehrte mit berühmten Zeitgenossen, unter anderem mit Henriet-te Herz, mit Felix Mendelssohn-Bartholdy, Heinrich Heine und Franz Liszt. Dennoch fiel ihr in der ersten Berliner Zeit auf, dass die große Zeit der Salons, wie es sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab und in denen versucht wurde, die Standes-, Kas-ten- und Religionsgrenzen im Sinne der Aufklärung zu überwinden, vorbei war. Die heutigen Gesellschaften erschienen Fanny egoistisch und wenig geistvoll

Titelbild der Zeitschrift „Europa“, Ausgabe von 1837, herausgegeben von

Fannys Onkel August Lewald

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und nur auf Vergnügungen ausgerichtet. So wählte sie genau aus, wo sie geistige Bereicherung fand. Auch auf ihren vielen Reisen, nach Teplitz, Karlsbad und Fran-zensbad, nach Prag und Dresden, wieder einmal nach Königsberg und schließlich nach Italien, ging sie mit offenen Sinnen durch die Welt, lernte Menschen jegli-chen Standes kennen und beschrieb ihre Eindrücke in verschiedenen Reisebildern. Nach der gescheiterten Revolution grün-dete sie selbst einen einflussreichen poli-tisch-literarischen Salon in Berlin.

Fanny Lewald blieb sich als Schrift-stellerin treu. Als Vorkämpferin der Frau-enemanzipation forderte sie das unein-geschränkte Recht der Frauen auf Bildung und auf gewerbliche Arbeit ebenso, wie sie sich gegen die Zwangsverheiratung junger Frauen einsetzte. Auch gegen das Scheidungsverbot kämpfte sie an und sprach sich in ihrem Roman „Eine Lebens-frage“ (1845) für die Erleichterung der Ehescheidung aus. Immer wieder beschäf-tigten sie soziale Fragen, so in ihrem Titel „Der dritte Stand“ (1846). Die Ereignisse von 1848, also die Revolutionen in Paris, Berlin und Frankfurt, begleitete sie publi-zistisch. Ihre zweibändigen „Erinnerungen aus dem Jahr 1848“ (1850) geben auch Auskunft über die Hoffnungen, die mit der 1848er-Revolution verbunden waren. Zuvor aber brach sie nach Italien auf, wo sie schließlich den Mann ihres Lebens, den Schriftsteller und Kritiker Adolf Stahr kennenlernte. Erst nach zehn Jahren hei-rateten sie, nachdem er sich von Frau und fünf Kindern getrennt hatte, um sich ganz und gar zu Fanny Lewald zu bekennen.

Fanny Lewald war eine sehr bekann-te, wenn nicht die bekannteste deutsche Schriftstellerin im 19. Jahrhundert. Immer wieder wird sie mit George Sand und Ge-orges Eliott verglichen. Ihr Werk umkreist politisch die – gescheiterte – Revolution von 1848, sie wollte aufklären, Beispiel geben mit ihrem eigenen Leben und Wer-degang, sie wollte aufrütteln, sie wollte ernstgenommen werden, sie wollte mit Verve anschreiben gegen Verkrustungen und Borniertheiten ihrer Zeit. Und mit ih-

rer Klarheit, ihrer Vernunftgesteuertheit, ihrer selbstbewussten, aber nie selbstge-rechten Haltung, mit ihrer schriftstelleri-schen „Arbeit mit dem Schurzfell“ hatte sie in ihrer Zeit und darüber hinaus Erfolg - ein Erfolg allerdings, dem keine überlan-ge Lebensdauer beschieden war. Im Ver-lauf des 20. Jahrhunderts geriet sie mehr und mehr in Vergessenheit. Woran lag das? Sind die Themen, mit denen sie sich schriftstellerisch befasste, erledigt? Si-cherlich nicht. Zwar muss heute niemand mehr in Deutschland ein Tabu brechen, wenn er über Gleichberechtigung oder Ehescheidungen schreibt. Borniertheiten bestimmter juste milieus aber gehören auch heute immer noch zum Alltag.

Das Füllhorn der Poesie

Es lohnt sich, Fanny Lewald wieder zu le-sen, neu zu entdecken. Und zwar vor al-lem aus zwei Gründen: einmal, um eine Haltung vorgeführt zu bekommen, eine Selbstbeherrschtheit und Aufrechtheit, eine Geradlinigkeit in der Wahrheitssu-che und in der eigenen Lebensführung, die heute Seltenheitswert besitzt. Und zum anderen, weil es unter dieser sehr anerkennenswert klaren Haltung eine Unterströmung der Leidenschaftlichkeit, des euphorischen Rausches, ja, der Poesie

gibt, die sie selbst zwar nur selten in ihren Schriften zulässt, ja, die sie sich verbietet, die aber zeigt, dass sie doch nicht in der reinen aufgeklärten, protestantischen, kantischen Tradition aufgeht, sondern voller Gemüt, poetischem Freiheitsdrang und Zauber steckt. Daher soll hier eine Episode aus ihrer Königsberger Kindheit am Ende stehen, in der eine geheimnis-volle Schachtel eine Rolle spielt, eine Schachtel, die selbst wie ein Füllhorn der Poesie wirkt: „Der erste Schnee fällt aber in Preußen oft schon in der ersten Hälfte des Oktobers, und wir konnten an nebligen und regnigen Tagen manchmal gar nicht von den Fenstern fortkommen, weil wir immer hofften, heute werde und müsse der erste Schnee fallen und dann werde am Abende, wenn der Vater herauf käme, die »große Schachtel« gezeigt werden, die wir eben nur einmal im Jahre, nur beim ersten Schneefall zu sehen bekamen. Ich glaube, kein ägyptischer Priester hat je-mals sorgfältiger auf das Steigen des Nils geachtet, als wir Kinder auf den Fall des ersten Schnees. War das Jahr mild oder trocken, ließ der Schnee auf sich warten, so reichte das leiseste Flöckchen in der Luft dazu hin, uns alle mit dem Ausruf: es schneit! in die Wohnstube zu treiben. Aber das half uns gar nichts, und mit der Wei-sung, dass solch ein Gekrümel in der Luft nicht zähle, und dass es ordentlich schnei-en müsse, ehe die Schachtel erscheinen könne, wurden wir zu neuem Warten, zu neuem Hoffen, und dadurch zu erhöhter Freude gesteigert, wenn dann wirklich die weißen dicken Flocken in reicher Fül-le von dem dunklen Himmel niederfielen, wenn die schwarzen, durchregneten Stra-ßen, wenn die Dächer und die Wolme und die Bleche vor den Fenstern sich dick mit Schnee bedeckten, aus dessen weißem Glanze uns die Aussicht auf die ersehnten Herrlichkeiten entgegenblinkte.

Ist‘s bald sieben Uhr? fragten die Kinder dann den ganzen Nachmittag, während zum erstenmale in dem Jahre die Äpfel zum Braten in die Röhre gelegt wurden, und ihr Schmoren und ihr Duft die beginnende Feier verkündeten. Die

Damenmode um 1840 für einen Ausflug in die gezähmte Natur. Quelle: Zeitschrift

Europa, Stuttgart und Leipzig 1837

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Zeit wurde uns immer erschrecklich lang, aber nicht eine Minute davon wurde uns erlassen, und erst um sieben Uhr gingen wir hinunter, wo die Eltern dann schon die »Schachtel« herausgenommen und auf den Tisch vor dem Sofa hingestellt hatten.

Und was war, was enthielt diese Schachtel, auf die wir uns durch ein gan-zes Jahr hindurch freuten, die wiederzuse-hen mir Vergnügen machte, als ich schon zwölf, dreizehn Jahre alt und sehr verstän-dig war, und aus welcher irgendein Stück vor Augen zu bekommen, mir heute das Herz mit großer Rührung füllen würde?

Die Schachtel war nichts als eine kleine Seitenschieblade aus dem Sekretär meines Vaters, und sie enthielt nichts als einige An-gedenken, welche er darin aufbewahrte. Es lag darin ein rotes Maroquinbuch, in dem unsere Geburtstage, unsere Krankheiten, der Anfang unseres Schulbesuchs – mit einem Worte die Hauschronik verzeichnet war. Es lagen darin in goldenen Kapseln die Bilder meiner Eltern als Brautleute gemalt, ein Hochzeitscarmen meiner Eltern, ein grünseidener, mit einer Inschrift versehe-ner Vorhang, der unser Bild verhüllt hatte, als die Mutter es dem Vater zum Geburts-tag geschenkt. Es lagen darin einer jener silbernen Becher, die zum Andenken der Schlacht von Kunersdorf aus Rubeln ge-fertigt worden waren; es lagen darin Ge-dichte, welche August Lewald bei meinem ersten Geburtstage an die Eltern gerichtet, desgleichen Brieftaschen, Börsen, Uhr-bänder, welche Schwestern und Bekannte meinem Vater gehäkelt und gestickt und die er nie getragen hatte, – kurz es lagen Kleinigkeiten darin, wie jede nur einiger-maßen bemittelte Familie deren ähnliche besitzt, es lag ein Schatz darin, den jede Fa-milie sich für ihre Kinder ansammeln kann, wenn sie den Sinn hat, ihren Kindern auf die leichteste Weise unvergessliche Freu-den zu bereiten.

Unsere ganze kleine Vergangenheit wurde uns von den Eltern vor dieser

Schieblade unwillkürlich rekapituliert. Wir hörten es mit Entzücken, an welchem Tage und in welcher Stunde wir gebo-ren worden waren. Wir amüsierten uns damit, wie schlecht wir noch im vorigen Jahre die Gratulationsgedichte zu der El-tern Geburtstagen geschrieben, wir lern-ten die Jugendfreunde und Bekannten der Eltern an den kleinen Angedenken kennen, und was mehr als dies alles war: wenn wir die ersten Bratäpfel verzehrten, hatten wir das Bewußtsein, ein großes Fest gefeiert zu haben, und fingen in al-ler Stille an, uns schon wieder auf den ersten Schnee des nächsten Jahres zu getrösten.“

Immer wieder gibt es in ihren Roma-nen und Lebenserinnerungen Passagen, in denen Fanny Lewald nicht, wie sie das von Schriftstellerinnen befürchtet, in den „Zaubergärten der Poesie“ unbewusst verdämmert, sondern sich als höchst le-bendiges, freiheitsliebendes, und doch seelenvolles Subjekt behaupten darf.

Literatur:– Fanny Lewald: Meine Lebensgeschich-

te, hg. von Ulrike Helmer. Band 1: Im Vaterhause; Band 2: Leidensjahre; Band 3: Befreiung und Wanderleben, Königstein/Taunus 1998.

– Fanny Lewald: Jenny. München 1996.– Fanny Lewald: Italienisches Bilderbuch.

Berlin 1983.

Jugendbildnis von Fanny Lewald, um 1835

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– Autoren gesuchtDer GLOBUS lebt von der Vielfalt der Beiträge.

Wir suchen Autoren und Mitwirkende, die gerne zum Thema „Deutsche in der Welt“

schreiben und ihre Meinungen und Erfahrungen mit uns teilen möchten.

Neugierig geworden? Schreiben Sie uns unter: [email protected]

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Deutschsprachige Medien in den USAMore and more Americans enjoy the German language

Von Juliane Herbst

Die Deutschstämmigen sind die größ-te Bevölkerungsgruppe der Vereinigten Staaten. Im Rahmen der letzten US-Volks-zählung haben rund 50 Mio. Menschen angegeben, deutsche Vorfahren zu haben - das waren 6 Mio. mehr als bei der vorhe-rigen Erhebung. Die Zunahme ist jedoch nicht durch eine vermehrte Einwande-rung zustande gekommen. Die alteinge-sessenen Deutschamerikaner machten ihre Kreuzchen nur geschichtsbewusster. Wie deutlich sie jetzt die Liste der bedeu-tendsten ethnischen Gruppen anführen, zeigt folgende Aufstellung:

1. deutschstämmige US-Amerikaner = ca. 50 Mio. Menschen2. irischstämmige US-Amerikaner = ca. 35 Mio. Menschen3. mexikanischstämmige US-Amerikaner = ca. 31 Mio. Menschen4. englischstämmige US-Amerikaner = ca. 27 Mio. Menschen

Björn Akstinat, Koordinator des Netzwerks der deutschsprachigen Medien weltweit (Internationale Medienhilfe): „Etwa 10% der Deutschstämmigen sprechen oder verstehen noch Deutsch - darunter Pro-minente wie Sandra Bullock, Henry Kis-singer oder Leonardo DiCaprio. Für diese rund 5 Mio. Menschen werden in den USA zahlreiche deutschsprachige Medi-en produziert: Es existieren über 100 Zei-tungen, Zeitschriften, Gemeindebriefe und Mitteilungsblätter sowie etwa 100 lokale Radiosendungen und ca. 20 lokale Fernsehprogramm-Fenster.“

Besonders bemerkenswert ist auch, dass in den Vereinigten Staaten die welt-weit ältesten Wochenzeitungen in deut-scher Sprache erscheinen - an erster Stelle die „New Yorker Staats-Zeitung“

von 1834. Sie gehörte in ihrer Anfangs-zeit zu den größten Zeitungen der USA. Ende der 1960er Jahre war kein geringe-rer als der deutsche TV-Moderator, Komi-ker und Journalist Herbert Feuerstein ihr Chefredakteur. Ähnlich alt wie das New Yorker Blatt ist die „Nordamerikanische Wochen-Post“ von 1854 aus Michigan. Vor

nicht ganz so langer Zeit entstanden „The Saxon News - Volksblatt“ von der Allianz der Siebenbürger Sachsen aus Cleveland und die Wochenzeitung „Eintracht“ aus dem Großraum Chicago. Sie wurden 1902 bzw. 1922 aus der Taufe gehoben. Die tra-ditionsreiche „Eintracht“ richtet sich insbe-sondere an die vielen Deutschamerikaner im Nordwesten der USA. Aufgrund ihrer Bedeutung konnte sie Interviews mit zahl-reichen herausragenden Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer, Willy Brandt, Rake-tenpionier von Braun, Fußball-Bundestrai-ner Sepp Herberger und vier US-Präsiden-ten führen.

Echte Jünglinge in der Zeitungsland-schaft sind die erst in der zweiten Hälf-te des 20. Jahrhunderts gegründeten Wochenblätter „Amerika-Woche“ von der Ostküste und „Neue Presse“ aus Ka-lifornien. Die „Amerika-Woche“ gilt als eine der größten Publikationen – beson-ders seitdem sie Ende der 1990er Jahre mit der „Freien Zeitung“ (von 1858) und dem „Washington Journal“ (von 1859) verschmolzen wurde. Unter den vielen Zeitschriften sind die „German World“ für

Titelseite der deutsch-/englischsprachigen „German World“ aus Kalifornien

Deutschsprachige Auslandspresse „Das Fenster“ und „Amerika-Woche“

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junge Deutschsprechende und Deutsch-lerner (gegr. 2002), die bunte Frauenzeit-schrift „Das Fenster“ aus Georgia (gegr. 1904) sowie das auflagenstarke Touris-musmagazin „Florida Sun“ (gegr. 1999) sehr erwähnenswert. Gerade diese mo-dern gestalteten und geführten Publi-

Titelseite der über 100-jährigen Zeitschrift „Das Fenster“ aus Georgia

kationen machen deutlich, wie vital und zukunftsträchtig der deutschsprachige Medienmarkt in den USA sein kann. Mehr Informationen sind im „Hand-buch der deutschsprachigen Presse im Ausland“ (ISBN: 978-3-9815158-1-7) zu finden.

Deutschsprachige Presse in LateinamerikaAmerica del sur habla alemán

Von Juliane Herbst

Nach Untersuchungen der Internationa-len Medienhilfe (IMH), des Verbandes der deutschsprachigen Medien im Ausland, werden in Süd- und Mittelamerika etwa 150 Zeitungen, Zeitschriften, Mitteilungs-blätter, Gemeindebriefe und Jahrbücher ganz oder teilweise auf Deutsch heraus-gegeben. Die bedeutendsten Publikati-onen sind die beiden Wochenzeitungen „Argentinisches Tageblatt“ aus Buenos Aires und „Condor“ aus Santiago de Chile. Das „Tageblatt“ wurde 1878 von Schwei-zern gegründet und erschien, wie der Name andeutet, lange Zeit täglich. Der 1938 für die Deutschsprachigen in Chile entstandene „Condor“ fällt seit Jahrzehn-ten durch sein modernes Erscheinungs-bild auf. Weitere größere Druckmedien sind die „Deutsche Zeitung“ in Sao Paulo,

das Magazin „Mitt.“ aus Mexiko-Stadt, die „Deutsch-Mexikanische Rundschau“ in Cuauhtemoc, der „Menno-Bote“ aus Boli-vien, die Touristen-Zeitschrift „La Playa“ in der Dominikanischen Republik, die deut-sche Ausgabe der kommunistischen ku-banischen Propagandazeitung „Granma Internacional“ sowie der „ParaguayBote“ und „Die Zeitung“ in Asuncion.

Auch wenn in Brasilien die meisten Publikationen existieren, hat Paraguay die vitalste deutschsprachige Presseszene. Bemerkenswert ist, wie oft in dem zent-ral gelegenen südamerikanischen Land immer wieder Neues entsteht - insbeson-dere durch die dort zahlreich vertretenen einflussreichen Mennoniten.

Die ursprünglich aus Norddeutsch-land stammende protestantische Glau-bensgemeinschaft pflegt die deutsche

Sprache unter anderem als Teil ihrer Re-ligion. In ländlichen Gebieten Paraguays publizieren die Mennoniten in eigenen Siedlungen mehrere größere Zeitschriften wie die monatlichen Titel „Friesland-In-formationsblatt“, „INFO Neuland“, „Menno informiert“, „Volendam Informationen“ oder das schon 1930 gegründete und alle 14 Tage in der Kolonie Fernheim erschei-nende „Mennoblatt“. Die Mennoniten sind so publikationsfreudig, dass sie so-gar in den abgelegensten Regionen von

Titelseite der „Deutschen Zeitung“ aus Brasilien Titelseite von „Mennoblatt“ aus Paraguay

Titelseite von „Die Zeitung“ aus Paraguay

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Belize und Uruguay Mitteilungsblätter veröffentlichen.

Bei den umfangreichen Untersu-chungen der IMH konnten in 19 Ländern deutschsprachige Medien aufgespürt werden. Lediglich in Haiti, Nicaragua, Panama, Guyana und Französisch-Guyana wurde nichts gefunden. Insgesamt bleibt

deutscher Schulen, Gemeindebriefen und anderen religiös geprägten Zeitschriften. Wer an den Adressen der Publikationen und mehr Informationen interessiert ist, kann diese im „Handbuch der deutsch-sprachigen Presse im Ausland“ von Björn Akstinat aus dem Verlag der IMH (www.imh-service.de) nachschlagen.

die Zahl der Druckmedien momentan noch relativ stabil. Bislang sind nur einzel-ne tragische „Todesfälle“ zu verzeichnen. Dazu gehörte die plötzliche Einstellung der „Brasil-Post“ in Sao Paulo im Jahr 2012. Sie hinterlässt eine große Lücke. Nun be-steht die Presselandschaft der Deutsch-brasilianer hauptsächlich aus Magazinen

VI. Internationales VDA–ChordirigentenseminarZentralamerika 2016 in San José (Costa Rica)

Von Prof. Hans–Peter Schurz

Vom 27. 1. bis 9. 2. 2016 war ich im Auf-trag des VDA in Costa Rica und leitete an der Universität National (UNA) das VI. In-ternationale VDA - Dirigentenseminar für Zentralamerika.

Nationaler Veranstalter war in diesem Jahr die musikalische Fakultät der Univer-sität National, deren vorjährige Leiterin Dr. Carmen Mendez die Seminar-Vorbe-reitungen traf und jetzt an die neue Fa-kultätsleiterin, Frau Nuria Zuniga Chaves, übergab. Beide Direktorinnen übertrugen die detaillierte Seminar–Planung und Ko-ordination dem dortigen Dozenten für Chorleitung, Herrn Khristopher Rosellò Calderòn, der unser Seminar hervorra-gend organisierte.

Von den 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (leider mussten einige Teil-nehmer aus beruflichen-, und Krank-heitsgründen absagen) aus Costa Rica, Nicaragua, El Salvador, Guatemala und Panama, waren 18 Musiker aktiv am Pult. Die anderen Seminaristen sangen im Se-minar – Studiochor, waren insofern „pas-sive Dirigenten“. Alle Seminaristen waren sehr wissbegierig und fleißig, so dass wir in unserem Abschlusskonzert zehn Titel unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades vorstellen konnten, die alle von Semina-risten dirigiert wurden. Dabei standen deutsche Werke aus der Renaissance und der Romantik im Vordergrund

Anhand dieser Chorwerke aus unter-schiedlichen Musikepochen, wurden fol-gende Themen unterrichtet: Chormetho-dik, Dirigiertechnik, Stimmbildung und Stilkunde.

Die Seminarteilnehmer, Musikstuden-ten, Dozenten und bereits tätige Chordiri-genten, interessierten sich besonders für die derzeitige deutsche Chorszene, für die Tätigkeiten des VDA und vor allem für das deutsche Liedgut.

Dementsprechend habe ich den Teil-nehmern noch viele deutsche Chorlie-der bzw. Chor-CD´s und je ein Heftchen

mit wichtigen Hinweisen zur Chorfüh-rung, -methodik und Dirigiertechnik übergeben.

Die Musikfakultät der Universität Nati-onal und alle Lehrgangsteilnehmer wün-schen sich unbedingt eine Wiederholung des VDA-Dirigentenseminars im Januar/Februar 2017 in Costa Rica. Die Fakultäts-leitung wies schon jetzt darauf hin, dass sie jegliche finanzielle und personelle Vor-bereitung treffen wird, damit das VDA–Se-minar 2017 wieder so reibungslos wie in diesem Jahr verlaufen kann. Dazu wird sich die Direktorin, Frau Nuria Z. Chaves,

Professor Schurz gibt gestenreich sein umfangreiches Wissen weiter.

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1/2016 Kultur & Sprache

gesondert an die VDA–Leitung wenden und wieder um finanzielle sowie ideelle Hilfe bitten.

Mir hat die Leitung des VDA-Dirigen-tenseminars 2016 in San José sehr viel Freude bereitet, zumal wir mit unserem musikalisch-kulturellen Engagement und dessen überall höchst gelobten Ergebnis-ses neue VDA–Freunde in Zentralamerika gewinnen konnten.

Ich stehe dem VDA auch sehr gern für alle weiteren Aktivitäten auf diesem Gebiet zur Verfügung und bitte den Vor-stand, diese inzwischen weltweit bekann-te und sehr geschätzte VDA–Chordirigen-tenfortbildung finanziell ungekürzt weiter zu unterstützen und zu fördern.

Prof. Schurz mit aktiven Teilnehmern aus Costa Rica, El Salvador,Guatemala und Panama nach dem Konzert

Seminar Abschlusskonzert

Belohnung nach anstrengender Arbeit: Die Übergabe der Zertifikate

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1/2016Kultur & Reisen

Der Kaiser-Brunnen in IstanbulEin außerordentliches Gastgeschenk an den Kaiser der Osmanen

Von Wolfgang Reith

Am 12. Oktober 1898 brach Kaiser Wil-helm II. in Begleitung seiner Gemahlin sowie weiteren 50 Personen zu einer Reise nach Palästina auf, wo er die heiligen Stät-ten der Christenheit besichtigen wollte. An Bord der Yacht „S.M.S. Hohenzollern“ begab man sich jedoch zunächst nach Konstantinopel (Istanbul), wo das Kaiser-paar einige Tage als Gäste des türkischen Sultans Abdul Hamid II. verbrachte. Im-merhin stand Palästina damals unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches.

Als Dank für die Gastfreundschaft während seines Staatsbesuches stiftete der deutsche Kaiser einen Brunnenpavil-lon, der auf dem Hippodrom (türkisch: At Meydanı), einem Platz im Zentrum Istan-buls gegenüber der berühmten Blauen Moschee, errichtet wurde, wo er auch jetzt noch steht und besichtigt werden kann. Das Hippodrom wurde bereits in byzantinischer Zeit (im Jahre 203 n. Chr.) nach dem Vorbild des Circus Maximus in Rom angelegt und war damals mit Sta-tuen aus allen Teilen des Römischen Rei-ches geschmückt. Am südlichen Ende des Platzes stehen heute noch ein 3500 Jah-re alter ägyptischer Obelisk, ein zweiter Obelisk aus der byzantinischen Epoche sowie Überreste einer Schlangensäule aus Delphi, die vom Sieg der Griechen über die Perser bei Platää im Jahre 479 v. Chr. kündet.

Am anderen Ende des Hippodroms befindet sich eben jener Brunnenpavillon (ALMAN CESMESI = DEUTSCHER BRUN-NEN), der auch die englische Inschrift „Fountain of Wilhelm II. 1898“ trägt. Der Brunnen wird von einer Kuppel über-dacht, die auf acht Säulen ruht. Auf der Innenseite des Deckengewölbes prangen abwechselnd das Wappen des Sultans so-wie die deutsche Kaiserkrone und darun-

ter die Insignien „W. II.“. An der Außenseite des Pavillons ist eine kupferne Schrifttafel angebracht, deren deutscher Text lautet:

„WILHELM II., DEUTSCHER KAISER, STIFTETE DIESEN BRUNNEN IN

DANKBARER ERINNERUNG AN SEINEN BESUCH BEI SEINER MAJESTAET, DEM

KAISER DER OSMANEN, ABDUL HAMID II., IM HERBST DES JAHRES 1898“

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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND

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Kultur & Jugendaustausch

Ein Traum wird wahrFünfwöchige Deutschlandreise für Schüler aus dem Colegio Filadelfia

Von Clarisse Giesbrecht in Zusammenarbeit mit Laura Fröse,

Fernando Loewen, Bianca Epp

Das Klingelzeichen ertönt. Nach dem Deutschunterricht stehen einige Mäd-chen am Lehrertisch und teilen der Deutschlehrerin mit: „Wir wollen als Schü-lergruppe gerne nach Deutschland rei-sen.“ Auch ihre Eltern würden sie in ihrem Wunsch und diesem Vorhaben unterstüt-zen, sagen sie.

Was zunächst als ein Wunsch während des Schulalltags im Colegio Filadelfia in Paraguay geäußert wurde, entwickelte sich – nicht zuletzt durch das beharrli-che Dranbleiben der Schüler - mehr und mehr zu einem Projekt, das durchgeführt werden sollte. Zu Beginn des Jahres 2015 stand dann fest: Wir nehmen das Ange-bot des VDA an, eine mehrwöchige Reise nach Deutschland zu unternehmen.

Das Colegio Filadelfia liegt in der Stadt Filadelfia, im Zentrum der Kolonie Fern-heim im westlichen Teil Paraguays (Cha-co). Es handelt sich um eine christliche Privatschule, die seit 1930 besteht und

von den aus Russland kommenden Men-noniten gegründet wurde. Die deutsche Sprache ist die Muttersprache der meisten Schüler am Colegio Filadelfia. Außerdem werden an der Schule drei Fremdspra-chen unterrichtet: Spanisch, Englisch und die Sprache der Ureinwohner Paragu-ays, Guaraní. Am Colegio Filadelfia wer-den die Klassenstufen sieben bis zwölf unterrichtet.

Die Idee eines Deutschlandaufenthal-tes von Schülern des Colegio Filadelfia war nicht neu. Schon vor ca. fünf Jahren wurde den Eltern von Schülern ein ent-sprechendes Projekt einer Deutschland-reise präsentiert. Damals führten unter-schiedliche Gründe dazu, dass das Projekt nicht durchgeführt werden konnte.

Am Colegio Filadelfia sind wir von der Wichtigkeit, die Auslandserfahrungen mit sich bringen, überzeugt. Durch erste Austauscherfahrungen mit dem Instituto Ballester aus Buenos Aires in Argentinien seit dem Jahr 2011 glaubten wir, dass es nun doch an der Zeit sei, das Thema einer Kulturreise nach Deutschland erneut auf-zugreifen. Der deutsche Dichter Johann

Wolfgang von Goethe bringt es so auf den Punkt: „Die beste Bildung findet ein ge-scheiter Mensch auf Reisen.“

Anfang 2015 wurden erste Schritte zur Reiseplanung unternommen, indem Kontakt zum VDA (Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V.) auf-genommen wurde. Der Verein arbeitet seit ca. 40 Jahren mit der Vermittlung von Schüleraustausch-Partnern weltweit. Es ist dem Verein ein Anliegen, dass Jugend-liche aus der ganzen Welt nach Deutsch-land kommen, das Land und die Leute (in Gastfamilien) kennenlernen und somit die Erfahrung einer Bildungsreise machen.

Im April 2015 besuchte uns die VDA-Geschäftsführerin Petra Meßbacher am Colegio Filadelfia und präsentierte das Konzept sowie einen Vorschlag einer Reise für die Sommerferien 2015/2016. Der Vorschlag sah einen ca. fünfwöchigen Aufenthalt in Deutschland vor, vier Wo-chen davon bei Gastfamilien und damit auch verbunden Schulbesuch in deut-schen Schulen. Danach wurde dann eine 5-tägige Kulturreise mit dem Hauptstand-ort Berlin angeboten.

Die Möglichkeit zur Teilnahme an ei-ner Reise nach Deutschland (bezahlt vor-rangig aus eigenen finanziellen Mitteln) wurde allen Schülern des 2. Kurses (2015) und deren Eltern angeboten. Bis Mai hat-ten sie die Gelegenheit sich zu entschei-den. Die Reisegruppe bestand zu guter Letzt aus 11 Mädchen und 2 Jungen.

Unsere Betreuerin vom VDA, Frau Re-gine Wegmann, die Schüler selbst, deren

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Kultur & Jugendaustausch

Eltern und auch die Begleitlehrerin sowie der Schulleiter und die Sekretärin am Co-legio Filadelfia scheuten keine Mühe, alle entsprechenden Schritte einzuleiten, um am 28. November 2015 nach Deutschland fliegen zu können.

Während des Unterrichtsjahres galt es, sich auf die Aufgaben und den Lernstoff zu konzentrieren, um das Jahr möglichst erfolgreich abschließen zu können. Je nä-her der Abreisetermin rückte, umso kon-kreter wurden die Reisevorbereitungen, die auch einige Besprechungen mit Tipps zum Verhalten während einer Reise und einem Auslandsaufenthalt beinhalteten.

Nach dem langen Flug von ca. 14 Stunden – kamen wir ziemlich übermü-det in Frankfurt an. „Was sind die ersten Eindrücke von Schülern, die zum ersten Mal nach Deutschland kommen?“ stellte sich die Frage. „Der geordnete Verkehr, überhaupt die ganze Infrastruktur hat mich sehr beeindruckt“, meint Laura. Bi-anca fügt hinzu, dass die Landschaft sie begeistert hat und auch die in Deutsch beschrifteten Straßenbilder und die deut-sche Bedienung waren für sie fremd und beeindruckend. „Die vielen alten Gebäu-de, Kirche, Schlösser, Dome – jedes mit seiner Geschichte, das hat mich auch fasziniert“, sagt sie. Und: „Die deutsche Geschichte wurde nun, wo wir selbst

gesehen, auch die Menschenmassen wa-ren ungewohnt. Die vielen Sehenswür-digkeiten zu bestaunen, von denen man viele nur aus dem Fernsehen kannte, und sie nun selber zu sehen, war auch ein tol-les Erlebnis.“ Zuvor war jeder der mitge-reisten Schüler für ungefähr vier Wochen bei einer Gastfamilie und ging auch in die Schule. Fazit von Bianca: „Der Unterricht an der Schule ist mit dem an unserem Colegio Filadelfia vergleichbar“. Fernando hingegen hat beobachtet, dass „der Un-terricht in Deutschland doch auch anders als bei uns gestaltet wird.“

Und die Begegnungen mit Deutschen, wie werden sie im Nachhinein von den

vor Ort waren, viel interessanter und lebensnaher.“

Vom 31. Dezember bis zum 3. Januar erkundete die Gruppe mit einem Reiselei-ter Berlin. Es stand ein Besuch im Bun-destag mit Führung an, der Besuch des Naturkundemuseums und des Tränen-palastes, der die Geschichte zur Zeit der ehemaligen DDR beinhaltet. Außerdem wurde – bei recht kalten Temperaturen von -10 Grad C – auch der noch stehende Teil der Berliner Mauer besichtigt und das Jüdische Museum. Fernandos Eindrücke von der Hauptstadt Deutschlands, Ber-lin, schildert er wie folgt: „So eine riesige Stadt wie Berlin hatte ich auch noch nie

Schülern eingeschätzt? Die 13 Teilnehmer der Reisegruppe sind sich nach der Reise einig: „Wir sind sehr nett aufgenommen worden.“ Fernando fügt hinzu: „Ich habe die Menschen in Deutschland sowieso meistens als sehr nett empfunden. Wenn man Passanten nach dem Weg gefragt hat, bekam man immer freundliche Ant-worten.“ Auch die Vorweihnachtszeit und die Weihnachtszeit in Deutschland zu er-leben, war ein besonderes Erlebnis. „Die stimmungsvolle Atmosphäre, die schön geschmückten Städte und die Kälte – all das war zwar anders als zuhause, aber sehr schön“, meinen Laura und Bianca.

Nach dem Abenteuer und der Lerner-fahrung „Deutschlandreise“ – was bleibt davon? Fernando betont: „Es wird die

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Selbständigkeit sehr gefördert, man lebt über einen Monat in einem fremden Land, und man muss Entscheidungen alleine treffen.“ Laura schlussfolgert: „Man lernt, neue Kontakte zu knüpfen und auf frem-de Leute zuzugehen. Gleichzeitig lernt man auch zu schätzen, was man zuhause hat.“

Gesund und glücklich landete die Gruppe am 5. Januar 2016 auf dem Flug-hafen in Asunción. Für die Bewahrung und den Schutz sind wir Gott sehr dank-bar! Bedanken wollen wir uns auch für die Unterstützung aller Personen, vor allem auch beim VDA, die zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben.

Das Abenteuer Deutschlandreise en-det mit dem Fazit: „Wir können die Reise nur weiterempfehlen, da man mit vie-len neuen und wertvollen Erfahrungen zurückkehrt und anders lernt als in der Schule.“

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Namibia – ein Stück von mirFasziniert von Wärme, Wildnis und Wüste

Von Mariele Diehl

Still liegt sie vor mir, die Namib. Wie ein gigantisches Meer, das urplötzlich verreißt und verstaubt ist. Wild bäumen sich ihre riesigen Wogen auf, doch sagen keinen Ton. Ich höre nur meinen Herzschlag. Ich bin klein, denke ich mir. Und unbedeu-tend. Normalerweise hätte ich es abge-stritten. Doch ich bemerke, dass gerade dieses Unbedeutende an mir das Wich-tigste ist. Es macht mich frei. Ich kann das tun, was ich will. Und glücklich sein. Ich bin angekommen.

Es ist jetzt schon ein paar Wochen her. Und trotzdem ist es, als würde es gerade eben passieren. Die Safari. Zehn Tage lang nur ich, 10 andere deutsche Austausch-schüler, unser Reiseführer und die endlose Weite Namibias. Danach fühlte es sich so an, als wäre ich einmal um die Welt ge-reist: Denn ich habe so viel gesehen: wie die trockene Wüste das stürmische Meer küsst, wie Elefanten im Etosha Park baden, wie Himba ihren Alltag gestalten, wie die kalte Nacht über dem Naukluft Gebirge einbricht, wie der Wind über die zerklüf-teten Felsen des Cuiseb Canion fegt, wie die Sonne über dem Waterberg untergeht und am nächsten Tag wieder über der Buschsavanne, die sich bis zum Horizont über das trockene Land ergießt, aufgeht. Jeder Tag war perfekt, wie ein Wunder-werk. Und ich habe sicherlich mehr über die Welt gelernt, als in allen anderen 10 Tagen, die ich je auf dieser wunderbaren Welt gelebt habe.

Ich schaue aus dem Fenster. Wieder streift eine Herde Zebras durch die karge Landschaft. Sie sind so unbeschwert, un-zähmbar und frei. In der Ferne sehe ich den langen Hals einer Giraffe hinter einem Busch hervorkommen. Obwohl sie so fern ist, spüre ich ihren neugierigen, liebevol-len Blick, mit dem sie unseren Minibus mustert. Ein paar Minuten später halten wir an, weil vor uns eine kleine Gruppe Gnus auf der Straße steht, begleitet von ein paar schreckhaften Springböcken, die sofort auseinander springen und wieder im Busch verschwinden. Doch die Gnus lassen sich nicht von uns hetzen, sondern machen sich gemütlich auf den Weg über die Straße.

Auch Ruhe und Geduld sind Dinge, die ich in Namibia gelernt habe. Einfach mal abschalten können und nichts tun. Warten, ohne sich gleich irgendwie be-schäftigen zu müssen. Und auch Gemüt-lichkeit ist in Namibia immer präsent. Kei-ner hetzt sich ab oder stresst sich unnötig. Alles wird mit einer Sorgfalt und Ruhe er-ledigt und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.

Langsam erscheint die orangene Son-ne hinter dem Horizont. Sofort kitzeln auch schon erste Sonnenstrahlen mein Gesicht und vertreiben die Kälte der Nacht. Die Rufe von Baboons dringen aus dem Busch zu uns hoch. Hinter dem Felsen, auf dem ich es mir gemütlich gemacht habe, geht es steil abwärts. Es hat lange gedauert auf den Waterberg zu klettern, doch endlich kann ich ein wenig verschnaufen und das Schauspiel der ersten Sonnenstrahlen be-obachten. Wie schön sie doch ist, die afri-kanische Sonne!! Sie erfüllt mich mit Leben und einer Energie, die meinen ganzen Kör-per durchströmt. Ich bin so zufrieden. Ge-rade ist alles perfekt.

Jedes Mal, wenn ich an Namibia den-ke, muss ich lächeln. Ich weiß nicht, wo-ran es liegt, doch dieses Land hat eine Art magische Anziehungskraft auf mich. Hier-hin werde ich immer wieder vor der Kälte und Anonymität Deutschlands flüchten, an diesen wunderschönen Ort. Wer weiß, vielleicht für immer.

Ein Stück von mir wird immer in Na-mibia bleiben, und ein Stück von Namibia immer in mir.

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Kultur & Jugendaustausch

Chilenisches ReisefieberFast 40 Schüler der Deutschen Schule Los Angeles in Chile machten sich schon zum zweiten Mal auf einen großen Reiseweg nach Deutschland, um an der vom VDA or-ganisierten 12-tägigen großen Kulturreise vom 14. – 25. Februar 2016 durch Deutsch-land teilzunehmen. Die Hälfte der Schüler weilte bereits in Deutschland bei Gastfami-lien, die andere Hälfte flog eigens für diese Reise den langen Weg nach Deutschland. Direktor Uwe Schotte, dessen Vorfahren übrigens aus dem Großraum Bremen stammen, und VDA-Geschäftsführerin Petra Meßbacher stellten ein kompaktes und sehr abwechslungsreiches Programm zusammen, das den Schülern und die sie begleitenden Lehrern ein ganz aktuelles Deutschlandbild vermittelte und weit über die üblichen touristischen Programmge-staltungen hinaus ging. Müde, aber glück-lich und voller neuer Erfahrungen und Eindrücke traten die Schüler Ende Februar die Heimreise nach Südamerika wieder an. Bis bald ! – Hasta que nos vemos al año que viene!

Chilenische Botschaft BerlinFrauenkirche Dresden

Bremer Roland

Bremer Stadtmusikanten

Point Alpha-Stiftung in Geisa

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1/2016Kultur & Jugendaustausch

Hauptstadtluft konnten unsere Gastschüler aus

dem beschaulichen Städtchen „Villa General Belgrano“ in der argenti-nischen Provinz Córdoba zum Ende ihres Aufent-haltes in Deutschland

schnuppern. Die Berliner Luft ist deutlich kälter als

die des Heimatlandes und so wurden erst einmal

Schal und Mütze ausge-packt. Beeindruckt von

der Metropole besuchten die Schüler und Schüle-rinnen eine ganze Reihe von Sehenswürdigkeiten

und Kultur-Highlights. Fachkundig begleitet und

betreut wurden sie von der VDA-Mitarbeiterin

Marlene Röder.

Der heiß ersehnte Schnee fiel schließlich doch noch rechtzeitig für die Gäste und Reiseteil-nehmer aus Paraguay, die sich bei den sonst so üblichen 40 Grad eines paraguayischen

Januars sehnlichst weiße Flocken wünschten. Über 14 Tage lang bereisten Lehrer und Schüler der der deutschen Schule Concordia aus der paraguayischen Hauptstadt Asunción auf unterschiedlichen Reiserouten Städte in Deutschland, Straßburg und Prag. Beeindruckt von Land und Leuten, Kulturgütern, Begegnungen, Besuchen, Führungen, Botschaftsemp-

fängen, Schulhospitationen und schließlich auch noch einem Besuch auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, kehrten unsere Gäste nach Südamerika zurück.

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1/2016 Kultur & Jugendaustausch

Ein Abend für die Gastschüler aus ChileDas Gymnasium Schrobenhausen als Partner des VDA

Von Edmund Speiseder

Von Dezember 2015 an bis Ende Februar 2016 weilten vier Schülerinnen aus Chi-le als Gastschülerinnen am Gymnasium Schrobenhausen und konnten so bei ih-ren Gastgebern die deutsche Sprache ver-tiefen. Ende Februar konnten sie ihr Land und ihre Sicht und Wahrnehmung vom gastgebenden Bundesland Bayern einer größeren Öffentlichkeit vorstellen.

Zunächst informierte aber Frau Marle-ne Röder, die Projektkoordinatorin für den Chileaustausch beim VDA, dem Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Aus-land e.V., über dessen Angebote und die durchgeführten Austauschprogramme. Frau Röder verwies darauf, dass der VDA im Jahre 1881 als Allgemeiner Deutscher Schulverein gegründet wurde und sich als Mittler versteht, Brücken zwischen Deut-schen, die in aller Welt leben, zu bauen. Zu den vielfältigen Aufgaben zählt, Kontakte zu vermitteln und zu pflegen. Zielgruppe der besonderen Art sind die jungen Men-schen, denen in Form von Schülerkon-takten und Jugendbegegnungen Erfah-rungsräume erschlossen werden. Der VDA verfolgt keine parteipolitischen Ziele und ist überkonfessionell. Hierfür gibt es viele Mitglieder und Förderer in der Bundesre-publik Deutschland und im Ausland.

Was den Schüleraustausch be -trifft, ist Chile jenes Land, das den Löwenanteil am gesamten Programm einnimmt. Über 170 Begegnungen vermittelt der Verein jährl ich und stärkt so die Kontakte über den Oze-an hinweg. Darüber hinaus gibt es auch kulturelle und finanzielle Förde-rung auslandsdeutscher Einrichtun-gen wie Schulen, Kindergärten und Bibliotheken. Aber auch um eine vier-teljährlich erscheinende Vereinszeit-schrift „GLOBUS“ kümmert sich der

Verein. Die Schrobenhausener Schü-ler dürfen sich in der nächsten Ausga-be vorstellen.

Sodann erzählten Sofía Antonia Apa-ricio Vallejos, die bei Familie Eckstein auf-genommen wurde, Camila Ignacia Pineda Melo, die bei der Familie Widhopf freundli-che Aufnahme gefunden hat, Ingrid Pame-la Riedel Manriquez, deren neue Heimat Familie Molitor wurde und Pabla Antonia Medina Daziano, die von Familie Müller aufgenommen wurde. Nachdem die Schü-lerinnen ja Silvester in Schrobenhausen erlebt hatten, überraschte sie in jedem Fall die Tatsache, dass hierzulande alle Leute individuell Böller zu Neujahr in die Luft jagten. In Chile ist dies eine allgemeine Angelegenheit. Schön ist, dass jetzt auch

Austauschauschinformationen aus erster Hand: ein gastlicher Abend am Gymnasium Schrobenhausen, zu dem Schüler, Eltern und Lehrer geladen waren. VDA-Projektassistentin

Marlene Röder beantwortete viele Fragen zum VDA-Austauschpaket

Schnee die Erde bedeckt. Die Freundlich-keit und die Aufgeschlossenheit der Men-schen hier beeindruckte die Jugendlichen.

Fest steht in jedem Fall, dass bereits jetzt aus Fremden Freunde geworden sind und für Antonia, Anja, Julia und Lu-isa kann die Zeit nicht schnell genug vergehen, ehe sie selbst ins Land ihrer Gäste fahren können. Das wird nach No-tenschluss bereits im Juli dieses Jahres sein. Im Juli und August gibt es dann den Aufbruch in die NEUE WELT. Sich für „Spät beginnend“ Spanisch zu entscheiden und zu lernen, hat sich dann in der globali-sierten Welt allemal gelohnt. Musikalisch begleitet haben den Abend die Schüler der Percussion-Gruppe von Herrn Lutz mit südamerikanischen Klängen.

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1/2016VDA-Informationen

Unterstützen Sie die Kultur- und

Bildungsarbeit des VDA

Bank: Deutsche Bank AG Bonn

IBAN: DE02 3807 0059 0050 9877 00;

BIC: DEUTDEDK380

Steuerrelevante Zuwendungs-

bestätigungen gerne ab 100,– €

Spende auf Anforderung.

Ein Dank an alle Spender und Förderer des VDA

Ab dieser Ausgabe des GLOBUS werden wir quartalsweise eine Liste von Spendern und Förderern des VDA veröffentlichen, um so auch unsere große Dankbarkeit zu zeigen. Diese außerplanmäßigen Mittel helfen dem VDA sehr, seine wichtige kultur- und bildungspolitische Arbeit mit Partnern in aller Welt umzusetzen, deren gemeinsa-mes Ziel die Pflege der deutschen Sprache in aller Welt ist. Danke auch im Namen der Austauschschüler weltweit; ohne diese Mittel wäre die Handlungsfähigkeit des VDA nur eingeschränkt gegeben.

A lberts,Dietrich; Applied Critical Fluids GmbH; Armbrecht, Irmgard;

Assmuth, Franz Wilhelm;

B arge, Hans-Walter; Baudach, Hans-Jochen; Baudach, Karl; Bauer,

Gerhard; Bayer, Georg; Bleiholder, Dr. Hermann; Blodau, Hans-J.; Böttcher, Hans Eberhard; Brandt, Horst und Helga;

D arsow, Dr. Thomas; De la Motte, Dr. Hans; Deifel, Josef und Josefina;

Diekmann,Dr. Wolf-Dieter;

Edler, Dr. F.; Ellrodt; Erika; Engelmann, Anna;

F rerich, Cay;

G arsten, Ingeborg; Gebbers, Rotraud; Gitter, Reinhold; Gockeler, Liebgard

und Rolf; Graf, Otmar; Gräfin Dohna , Marina; Grimm, Dr. Bernhard; Groß, Dr. Viktor; Gumz, Karin;

H amm, Ingeborg; Hartmann, Berndt; Heinemann, Gerhard und Ilsemari;

Herzogin zu Sachsen, Elmira; Hessler, Manfred; Hochfeld, Dietrich; Hofmann, Gottfried; Hofmann, Richard und Vera; Hüper, Erika;

K ayatz, Gerhard und Gisela; Kell, Güntner und Süsanne; Kemper,

Hans-Peter; Kissel, Otto; Klaus,Dittmar;

Klee, Marie-Elisabeth; Klein , Hans-Joachim; Kockläuner, Dr. R. und J.; Koops, Jan-Bernd; Körner, Theodor; Kreuzinger, Heinrich; Krier, Peter; Kuchler, Johannes;

L ämmerhirdt, Jörg; Landgraf, Gerhard; Langwald, Astrid; Liehr, Dr.Heinrich;

Linster , Dirk; Lucht, Ingeborg ;

M ayer, Martin; Meininghaus, Georg und Gisela, Meßbacher, Petra;

Meyer-Schall, Ingrid; Muffelmann, Dr. Herbert; Müller, Dr. Hans und Ilse; Münchener Burschenschaft Sudetia;

N eumann, Dr. Rolf; Neumayer, Helene; Neupert, Dr. Erwin; Nuppnau, Rainer

und Anke;

P eschkes, Friedrich; Presser, Ernst;

R adtke, Hildegard; Riesenkampff, Dr. Joachim,

S auer (KG, oHG),Franz; Schmidt, Hermine und Werner; Schmidt-Görtz,

Godehard; Schmiedbach, Gerold; Schmitz, Heinz und Erika; Schulz, Ingrid; Schumann, Jürgen; Schweckendiek, Ruth; Seydel, Manfred; Sinn Spezialuhren GmbH; Sparmann-Albert, Barbara; Sperl, Wilfriede; Staack, Jochim; Stark, Gudrun; Steinebrei, Wilhelma; Steinhauer, Karl-Hermann und Dr. Ute ; Stelter, Anna Maria; Stolberg, Eckhard;

T ecklenborg, Gisela; Theiss, Konrad; Thies, Otto und Margot; Thies , Dr.

Claus;

Uhlendorf, Hans-Jochen; Utsch, Jürgen;

V erlag Nürnberger Presse Druckhaus; Virus, Elke; Volk, Hans-Jürgen; Volmer,

Lotte Helma;

W abro, Dr. Gustav; Wech, Josef und Irene; Weiss, Ernst August;

Wildermann, Gerhard; Wittmann, Wolfgang; Woldrich, Edeltraut; Wolfrum, Hans

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Der VDA ist die lebendige Brücke zu den Deutschen in aller Welt. Er unterstützt die Millionen Auslandsdeutschen bei der Bewahrung der deutschen Kultur und Muttersprache und hält die kulturelle und geistige Verbindung zu ihnen aufrecht.

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt

Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA) Kölnstraße 76 D-53757 St. Augustin

G 3560

135 Jahre VDADer VDA wird 135 Jahre alt. Im Jahr 2016

feiern wir dieses stolze Jubiläum mit einer festlichen Veranstaltung in der Landesver-tretung des Freistaates Bayern in Berlin am

Mittwoch, den 28. September 2016. Im Anschluß findet die VDA-Mitglieder-

versammlung statt.Term

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