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ifo Forschungsberichte Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der Energiewende – Erkenntnisse aus drei kommunalen Fallstudien 74 ifo Zentrum für Energie, Klima und erschöpfbare Ressourcen Tilmann Rave

Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der … · 2021. 3. 20. · Charakteristika (z.B. Beschaffenheit der Netze, Geographie, Bevölkerungs- und Wirt- ... der Hand

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Page 1: Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der … · 2021. 3. 20. · Charakteristika (z.B. Beschaffenheit der Netze, Geographie, Bevölkerungs- und Wirt- ... der Hand

ifo Forschungsberichte

InstitutLeibniz-Institut fuumlr Wirtschaftsforschung

an der Universitaumlt Muumlnchen eV

6 mm

925Schrift Titel bis max 195 mm

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Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der Energiewende ndash Erkenntnisse aus drei kommunalen Fallstudien

74

ifo Zentrum fuumlr Energie Klima und erschoumlpfbare Ressourcen

Tilmann Rave

Forschungsbericht_74_RS4mmindd 1 15092016 161740

InstitutLeibniz-Institut fuumlr Wirtschaftsforschung

an der Universitaumlt Muumlnchen eV

Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der Energiewende ndash Erkenntnisse aus drei kommunalen Fallstudien

Studie im Rahmen des Forschungsprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewende im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo

gefoumlrdert im Rahmen der Foumlrdermaszlignahme bdquoUmwelt- und gesellschaftsvertraumlgliche Transformation des Energiesystemsldquo des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (2013 ndash 2016) Foumlrderkennzeichen 01UN1220

Autoren

Dr Tilmann Rave (ifo Institut)unter Mitarbeit von Dr Jutta Albrecht-Saavedra (ifo Institut)

September 2016

ifo Zentrum fuumlr Energie Klima und erschoumlpfbare Ressourcen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uumlber

httpdnbd-nbde abrufbar

ISBN 978-3-95942-016-7

Alle Rechte insbesondere das der Uumlbersetzung in fremde Sprachen vorbehalten Ohne ausdruumlckliche Genehmigung des Verlags ist es auch nicht gestattet dieses

Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfaumlltigen

copy ifo Institut Muumlnchen 2016Druck ifo Institut Muumlnchen

ifo Institut im Internet httpwwwcesifo-groupde

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 5

11 Uumlberblick und Fragestellung 5

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen 6

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapolitik 9

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework 9

22 Governance-Ansaumltze 13

221 Multi-Level-Governance 13

222 Regional und Local Governance 17

23 Innovationsforschung 21

231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen 22

232 Diffusion von Politikinnovationen 26

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion 28

24 Zwischenfazit 35

3 Empirische Fallstudien 37

31 Schoumlnau im Schwarzwald 37

311 Einleitung 37

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo 37

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion 42

3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS 44

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung 45

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt 47

31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren 52

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle 54

314 Zwischenfazit 56

32 Regensburg 58

321 Einleitung 58

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 59

4

323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 65

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaften 66

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen 67

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen 70

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse 72

324 Zwischenfazit 74

33 Muumlnchen 77

331 Einleitung 77

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 78

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik 78

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen 82

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 84

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politikinnovationen 85

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse 89

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klimapolitik 96

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion 102

334 Zwischenfazit 107

4 Ergebnisse und Fazit 110

Literaturverzeichnis 116

5

1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

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und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

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Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

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(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

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2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

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Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

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Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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Page 2: Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der … · 2021. 3. 20. · Charakteristika (z.B. Beschaffenheit der Netze, Geographie, Bevölkerungs- und Wirt- ... der Hand

InstitutLeibniz-Institut fuumlr Wirtschaftsforschung

an der Universitaumlt Muumlnchen eV

Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der Energiewende ndash Erkenntnisse aus drei kommunalen Fallstudien

Studie im Rahmen des Forschungsprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewende im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo

gefoumlrdert im Rahmen der Foumlrdermaszlignahme bdquoUmwelt- und gesellschaftsvertraumlgliche Transformation des Energiesystemsldquo des Bundesministeriums fuumlr Bildung und Forschung (2013 ndash 2016) Foumlrderkennzeichen 01UN1220

Autoren

Dr Tilmann Rave (ifo Institut)unter Mitarbeit von Dr Jutta Albrecht-Saavedra (ifo Institut)

September 2016

ifo Zentrum fuumlr Energie Klima und erschoumlpfbare Ressourcen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uumlber

httpdnbd-nbde abrufbar

ISBN 978-3-95942-016-7

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Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfaumlltigen

copy ifo Institut Muumlnchen 2016Druck ifo Institut Muumlnchen

ifo Institut im Internet httpwwwcesifo-groupde

3

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 5

11 Uumlberblick und Fragestellung 5

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen 6

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapolitik 9

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework 9

22 Governance-Ansaumltze 13

221 Multi-Level-Governance 13

222 Regional und Local Governance 17

23 Innovationsforschung 21

231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen 22

232 Diffusion von Politikinnovationen 26

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion 28

24 Zwischenfazit 35

3 Empirische Fallstudien 37

31 Schoumlnau im Schwarzwald 37

311 Einleitung 37

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo 37

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion 42

3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS 44

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung 45

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt 47

31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren 52

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle 54

314 Zwischenfazit 56

32 Regensburg 58

321 Einleitung 58

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 59

4

323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 65

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaften 66

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen 67

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen 70

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse 72

324 Zwischenfazit 74

33 Muumlnchen 77

331 Einleitung 77

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 78

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik 78

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen 82

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 84

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politikinnovationen 85

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse 89

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klimapolitik 96

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion 102

334 Zwischenfazit 107

4 Ergebnisse und Fazit 110

Literaturverzeichnis 116

5

1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

6

und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

7

Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

8

(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

9

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

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Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

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Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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ifo Institut im Internet httpwwwcesifo-groupde

3

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 5

11 Uumlberblick und Fragestellung 5

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen 6

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapolitik 9

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework 9

22 Governance-Ansaumltze 13

221 Multi-Level-Governance 13

222 Regional und Local Governance 17

23 Innovationsforschung 21

231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen 22

232 Diffusion von Politikinnovationen 26

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion 28

24 Zwischenfazit 35

3 Empirische Fallstudien 37

31 Schoumlnau im Schwarzwald 37

311 Einleitung 37

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo 37

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion 42

3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS 44

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung 45

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt 47

31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren 52

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle 54

314 Zwischenfazit 56

32 Regensburg 58

321 Einleitung 58

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 59

4

323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 65

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaften 66

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen 67

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen 70

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse 72

324 Zwischenfazit 74

33 Muumlnchen 77

331 Einleitung 77

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 78

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik 78

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen 82

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 84

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politikinnovationen 85

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse 89

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klimapolitik 96

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion 102

334 Zwischenfazit 107

4 Ergebnisse und Fazit 110

Literaturverzeichnis 116

5

1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

6

und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

7

Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

8

(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

9

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

10

Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

11

Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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Page 4: Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der … · 2021. 3. 20. · Charakteristika (z.B. Beschaffenheit der Netze, Geographie, Bevölkerungs- und Wirt- ... der Hand

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 5

11 Uumlberblick und Fragestellung 5

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen 6

2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapolitik 9

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework 9

22 Governance-Ansaumltze 13

221 Multi-Level-Governance 13

222 Regional und Local Governance 17

23 Innovationsforschung 21

231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen 22

232 Diffusion von Politikinnovationen 26

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion 28

24 Zwischenfazit 35

3 Empirische Fallstudien 37

31 Schoumlnau im Schwarzwald 37

311 Einleitung 37

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo 37

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion 42

3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS 44

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung 45

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt 47

31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren 52

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle 54

314 Zwischenfazit 56

32 Regensburg 58

321 Einleitung 58

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 59

4

323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 65

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaften 66

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen 67

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen 70

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse 72

324 Zwischenfazit 74

33 Muumlnchen 77

331 Einleitung 77

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 78

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik 78

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen 82

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 84

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politikinnovationen 85

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse 89

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klimapolitik 96

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion 102

334 Zwischenfazit 107

4 Ergebnisse und Fazit 110

Literaturverzeichnis 116

5

1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

6

und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

7

Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

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(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

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2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

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Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

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Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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4

323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 65

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaften 66

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen 67

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen 70

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse 72

324 Zwischenfazit 74

33 Muumlnchen 77

331 Einleitung 77

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen 78

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik 78

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen 82

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse 84

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politikinnovationen 85

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse 89

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klimapolitik 96

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion 102

334 Zwischenfazit 107

4 Ergebnisse und Fazit 110

Literaturverzeichnis 116

5

1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

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und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

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Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

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(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

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2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

10

Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

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Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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Page 6: Diffusion von Politikinnovationen im Mehrebenensystem der … · 2021. 3. 20. · Charakteristika (z.B. Beschaffenheit der Netze, Geographie, Bevölkerungs- und Wirt- ... der Hand

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1 Einleitung

11 Uumlberblick und Fragestellung

Im Vergleich zur Klimaschutzpolitik auf globaler europaumlischer und bundesdeutscher Ebene finden sich zum kommunalen Klimaschutz vergleichsweise wenige wissenschaft-liche Analysen In zunehmendem Maszlige setzt sich jedoch die Erkenntnis durch dass ein rein globaler bzw monozentrischer Ansatz der Komplexitaumlt der Klimaschutzthematik nicht gerecht wird Klimawandel hat zwar zweifelsohne eine globale Dimension und erfordert dringend internationales Handeln Die Problemstruktur ist jedoch multiskalar in physischer und rechtlich-politischer Hinsicht (Osofsky 201314) Ostrom (2009) plaumldiert entsprechend fuumlr einen polyzentrischen Ansatz im Umgang mit dem Klima-wandel bei dem mehrere verbundene Governance- Ebenen ihrer Moumlglichkeiten zum Klimaschutz einbringen koumlnnen und insbesondere in kleinen und mittleren Governance- Einheiten wie zum Beispiel Staumldten innovative Klimaschutzansaumltze getestet uumlberpruumlft und gegebenenfalls weiterverbreitet werden koumlnnen Mit den Beschluumlssen zur Energiewende ruumlckt in Deutschland dieses Experimentierfeld vor allem bei der Umgestaltung des Systems der Energieversorgung in den Fokus Staumld-te und Gemeinden sind dabei nicht mehr nur der Ort an dem klima- und energiepoliti-sche Vorgaben von EU- und Bundesebene umgesetzt werden Sie sind auch nicht bloszlig der Ort an dem Energieversorgung durch Stadt- und Gemeindewerke und andere An-bieter stattfindet und Energie unhinterfragt verbraucht wird Vor allem durch den Aus-bau erneuerbarer Energien und die staumlrker dezentrale Versorgungsstruktur sind Staumldte und (ihre) laumlndliche Regionen wichtige Ebenen energiepolitischen Handelns geworden Sie koumlnnen - gestuumltzt durch die groumlszligere Naumlhe und Vertrautheit der Akteure zueinander und die rechtlich-institutionellen Moumlglichkeiten im foumlderalen Deutschland - eigene und oft regionale und stadtspezifische Impulse setzen Sie koumlnnen ggf auch eine Vorreiter-rolle im Hinblick auf national oder international angestrebte klima- und energiepoliti-sche Entwicklungen einnehmen und bestimmte Regelungsluumlcken schlieszligen Schlieszliglich koumlnnen sie sich - leichter als houmlhere Governance- Ebenen - untereinander vernetzen bzw austauschen sowie gegebenenfalls die Politikentwicklung auf nationaler oder in-ternationaler Ebene praumlgen und mitgestalten Zumindest treten sie jedoch in einem uumlber-lokalen Handlungsraum mit dieser in eine Wechselbeziehung (Kemmerzell und Tews 2014) Die zum Teil hohen Erwartungen an Staumldte und Gemeinden aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben sind bislang nur ansatzweise durch empirische und ins-besondere vergleichende Analysen unterlegt worden Unklar ist im speziellen Kontext der deutschen Energiewende inwiefern innovative kommunale Ansaumltze in einem kom-plexen historisch gewachsenen Energieversorgungssystem ohne weiteres eingebettet

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und im groumlszligeren Rahmen nutzbar gemacht werden koumlnnen Es bestehen moumlglicherweise auch gravierende Redundanzen Inkompatibilitaumlten Inkonsistenzen oder andere negati-ve Begleiterscheinungen (zum Beispiel verteilungspolitische Art) durch das parallele Agieren mehrerer Kommunen Im Rahmen dieser Studie die Teil des Gesamtprojektes bdquoENERGIO ndash Die Energiewen-de im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Zentralisierungldquo ist wird aller-dings von den letztlichen Wirkungen (outcomes) kommunalpolitischen Handelns im Klimaschutz- und Energiebereich abstrahiert Im Vordergrund stehen vielmehr die Ent-stehungsbedingungen und Determinanten innovativer Regelungen und Steuerungsansaumlt-ze auf kommunaler Ebene und ihre Verbreitung Allgemein koumlnnen Innovationen als ein Prozess verstanden werden der mit dem Hervorbringen von Neuerungen einhergeht Sie duumlrften - in verschiedenen Formen und Auspraumlgungen - wesentlich fuumlr die Transforma-tion des Energiesystems und den Klimaschutz sein Sie entstehen oft an einem bestimm-ten Ort und in bdquogeschuumltztenldquo Nischen und koumlnnen sich unter bestimmten Bedingungen ausbreiten Wenig Beachtung haben bislang Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene gefunden die fuumlr kommunalen Klimaschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlg-lerkommunen verbreiten koumlnnten So koumlnnte sich durch die Verbreitung zwischen Kommunen erst ihre Innovativitaumlt (aber nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Vor-teilhaftigkeit iS von outcomes) zur Geltung kommen Diese Verbreitung (Diffusion) erfolgt nicht immer selten automatisch oder flaumlchendeckend und nur bedingt uumlber marktliche Parameter gesteuert Entsprechend bedarf es einer komplexeren Veranke-rung mithilfe akteurs- und institutionentheoretischer Konzepte Zentral fuumlr diese Untersuchung ist daher die Frage inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlignahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten (Diffusion) Zu betrachten sind einerseits interne Faktoren und Prozessen der Kommune bzw des Stadtwerkes andererseits ex-terne Einfluumlsse Uumlber die empirischen Fallstudien koumlnnen moumlglicherweise dann weiter-gehende Fragen nach der Replizierbarkeit und Skalierbarkeit innovativer Praktiken und Politiken jenseits von Nischen gezogen werden

12 Methodischer Zugang und weiteres Vorgehen

Innerhalb des wesentlich von EU- und Bundesebene gesetzten Rahmens der Energie- und Klimapolitik ist das Agieren in diesem Politikfeld auf kommunaler Ebene in mehr-facher Hinsicht uneinheitlich Dies gilt angesichts eher technischer und struktureller

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Charakteristika (zB Beschaffenheit der Netze Geographie Bevoumllkerungs- und Wirt-schaftsstruktur) Es gilt aber ebenso angesichts (damit eng verbundener) sozialer insti-tutioneller und ggf kultureller Unterschiede (zB finanzielle und personelle Ressour-cen Machtverhaumlltnisse Bewusstsein fuumlr Klimaschutz in der Bevoumllkerung oder bei Schluumlsselakteure etc) Hinzu kommt dass Innovationen - wie bereits im letzten Ab-schnitt angedeutet - oft in technologischen oder raumlumlichen Nischen entstehen und ihre Verbreitung bestimmten Mechanismen unterliegt Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand das Oumlrtlich-Spezifische bei der Generierung und Verbreitung von Politikinno-vationen in den Blick zu nehmen Dazu eignet sich generell der Fallstudienansatz (Yin 2003) Um Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen zu verdeutlichen bietet sich ebenso ein exploratives Vorgehen an Ausgewaumlhlt wurden drei Kommunen - Muumln-chen Regensburg und Schoumlnau im Schwarzwald - die sich in ihren Ausgangsbedin-gungen (wie schon Groumlszlige und Struktur) unterscheiden aber alle im suumlddeutschen Raum angesiedelt sind Jenseits des Lokal-Spezifischen wird jedoch auch angestrebt einen gewissen Vergleich zwischen den Kommunen anzustellen oder gemeinsame Mechanismen und Kanaumlle der (Nicht-)Verbreitung von Politikinnovationen zu identifizieren Der Vergleich erfordert dabei im Prinzip dass andere Faktoren (wie zB bundesdeutsche Rahmenbedingungen Besonderheiten der Wirtschaftsstruktur) kontrolliert und von lokalen Besonderheiten getrennt betrachtet werden koumlnnen Im Rahmen der explorativen Fallstudie ist dies frei-lich nur eingeschraumlnkt moumlglich Die Identifikation von Mechanismen der Verbreitung erfordert ein Ruumlckgriff auf ein-schlaumlgige theoriebasierte politikwissenschaftliche Literatur in der Politikdiffusion vor allem zwischen Laumlndern untersucht wird Die Verortung der kommunalen Energie- und Klimapolitik im Mehrebenensystem zeigt zugleich dass derartige Innovations- und Dif-fusionsprozesse spezifische Besonderheiten aufweisen (Kapitel zwei) Methodisch wird hier auf leitfadengestuumltzte Interviews mit zentralen kommunalen Akteuren im Politik-feld (wie Buumlrgermeister Akteure aus der Stadtverwaltung und dem Stadtrat Vertreter der Energieagentur und des lokalen Energieversorgers) zuruumlckgegriffen Neben wieder-kehrenden Basisfragen in den Interviews ermoumlglichte es dabei ein relativ offener Ge-spraumlchscharakter den Gespraumlchspartnern die eigene Perspektive staumlrker zu reflektieren und eigene (normative) Standpunkte zu transportieren Auf diese Weise kann die sub-jektive und zum Teil durchaus unterschiedliche Sichtweise der befragten Akteure zu Politikinnovationen und deren Diffusion in verschiedenen Formen und Verlaumlufen ver-deutlicht werden Anstelle eigener normativer Setzungen tritt auch auf diese Weise der explorative Charakter der Fallstudie zutage Diese Subjektivitaumlt resultiert gewisserma-szligen indirekt aus der Tatsache dass Klimaschutz als freiwillige kommunale Aufgabe nur zT rechtlich vorbestimmt ist Sie ergibt sich aber auch direkt daraus dass jenseits

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(kommunaler) institutioneller Kontextbedingungen das Thema Energiewende und Kli-maschutz oft stark von normativen Orientierungen und Wahrnehmungen unterschiedli-cher kommunaler Akteure und spezifischen Akteurskonstellationen gepraumlgt ist Neben den Interviews von 90-180 Minuten Laumlnge stuumltzt sich die Fallstudie noch auf die Aus-wertung von Dokumenten wie Ratsdrucksachen sonstigen Veroumlffentlichungen der Stadt Zeitungsberichte und Vorlaumluferstudien In Kapitel zwei wird mit dem Akteurszentrierten Institutionalismus und dem Institutio-nal Analysis Development Framework eine Heuristik genutzt mit der Akteurshandeln und institutionelle Rahmenbedingungen gleichzeitig betrachtet werden koumlnnen Es koumln-nen zum Beispiel Entscheidungsprozesse innerhalb einer Kooperation oder eines Netz-werks analysiert werden Dieser noch recht abstrakt gehaltene Rahmen wird daraufhin mithilfe von Governance- Ansaumltzen im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz konkretisiert Kommunaler Klimaschutz wird im Mehrebenensystem verankert nach verschiedenen Governance-Modi unterteilt und vor allem als netzwerkartiger sozialer Prozess mit verschiedenen Auspraumlgungen rekonstruiert Auf dieser Basis kann dann in Abschnitt 23 auf Innovationen und speziell Politikinnovation eingegangen werden Hier bietet sich zunaumlchst eine Auseinandersetzung mit einschlaumlgigen Begrifflichkeiten Abgrenzungen und Analyseansaumltzen (Politikinnovation Politikdiffusion) an Sodann werden Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz systematisiert Die empirischen Fallstudien finden sich dann in Kapitel drei Auf der Basis eines Uumlber-blicks uumlber Geschichte und Grundstrukturen des Politikfels in der Kommune wird je-weils auf einige wichtige Politikinnovation und deren (Nicht-)Verbreitung eingegangen Jede Fallstudie schlieszligt mit einem Zwischenfazit Kapitel vier fasst einige wesentliche Ergebnisse zusammen vergleicht die Fallstudien und zieht ein Fazit

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2 Konzeptioneller Rahmen und Verortung kommunaler Energie- und Klimapoli-tik

21 Akteurszentrierter Institutionalismus und Institutional Analysis Development Framework

Im Rahmen der Policy-Forschung werden auf der Mikro- und Mesoebene der akteurs-zentrierte Institutionalismus (Scharpf 2000) und das Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) haumlufig als Forschungsheuristiken genutzt mit denen Politik- und Planungsprozesse untersucht werden koumlnnen Beide Forschungsrahmen gehen davon aus dass strukturelle systemische und institutionelle Faktoren Ak-teurskonstellationen sowie die Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oumlffentliche Politiken erklaumlren Als entscheidend werden die Akteursinteraktionen und institutionellen Kontexte angesehen (Krekeler und Zimmermann 2014)1 Institutionen koumlnnen nach Ostrom (2005) allgemein als Vorgaben verstanden werden die Menschen nutzen um alle Formen von wiederkehrenden und strukturierten Interak-tionen auf verschiedenen Ebenen zu organisieren sei es zwischen Familienmitgliedern in Nachbarschaften Maumlrkten Firmen Verbaumlnden oder auf Regierungsebene Institutio-nen strukturieren die Anreize denen sich Menschen gegenuumlber sehen und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit mit der sie ihr Handeln zum gegenseitigen Vorteil koordinieren In erster Linie koumlnnen Institutionen als Regeln (oder Regelsysteme) fuumlr soziale Interak-tionen verstanden werden Nach Ostrom druumlcken sie ein geteiltes Verstaumlndnis der Ak-teure daruumlber aus welche Handlungen erlaubt erforderlich erwuumlnscht oder uner-wuumlnscht bzw verboten sind Sie umfassen formale rechtliche Regeln aber auch infor-melle und implizite Regeln in Verwaltungen und Organisationen sowie soziale Normen deren Verletzung sanktioniert werden kann Geteilte Normen und Werte koumlnnen sich insbesondere in kleinraumlumig abgegrenzten Gemeinschaften oder anderweitig abgegrenz-ten Gruppen herausbilden Der Staat wird als ein institutionalisierter Handlungskontext betrachtet in dem Akteure zusammenwirken um bestimmte gesellschaftliche Probleme zu loumlsen oder Aufgaben zu erfuumlllen (Scharpf 2000) Der institutionelle Kontext ist fuumlr Scharpf ein Sammelbegriff zur Beschreibung der wichtigsten Einfluumlsse auf jene Fakto-ren die politisches Handeln ieS beeinflussen naumlmlich Akteure mit ihren Handlungs-orientierungen und Faumlhigkeiten Akteurskonstellationen und Interaktionsformen

1 Zum Vergleich der beiden Ansaumltze siehe Krekeler und Zimmermann (2014) sowie Dopfer et al

(2011) Der akteurszentrierte Institutionalismus legt einen staumlrkeren Fokus auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Akteursinteraktionen waumlhrend das Institutional Analysis Development Framework die Analyse einzelner Handlungssituationen staumlrker ausdifferenziert und mit dem Aren-enmodell akteur- und strukturtheoretische Ansaumltze zusammenfuumlhren kann Hier werden pragmatisch beide Ansaumltze genutzt um das Untersuchungsfeld kommunaler Klimaschutz aufzuspannen

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Akteure handeln intentional aber nicht vollstaumlndig rational da sie weder uumlber vollstaumln-dige Informationen verfuumlgen noch alle Konsequenzen ihres Handelns uumlberblicken koumln-nen (begrenzte Rationalitaumlt) Akteure besitzen bestimmte Faumlhigkeiten die es ihnen er-moumlglichen ein Ergebnis durch ihre Handlungen in einem gewissen Maszlige zu beeinflus-sen Dazu zaumlhlen etwa ihr Niveau an Human- und Sozialkapital materielle Ressourcen oder ein privilegierter Informationszugang Akteure zeichnen sich auch durch ihre Prauml-ferenzen Rollenerwartungen normative Orientierungen und Problemwahrnehmungen aus die nach Scharpf (2000) als Handlungsorientierungen bezeichnet werden2 Sie er-geben sich zum Teil aus den ihnen institutionell zugewiesenen Rechten Aufgaben und Handlungszielen und aus ihrer Position innerhalb einer bestehenden Organisation oder Akteurskonstellation (su) Aber auch individuelle Werte Sozialisation und Erfahrun-gen koumlnnen eine Rolle spielen Gleiches gilt fuumlr individuelle Interessen zB am eigenen Bestehen an Ressourcen oder an Autonomie (Krekeler und Zimmermann 2014)3 Ak-teure koumlnnen auszligerdem auf die Realisierung bestehender bzw bereits beschlossener Maszlignahmen und Ziele ausgerichtet sein (instrumentelle Orientierung) oder auch auf die Gestaltung der Kontextbedingungen (zB Leitbilder zum staumldtischen Klimaschutz Lern- und Innovationsprozesse zwischen Kommunen) (bdquonormativeldquo Orientierung) (Kemmerzell und Tews 2014) Akteure sind nicht nur Amtsinhaber wie Buumlrgermeister und gewaumlhlte Abgeordnete im Stadtrat oder Funktionstraumlger in Verwaltungen und Organisationen sondern alle Buumlrger in ihrer Eigenschaft als politisch handelnde Mitglieder des Staates und von Organisatio-nen der gesellschaftlichen Interessenvermittlung Von Interesse sind neben individuel-len Akteuren die gerade in einem staumldtischen Kontext durchaus relevant sein koumlnnen auch sog kollektive Akteure und ihr Handeln Sie schlieszligen sich in Buumlndnissen Koali-tionen Clubs uauml zusammen um gemeinsam Ziele zu erreichen sind aber angesichts der Praumlferenzen der Mitglieder und des institutionellen Kontextes (zB Mitgliedschafts-regeln) unterschiedlich stark integriert Korporative Akteure bilden sich wenn Ressour-cen auf eine Rechtsperson bzw Organisation zusammengelegt werden (zB Partei Verband Energieversorgungsunternehmen) Gerade im kommunalen Kontext nehmen Nicht-Regierungsorganisationen eine wichtige Stellung ein und sind an Politikentwick-lung und -umsetzung beteiligt (Bielitza-Mimjaumlhner 2007)

2 Die einzelnen Elemente bedingen sich dabei gegenseitig So werden etwa die Motivationen und Praumlfe-

renzen der Akteure durch ihre Problemwahrnehmung beeinflusst 3 Im Gegensatz zu oumlkonomischen Modellen werden im akteurszentrierten Institutionalismus a priori

keine generalisierten Verhaltensannahmen getroffen sondern nur Dimensionen benannt in denen Ver-haltensunterschiede zu erwarten sind Die konkreten Merkmalsauspraumlgungen innerhalb dieser Dimen-sionen muumlssen empirisch ermittelt werden (Dopfer et al 2011)

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Politische Entscheidungen resultieren in der Regel aus Interaktionen innerhalb einer bestimmten Akteurskonstellation -und -situation Gemeint sind damit die Verknuumlpfun-gen zwischen den Akteuren aber auch die Logik der Situation in der die Akteure inter-agieren und wie diese von ihnen wahrgenommen wird (Dopfer et al 2011) Auf diese Weise werden etwa Beziehungsnetzwerke zwischen (unterschiedlichen) korporativen Akteuren und deren Mitgliedern ins Blickfeld geruumlckt (zB im Rahmen eines Arbeits-kreises) Dabei variiern die Handlungsfreiheiten und Handlungsressourcen (zB je nach Einbindung in eine Hierarchie je nach Verteilung von materiellen Ressourcen etc) In neuen gesellschaftlichen Regelungsfeldern (wie tendenziell dem kommunalen Klima-schutz) sind die Akteursrollen haumlufig noch nicht eindeutig festgelegt und die Hand-lungssituation relativ offen Allerdings bestehen Verknuumlpfungen zu etablierten Hand-lungsfeldern wie zB Stadt- und Verkehrsplanung Interaktionsformen stellen die verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination dar Je nach Ausmaszlig der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsfaumlhigkeit von Akteuren kann zwischen ein- oder wechselseitiger Anpassung Verhandlung Ab-stimmung bzw Mehrheitsentscheidung hierarchischer Entscheidung bzw Steuerung und Deliberation unterschieden werden Bestimmte Interaktionsformen tauchen nur in bestimmten institutionellen Arrangements oder Organisationen auf (zB tendenziell weniger Mehrheitsentscheidungen und keine Hierarchie in selbstorganisierten Netzwer-ken) Zusaumltzlich aufgefuumlhrt wird auch die sog Interaktionsorientierung der Akteure die un-tergliedert wird in Formen der Solidaritaumlt des Wettbewerbs des Individualismus des Altruismus und der Feindschaft Sie kann die Art der Akteurkonstellation maszliggeblich praumlgen wobei haumlufig die Zugehoumlrigkeit zu einer bestimmten Gruppe uumlber die Art der Interaktionsorientierung entscheidet (Dopfer et al 2011) Eine Handlungssituation beschreibt das Produkt aus Akteurskonstellation und Interakti-onsform4 Bestimmte Handlungssituationen koumlnnen sich wiederholen Kommunikation zwischen den Akteuren erleichtern und auf diese Weise zum Beispiel Vertrauen zwi-schen den Akteuren etablieren Verschiedene Handlungssituationen koumlnnen sich uumlber Handlungszusammenhaumlnge auch uumlberlagern (in der sog Handlungsarena) Dies erfolgt einerseits uumlber Organisationen in die die Akteure (gleichzeitig) eingebunden sind (zB Umweltverein Energieversorgungsunternehmen etc) Andererseits erfolgt eine Ver-knuumlpfung uumlber verschiedene Formen von Regeln So sind operative Regeln in Regeln auf kollektiver Ebene und in verfassungsmaumlszligig verankerte Regeln eingebunden (Ost-

4 Im Institutional Analysis Development Framework von E Ostrom (2005) wird die Handlungssituation

uumlber mehrere Analysekategorien noch staumlrker ausdifferenziert (vgl vergleichend Krekeler und Zim-mermann 2014) Handlungssituationen sind wiederum mit (potenziellen) Handlungsergebnissen ver-knuumlpft

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rom 2005) Uumlber Handlungsarenen wird generell auch das Prozesshafte der Interaktion von Akteuren betont (Dopfer et al 2011) Gesellschaftliche und politische Prozesse werden sowohl durch den institutionellen Kontext als auch durch das Handeln und die Interaktion von Akteuren beeinflusst wo-bei beide wechselseitig verbunden sind So sind Institutionen einerseits das Ergebnis kollektiver Entscheidungen und wiederholter Interaktionen Das Verhalten der Akteure praumlgt die Fortentwicklung des institutionellen Rahmens (Cichorowski 2011) Ander-seits strukturieren sie Akteursinteraktionen aber auch in mehrfacher Hinsicht Der insti-tutionelle Rahmen bdquokonstituiert Akteure und Akteurskonstellationen [zB uumlber Mit-gliedschaftsregeln Kompetenzzuweisungen] strukturiert ihre Verfuumlgung uumlber Hand-lungsressourcen [zB uumlber Positionsregeln] beeinflusst ihre Handlungsorientierungen und praumlgt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation [zB uumlber die Art der Konfliktregulierung] mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert siehtldquo (Mayntz und Scharpf 1995) Ebenso koumlnnen Akteure aus einer institutionellen Perspektive (zB an-gesichts der Restriktionen von Regeln) aber auch vor dem Hintergrund ihrer Hand-lungsfaumlhigkeit ihre Handlungsorientierungen und der institutionell nicht (vollstaumlndig) determinierten Entscheidungsspielraumlume betrachtet werden (Muumlller 2014) Institutio-nelle Strukturen und Normen (structure) und Akteure (agency) treten damit in komple-xe Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen Hinzu kommt dass diese Wechselbeziehung durch die jeweils vorherrschende und kommunikativ erzeugte Wissensordnung gepraumlgt bzw gefiltert wird (Heinelt und Lam-ping 2015) Akteure muumlssen also wissen was sie institutionell beschraumlnkt und sie muumls-sen insbesondere in Akteursinteraktionen ein Verstaumlndnis dafuumlr entwickeln welche Moumlglichkeiten ihnen institutionell erwachsen und wie dies mit Wissen zusammenhaumlngt Wissensordnungen beinhalten kognitive Vorstellungen wie die Welt bdquofunktioniertldquo sowie Standards normative Angemessenheit (wie die Welt funktionieren sollte) Zu-gleich bilden reproduzieren und veraumlndern sich Wissensordnungen und bilden in die-sem Sinne den Rahmen fuumlr Akteure und Akteursinteraktionen So koumlnnen spezifische Kombinationen von Wissen (bzw gewollte oder ungewollte Wissensluumlcken) eine we-sentliche Ursache fuumlr die Varianz politischer Entscheidungen (wie zum Beispiel staumldti-scher Klimapolitik) sein Schlieszliglich ist noch zu beruumlcksichtigen dass politische Probleme auch durch eine bdquoPoli-tik-Umweltldquo bzw systemische Faktoren beeinflusst werden und politische Entscheidun-gen ihrerseits diese Umwelt tangieren (koumlnnen) Ostrom (2005) fuumlhrt hier Eigenschaften der biophysikalischen und materiellen Umwelt an in der Handlungssituationen ablau-fen Diese koumlnnen wiederum naumlher spezifiziert werden (zB nach Guumlterarten Lage- und Baustruktur einer Stadt) Auch Eigenschaften bzw Rahmenbedingungen der (staumldti-schen) Gemeinschaft (community) in der Handlungssituationen eingebettet sind koumln-

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nen ggf unter diese Faktoren subsumiert werden Dies bietet sich beim Vergleich von Handlungssituation in sehr unterschiedlichen Handlungskontexten an Unterschiede ergeben sich etwa im Hinblick auf kulturelle Faktoren Groumlszlige und Zusammensetzung der Gemeinschaft wirtschaftliche Lage Grad an Ungleichheit uauml

22 Governance-Ansaumltze

Der akteurszentrierte Institutionalismus gibt Leitlinien vor wie Entscheidungsprozesse von Akteuren innerhalb bestimmter Strukturen und Kontextbedingungen analysiert werden koumlnnen Die Governance-Forschung betont jedoch dass die zugrundeliegenden Steuerungs- und Regelungsformen selbst einem Wandel unterworfen sind Governance bezeichnet nach Mayntz (2010) bdquodie Gesamtheit der in einer politischen Ordnung mit und nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalteldquo Die politikwissenschaftliche Governance-Forschung iS von Mayntz ist dabei weniger stark akteurszentriert und untersucht vor allem Regelungsstrukturen und -prozesse ist in diesem Sinne also institutionalistisch Governance-Strukturen fehlt da-bei eine klare Regelungsinstanz (zB bdquoder Staat) und eine klar definierte Bezugseinheit fuumlr politische Entscheidungen (zB bdquoder Marktldquo) Indirekt erweitert sich damit auch das betrachtete Akteursspektrum (vor allem hin zu Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft) Uumlber den Governance-Ansatz kann die Perspektive zur Betrachtung des Untersuchungsfelds bdquokommunaler Klimaschutzldquo in mehrfacher Hinsicht praumlzisiert werden

221 Multi-Level-Governance

Kommunaler Klimaschutz ist zunaumlchst in ein komplexes Mehrebenensystem eingebet-tet Ein Mehrebenensystem ist ein politisches System in dem Kompetenzen und Res-sourcen auf bdquoEbenenldquo aufgeteilt sind und die verschiedenen Ebenen wechselseitig auf-einander einwirken (Benz 2010) Mit Ebenen sind zu zunaumlchst territoriale staatliche Einheiten gemeint auf die in unterschiedlichem Maszlige Macht und Kompetenzen uumlber-tragen werden Ebenen koumlnnen aber auch als mehr oder weniger lose Zusammenschluumls-se von in einem Gebiet interagierenden Akteuren gebildet werden (zB interregionale oder interkommunale Zusammenarbeit) Mehrebenen-Governance zeichnet sich zum einen durch die Verflechtung der verschiedenen Ebenen aus so dass politische Aufga-ben und Entscheidungen nicht strikt getrennt sondern interdependent sind Zum ande-ren bestehen bestimmte Strukturen und Prozesse innerhalb von einzelnen Ebenen wel-che die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Diese Strukturen treten etwa in Form von Verbaumlnden Akteursnetzwerken oder transnationaler (staatlicher) Zusam-

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menarbeit auf wobei ihre konkrete Form von den jeweils wirksamen institutionellen Regelsystemen abhaumlngt Im Hinblick auf den kommunalen Klimaschutz aumluszligert sich die Verflechtung zunaumlchst darin dass die Kommunen im Sinne einer vertikalen Mehrebenen-Governance rechtli-che Regelungen von internationaler europaumlischer bundesdeutscher Ebene und Bundes-landebene umsetzen bzw einhalten muumlssen (zB Energieeinsparungsverordnung Er-neuerbare-Energien-Waumlrmegesetz Gemeindeordnungen der Bundeslaumlnder im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betaumltigung der Kommunen etc) Dabei sind diese Rege-lungen wiederum Veraumlnderungen und Anpassungen ausgesetzt die fuumlr die Kommunen zum Teil erheblich sind (zB Liberalisierung der Energiemaumlrkte Reform der Foumlrderung erneuerbarer Energien und der Kraft-Waumlrme-Kopplung etc) Vielfach determinieren allerdings diese Regeln kommunales Handeln nicht sondern filtern es oder rahmen es ein Dabei spielt die Instrumentierung auf uumlbergeordneter Ebene eine wichtige Rolle so dass zB ordnungsrechtlich normierte Detailregelungen auf nationaler Ebene weniger Handlungs- und Ermessensspielraumlume belassen als Regelungen und Instrumente die auf Freiwilligkeit und oumlkonomische Anreize setzen Kommunen sollen damit iwS in ih-rem oumlrtlichen Gestaltungsraum einen ebenenspezifischen Problemloumlsungsbeitrag zum globalen Klimaschutz leisten (Haumlrtel 2013) Dabei entstehen Wechselwirkungen zwi-schen Politik- bzw Programmentwicklung und ndashvollzug die regional idR unter-schiedliche Auspraumlgungen aufweisen Dies gilt umso mehr je eher Regeln erst in be-stimmten Akteurskonstellationen und durch die Handlungsfaumlhigkeit und die Hand-lungsorientierungen der Akteure mit Leben gefuumlllt werden Teilweise werden regulative Vorgaben also von den Kommunen und ihren Akteuren als Restriktion ihres eigenen Handelns aufgefasst teilweise unterstuumltzen sie eigene Ziele und Aktivitaumlten Aus einer etwas anderen Sichtweise verfuumlgen die Kommunen ihre oumlrtliche Angelegen-heiten betreffend uumlber eine rechtlich garantierte Autonomie (Selbstverwaltungsgarantie nach Art 28 GG) und uumlber politische Institutionen mit eigenen Interessen Zielen und Ressourcen sowie eigener demokratischer Legitimation Kernbereich der Selbstverwal-tungsgarantie der Kommunen im Rahmen der Energiewende sind insbesondere die Pla-nungshoheit (Bauleitplanung Flaumlchennutzungsplanung) und die Daseinsvorsorge (ener-giewirtschaftliche Taumltigkeit uumlber kommunale Unternehmen Beteiligungen uauml) Der Bund kann zugleich den Kommunen seit der Foumlderalismusreform von 2006 keine Vor-gaben (zB in Form von Klimaschutzzielen oder regulatorischen Maszlignahmen wie ver-pflichtende Erlasse von Waumlrmenutzungsplaumlnen uauml) machen die die Kommunen admi-nistrativ und finanziell belasten (sog Aufgabenuumlbertragungs- und ndasherweiterungsverbot nach Art 84 Abs1 S 7 GG) (Rodi und Sina 2011) Allerdings gilt die Selbstverwal-tung der Kommunen trotzdem nicht absolut sondern kann durch Bundes- und Landes-gesetzgeber durch Gesetz in gewissem Maszlige naumlher ausgestaltet und in verpflichtenden

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Vorgaben bestimmt werden (zB Bauleitplanung im Rahmen der Vorgaben des Bun-desbaugesetzbuches Baugenehmigungen im Rahmen der Landesbauordnungen) Eben-so trifft sie auf Grenzen wenn in Grundrechte der Buumlrger eingegriffen wird (zB ggf bei Anschluss- und Benutzungszwang an Energieerzeugungsanlagen) oder der Bundes-gesetzgeber insbesondere im Energierecht bereits abschlieszligende Regelungen getroffen hat (Haumlrtel 2013) Jenseits rechtlicher Vorgaben gilt kommunaler Klimaschutz gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe Der tatsaumlchliche Gestaltungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich von regional unterschiedlichen Interessen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geographische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruk-tur Wirtschaftsstruktur etc) ab Zentral ist hierbei vor allem die unterschiedliche Fi-nanzausstattung der Kommunen (Schoumlnberger 2013) Bislang haben vergleichsweise wenige Kommunen und vor allem Staumldte ambitionierte Klimaschutzkonzepte entwickelt und Maszlignahmen implementiert Die Mehrebenenverflechtung aumluszligert sich in diesem Zusammenhang primaumlr darin dass uumlber die EU den Bund und zum Teil die Laumlnder Foumlrdermaszlignahmen zu Gunsten kommunalen Klimaschutzmanagements vergeben wer-den (vgl wwwkommunaler-klimaschutzde) Ebenso koumlnnen Klimaschutzziele auf EU- oder nationaler Ebene fuumlr die Bestimmung kommunaler Ziele bestimmend sein Zumin-dest teilweise koumlnnen innovative Maszlignahmen auf kommunaler Ebene aber auch Luumlcken auf houmlheren Governanceebenen fuumlllen bzw - vor allem in laumlngerfristiger Perspektive - zu institutionellen Veraumlnderungen auf diesen Ebenen anregen (zB Fuchs und Wasser-mann 2012) Neben diesen Verflechtungen spielen wie erwaumlhnt horizontale Governance- Strukturen innerhalb von Ebenen eine Rolle die Politik zwischen den Ebenen beeinflussen koumlnnen Dabei wird Governance haumlufig enger definiert und mit netzwerkartigen und kooperati-ven Steuerungs- und Regelungsformen in Verbindung gebracht Netzwerke als kom-plementaumlre Steuerungsform zu Staat und Markt koumlnnen jenseits territorialer bzw regio-naler Grenzen wirksam werden und die Politikentwicklung praumlgen Dies haumlngt jedoch auch maszliggeblich davon ab wie die Struktur des Netzwerks und die Interaktion der Netzwerkmitglieder ausgestaltet sind (Verbindlichkeit und Formalisierung von Regeln Haumlufigkeit und Dauerhaftigkeit der Interaktion vgl Abschnitt 222) Bezuumlglich der interkommunalen Klimaschutznetzwerke gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (BBSR 2009 Kern et al 2005) Eine wich-tige Impulsfunktion haben bereits in den fruumlhen 1990er Jahren die lokalen Agenda-21-Prozesse innerhalb der Kommunen gespielt Grenzuumlberschreitend sind vor allem drei transnationale Klimaschutznetzwerke zu nennen Sie treten als eigenstaumlndige unabhaumln-gige Organisationen auf und erheben Mitgliedsbeitraumlge Im Gegenzug muss der Beitritt vom Stadt- oder Gemeinderat formell beschlossen werden Die Netzwerke koumlnnen im

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Gegenzug allerdings nur einen politischen und keinen rechtlichen Druck auf ihre Mit-glieder und deren Klimaschutzengagement ausuumlben (Selbstverpflichtung) Zu nennen sind das bdquoKlima-Buumlndnisldquo als aumlltestes und groumlszligtes Netzwerk bdquoEnergie-Citeacutesldquo und bdquoStaumldte fuumlr den Klimaschutzldquo unter dem Dach des Internationalen Rats fuumlr kommu-

nale Umweltinitiativen (ICLEI) als globales Netzwerk Zunaumlchst unterstuumltzen die Netzwerke (mehr oder weniger) die Verbreitung von Informa-tionen den Austausch von Knowhow den Transfer von sog Best Practice und das Ler-nen zwischen den Mitgliedsstaumldten Sie erleichtern auch die Realisierung gemeinsamer Projekte (oft unter Nutzung externer Foumlrdermittel) und fuumlhren Wettbewerbe sowie For-men des Benchmarking zwischen den Mitgliedern durch Zum anderen vertreten sie ihre Mitglieder auf der nationalen der europaumlischen und der internationalen Ebene (Kern et al 2005 Hakelberg 2011) Transnationale Netzwerke zeigen dass klimapolitisches Engagement auf lokaler Ebene damit nicht mehr nur als der nationalen Ebene untergeordnet verstanden werden muss Vielmehr zeichnen sich die Netzwerke durch nicht-hierarchische horizontale und poly-zentrische Strukturen (self-governance) aus und basieren gleichzeitig auf Freiwilligkeit (Giest und Howlett 2013) Vor allem die zunehmende Europaumlisierung fuumlhrt zu einer Ausweitung des Wahrnehmungshorizonts (Kemmerzell und Tews 2014) Verwand mit den oben genannten Netzwerken ist der bdquoKonvent der Buumlrgermeisterldquo Er sieht eine Uumlbererfuumlllung der CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene durch die Mitglieds-kommunen vor und haumllt fuumlr diesen Fall zusaumltzliche Finanzmittel und technische Exper-tise bereit Zu erwaumlhnen ist auch noch das europaumlische Staumldtenetzwerk EUROCITIES das europaumli-schen Groszligstaumldten eine Stimme gibt und ihre Interessen insbesondere gegenuumlber EU-Institutionen vertritt aber auch generell der Vernetzung und Profilierung der Staumldte dient In 40 Arbeitsgruppen aus sechs Foren sind mehr als 2500 Fachleute Politiker und Behoumlrdenvertreter vernetzt Der Klimaschutz gilt neben Arbeitslosigkeit und Buumlrgerbe-teiligung als besonderer Themenschwerpunkt Aus dem Blickwinkel einer Stadt hat die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken verschie-dene Funktionen (Kemmerzell und Tews 2014) Bedeutsam ist zunaumlchst die Moumlglich-keit durch die eingegangenen Selbstverpflichtungen gegenuumlber externen Netzwerken (Klimabuumlndnis Konvent der Buumlrgermeister) konkrete eigene Maszlignahmen und Ziele abzusichern oder voranzutreiben und gegebenenfalls die eigene fachliche Position ge-genuumlber politischen Entscheidungstraumlgern in der Stadt zu staumlrken Neben dieser legiti-matorischen Funktion bietet uumlberlokales Handeln bzw die Netzwerkmitgliedschaft in

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materieller Hinsicht die Moumlglichkeit finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und damit ndash idR bereits vordefinierte Projekte - leichter und ggf in Kooperation mit anderen Staumldten zu realisieren Eine weitere Moumlglichkeit besteht darin lokale Lern- und Innova-tionsprozesse bzw im weiteren Sinn den Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Staumldten uumlber die uumlberlokalen Netzwerkaktivitaumlten zu foumlrdern (epistemische Perspekti-ve) Dies bildet dann eine Basis und einen Beitrag fuumlr die Diffusion klimapolitischer Innovationen (Abschnitt 232)

222 Regional und Local Governance

Netzwerkartige Steuerungs- und Regelungsformen etablieren sich allerdings vorwie-gend in einem engeren raumlumlichen Bezugsrahmen auch wenn sie in Mehrebenenpro-zesse eingebunden bleiben Die Bedeutung kleinraumlumlicher Zusammenhaumlnge resultiert nicht zuletzt aus der starken (bzw wiedererstarkten) Rolle der Kommunen in der Ener-gieversorgung und Daseinsvorsorge dem dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien aber auch generell zu beobachtenden Lokalisierungs- und Regionalisierungsprozessen (Keppler 2013) Nach Kern et al (2005) koumlnnen Kommunen grundsaumltzlich vier verschiedene Rollen im kommunalen Klimaschutz einnehmen (aumlhnlich Schoumlnberger 2013) Als Verbraucher und Vorbild Hierbei geht es primaumlr um eigenstaumlndiges und unab-

haumlngiges Verhalten der Kommunalverwaltung das nicht oder nur in geringem Ma-szlige auf die Mitwirkung anderer Akteure angewiesen ist (zB Beschaffungswesen kommunale Liegenschaften) aber eine Vorbildfunktion erfuumlllen kann Im weiteren Sinne ist hierbei auch die (vorbildliche) Organisation von Klimaschutz als Quer-schnittsaufgabe in der Verwaltung angesprochen

Als Planer und Regulierer Die Kommune (Politik Verwaltung) beeinflusst vor allem durch Gebote und Verbote das Verhalten Dritter bezuumlglich Energieangebot und ndashverbrauch (zB uumlber die Bauleitplanung kommunale Bauvorschriften)

Als Versorger und Anbieter Die Kommune steuert vermittelt uumlber kommunale Un-ternehmen (bzw Beteiligungen daran) andere Akteursgruppen wobei dies uumlber die Gestaltung des (Energie-)Angebots erfolgt (zB Stromversorgung OumlPNV Ab-fallentsorgung kommunaler Wohnungsbau)

Als Berater und Promotor Uumlber indirekte motivierende Maszlignahmen von Politik und Verwaltung wird ein klimafreundliches Verhalten anderer Akteursgruppen ge-foumlrdert wenn dieses durch rechtliche oder andere Einwirkungen nicht direkt(er) er-reicht werden kann Hierbei handelt es sich um Informationsbereitstellung Oumlffent-lichkeits- und Uumlberzeugungsarbeit Beratungs- und Bildungsmaszlignahmen und finan-zielle Anreize

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Diese Rollen oder Governance-Modi sind wiederum mehr oder weniger stark in einen uumlbergeordneten kommunalen Handlungsrahmen eingebettet (kommunales Klimaschutz- bzw Energiekonzept bzw Energienutzungsplan Zielvorgaben Aktionsplaumlne organisa-torische Umsetzung) Generell haben dabei eher weichere Maszlignahmen die vorwiegend den Rollen bdquoVerbraucher und Vorbildldquo sowie bdquoBerater und Promotorldquo zuzuordnen sind an Bedeutung gewonnen Als bdquoPlaner und Reguliererldquo und bdquoVersorger und Anbieterldquo sind kommunalpolitische Akteure dagegen staumlrker bestimmten Restriktionen im Mehrebenensystem unterworfen Bei nicht freiwilligen Vorgaben (zB im Planungs-recht) treffen sie auch eher auf Widerstand in der Bevoumllkerung Vor diesem Hintergrund wird kommunaler Klimaschutz ndash im Gegensatz zu hoheitlicher Regulierung und anderen Formen klassischer Staatstaumltigkeit ndash als ein netzwerkartiger sozial organisierter Prozess beschrieben der sich durch Kommunikation Kooperation und Partizipation der Akteure auszeichnet (Bielitza-Mimjaumlhner 2007 mit einer idealty-pischen Beschreibung der Akteursrollen) Der Prozess laumluft dabei dynamisch aber nicht nach einem Automatismus ab da er stark von seinen Akteuren der Netzwerkdynamik und aumluszligeren Einfluumlssen gepraumlgt ist Damit spiegelt sich im kommunalen Klimaschutz die weiter gefasste Diskussion um Regional und Local Governance Dieses zeichnet sich analytisch durch einige zentrale Merkmale aus (Muumlller 2014 Fuumlrst 2010)5 Es bilden sich Akteurskonstellationen aus staatlichen und nicht-staatlichen Akteu-

ren wobei sich die Akteure haumlufig durch unterschiedliche Handlungsorientierungen bzw -logiken auszeichnen

Es werden verschiedene Steuerungs- und Interaktionsformen genutzt darunter Hie-rarchie Wettbewerb vor allem aber Kooperation (wechselseitige Anpassung) Ver-handlung und ArgumentierenDeliberation

Neben bestehenden Regeln werden auch eigene Regeln (Regelsysteme) gewaumlhlt oder ausgehandelt welche Interaktionen kanalisieren Transaktionskosten senken (koumlnnen) etc

Verschieden abgegrenzte Regionen (politisch-territorial funktional symbolisch) und raumlumliche Maszligstabsebenen (lokal regional national etc) treten auf

Die im Kontext des kommunalen Klimaschutzes aber auch des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien bedeutsamen Netzwerke und Kooperationen koumlnnen als soziale Netzwerke bezeichnet werden Sie stellen vor allem gegenuumlber Markt und Hierarchie 5 In normativer Hinsicht wird betont dass sich durch eine Steuerung auf regionaler und lokaler Ebene

bestimmte Vorteile ergeben zum Beispiel durch die groumlszligere politische soziale und persoumlnliche Naumlhe der Akteure zueinander die bessere Nutzbarmachung von (lokal gebundenem) Wissen oder ein besse-re Legitimation politischer Entscheidungen

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eine eigenstaumlndige Form der Handlungskoordination dar Weyer (2000 zit nach Fich-ter 2008) definiert sie wie folgt bdquoUnter einem sozialen Netzwerk soll daher eine eigen-staumlndige Form der Koordination von Interaktion verstanden werden deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer aber interdependenter (wechselseitig vonei-nander abhaumlngiger) Akteure ist die fuumlr einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Ruumlcksicht nehmen weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren koumlnnen als durch nicht-koordiniertes Handelnldquo (Weyer 2000 S 11) Entscheidend fuumlr die Existenz eines Netzwerks ist folglich eine kooperative Zusammen-arbeit mehrerer Akteure unter Nutzung der das Netzwerk konstituierenden direkten und indirekten Verbindungen Die kooperative Zusammenarbeit haumlngt wiederum von struk-turellen Merkmalen des Netzwerks ab wie etwa der Anzahl der Mitglieder der Stabili-taumlt der Gruppe der Zusammensetzung der Mitgliedschaft der raumlumlichen Ausdehnung des Netzwerks und der Art und Dichte der Kommunikationskanaumlle (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Fichter (2008) unterscheidet auf der Basis einer empirischen Befragung im Kern drei Typen von Netzwerken im kommunalen Klimaschutz Alle drei sehen in der Foumlrderung des oumlffentlichen Bewusstseins fuumlr Klimaschutz und in der verbesserten Information von Buumlrgern eine wichtige Aufgabe haben ansonsten aber spezifische Schwerpunkte bdquoPublic Private Partnershipsldquo Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und regio-

nalen Akteuren (vor allem Unternehmen) dient dem Erfahrungsaustausch der Ver-besserung der regionalen Zusammenarbeit sowie der Staumlrkung des Wirtschaftsstan-dortes

bdquoBuumlrgernetzwerkeldquo Uumlber engagierte Buumlrger bzw Buumlrgerstiftungen uauml soll vor allem eine verbesserte Information von und Lobby-Arbeit gegenuumlber Entschei-dungstraumlgern in Politik Verwaltung und Unternehmen sowie deren Beratung und Vernetzung in Sachen Klimaschutz im Mittelpunkt stehen

bdquoMarktnetzwerkeldquo Engagierte Unternehmen informieren und beraten Buumlrger und bdquoandereldquo Akteure (zB Bauherren) sorgen fuumlr Wissenstransfer und verbessern die Marktbedingungen (zB bessere Zusammenarbeit auf Anbieterseite)

Nach Fichter (2008) koumlnnen Netzwerke im kommunalen Klimaschutz drei wesentliche Funktionen erfuumlllen Sie ermoumlglichen die Erlangung zusaumltzlicher Ressourcen (Handlungsfaumlhigkeit) durch

kollektive Ressourcenmobilisierung (zB durch Vernetzung innerhalb oder zwi-schen Verwaltungen bzw der Verwaltung mit externen Akteuren durch erleichterte

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Akquise von Foumlrdergeldern von houmlheren Ebenen) Dies gelingt vorwiegend (aber nicht nur) im Typ bdquoPublic Private Partnershipldquo

Sie entwickeln gemeinsame Strategien und Maszlignahmen durch Handlungsabstim-mung (zB durch Abbau von gegenseitigen Informations- und Wissensdefiziten Schaffung oumlffentlicher Aufmerksamkeit uumlber Oumlffentlichkeitsarbeit) Diese Funktion steht bei Buumlrgernetzwerken im Vordergrund

Sie reduzieren Unsicherheit durch die Entwicklung und Etablierung neuer Regel-systeme und Marktloumlsungen (zB uumlber Einflussnahme auf politische und planeri-sche Entscheidungen der Kommune uumlber realisierte Demonstrations- und Pilotvor-haben) Diese Funktion steht bei Marktnetzwerken im Vordergrund

Netzwerke im kommunalen Klimaschutz koumlnnen schlieszliglich nach einer Innen- und Au-szligensicht unterschieden werden (Fichter 2008) Aus der Innensicht geht es um die Funk-tion des Netzwerkes fuumlr die Netzwerkmitglieder (Ziele des Netzwerks Zweck der Netzmitgliedschaft Funktion fuumlr kommunalen Klimaschutz) Aus der Auszligensicht tritt die Funktion in den Vordergrund die das Netzwerk fuumlr das bdquoSystemldquo bzw Umfeld ein-nimmt in dem es agiert Von Bedeutung ist hier unter anderem die Dauer des Wirkens des Netzwerks (befristet unbefristet etc) und der wesentliche Zweck fuumlr das Umfeld (zB Schaffung von Aufmerksamkeit fuumlr Klimaschutz Schaffung regionaler Maumlrkte etc) Fichter (2008) differenziert auch nach ihrem Innovationsgrad bzw -beitrag (Inno-vation Diffusion neuer Loumlsungen Routineprozess) (vgl Abschnitt 231) In der Literatur sind verschiedene Faktoren herausgearbeitet worden die erklaumlren koumln-nen warum sich kommunale Klimaschutz-Netzwerke (erfolgreich) etablieren koumlnnen (im Uumlberblick Muumlller 2014 Fichter 2008 Bielitza-Mimijaumlhner 2007)6 Von zentraler Bedeutung fuumlr die Netzwerkbildung - entwicklung und - stabilisierung sind zunaumlchst einzelne Schluumlsselakteure die sich des Klimaschutzthemas persoumlnlich annehmen Fich-ter (2008) und Antes et al (2010) diskutieren das Konzept des Schluumlsselakteurs im Hin-blick auf Innovations- und Diffusionsprozesse (vgl Abschnitt 23) und damit die Frage welche Akteure diesen Prozess in besonderem Maszlige beeinflussen Schluumlsselakteure kann es dabei in allen im kommunalen Klimaschutz involvierten Akteursgruppen geben (Politik Verwaltung Marktakteure Intermediaumlre Zivilgesellschaft) Sie treten als Initi-ator Foumlrderer (Promotor) Macher Mentor Sponsor oder in anderen einflussreichen Rollen maszliggeblich und staumlrker als andere zur Entstehung bzw zum Erfolg von (unter-schiedlichen) Netzwerken auf Sie zeichnen sich durch ein hohes Maszlig an sozialer und

6 Eine zusaumltzliche Rolle spielen die bereits weiter oben erwaumlhnten strukturellen Faktoren (Groumlszlige der

Kommune Wirtschaftsstruktur etc)

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kommunikativer Kompetenz aus das wiederum informelles Networking und das Ma-nagement formeller Netzwerke erleichtert Persoumlnliche informelle Netzwerke von Schluumlsselpersonen und deren Geschick beim Aufbau von Beziehungen zu (anderen) Entscheidungstraumlgern und Meinungsfuumlhrern kommen in kleineren Staumldten tendenziell eine besonders groszlige Bedeutung zu Ein weiterer wichtiger Faktor fuumlr die Etablierung von Netzwerken sind finanzielle An-reize und Unterstuumltzung Der Erfolg eines Netzwerks wird also erleichtert wenn eigene Ressourcen vorhanden (externe) Ressourcen beschafft oder ressourcenstarke Partner gewonnen werden koumlnnen Desweiteren spielen die Ausgestaltung und der Formalisierungsgrad von Regeln im Netzwerk und die Netzwerkorganisation eine wichtige Rolle So koumlnnen zum Beispiel Elemente der Aufbauorganisation (zentrale Lenkungsgruppe Lokalbeirat oauml) den en-geren Kreis eines kooperativen Netzwerks abdecken waumlhrend die inhaltliche Arbeit in dezentralen Arbeits- und Projektgruppen erfolgt Im weiteren Sinne ist zu bedenken wie bzw ob sich ein neues Netzwerk in bestehende kommunalpolitische Strukturen einfuumlgen diese veraumlndern oder existierende Regelungsluumlcken fuumlllen kann Wenn Netz-werke Ergebnis neuer kommunalpolitischer Strukturen sind koumlnnen sie gegebenenfalls auch weitere Netzwerke initiieren und foumlrdern (Fichter 2008 S 54) Schlieszliglich ist die Zusammensetzung der Akteure von Relevanz fuumlr die Netzwerksteue-rung und gelingende Kooperation (Muumlller 2014) Neben der Zahl unterschiedlicher Akteursgruppen spielen deren Handlungsorientierungen eine Rolle (zB territorial aus-gerichtete Verwaltung versus funktional ausgerichtete Wirtschaftsakteure) Zugleich ergeben sich Interaktionen im Mehrebenensystem (zB uumlber fachplanerische Vorgaben von Bundesebene)

23 Innovationsforschung

Wie einleitend erwaumlhnt stellt sich als zentrale Frage fuumlr dieses Arbeitspaket inwiefern und (wenn ja) aus welchen Gruumlnden und auf welche Weise sich innovative Politikmaszlig-nahmen und ndashkonzepte (kurz Policies oder Politiken) oder bestimmte Teile davon im Energiebereich unter den Kommunen und ihren Stadtwerken ausbreiten Daher bietet es sich an zunaumlchst den Innovationsbegriff an dieser Stelle zu praumlzisieren Besondere Be-achtung sollen hierbei politische und institutionelle Innovationen im Untersuchungskon-text einnehmen Daraufhin sollen Faktoren und Prozesse systematisiert werden die die Diffusion innovativer Politiken und Praktiken treiben Hierbei koumlnnen bestehende empi-rische Arbeiten zum kommunalen Klimaschutz einbezogen werden

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231 Abgrenzung von Innovationen insbesondere Politikinnovationen

In der Literatur herrscht eine Vielfalt von Begriffen und Abgrenzungen zu Innovationen im Allgemeinen und speziellen Arten von Innovationen (zB Umweltinnovationen Nachhaltigkeitsinnovationen) im Besonderen Einige wesentliche Abgrenzungen seien hier erwaumlhnt Innovationen bezeichnen im weiteren Sinne den intendierten und zielge-richteten (aber in seinen Endresultaten nicht steuerbaren) Prozess der Erfindung Ent-wicklung und UmsetzungDiffusion sozio-technischer Neuerungen Der Prozess soll zur Loumlsung bestimmter Probleme (zB im Stromsektor im kommunalen Klimaschutz etc) beitragen und wird von bestimmten Gruppen oder Akteuren als Verbesserung wahrge-nommen (Voszlig et al 2003) Damit werden nicht bdquoobjektiveldquo Probleme und Verbesse-rungen betrachtet sondern von den Akteuren wahrgenommene Probleme und erwartete Verbesserungen Insofern sind Innovationen nicht unbedingt im gesamtgesellschaftli-chen Kontext effizienz- und wohlfahrtssteigernd Der Prozess laumlsst sich zunaumlchst anhand einer Phasenheuristik (Erfindung Entwicklung Kommerzialisierung UmsetzungDiffusion) unterteilen wobei die Bezeichnungen je nach Innovationsart (siehe naumlchster Absatz) unterschiedlich ausfallen Dabei ist zum einen zu beruumlcksichtigen dass die Phasen zeitlich und raumlumlich auseinanderfallen koumln-nen (zB Erfindung in einer Kommune die Jahre spaumlter in einer anderen Kommune aufgegriffen wird) Zum andern ist nicht von einem linearen Ablauf sondern von inter-aktiven Zyklen und Feedbacks auszugehen (zB Anpassung von Prototy-penProgrammen bei veraumlnderten Umsetzungsbedingungen staumlndige Anpassungen und Verbesserungen von Erfindungen etc) Nach Gegenstand und Anwendungsbereich werden uumlblicherweise verschiedene Typen von Innovationen unterschieden (OECD 2005) Im engeren Sinne werden technologi-sche Innovationen (Produkt-Dienstleistungsinnovationen Prozessinnovationen) aufge-fuumlhrt Damit verbunden sind haumlufig eine marktorientierte Sicht von Innovationen und die hervorgehobene Stellung der Unternehmertaumltigkeit Schumpeter definiert Unter-nehmertaumltigkeit allerdings rein funktional so dass die Unternehmerfunktion nicht nur allein von privatwirtschaftlichen Akteuren sondern auch von anderen institutionellen Traumlgern (inkl staatlichen Akteuren) wahrgenommen werden kann (Schumpeter 1928 S 482) Daruumlber hinaus werden von der OECD auch organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen im Hinblick auf Unternehmen behandelt Als Gegenuumlberstellung zu technologischen Innovationen werden soziale Innovationen institutionelle Innovationen und Politikinnovationen aufgefuumlhrt wobei aufgrund von Erfassungs- und Bewertungsproblemen die Trennlinien unscharf sind (vgl Voszlig et al 2003) Soziale Innovationen sind meistens am weitesten gefasst und beinhalten etwa veraumlnderte Verhaltensweisen Gewohnheiten soziale Beziehungen Lebensstile Kon-

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summuster (oft zusammengefasst als soziale Praktiken) aber auch organisatorische Pro-zeduren Institutionen Strukturen und politische Regulierungen die gesellschaftliche Verbreitung finden Sie finden sich in der Zivilgesellschaft im oumlffentlichen Sektor und der privaten Wirtschaft Institutionelle Innovationen umfassen die Veraumlnderung beste-hender bzw die Etablierung neuer gesellschaftlicher Regeln formeller und informeller Art (bdquoRahmenbedingungenldquo) mit Wirkung auf Handlungsmuster Institutionelle Innova-tionen koumlnnen auf verschiedenen Handlungsebenen (zB Familie Netzwerk Staat(en)) verortet werden und regeln entsprechend unterschiedliche Ebenen individuellen und kollektiven Handelns Im Vordergrund stehen hier Politikinnovationen als Teilbereich sozialer Innovationen Sie werden von Tews (2002) in Anlehnung an Rogers (2003) gefasst als Programm Idee Praktik oder Instrument das bzw die neu fuumlr diejenige Regierung (bzw hier eher denjenigen Stadt- oder Gemeinderat) ist die sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt Damit ist un-erheblich wie alt ein Programm eine Praktik etc ist und wie viele andere Kommunen sie bereits anwenden Doumlring und Rischkowsky (2014) grenzen den Begriff auf Re-formvorschlaumlge bzw ndashideen ein die auch tatsaumlchlich realisiert werden Aus einer Diffu-sionsperspektive werden Politiken nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine ge-wisse Verbreitung erfahren Schlieszliglich sind neue Politiken (inventions) ndash insbesondere gemessen an einem globalen Maszligstab ndash vergleichsweise selten oder als ein (von politi-schen Unternehmern getriebener) Prozess und weniger ein Ergebnis (bdquoProduktldquo) zu ana-lysieren (Jordan und Huitema 2014a) Diffusionsstudien betrachten den Pfad der Aus-breitung einer Innovation uumlber die Zeit die Ausbreitungsgeschwindigkeit sowie Unter-scheidungen in Bezug auf fruumlhe spaumlte oder Nicht-Uumlbernehmer einer Innovation (Tews 2002) Neue politische Steuerungsansaumltze koumlnnen also dann als innovativ gelten wenn sie weite Verbreitung und Anwendung erfahren (Jordan und Huitema 2014b)7 Die Ein-stufung als innovativ ist damit immer auch kontextabhaumlngig und resultiert aus dem Ver-gleich mit bisherigen (kommunalen) Erfahrungen und Politikansaumltzen undoder der ge-nerellen Verbreitung von neuen Politiken Politikinnovationen koumlnnen wie andere Arten von Innovationen nach radikalen und in-krementellen Innovationen unterschieden werden um die Abkehr von bisherigen For-men und Strukturen im kommunalen Klimaschutz beurteilen zu koumlnnen Radikale Inno-vationen stellen eine bewusste Abkehr von bestehenden Praktiken dar und veraumlndern Politikprozesse und ndashergebnisse ggf grundlegend Radikale Politikinnovationen aumluszligern sich haumlufig in veraumlnderten Akteursbeziehungen Sie erfordern idR gaumlnzlich neues 7 Hierbei stellt sich offensichtlich das Problem der Festlegung von Schwellenwerten (Umfang der Ver-

breitung Tiefe des Eingriffs) Generell ist bei sozialen Innovationen die Neuerung als solche erst er-kennbar wenn sie einen gewissen Grad von Wirksamkeit erreicht hat (Voszlig et al 2003)

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Wissen das wiederum bestehendes Wissen entwerten kann Inkrementelle Innovationen beziehen sich dagegen auf schrittweise Neuerungen die in ihrer Summe aber auch er-hebliche Wirkungen entfalten koumlnnen Sie koumlnnen oft auf bestehendem Wissen aufbau-en und ggf bestehende Kompetenzen staumlrken Inkrementelle Innovationen - und Politi-kinnovationen generell - muumlssen im konkreten Fall allerdings von inkrementaler Politik abgegrenzt werden bei der keinerlei Bruch mit vorherigen Praktiken stattfindet und Politik sich quasi schleichend und unbemerkt manifestiert (Jann 2006) So kann nach Heinelt und Lamping (2015) Inkrementalismus durchaus als praumlgendes Kennzeichen lokaler Klimapolitik gelten was sich in projektartigen Maszlignahmen und Programmen mit geringer bis mittlerer Reichweite sowie deren graduelle Veraumlnderung ausdruumlckt Anstelle dieser binaumlren Kodierung (radikal vs inkrementell) listet Rogers (2003) fuumlnf Innovationscharakteristika auf die er hauptsaumlchlich aus Diffusionsstudien zu technolo-gischen Innovationen ableitet Ihr relativer subjektiver Vorteil gegenuumlber Vorlaumlufern (zB Vorlaumluferprodukten) ihre Kompatibilitaumlt mit Werten Beduumlrfnissen und Erfahrun-gen der potenziellen Uumlbernehmer ihre Komplexitaumlt (im Verstaumlndnis bzw in der prakti-schen Anwendung) sowie die Beobachtbarkeit ihrer Resultate und letztlich die trialabi-lity ndash dh die Moumlglichkeit mit der Innovation zu experimentieren ndash beeinflussen die Uumlbernehmerrate Bislang gibt es jedoch kaum einschlaumlgige Forschung die Politikinno-vationen im kommunalen Klimaschutz anhand differenzierter Innovationscharakteristi-ka (insbesondere aus der Perspektive der uumlbernehmenden Kommune) diskutiert (vgl Tews 2002 Jordan und Huitema 2014b zu Studien jenseits der kommunalen Ebene) Politikinnovationen lassen sich auch in Ergebnis- und Verfahrensinnovationen unter-scheiden Erstere beinhalten vor allem die Einfuumlhrung neuer Instrumente letztere neue prozedurale Strukturen Prozessablaumlufe und Organisationsformen (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Im Gegensatz zu den meisten Innovationen im Marktbereich muss die Etablierung des bdquoNeuenldquo in Politik und Verwaltung nicht zwingend zu einer flaumlchendeckenden Ver-draumlngung des bdquoAltenldquo (im Sinne schoumlpferischer Zerstoumlrung) fuumlhren (Doumlring und Risch-kowsky 2014) Die raumlumliche Reichweite von Innovation im kommunalen Klimaschutz haumlngt zunaumlchst davon ab von welcher Ebene im foumlderalen System Innovationen ange-reizt und im Rahmen der ndash wie erwaumlhnt begrenzten ndash verfassungsrechtlichen Grenzen normiert werden Hinzu kommen andere Formen der Ausbreitung von kommunalen Innovationen die von den Bedingungen von Fall zu Fall abhaumlngen (siehe Abschnitt 233) Anstelle einer Gegenuumlberstellung wird auch von Systeminnovationen gesprochen in denen technologische und soziale Innovationen zusammenspielen und sich ergaumlnzen

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(zB Kemp 2011 Schneidewind und Scheck 2013)8 Daraus koumlnnen neue Handlungs-moumlglichkeiten erwachsen (Ko-evolution) Systeme werden dabei als Instrumente zur Bereitstellung bestimmter Funktionen verstanden sie umfassen neben veraumlnderten Technologien und Infrastrukturen auch veraumlnderte Organisationen und Institutionen Systeminnovationen sind nicht nur durch neue Praktiken auf Seiten der Anbieter und Nutzer sondern daruumlber hinaus durch neuartige Funktionslogiken gekennzeichnet Thematisiert wird in diesem Zusammenhang zum Beispiel im weiteren Sinne der Uumlber-gang von einem auf fossilen Energietraumlgern basierenden Energiesystems zu einem auf erneuerbaren Energietraumlgern basierenden Energiesystem Haumlufig ist es somit nicht sinnvoll (oder schwierig) Politikinnovationen isoliert von an-deren Innovationen zu betrachten Innovationen in ihrer technologischen Auspraumlgung (Produkt- Prozessinnovationen) und als neue soziale Praktiken (zB neues Energienut-zungsverhalten von Haushalten) unterliegen im Vergleich zu Politikinnovationen eige-nen Entstehungs- und Verbreitungsmechanismen wirken aber zugleich in vielfaumlltiger Hinsicht zusammen Ein Teil der Literatur konzentriert sich hierbei auf das Zusammen-spiel von Politikinnovationen und technologischen Innovationen in laumlnderuumlbergreifen-der Betrachtung (Beise und Rennings 2005 Jacob et al 2005 zu sog Lead-Maumlrkten) Auf aumlhnliche Weise bietet es sich an das Zusammenspiel zwischen neuen sozialen Praktiken und Politikmaszlignahmen zu betrachten (Arentsen und Bellekom 2014) Im Kontext des kommunalen Klimaschutzes und besonders der Umgestaltung der loka-len Energieversorgung wird hierbei auf Veraumlnderungsdynamiken abgestellt die von unabhaumlngigen Individuen und Gruppen ausgehen und zumindest vorerst oft nicht von lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Vertretern aufgenommen werden Als the-oretischer Hintergrund dient hierbei oft die Literatur zur Nachhaltigkeitstransitionen und strategischem Nischenmanagement (ua Rip und Kemp 1998 Geels 2010) Ni-schen als geschuumltzte Experimentierraumlume interagieren dabei mit uumlbergeordneten Regi-men (wie etwa dem zentralisierten Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc) und sog Landschaften (dh tieferliegenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen) Seyfang und Haxeltine (2012) erweitern diesen theoretischen Rahmen in dem sie nicht nur lokale Nischen als solche betrachten so dass hier etwa die ndash im Vergleich zur nationalen oder internationalen Ebene groumlszligere - Naumlhe der Buumlrger zu ihren kommunalen Vertretern und zur kommunalen Verwaltung quasi implizit unterstellt wird Vielmehr betonen sie die Rolle der Zivilgesellschaft als potentielle Change Agents in Transitionen und untersuchen ihre Faumlhigkeit Nischen zu formieren darin neue Ideen und Praktiken zu entwickeln und haumlufig auch Ressourcen

8 Eng verwandt ist auch der Begriff der Nachhaltigkeitsinnovation (Fichter et al 2006) oder etwas

enger der sozial-oumlkologischen Innovation (Kroh et al 2012)

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und Macht umzuschichten Im Gegensatz zu staatlichen Akteuren sind dabei zivilgesell-schaftliche Akteure weniger in feste Hierarchien und pfadabhaumlngige Strukturen einge-bunden Sie vertrauen staatlichen Strukturen dabei oft auch weniger Als Graswurzelin-novationen bezeichnen Seyfang und Smith (2007) letztlich lokale (oder auch ideelle) Netzwerke von Aktivisten und Organisationen die neue bottom-up Loumlsungen fuumlr eine nachhaltige Entwicklung generieren Verschiedene Studien untersuchen die Entste-hungs- und Erfolgsbedingungen verschiedener Formen von Graswurzelinnovationen (zB Feola und Nunes 2014 Ornetzeder und Rohracher 2013) Arentsen und Bellekom (2014) betrachten speziell lokale Energieinitiativen als Innovationen Die dortigen Ak-teure koumlnnen ihrem Verstaumlndnis nach als Schumpetersche Unternehmer angesehen wer-den indem sie Wissen und Ressourcen zum Energieversorgungssystem neu kombinie-ren Organisations- und Geschaumlftsmodelle auf die lokale Energieversorgung anwenden oder neue Formen der Organisation von Produktion und Verbrauch im Energieversor-gungssystem etablieren Zugleich sehen sie derartige Energieinitiativen weiterhin als Nischen im dominierenden Energieversorgungssystem betonen aber Moumlglichkeiten des Zusammenwirkens mit etablierten energiewirtschaftlichen Akteuren in einem zuneh-mend hybriden Versorgungssystem

232 Diffusion von Politikinnovationen

Die Erklaumlrung der Ausbreitung von Politikinnovationen wird in der Politikwissenschaft schon seit vielen Jahren untersucht (Tews 2002 Strebel 2012) Die Diskussion bdquover-laumluft innerhalb von zwei dominanten sich gegenseitig uumlberlappenden jedoch nicht iden-tischen Forschungskonzepten ndash der politologischen Diffusionsforschung und der Policy-Transferforschungldquo (Tews 2002) In der Makroperspektive wird von Politikdiffusion gesprochen dh dass allgemein die Entscheidungen einer Kommune von den Politik-entscheidungen anderer Kommunen in einem sozialen und politischen System (zB Deutschland EU) beeinflusst werden Zentrales Kennzeichen ist damit die Interdepen-denz der Entscheidungen Zentrale Erklaumlrungsvariablen sind strukturelle Beziehungen zwischen den Kommunen (zB Kommunikationskanaumlle durch raumlumliche Naumlhe durch Netzwerke uauml) In der Meso-Perspektive wird von Politiktransfer gesprochen dh dem Prozess der konkreten Nutzung von Wissen uumlber bestimmte Politiken (oder auch administrative Ar-rangements Regeln uauml) in einer Kommune bei der Entwicklung von Politiken einer anderen Kommune (Dolowitz und Marsh 1996) Die Uumlbernahme ndash und oft auch der bdquoPolitikexportldquo ndash erfolgen dabei freiwillig intentional und zwecks rationaler Problemlouml-sung Betont werden die kognitiven Prozesse der Selektion und Nutzung von politikre-

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levantem Wissen Auszligerdem spielen staumlrker als im traditionellen Diffusionsansatz Transferagenten und ihre Handlungsmoumlglichkeiten (agency) eine besondere Rolle Die Verbreitung von Politikinnovation erfolgt allerdings nicht immer oder allein auf der Basis von Wissen und gezielten Bemuumlhungen zur Problemloumlsung Betont wurde viel-mehr (vgl Tews 2002 mit weiteren Quellen) dass Informationen (bzw Wissen) uumlber Innovationen im kommunalen Klimaschutz

nicht nur einfach gegeben sind sondern der Prozess der Verbreitung selbst Informa-tionen uumlber Innovationen generiert die wiederum einen sich selbst tragenden (und schwer fassbaren) Verbreitungsprozess nach Erreichen einer kritischen Masse auslouml-sen koumlnnen (sog Policy-Bandwagoning)

dass sich Kommunen auch unabhaumlngig von den von ihnen zu loumlsenden Politikprob-lemen an anderen Kommunen (vor allem Pionieren) orientieren um mit diesen Schritt zu halten anerkannt zu werden oder anderweitig politische Legitimitaumlt zu gewinnen (sog Isomorphismus)

dass nicht-staatliche Akteure vor allem durch ihre Uumlberzeugungsarbeit die Verbrei-tung von als erfolgreich angesehenen Politikinnovationen befoumlrdern und ihre institu-tionelle Verankerung befoumlrdern koumlnnen (sog Normkaskaden)

dass Macht (etwa uumlber finanzielle Ressourcen) und die Moumlglichkeit sie zu bdquoerlangenldquo (zB Verfuumlgbarkeit uumlber Foumlrdermittel von Bundes- oder EU Ebene) Verbreitungs-prozesse erklaumlren koumlnnen die dann als nicht rein freiwillig zu charakterisieren sind

Die neueren Diffusionsansaumltze integrieren diese Erkenntnisse allerdings zunehmend so dass Politikdiffusion als (zugleich offener) Oberbegriff gesehen wird (Tews 2002) Ins-gesamt kann daher ndash rationaler und problemloumlsungsorientierter ndash Politiktransfer als Teil des weiteren Diffusionsprozesses verstanden werden Politikdiffusion beinhaltet nicht das autonome Agieren von Kommunen angesichts aumlhn-licher Bedingungen oder Probleme vor Ort (sog Ko-inzidenz) (Hakelberg 2011 Elkins und Simmons 2005) Unter Politikdiffusion faumlllt uumlblicherweise auch nicht wenn zwei oder mehr Kommunen parallel eine bestimmte Politik deshalb einfuumlhren weil sie formal daruumlber uumlbereingekommen sind zu kooperieren oder bestimmte Verfahren zu harmoni-sieren (sog co-ordination) (Hakelberg 2011) Fuumlr derartige interkommunale Kooperati-onen gibt es im Hinblick auf den Klimaschutz zahlreiche Beispiele (DIFU 2011) Vor-rangig sind hier Kooperationen mit benachbarten Kommunen bzw zwischen Stadt und benachbartem Landkreis(en) zu nennen (zB Gruumlndung eines gemeinsamen Regional-buumlros eines Energiedienstleistungszentrums einer Energieagentur bis hin zur Bildung von Metropolregionen) Gerade fuumlr kleinere Staumldte bietet es sich angesichts geringerer Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab zu orga-

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nisieren (zB uumlber Verwaltungsgemeinschaften Zweckverbaumlnde auf Landkreis- und Regionalebene) Im Vergleich zu Nationalstaaten erscheint es aber weniger zwingend interkommunale Kooperation ganz aus dem Diffusionsbegriff herauszunehmen So be-ruht interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren Selbst wenn derartige Aktivitaumlten in formale Koopera-tionsvertraumlge muumlnden koumlnnen auch im Vorfeld Innovationen angestoszligen werden Nicht unter Politikdiffusion fallen auch die zunehmend haumlufigeren Innovationskoopera-tionen zwischen Stadtwerken die Luumltjen et al (2014) als bewusst aufeinander abge-stimmte Zusammenarbeit oder rechtlich abgesicherte Kooperationen zwischen Stadt-werken ansehen Allerdings koumlnnen sich Politiken zB uumlber Arbeitsgemeinschaften uauml verbreiten an denen auch Stadtwerke beteiligt sind Ein Sonderfall der uumlblicherweise nicht unter Politikdiffusion subsumiert wird tritt au-szligerdem ein wenn Kommunen aufgrund von Zwang und rechtlich bindenden Vorgaben von houmlheren Instanzen parallel oder hintereinander bestimmte Politiken einfuumlhren muumls-sen Allerdings wird in der Regel von Politikdiffusion gesprochen wenn externe Anrei-ze (zB uumlber die nationale Regierung oder die Mitgliedschaft in Organisationen) gesetzt oder als weiches Druckmittel genutzt werden und es der Kommune mehr oder weniger freigestellt bleibt darauf zu reagieren Gerade fuumlr kleinere und bdquoaumlrmereldquo Kommunen kann in diesem Sinne die geographische Naumlhe zu groumlszligeren Kommunen Pionieren in ihrem eigenen Land und gegebenenfalls direkten Staumldtepartnern eine Diffusionsquelle sein Politikinnovationen betreffen im Kontext des kommunalen Klimaschutzes unterschied-liche Elemente von Politiken und iwS Governance-Modi (vgl Abschnitt 222) Ent-sprechend kann konzeptionell auch von verschiedenen Diffusions- oder Transfergraden gesprochen werden (Marsden und Stead 2011) Die Ausnahme bzw der Extremfall ist eine vollstaumlndige Diffusion (Kopie) Haumlufiger dagegen koumlnnten die Ideen hinter einer Politikeines Programms nachgeahmt werden oder als Inspiration genutzt werden Eben-so koumlnnen Kombinationen aus einer Mischung verschiedener Politiken gebildet werden

233 Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion

Die Diffusion von Politiken erfolgt nicht automatisch sondern in Abhaumlngigkeit von unterschiedlichen Faktoren und Prozessen Aus uumlbergeordnetem Blickwinkel ergeben sich Unterschiede von Kommune zu Kommune Unterschiede entsprechend der Typen und Charakteristika der betrachteten Politiken bzw Politikinnovationen und Unter-schiede nach den betrachteten Systemgrenzen des Diffusionsprozesses Haumlufig intera-gieren dabei Politikinnovationen mit technologischen und (anderen) sozialen Innovatio-nen auf spezifische Weise

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Aus dem Blickwinkel der Kommune die Politikinnovationen uumlbernimmt (bdquoEmpfaumln-gerldquo) bedeutet Politikdiffusion dass Faktoren von Bedeutung sind die von auszligen uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihrer Akteure wirken und ihr Handeln beeinflussen Die Empfaumlnglichkeit fuumlr Politikinnovationen haumlngt je-doch gleichermaszligen von internen Determinanten der Kommune (bzw des Stadtwerkes) ab Umgekehrt kann auch eine Kommune (bzw deren kollektive Akteure) von der Poli-tikinnovationen ausgehen (bdquoSenderldquo) bestimmte Charakteristika aufweisen Im folgen-den sollen einige generalisierende Aussagen dazu gemacht werden Sie beduumlrfen jedoch der naumlheren Klaumlrung im Kontext der konkret zu untersuchenden Politiken und der Cha-rakteristika der Politikinnovation Bestimmte Innovationen (zB Konzepte Ideen vs bdquoharteldquo Maszlignahmen) duumlrften sich schneller oder leichter ausbreiten als andere Hierbei spielt die zugrundliegende Problemstruktur und die politische und technische Machbar-keit eine wichtige Rolle (Tews 2002) Typische interne Determinanten fuumlr klimapolitisches Handeln sind zunaumlchst Faktoren der bdquoMotivationldquo der handelnden kommunalpolitischen Akteure bzw Faktoren die die Bedingungen ihres Handelns beeinflussen Dazu zaumlhlen das Bewusstsein der Schluumlsselakteure im Hinblick auf die Bedeutung von Klima-

schutz Versorgungssicherheit etc ihre generelle Einstellung zu (mit Innovationen verbundenem) Risiken und Chancen ggf ihre parteipolitische Ausrichtung bzw die entsprechende Ausrichtung des Stadt-

rats Ressourcen finanzieller und personeller Art sowie Expertise der Einfluss von lokalen Interessengruppen bzw iwS die intraregionalen oder loka-

len Kraumlfteverhaumlltnisse der Wahlzeitpunkt und ggf andere situative Faktoren die Rolle uumlbergeordneter Rahmenbedingungen wie EU- bundes- und landesrechtli-

che Vorgaben Energiepreise uauml spezifische lokale Gegebenheiten wie etwa Wirtschafts- und Bevoumllkerungsstruktur

natuumlrliche und geographische Faktoren etc die bestehenden Formen horizontaler Zusammenarbeit in der Verwaltung und die

Interaktion mit anderen Politiken der Kommune die energie- und klimapolitische Aktivitaumlten tangieren

Eine weitere wichtige interne Determinante stellt das Ausmaszlig der Kontrolle und des Einflusses der Kommune auf die energiewirtschaftlich bedeutsamen Stadtwerke dar

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(falls vorhanden) Dieser (unterschiedliche) Einfluss aumluszligert sich in finanzieller vertrag-licher aber auch personeller Hinsicht (Bielitza-Mimijaumlhner 2007) Ebenso ist eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk moumlglich Dies kann in Form eines neu gegruumlndeten und regional verorteten Unternehmens erfolgen das in erneuerbare Energien investiert Ebenso vorhanden sind Kooperationen in Form von Arbeitsgemeinschaften unterschiedlicher Auspraumlgung Schlieszliglich gibt es einige strate-gische Partnerschaften im Rahmen der Rekommunalisierung der Energieversorgung (DUH und Ifas 2014)9 Allerdings ist das Interesse der Stadtwerke sich fuumlr den kommunalen Klimaschutz ein-zusetzen unterschiedlich stark ausgepraumlgt (zB auch in Abhaumlngigkeit von vorhandenem Erzeugungspotenzial marktstrategischer Ausrichtung etc) Insofern ergeben sich auch innerhalb einer Kommune potenziell komplexe Interaktionen zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsmotiven bzw ndashlogiken (oumlffentliches vs privates Interesse lokales vs uumlberregionales Agieren verschiedene Organisationskulturen etc) Allgemein kann eine Kommune als mehr oder weniger offen nach auszligen charakterisiert werden Insofern kann auch eine Kommune bei der gute interne Voraussetzungen fuumlr klimapolitisches Handeln bestehen oder die bereits klimapolitisch besonders aktiv ist wenig geneigt sein Ideen Praktiken Konzepte uauml von anderen Kommunen zu uumlber-nehmen Andererseits kann auch erst durch den Verweis auf andere Kommunen die Klimaschutzaktivitaumlten vor Ort eine besondere Handlungsrelevanz erhalten Eine wich-tige Rolle spielen dabei die jeweils unterschiedlichen Wissensordnungen (Abschnitt 21 Heinelt und Lamping 2015) Generell gut duumlrften die Beziehungen nach auszligen sein wenn klimapolitisches Handeln sich bereits in einem aus mehreren Akteuren (Verwal-tung Wirtschaft Zivilgesellschaft etc) bestehenden Netzwerk ausdruumlckt (Muumlller 2014 S 79) Uumlber unterschiedliche Zugehoumlrigkeiten und Mitgliedschaften (zB bundesweit agierendes Unternehmen in Verband organisiertes Stadtwerke etc) ergeben sich hierbei neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Welche Fak-toren (wie zB Charakteristika des Netzwerks Stellung von Schluumlsselakteuren) und vor allem in welchem Ausmaszlig einzelne Faktoren zu Wissensdiffusion und Wissensspillo-ver-Effekten fuumlhren ist bisher aber noch nicht hinreichend untersucht (Dopfer et al 2011)

9 Daneben bestehen Kooperationen und Verbuumlnde zwischen Stadtwerken (zB vom bloszligen Erfahrungs-

und Informationsaustausch uumlber lose PartnerschaftenArbeitsgemeinschaften uumlber strategische Part-nerschaften gemeinsamen Bau und Betrieb von bzw Beteiligung an Energieumwandlungsanlagen bis zur Gruumlndung neuer Unternehmen) Haumlufig konzentrieren sich diese auf das naumlhere raumlumliche Umfeld (Rottmann 2013)

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Politikinnovationen wirken generell uumlber verschiedene Mechanismen und Kanaumlle auf die Kommune und ihre Akteure und beeinflussen ihr Handeln Die Literatur der Politik-diffusion unterscheidet typischerweise drei Mechanismen der Diffusion Lernen Nach-ahmung und Wettbewerb Lernen ist idR der wichtigste Mechanismus Hierbei wer-den Schlussfolgerungen aus Erfahrungen anderer Kommunen gezogen in dem der Pro-zess der Adaption von Politiken in anderen Kommunen und deren Wirkungen (Kosten Nutzen) beobachtet und rational bewertet wird (Anygier und Szulecki 2014 Skipan und Volden 2008) Grundlage bilden demnach (idR unvollstaumlndige) Informationen und Heuristiken uumlber das Handeln anderer Kommunen Beguumlnstigt wird Lernen haumlufig durch raumlumliche und kulturelle Naumlhe sowie strukturelle Aumlhnlichkeiten zwischen den Kommunen Bei der Betrachtung von Politiktransfers kann Lernen als autonomer Pro-zess angesehen werden bei dem nach passenden Loumlsungen andernorts gesucht wird aber die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Strebel 2012) Nachahmung setzt dagegen ab einer bestimmten kritischen Masse von Vorlaumluferkom-munen an und basiert auf dem Wunsch der Entscheidungstraumlger bestimmten Normen und Ideen anderer (fuumlhrender) Kommunen (bzw der dortigen Akteure) zu entsprechen Es kann der Legitimitaumltsbeschaffung dienen oder aus dem Konformitaumltsdruck Gleichge-sinnter resultieren Nachahmung kann auch aus politisch-strategischen Uumlberlegungen ohne konkretem Problemdruck oder ohne Bereitschaft zu Veraumlnderungen vor Ort er-klaumlrbar sein (symbolische Politik) Politiken anderer Kommunen werden also beobach-tet und nachgeahmt um wie sie auszusehen Nachahmung kann oft als halb-autonomer Transferprozess angesehen werden da die Uumlbernahme von Politiken von Vorbildern als quasi unausweichlich empfunden wird10 Wettbewerb um knappe Ressourcen dient dazu Vorteile gegenuumlber anderen Kommunen zu erringen oder Nachteile zu vermeiden Dies kann sich einerseits auf Marktanteile gute Investitionsbedingungen uauml fuumlr ortsansaumlssige oder ansiedlungswillige Unterneh-men oder neue Wertschoumlpfungs- und Beschaumlftigungsmoumlglichkeiten beziehen undoder auf dem Wunsch auf uumlbergeordneter Ebene die Politikentwicklung zu praumlgen und als Vorreiter Trends zu setzen (Hakelberg 2011) Politischer Wettbewerb hat auch oft den Charakter eines Wettbewerbs um Titel und Preise mit dem die eigene Attraktivitaumlt do-kumentiert das Stadtimage gepflegt und die eigene Vorreiterrolle unterstrichen wird (zB Smart City Green Capital uauml) Auf diese Weise kann der (horizontale oder verti-kale) Transfer von Politikinnovationen befoumlrdert werden (Heinelt und Lamping 2014) Zugleich bleibt Wettbewerb allerdings in Deutschland auf freiwillige Klimaschutzmaszlig-nahmen beschraumlnkt da Wettbewerb ansonsten durch die verfassungsrechtlichen Vorga-ben im deutschen Verbundfoumlderalismus beschraumlnkt wird Folglich gibt es Wettbewerb

10 Dabei ist die Klassifikation als Politiktransfer umstritten

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im wirtschaftlichen und politischen Bereich Insbesondere bei Wettbewerb im wirt-schaftlichen Bereich erscheint (auch im Gegensatz zu den anderen Mechanismen) die Bedeutung raumlumlicher Naumlhe fuumlr die Diffusion am wenigsten zwingend zu sein Die Mechanismen Lernen Nachahmung und Wettbewerb koumlnnen gleichzeitig auftreten sich uumlberlagern und sich uumlber die Zeit veraumlndern So kann zB Nachahmung auch darin muumlnden im Wettbewerb mit anderen besser zu werden Wenig untersucht sind bislang das Zusammenspiel der Mechanismen mit den Charakteristika von Politikinnovationen (Jordan und Huitema 2014b) Seyfang und Haxeltine (2012) betrachten allerdings spe-zielle Mechanismen der Diffusion von Nischen- bzw Graswurzelinnovationen also einem Teilbereich sozialer Innovationen Die von ihnen als konzeptionelle Stuumltze vor-gebrachten Mechanismen oder Optionen koumlnnen als eine Kombination der soeben be-schriebenen Mechanismen verstanden werden Ihr Blick richtet sich dabei auf das Po-tenzial zu Veraumlnderungen auf der Ebene des bdquouumlbergeordnetenldquo Regimes Die erste Moumlg-lichkeit besteht in der Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen Ni-sche so dass durch viele kleine Aktivitaumlten Aumlnderungen im Aggregat ausgeloumlst werden koumlnnen So breiten sich zum Beispiel Buumlrgersolaranlagen jenseits der Foumlrderregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch Lernen und Nachahmungsprozesse in Netz-werken (zB in Solarenergie-Foumlrdervereinen) aus Dabei koumlnnen wiederum im Zusam-menwirken mit der Kommunalpolitik unterschiedliche Diffusionsbedingungen auftreten (zB Installation auf kommunalen Gebaumluden bei unterschiedlichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Kommune zu Kommune) Replikation kann eben-so mit wettbewerbsaumlhnlichen Mechanismen verknuumlpft sein (zB im Rahmen der sog Solarbundesliga) Eine zweite Moumlglichkeit besteht darin dass die die Nische konstituie-renden Projekte und ihre Teilnehmer wachsen (Skalierung) Dies ist im energiepoliti-schen Kontext etwa der Fall wenn aus einem Aktivistennetzwerk ein professioneller Oumlkostromanbieter entsteht und dieser eine zunehmende Zahl an Kunden bzw Mitglie-dern an sich zieht Hierbei kann der Kundenzuwachs auf Nachahmung basieren aber auch durch politisches Lernen beguumlnstigt sein wenn der Oumlkostromanbieter seinen geo-graphischen Aktionsradius erweitert Eine dritte Moumlglichkeit ist schlieszliglich darin zu sehen dass Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo verankert werden (Translation) Das Regime uumlbernimmt etwa Nischenideen uumlber Regulierungen (zB Beguumlnstigung von Buumlrgerenergieanlagen im EEG) oder durch Intervention von Inter-mediaumlren Allerdings kann es zum Aufeinandertreffen fundamental unterschiedlicher Wertvorstellungen Ideen oder Praktiken kommen Ggf kann dies durch eine Anpas-sung von Nischen (bzw dortiger Praktiken etc) an den Mainstream erleichtert werden Allerdings kann dies wiederum zu einem Zielkonflikt fuumlhren wenn die Loumlsungen die diffundieren nicht mehr (hinreichend) mit den urspruumlnglichen Nischeninnovationen uumlbereinstimmen

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Politikdiffusion und ndashtransfer (vor allem in Form von Lernen und Nachahmung) erfol-gen nicht im luftleeren Raum sondern uumlber bestimmte Kanaumlle des Austausches und der Kommunikation Laut Difu (2011) sind erfolgreiche Klimaschutzstrategien oftmals Er-gebnis eines intensiven Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen (bilateral) bzw im Mehrebensystem (multilateral) und koumlnnen daruumlber hinaus zu Kooperationen zwischen Staumldten Gemeinden oder Kreisen fuumlhren (ua regionale Stadt-Umland Kooperationen Klimaallianzen) Die bloszlige Diffusion von Informationen wird uumlber internetgestuumltzte Datenbanken Leit-faumlden und Handlungsanleitungen zur Erarbeitung und Umsetzung von Energie- und Klimaschutzkonzepten erleichtert Unterstuumltzt wird dies indem die Machbarkeit und Umsetzbarkeit (und ggf deren Grenzen) anhand von sog Good Practice oder Best- Practice Beispielen verdeutlicht wird (BBSR 2009) Allerdings handelt es sich nicht wirklich um eine Form der Kommunikation und des Austausches So werden haumlufig die Details und Kontextbezuumlge (spezielle Problemzusammenhaumlnge aufzuwendende Res-sourcen Umsetzungshemmnisse etc) in derartigen Beispielfaumlllen vernachlaumlssigt Insbe-sondere faumlllt es schwer kontextuelles und implizites Wissen (tacit knowledge) explizit zu machen Auch die politische Dimension des Prozesses der Erstellung und Implemen-tierung von Energie- und Klimaschutzkonzepten wird haumlufig unterbelichtet Die Diffu-sion von Informationen kann Lern- und Transferprozesse somit im guumlnstigen Fall unter-stuumltzen (zB bei der Weitergabe bestimmter Methoden Techniken Verfahrensregeln uauml) Sie kann gegebenenfalls aber auch die Umsetzung andernorts erschweren etwa wenn die eigenen Schwachstellen nicht identifiziert wurden Somit koumlnnen auch falsche Schlussfolgerungen bzgl der Validitaumlt und Funktion von Best oder Good-Practice ge-zogen werden (Stead 2013) Weiterreichend sind Transferhilfen und Beratungen die von zentraler Stelle bereitge-stellt werden (zB Service- und Kompetenzzentrum bdquoKommunaler Klimaschutzldquo beim Deutschen Institut fuumlr Urbanistik) Sie koumlnnen als Vermittlungsinstitutionen aufgefasst werden (Tews 2002 S 17) Zu nennen ist auch eine Vielzahl an Gremien (Arbeits-gruppen Arbeitskreise) mit Vertretern der Kommunen auf Landes- und Bundesebene die kontinuierlich und themenspezifisch zusammenkommen und Hinweise und Empfeh-lungen (auch fuumlr Dritte) erarbeiten (Difu 2011) Einen direkten fachlichen und persoumlnlichen Austausch unter Kollegen ermoumlglichen schlieszliglich Informationsveranstaltungen und Konferenzen sowie Vor-Ort-Besuche Hinzu kommen Fortbildungsveranstaltungen und (haumlufig uumlber Landesmittel gefoumlrderte) Schulungen und Beratungen (zB uumlber Energieagenturen) Nach Difu (2011) wird der Rat von (bzw iwS die Beratung durch) Praktiker(n) die mit aumlhnlichen Aufgaben befasst sind oft leichter anerkannt als wissenschaftliche Infor-

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mationen die von Experten auszligerhalb der kommunalen Praxis stammen Den Erfahrun-gen von vertrauenswuumlrdigen Gleichgesinnten wird auch idR ein groumlszligerer Wert als Good-Practice-Leitfaumlden beigemessen (Stead 2013) Eine spezielle Moumlglichkeit des Wissenstransfers stellen schlieszliglich noch Schluumlsselakteure dar die in mehreren Kom-munen aktiv sind bzw von Kommune zu Kommune bdquowandernldquo Fachlicher Austausch und Diskurse koumlnnen zur Herausbildung von epistemischen Ge-meinschaften und Fuumlrsprecherkoalitionen (advocacy-coalitions) fuumlhren die eher bdquovon untenldquo zu einem Durchsickern politischer Neuerungen beitragen Epistemische Gemein-schaften sind Expertennetzwerke mit gemeinsamem Problemverstaumlndnis zu einem be-stimmten Thema Sie koumlnnen die diskursiven Grenzen politischer Problemstellungen abstecken und einen fachlichen Konsens entwickeln (Haas 1992) Fuumlrsprecherkoalitio-nen beinhalten ein breiteres Akteursspektrum (Nicht-Regierungsorganisationen Ge-werkschaften Medien ua) (Sabatier 1993) Sie sind staumlrker normativ ausgerichtet und wollen uumlberzeugen unterbreiten aber haumlufig auch politisch-strategisches Deutungs- und Handlungswissen (zB in Form eigener Studien uauml) Die Staumlrke von Nicht-Regierungsorganisationen liegt dabei darin dass sie nicht in feste Hierarchien und Strukturen eingebunden sind und - im Vergleich zu Politikern - auch nicht vergleichba-ren Zeitrestriktionen sowie Machterhaltungsrestriktionen ausgesetzt sind (Voszlig et al 2003) Fuumlr einzelne Kommunen als Empfaumlnger von Politikinnovationen kann Experten- und Handlungswissen uumlber Politikberatung kontextualisiert bzw uumlber Politikberater vermit-telt werden Dies kann durch Kampagnen und Veranstaltungen insbesondere von Nicht-Regierungsorganisationen begleitet werden Dabei koumlnnen einzelne Buumlrger auch mehr oder weniger eine wichtige Rolle spielen Einen weiteren Kanal bilden Kontakte zwi-schen Kommunen und ihren Akteuren uumlber parteipolitische Zusammengehoumlrigkeit (bdquoideologische Diffusionldquo) Unter den Diffusionsmechanismus Wettbewerb fallen schlieszliglich Foumlrdermaszlignahmen von houmlherer Ebene (oder Dritten wie Stiftungen) fuumlr als fortschrittlich erachtete Ener-gie- und Klimaschutzkonzepte bzw ndashmaszlignahmen Ebenso werden eine Vielzahl an Preisen und Titel verliehen Vor allem letztere dienen einerseits der (weiteren) Bewusst-seinsbildung innerhalb der Kommune oder gehen mit weiteren Klimaschutzmaszlignahmen und ggf strukturellen Reformen einher (zB in der administrativen Problembearbei-tung) Sie sind aber auch ein Mittel der Selbstdarstellung nach innen und auszligen und koumlnnen bisherige Politikansaumltze legitimieren oder gar immunisieren (Heinelt und Lam-ping 2015) Eine spezielle Form von Wettbewerb die auf Uumlbertragbarkeit zielt stellen schlieszliglich gefoumlrderte Modellvorhaben dar (Einig 2011) Sie beinhalten gleichzeitig eine starke bdquodiskursive Interaktionsorientierungldquo mit bzw uumlber die involvierten Berater Generell kann Beratung und Evaluierung nicht nur mit Lernen sondern auch mit Wett-

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bewerb verbunden sein So sind sie in der Auszligendarstellung eine Moumlglichkeit sich mit anderen Kommunen zu vergleichen und ggf eine Vorreiterrolle zu reklamieren (Heinelt und Lamping 2015) Am weitreichendsten sind zumindest in der Breite uumlber mehrere Kommunen regionale nationale oder internationale Netzwerke und Buumlndnisse zwischen Kommunen Sie sind oft die Basis fuumlr uumlberregionale Projekte und Kooperationen (Fichter 2008 S 54) Dies-bezuumlglich gibt es derzeit verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen (vgl Abschnitt 221 BBSR 2009 Difu 2011) Ebenfalls stark institutionalisiert sind kommunale Verbaumlnde (zB Verband kommunaler Unternehmen mit 1430 Mitgliedern Deutscher Staumldtetag Bayrischer Staumldtetag etc) Auf diesem Wege werden Erfahrungen zwischen Kommunen ausgetauscht gemeinsa-me Dienstleistungen genutzt und gemeinsame Positionen gegenuumlber der (Bundes-)Politik formuliert

24 Zwischenfazit

Innovationen im politischen Bereich auf kommunaler Ebene die fuumlr kommunalen Kli-maschutz bzw eine kommunale Energiewende nutzbar gemacht werden koumlnnen und sich von Vorreiter- zu Nachzuumlglerkommunen verbreiten koumlnnten haben bislang in der Literatur wenig Beachtung gefunden In diesem Kapitel wurde das Thema schrittweise eingegrenzt und konkretisiert Politikinnovation und -diffusion abgegrenzt und deren Determinanten Mechanismen und Kanaumlle anhand der politikwissenschaftlichen Litera-tur verortet Dabei bleiben viele Fragen offen die es empirisch naumlher zu klaumlren gilt (zB hinsichtlich der Rolle verschiedener Arten und Charakteristika von Politikinnovationen ihrer Beziehung zu verschiedenen Diffusionsmechanismen etc) Fuumlr den empirischen Teil dieses Arbeitspakets sind unterschiedliche Fallstudienstaumldte ausgewaumlhlt worden Muumlnchen als Groszligstadt mit national und international vergleichs-weise ambitionierten energie- und klimapolitischen Aktivitaumlten Schoumlnau als baden-wuumlrttembergische Pioniergemeinde bei der Nutzung erneuerbarer Energien und uumlber die Stadtwerke Schoumlnau mittlerweile professionell agierender und bundesweit relevanter energiepolitischer bdquoAkteurldquo sowie Regensburg als mittelgroszlige eher industriell gepraumlgte Stadt die in puncto Energieversorgung auszligerhalb des staumldtischen Fachdiskurses bislang wenig Aufmerksamkeit erzeugt hat Zu erwarten ist dass diese Staumldte in der Umsetzung der mit der Energiewende verfolgten Zielsetzungen unterschiedlich weit fortgeschritten sind und unterschiedliche politische Strategien und Ziele verfolgen Letzteres gilt nicht nur im Hinblick auf Politiken fuumlr die Stadt selbst sondern auch im Hinblick auf die Be-ziehungen zur bdquoAuszligenweltldquo Prinzipiell denkbar ist dass die Staumldte bzw wesentliche

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Schluumlsselakteure als bdquoEmpfaumlngerldquo oder bdquoSenderldquo von (bestimmten) Politikinnovationen agieren Daraus lassen sich wiederum Vernetzungen zu anderen Staumldten oder Gover-nance-Ebenen herstellen die empirisch betrachtet werden koumlnnen

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3 Empirische Fallstudien

31 Schoumlnau im Schwarzwald

311 Einleitung

Schoumlnau ist eine Kleinstadt im suumldlichen Schwarzwald und mit ihren rund 2400 Ein-wohnern die mit Abstand kleinste der drei hier betrachteten Fallstudienstaumldte Wirt-schaftlich ist Schoumlnau von der historisch gewachsenen Buumlrstenindustrie sowie dem Tourismus gepraumlgt politisch ist es wie haumlufig im laumlndlichen Baden-Wuumlrttemberg tradi-tionell konservativ ausgerichtet Bemerkenswert ist Schoumlnau weil die Gemeinde mit ihren Elektrizitaumltswerken seit den fruumlhen 1990er Jahren als Pionier der Energiewende gilt und seitdem weit uumlber die Ge-meindegrenzen hinaus energiepolitische Strahlkraft entwickelt hat Die Kommune kann als Vorreiter einer innovativen oumlkologieorientierten dezentral und buumlrgerschaftlich ausgerichteten bzw betriebenen Energieversorgung betrachtet werden Zum Verstaumlndnis der Auszligenwirkung von Schoumlnau werden im folgenden zunaumlchst die Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo dargestellt (Abschnitt 312) Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure und Akteurskonstellationen Auf der Basis der durchgefuumlhrten Interviews und des konzeptionellen Rahmens (Kapitel 2) werden daraufhin Politikinnovationen in Schoumlnau und deren Diffusion naumlher betrach-tet wobei jeweils bestimmte innovative Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo in ihrem Diffusionsverlauf beruumlcksichtigt werden (Abschnitt 313) Im Fall von Schoumlnau steht dabei das Zusammenspiel von Politikinnovationen mit neuen sozialen Praktiken im Vordergrund Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

312 Geschichte und die Grundstrukturen des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo

Bundesweit bekannt wurde Schoumlnau Ende der 1980er Jahre (im folgenden insbesondere Graichen 2003 Ernst et al 2013) Als Folge der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden in Schoumlnau ndash so wie uumlberall in der Bundesrepublik - aus der Besorgnis uumlber die Unfallfolgen heraus Aktionskreise Die Schoumlnauer Initiative war zunaumlchst eine Selbsthilfegruppe die Ziele wie Informationsaustausch oder die Beschaf-fung unbedenklicher Nahrungsmittel hatte Im Laufe des Jahres 1986 loumlsten sich deutschlandweit zahlreiche Aktionskreise wieder auf In Schoumlnau aber ging aus der oumlrtlichen Anti-Atom-Initiative ndash vor allem dank des Engagements der Pioniere Ursula und Michael Sladek - die Buumlrgerinitiative (BI) bdquoEltern fuumlr atomfreie Zukunft EfaZldquo hervor die zur Keimzelle der bdquoSchoumlnauer Bewegungldquo werden sollte Ziel der BI war es den Atomausstieg zunaumlchst lokal aber auch auf Bun-

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desebene voranzutreiben Im ersten Schritt sollten die damals rund 40 des Stroms nuklearen Ursprungs die in Schoumlnau verbraucht wurden eingespart bzw durch regene-rativen Strom (insbesondere Wasserkraft) bzw KWK-Strom ersetzt werden Dabei hatte die BI zunaumlchst den kooperativen Weg eingeschlagen und versucht die ei-genen Vorstellungen innerhalb des vorhandenen Rahmens unter Einbeziehen der betei-ligten Akteure vor allem des damaligen Energieversorgers KWR (Kraftuumlbertragungs-werke Rheinfelden AG)11 zu erreichen Konkret wurde von der BI eine Reihe von For-derungen an die KWR herangetragen Zunaumlchst sollte ein linearer Stromtarif der Anrei-ze zum Stromsparen liefern wuumlrde anstelle einer pauschalen monatlichen Abrechnung treten Ebenso sollten AKW-Beteiligungen abgestoszligen werden Gleichermaszligen sollte der Netzbetreiber eine geringe Einspeiseverguumltung fuumlr Fotovoltaikanlagen bezahlen oder zumindest deren Anschluss erleichtern Doch es wurde schnell klar dass die Posi-tionen zu weit auseinander lagen Die KWR war nicht zu solch massiven Veraumlnderun-gen in ihrer absatzorientierten Geschaumlftspolitik bereit und eine Einigung war nicht zu erwarten Im naumlchsten Schritt aumlnderte die BI ihre Strategie und begann nach Wegen zu suchen die Politik in die Pflicht zu nehmen um die energiepolitische Regulierung auf landes- und bundespolitischer Ebene in ihrem Sinne beeinflussen zu koumlnnen Konkrete Ziele waren der Vorrang fuumlr die Einspeisung regenerativen Strom sowie Stroms aus BHKWs und der Ausstieg aus der Nuklearenergie Doch auch hier waren ndash trotz der nationalen Aufmerksamkeit die Schoumlnau inzwischen auf sich gezogen hatte ndash binnen 2 -3 Jahren kaum greifbare Ergebnisse erzielt worden In der Folge kam es zu einer neuen politischen Schwerpunktsetzung Die Zukunft der Energieversorgung sollte konkret vor Ort reorganisiert werden Zu diesem Zweck sollte das oumlrtliche Stromnetz gekauft und betrieben werden um auf diese Weise die Stromver-sorgung dezentral und verstaumlrkt uumlber erneuerbare Energien auszugestalten Gegenuumlber dem bislang vertretenen radikalen Anti-Atom Ziel erfolgte zugleich eine groumlszligere Oumlff-nung zu Schoumlnauer Buumlrgern zur Kommunalpolitik (insbesondere zu den Freien Waumlh-lern) und weiteren Institutionen wie lokalen Kirchengemeinden (Netzwerkbildung) Damit wendete sich die BI weniger gegen ihr sozio-kulturelles und institutionelles Um-feld um nicht etwa als Bedrohung wahrgenommen zu werden sondern agierte durch ihre politischen Ziele gegen das uumlbergeordnete in sich weitgehend geschlossene oligo-polistische Energiesystem (David und Schoumlnborn 2014) Die BI begann in der Folge sich intensiv mit dem Thema bdquoKonzessionsvertraumlge und deren Vergabeldquo zu befassen Am 30111990 wurde die Netzkauf Schoumlnau GbR gegruumlndet und damit der BI eine festere organisationale Struktur gegeben Uumlber Buumlrger aus Schoumlnau und Umgebung die

11 Die KWR hatte das Stromnetz im Rahmen der Privatisierung 1974 erworben

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sich mit einem geringen Betrag am Unternehmen beteiligten sollte 1994 die Uumlbernah-me des Stromnetzes gelingen Angesichts einer anstehenden vorzeitigen Verlaumlngerung des Konzessionsvertrages mit Zusatzeinnahmen fuumlr die Gemeinde aus einer houmlheren Konzessionsabgabe stand jedoch die BI ploumltzlich zwei Jahre fruumlher als erwartet unter Zugzwang Binnen kurzer Zeit konnten jedoch von der Gesellschaft bereits 282 Anteils-eigner mit Garantien von jaumlhrlich uumlber 32000 DM gewonnen werden so dass die er-wartete Konzessionsabgabenausgleichszahlung in Houmlhe von 25000 DM gedeckt war Dennoch beschloss der Gemeinderat am 871991 mit 76 Stimmen die vorzeitige Ver-laumlngerung des Konzessionsvertrages mit der KWR Die Netzkauf GbR und ihre Mit-streiter kuumlndigten umgehend ein im baden-wuumlrttembergischen Kommunalrecht moumlgli-ches Buumlrgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss an So konnten genuumlgend Unterschriften gesammelt werden um einen Buumlrgerentscheid gegen die vorzeitige Kon-zessionsvertragsverlaumlngerung zu erzwingen und diesen schlieszliglich auch fuumlr sich ent-scheiden Damit wurde der Konflikt uumlber die Zukunft der Energieversorgung auf ein basisdemokratisches Niveau uumlbertragen (Sladek 2015) Zugleich sorgte die Moumlglich-keit gemeinsam ein politisches Ziel zu erreichen fuumlr erhebliche Motivation unter den beteiligten Akteuren Der Erfolg und die Symbolkraft der Buumlrgerentscheide brachte der Netzkauf GbR auch bundesweit erhebliche Beachtung als bdquoStromrebellenldquo in den Medi-en und oumlffentliche Legitimation ein In der Folge war auch mit Einbindung von wohlge-sonnenen Experten aus dem Bundesgebiet die Vertrauen in die beharrlichen Vorarbei-ten der Schoumlnauer Pioniere gefasst hatten eine intensivere Vorbereitung auf den Netz-kauf moumlglich Am 1611994 gruumlndete die Gesellschafterversammlung der Netzkauf GbR die bdquoElektri-zitaumltswerke Schoumlnau GmbH (EWS)ldquo Die EWS sollte ein bdquoUnternehmen der zweiten Generationldquo sein das vornehmlich an dem Verkauf von Energiedienstleistungen inte-ressiert ist anstatt bestrebt zu sein Strom aus eigenen Anlagen abzusetzen In den Un-ternehmensleitlinien verpflichtet sich die EWS bdquoeinen aktiven Beitrag zum schnellst-moumlglichen Ausstieg aus der Atomenergie und zur Verhinderung der von Menschen ver-ursachten Klimaveraumlnderungenldquo zu leisten Die EWS hat als Unternehmensziel bdquodas oumlrtliche Energiekonzept umzusetzen Stromtarife zu linearisieren und BHKW-Strom zu den vermiedenen Strombezugskosten zu verguumltenldquo (Graichen 2003) Offen blieb indes ob das neu gegruumlndete Unternehmen dessen Fuumlhrung nicht aus Fachleuten sondern aus BI-Aktivisten ndash einem Arzt (Michael Sladek) und einem Polizisten (Rolf Wetzel) ndash be-stand der Aufgabe die oumlrtliche Stromversorgung zuverlaumlssig zu gewaumlhrleiten gewach-sen sein wuumlrde So musste die EWS um die Genehmigung nach sect5 des Energiewirt-schaftsgesetzes erteilt zu bekommen Nachweise uumlber die Versorgungssicherheitsgaran-tie sowie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens liefen Die Gruumlndung einer GmbH und damit staumlrker hierarchische Organisationsstrukturen die Anstellung von Fachexper-

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ten und die Aneignung von Fachkompetenzen (auch uumlber die uumlberregionalen Netzwerk-aktivitaumlten) war dann auch ein wichtiger Schritt der Professionalisierung Die Professio-nalisierung wiederum staumlrkte ndash trotz kritischer Toumlne bei manchen Aktivisten ndash die Glaubwuumlrdigkeit gegenuumlber regionalen Partnern aus Politik und Wirtschaft (Ernst et al 2013) Sowohl die KWR als auch die EWS bewarben sich schlieszliglich 1994 um die Stromkon-zession Es folgte eine lange Diskussion uumlber Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Ver-sorgungssicherheit der Stromversorgung und eine erhebliche Verzoumlgerung der Ent-scheidungsfindung uumlber die Konzessionsvergabe Letztendlich wurde im November 1995 beschlossen den Schoumlnauer Buumlrger in einem zweiten Buumlrgerentscheid im Maumlrz 1996 uumlber die Konzessionsvergabe befinden zu lassen Die Buumlrger entschieden sich nach intensivem Wahlkampf mit knapper Mehrheit fuumlr die EWS Allerdings musste daraufhin das Geld fuumlr den Netzkauf aufgebracht werden Angesichts uumlberhoumlhter Forderungen der KWR und dem Wunsch den Netzbetrieb nicht durch lang-wierige Gerichtsverfahren zu verzoumlgern verfolgte die EWS eine innovative Strategie Die fehlenden etwa 4 Mio DM sollten mithilfe eine Spendenkampagne akquiriert wer-den Hierfuumlr wurde eine Stiftung ndash bdquoNeue Energieldquo ndash gegruumlndet und mithilfe einer der BI seit Jahren verbundenen Bank (GLS Bank in Bochum) prominenten Personen des oumlffentlichen Lebens der Unterstuumltzung wichtiger Umweltschutzverbaumlnde und einer pro-fessionellen Werbeagentur die sich ehrenamtlich fuumlr die EWS engagierte erheblicher Druck und bundesweit enorme Resonanz erzeugt (sog Stoumlrfall-Kampagne) Innerhalb kurzer Zeit konnten Spenden in Houmlhe von uumlber 2 Mio Euro gesammelt werden und in einem Netzkauf-Fonds eingespeist werden Buumlrgerbeteiligung wurde damit zur Basis unternehmerischer und finanzieller Unabhaumlngigkeit (David und Schoumlnborn 2014) Zu-gleich reduzierte die KWR ihre Kaufpreisforderung ganz erheblich (von 87 Mio DM auf 57 Mio DM) Da sie damit rechnet die verbleibende Eigenkapitalluumlcke noch schlieszligen zu koumlnnen beantragt die EWS die Genehmigung nach sect 5 des Energiewirt-schaftsgesetzes Die Genehmigung wurde dann am 2561996 tatsaumlchlich erteilt nach-dem die Kapitalluumlcke durch eine Buumlrgschaft geschlossen werden konnte Damit war 10 Jahre nach Gruumlndung der ersten Anti-Atom-Buumlrgerinitiative in Schoumlnau das Ziel der Uumlbernahme der lokalen Energieversorgung erreicht und der Betrieb konnte Anfang 1997 starten Im Zuge eines Gerichtsverfahrens wurde zudem 2004 der Netzkaufpreis ruumlckwirkend auf 37 Mio festgesetzt Im Zuge der Strommarktliberalisierung ab 1998 wurde fuumlr die EWS jenseits der nahezu vollstaumlndigen Kundenversorgung im eigenen Netz ein schrittweiser Markt etabliert (im folgenden vor allem Sladek 2015) Mithilfe externer Dienstleister (und spaumlter einer eigenen EDV) wurde ein bundesweiter Oumlkostromvertrieb moumlglich Die Basis fuumlr diese bundesweite Expansion war die Bekanntheit der EWS aus der Spendenkampagne und

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ihr dadurch aufgebautes Image Zudem dienten fruumlhe Kunden als Multiplikatoren die weitere Kunden warben bdquoDer oumlkonomische Erfolg der EWS Vertriebs GmbH erwaumlchst zu einem nicht unbedeutenden Teil aus der Unternehmensgeschichteldquo (Sladek 2015) Waumlhrend der bundesweite Ausbau erneuerbarer Energien dann ab 2000 uumlber das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG) auf eine breite Basis gestellt wurde und die generelle Stoszligrichtung der EWS stuumltzte wurden von der EWS bereits 1998 fuumlr regenerative buumlr-gerbetriebene Stromerzeugungsanlagen aus Fotovoltaik und Kraft-Waumlrme-Kopplung der garantierte Zugang und garantierte Einspeiseverguumltung gewaumlhrt (vgl zu aumlhnlichen fruumlhen Modellen Jacobson und Lauber 2006) Bis heute existiert - uumlber das EEG hinaus - mit dem sog bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo eine zusaumltzliche Einspeiseverguumltung die von den Kunden der EWS finanziert wird (05 ndash 2 ctkWh) und der Errichtung innovativer dezentraler Erneuerbare-Energien (EE) - Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden dient aber auch fuumlr politische Kampagnen und die Bildungsarbeit eingesetzt wird In der Gasversorgung entstand im Laufe der Zeit ein Angebot fuumlr Baden-Wuumlrttemberg das dann in der Folge auf Bayern und Bremen ausgeweitet wurde Beim Netzbetrieb konnte die Netzkauf EWS weitere Konzessionen benachbarter Gemeinden gewinnen so dass sie mittlerweile alle neun Strom- und zwei Gasnetze im Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau besitzen Im September 2009 wurde die Netzkauf GbR von einer Gesellschaft buumlrgerlichen Rechts in die Genossenschaft Netzkauf EWS eG umgewandelt Basisdemokratische Prinzipien wurden so in der Rechtsform beruumlcksichtigt Zugleich wurde eine groumlszligere Teilhabe der Buumlrger am bdquoProjekt Energiewendeldquo angestrebt Dahinter steht die Uumlber-zeugung dass die Energiewende nur gelingen kann wenn sie von einer breiten Buumlrger-bewegung getragen wird Seitdem fungiert die Genossenschaft als Muttergesellschaft mehrerer GmbHs die operativ die Bereiche Netzbetrieb Stromvertrieb und Anlagener-richtung und -betrieb beinhalten Diese Struktur wird dabei auch als eine Moumlglichkeit gesehen netz- und erzeugungsseitige Aktivitaumlten sowie energiewirtschaftliche Dienst-leitungen auszligerhalb von Schoumlnau auszubauen und sich als energiewirtschaftlich kompe-tenter Akteur im Wettbewerb zu positionieren da der Vertrieb von Oumlkostromprodukten kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist Die Genossenschaft steht jedem interessierten offen zaumlhlt mittlerweile auch Mitglieder aus der Schweiz Italien Oumlsterreich und Frank-reich und waumlchst stetig (4358 Mitglieder zum 31122014) Bundesweit versorgen die Elektrizitaumltswerke Schoumlnau rund 156000 Haushalte mit 100-igem Oumlkostrom und rund 9000 Kunden mit Gas (darunter zT Biogas) (Netzkauf EWS eG 2015) In ihrem Selbstverstaumlndnis sieht sich die EWS als bdquoZwitter zwischen Wirtschaftsunter-nehmen und NGOldquo (Sladek 2015 mit Verweis auf Ursula Sladek) Dies aumluszligert sich jenseits der Orientierung an Kunden des Unternehmens in einer Ruumlckbindung an

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Schoumlnau und einer Vernetzung zu bdquoMitstreiternldquo einer demokratischen und dezentralen Energiewende Einen festen Stellenwert hat etwa das bereits zum 16 Mal stattgefunde-ne jaumlhrliche Stromseminar das von Foumlrderverein fuumlr umweltfreundliche Stromvertei-lung und Energieerzeugung Schoumlnau im Schwarzwald eV (FuSS eV) organisiert wird Waumlhrend es in den 1990er Jahren vor allem die Funktion hatte Hilfe und Exper-tise von auszligen nach Schoumlnau zu holen dient es mittlerweile einer (strukturellen) Oumlff-nung nach auszligen und einem breiteren Austausch zwischen Buumlrgern Experten und (Kommunal-)politikern zu energiepolitischen Themen Zudem ist es kulturell in Schoumlnau fest verankert (Dorffest mit Kabarett etc) Uumlberregionale Bekanntheit hat zu-dem der dort verliehene Preis des bdquoStromrebellenldquo erlangt der jaumlhrlich an eine Person verliehen wird die sich im Sinne der ideellen EWS-Ziele verdient gemacht hat Jenseits der betriebswirtschaftlichen Ebene nimmt auch die bundesweite Vortragstaumltigkeit der EWS Pioniere und Vorstaumlnde einen wichtigen Stellenwert ein die der Informationsver-breitung dient aber auch durch klare politische Standpunkte gekennzeichnet ist Letzte-re werden auch durch die Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene einge-bracht (zB Genossenschaftsverband Baden-Wuumlrttemberg Buumlndnis Buumlrgerenergie Ber-lin) (vgl dazu naumlher Abschnitt 313) Das Genossenschaftsprinzip findet auch im Rahmen des bdquoBeteiligungsmanagementsldquo der EWS Anwendung Hierfuumlr bietet der juumlngste Trend der Rekommunalisierung der Energieversorgung einen Anknuumlpfungspunkt Zu erwaumlhnen sind ebenso Dienstleistun-gen fuumlr kleinere kommunale Energieversorger von Seiten der EWS insbesondere zur Bewaumlltigung wachsender regulatorischer Anforderungen Eine direkte Interaktion mit dem Buumlrger findet schlieszliglich uumlber die EWS Energie GmbH (Anlagenerrichtung und -betrieb) und die EWS Vertriebs GmbH (bundesweiter Stromvertrieb) statt Einige der zuletzt genannten Aktivitaumlten sollen im folgenden vertieft betrachtet werden Dabei soll der Bezug zu Politikinnovationen und deren Diffusion hergestellt werden

313 Uumlber Schoumlnau hinaus Politikinnovationen und deren Diffusion

Die soeben dargestellte Genese der Energieversorgung in Schoumlnau und die Herausbil-dung der EWS von einer Buumlrgerinitiative bis zum uumlberregionalen energiewirtschaftli-chen und -politischen Akteur weist zahlreiche Bezuumlge zum Thema Innovationen auf Dabei besteht insbesondere ein enger Bezug zu sog Graswurzelinnovationen (vgl Ka-pitel 231 Seyfang und Smith 2007) In einem kuumlrzlich abgeschlossenen Vorlaumluferprojekt aus der sozial-oumlkologischen-Forschung das ebenfalls auf die EWS Schoumlnau vertieft eingeht werden bereits Neue-rungen untersucht die von zivilgesellschaftlichen Akteuren vorangetrieben werden die im Bereich der erneuerbaren Energien einen bdquoParadigmenwechsel im Energiesystemldquo

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(Mautz et al 2008) anstreben und die oumlkonomische oumlkologische und soziale Dimensi-on des Innovationsgeschehens (im Sinne von Nachhaltigkeitsinnovationen) beruumlcksich-tigen (Ernst et al 2015 Kroh et al 2012) Es galt zu erkunden wo und unter welchen Bedingungen im Bereich der erneuerbaren Energien kleine und lokal begrenzte Innova-tionsimpulse gesellschaftlich bedeutsam sind so dass es zu Ausbreitungsphaumlnomenen dieser Innovationen kommt Daran schlieszligt sich auch die Frage an ob und wenn ja auf welche Weise diese Ausbreitungsphaumlnomene beschleunigt werden koumlnnen In diesem Vorlaumluferprojekt werden Innovationen in einer umfassenden Prozessperspek-tive unter Einschluss des Diffusionsverlaufs rekonstruiert Dieser Prozess wird als sozial komplex und rekursiv verstanden so dass bestimmte Innovationspfade vertieft und an-dere abgebrochen werden Dies wird anhand der Herausarbeitung von Erfolgs- und Hemmnisfaktoren veranschaulicht Betont wird zudem dass der Diffusionsverlauf ohne Beruumlcksichtigung der Ausgangsbedingungen (sog Innovationsprolog) nicht hinreichend erklaumlrt werden kann Inhaltlich richtet sich der Blick letztlich vor allem auf Buumlrger und Stromkonsumenten Ihr Bezug von Oumlkostrom und ihre Beteiligung an EE-Anlagen wird als Adoption von Innovationen verstanden (Unter welchen Bedingungen dies erfolgt und auch in Zukunft zu erwarten ist wird separat in einer quantitativen Erhebung und Modellierung betrach-tet) Nach Seyfang und Haxeltine (2012) ist damit vor allem die Skalierung von Gras-wurzelinnovationen angesprochen die sich in einem deutlich vergroumlszligerten Kunden-stamm der EWS uumlber die Zeit aumluszligert Im Vordergrund stehen damit in erster Linie di-rekte Wirkungen die mit einem Oumlkostromanbieter wie der EWS in Verbindung ge-bracht werden koumlnnen Damit laumlsst sich die Vorgaumlngerstudie von unserer Fragestellung abgrenzen Unser Interesse richtet sich primaumlr auf indirekte Wirkungen im Umfeld der Organisation bzw des Unternehmens EWS (vgl zu dieser konzeptionell hilfreichen wenn auch nicht trennscharfen Unterscheidung Oldenburg 2011) Damit treten die in der Politikwissenschaft diskutierten Verbreitungsmechanismen in den Vordergrund (po-litisches Lernen Nachahmung Wettbewerb Kooperation Regelveraumlnderung vgl Ka-pitel 233) Indirekte Wirkungen sind zwar schwer zu fassen weil sie nicht nur bzw weniger offensichtlich mit den EWS- Aktivitaumlten verbunden sind sie koumlnnen aber den-noch im Rahmen eines Fallstudienansatzes nachgezeichnet werden12 Dabei stehen Dif-fusions- und Kooperationsformen im Vordergrund die sich in den letzten Jahren her-ausgebildet haben

12 Dies kann wiederum auch durch allgemein verfuumlgbares statistisches Material (zum Beispiel zur Ver-

breitung von Energiegenossenschaften) ergaumlnzt werden

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3131 Erste Wachstums- und Vernetzungsaktivitaumlten der EWS

Als eine wesentliche soziale Innovation in Schoumlnau kann der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des Verteilnetzes in Schoumlnau gesehen werden Er hat zur Herausbildung eines zunehmend professionellen energiewirtschaftlichen und genossen-schaftlich organisierten Akteurs in Gestalt der EWS gefuumlhrt Ergebnis dieser Professio-nalisierung war ua dass schrittweise ab 2009 im gesamten Gemeindeverwaltungsver-band Schoumlnau (mit neun Gemeinden) im Rahmen der Vergabe neuer Konzessionen die jeweiligen Netzgebiete (inklusive des Gasnetzes der Gemeinde Wembach) an die EWS Netze GmbH vergeben wurden Vorausgegangen waren- vergleichsweise unproblemati-sche - Netzpreisverhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber sowie Diskussionen uumlber die technische Einbindung der neuen Netze in das bestehende Netzgebiet Die Ent-scheidung der Gemeinden fuumlr die EWS erfolgte dabei bdquouumlberwiegend in einstimmigen Beschluumlssenldquo und auf der Basis eines tiefer verankerten Erfahrungswissens bdquoDas war uumlberhaupt nicht mehr kontrovers wie in den 1990er Jahren Jetzt haben wir gesehen die koumlnnen das wirklich die machen das ordentlich Warum sollen wir denen nicht unser Stromnetz gebenldquo (Interview 01S) Wesentlich fuumlr die Vergabe war damit zunaumlchst das Vertrauen in die technische und unternehmerische Kompetenz der EWS Gestuumltzt wur-den die Entscheidungen aber auch durch den regelmaumlszligigen Austausch im Gemeinde-verwaltungsverband und unter Buumlrgermeistern Dieser Austausch wird als sachorientiert und - trotz mancher lokaler Rivalitaumlten - als wenig (partei-)politisch aufgeladen angese-hen Aumlhnlich kann die Strahlkraft der EWS im Bereich der Errichtung und des Betriebs von Anlagen aus erneuerbaren Energien eingeschaumltzt werden (vgl auch Abschnitt 313) Waumlhrend hier traditionell vor allem Fotovoltaikanlagen und BHKWs von Bedeutung sind steht in juumlngster Zeit vor allem der kommunal- und regionalpolitisch sensiblere Ausbau der Windenergie im Vordergrund Auch hierbei wird die Einbindung bzw Be-teiligung der EWS zugleich aus betriebswirtschaftlichen und politischen Motiven er-klaumlrbar So treten Kommunen mit potentiell attraktiven Anlagenstandorten an die EWS heran weil sie in der EWS einen kompetenten auch mit den regulatorischen Anforde-rungen (Genehmigungsverfahren etc) vertrauten Partner sehen Zugleich sehen die inte-ressierten Kommunen in der EWS einen Akteur der Fairness im Verfahren sichert die Mitwirkung vor Ort foumlrdert und Investitionen in Anlagen als gemeinschaftliches vor-zugsweise genossenschaftliches Projekt betrachtet Dies spiegelt sich im politischen Selbstverstaumlndnis der EWS wider das uumlber betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus-reicht bdquoWir wollen das nicht alles selber machen Im Gegenteil wir fordern die anderen auf da mitzumachen Nur dann macht das Sinn Wir wollen ja kein fuumlnfter Groszligkonzern in

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Deutschland werden Wir sind davon uumlberzeugt dass die Energiewende in Deutschland dann am kostenguumlnstigsten und schnellsten funktioniert wenn sie auf dezentralen Struk-turen aufsetzt Dann muss ich diese dezentralen Strukturen natuumlrlich stuumltzen erhalten oder uumlberhaupt erst konstruieren wenn sie nicht vorhanden sindldquo (Interview 02S) bdquoEin kleiner Quantensprungldquo kann jedoch darin gesehen werden dass die EWS zusam-men mit den neu gegruumlndeten Stadtwerken Stuttgart 2012 ein gemeinsames Vertriebs-unternehmen gegruumlndet haben (Janzing 2012) Jenseits der ca 10000 EWS Kunden die ohnehin aus dem Raum Stuttgart kommen konnte das Unternehmen erstmals auch in einer Groszligstadt organisatorisch Fuszlig fassen um weitere Projekte aus erneuerbaren Energien zu lancieren Wesentlich schien dabei zu sein dass die EWS gegenuumlber den Mitbewerbern (Thuumlga Stewag) als bdquoversierter Partner mit 100 Oumlkostromldquo (Interview 02S) angesehen wurde Die bereits damals anvisierte Netzuumlbernahme misslang aller-dings (Abschnitt 31322)

3132 Rekommunalisierung als neue Chance und Herausforderung

Eine Gelegenheit zur Schaffung dieser dezentralen Strukturen bietet seit einigen Jahren die gehaumluft auftretende Neuvergabe von Netzkonzessionen im Bundesgebiet Fuumlr Kommunen bietet sich dadurch die Moumlglichkeit einer sog Rekommunalisierung Ehe-mals oumlffentliche spaumlter ausgegliederte und privatisierte energiewirtschaftliche Aufga-ben und Vermoumlgen (insbesondere Verteilnetze) werden in oumlffentliche Traumlgerschaft zu-ruumlckgefuumlhrt und teilweise werden Stadt- und Gemeindewerke neu gegruumlndet oder beste-hende ausgebaut13 So gab es zwischen 2005 und 2012 allein 72 neu gegruumlndete Stadt- und Gemeindewerke (Berlo und Wagner 2013) Fuumlr die EWS besteht dadurch zunaumlchst die Gelegenheit das Modell Schoumlnau auch andernorts zu verankern Relativ reibungslos gelang dies der Netzkauf EWS beim Er-werb weiterer neu zu vergebender Netzkonzessionen in benachbarten Gemeinden So-wohl in technisch-unternehmerischer Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wird hier die Bedeutung raumlumlicher und sozialer Naumlhe deutlich Dies zeigt sich beim Austausch zwischen Repraumlsentanten der Kommunalpolitik Was hier der Vorteil ist hier ist die Strahlkraft da Die Nachbarkommunen machen auch den Wechsel [also] die Konzessi- 13 Zu beobachten ist auch eine Uumlberfuumlhrung von Kapitalgesellschaften in oumlffentlich-rechtliche Organisa-

tionsformen die Erhoumlhung von Gesellschaftsanteilen an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und die Aufgabenerfuumlllung im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Vgl zur Definition und zu Formen der Rekommunalisierung Friedlaumlnder (2013) Eine empirische Untersuchung hat ergeben dass unter dem Begriff bdquoRekommunalisierungldquo in der Energieversorgung 921 der befragten Kommunen die Ruumlckuumlbertragung von privatisierten ehemals oumlffentlichen Aufgaben 286 die Neugruumlndung von oumlffentlichen Unternehmen 264 die Konzessionsvergabe an oumlffentliche Unternehmen und 136 die interkommunale Zusammenarbeit verstehen (bei Mehrfachantworten) (vgl LenkRottmannAlbrecht 2011)

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on in Richtung EWS zu vergeben Es wird sich von hier ausbreiten Aber es ist schwie-rig irgendwo anders den Fuszlig in die Tuumlr zu bekommen wo man sich nicht auskennt wo einfach auch die raumlumliche Entfernung abschreckt (Interview 01S) Ein aumlhnliches Bild zeigt sich bei der Vorstellung von Konzepten durch Vertreter der EWS Ich setze mei-ne verbalen Punkte Und da sagen die sbquoAu das ist einer von unslsquo Und die anderen da kommen in Anzug und Krawatte und die sagen sbquoDie wollen ja nur Geschaumlftle machen ()lsquo Und wenn ich irgendwo anders bin ist es gerade anders herum sbquoWas sind denn das fuumlr Krawallmacherlsquoldquo (Interview 02S) Allerdings ist dieser Verbreitungsprozess - wie bereits im letzten Abschnitt angedeutet - strukturell nicht beliebig und zugleich an inhaltliche Bedingungen geknuumlpft Im Hin-blick auf die Rekommunalisierung die uumlber energiewirtschaftliche Beteiligungsformen eine Vergroumlszligerung des unternehmerischen Einflussbereiches der EWS mit sich bringen kann aumluszligert sich der EWS Vorstand deutlich Das [die Vergroumlszligerung Anm des Verf] ist uumlberhaupt nicht unser Anspruch Wir sind ja auch angetreten gegen groszlige Strukturen weil wir die undemokratisch finden Und dann waumlr das () irgendwie scheinheilig wenn man selber eine groszlige Struktur wird Natuumlrlich wachsen wir aber unser Anspruch ist ganz klar Wir wollen immer was mit Kommunen zusammen machen am liebsten noch mit einer Buumlrgergesellschaft die noch ins Boot soll um einfach auch die lokale Verwurzelung herzustellen Akzeptanz zu schaffen letztlich auch dafuumlr zu sorgen dass bei den Energienetzen Substanzerhalt stattfindet Inhaltlich wird damit erkennbar dass die EWS fuumlr eine Kombination aus privatem Un-ternehmertum und basisdemokratischen Entscheidungen eintritt nicht aber fuumlr (rein) staatliche Versorgungsstrukturen bzw eine 100-prozentige Rekommunalisierung So laufen die zuletzt genannten Modelle Gefahr dass aus politischen Erwaumlgungen (zB bei knappen oumlffentlichen Kassen) die Netze vernachlaumlssigt oder spaumlter wieder verkauft wer-den und die kommunale Daseinsvorsorge unterminiert wird (so auch Flieger 2011) Eine weitere inhaltliche Positionierung ist angesichts der Historie des Schoumlnauer Mo-dells (Abschnitt 312) nur allzu verstaumlndlich Eine Beteiligung an energiewirtschaftli-chen Versorgungskonzepten bei der ein oder mehrere Partner direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleverstromung verbunden ist scheidet prinzipiell aus Auch hier aumluszligert sich ein Interviewpartner der EWS sehr plastisch im Hinblick auf einen groszligen Energieversorger in Baden-Wuumlrttemberg Mit der EnBW machen wir kein Unterneh-men zusammen never ever () Ich will nicht der EnBW dabei helfen Gelder zu er-wirtschaften die sie dann politisch voumlllig falsch einsetzt Ich weiszlig dass die Landesre-gierung das anders sieht die traumlumt ja von dem gruumlnen Tanker aber so ein Tanker hat halt einen Wendekreis Ich begegne denen jeden Tag im Markt und kann nur sagen die haben sich uumlberhaupt nicht veraumlndert Das ist politisches Wunschdenken getan hat sich

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da gar nichts Fuumlr uns fallen Atom- und Kohleindustrie als Partner absolut aus Den wol-len wir nicht helfen auch nur einen Euro zu erwirtschaften (Interview 02S) Dem Wachstum der EWS und der Verbreitung des Schoumlnauer Modells im Sinne einer denkbaren Aufweichung der obigen Atom- bzw Kohleklauseln sind damit prinzipi-elle selbst auferlegte Grenzen gesetzt Auch jenseits der unmittelbaren Nachbarkommunen von Schoumlnau gibt es aber Beispiele fuumlr eine gelungene Diffusion im Rahmen der Rekommunalisierung Besonders interes-sant erscheint dabei die in Titisee-Neustadt einer ca 30 km entfernten Stadt mit 12000 Einwohnern im Schwarzwald realisierte Beteiligungs- und Kooperationsstruktur die von uns naumlher untersucht wurde (Abschnitt 31321) Aber auch anderweitig war und ist die EWS in Rekommunalisierungsvorhaben involviert (Abschnitt 31322) Typi-scherweise geht dabei die Initiative zur Einbindung der EWS (in verschiedenen For-men) von Gruppierungen oder kommunalpolitischen Vertretern andernorts aus Die EWS macht sich grundsaumltzlich nicht proaktiv und systematisch auf die Suche nach Partnern zum Beispiel auf der Basis der im Bundesanzeiger ausgeschriebenen Konzes-sionsverfahren Dies unterstreicht nicht nur dass Wachstum fuumlr die EWS nicht von pri-maumlrer Bedeutung ist sondern auch die Tatsache dass die EWS vor dem Hintergrund ihrer Geschichte auf bestimmte Partner andernorts ausstrahlt und als attraktiver Partner wahrgenommen wird

31321 Der Fall Rekommunalisierung in Titisee-Neustadt Titisee-Neustadt hat 2011 wieder ein eigenes Stadtwerk gegruumlndet und 2012 im Rah-men des auslaufenden Konzessionsvertrags nach einem - bis heute umstrittenen - Aus-schreibungsverfahren das Verteilnetz uumlbernommen Zuvor lag die Energieversorgung der Stadt uumlber einen Zeitraum von 30 Jahren in den Haumlnden eines privaten Betreibers den Kraftwerken Laufenburg bzw der heutigen mehrheitlichen EnBW- Tochter Ener-giedienst Der Grund fuumlr die seinerzeit sehr umstrittene - und von einigen vergleichba-ren Nachbarkommunen nicht vollzogene - Verkauf der Stadtwerke im Jahre 1981 lag dabei in der hohen Verschuldung der Stadt und zugleich den geringen Moumlglichkeiten zur Taumltigung von (energiebezogenen) Investitionen Die Taumltigkeit des privaten Unter-nehmens wurde jedoch in der Bevoumllkerung vorwiegend kritisch gesehen vor allem weil die erzielten Gewinne aus der Energieversorgung nicht primaumlr der eigenen Kommune und deren Infrastruktur zugutekamen Im Rahmen einer Beratung bzw eines Work-shops mit dem Energiedienstleister Kommunalpartner wurde eine erneute Stadt-werksgruumlndung und eine Netzuumlbernahme dann 2009 als wirtschaftlich gerade so moumlg-lich eingestuft erforderlich sei jedoch ein starker kompetenter energiewirtschaftlicher

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Partner Zeitgleich fand ein Stromseminar im nahe gelegenen Schoumlnau statt den die verantwortlichen Akteure von Titisee-Neustadt besuchten Zwar bestanden zuvor keine direkten persoumlnlichen Kontakte zur EWS die Entwicklung in Schoumlnau war jedoch durch die bundesweite Berichterstattung und auch durch die raumlumliche Naumlhe den kom-munalpolitischen Akteuren in Titisee-Neustadt praumlsent So fanden erste Gespraumlche und Treffen mit EWS-Vertretern statt die jedoch noch ohne ein konkretes Ergebnis blieben Gleichermaszligen gab es Treffen mit vier weiteren Stadtwerken bzw Versorgungsunter-nehmen In der Folge wurde zum einen eine bundesweite Ausschreibung der Stromkonzession in die Wege geleitet Zum anderen wurde das Rekommunalisierungsvorhaben naumlher ge-pruumlft und die Suche nach moumlglichen Partnern in einem offenen Verfahren intensiviert bdquoDa sind wir das erste Mal intensiv mit Schoumlnau zusammengekommen (hellip) Die Che-mie hat sofort gestimmt Und das was sie dann ausgearbeitet haben mit den Zahlen die wir Ihnen liefern konnten war schon sehr beachtlich und hat uns von Anfang an uumlber-zeugt weil man gemerkt hat die sind richtig mit Herzblut da dran Die andern Stadt-werke waren interessiert und engagiert aber es war - das hat man gemerkt - so ein 0-8-15-Angebot [Die sind] nicht so ins Detail gegangen wie die Schoumlnauer da hat sich ein-fach schon so ein Unterschied gezeigtldquo (Interview 03S) Die Zusammenarbeit mit Schoumlnau war zugleich an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden insbesondere den Verzicht auf jeglichen Atom- und Kohlestrom Ein Vertre-ter der Stadtwerke Titisee-Neustadt machte hier deutlich dass eine hundertprozentige Atom und Kohlestromfreiheit fuumlr die Stadt zwar kein absolutes Muss-Kriterium darge-stellt hat sich aber mit der selbst angestrebten Ausrichtung auf erneuerbare Energien ndash auch vor dem Hintergrund der energiepolitischen Diskussion auf Bundesebene nach dem Atomunfall in Japan ndash gedeckt hat bdquoUnd Schoumlnau hat dann gleich ins Spiel gebracht wenn wir so zusammen kommen nur unter der Maszliggabe dass ein gewisser Idealismus [gewahrt bleibt] Also wir koumlnnen nicht ploumltzlich sagen wir wollen doch Atomstrom oder Aumlhnliches Ganz klar da haben sie die Vorgaben gemacht aber das hat sich mit unsern Ansichten ja gedeckt Parallel dazu kam dann noch Fukushima das war genau diese Phase (hellip) hat uns aber nicht in dem Sinne beeinflusst denn der Weg war schon vorgezeichnetldquo (Interview 03S) In der Folge wurden fuumlnf verschiedene Stadtwerks- bzw Unternehmenskonzepte im Gemeinderat vorgestellt Nahezu einstimmig wurde dann fuumlr die Zusammenarbeit mit den EWS Schoumlnau votiert und im Juni 2011 die Energieversorgung Titisee-Neustadt (EvTN) GmbH ins Leben gerufen An der EvTN GmbH haumllt die Stadt 60 und die EWS 40 der Anteile wobei die neue Stromgesellschaft uumlber die EWS Strom aus er-neuerbaren Energien einkauft und wieder verkauft und die EWS weitere Dienstleis-

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tungstaumltigkeiten im Hintergrund uumlbernimmt (zB Meldungen an Regulierungsbehoumlrden Bilanzkreismanagement uauml) Ebenfalls im Interesse der EWS Schoumlnau lag es von Anfang an die Buumlrger von Titisee-Neustadt an den neu gegruumlndeten Stadtwerken zu beteiligen Formen der Zusammenar-beit und Beteiligung zwischen Stadtwerken und Buumlrgergenossenschaften haben sich ndash in Anlehnung an die Idee aber ohne direkte Beteiligung der EWS ndash in anderen deutschen Staumldten (zB Trier Marburg Wolfhagen) etabliert (vgl Flieger 2013) Dabei stehen haumlufig die engere Kundenbindung und Potenziale fuumlr die regionale Wertschoumlpfung im Vordergrund In Titisee-Neustadt konnte dieses innovative Element des Schoumlnauer Mo-dells relativ leicht integriert werden weil es vor dem Hintergrund der historischen Er-fahrungen mit der Energieversorgung in der Stadt im Interesse der Stadtvertreter von Titisee-Neustadt lag bdquoDa haben sie [die EWS Schoumlnau Anm des Verf] offene Tuumlren bei uns [eingerannt] weil wir gemerkt haben unsere Buumlrger waren die letzten 30 Jahre etwas sauer dass wir es [das Stadtwerk Anm des Verf] verkauft haben Waumlre doch schoumln jetzt koumlnnen wir das wieder in die Buumlrgerhand reinlegen jetzt sollen sie sich auch gerne daran beteiligen duumlrfen Und so ist die Idee geboren gewesen 10 reservieren wir in irgendeiner Art fuumlr die Buumlrgerldquo (Interview 03S) Im Zuge von Informationsveranstaltungen durch die Stadt konnte dann kurz nach der Stadtwerksgruumlndung durch ein halbes Dutzend Buumlrger die Genossenschaft Vita-Buumlrger-Energie eG gegruumlndet werden Anders als urspruumlnglich in Schoumlnau war damit nicht eine lokale Initiative der Ausloumlser fuumlr energiepolitische Veraumlnderungen auf der Ebene der Stadt eher war die Stadtverwaltung Titisee-Neustadt in diesem Prozess eine Art Ge-burtshelfer der Genossenschaft wobei diese allerdings eigenstaumlndig operiert Die In-formationsveranstaltungen vor der Genossenschaftsgruumlndung weckten zugleich ein ho-hes Interesse in der Buumlrgerschaft sei es weil die Beteiligung an der Genossenschaft fuumlr viele finanziell interessant schien oder die dahinterstehenden Ziele unterstuumltzt wurden Nach der Genossenschaftsgruumlndung konnte dann bis April 2013 genuumlgend Kapital auf-gebracht werden um 10 der Anteile an der EvTN GmbH zu zeichnen Zugleich wur-den 10 der Anteile der EWS Schoumlnau zuruumlckgefuumlhrt Neben der Stadtwerksgruumlndung war jedoch im Sinne des Schoumlnauer Modells auch die Uumlbernahme des Netzes von Energiedienst anvisiert14 Dabei war bezuumlglich einer Netz-uumlbernahme durch die neu gegruumlndete EvTN GmbH eine schwierige Gratwanderung erforderlich Einerseits steht Gemeinden laut Grundgesetz das Recht zu bdquoalle Angele-genheiten der oumlrtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regelnldquo (Art 28 14 So sieht auch Titisee-Neustadt vor Ort etwa die Moumlglichkeit bei Netzbetrieb uumlber die EvTN GmbH

ein innovatives lokales Nahwaumlrmenetz auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen Ein derartiges Konzept wird unter der Regie eines privaten Netzbetreibers als weniger wahrscheinlich angesehen

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Abs 2 GG) Zugleich sieht das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Sinne der Da-seinsvorsorge die Konzessionierung fuumlr Strom- und Gasleitungen als einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt fuumlr eine verlaumlssliche allgemeine Energieversorgung wobei die Versorgung auch in betriebswirtschaftlich wenig attraktiven Teilen des Netzgebietes zu gewaumlhrleisten ist Andererseits liegt seit 2011 ein behoumlrdlicher Leitfaden der Bundes-netzagentur und des Bundeskartellamts zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessio-nen vor (in zweiter Auflage vgl Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt 2015) wo-nach eine Gemeinde bei der Konzessionsvergabe eine Monopolstellung nicht missbrau-chen darf sei es im Sinne einer diskriminierenden Verdraumlngung privater Nachfrager oder uumlber eine einseitige Bevorzugung mit ihr verbundener Unternehmen Daraufhin hat sich die Gemeinde mit juristischer Unterstuumltzung um ein transparentes und kriterienge-leitetes Vergabeverfahren im Sinne des noch wenig erprobten Leitfadens bemuumlht Auf dieser Basis hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen das Stromnetz vom Regio-nalversorger Energiedienst zuruumlckzukaufen und an die EvTN GmbH zu vergeben Der fruumlhere Netzbetreiber Energiedienst legte allerdings daraufhin Beschwerde beim Bun-deskartellamt ein was einen bis heute andauernden Rechtsstreit entfachte Das Amt ist seitdem der Auffassung dass die Einflussnahme der Gemeinde auf die Netzgesellschaft zu stark gewesen sei Ebenso kritisiert sie die Moumlglichkeit der Buumlrgerbeteiligung an der Netzgesellschaft als eine sachfremde Anwendung der Kriterien des Leitfadens Sie stellt die Rechtmaumlszligigkeit der EvTN GmbH als derzeitigem Netzbetreiber (seit 2012) in Frage und fordert ndash gestuumltzt durch verschiedene richterliche Entscheidungen ndash die Stadt auf das Konzessionsverfahren um das Stromnetz neu auszuschreiben15 Waumlhrend die Stromkonzessionsvergabe in Schoumlnau 1994 - unter freilich anderen recht-lichen Rahmenbedingungen - zu einer beachtlichen Mobilisierung der Buumlrger fuumlhrte war jetzt eine skeptische Haltung der lokalen Bevoumllkerung gegenuumlber Stadtverwaltung und -politik spuumlrbar Dominierend war auch die Befuumlrchtung dass durch das Rechtsver-fahren bei Wechsel des Stromanbieters die eigene Stromversorgung gefaumlhrdet sein koumlnnte bdquoDas war natuumlrlich in der Presse Hier Verfahrensfehler es wird gepruumlft Bundeskar-tellamt Das hat man dann schon in der Bevoumllkerung gemerkt Hoppla haben die [in der Stadtverwaltung] gemauschelt (hellip) Da kippte die Stimmung in der Hinsicht ja was haben sie da wieder gemacht Haben die es nicht drauf koumlnnen die nicht mal so ein Ver-fahren durchziehen Und das war fuumlr uns negativ weil wir ja auch im Vertrieb ndash sprich Stromverkauf ndash aktiv sein wollen (hellip) Und das hindert die Leute daran zu wechseln Jetzt nicht weil die uns nicht zutrauen dass wir nicht alles richtig machen koumlnnen son-

15 Aktuell wurde von der Stadt ein Antrag auf Aufschub dieser Verfuumlgung gestellt

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dern einfach weil sie sagen ja was passiert jetzt wenn ihr da verliert was passiert mit meinem Stromldquo (Interview 03S) Im Ergebnis hat dies dazu beigetragen dass die direkte Diffusion sozio-technischer In-novationen (im Sinne von Ernst et al 2015) ins Stocken geraten ist Dabei liegt die mangelnde Bereitschaft zum Wechsel des Stromanbieters weniger in Charakteristika der Adopter (wie bei ebda) begruumlndet sondern in Verstaumlndnisschwierigkeiten uumlber die Si-cherheit der Stromversorgung und den ndash auch psychologisch ndash hinderlichen Umfeldbe-dingungen dh den negativen bundespolitischen Einfluumlssen Von Seiten der EvTN wird betont dass auch Aufklaumlrungsarbeit unter den Buumlrgern hier wenig fruchtet bdquoWir sind gestartet mit 400 und haben jetzt um die 640 Kunden Ohne das Verfahren waumlren wir sicherlich weit houmlher weil unser Marketing und unsere Ortsnaumlhe sprechen schon fuumlr uns und auch der Preis aber die Leute schreckt einfach dieses Kartellverfah-ren abldquo (Interview 03S) Noch vor Eintreffen der Verfuumlgung des Bundeskartellamts zur Neuausschreibung der Netzkonzession hat die Stadt Titisee-Neustadt Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht Aus ihrer Sicht ist die Auffassung des Bundeskartellamts nicht grundge-setzkonform Sie wendet sich auch gegen ein Vorgehen das nicht auf dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers beruht sondern auf Recht das von Behoumlrden und Rich-tern geschaffen wurde So aumluszligert sich auch ein Vorstandmitglied der EWS bdquoLetztlich wird da hart in die kommunale Souveraumlnitaumlt eingegriffen abgesehen davon dass ich das zutiefst antidemokratisch findeldquo (Interview 02S) Auch Sladek (oJ) sieht in dem neuen kartell- und vergaberechtlichen Regime regelmaumlszligig eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Altkonzessionaumlrs und eine starke Beschneidung kommunaler Gestal-tungsmoumlglichkeiten Die derzeitigen Rechtsstreitigkeiten haben auch dazu gefuumlhrt dass andere Kommunen die eine Rekommunalisierung erwaumlgen oder sich in einem Verfahren befinden regel-maumlszligig in Titisee-Neustadt anrufen um sich auszutauschen Angesichts der unuumlbersicht-lichen Rechtslage und den juristischen Risiken hat sich hierbei eine gewisse Zuruumlckhal-tung und Ernuumlchterung breitgemacht Allerdings koumlnnte eine Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts die vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird eine starke Signalwirkung ausuumlben So gibt ein Vertreter der Stadtverwaltung Titisee-Neustadt zu bedenken dass dem Urteil des obersten Gerichts zwar nicht vorgegriffen werden soll und Neutralitaumlt geboten ist betont aber zugleich die potentielle Strahlkraft eines (positiv ausfallenden) Richterspruches bdquoDiese Entscheidung waumlre sicher sehr hilfreich weil das bundesweit ja extreme Aus-wirkungen hat fuumlr alle Rekommunalisierungsverfahren Und das wuumlrde uns natuumlrlich freuen wenn wir da obsiegenldquo (Interview 03S)

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31322 Andere Rekommunalisierungs- und Buumlrgerbeteiligungsverfahren Die EWS Schoumlnau sind auch von anderen Staumldten und Kommunen im Rahmen von Be-teiligungs- und Rekommunalisierungsvorhaben angesprochen worden vorwiegend aus Baden-Wuumlrttemberg aber auch aus anderen Bundeslaumlndern Von einem Mitglied des EWS-Vorstands wird hier betont dass das politische Gewicht dieser Akteure eine wich-tige Rolle fuumlr den Erfolg eines gemeinsamen Vorhabens spielt Waumlhrend mit einfluss-reichen kommunalpolitischen Akteuren (wie Stadt- und Gemeindewerken) gemeinsame Loumlsungen erarbeitet werden koumlnnen stoumlszligt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftli-chen Initiativen andernorts - selbst wenn deren Motive aus Schoumlnauer Sicht unterstuumlt-zenswert sind ndash mitunter auf politische Grenzen bdquoUnser Problem ist eher dass wir ja von kleineren Gruppierungen die vielleicht in so einem Konzessionsverfahren uumlberhaupt keine Rolle spielen aber eine Rolle spielen moumlchten dazu genommen werden Da hat man das Problem dass das natuumlrlich die energiepolitischen Akteure vor Ort sind die in ihrer sozialen Konstellation (hellip) evtl auch kommunalpolitisch verbrannt sind Wenn ich mit verbrannten Leuten [arbeite] dann kann ich das gleich lassenldquo (Interview 02S) So hat sich etwa Michael Sladek aktiv in einer Reihe von Projekten auf der Schwaumlbi-schen Alb eingebracht Etliche davon konnten aber nicht realisiert werden weil viele Landkreise an EnBW beteiligt sind (oder waren) bdquoDas war vergebliche Liebesmuumlhldquo (Interview 02S) Die Einflussmoumlglichkeiten fuumlr die EWS waren zudem haumlufig dadurch beschraumlnkt dass die Bereitschaft zum Wechsel des Netzbetreibers zT wenig ausge-praumlgt war bdquoDas ist immer die Schwierigkeit in kommunalpolitischen Entscheidungen Wenn Sie mit irgendetwas zufrieden sind (hellip) haben sie ein Problem da einen Wechsel zu erzeu-gen lsquoNever change a running systemlsquo Ein altbewaumlhrter Spruch und er hat sicher auch in Teilbereichen seine Berechtigungldquo (Interview 01S) In Groszligstaumldten ergaben sich demgegenuumlber wieder andere Huumlrden So bot sich fuumlr die EWS 2013 eine Moumlglichkeit sich in ein Rekommunalisierungsvorhaben in Stuttgart einzubringen Dort wurde bereits 2011 ein im Eigentum der Stadt befindliches Stadt-werk (aus ehemaligen Eigentum der EnBW) neu gegruumlndet16 Mit dessen Vertriebsspar-te wurde zu dem 2012 ein Kooperationsvertrag mit Schoumlnau geschlossen (so Ab-schnitt 3131) Die fuumlr 2013 geplante und 2014 realisierte Neuvergabe der Strom- und Gasnetz-Konzession bot fuumlr die EWS Schoumlnau die Moumlglichkeit sich auch in der Stutt-garter Netzgeschaumlft einzubringen Fuumlr diesen Zweck wurde zusammen mit dem innova-tiven Netzbetreiber aus Schwaumlbisch Hall in Gestalt der Energieversorgung Schoumlnau-

16 Vgl im Uumlberblick httpsdewikipediaorgwikiStadtwerke_Stuttgart

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Schwaumlbisch-Hall GmbH mitgeboten17 Den Zuschlag erhielt letztlich aber eine Koope-ration der Stadtwerke Stuttgart und der EnBW Tochter Netze Baden-Wuumlrttemberg bdquoEr-folgreicherldquo erwies sich damit ein Kooperationsmodell mit einem Unternehmen mit dem die EWS aufgrund seiner Verbindung zur Atom- und Kohleindustrie grundsaumltzlich nicht zusammenarbeitet (vgl das Zitat weiter oben) Vom Vorstand der EWS wird hier die Vermutung geaumluszligert dass politischer Druck ausgeuumlbt worden ist die EnBW in ein Netzunternehmen einzubinden So hat die EWS auch nachtraumlglich eine ndash allerdings er-folglose ndash Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das aus ihrer Sicht intransparente Konzessionsverfahren eingereicht Im weiteren Sinne wird auch die Kommunikation in hierarchischen und parteipolitisch aufgeladenen Strukturen in einer Groszligstadt wie Stutt-gart als Hemmnis fuumlr die Verbreitung des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo angesehen (Interview 02S) In einem weiteren prominenten Rekommunalisierungsvorhaben in der Hauptstadt Berlin sind die EWS Schoumlnau beratend und unterstuumltzend taumltig So steht in Berlin derzeit die Neuvergabe der Stromnetzkonzession an die noch im Besitz des bisherigen Betreibers Vattenfall ist Zuvor war 2013 ein Volksentscheid gescheitert der die Uumlberfuumlhrung des Berliner Stromnetzes in kommunalen Besitz und die Gruumlndung eines Stadtwerkes vor-sah Uumlber einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses bereits kurz vor dem Volksentscheid wurde jedoch ein Stadtwerk gegruumlndet Im Rahmen des Konzessions-verfahrens bietet neben einem landeseigenen Unternehmen (Berlin Energie) und Vatten-fall (Stromnetz Berlin GmbH) auch die Genossenschaft Buumlrger Energie Berlin (BEB) eG Mit den EWS Schoumlnau als Vorbild strebt sie an bdquomit vielen Buumlrgerinnen und Buumlr-gern das Berliner Stromnetz [zu] kaufen und in Zukunft in einem buumlrgereigenen Unter-nehmen selbst [zu] betreibenldquo (vgl wwwbuerger-energie-berlinde) Sie erwaumlgt aber auch eine Kooperation mit dem Land Berlin oder bdquounabhaumlngigen fortschrittlichen Netz-betreibernldquo In dieser Genossenschaft fungiert der EWS Gruumlnder Michael Sladek als Aufsichtsrat und die EWS Schoumlnau als Foumlrderer Zugleich wurde eine der Vorsitzenden (Luise Neumann-Cosel) als Stromrebellin 2013 in Schoumlnau geehrt Aumlhnlich wie in Stuttgart sieht der EWS Vorstand eine Schwierigkeit fuumlr die BEB darin einerseits ener-giewirtschaftlich kompetente Partner zu finden und sich andererseits im Geflecht partei-politischer Absprachen und machtstrategischer Erwaumlgungen zu behaupten (Sladek oJ)

17 Interessant ist das Selbstverstaumlndnis der Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH bdquoDie

Energieversorgung Schoumlnau Schwaumlbisch Hall GmbH ist ein gemeinsames Unternehmen der Energie-versorgung Schoumlnau und der Stadtwerke Schwaumlbisch Hall In diesem neuen Unternehmen buumlndeln die beiden Energieversorger Ihr Know-How fuumlr die Rekommunalisierung der Energieversor-gung Energie in Buumlrgerhand - das ist unserer Uumlberzeugung die wir in den verschiedenen Aus-schreibungsverfahren zur Neugruumlndung von Stadtwerken einbringen und umsetzen moumlchtenldquo Vgl httpwwwstadtwerke-halldeueber-unsev-schoenau-hallhtml

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Umso mehr sieht sie es als ihre Aufgabe die BEB ndash zB im Rahmen der von ihr veran-stalteten sog Netzgipfel ndash darin zu unterstuumltzen sich direkt an den (Berliner) Buumlrger zu wenden bzw uumlber sie Druck auszuuumlben bdquoIch wuumlrde fast behaupten (hellip) das ist ein Bildungsauftrag Nach meinem Dafuumlrhalten wird uumlber die Energiewende noch viel zu rudimentaumlr oberflaumlchlich berichtet Die Buumlr-ger wissen gar nicht so genau was das alles bedeutet Da empfinde ich das schon ein bisschen auch als unsere Pflicht Wir sind eine Buumlrgergesellschaft Wir wollen immer dass die Buumlrger in der Energiepolitik mitmischen Also muss man den Buumlrgern jetzt auch erklaumlren was das Projekt Energiewende bedeutet Und ich finde Politik und Medi-en machen das viel zu wenigldquo (Interview 02S) Waumlhrend in Titisee-Neustadt die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts bundesweite Signalwirkung ausloumlsen koumlnnte wuumlrde fuumlr Sladek (oJ) auch eine substantielle Beteiligung der Genossenschaft BEB am Netz der Hauptstadt bundesweit Beachtung finden Sie wuumlrde - primaumlr aber nicht nur in Berlin - die Energieversorgung mehr in der Buumlrgerschaft verankern den Buumlrgern mehr Teilhabe ermoumlglichen und uumlber die Netzseite Innovationsimpulse zu Gunsten dezentraler Strukturen (zB Blockheiz-kraftwerken Nahwaumlrmeinseln) ausloumlsen

3133 Weitere indirekte Diffusionsmechanismen und ndashkanaumlle

Die soeben naumlher erlaumluterten Rekommunalisierungsvorhaben lassen sich besonders gut dafuumlr anfuumlhren um die uumlberregionale Diffusion innovativer Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo konkret aufzuzeigen Allerdings geht der Einfluss der EWS Schoumlnau daruumlber hinaus Zum einen wirkt er auch auf ideeller Ebene bdquoim Modus der Inspirationldquo (Kem-merzell und Tews 2014) Zum andern ist die EWS aktiv darum bemuumlht die uumlbergeord-neten energiepolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen So dient der bdquoSchoumlnauer Sonnencentldquo nicht nur der Errichtung innovativer dezentraler EE- Anlagen und Energieeffizienzmaszlignahmen der Kunden sondern auch der Finanzie-rung von Bildungsmaszlignahmen und politischen Kampagnen Abgesehen vom jaumlhrlichen Stromseminar das auch vielfach Akteure aus Kommunen anlockt die vor Ort den de-zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben moumlchten spielt hierbei die Vor-tragstaumltigkeit des EWS-Vorstands eine wichtige Rolle So werden derzeit etwa 50 Vor-traumlge auf energiepolitischen Veranstaltungen und Konferenzen mit bestimmten The-menschwerpunkten pro Jahr gehalten Sie sind ua an EWS- Kunden oder Buumlrgerinitia-tiven gerichtet die eigene Vorhaben vor Ort realisieren moumlchten und sich Unterstuumltzung bzw Beratung von der EWS erhoffen Nach Aussage eines EWS-Vorstandsmitglieds kommen daraufhin immer wieder Ruumlckmeldungen (gerade beim Stromseminar) dass bestimmte Konzepte oder Anlagen nun realisiert wurden oder ein Rekommunalisie-

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rungsvorhaben nun in Anlehnung an die Schoumlnauer Erfahrungen in Gang gekommen ist Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) hat die EWS daher zur Replikation von Projekten innerhalb der ndash gar nicht mehr so kleinen ndash sozio-technischen Nische bdquoBuumlrge-renergieldquo beigetragen Neben mehr oder weniger foumlrderlichen bundespolitischen Rah-menbedingungen (EEG Strommarktliberalisierung etc) haben hierbei EWS-gestuumltzte Lern- und Nachahmungsprozesse eine wichtige Rolle gespielt Foumlrderlich duumlrfte dabei gewesen sein dass die Beratung durch EWS-Praktiker vertrauensbildend und von grouml-szligerem Wert fuumlr die kommunale Praxis war als etwa bestimmte Good-Practice-Leitfaumlden (Stead 2013) Uumlber die Vortragstaumltigkeit hinaus hat sich die EWS auch an einem europaumlischen von der EU-Kommission unterstuumltzten Vernetzungsprojekt beteiligt das sich fuumlr Buumlrgerpro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien einsetzt (wwwrescoopeu) Dies hatte fuumlr die EWS den positiven Nebeneffekt neue Partner fuumlr politische Kampagnen (wie der-zeit gegen das britische Atomkraftwerk Hinkley Point) zu gewinnen aber auch Kontak-te zu knuumlpfen um in Zukunft gegebenenfalls gemeinsame Erneuerbare-Energien-Projekte (zum Beispiel bei der Windenergie) zu realisieren Bei der Beeinflussung der uumlbergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen setzt sich die EWS-Schoumlnau insbesondere fuumlr eine Art der Weiterentwicklung des Erneuerba-re-Energien-Gesetzes (EEG) ein die einen weiteren Ausbau der Buumlrgerenergie gewaumlhr-leistet Gerade in letzter Zeit erweist es sich aber als schwierig diesen Einfluss geltend zu machen und Ideen und Praktiken der Nische im ldquomainstream settingldquo zu verankern dh eine sog Translation nach Seyfang und Haxeltine (2012) zu bewirken (etwas resig-nativ Sladek oJ) So wurde in der juumlngsten EEG-Reform im Jahre 2014 etwa das Gruumlnstromprivileg als Form der Direktvermarktung abgeschafft auf das sich der Ver-trieb von Oumlkostrom durch die EWS wesentlich stuumltzt18 Stromversorgungsunternehmen wurde beim Gruumlnstromprivileg die Moumlglichkeit eingeraumlumt ihre EEG- Umlagezahlun-gen zu reduzieren wenn sie mindestens 50 ihres Stromportfolios gegenuumlber Endkun-den aus erneuerbaren Energien liefern darunter ein Minimum von 20 aus Wind und Fotovoltaik Damit konnte EEG-Strom auch als gruumlner ndash und haumlufig regional erzeugter ndash Strom direkt vermarktet werden Das EEG 2014 enthaumllt jedoch eine bisher nicht ge-nutzte Verordnungsermaumlchtigung die die Einfuumlhrung eines Vermarktungsmodells fuumlr EEG- Strom als Gruumlnstrom an Stromkunden (unter Beruumlcksichtigung der Kostenneutra-litaumlt gegenuumlber dem Marktpraumlmienmodell und dem Doppelvermarktungsverbot) ermoumlg-licht Damit soll erneuerbare Energie besser als im Marktpraumlmienmodell kenntlich ge-macht werden und Stromversorgern die Moumlglichkeit gegeben werden auf freiwilliger

18 Kritisch wird von der EWS auch die Einfuumlhrung von Ausschreibungen fuumlr Erneuerbare-Energien-

Anlagen und die Pflicht zur Direktvermarktung angesehen

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Basis erneuerbarer Energien aktiv und unter Beruumlcksichtigung von Flexibilitaumltspotenzia-len in das Stromversorgungssystem zu integrieren Stromvertriebe koumlnnten so direkt erneuerbaren Strom von Anlagenbetreibern (zB aus der Region) erwerben und ver-markten diesen direkt gegenuumlber dem Letztverbraucher und zwar im gleichen Ausmaszlig wie sonst uumlber das EEG-Umlagesystem gefoumlrdert wuumlrde Zusammen mit vier weiteren Oumlkostromanbietern hat die EWS daher einen entsprechenden Vorschlag in Gestalt des sog Gruumlnstrommarktmodells eingebracht (vgl wwwgruenstrom-markt-modellde) Ebenso ist die EWS auch neben 10 weiteren Organisationen Initiator und Gruumlndungs-mitglied des 2014 gegruumlndeten Buumlndnis Buumlrgerenergie (Buumlndnis Buumlrgerenergie eV 2014) Dieses versteht sich als bdquoVordenker der dezentralen Energiewende in Buumlrger-hand Es unterstuumltzt die Vernetzung der Akteure in den Regionen und engagiert sich oumlffentlich fuumlr eine Kultur der Buumlrgerenergie Das Buumlndnis vermittelt Buumlrgerenergie-Akteuren Wissen und Qualifikationen damit sie mit innovativen Ideen die dezentrale Energiewende weiter aktiv mitgestaltenldquo (wwwbuendnis-buergerenergiedebuendnisaufgaben-und-ziele) Im Interview mit einem Vorstandsmitglied der EWS wird diese Vernetzungsaktivitaumlt zwar begruumlszligt ihre Schlagkraft aber noch als begrenzt angesehen bdquoWir reden immer daruumlber dass wir Netzwerke bilden muumlssen Wir tun das gelegentlich auch (hellip) Das ist der Vorteil den die Groszligen haben Wenn die was wollen dann stehen die zusammen wie eine Eins Wir fangen immer unterwegs an (hellip) und jeder hat so ein bisschen seine eigenen Interessenldquo (Interview 02S)

314 Zwischenfazit

Die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung erfordert im Fall der Kleinstadt Schoumlnau einen speziellen Fokus Im Vordergrund steht weniger die Kommu-nalpolitik als solche sondern die Interaktion zwischen neuen sozialen Praktiken und Veraumlnderungen in der (Energie-)Politik und zwar in Schoumlnau vor allem aber auch in anderen Kommunen und indirekt auf anderen foumlderalen Ebenen Diese Veraumlnderungen sind im Lichte einer laumlngeren Innovationsgeschichte zu betrachten die im Kern auf zi-vilgesellschaftliche Initiative und das Agieren zentraler politischer Unternehmer zu-ruumlckzufuumlhren ist Unabhaumlngigen Individuen und Gruppen haben sich gegen das zentrali-sierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem gerichtet Den (materiellen) Kern des in-novativen Schoumlnauer Modells bilden dabei der durch buumlrgerschaftliches Engagement initiierte Kauf des lokalen Verteilernetzes sowie die Etablierung der Elektrizitaumltswerke Schoumlnau als Zwitter zwischen Wirtschaftsunternehmen und Nichtregierungsorganisati-on Diese wesentlichen Elemente des bdquoSchoumlnauer Modellsldquo interagieren jedoch mit der

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(Energie-)Politik und deren Veraumlnderung sei es in Schoumlnau in anderen Kommunen oder auf anderen foumlderalen Ebenen Unter dem Gesichtspunkt der Politikdiffusion wurden in dieser Fallstudie verschiedene Moumlglichkeiten diskutiert innovative Elemente des Schoumlnauer Modells zu verbreiten Auf hohe Resonanz sind vor allem Bestrebungen der EWS gestoszligen die eigenen ener-giepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau so-wie in Kooperation mit Akteuren zu realisieren die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) Im Sinne von Seyfang und Haxeltine (2012) ist es nicht nur (und ggf zukuumlnftig auch weniger) durch das EEG sondern auch durch Lern- und Nachah-mungsprozesse zu einer Replikation von Projekten innerhalb einer sozio-technischen bdquoNischeldquo gekommen Waumlhrend die uumlberregionale Verbreitung von Politikinnovationen gewissermaszligen Teil der Unternehmensphilosophie ist ist sie zugleich an strikte Bedin-gungen von Seiten der EWS geknuumlpft Gefoumlrdert werden sollen dezentrale buumlrger-schaftlich getragene Versorgungsstrukturen und Atom- und Kohlestromfreiheit Erhal-ten werden soll damit auch der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovationsaktivitauml-ten Diese Vorgaben schraumlnken wiederum ein Wachstum der EWS ein Dieses hat zwar stattgefunden und zu einer Skalierung der Zahl an Oumlkostromkunden gefuumlhrt rein be-triebswirtschaftlich gesehen (dh ohne Ruumlcksicht auf die genannten energiepolitischen Erwaumlgungen) koumlnnte es hypothetisch aber auch staumlrker ausfallen Ebenso treten die Dif-fusionsbedingungen andernorts in den Vordergrund Die Beteiligung an und die Bera-tung bei Rekommunalisierungsvorhaben ndash wie sie in dieser Fallstudie besonders disku-tiert wurden ndash zeigt nicht zuletzt wie unterschiedlich diese Bedingungen vor Ort sein koumlnnen Zudem tritt auch immer wieder die Interaktion mit mehr oder weniger foumlrderli-chen EU-rechtlichen und bundespolitischen Vorgaben in den Vordergrund (zB das kartellrechtliche Regime) Jenseits konkreter Vorhaben versteht Schoumlnau aber auch die ideelle Verbreitung und Nachahmung ihrer energiewirtschaftlichen und -politischen Vorstellungen als Teil ihres Selbstverstaumlndnisses Ebenso versucht die EWS durch Be-einflussung der bundespolitischen Rahmenbedingungen die Diffusionsbedingungen in ihrem Sinne zu beeinflussen (sog translation) Im politischen Wettbewerb hat sich letz-teres unter den derzeitigen Interessen und Kraumlfteverhaumlltnissen zuletzt als schwierig er-wiesen

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32 Regensburg

321 Einleitung

Regensburg ist mit knapp 156000 Einwohnern viertgroumlszligte Stadt Bayerns und Sitz der Regierung der Oberpfalz19 Die Stadt ist umgeben und eng verflochten mit dem Land-kreis Regensburg der aus insgesamt 41 Gemeinden und einer Bevoumllkerung von knapp 185000 Einwohnern besteht und eine Flaumlche von 1384 kmsup2 einnimmt (gegenuumlber 81 kmsup2 nur fuumlr die Stadt Regensburg) (Muumlller 2013) Regensburg ist eine alte Stadt mit mehr als 2000-jaumlhriger Geschichte was sich ua in einem Anteil denkmalgeschuumltzten Gebaumludebestands am gesamten Gebaumludevolumen von 86 in der von der UNESCO praumlmierten Innenstadt niederschlaumlgt Regensburg ist zugleich aber ein dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit geringer Arbeitslosigkeit und dem bayern-weit houmlchstem Verhaumlltnis von Erwerbstaumltigen zu Einwohnern Es steht gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner bayernweit an zweiter und deutschlandweit an sechster Stelle (Stadt Regensburg et al 2015) Branchenschwerpunkte bilden die Au-tomobilindustrie der Maschinenbau die Elektrotechnik die Informations- und Kom-munikationstechnologie die Energietechnik die Biotechnologie und Logistik und Dienstleistungsaktivitaumlten rund um den Regensburger Hafen Stadt und Landkreis zeichnen sich durch eine positive Bevoumllkerungsentwicklung aus wobei vor allem fuumlr die Stadt bis 2020 weitere Zuwaumlchse erwartet werden Als einer der bezogen auf die Bevoumllkerung juumlngsten Staumldte Deutschlands zeichnet sich Regensburg durch Aufbruchs-bereitschaft und Zukunftsorientierung aus Im Hinblick auf die Energie- und Klimapolitik drohen entsprechende Fortschritte im Sinne absoluter Treibhausgas- bzw Energieeinsparungen durch das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum aufgezehrt zu werden Zudem sind Teile der Industrie stark von fossilen Energietraumlgern abhaumlngig Allerdings scheint zugleich eine hohe Bereitschaft unter den verschiedenen Akteuren in der Region vorhanden zu sein den energiepoliti-schen Herausforderungen innovativ zu begegnen und neue vorbildliche Loumlsungen im Sinne der Energiewende zu implementieren (Stadt Regensburg et al 2015 S 27) Die-se Bereitschaft ist ihrerseits mit den guumlnstigen oben angedeuteten wirtschaftsstrukturel-len und gesellschaftspolitischen Voraussetzungen verknuumlpft (Muumlller 2013) Somit er-scheint Regensburg als ein interessantes Beispiel fuumlr die Untersuchung der Verbreitung von Politikinnovationen In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 322 zunaumlchst die Kernelemente Regensburger Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage

19 Vgl wwwregensburg-effizientde

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sowie auf der Basis von Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 323 speziell Politi-kinnovationen und deren Diffusion beschrieben Interviews wurden dazu mit sechs Ex-perten durchgefuumlhrt die in der Stadtverwaltung dem Stadtrat der Energieagentur Re-gensburg und der Regensburger Energie- und Wasserversorgungs AG (REWAG) taumltig sind Politikdiffusion wird im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systemati-siert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

322 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

Von einem Gesamtenergiebedarf von rund 4 TWh im Jahr 2012 in Regensburg fallen etwa 55 auf den Bereich Wirtschaft 37 auf Privathaushalte und 7 auf oumlffentliche Einrichtungen (Team fuumlr Technik 2014) Zugleich wurden im selben Jahr ca 14 Mio t CO2 emittiert wobei 49 auf die Stromerzeugung 26 auf den Verkehr und weitere 26 auf den - von der Stadt am leichtesten beeinflussbaren - Waumlrmeverbrauch fallen Die Entwicklung uumlber die Zeit ist lediglich fuumlr oumlffentliche Liegenschaften gut dokumen-tiert So konnten hier zwischen 1994 und 2012 die Heizenergieverbraumluche um fast 50 reduziert und ca 64000 t CO2 eingespart werden (Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2013) Die Stadt reklamiert hierbei auch eine Vorbildrolle fuumlr sich (Energie-agentur Regensburg 2015 S 6) Erzeugungsseitig hatten in der Stadt Regensburg erneuerbare Energien 2012 einen An-teil von etwa 9 am Stromverbrauch und 5 am Waumlrmeverbrauch (Team fuumlr Technik 2014) Bei Strom faumlllt dabei uumlber 50 auf Wasserkraftwerke waumlhrend bei der Waumlrme Holzbrennstoffe und Biomethan am bedeutsamsten sind Im Landkreis Regensburg ist der Ausbau erneuerbarer Energien bereits deutlich weiter fortgeschritten (ZREU 2013) Im Stromsektor wird hier bereits 57 des Bedarfs durch erneuerbare Energien abge-deckt im Waumlrmesektor immerhin schon 18 Fuumlr die Stadt und den Landkreis werden dabei fuumlr die Zukunft erhebliche Potenziale beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der CO2- und Energieeinsparung gesehen (Team fuumlr Technik 2014 ZREU 2013) Dabei koumlnnten diese Potenziale gerade durch die Kooperation von Stadt und Landkreis erschlossen werden (vgl Abschnitt 3232) Energie- und klimapolitische Aktivitaumlten der Stadt Regensburg sind seit den fruumlhen 1990er Jahren erkennbar (Stadt Regensburg et al 2015 Stadt Regensburg Umweltamt 2015) So ist die Stadt seit 1992 Mitglied im Klimabuumlndnis europaumlischer Staumldte und hat sich fruumlhzeitig fuumlr eine energieoptimierte Bauleitplanung und das Energiemanagement im kommunalen Gebaumludebestand eingesetzt Entsprechend sind die wesentlichen admi-nistrativen Zustaumlndigkeiten fuumlr die Energie- und Klimapolitik im Planungs- und Baure-ferat angesiedelt worden In dieser Zeit entwickelten sich auch Agenda 21-Initiativen

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und verschiedene Buumlrgerfachforen Runde Tische und Veranstaltungen Es folgten ein-zelne Aufklaumlrungskampagnen Foumlrderprogramme Modellprojekte und Konzepte fuumlr Neubaugebiete Seit den 2000er Jahren wird das Thema Energie zunehmend mit regio-nalpolitischen Aktivitaumlten verknuumlpft So finden sich Aussagen zur Energieversorgung im Regionalplan der Region Regensburg und andern raumlumlich ausgerichteten Konzep-ten und Studien Energie wurde dabei als wesentlicher Schwerpunkt uumlbergemeindlicher Prozesse und Kooperationen identifiziert (so Stadt Regensburg et al 2015) Einen wesentlichen Meilenstein Regensburger Klima- und Energiepolitik bildete die Gruumlndung einer gemeinsamen von Stadt und Landkreis getragenen Energieagentur im Jahre 200920 Ziel der Agentur ist die Mobilisierung des regionalen Energieeinsparpo-tenzials und des verstaumlrkten Einsatzes von erneuerbaren Energien Gegenuumlber Buumlrgern und Unternehmen aber auch den beteiligten Kommunen bietet sie Beratungen an und fuumlhrt verschiedene Projekte (Energiekonzepte Potenzialanalysen Maszlignahmenplanun-gen uauml) durch Gegenuumlber traditionell-hierarchischen kommunalen Verwaltungsstruk-turen erweist sich die Energieagentur dabei als flexibler effizienter und ergebnisorien-tierter (Interview 04R) Die Agentur versteht sich aber auch als Kern eines Netzwerks das verschiedene (Energie-)Akteure vor Ort zusammenfuumlhrt und ihnen auch auszligerhalb der Region eine Stimme verleiht (Abschnitt 3233) Finanziell hat sie in der Anfangs-phase von EU-Foumlrdermitteln profitiert muss sich seit 2013 aber durch unternehmeri-sches Taumltigwerden selbst finanzieren (zB uumlber die Umsetzung des Energienutzungs-plans vgl unten) Mit dem Wachstum von Stadt und Umland hat auch die fuumlr Regensburg und weitere 17 nahe liegende Kommunen als Grundversorger zustaumlndige Regensburger Energie- und Wasserversorgungs- AG (REWAG) zunehmend einen strategischen Stellenwert fuumlr die Region und deren Energie- und Klimapolitik eingenommen Das 1976 aus den Stadt-werken Regensburg bzw der Energieversorgung Ostbayern hervorgegangene und noch heute zu knapp 65 im Eigentum der Stadt befindliche Unternehmen war urspruumlnglich ein Strom- und Gasanbieter ohne eigene Erzeugung Ende der 2000er Jahre wurde je-doch - gestuumltzt durch die bayerischen und bundespolitischen Diskussionen uumlber einen staumlrker erneuerbar gepraumlgten Erzeugungsmix - der politische Anspruch in der Region formuliert eine Eigenversorgung beim heimischen Energieversorger im Sinne der Da-seinsvorsorge aufzubauen (Interview 02R) Daraufhin wurden erste Lern- und Demonst-rationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien lanciert Akteursseitig sollte dann auch

20 Vgl httpwwwenergieagentur-regensburgde Im Gegensatz zu anderen Bundeslaumlndern ist fuumlr Bay-

ern als Flaumlchenland die Gruumlndung regional ausgerichteter Energieagenturen typisch

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die anstehende Wahl eines neuen Vorstandsvorsitzenden der REWAG den Kurs zu Gunsten einer dezentral und erneuerbar gepraumlgten Erzeugung stuumltzen (Interview 02R) Im Einklang mit der Stadt und unter Beruumlcksichtigung bundespolitischer Rahmenbedin-gungen (EEG etc) sieht sich die REWAG heute als Akteur der Energiewende der entsprechende strategische Weichenstellungen [vornimmt] (Stadt Regensburg Betei-ligungsmanagement und Controlling 2015) Das Erzeugungsportfolio erstreckt sich dabei auf Onshore- Windkraftanlagen Fotovoltaikanlagen Biomasse- und Biomethana-nlagen und KWK- Anlagen Bis 2020 soll dabei 50 des Stroms fuumlr Privatkunden vom Unternehmen selbst und regenerativ erzeugt werden Uumlber 100 Millionen euro soll bis 2020 in die eigene Stromerzeugung investiert werden (vgl wwwrewagde) Die Erzeugungs-seite stuumltzt sich zugleich auf Kompetenzen der REWAG in den Bereichen Netze Han-del und Vertrieb Zunehmend wichtig werden auch verschiedene Dienstleistungskon-zepte (Contracting Betriebsfuumlhrung von dezentralen Erzeugungsanlagen Vermarktung des erzeugten Stroms Energiesparberatung uauml) und Aktivitaumlten im Bereich Elektro-mobilitaumlt (Bereitstellung von Ladeinfrastruktur) Angesichts vermuteter Potenziale in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien Energieeffizienz und Energieeinsparung sind in Regensburg aber auch im Landkreis informelle energiebezogene Planungsinstrumente ein Dreh- und Angelpunkt der loka-len bzw regionalen Energie- und Klimapolitik geworden Sie dienen der Analyse der momentanen Energieversorgung und des Energiebedarfs der genaueren Potenzialanaly-se der Maszlignahmenkoordination und Entwicklung von Umsetzungskonzepten und bil-den zusammen einen themenuumlbergreifenden und strategischen Rahmen Die energeti-sche Entwicklung und Planung erhaumllt zugleich einen raumlumlichen Bezug Dabei wird die Erstellung der Instrumente durch Foumlrdermittel des Freistaats Bayern unterstuumltzt (vgl zB BLU 2014) Fuumlr den Landkreis Regensburg ist kuumlrzlich ein Energieentwicklungsplan erstellt worden der fuumlr den Landkreis die Landkreisgemeinden zwei neu gegruumlndete Energiegenossen-schaften die REWAG und fuumlr weitere Akteure Orientierung bietet Als Steuerungs-instrument soll er ndash unter Einbeziehung bereits bestehender energiebezogener Konzepte bzw Plaumlne einzelner Gemeinden ndash die bdquogesamtheitliche Entwicklung im Landkreisldquo anleiten (ZREU 2013) Fuumlr die Stadt Regensburg wurde am 2562014 ein Energienutzungsplan beschlossen Damit bestand auch dort erstmals eine systematische umfassende und strategische Grundlage fuumlr alle weiteren Aktivitaumlten rund um die Energiewende und den Klima-schutz Der Plan wurde mit Foumlrdermitteln des Freistaats vom Ingenieurbuumlro Team fuumlr Technik erstellt und in der Fachoumlffentlichkeit in Form von Workshops diskutiert (Team fuumlr Technik 2014 Stadt Regensburg Planungs- und Baureferat 2015 Stadt Regens-

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burg Amt fuumlr Stadtentwicklung 2014) Politik- und umsetzungsrelevant sind vor allem die dort entwickelten bzw vorgeschlagenen Konzepte und Maszlignahmen Sie verteilen sich auf fuumlnf Handlungsfelder Den Energienutzungsplan im engeren Sinne bilden die Handlungsfelder bdquoWaumlrme einschlieszliglich KWKldquo und bdquoStromldquo (zB mit Vorschlaumlgen fuumlr geeignete Erzeugungsstandorte oder Gebiete mit hohem Waumlrme-Einsparpotenzial) Da-neben besteht ein Handlungsfeld bdquoStrategie und Koordinationldquo dass Ideen aus den Fachworkshops und der Planerstellung aufgreift und vor allem dazu dient Projekte auf-einander abzustimmen und fruumlhzeitig Aspekte der Energieplanung in uumlbergeordnete staumldtische Vorhaben einzubeziehen (zB Verzahnung von Energie- und Bauleitpla-nung) Flankierend werden schlieszliglich in einem Handlungsfeld bdquoVernetzung und Betei-ligungldquo bestehende energiebezogene Ansaumltze mit Ideen aus den Fachworkshops zu-sammengefuumlhrt (zB Energieberatung fuumlr Wohngebaumlude Aufbau einer Bioenergieboumlr-se) Ein fuumlnftes Handlungsfeld nimmt vertiefende Detailstudien (zB fuumlr bestimmte Quartiere Industriegebiete) vor Aktuell steht die Umsetzung des Energienutzungsplans im Vordergrund (vgl auch wwwregensburg-effizientde) Aus Kapazitaumltsgruumlnden wur-den dabei verschiedene Schwerpunktthemen ausgewaumlhlt die prioritaumlr in verschiedenen Arbeitsgruppen vorangebracht werden sollen die Gruumlndung eines Energiebildungszentrum im Groszligraum Regensburg zur Bereit-

stellung von Informationen und zur Bewusstseinsbildung im Themenfeld Energie-wende

eine Boumlrse fuumlr regionale (bioenergiebasierte) Brennstoffe zur Verknuumlpfung von loka-ler Nachfrage und lokalem Angebot

eine an Hausbesitzer und Wohnbauunternehmen adressierte Gebaumludesanierungskam-pagne

die Pruumlfung von Gebieten die fuumlr den Einsatz von Waumlrmenetzen in Frage kommen die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch Energieversorgungsunterneh-

men (insbesondere die REWAG) die Steigerung erneuerbarer Energieerzeugung durch verschiedene (Industrie-) Un-

ternehmen und die Wohnungswirtschaft die Zusammenarbeit von Wirtschaftsunternehmen (insbesondere uumlber sog Lernende

Energieeffizienznetzwerke oder auch bei der Abwaumlrmenutzung) die Erprobung neuer bzw verbesserter Mobilitaumltskonzepte (E- Mobilitaumlt Car-

Sharing uauml) Auszligerdem ist ein Lenkungs- und Beratungsgremium eingerichtet worden das den Ar-beitsgruppen uumlbergeordnet ist und mit Vertretern der Stadtverwaltung aber auch mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren der Energiewende

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besetzt ist Das Gremium soll Kompetenzen buumlndeln Umsetzungshemmnisse beseitigen sowie Entscheidungen vorbereiten bzw ggf selbst treffen Eine Schluumlsselstellung bei der Umsetzung des bis zunaumlchst 2018 angelegten Energie-nutzungsplans nimmt die Energieagentur Regensburg ein Sie ist nicht nur in den ein-zelnen Arbeitsgruppen und dem Lenkungs- und Beratungsgremium vertreten sondern eignet sich durch ihre hohe fachliche Kompetenz und ihr breit gefaumlchertes Mitglieder-netzwerk fuumlr die Steuerung des Umsetzungsprozesses Parallel zu den konkreten Umsetzungsaktivitaumlten wurde ein breit angelegter Leitbild-prozess (bdquoLeitbild Energie und Klimaldquo) in Gang gesetzt der moumlglichst viele Akteure einbeziehen und das erarbeitete Leitbild in Politik und Gesellschaft verankern soll Zu diesem Zweck sollen ab Fruumlhjahr 2016 verschiedene Workshops stattfinden Mit einem moumlglichst konkreten Bild der gewuumlnschten Zukunft sollen auf diesem Wege klare ver-bindliche und moumlglichst von allen Beteiligten getragene Zielsetzungen in der Energie- und Klimapolitik vorbereitet werden Auch zur Moderation dieses Leitbildprozesses ist wiederum in erster Linie die Energieagentur Regensburg gefragt Die Erstellung des Energienutzungsplans und die Konzeption der oben beschriebenen energie- und klimapolitischen Marschroute fielen mit einer Aumlnderung der politischen Mehrheitsverhaumlltnisse in Regensburg zusammen Mit der Wahl des Stadtrates und des Oberbuumlrgermeisters vom 1632014 wurden in Regensburg erstmals seit 36 Jahren wie-der die Sozialdemokraten staumlrkste Kraft Nach der Wahl wurde eine Koalition mit den Gruumlnen gebildet die mit 105 der Stimmen im Stadtrat relativ gut vertreten sind Der dritte Buumlrgermeister wurde dabei zum (von den Gruumlnen zu besetzenden) bdquoUmweltbuumlr-germeisterldquo ernannt was mit einer Staumlrkung umweltschutzaffiner Aufgabenfelder (Umweltamt Gartenamt Amt fuumlr Abfallentsorgung Straszligenreinigung und Fuhrpark) sowie indirekt der Energieagentur als diesem Buumlrgermeister unterstellte Dienststelle einherging Damit ging auch eine veraumlnderte Auszligenkommunikation des Umwelt- Energie- und Klimathemas einher (Interview 04R) So war das Thema zuvor zwar administrativ bear-beitet worden aber kaum Gegenstand oumlffentlicher Stellungnahmen was auch darauf zuruumlckgefuumlhrt wird dass sich der ehemalige Oberbuumlrgermeister gerade bei Energiefra-gen als strukturkonservativ und atomkraftfreundlich positionierte Im Zuge der Wahl bot sich unter den veraumlnderten politischen Rahmenbedingungen die Gelegenheit die Energiewende in Regensburg politisch aktiv zu bespielen und zu gestalten Einerseits stellt dabei das gewachsene Selbstbild der Stadt eine guumlnstige Voraussetzung dar So ruumlhrt das Selbstbewusstsein und die Strahlkraft der Stadt aus der langjaumlhrigen Geschichte was sich dann auch immer wieder darin ausdruumlckt dass sich die Stadt be-muumlht sich gegenuumlber anderen Staumldten in Rankings oder Wettbewerben gut zu positio-

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nieren (zB als Kulturhauptstadt) Dem Selbstverstaumlndnis des Umweltbuumlrgermeisters nach resultiert daraus eine politische Orientierung die immer wieder Potenziale und Chancen fuumlr die Zukunft sieht was sich gerade auch auf die von vielen Unsicherheiten gepraumlgte Transformation des Energiesystems positiv auswirkt bdquoRegensburg ist alt und neu zugleich (hellip) Wenn man weiszlig wo man herkommt tut man sich manchmal auch leichter mutig in die Zukunft zu gehenldquo (Interview 04R) Andererseits kann die Regensburger Politik auf strukturellen Veraumlnderungen im Ener-giebereich sowie veraumlnderten Akteurskonstellationen aufbauen Wie bereits erwaumlhnt zaumlhlt dazu strukturell die Gruumlndung und schrittweise Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung der REWAG und (damit oft verwoben) die verstaumlrkte Zusammenar-beit mit dem Umland Zugleich bilden der Energienutzungsplan und indirekt entspre-chende Konzepte auf Ebene des Landkreises oder einzelner Umlandgemeinden einen uumlbergreifenden strategischen Rahmen Ebenso werden Veraumlnderungen durch neue Ak-teure und neue Akteurskonstellationen gestuumltzt Dazu zaumlhlt insbesondere ein atomkraft-kritischer Buumlrgermeister ein bdquoenergiewendefreundlicherldquo Vorstandsvorsitzender der REWAG und ein gestaltungsfreudiger Geschaumlftsfuumlhrer der Energieagentur Dazu zaumlhlt ebenso eine Verzahnung dieser Akteure uumlber Mitgliedschaften und Gremien was wie-derum der Politik eine houmlhere Glaubwuumlrdigkeit verleiht (Interview 02R) Ebenso herrscht auch informell ein Klima des Vertrauens in einem gut eingespielten Kreis von Schluumlsselakteuren (Interview 01R) Die Konsolidierung der Regensburger Energie und Klimapolitik - insbesondere in Ge-stalt des Energienutzungsplans und entsprechender Leitbild- und Umsetzungsprozesse - spiegelt sich wiederum in konkreten unternehmerischen Entscheidungen So stuumltzt sich das investive Engagement der REWAG beim Ausbau erneuerbarer Energien und de-zentraler Versorgungskonzepte wesentlich auf die kommunalpolitische Ruumlckendeckung Entsprechende Ausbaumaszlignahmen werden also - vor dem Hintergrund bestehender Risiken jenseits des EEG oder KWKG - auch deshalb verstaumlrkt betrieben weil die Poli-tik in Regensburg und im Landkreis entsprechende Ausbaupotenziale staumlrker betont und ihre Realisierung vehementer einfordert21

21 Dabei ist neben dem Engagement vor Ort auch die Erschlieszligung von Erzeugungspotenzialen auszliger-

halb Regensburg (zB die Beteiligung an Windenergieanlagen in Norddeutschland) erwuumlnscht (Inter-view 02R)

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323 Uumlber Regensburg hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungs-moumlglichkeiten und -restriktionen auch jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf strategisch in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimensi-on - also zwischen Staumldten und Kommunen ndash undoder einer vertikalen Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Regensburg koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Diffusionsprozesse uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldtepartnerschaf-

ten Jenseits gesetzlichen Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnome-nen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwi-schen Kommunen wie Staumldtenetzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlberge-ordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Diffusionsprozesse uumlber Stadt-Umland-Kooperationen In dem Maszlige wie die Ener-gieversorgung und Klimaschutzaktivitaumlten in einem groumlszligeren raumlumlichen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus organisiert wird ergeben sich potentiell Kommunikati-ons- Lern- und Innovationsprozesse zwischen Stadt und ausgewaumlhlten Umlandge-meinden

Diffusionsprozesse uumlber Energieagenturen Als Vermittler und Multiplikatoren koumln-nen Energieagenturen jenseits ihres Standorts Innovationsstandards und Diffusions-prozesse beeinflussen und selbst beratend fuumlr externe Kommunen taumltig werden

Diffusionsprozesse uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerke Die staumlndi-ge Interaktion und enge Verbindung zwischen Stadtpolitik und wesentlichen ortsan-

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saumlssigen Unternehmen kann eine Quelle von Politikinnovationen und deren Diffusion werden Daruumlber hinaus sind Netzwerkaktivitaumlten eine Moumlglichkeit Veraumlnderungen und Innovationen technologischer und sozialer Art anzustoszligen und zu verbreiten

3231 Diffusion uumlber institutionalisierte Staumldtenetzwerke und Staumldte-partnerschaften

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten uumlber mehrere Staumldte organisierte Staumldtenetzwerke Fuumlr Regensburg spielen dabei vor allem Staumldtenetzwerke eine wichtige Rolle die auf die EU-Ebene gerichtet sind Im Gegensatz zu Muumlnchen hat die Mitgliedschaft Regensburg im Klimabuumlndnis hier derzeit nur einen untergeordneten Stellenwert22 Wichtiger erscheinen Netzwerke die sich mit stadt- und regionalpolitischen Aktivitaumlten im weiteren Sinne beschaumlftigen aber immer auch Bezuumlge zum Klima- und Energiebereich thematisieren Sie reflektieren das Bemuumlhen Regensburg Fragen der Regionalplanung der Stadtentwicklungsplanung und Bauleitplanung staumlrker integriert mit energie- und klimapolitischen Belangen zu behandeln (Interview 01R) Die Mitgliedschaft in Staumldtenetzwerken hat fuumlr Regensburg zwei wesentliche Funktio-nen die Vertretung staumldtischer Interessen gegenuumlber der EU (bzw dem Bund) und den Austausch mit anderen Staumldten Beide Funktionen sollen wiederum auch den Zugang zu Foumlrdergeldern erleichtern Einen wichtigen Stellenwert nimmt fuumlr Regensburg etwa das Urban Netzwerk ein das deutsche und oumlsterreichische Staumldte bei der Umsetzung von integrierten staumldtischen Entwicklungsmaszlignahmen unterstuumltzt die aus den EU-Strukturfonds finanziert werden Neben der Interessenvertretung gegenuumlber und Sensi-bilisierung von EU-Vertretern wird hierbei der Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer betont In einem vordergruumlndigen Sinne koumlnnen die Vertreter der Staumldte dabei lernen wie EU-Foumlrderantraumlge so formuliert oder bewilligte Projekte so umgesetzt wer-den koumlnnen dass sie als moumlglichst vorbildlich angesehen werden Ein Vertreter der Stadtverwaltung betont etwa die Bedeutung gut klingender Labels in diesem Zusam-menhang wie sie von der oumlsterreichischen Stadt Graz genutzt werden die sich mit dem Thema sbquoSmart Cityrsquo europaumlische Foumlrdergelder sichern konnte (Interview 01R) Aber auch inhaltlich betont der Vertreter der Stadtverwaltung dass die Netzwerktreffen Lernprozesse ausgeloumlst haben die dann den fachlichen und persoumlnlichen Kontakt zu einzelnen Staumldten - in diesem Fall vor allem Graz - vertieft haben (vgl auch Abschnitt 3233)

22 Die Mitgliedschaft im energie- und klimabezogenen Konvent der Buumlrgermeister wird derzeit auch erst

erwogen bzw vorbereitet

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bdquoWir waren auch schon in Graz (hellip) Das war klar auf diese Netzwerktreffen zuruumlckzu-fuumlhren (hellip) Da gibt es einen sehr guten persoumlnlichen Kontakt Da brauche ich bloszlig auf den Knopf zu druumlcken die Nummer ist eingespeichert und ich kann mich [uumlber das inte-ressante Projekt] informieren Diese Netzwerke sind Gold wertldquo (Interview 01R) Ebenso ergeben sich Moumlglichkeiten fuumlr andere Staumldte von Regensburger Erfahrungen zu lernen auch wenn es mehr darum geht bdquoIdeen oder Teile von Loumlsungen zu uumlberneh-menldquo und weniger darum das bdquoProjekte eins zu eins umgesetzt werdenldquo (Interview 01R) Gerade mit einzelnen und aumlhnlich strukturierten anderen Staumldten ergeben sich dann auf der Basis (aber auch auszligerhalb) der Netzwerktreffen wiederholte Interaktio-nen So wird etwa von Regensburg interessiert beobachtet wie Mannheim die Umwid-mung von Konversionsflaumlchen mit einer innovativen Form der Buumlrgerbeteiligung reali-siert Eine Gelegenheit Regensburg mit anderen aumlhnlichen Staumldten zu vergleichen und Lern-prozesse anzustoszligen bieten auch institutionalisierte Staumldtepartnerschaften So ergab sich die Moumlglichkeit im Rahmen einer Einladung durch die franzoumlsische Partnerstadt Clermont-Ferrand das dortige innovative Stadtbahnkonzept naumlher kennen zu lernen Dies fuumlhrte dann zu Uumlberlegungen daruumlber ob ein derartiges Modell nicht die Regens-burger Verkehrsbelastungen reduzieren koumlnnte Allerdings waren diese Uumlberlegungen schwer mit den rechtlichen und planerischen Vorgaben im deutschen Foumlderalismus zu vereinbaren konkret also dem kurzfristigen und engen Planungsrahmen des Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetzes So betont der von uns interviewte Buumlrgermeister zum einen die Grenzen von Lernprozessen in einem bdquoSystem wo wir nicht alles bestimmen koumlnnenldquo (Interview 04R) Zum andern wird der systematische Vergleich mit anderen Staumldten teilweise nur als bedingt zielfuumlhrend angesehen aufgrund spezifischer oumlrtlicher Bedingungen und spezifischer Akteurskonstellationen

3232 Diffusion uumlber Stadt-Umland-Kooperationen

Gerade fuumlr kleinere und mittelgroszlige Staumldte wie Regensburg bietet es sich angesichts begrenzter eigener Handlungskapazitaumlten an Klimaschutz in einem groumlszligeren raumlumli-chen Maszligstab uumlber die Stadtgrenzen hinaus zu organisieren In der Gruumlndung einer ge-meinsamen Energieagentur von Stadt und Landkreis findet dieses Bestreben - wie be-reits in Abschnitt 332 erwaumlhnt - einen konkreten politischen Ausdruck In dem Maszlige wie interkommunale bzw regionale Kooperation stark auf Freiwilligkeit und Kommu-nikation zwischen den Akteuren beruht kann sie als Teil der Diffusion innovativer Poli-tiken (und nicht nur als formaler Akt der Kooperation rechtlich unabhaumlngiger Gebiets-koumlrperschaften) betrachtet werden (Kapitel 232) Unsere Interviews haben verschiede-

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ne Auspraumlgungen von Stadt-Umland-Kooperationen beleuchtet die zum Teil als gelun-gen und zum Teil als er verbesserungswuumlrdig eingestuft werden Weitgehend positiv bewertet wird die juumlngst vorgenommene Bildung einer sog innova-tiven Energieregion zwischen der Stadt und ausgewaumlhlten Umlandgemeinden Dabei ist dieses Konstrukt wiederum mit EU-Vorgaben verbunden So foumlrdert die EU im Rahmen des Fonds fuumlr Regionale Entwicklung zusammen mit dem Freistaat Bayern ausgewaumlhlte integrierte raumlumliche Entwicklungskonzepte (IRE) die sich durch interkommunale Zu-sammenarbeit auszeichnen In dem mehrstufigen wettbewerblichen Auswahlverfahren unter mehr als 80 Bewerbern in Bayern konnten sich kuumlrzlich Regensburg und acht Um-landgemeinden durchsetzen Gemeinsames Anliegen der Kooperation ist die Energie-wende im Raum Regensburg zu befoumlrdern und zugleich fuumlr die weitere staumldtebauliche Entwicklung in der Region zu nutzen Dabei bestehen fuumlr die Foumlrderperiode bis 2020 weitgehende Entscheidungsspielraumlume fuumlr die gefoumlrderten Gemeinden daruumlber welche Projekte konkret und im gemeinsamen Einvernehmen gefoumlrdert werden sollen Von Seiten des Regensburger Oberbuumlrgermeisters wird fuumlr den Erfolg im Auswahlpro-zess bdquoder offene und von gegenseitigem Vertrauen gepraumlgte Austausch zwischen allen Kooperationspartnernldquo als bdquoein maszliggeblicher Erfolgsfaktor unserer Bewerbungldquo be-tont23 Auch von Seiten der Verwaltung wird betont dass das persoumlnliche Engagement der Buumlrgermeister ein entscheidender Faktor war und die Antragstellung erleichtert hat Dabei war dieser Austausch aber insofern schon vorstrukturiert dass Regensburg mit seinen Umlandgemeinden schon seit laumlngerem bestimmte gemeinsame Planungen und Verbundkonzepte realisiert oder zumindest diskutiert hat (zB Verkehrsverbund inter-kommunale Gewerbegebiete gemeinsame Arbeitskreise mit Gemeindevertretern zu verschiedenen Themen uauml) (Interview 01R) Die Verknuumlpfung mit dem Thema Energie war dann auch dadurch beguumlnstigt dass in der Breite der Gemeinden eine Offenheit fuumlr dieses in Deutschland insgesamt so stark diskutierte Thema bestand Zugleich war in-nerhalb der Regensburger Verwaltung das notwendige Fachwissen bei Schluumlsselakteu-ren vorhanden um ein derartiges Format im Lichte der Anforderungen in der Region und zugleich den komplexen foumlrderrechtlichen Vorgaben der EU zu realisieren (Inter-view 03R) Waumlhrend der Erfolg der IRE derzeit noch nicht bewertet werden kann wird von einem erfahrenen Verwaltungsmitarbeiter die regionale Kooperation uumlber die Stadtgrenzen hinaus generell als noch zu stark unterbelichtet angesehen so dass eine Tendenz zur bdquoBalkanisierungldquo gegeben sei (Interview 01R) Aumlhnlich wie in der Kooperation zwi-schen Muumlnchen mit seinen Umlandgemeinden werden auch im Regensburger Umland

23 Vgl dazu httpwwwregensburg-digitaldeinnovative-energieregion-regensburg-im-bayerischen-

efre-auswahlverfahren-erfolgreich21052015

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haumlufig Sorgen oder Aumlngste geaumluszligert von Regensburg vereinnahmt bzw benachteiligt zu werden Dabei geht es haumlufig um Projekte die die Flaumlchennutzung oder Bebauung betreffen und im Ideenstadium von politischer Seite zuruumlckgewiesen werden Teilweise tangieren diese Projekte wiederum Fragen der Energieeinsparung oder der Nutzung er-neuerbarer Energietraumlger so dass es Uumlberschwappeffekte vom Bau- zum Energiebereich gibt Als ein Beispiel wurde etwa die Idee genannt nicht nur wie geplant in Regensburg sondern auch im Umland Solardachkataster zu erstellen dh Landkarten die Bauherren zeigen wie gut sich Dachflaumlchen fuumlr die Installation von Fotovoltaik- oder Solarther-mie-Anlagen eignen Derartige Kataster wurden bereits in einer Reihe von Kommunen erstellt die einen der vorderen Plaumltze in der Solarbundesliga einnehmen (wo Regens-burg derzeit den neunten Platz einnimmt vgl wwwsolarbundesligade) In Regensbur-ger Umland ist ein entsprechender Versuch vorerst gescheitert bdquoIm Vorfeld hatten wir die Kontaktaufnahme mit dem (hellip) Landratsamt (hellip) [um die Projektidee vorzustellen] Die haben sich dann geziert und sind dann abgesprungen Offiziell aus Kostengruumlnden (hellip) Aber da gibt es aus meinem Dafuumlrhalten auch politi-sche Vorbehalte [so ein sensibles Thema im Rahmen von Buumlrgermeisterrunden des Landratsamts anzusprechen]ldquo (Interview 01R) Schwierig sei es mitunter auch Formen gemeinsamer intelligenter Flaumlchennutzung zu implementieren So stoumlszligt etwa auch der Bau groumlszligerer Wohnanlagen bzw Quartiere in den von (energetisch idR unguumlnstigen) Einfamilienhaumlusern gepraumlgten Landkreisen oumlfter auf Vorbehalte Als eher unproblematisch stellt sich aber wohl die Zusammenarbeit der Kommunen im Hinblick auf Energieerzeugung und damit verknuumlpfte Versorgungs- und Dienstleis-tungskonzepte dar Dabei spielt wiederum die REWAG eine Schluumlsselrolle Die RE-WAG agiert zum einen ohnehin im Groszligraum Regensburg und bindet diesen aneinan-der energietechnisch oder auch uumlber einen Kommunalbeirat mit Vertretern der Landraumlte und der Buumlrgermeister der Kommunen Zum anderen sieht sie in neuen dezentralen Er-zeugungskonzepten auch selbst ein wirtschaftliches Potenzial Von Seiten der REWAG wird dann auch das Zusammenwirken der Kommunen im Grundsatz positiv beschrie-ben24 bdquoAlle Buumlrgermeister haben verstanden dass mit der Dezentralisierung der Erzeugungs-welt eine Einflussnahme auf die Energieversorgung stattfinden wird (hellip) Da herrscht auch Konsens zwischen Landkreis und Stadt dass man die Art der Energieversorgung

24 Aumlhnliches gilt fuumlr die Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsakteuren So wurde diesbezuumlg-

lich ein Vorzeigeprojekt genannt bei dem aus einem Blockheizkraftwerk die Waumlrme kombiniert fuumlr die Kalkproduktion und ein nahe gelegenes neues Wohngebiet genutzt wird Durch das Zusammen-wirken der Akteure wurde dabei eine besondere Dynamik entwickelt

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analog durchziehen wird Das ist fuumlr uns natuumlrlich auch wichtig (hellip) Wir wollen die dezentralen Erzeugungsanlagen [in Stadt und Landkreis] technisch vernetzen und aus-steuern uumlber unsere Leitwarte uumlber unser Handelssystem (hellip) Und da muumlssen natuumlr-lich alle mitspielenldquo (Interview 02R) Fuumlr die REWAG selbst sind dann auch weniger politische Gruumlnde ein Hemmnis fuumlr die Realisierung von Projekten Eher gehe es darum sich konkret bei der Auftragsvergabe (zB der Umsetzung eines Energieversorgungskonzepts in einem neuen Quartier) ge-genuumlber Wettbewerbern im Markt zu profilieren Waumlhrend im Gespraumlch mit der Regensburger Stadtverwaltung einige Schwierigkeiten interkommunaler und von der Stadt Regensburg initiierter Zusammenarbeit angespro-chen wurden sieht die REWAG durchaus auch wechselseitige politische Diffusionspro-zesse25 Dies gelte zum einen im Hinblick auf Energiekonzepte einzelner Landkreisge-meinden um Regensburg herum So wuumlrden regelmaumlszligige Treffen im Kreistag und auch auszligerhalb dafuumlr sorgen dass sich die Kommunen energiepolitisch aneinander orientie-ren oder gar einander nachahmen Zum anderen ergeben sich im Hinblick auf die Stadt Regensburg auch bdquoumgekehrteldquo oder parallele Diffusionsprozesse Die REWAG betont diesbezuumlglich einige akteurseitige und strukturelle Bedingungen bdquoSie haben nicht einen Leuchtturm in der Stadt Regensburg und der Landkreis zieht nach (hellip) Das findet parallel statt und wir sorgen auch dafuumlr dass das gleichgerichtet ist Es kann auch mal sein dass eine Landkreiskommune bei der Projektrealisierung sogar schneller ist (hellip) mit ihrer flexiblen schlanken Struktur engagierten Leuten (hellip) mit ihrem schnellen Zugriff auf die Energieagentur und uns [die REWAG] (hellip) mit ihren besseren Erzeugungsbedingungenldquo (Interview 02R)

3233 Diffusion uumlber Energieagenturen

Wie bereits erwaumlhnt spielt auch die eng mit der Verwaltung verzahnte Energieagentur Regensburg eine wesentliche Rolle bei der Kooperation von Stadt und Landkreis Der Fokus liegt dabei weniger in der energietechnischen und -wirtschaftlichen Umsetzung (wie bei der REWAG) sondern auf der Bewusstseinsbildung und in der konzeptionellen Arbeit Daruumlber hinaus hat die Energieagentur aber noch eine weitere Schluumlsselfunktion bei der Verbreitung von Politikinnovationen Sie kommt uumlber die Vernetzung und Ab-stimmung mit anderen Energieagenturen zum Tragen So ist die Energieagentur Re-gensburg Mitglied der Bayerischen Energieagenturen eV deren Vorsitz wiederum der

25 Daneben wurde auch erwaumlhnt dass sich bestimmte Projekte uumlber Kommunen schon deshalb ausbrei-

ten weil der betriebswirtschaftliche Mehrwert allein schon so groszlig ist (zB Straszligenbeleuchtung auf LED-Basis)

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Leiter der Regensburger Agentur ist Ebenso ist sie auch Mitglied bei der Vertretung der deutschen Energieagenturen Vor allem die Mitgliedschaft in dem bayerischen Zusammenschluss der Energieagentu-ren ist dabei eine Moumlglichkeit Innovationsstandards und Diffusionsprozesse bayernweit zu beeinflussen So ist der Zusammenschluss zunaumlchst ein Mittel um Kraumlfte einzelner Energieagenturen zu buumlndeln gemeinsame Projekte zu realisieren und die von der baye-rischen Staatsregierung in Aussicht gestellten Foumlrdermittel fuumlr die Energiewende effek-tiv einsetzen zu koumlnnen Ebenso werden umgekehrt uumlber die Interessenvertretung auf Landesebene die Art der Mittelvergabe und die Programmgestaltung der Ministerien beeinflusst26 Sowohl die Realisierung gemeinsamer Projekte als auch die Interessenver-tretung ist dabei mit Abstimmungsprozessen der Energieagenturen verbunden Die ge-genseitige Abstimmung fuumlhrt dann im Ergebnis dazu dass die Verbreitung innovativer energiepolitischer Konzepte und Programme einen gewissen Standard uumlber Kommunen hinweg erfuumlllen bdquoDass wir uns auch gegenseitig abstimmen um nicht in voumlllig verschiedene Richtungen zu gehen zu unterschiedlich zu agieren das ist auch wichtig Unsere Ansprechpartner sind ja in der Regel die Kommunen Und die Kommunen wollen ja auch das Gefuumlhl haben da sitzt jetzt jemand vor mir der mit seinen Projekten seinen Anliegen seinen Vorschlaumlgen auch irgendwie in dieser Realitaumlt ist und nicht (hellip) Politiker instrumentali-sieren moumlchte um irgendwie einen eigenen Weg einzuschlagen Das ist so [uumlber die Zusammenarbeit der Agenturen] fundierterldquo (Interview 03R) Diese Standardsetzung wird wiederum von gegenseitigen Lernprozessen unterfuumlttert Explizit findet dies seinen Ausdruck darin dass die Energieagenturen Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen durchfuumlhren die auch Vertretern anderer Energieagenturen zugutekommen So kann etwa Know-how von Energieagenturen gewonnen werden die schon laumlnger existieren (zB die Energieagentur Kempten) mehr Mitarbeiter haben oder bestimmte inhaltliche Expertise aufweisen Groszlige Bedeutung wird aber vom Leiter der Regensburger Energieagentur auch der personengebundenen ideellen Inspiration und Vernetzung beigemessen bdquoOhne diese Arbeit [in verschiedenen Verbaumlnden] haumltte ich [im Konkreten] gar nicht arbeiten koumlnnen ohne diesen Benchmark diese Ideen dieses Wissen von den andern was geht was man gemeinsam entwickeln kann wie man eine Lobby finden kannldquo (Interview 03R)

26 Dies gilt etwa auch fuumlr die Foumlrderung von Energienutzungsplaumlnen Neben der Verfuumlgbarkeit von Foumlr-

dermitteln war fuumlr Regensburg auch die direkte Vernetzung mit anderen Kommunen ein Anstoszlig zur Entwicklung eines eigenen Energienutzungsplans So wurde auf einem Treffen der Energiebeauftrag-ten der Oberpfalz ein Fachvortrag zu Energienutzungsplaumlnen gehalten der dann ein Anstoszlig zur Aus-arbeitung eines derartigen Plans in Regensburg wurde (Interview 01R)

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Waumlhrend sich fuumlr Regensburg damit die Moumlglichkeit ergibt von anderen Kommunen zu lernen werden umgekehrt auch bestimmte Aktivitaumlten in Regensburg von anderen Kommunen oder den bayerischen Ministerien als vorbildlich wahrgenommen Dies gilt etwa fuumlr ein Schul- und Energiebildungsprojekt das von der Regensburger Energie-agentur in einem groumlszligeren Rahmen vorgestellt wurde Die Auszligenwirkung der Regens-burger Energieagentur wird in diesem Zusammenhang generell dadurch beguumlnstigt dass die Gesellschafter der Agentur die Netzwerkarbeit in und auszligerhalb Regensburg ermoumlg-lichen (zB auch ins Ausland nach Graz Oumlsterreich) Dagegen haumltten andere Kommu-nen eine restriktivere Haltung und wuumlrden die Reisetaumltigkeit von Mitarbeitern ihrer Energieagentur in geringerem Maszlige foumlrdern Ebenso besteht die Moumlglichkeit uumlber Foumlrdermittel der bayerischen Staatsregierung Ge-meinden direkt in Energiefragen zu beraten Auch in diesem Kontext hat die Energie-agentur Regensburg eine aktive Rolle mit groumlszligerer Auszligenwirkung uumlbernommen und kann als Transferagent bezeichnet werden So wurde das von den bayerischen Energie-agenturen vorgeschlagene Energie-Coaching von kleinen und mittleren Gemeinden durch die Staatsregierung anerkannt und gefoumlrdert In der Oberpfalz wurden zwischen 2012 und 2014 45 Gemeinden beraten und fuumlr die Jahre 2014 bis 2016 stehen dort Mit-tel fuumlr ca 35 weitere Gemeinden zur Verfuumlgung In den meisten Beratungen ist dabei die Energieagentur Regensburg involviert27

3234 Diffusion uumlber Interaktionen mit Unternehmen und Netzwerkprozesse

Eine weitere wichtige - wenn auch etwas schwer festzumachende - Form der Diffusion von Politikinnovationen resultiert aus der staumlndigen Interaktion und engen Verbindung zwischen Regensburger Stadtpolitik und wesentlichen ortsansaumlssigen Unternehmen Die Regensburger Politik ist dabei wiederum mit der Politik anderer Kommunen und houmlhe-rer foumlderalen Ebenen verzahnt die Unternehmen ihrerseits in der Regel in ein Marktum-feld jenseits der Grenzen von Regensburg eingebunden Ein befragter Regensburger Buumlrgermeister sieht in dem aktiven Bekenntnis der Regens-burger Politik zu Netzwerkaktivitaumlten ein Kernelement fuumlr Veraumlnderungen und Innova-tionen nicht nur im technologischen sondern auch im sozialen und kulturellen Sinne In diesen Netzwerken sowie in gefestigten bilateralen Beziehungen zwischen wichtigen Entscheidungstraumlgern aus Politik und Wirtschaft findet quasi eine nicht hierarchische kooperative Wirtschaftspolitik nach dem bdquoPrinzip kommunizierender Roumlhrenldquo statt (In-terview 04R) Sie kann grob und verallgemeinernd folgendermaszligen beschrieben wer-den

27 Vgl httpwwwregierungoberpfalzbayerndeaktuellpressepm-druckversion-4778html

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Die Basis der Zusammenarbeit bilden oft technologische Entwicklungen und Konzepte der international aufgestellten Unternehmen am Standort Regensburg Gerade in Ener-gie- und Verkehrsbereich sind etwa dezentrale und auf regional vorhandenen erneuerba-ren Energien basierende Versorgungs- und Dienstleistungskonzepte zu nennen Diese Konzepte tragen dazu bei dass kritische und konservative Politiker bereit sind ihre Po-sitionen (zB zur zentralen und auf Atomkraft basierenden Energieversorgung) zu uumlber-denken und neue Wege zu gehen Zahlreiche und kontinuierliche Workshops und Ver-anstaltungen - vor allem uumlber die Energieagentur als Multiplikator - sind dann ein Vehi-kel um uumlber viele kleine Schritte viele Akteure einzubinden und ein neues Innovations-klima zu generieren Dabei sind vielfach gerade bei dezentralen Energiekonzepten die Regensburger Umlandgemeinden staumlrker als fruumlher in energiepolitisch relevante Kom-munikations- und Entscheidungsprozesse eingebunden Parallel bieten Unternehmen innovative technische und wirtschaftliche Konzepte an stellen aber auch Forderungen an die Politik und Verwaltung den eingeschlagenen Weg zB uumlber entsprechende Infra-struktur und Verfahrensablaumlufe zu unterstuumltzen Im Rahmen ihrer Moumlglichkeiten kommt die Politik diesem Anliegen nach was dann in entsprechenden Stadtratsbeschluumlssen seinen Niederschlag finden kann28 Dies traumlgt wiederum dazu bei dass die Netzwerke sich politisch ernst genommen fuumlhlen und sich entsprechend auch in die politische Dis-kussion einbringen Aus der wechselseitigen Interaktion der Akteure entsteht dann quasi eine Welle der Veraumlnderungsbereitschaft (Interview 03R) Uumlber unterschiedliche Zuge-houmlrigkeiten Mitgliedschaften und Handlungsorientierungen der Akteure ergeben sich wiederum neue Anknuumlpfungspunkte fuumlr die Wissensdiffusion und Spillover-Effekte Konkret genannt wurde ua das E-Mobilitaumltscluster Regensburg das es sich zum Ziel gesetzt hat den Standort Regensburg im Zukunftsthema Elektromobilitaumlt als Teil der Wirtschaftsfoumlrderung technologisch zu positionieren29 So hat Regensburg bereits jetzt den am staumlrksten elektrifizierten kommunalen Fuhrpark in Bayern Der kooperative An-satz kommt vor allem darin zum Ausdruck dass die Stadt Regensburg (bzw seit 2015 eine staumldtisches Tochterunternehmen) die Gruumlndung und das Management des Clusters uumlbernimmt aber Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft mit ihren jeweiligen Kompe-tenzen und Kapazitaumlten in einen gemeinsamen Prozess einbindet Dabei engagiert sich das Cluster in regionalen aber auch nationalen und internationalen Projekten und Ko-operationen und bietet dafuumlr zahlreiche Dienstleistungen (sog Clusterservices) an Fuumlr Unternehmen bieten sich damit zumindest teilweise Potenziale sich staumlrker der ndash in Deutschland insgesamt noch wenig verbreiteten ndash Elektromobilitaumlt anzunehmen Aktiv

28 Dabei zeigt sich auch bei der Opposition im Regensburger Stadtrat eine zunehmende Aufgeschlossen-

heit fuumlr bdquogruumlneldquo Themen (Interview 04R) 29 Vgl httpwwwelektromobilitaet-regensburgdeueber-das-clusterhtml

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vorangetrieben wird die Elektromobilitaumlt etwa von der REWAG die in Vorleistung 18 Ladesaumlulen in der Stadt und dem Landkreis aufgebaut hat Diese Vorleistung wird auch mit dem politischen Ruumlckhalt fuumlr die Elektromobilitaumlt von Seiten der Stadt Regensburg begruumlndet bdquoDas sind zwei Ebenen Wir haumltten es nicht gemacht wenn es nicht [nahezu] kostende-ckend waumlre Und die Stadt will sich dabei in Richtung Nachhaltigkeit positionieren und ihre Oumlkobilanz verbessernldquo (Interview 02R) Die Energieagentur sieht in der Nutzung eines E-Autos als Dienstfahrzeug durch Re-gensburger Buumlrgermeister die Quelle eines zunaumlchst vor allem in den Landkreis aus-strahlenden Diffusionsprozesses der stark auf den Mechanismus Nachahmung basiert bdquoWenn man jetzt in den Landkreis raus schaut Das ist Mode geworden Die [Buumlrger-meister in einigen Landkreisen] haben sich ganz konkret ein Dienstfahrzeug (hellip) ange-schafft Das sind auch Nachahmungseffekte wo man sich nicht dafuumlr schaumlmt dass man ein kleines Auto hat (hellip) Wo man sagt Schaut her das ist eigentlich sbquoinlsquo Das ist ein Trendldquo (Interview 03R) Der von uns befragte Buumlrgermeister sieht sich dabei gar nicht so sehr als einsamer Vor-reiter sondern eher durch sein vorbildliches bzw authentisches Verhalten als Teil einer Bewegung die auf E-Mobilitaumlt als Alternative zu fossilen Antrieben setzt30 Somit muumls-se der Diffusionsprozess auch breiter im Sinne eines sich selbst tragenden Policy-Bandwagoning verstanden werden Aufgabe der Politik sei es gesellschaftlich sich entwickelnde Prozesse und Vorstellungen von einem besseren bdquogruumlnerenldquo Leben der Mehrheit der Waumlhler im Rahmen ihrer ndash aus kommunaler Sicht begrenzten ndash Moumlglich-keiten zu erleichtern oder zu kanalisieren Politik muumlsse also auf kulturelle Veraumlnderung reagieren und diese zugleich mittragen und ggf verstaumlrken (Interview 04R) Dabei sieht er sich fuumlr einen kulturellen Wandel in der Energieversorgung in Regensburg gut geruumls-tet bdquoWenn in der Bundesrepublik insgesamt ein Klima des Wandels bei der Energieversor-gung da ist dann koumlnnen wir das hier in Regensburg auch abrufenldquo (Interview 04R)

324 Zwischenfazit

Regensburg ist kein Pionier der Energiewende hat sich aber in den letzten Jahren aktiv um eine Neuausrichtung seiner Energieversorgung und einen bewussteren und effizien-teren Umgang mit Energieressourcen bemuumlht Das historisch gewachsene Selbstbe-wusstsein der Stadt seine oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz und der hohe An-

30 Dabei ist anzumerken dass der konkrete Beitrag der E-mobilitaumlt im Regensburger Raum im Hinblick

auf CO2-Einsparung und Marktdurchdringung durchaus auch kritisch gesehen wird (Interview 01)

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teil junger Menschen kommt diesem Anliegen entgegen und geht mit einer Offenheit gegenuumlber Innovationen einher Die Umstrukturierung des Energiesystems in der Region Regensburg geht entsprechend mit einer Reihe von Veraumlnderungen einher darunter die Gruumlndung und Aufwertung der Energieagentur die Neuausrichtung des regionalen Energieversorgers und die strategi-sche Ausrichtung der Energiepolitik uumlber Energiekonzepte in Stadt und Umland Paral-lel werden diese Veraumlnderungen durch neue Akteure und Akteurskonstellationen sowie die veraumlnderten politischen Mehrheitsverhaumlltnisse gestuumltzt Besonders charakteristisch fuumlr Regensburg erscheint dabei ein Denken in Netzwerken und ein kooperativ ausge-richtetes Politikverstaumlndnis Es aumluszligert sich im engeren Sinne in der Verzahnung von Schluumlsselakteuren in verschiedenen Beiraumlten Gremien Lenkungskreisen uauml und im weiteren Sinne in einer offenen Zusammenarbeit mit Unternehmen und Buumlrgern der Stadt und der Region Die Interviews zeigen dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernet-zung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und nicht in der Breite verankert ist (vgl aumlhnlich Kapitel 334) In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt dann auf das Umland und erst danach auf andere Staumldte Dennoch haben die Interviews eine Reihe von Beispielen und Ansaumltzen fuumlr Innovations- und Diffusionsprozesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 323 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse Waumlhrend in der Literatur Politikdiffusion zwischen Staumldten haumlufig an der Existenz formaler Staumld-tenetzwerke festgemacht wird (zB Hackelberg 2011) scheinen diese in der aktuellen Regensburger Energie- und Klimapolitik jedoch (noch) keine herausgehobene Rolle zu spielen Staumlrker im Vordergrund stehen aktuell Prozesse der regionalen Governance im Groszligraum Regensburg und damit verbundene Akteure und Akteursbeziehungen Eben-so nehmen enge Beziehungen zu ortsansaumlssigen Unternehmen und die erwaumlhnten Netz-werke iwS (Cluster) einen wichtigen Stellenwert ein Dabei faumlllt es zum Teil etwas schwer politische Innovationen und deren Diffusion zu isolieren Entsprechend werden politische Innovationen von den befragten Akteuren zum Teil auch im weiteren Sinne als soziale und kulturelle Veraumlnderungsprozesse verstanden Im Hinblick auf die in Kapitel 233 genannten Diffusionsmechanismen erscheint in Regensburg generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Ver-breitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Regensburger Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jenseits von Regensburg Gerade im Sinne eines breiteren Innovationsverstaumlndnisses - das politische Innovationen als Teil sozialer Innovationen sieht - gibt es aber auch Hinweise auf die Bedeutung des Mechanismus Nachahmung So werden Innovationen (wie bei der Elektromobilitaumlt) nicht aus rein rationalem Kalkuumll uumlbernommen sondern auch aus ideellen Gruumlnden und

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zum Zweck der Legitimitaumltsbeschaffung Politischer Wettbewerb als Mechanismus der Politikdiffusion spielt in dem Sinne noch eine geringe Rolle dass sich Regensburg bis-lang zumindest im Bereich der Energie- und Klimapolitik kaum erkennbar mit anderen Staumldten misst

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33 Muumlnchen31

331 Einleitung

Als bayerische Landeshauptstadt mit etwa 15 Millionen Einwohnern ist Muumlnchen die groumlszligte der drei im Rahmen des Projekts ENERGIO betrachteten Fallstudienstaumldte Muumlnchen zaumlhlt zu den wohlhabendsten Staumldten in Deutschland Es zeichnet sich durch Vielfalt zahlreiche Konzernsitze und eine hohe politische kulturelle und mediale Prauml-senz aus Der Reichtum der Stadt spiegelt sich in einer vergleichsweise hohen Steuer-kraft und geringen Verschuldung Auch angesichts der relativ guten Arbeitsmarktlage hat Muumlnchen bestaumlndig an Attraktivitaumlt gewonnen Dies druumlckt sich in positiven Wande-rungssalden und Geburtenuumlberschuumlssen aus Auch fuumlr die Zukunft werden Einwohner-zuwaumlchse erwartet (LHM 2012a) Das Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum stellt eine Herausforderung fuumlr die Klimapolitik in Muumlnchen dar (Heinelt und Lamping 2015) Dies druumlckt sich einerseits in dem staumlndigen infrastrukturellen Anpassungsbedarf aus (zB Bewaumlltigung von Pend-lerstroumlmen Wohnraumversorgung OumlPNV- und Energieleitungsausbau) Andererseits erschwert es diese dynamische Entwicklung aumlhnlich wie in Regensburg Erfolge bei der absoluten Einsparung von Treibhausgasen zu erzielen Fuumlr eine ambitionierte lokale Energie- und Klimapolitik wie sie dem Selbstverstaumlndnis Muumlnchens entspricht (vgl Abschnitt 332) entsteht daraus ein Druck Politikkonzepte und -ansaumltze bestaumlndig zu uumlberpruumlfen weiterzuentwickeln und gegebenenfalls innovative Maszlignahmen zu imple-mentieren Die herausgehobene Stellung Muumlnchens als solche und ihre strukturellen Herausforderungen lassen die Stadt unter Innovationsgesichtspunkten als interessantes Untersuchungsobjekt erscheinen Wie bei den anderen beiden Fallstudien bilden leitfadengestuumltzte muumlndliche Interviews mit knapp einem Dutzend Experten (aus verschiedenen Referaten der Stadtverwaltung dem Stadtrat aber auch bei den Muumlnchner Stadtwerken) sowie die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung der Umweltakademie bdquoEnergiewende Die Beitraumlge der Stadtwerke Muumlnchen in und fuumlr Muumlnchenldquo zentrale Basis der hier praumlsentierten Ergeb-nisse Wesentlich erleichtert wurde sie auch durch den Ruumlckgriff auf eine umfangreiche und inhaltlich nahestehende Studie die zwischen 2012 und 2014 an der TU Darmstadt durchgefuumlhrt wurde (bdquoLokale Generierung handlungsrelevanten Wissens am Beispiel lokaler Strategien und Maszlignahmen gegen den Klimawandelldquo vgl vor allem Heinelt und Lamping 2015 Kemmerzell und Tews 2014)

31 Die Ergebnisse dieser Fallstudie uumlberschneiden sich teilweise mit der Darstellung in Rave (2016)

enthalten aber auch Aspekte die dort nicht aufgefuumlhrt sind

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In gebotener Kuumlrze werden in Abschnitt 332 zunaumlchst die Kernelemente Muumlnchner Energie- und Klimapolitik skizziert Mit ihnen eng verbunden sind bestimmte Akteure Akteurskonstellationen und institutionelle Koordinationsformen Auf dieser Grundlage sowie Kapitel 2 werden daraufhin in Abschnitt 333 speziell Politikinnovationen und deren Diffusion beschrieben Letztere werden im Hinblick auf bestimmte Formen und Verlaumlufe systematisiert Abschlieszligend wird ein Fazit gezogen

332 Grundlagen und Ausgangsbedingungen

3321 Kernelemente der Muumlnchner Klima- und Energiepolitik

Uumlber einen Zeitraum von rund 20 Jahren sind in Muumlnchen CO2-Emissionen und Primaumlr-energieverbrauch gesunken waumlhrend der Anteil erneuerbarer Energien gestiegen ist (LHM 2014c) Der Primaumlrenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um ca 8 und um 15 pro Einwohner gesunken Der Endenergieverbrauch ist seit 1990 absolut um etwa 20 zuruumlckgegangen wobei dies vom Waumlrmesektor (ca-30) getrieben ist waumlhrend der Treibstoffverbrauch etwa gleich geblieben und der Stromverbrauch (ca +13) zu-genommen hat Entsprechend der verabschiedeten Klimaschutzziele (su) und ange-sichts des anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum werden in Muumlnchen jedoch primaumlr relative Groumlszligen betrachtet Der relative Ruumlckgang wird dabei auch als ein Erfolg der lokalen Klima- und Energiepolitik angesehen Demnach hat sich der End-energieverbrauch pro Einwohner von 1990 bis 2012 um 235 auf 237 MWhEW ver-ringert aumlhnlich haben im selben Zeitraum die CO2-Emissionen pro Kopf um 33 auf 76t CO2EW abgenommen (RGU 2014a) 44 (46) des Endenergieverbrauchs (der CO2-Emissionen) fallen auf den Sektor Wirtschaft 22 (215) auf den Verkehr und 3 (25) auf den Bereich bdquokommunale Verwaltungldquo Ein groszliger relativer Ruumlckgang wurde bei der kommunalen Verwaltung (vor allem bei kommunalen Gebaumluden) er-reicht waumlhrend sich vor allem Veraumlnderungen im Sektor Verkehr eher bescheiden aus-nehmen Der Einsatz erneuerbarer Energien fuumlr die lokale Strom- und Waumlrmeprodukti-on ist zwischen 1990 und 2012 um fast 70 gewachsen aber angesichts der Groumlszlige und Bebauungsdichte des Stadtgebiets restringiert So liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtstromverbrauch 2012 bei 63 (vorwiegend Wasserkraft) waumlhrend er im Fernwaumlrmeverbrauch (bei allerdings hohen Anteilen der Kraft-Waumlrme-Kopplung) noch deutlich niedriger (ca 1) ist Grundsaumltzlich hat sich Klimapolitik in Muumlnchen fest als bdquonormalesldquo Politikfeld etabliert und wird auch angesichts der demographischen und strukturellen Herausforderungen heute nicht prinzipiell infrage gestellt Erste Impulse hat bereits in den 1980er Jahren die Muumlnchner Energiekommission gesetzt die mit Vertretern aus Kommunalpolitik

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Verwaltung Stadtwerken sowie gesellschaftlichen Akteursgruppen besetzt war Vor-rangiges Ziel war dabei die Energieeinsparung und die Reduzierung damit verbundener Kosten Diese fruumlhen Initiativen ndash darunter insbesondere auch das 1989 verabschiedete und bis heute in erweiterter Form bestehende bdquoFoumlrderprogramm Energieeinsparungldquo ndash haben dazu beigetragen dass Klimaschutzpolitik stark an den Energiebereich und den Emissionsschutz gekoppelt ist und quasi synonym mit Energiepolitik verwendet wird (Kern et al 2005) Als wesentliche Impulse fuumlr die Institutionalisierung und Ausdiffe-renzierung der Klimaschutzpolitik in Muumlnchen seit den fruumlhen 1990er Jahren koumlnnen mehrere Faktoren genannt werden Generell guumlnstig wirkte sich die von 1990 bis 2014 bestehende rot-gruumlne Stadtratsmehrheit aus die dem Klimaschutzthema gewogen war bzw es aktiv (in Gestalt der Gruumlnen) voranbringen wollte Uumlber die Jahre konnten au-szligerdem schrittweise ausgehend vom Referat fuumlr Umwelt (heute Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt) und engagierte Einzelpersonen ein bdquoChange-Management in anderen Dienststellenldquo (Interview Stadtverwaltung) initiiert uumlberkommene Blockadehaltungen uumlberwunden und neue Denkmuster etabliert werden Ebenso wurde - auch beguumlnstigt durch die besseren finanzpolitischen Rahmenbedingungen - der Personalbestand im Klimaschutz aufgestockt Beides beguumlnstigte eine staumlrker kooperative und vernetzte Arbeitsweise Bereits zu einem fruumlhen Zeitpunkt wurde die Landeshauptstadt Muumlnchen 1992 Mitglied im Staumldtenetzwerk Klimabuumlndnis das mit rund 1700 Mitgliedskommunen das groumlszligte europaumlische Staumldtenetzwerk ist 2006 wurde auf der Mitgliederversammlung des Buumlnd-nisses beschlossen die CO2-Emissionen bis spaumltestens 2030 um mindestens 50 pro Kopf gegenuumlber 1990 zu reduzieren Zudem sollen ab 2005 die Emission alle fuumlnf Jahre um 10 gesenkt werden Diese Ziele wurden in Muumlnchen durch den Stadtrat bestaumltigt Als bdquolangfristigesldquo Ziel gilt die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 25 Tonnen pro Kopf und Jahr Mit der Mitgliedschaft im Konvent der Buumlrgermeister verpflichtet sich Muumlnchen zudem uumlber die EU-Ziele im Klimaschutz (Senkung der CO2-Emissionen um 20 20-ige Steigerung der Energieeffizienz und 20-ige Erhoumlhung des Anteils der erneuerbaren Energietraumlger am Energiemix bis 2020 im Vergleich zu 1990) hinaus zu gehen (Hutter von Knorring und Illigmann 2012) Die uumlbergeordnete umwelt- und klimapolitische Strategie Muumlnchens bildet heute die bdquoLeitlinie Oumlkologie - Klimawandel und Klimaschutzldquo die 2008 im Rahmen des Stadt-entwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo erarbeitet und seitdem bestaumlndig (zuletzt 2012) fortgeschrieben und programmatisch mit Leitprojekten unterlegt wird (LHM 2014d) Darin wurden erstmals auch 2008 die freiwilligen Buumlndnisverpflichtungen im

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Klimabuumlndnis sowie spaumlter die Vorgaben des Konvents der Buumlrgermeister festgeschrie-ben Die bdquoPerspektive Muumlnchen ndash Leitlinie Oumlkologieldquo bildet zugleich den Orientierungsrah-men fuumlr das auf die Stadtverwaltung bezogene bdquoIntegrierte Handlungsprogramm Klima-schutz in Muumlnchenldquo (IHKM) (LHM 2014b) Es dient primaumlr als operatives Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und buumlndelt die zahlreichen Aktivitaumlten der Stadt-verwaltung als bdquoVerbraucher und Vorbildldquo (Kern et al 2005) Das 2010 erstmals ver-abschiedete Programm und Maszlignahmenpaket wurde mittlerweile zweimal fortgeschrie-ben und ndash da es vorwiegend auf finanzielle Anreize setzt ndash in seinem Investitionsvolu-men deutlich aufgestockt (27 Mio euro 2010-2012 (ohne Mittel aus dem Konjunkturpa-ket) 59 Mio euro 2013-2014 98 Mio euro 2015-2017) Fachliche Grundlage war urspruumlng-lich ein Gutachten des Oumlko-Instituts das relevante Handlungsfelder und Maszlignahmen identifiziert hat (Timpe et al 2004) Hinzu kam spaumlter auszligerdem noch ein von Siemens in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut fuumlr Klima Umwelt und Energie erstell-tes Gutachten als Geschenk an die LH Muumlnchen (Siemens 2009) Schlieszliglich werden wesentliche Maszlignahmen des IHKM regelmaumlszligig extern evaluiert Von wesentlicher Bedeutung in der Muumlnchner Klimaschutzpolitik sind die Zusammen-arbeit und der Dialog mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft 2007 wurde das Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo gegruumlndet um der Tatsache Rechnung zu tragen dass weitere Maszlignahmen jenseits des direkten Einflusses von Politik und Verwaltung erforderlich sind um die gesetzten Klimaschutzziele zu erfuumlllen So wurden mehr als 35 als innovativ angesehene CO2-Reduktionsprojekte in verschiedenen Fachforen gemein-schaftlich entwickelt und umgesetzt 2010 wurde das Buumlndnis in bdquoMuumlnchen fuumlr Klima-schutz Clubldquo umbenannt Buumlndnismitglieder mussten im Sinne der Verpflichtung der Akteure auf die Klimaschutzziele eine eigene CO2-Bilanz erstellen und entweder ein eigenes CO2-Reduktionsprojekt durchfuumlhren oder sich an mindestens einem von vier uumlbergeordneten Projekten beteiligen Daneben bestand noch ein Arbeitskreis Bildung und Oumlffentlichkeitsarbeit der Akteure aus den Bereichen Bildung Forschung und Me-dien buumlndelte Der Klimaschutz-Club wurde juumlngst allerdings aufgeloumlst Allerdings un-terstuumltzt die Stadt weiterhin umwelt- und klimaschutzrelevante Projekte von Verbaumlnden und NGOs in verschiedenen Formen (Kommune als bdquoBerater und Promotorldquo) Einen herausgehobenen Stellenwert bei der Konzipierung und Umsetzung energie- und klimapolitischer Maszlignahmen spielen schlieszliglich noch die Muumlnchner Stadtwerke (SWM) als bdquoVersorger und Anbieterldquo Sie wurden 1998 im Zuge der Liberalisierung des europaumlischen Strommarkts in eine GmbH umgewandelt die sich zu 100 im Eigentum der Stadt befindet Als eines der groumlszligten deutschen Versorgungs- und Dienstleistungs-unternehmen sind sie in den Bereichen Strom- Erdgas- Fernwaumlrme- und Trinkwasser-versorgung oumlffentlicher Nahverkehr und oumlffentliche Baumlder taumltig Uumlber einen Kooperati-

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onsvertrag mit den Stadtwerken hat die Stadt ihre energiepolitischen Ziele festgeschrie-ben Dazu zaumlhlt das Bestreben unabhaumlngig von Dritterzeugern zu werden Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und auf diese Weise den CO2-Ausstoszlig zu verrin-gern 2006 wurde vom Stadtrat das bdquoEnergieversorgungskonzept 2020ldquo verabschiedet Dort wurde ua festgelegt den Anteil regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 des in Muumlnchen verbrauchten Stroms zu erhoumlhen (dh zu verfuumlnf-fachen) 2009 wurden die Stadtwerke sogar beauftragt so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen dass Muumlnchen als erste deutsche Groszligstadt bis zum Jahr 2015 alle Privathaushalte rechnerisch zu 100 und bis zum Jahr 2025 alle Privat- und Ge-schaumlftskunden zu 100 versorgen koumlnnte Dabei ist mit einem Finanzierungsbedarf von rund 9 Milliarden euro zu rechnen (RAW 2012) Muumlnchen wuumlrde somit zur bdquoheimli-chen Oumlko-Energie Hauptstadtldquo (Deutschlandradio 2013Im Fruumlhjahr 2015 wurde bereits das Etappenziel erreicht alle Muumlnchner Haushalte sowie U-Bahn Bus und Tram mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen Kern der Ausbaustrategie der Stadtwerke im Stromsektor ist quantitativ gesehen weni-ger der Ausbau in Muumlnchen oder im Muumlnchner Umland sondern verstaumlrkt Investitionen in Windkraftanlagen in anderen deutschen Bundeslaumlndern aber auch zB in Frankreich und Schweden sowie in Offshore-Parks in der Irischen See und der Nordsee32 Im Waumlr-mesektor wollen die SWM bis 2040 als erste deutsche Groszligstadt eine Fernwaumlrmever-sorgung zu 100 aus erneuerbaren Energien etablieren Als eine letzte fuumlr den Zweck dieser Untersuchung besonders wichtige Saumlule der Muumlnchner Klimapolitik ist die bdquoVernetzung und uumlberlokale Kooperationldquo zu nennen (LHM 2012b Kemmerzell und Tews 2014) Die Stadt engagiert sich neben bilateralen Kontakten zu anderen Staumldten in mehreren freiwilligen Netzwerken bei denen das Thema Klimaschutz eine wesentliche Rolle spielt Hervorzuheben ist die Mitglied im Klima-Buumlndnis eV (seit 1991) dem Konvent der Buumlrgermeister (seit 2009) dem Staumld-tenetzwerk EUROCITIES (seit 1993) dem Staumldtenetzwerk Energy Cities (seit 1999) und dem Bayerischen und Deutschen Staumldtetag Muumlnchen ist auszligerdem Mitglied im Covenant Club Deutschland der sich zum Ziel gesetzt hat die bisher dem Konvent der Buumlrgermeister beigetretenen deutsche Staumldte besser miteinander zu vernetzen und die Aktivitaumlten des Konvents auf nationaler und europaumlischer Ebene verstaumlrkt in der Oumlffent-lichkeit bekannt zu machen sowie die nationalen Interessen staumlrker beim Konvent ver-treten zu koumlnnen Gleichzeitig zu diesen Formen der uumlberlokalen Kooperation ist Muumlnchen immer wieder - wenn auch phasenweise unterschiedlich deutlich - bestrebt sich mit anderen Staumldten

32 Vgl httpswwwswmdeprivatkundenunternehmenengagementumweltausbauoffensive-

erneuerbare-energien zu den Erzeugungsschwerpunkten und Anlage- bzw Kraftwerkstypen

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im Wettbewerb zu messen Dabei dienen diese Wettbewerbe nicht zuletzt dazu die ei-gene energie- und klimapolitische Vorreiter- und Vorbildfunktion zu unterstreichen

3322 Akteure und institutionelle Koordinationsformen

Das houmlchste Entscheidungs- und Beschlussorgan fuumlr die Muumlnchner Energie- und Klimapolitik ist der Stadtrat So muumlssen alle wesentlichen klimapolitisch relevanten Strategien Ziele und Maszlignahmen uumlber ihn demokratisch legitimiert und mehrheitlich beschlossen werden Er zeichnete sich uumlber einen Zeitraum von 14 Jahren durch eine Mehrheit aus SPD und Gruumlnen aus und ist erst im Fruumlhjahr 2014 von einer SPD und CSU Mehrheit abgeloumlst worden Die lange Zeit stabile parteipolitische Konstellation im Stadtrat und eine hohe personelle Kontinuitaumlt haben bestimmte Schwerpunktsetzungen und Charakteristika der Muumlnchner Klimapolitik beguumlnstigt (Heinelt und Lamping 2015) Mit den Gruumlnen als treibende klimapolitische Kraft in Verbindung steht einer-seits der stark verantwortungsethisch gepraumlgte Grundton die globale Gefaumlhrdung durch den Klimawandel muumlndet in die Forderung nach politischem Handeln im Hier und Jetzt (bdquoGlobal denken lokal handelnldquo) Anderseits kann auch die Betonung der wirtschaftli-chen Potenziale des Klimaschutzes als wesentliches Merkmal der Politik der Gruumlnen gelten (bdquoKlimaschutz rechnet sichldquo) Insbesondere darin ergeben sich zu dem Schnitt-mengen zur SPD die gerade auch aus sozialpolitischen Erwaumlgungen ein Interesse an niedrigen Energiekosten und an einer starken Stellung bzw am oumlkonomischen Erfolg der bdquoeigenenldquo Stadtwerke hat (bdquoEnergiepolitik als Stadtwerkepolitikldquo) Demgegenuumlber war vor allem die Verkehrspolitik - und dabei die Rolle des motorisierten Individual-verkehrs - staumlrker Gegenstand parteipolitischer Differenzen Eine Schluumlsselstellung in der Konzipierung Umsetzung Vermittlung und Bewertung bzw Evaluierung staumldtischer Klimapolitik hat allerdings die aus zwoumllf Referaten zu-sammengesetzte Stadtverwaltung Dies gilt fuumlr die verwaltungsinterne Koordination und die Kooperation von Verwaltung und Stadtgesellschaft bzw Wirtschaft als wesentlichen institutionellen Koordinationsformen Innerhalb der Verwaltung wird Klimaschutz stark netzwerkartig organisiert was sich vor allem an der Umsetzung und Weiterentwicklung des IHKM zeigt So bestehen de-zentrale Zustaumlndigkeiten innerhalb der einzelnen Referate die zudem weitgehend auto-nom wahrgenommen werden Dabei liegen das groumlszligte Gewicht und die meisten Aufga-benbereiche im Kontext der Energie- und Klimapolitik beim Referat fuumlr Gesundheit und Umwelt (RGU) und beim Referat fuumlr Stadtplanung und Bauordnung (PLAN) Zugleich soll isoliertes Agieren der Referate durch eine thematische projektbezogene Koordinie-rung uumlberwunden werden Diesem Zweck dienen verschiedene Entscheidungs- und Ar-beitsebenen (Arbeitsgruppen Projektgruppe Lenkungskreis auf Referatsleiterebene)

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Aumlhnlich sind Projekte und Aktivitaumlten in Zusammenarbeit mit anderen (europaumlischen) Staumldten organisiert (Kemmerzell und Tews 2014) Aufgaben werden funktional diffe-renziert und operativ von den einzelnen Fachreferaten wahrgenommen Zugleich beste-hen Koordinationsmechanismen zwecks inhaltlichem Austausch (uumlber den Arbeitskreis Europa) und administrativer Abwicklung (Fachbereich Europa im Referat fuumlr Arbeit und Wirtschaft) Der Koordinierung und der Orientierung an (nicht mehr hinterfragten) uumlbergreifenden energie- und klimapolitischen Zielsetzungen dient ferner ein staumldtisches Berichtswesen fuumlr den Klimaschutz Dieses Berichtswesen setzt sich aus drei Bausteinen zusammen aus dem staumldtischen CO2-Monitoring aus einer Evaluierung der Maszlignahmen des Kli-maschutzprogramms der Stadtverwaltung und seit 2012 einem gesamtstaumldtischen Kli-maschutzbericht Insgesamt fungiert vor allem das RGU als Querschnittsreferat bzw zentrale Koordinationsstelle die Informationsaustausch Abstimmung und Vernetzung innerhalb der Administration ermoumlglichen soll Zudem war gerade das RGU und sein langjaumlhriger Referent bis Mitte 2015 an die gruumlne Partei gebunden33 Ebenso sollen auf diesem Wege Strukturen geschaffen werden die Oumlffnung Partizipa-tion und Kooperation zur bzw mit der Stadtgesellschaft erlauben Die bereits erwaumlhnte Energiekommission ist etwa neben Verwaltungsakteuren mit Vertretern der Stadtrats-fraktionen der Stadtwerke und externen Sachverstaumlndigen (zB der Forschungsstelle fuumlr Energiewirtschaft und der Hochschule Muumlnchen) besetzt Hier werden langfristig energiewirtschaftliche und -politische Entwicklungen diskutiert und Themen im Vorfeld formaler Politikprozesse aufbereitet Uumlber Partizipationsprozesse wird daruumlber hinaus Wissen aus der Stadtgesellschaft mobilisiert und eigenes (Verwaltungs-) Handeln besser legitimiert und gesellschaftlich verankert Dies zeigte sich etwa bei der Diskussion der Ergebnisse der Studie des Oumlko-Instituts Besonders ausgepraumlgt war und ist die Beteili-gung der Oumlffentlichkeit bei der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungskonzepts bdquoPerspektive Muumlnchenldquo Im weiteren Sinne kooperative Klimapolitik wurde schlieszliglich vor allem im zwischen 2007 und 2013 bestehenden Buumlndnis bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutz (-Club)ldquo als institutio-nelle Koordinationsform praktiziert34 Das Buumlndnis unter Leitung des dritten ehemali-gen Buumlrgermeisters Monatzeder bzw seines Stellvertreters aus dem RGU war personell thematisch und strukturell ausdifferenziert Es galt dabei bestimmte Aufgaben an Schluumlsselakteure zu uumlbertragen und auf diesem Weg insgesamt eine houmlhere Verbind-lichkeit und Akzeptanz im Klimaschutz zu erreichen Neben der erleichterten klimapoli-tischen Zielerreichung sollte das Buumlndnis zugleich ein Vehikel zur Generierung neuen

33 Das Referat ist seit September 2015 von der CSU-nahen Stephanie Jacobs gefuumlhrt 34 Vgl Abschnitt 3333 zur Bewertung der Situation am aktuellen Rand

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stadtgesellschaftlichen Wissens sein (Heinelt und Lamping 2015) Eine wichtige Rolle nahmen hierbei Akteure aus der Wirtschaft wie BMW und Siemens sowie wirtschafts-nahe Verbaumlnde wie die Industrie- und Handelskammer ein Zudem ergaben sich enge Bezuumlge zu weiteren Akteuren je nach Themen- bzw Handlungsfeld (zB zu staumldtischen Wohnungsbaugesellschaften im Hinblick auf den gebaumludebezogenen Klimaschutz) Die enge Verflechtung zu Unternehmen zeigt sich schlieszliglich besonders deutlich auch in Relation zu den Stadtwerken als korporativem Akteur Diese unterliegen einerseits der staumldtischen Aufsicht und Kontrolle Andererseits wird es vor allem uumlber die Stadt-werke und ihre unternehmerische Strategien moumlglich Gelegenheiten zum klimapoliti-schen Handeln zu ergreifen und insbesondere ambitionierte energie- und klimapoliti-sche Ziele zu setzen Das unternehmerische Handeln der Stadtwerke das wiederum zT stark durch bundes- und europapolitische Rahmensetzung (zB das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Liberalisierung der Energiemaumlrkte) beeinflusst wird ist also mitentscheidend dafuumlr welche klimapolitischen Schwerpunkte im Sinne der Mach-barkeit durch die Stadt gesetzt werden und wie sie begruumlndet werden Die Stadtwerke befinden sich damit in einer Doppelrolle als Politikadressaten und -promotoren in der klimapolitischen Handlungsarena Wie gut die Interessen kommunalpolitischer Akteure und die Interessen der Stadtwerke zur Deckung gebracht werden koumlnnen ist dabei auch (aber nicht nur) unter Innovationsgesichtspunkten von Interesse (Abschnitt 333) Eine besondere Form des Wechselspiels von institutionellen Regeln und Akteuren zeigt sich wenn Staumldte bzw staumldtisch (verwurzelte) Akteure im Mehrebenensystem der Energie- und Klimapolitik verortet werden (Bulkeley und Betsill 2013) Welche Aus-praumlgungen sich im Lichte der skizzierten Muumlnchner Energie- und Klimapolitik und un-ter Innovationsgesichtspunkten ergeben gilt es im folgenden naumlher zu systematisieren und zu diskutieren

333 Uumlber Muumlnchen hinaus Politikinnovationen und Diffusionsformen und -prozesse

Politikinnovationen umfassen primaumlr Programme Ideen Praktiken oder Instrumente die neu fuumlr denjenigen Stadt- oder Gemeinderat sind der sie einfuumlhrt oder uumlbernimmt (vgl Kapitel 231) Sie unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich von bisherigen Erfahrungen und Politikansaumltzen einer Kommune Aus einer Diffusionsperspektive werden Politiken zugleich nur als innovativ bezeichnet wenn sie auch eine gewisse Verbreitung erfahren Politikdiffusion als solches bezeichnet dann den Pfad der Aus-breitung der Innovationen sowie die damit verbundenen Prozesse der Kommunikation und Interaktion zwischen relevanten Akteuren In einem uumlberlokalen Handlungsraum nehmen lokale Akteure ihre eigenen Handlungsmoumlglichkeiten und -restriktionen auch

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jenseits kommunaler Grenzen wahr und nutzen sie ggf in ihrem Sinne Dabei kann dies entlang einer horizontalen Dimension - also zwischen Staumldten ndash undoder einer vertika-len Dimension - also entlang staatlich-territorialer Ebenen ndash erfolgen (Kemmerzell und Tews 2014) Selbst bei thematischer Eingrenzung auf den Klima- und Energiebereich und damit auch die begrenzten rechtlichen und zum Teil faktischen Handlungsmoumlglichkeiten der Kom-munen verbleiben verschiedene Moumlglichkeiten fuumlr Innovations- und Diffusionsaktivitauml-ten von Kommunen Als Ergebnis der Interviews in Muumlnchen koumlnnen grob vier ver-schiedene nicht ganz uumlberschneidungsfreie Formen und Prozesse unterschieden wer-den an denen sich Politikdiffusion festmachen laumlsst Institutionalisierte und bdquouumlbergeordneteldquo Diffusionsprozesse Jenseits gesetzlichen

Zwangs von houmlherer Ebene der von Diffusionsphaumlnomenen zu trennen ist koumlnnen horizontale und institutionalisierte Vernetzungen zwischen Kommunen wie Staumldte-netzwerke betrachtet werden Hinzu kommen uumlbergeordnete Strukturen in Form von Foumlrdermaszlignahmen - typischerweise von der EU - die mit Vernetzungen zwischen Kommunen einhergehen

Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse Im Gegensatz zur ersten Kategorie sind auch vielfaumlltige Diffusionsprozesse zu betrachten die in weniger for-male oder mehrere Staumldte uumlbergreifende Strukturen eingebunden sind Sie koumlnnen auch thematisch enger begrenzt sein

Historisch gewachsene Diffusionsprozesse Gerade bei Staumldten wie Muumlnchen die auf eine laumlngere Tradition lokaler Energie- und Klimapolitik zuruumlckblicken sind Diffu-sionsprozesse mit Programmen oder Maszlignahmen verknuumlpft die schon seit laumlngerem existieren Letztere koumlnnen dann einem Wandel vor Ort ausgesetzt sein oder andern-orts Diffusionsprozesse anstoszligen

Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion Als wesentlichem und mit der Stadt verknuumlpften energie- und klimapoliti-schen Akteur in Muumlnchen bietet sich eine getrennte Betrachtung der Stadtwerke an Dabei stehen die mit der Ausbauoffensive fuumlr erneuerbare Energien verbundenen Folgen im Vordergrund der Betrachtung

3331 Institutionalisierte und uumlbergeordnete Formen der Diffusion von Politik-innovationen

Eine institutionalisierte Moumlglichkeit die Diffusion von Politikinnovationen zu befoumlr-dern bieten Staumldtenetzwerke Historisch erleichterte es hierbei vor allem der Beitritt zum Klimabuumlndnis auch in Muumlnchen ambitionierte klimapolitische Ziele zu verankern und sich dem Vorbild anderer Staumldte anzuschlieszligen (Abschnitt 332 Interview Stadt-

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verwaltung) Seitdem finden regelmaumlszligig Treffen im nationalen und internationalen Ar-beitsgruppen statt (zB einem Arbeitskreis Energieversorgung 2050) Im Vordergrund steht dabei der Austausch zwischen den Vertretern der Kommunen durchaus auch im Hinblick auf innovative oder als Best Practice angesehene klimapolitische Ansaumltze Von einem fuumlhrenden Vertreter des Referats fuumlr Gesundheit und Umwelt wird hierbei eine grundsaumltzlich positive Einschaumltzung zu den Moumlglichkeiten der Diffusion und Uumlber-tragbarkeit kommunaler Best Practice gegeben bdquoDie meisten Dinge lassen sich schon uumlbertragen Kommunen haben die gleichen Auf-gaben Kommunen haben haumlufig Stadtwerke Kommunen haben kommunale Woh-nungsbaugesellschaften oder Wohnungen Kommunen haben solar [nutzbare] Gebaumlude und dort Energieeffizienz zu machen das ist vergleichbar Ein Kindergarten oder eine Schule in Frankfurt oder Wien das ist vergleichbar mit hierldquo (Interview Stadtverwal-tung) Der Austausch selbst ist - so die Einschaumltzung mehrerer Interviewpartner in der Stadt-verwaltung - durch ein hohes Maszlig an Informalitaumlt gepraumlgt bdquoMan redet miteinander Man tauscht die Klimaschutzprogramme aus Aber das zu for-malisieren ist Uumlbersteuerung Das laumluft so Die Kollegen kennen sich das ist auch das Wichtige (hellip) Die treffen sich jedes Jahr wieder (hellip) Da gehen auch immer wieder dieselben Leute hin und da ist ein sehr intensiver Kontaktldquo (Interview Stadtverwaltung) Waumlhrend die Treffen der Staumldtenetzwerke teilweise Anlass zu Lernprozessen geben und dies von manchen Interviewpartnern auch so gesehen wird gibt es diesbezuumlglich aber auch skeptische Stimmen So aumluszligert sich ein Vertreter eines Referats kritisch uumlber die Moumlglichkeit die gewonnenen Erfahrungen auch in Muumlnchen umzusetzen Dies gilt ins-besondere wenn nur Akteure mit geringer fachlicher oder administrativer Erfahrung anwesend sind bdquoLetztendlich haben diese Leute (auf oberer Hierarchieebene der Verwaltung Anm des Verf) die in den Gremien sitzen auch nicht die Routine sag ich mal aus dem was sie da erlebt haben hier einen politischen Auftrag zu formulieren (hellip) Ich bezweifle dass Muumlnchen viel [uumlber solche Gremien] lernt Umgekehrt kann ich mir vorstellen dass andere Staumldte von Muumlnchen lernen in dem Sinne dass Muumlnchen sehr viel Marketing sehr viel Oumlffentlichkeitsarbeit [macht und] sehr viele Mitteilungen herausgibtldquo (Inter-view Stadtverwaltung) Eher von Bedeutung ist damit auch jenseits von Lernprozessen die Moumlglichkeit dass Muumlnchen aktiv auf die Regelsetzung und Entscheidungsfindung auf bundesdeutscher oder europaumlischer Ebene Einfluss nimmt (vgl Kemmerzell und Tews 2014) So koumlnnen Muumlnchner Akteure etwa direkt in Konsultationen und Beratungen zu Gesetzesvorhaben involviert sein Dies ist im Energiebereich vor allem uumlber die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) der Fall die jeweils in Berlin und Bruumlssel eine eigene Repraumlsentanz unterhalten

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Die Naumlhe zum Gesetzgeber hat auf diese Weise zB dazu beigetragen die EEG-Reform voranzutreiben nachdem im Zuge der sog Strompreisbremse von den SWM ein Inves-titionsstop fuumlr alle Gruumlnstromprojekte in Deutschland verhaumlngt wurde (oV 2014) In-direkt besteht die Moumlglichkeit der Interessenrepraumlsentation uumlber den deutschen Staumldte-tag den Verband kommunaler Unternehmen oder die Lobbyaktivitaumlten von Eurocities Von verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Interviews allgemein (auch unabhaumlngig von Muumlnchen) die Moumlglichkeiten und vor allem Grenzen institutiona-lisierter Lernprozesse uumlber Staumldtenetzwerke hervorgehoben So wird beklagt dass Netzwerkaktivitaumlten zwischen Staumldten im Hinblick auf die daran beteiligten bzw aktiv eingebundenen Staumldte und auch Fachdisziplinen begrenzt sind Dies manifestiert sich etwa (vordergruumlndig) bei der Bereitstellung professioneller Dienstleistungen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik der Akademie fuumlr Raumfor-schung und Landesplanung und aumlhnlichen Organisationen (zB in Form von Leitfaumlden Konferenzangeboten uauml) Nach Einschaumltzung eines Abteilungsleiters handelt es sich hier um bdquoSilos die so nebeneinanderstehenldquo (Interview Stadtverwaltung) aber die ge-ringe Vernetzung unter den Kommunen kaum abmildern koumlnnen bdquoThemen muumlssten mundgerecht transportiert werden verdaulich in kleinen Haumlppchen Und da ist halt je nach Ausgangslage in den einzelnen Kommunen (hellip) die Futterluke unterschiedlich groszligldquo (Interview Stadtverwaltung) Als wesentlicher tiefer liegender Grund fuumlr die geringe Vernetzung zwischen den Staumld-ten wird mehrfach auf deren unterschiedliche Finanzlage hingewiesen Die finanziellen Moumlglichkeiten sind damit generell eine wesentliche Determinante dafuumlr wie stark sich einzelne Kommunen der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz widmen koumlnnen Vor die-sem Hintergrund relativiert bzw konkretisiert der bereits zitierte Referatsvertreter seine Aussage zur Uumlbertragbarkeit innovativer energie- und klimapolitischer Maszlignahmen bdquoVon daher ist es schon schwierig das mit anderen Staumldten zu vergleichen weil natuumlr-lich andere Staumldte mit Neid auf Muumlnchen schauen [Die sagen mit Blick auf das innova-tive Bauzentrum das wir in Muumlnchen realisiert haben] So ein Luxus wie in Muumlnchen koumlnnen wir uns nicht leisten in Koumllnldquo (Interview Stadtverwaltung) Unter den gegebenen finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind damit in erster Linie Groszligstaumldte - und hier wiederum vor allem suumlddeutsche Groszligstaumldte - Vorreiter in der Energie- und Klimapolitik und in entsprechende Vernetzungsaktivitaumlten involviert35 Ihre Finanzlage ermoumlglicht die Anstellung von Personal und die Anhaumlufung von Fach-kompetenz

35 Ein gewisses Gegengewicht bildet die Nationale Klimaschutzinitiative die Mittel fuumlr die bundesweite

Foumlrderung von Klimaschutzmanagerstellen bereitstellt (mit derzeit ca 300 besetzten Stellen)

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Als weiterer wesentlicher Faktor der Vernetzung und Diffusionsprozesse zwischen Kommunen erschwert ist nach Einschaumltzung einiger Interviewpartner die Parteipolitik zu nennen Der parteipolitische Filter spiegelt sich dabei vor allem in der schwachen Stellung kommunalpolitischer Spitzenverbaumlnde wie zum Beispiel dem Deutschen Staumld-tetag Deren potenzielle Multiplikatorfunktion fuumlr Innovationsprozesse werde somit kaum genutzt Vielmehr wird parteipolitisch vordefiniert was als innovativ angesehen werden kann bdquoMan muss diesen [geringen] Multiplikator einfach mal sehen Es werden auch syste-matisch bestimmte Sachen zumindest von der kommunalen Seite her nie richtig aufbe-reitet und weiter gespielt (hellip) [Bei der Ausarbeitung fachlicher Stellungnahmen zur Energie- und Klimapolitik] findet schon ein Austausch zwischen Entscheidern von ver-schiedenen Staumldten statt der aber auch parteipolitisch besetzt istldquo (Interviews Stadtver-waltung) Ein dritter Faktor der sich mitunter hinderlich fuumlr Diffusionsprozesse auswirkt knuumlpft an der grundgesetzlich festgelegten Trennung zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene (Art 28 GG) an Jenseits der rechtlichen Regelungen sei generell eine geringe ndash und durch die Laumlnderebene verschachtelte ndash bdquoPermeabilitaumltldquo zwischen Kommunen und Bund festzustellen Der bdquoAustauschldquo wird stattdessen zum Teil uumlber parteipolitische Kanaumlle gesteuert Vor diesem Hintergrund aber auch durch die unterschiedliche Fi-nanzkraft zwischen den Kommunen sind Versuche ins Leere gelaufen eine klimapoli-tisch potentiell vorteilhafte bdquoPolitik fuumlr groszlige Staumldteldquo zu etablieren Derartige Versuche habe es zwar gegeben wurden letztlich aber nicht genutzt Gefehlt habe ein geeigneter institutioneller Rahmen und zugleich ein bdquoTaktschlaumlgerldquo der energie- und klimapoliti-sche Themen entsprechend positioniert und bundeslaumlnderuumlbergreifend einbringt Inter-viewpartner aus einem staumldtischen Referat fordern daher uumlber Formate wie zum Beispiel Regionalkonferenzen neu nachzudenken (Interviews Stadtverwaltung) Eine weitere Form der institutionalisierten Vernetzung zwischen Staumldten und Kommu-nen erfolgt uumlber gemeinsame von der EU gefoumlrderte Projekte Teilweise werden diese uumlber Staumldtenetzwerke abgewickelt - insbesondere uumlber das Klimabuumlndnis als sog Lead- Partner - teilweise auch unabhaumlngig davon Muumlnchen war und ist immer wieder in der-artige EU-Projekte involviert36 Auch hier haben die Interviews unterschiedliche Ein-schaumltzungen uumlber das Veraumlnderungs- und Innovationspotenzial derartiger Foumlrderprojek-te zu Tage gefoumlrdert So wird von einem im Klimabuumlndnis vernetzten Referatsvertreter die Chance zu klimapolitischen Neuerungen in osteuropaumlischen Staaten oder anderen

36 Vgl etwa httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftEuropaEU-Projektehtml

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weniger klimapolitisch aktiven Kommunen hervorgehoben Gemeinsame Projekte koumlnnten eine Initialzuumlndung zur Mitgliedschaft im Klimabuumlndnis darstellen und Ge-meinderatsbeschluumlsse zum Klimaschutz herbeifuumlhren Dabei sieht er eine Bringschuld von Seiten des Klimabuumlndnis und reicher Staumldte wie Muumlnchen bdquoDenen muss man was bieten sonst kommen die nicht und es gibt keine Gemeinderats-beschluumlsse zum Klimaschutzldquo Aus Muumlnchner Sicht hat Klimaschutz damit auch den Charakter einer bdquoSolidaritaumltsbekundungldquo gegenuumlber aumlrmeren Kommunen der sich ua auch konkret im Ersatz von Reisekosten uauml wiederspiegelt (Interview Stadtverwal-tung) Eine aumlhnliche Auffassung nimmt ein Mitarbeiter eines Referats ein der selbst an einem EU- Projekt zur Integration der Solarenergie in die Stadtplanung involviert war Im Sin-ne einer Entwicklungszusammenarbeit betont er den Nutzen des Projekts fuumlr die Part-nerkommunen und die ethische Verpflichtung EU Gelder moumlglichst gewinnbringend fuumlr den Klimaschutz einzusetzen Dies gelte selbst dann wenn fuumlr Muumlnchen unmittelbar kein messbarer Ertrag vorhanden gewesen sei (Interview Stadtverwaltung) Distanzierter positioniert sich ein Kollege mit einem offensichtlich anderen Erfahrungs-hintergrund So hat Muumlnchen zwar in einzelnen thematisch von Muumlnchen noch wenig besetzten Projekten etwas profitiert Auch sei der Austausch unter den beteiligten Pro-jektteilnehmer grundsaumltzlich lehrreich Abgesehen vom erheblichen Aufwand der per-sonell und finanziell mit EU-Projekten verbunden ist und auch von Mitarbeitern eines anderen Referats hervorgehoben wird (Interview Stadtverwaltung) betont ein leitender Mitarbeiter jedoch dass der konkrete Projektertrag oft in zweierlei Hinsicht zweifelhaft ist bdquoEs ist eher immer so dass wir einzahlen an Know-how dass wir ganz selten was fuumlr uns mitnehmen koumlnnen Es ist haumlufig [auch] so dass im internationalen Vergleich die rechtlichen Randbedingungen oder die Ausgangsbedingungen zu unterschiedlich sind [so dass Muumlnchen nicht direkt profitieren kann] (hellip) Man kann es so als Impulsgeber mitnehmen aber das scheitert [in der Umsetzung] haumlufig an der unterschiedlichen Aus-gangslagehellipldquo (Interview Stadtverwaltung)

3332 Ad-hoc themenbezogene oder bilaterale Diffusionsprozesse

Diffusionsprozesse werden nicht nur quasi uumlbergreifend durch Staumldtenetzwerke EU- Projekte und Vernetzungen zwischen Groszligstaumldten initiiert oder gesteuert sondern auch vielfach ereignis- und themenbezogen Dabei spielen Akteure mit ihren Handlungsori-entierungen und Faumlhigkeiten sowie spezifische Akteurskonstellationen und Interaktions-formen eine wichtige Rolle

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Mit den bereits thematisierten Staumldtenetzwerken verbunden sind Ereignisse in Form von Konferenzen und sonstigen Veranstaltungen Verschiedentlich wurde hierbei von den Interviewpartnern die Erfahrung gemacht dass von derartigen Ereignissen innovative Projekte und Programme ins Leben gerufen wurden die unter den Rahmenbedingungen des politischen Normalbetriebs so nicht oder zumindest nicht so rasch realisiert worden waumlren Groszligereignisse haben also eine Impulsfunktion indem sie die Traumlgheit des All-tagshandelns uumlberwinden und eine Offenheit gegenuumlber neuen Ideen Projekten etc schaffen So aumluszligert sich ein Verwaltungsmitarbeiter zwar kritisch daruumlber dass Muumln-chen im Vergleich zu einer Stadt wie Barcelona kein aktives und kontinuierliches Kon-ferenzmanagement betreibt zumindest aber einzelne Konferenzen bzw die Vorberei-tung darauf Innovationsimpulse in Muumlnchen ausgeloumlst haben Dies war bei der 2014 in Muumlnchen stattfindenden EUROCITIES-Konferenz der Fall Zur gleichen Zeit fand zu-dem noch die jaumlhrliche Konferenz des International Regions Benchmark Consortium (IRBC) einem losen Verbund von internationalen Groszligstaumldten in Muumlnchen unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo statt bdquoDa ist innerhalb von einem dreiviertel Jahr - das haumltte sonst nie funktioniert - zum Thema Mobilitaumlt die erste Muumlnchner Mobilitaumltsstation konzipiert und aus dem Boden gestampft worden Und dies und jenes so verschiedene Punkte die unter Normalbetrieb nie funktionieren wuumlrdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Zugleich berichtet eine Mitarbeiterin eines anderen Referats dass die Teilnahme an der IRBC- Konferenz den eigenen Horizont erweitert hat und Vortraumlge von Vertretern ande-rer Staumldte vielfach aufschlussreich waren Genannt wurde speziell Seattle eine aumlhnlich wie Muumlnchen stark wachsende Stadt die sich mit aumlhnlichen Flaumlchen- und Verkehrs-problemen beschaumlftigt Jenseits individueller Lernprozesse haben die Konferenzen An-lass dazu geboten heterogene Themenbereiche in der Verwaltung unter dem Label ldquoSmart Citiesldquo zu buumlndeln und zu koordinieren Damit wurden gute Voraussetzungen geschaffen einen ndash letztlich auch erfolgreichen ndash Antrag zur Foumlrderung bei der EU zu stellen Uumlber neue Akteurskonstellationen und die spezifische situative Logik der Kon-ferenzen konnten somit also bereits im Vorfeld politische Innovationsimpulse gesetzt werden zudem bieten sich potenziell weitere Gelegenheiten im Kontext der Beschaumlfti-gung mit ldquoSmart Citiesldquo Aumlhnliche Impulse hat gerade im Handlungsfeld Bauen und Wohnen die angedachte Bewerbung um die Olympischen Winterspiele in Muumlnchen ausgeloumlst So hat der mitt-lerweile uumlbliche bzw fuumlr die Vergabeentscheidung foumlrderliche Standard bdquoNachhaltige Spieleldquo dazu gefuumlhrt Bauprojekte energetisch hochwertig zu konzipieren und Pla-nungsprozesse (zum Beispiel Strukturkonzepte staumldtebauliche Planungen) uumlber die Be-werbung fuumlr Olympia hinaus im Sinne des Klimaschutzes zu beeinflussen

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bdquoDiese Prozesse das haumltte unter normalen Umstaumlnden 10-15 Jahre gebraucht (hellip) Das war dann auf einmal Mainstreamldquo (Interview Stadtverwaltung) Jenseits des Erfahrungsaustausches uumlber Staumldtenetzwerke wurden Diffusionsprozesse angesprochen die primaumlr bilateral zwischen Muumlnchen und einzelnen anderen Staumldten stattgefunden haben Dabei ist die Zahl der Staumldte die hierfuumlr infrage kommt vor allem im Hinblick auf Innovationsprozesse in Muumlnchen typischerweise uumlberschaubar (so auch Kemmerzell und Tews 2014) Die anderen Staumldte sind auch eher energie- und klimapo-litische Vorreiter wobei auch Staumldte im Ausland infrage kommen und sie weisen in Groumlszlige Stadt- und Verwaltungsstruktur Aumlhnlichkeiten auf37 Haumlufig genannt wurden dementsprechend Staumldte wie Frankfurt Berlin Stuttgart Freiburg und Heidelberg und im Ausland Wien Barcelona Amsterdam Oslo oder Kopenhagen Diese bdquoBeschraumlnkungldquo auf wenige andere Staumldte erlaubt dann intensivere und zum Teil iterative Beobachtungs- Lern- und Innovationsprozesse So wurde etwa mehrfach da-rauf verwiesen dass einzelne andere Staumldte ihre energie- und klimapolitischen Ziele mit einem Zeithorizont bis 2050 fortgeschrieben haben (so der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt und das Leitbild Klimaneutrale Stadt in Kopenhagen) und dies fuumlr Muumlnchen mit seinem laumlngerfristig nicht naumlher definierten Klimaschutzziel nun maszlig-stabgebend sei (Interviews Stadtverwaltung) Als ein Beispiel fuumlr interaktive Lern- und Innovationsprozesse wurde die Zusammenarbeit mit Freiburg genannt So hat sich die Stadt im Suumldwesten Deutschlands fruumlhzeitig fuumlr den Einsatz der Solarenergie und der Passivhausbauweise stark gemacht Waumlhrend in Muumlnchen zunaumlchst eine skeptische Grundhaltung uumlberwog und entsprechende Konzepte als nicht uumlbertragbar eingestuft wurden hat - so ein langjaumlhriger Verwaltungsmitarbeiter - eine Stadtratsreise dazu bei-getragen entsprechende Vorbehalte vor allem in der CSU uumlber die Funktionstauglich-keit und Wirtschaftlichkeit entsprechender bdquogruumlnerldquo Konzepte abzubauen In der Folge konnten vergleichbare Initiativen in Muumlnchen leichter die Zustimmung des Stadtrats finden und realisiert werden Auszligerdem wurde der Austausch mit Freiburg weiterhin auf Verwaltungs- und Stadtratsebene gepflegt so dass uumlber Jahre persoumlnliche direkte und vertrauensvolle Kontakte etabliert werden konnten So wurden Jahre spaumlter Akteure aus Freiburg auch wieder zu einem Workshop zu Energiekonzepten in Muumlnchen einge-laden (Interview Stadtverwaltung)

37 So aumluszligert sich ein Referatsmitarbeiter dahingehend dass Muumlnchen zwar auch ab und zu von kleineren

Kommunen lernt die Uumlbertragbarkeit aber schon dadurch begrenzt ist dass die personelle Verflech-tung etwa zwischen Buumlrgermeister und Chef der Gemeindewerke Innovationen beguumlnstigt waumlhrend in Groszligstaumldten deutlich komplexere Verfahrens- und Verwaltungsstrukturen vorliegen (Interview Stadt-verwaltung)

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Neueren Datums ist eine 2013 initiierte bilaterale projektbezogene und internationale Partnerschaft zwischen Muumlnchen und Kapstadt speziell zu Fragen des Klimaschutzes und Klimawandels 38 Sie ist zugleich in das deutsche Mehrebenensystem eingebunden So dient als Basis fuumlr die Zusammenarbeit ein vom Bundesministerium fuumlr wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Foumlrderprogramm bdquo50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015ldquo Es ermoumlglicht die Erarbeitung von gemeinsamen Handlungsprogrammen der Partnerkommunen und anschlieszligend den Zugang zu Ent-wicklungsgeldern zur Umsetzung konkreter Maszlignahmen vor Ort In Muumlnchen ist diese Partnerschaft wiederum eingebunden in das Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwick-lungszusammenarbeit dass Klimawandel als einen thematischen Schwerpunkt vorsieht Daruumlber hinaus bestehen Partnerschaften zwischen dem Freistaat Bayern und der Pro-vinz Westkap deren Hauptstadt Kapstadt ist wobei ein Fokus auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Bereich erneuerbarer Energien liegt Auf Bundesebene wurde zu-dem 2013 eine deutsch-suumldafrikanische Energiepartnerschaft ins Leben gerufen Ziel der Partnerschaft ist nicht nur der Austausch in technischen Fragen sondern auch die Zusammenarbeit im Sinne von bdquostrategischen Ansaumltzen zur Umsetzung der Ener-giewendeldquo So soll die Partnerschaft auch der Beratung Bewusstseinsbildung und Oumlf-fentlichkeitsarbeit dienen und Nichtregierungsorganisationen Unternehmen und Hoch-schulen miteinbinden Nach Aussage eines Mitarbeiters eines staumldtischen Referats ist es hierbei trotz der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen der Staumldte durchaus bereits zu einem offenen bdquoWissensaustausch auf Augenhoumlheldquo gekommen bdquoWir haben uns mit fuumlr Klimaschutz zustaumlndigen Leuten mal eine ganze Woche intensiv zusammengesetzt und uns gegenseitig unsere Konzepte um die Ohren gehauen (hellip) Gleichzeitig war es Aufgabe ein Maszlignahmenkatalog aufzustellen der gemeinschaftlich umgesetzt wird Nach einem dritten oder vierten Besuch soll dieser Maszlignahmenkatalog stehen und umgesetzt und evaluiert werdenldquo (Interview Stadtverwaltung) Dabei koumlnnte zB das als innovativ geltende Muumlnchner Bauzentrum eine Vorbildwir-kung haben und als Basis fuumlr ein gemeinsames Projekt dienen Im weiteren Sinne er-hofft sich Muumlnchen durch gemeinsame Projekte mit Kapstadt Ausstrahlungseffekte bdquoauf dem ganzen [afrikanischen] Kontinentldquo (ebda wwwmuenchende) Themen- und projektbezogene Innovations- und Diffusionsprozesse sind wesentlich von der Interaktion zwischen Stadtrat und Verwaltung gepraumlgt Sie koumlnnen gelingen aber auch aufgrund bestimmter Bedingungen scheitern bzw abgebrochen werden Von meh-

38 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtpolitikInternationalesKommunale_Entwicklungs-

zusammenarbeitProjektekapstadthtml Aumlhnliche Kooperationen (ua auch mit energiebezogenem Fokus) gab es im Rahmenkonzept fuumlr kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Kiew und Ha-rare

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reren Gespraumlchspartnern wurde betont dass Stadtraumlte haumlufig ein wichtiger Impulsgeber sind Diese Impulse koumlnnen wiederum aus ndash den allgemein bereits kritisch beaumlugten ndash parteipolitischen Kontakten und persoumlnlichen Kontakten und Erlebnissen der Stadtraumlte oder Neuigkeiten aus Medien wissenschaftlichen Untersuchungen uauml entstehen bdquoDie [Stadtraumlte] haben ihre Antennen natuumlrlich nach auszligen gerichtet und tragen oft auch Antraumlge oder Anfragen uumlber den Stadtrat an spezialisierte Referate Die kommen mit Ideen die sie irgendwo anders aufgeschnappt gelesen oder gesehen haben und wollen wissen ob das umsetzbar ist in Muumlnchen oder beantragen dass es umgesetzt wirdldquo (In-terview Stadtverwaltung) 39 Die Umsetzbarkeit in Muumlnchen wird aber dann durchaus als vorraussetzungsvoll einge-stuft So bedarf es zum einen der Unterstuumltzung anderer politischer Entscheidungstraumlger bzw entsprechender politischer Abstimmungsprozesse Zum andern agiert die Verwal-tung als Filter die Vorschlaumlge als mehr oder weniger umsetzbar und passfaumlhig einstufen kann Haumlufig bedarf es ndash so ein Verwaltungsmitarbeiter ndash einer Konstellation bei der jenseits der technischen Umsetzbarkeit auch die jeweils thematisch betroffenen Akteure in der Verwaltung eine Veraumlnderungs- und Innovationsbereitschaft an den Tag legen bdquoJeder Stadtratsantrag kann natuumlrlich von der Verwaltung wieder abgelehnt werden nach dem Motto sbquoDas ist ja unsinniglsquo oder sbquoDas laufende Geschaumlft hat Vorranglsquo Inno-vationen von auszligen das haumlngt von den Individuen abldquo (Interview Stadtverwaltung) Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Orientierung an oder der Vergleich mit anderen Staumldten nicht in der Breite institutionalisiert und systematisch festgeschrieben Er findet aber dennoch immer wieder statt haumlngt dann jedoch von den jeweiligen Handlungsori-entierungen und Handlungsbedingungen der Akteure ab So wurde im Gespraumlch mit Mitarbeitern eines groszligen und vielschichtigen staumldtischen Referats deutlich dass zum einen die eigene Position innerhalb des Referats den Blick nach auszligen zulaumlsst Zum andern wird hier - mit einem kritischen Blick auf Kollegen im Haus die nur Dienst nach Vorschrift machen - das eigene persoumlnliche Engagement als wichtiger Faktor ins Feld gefuumlhrt bdquoDa ist auch wieder die Frage wie offen [ist man] oder wie versteht man die eigene Position bzw wie viel Zeit hat man denn da dafuumlr auch Da sind wir jetzt hier privile-giert (hellip) weil unser Job schon ist die Nase in den Wind zu haumlngen und immer mal zu schnuumlffeln was zieht da gerade auf was ist vielleicht fuumlr die Stadt interessant Auch Felder proaktiv zu besetzen ist vielleicht was aber daruumlber hinaus ist es schwierig Das ist systematisch nicht abgescanntldquo (Interview Stadtverwaltung)

39 Als Beispiel wurde hier etwa das vorbildliche Schienenbahnkonzept der rheinland-pfaumllzischen Stadt

Andernach genannt (Interview Stadtverwaltung)

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Uumlber die Verwaltung und einzelne engagierte Akteure neue Themen zu besetzen und Innovationen anzustoszligen ist wiederum auch nicht einfach und erfordert strategisches Geschick So muumlssten derartige bottom-up-Initiativen politische Gelegenheitsfenster erkennen und nutzen um nicht abgeblockt zu werden Schlieszliglich kommt es darauf an zu den bdquoEntscheidernldquo durchzudringen Dabei ist es - so die Erfahrung eines Abtei-lungsleiters - schwierig Entscheidungen herbeizufuumlhren weil sie im Gegensatz zu vie-len kleineren Kommunen uumlber komplexe Multi-Stakeholder Prozesse vorbereitet wer-den Fuumlr die Verwaltung sei dabei oft unklar wie man bdquoalles bespielen muss weil sie das nicht mehr durchblicken bzw dann einfach machttaktische Uumlberlegungen eine Rolle spielen Oder dann Claims einfach so da sind (genannt wurden die Stadtwerke als poten-ter wirtschaftlicher Akteur Anm d Verf)ldquo (Interview Stadtverwaltung) Demgegenuumlber werden von Gespraumlchspartnern aus einem anderen Referat die begrenz-ten zeitlichen und finanziellen Ressourcen - auch in einer prinzipiell gegenuumlber anderen deutschen Staumldten finanzkraumlftigen Stadt wie Muumlnchen - erwaumlhnt Hierbei wird der The-menbereich Energie und Klimaschutz als ein Aufgabengebiet beschrieben das die Ver-waltungsmitarbeiter vergleichsweise stark fordert Damit wird der aktive und systemati-sche Austausch mit anderen Staumldten jenseits der Aktivitaumlten der Staumldtenetzwerke und regelmaumlszligiger Tagungs- und Konferenzangebote (zB der Konferenzen des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik den Berliner Energietage) eingeschraumlnkt Zugleich begrenzt sei damit die Moumlglichkeit uumlber Reise- und Vortragstaumltigkeiten Lern- und Innovationspro-zesse in anderen Staumldten anzustoszligen (Interviews Stadtverwaltung) Eine andere Konstellation bietet sich wiederum einer Mitarbeiterin aus einem weiteren Referat Nach ihrer Erfahrung ist der Vergleich mit anderen (europaumlischen) Staumldten im Rahmen von laufenden und geplanten Projekten des Klimaschutzprogrammes zuneh-mend erwuumlnscht Beguumlnstigend wirkt sich hier die Sozialisation und Weltlaumlufigkeit der Referatsspitze aus die dazu fuumlhrt Muumlnchen regelmaumlszligig mit anderen Staumldten in Bezie-hung zu setzen Anders als mitunter in anderen Referaten wird dabei auch der Zugang zu den bdquoEntscheidernldquo von der Mitarbeiterin positiv erlebt obwohl auch die Umsetzung wiederum als bdquokoordinationsintensivldquo wahrgenommen wird Das Einbringen eigener bzw aus anderen Staumldten entlehnter Ideen und Konzepte koumlnnte dabei auch durch kurze Entscheidungswege im Referat und das dort vergleichsweise neue Thema Klimaschutz beguumlnstigt sein (Interview Stadtverwaltung) Neben Lernen als Diffusionsmechanismus koumlnnen uumlberregional ausgeschriebene Wett-bewerbe eine wichtige Quelle der Verbreitung von Politikinnovationen sein (Kapitel 232) In der Vergangenheit ist Muumlnchen mehrfach als energie- und klimapolitisch vor-bildlich praumlmiert worden ua

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beim Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe bdquoWer wird Bundeshauptstadt im Ener-giesparenldquo im Jahre 2005 (in der Kategorie der Staumldte uumlber 100000 Einwohner und in der Gesamtwertung)

beim Wettbewerb Kommunaler Klimaschutz 2009 (Kategorie 2 bdquoInnovative und vorbildliche Strategien zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzesldquo) durch das Bundesumweltministerium und das Deutsche Institut fuumlr Urbanistik im Jahr 2009 im Hinblick auf das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz

beim Agenda- Wettbewerb 2009 bdquoGemeinsam fuumlr den Klimaschutzldquo durch das baye-rische Umweltministerium im Hinblick auf zwei Projekte des Buumlndnisses bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo

Dies hat wesentlich dazu beigetragen die Muumlnchner Klimapolitik zu stabilisieren und zu verstetigen (Heinelt und Lamping 2015) Am aktuellen Rand bzw aus den Gesprauml-chen zeigen sich zwei interessante Auspraumlgung zu diesem Diffusionsmechanismus Erstens profitiert Muumlnchen wesentlich von den vom Bund finanzierten Mitteln zur Ein-richtung von Klimaschutzmanagern in der Kommunalverwaltung die in einem Wettbe-werbsverfahren vergeben wurden Muumlnchen konnte dabei neun vom Bund finanzierte Stellen einrichten waumlhrend viele andere deutsche Staumldte nur die Bundesfinanzierung fuumlr eine Stelle erhalten haben Im Gespraumlch wurde hierbei zugestanden dass andere Staumldte Muumlnchen um diese komfortable Situation beneiden Sie aumluszligerten die Vermutung dass der Bund dem Muumlnchner Antrag aufgrund seiner guten und innovativen strukturellen Voraussetzungen gefolgt ist So fuumlhren bereits eine Vielzahl von Referaten aktiv klima-schutzrelevante Taumltigkeiten aus Die dezentral aber dennoch vernetzt organisierte Ver-waltungsstruktur koumlnnte dann am besten durch eine daran angepasste Einrichtung von Klimaschutzmanagerstellen entsprochen werden (Interview Stadtverwaltung) Der Bund stuumltzt damit eine als innovativ wahrgenommene Verwaltungsstruktur in Muumlnchen Zweitens werden die aus verschiedenen Wettbewerben verdienten Meriten aktuell of-fensichtlich durchaus unterschiedlich bewertet Nach Einschaumltzung eines befragten Mit-arbeiters herrscht bei der Stadtratsmehrheit die pauschale Meinung vor dass Muumlnchen energie- und klimapolitisch fuumlhrend sei So haben gerade die diversen Preise und Aus-zeichnungen dieses Selbstbild und diese Selbstwahrnehmung gestuumltzt (Heinelt und Lamping 2015) Wettbewerbe im Sinne des Imagegewinns erscheinen dann weniger dringlich Auf der Arbeitsebene der Verwaltung wird dies jedoch bdquoein wenig differen-zierter [gesehen]ldquo So koumlnnten auch Wettbewerbe dazu beitragen in Muumlnchen weitere Anstrengungen im vielschichtigen Themenfeld Klimaschutz anzustoszligen in denen Muumln-chen bislang keine Vorreiterstellung einnimmt

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bdquoWir haben auch keinen Anlass uns auf unseren Erfolgen auszuruhen Das Klima-schutzziel 2030 ist noch nicht erreicht Wir wehren uns gegen diese pauschale Einord-nung Wir sind immer automatisch vorn im Bundesgebiet Das ist real nicht der Fallldquo (Interview Stadtverwaltung) Mit einem aumlhnlich skeptischen Tenor aumluszligern sich zwei Vertreter aus einem anderen Re-ferat Sie sehen Wettbewerbe als wichtige potentielle Impulsgeber fuumlr Innovationen an und fuumlhren beispielhaft Wettbewerbe im Rahmen der nationalen Stadtentwicklungspoli-tik an (www nationale-stadtentwicklungspolitikde) Die aktuell zuruumlckhaltende aber ausbaufaumlhige Teilnahme an Wettbewerben fuumlhren sie darauf zuruumlck dass bei einigen politischen und administrativen Entscheidungstraumlgern Unsicherheit daruumlber vorliegt ob das Ergebnis auch wieder zu Gunsten Muumlnchens ausfaumlllt bdquo[Als Referatsspitze] bewerbe [ich] mich doch nicht fuumlr einen Wettbewerb wenn ich vorher noch nicht weiszlig ob ich gewinne Muumlnchen hat dann schon die Arroganz zu sagen Man muss dann schon ge-winnenldquo (Interview Stadtverwaltung) Mangelnder Ruumlckhalt von der Spitze der Referate spiegelt sich dann auch in den unteren Ebenen der Verwaltung wider bdquoIn der Regel wollen die Leute gar nicht Man muss die Leute schon dazu bringen dass sie sich an so einem Wettbewerb beteiligenldquo (Interview Stadtverwaltung)

3333 Diffusionsprozesse aus der gewachsenen Muumlnchner Energie- und Klima-politik

Die Diffusion von Politikinnovationen laumlsst sich nicht nur an Themen Projekten und Ereignissen festmachen Sie wird auch aus der historischen Genese der Muumlnchner Ener-gie- und Klimapolitik bzw bestimmten Teilen davon erkennbar Unter dem Blickwinkel einer vergleichsweise vorbildlichen Energie- und Klimapolitik treten dann Diffusions-prozesse auszligerhalb Muumlnchens in den Vordergrund wobei Muumlnchen hier eher die Funk-tion des bdquoSendersldquo einnimmt Allerdings kann bei weniger erfolgreichen oder als weni-ger erfolgreich eingeschaumltzten Teilen der Energie- und Klimapolitik Muumlnchen auch wieder aus einer bdquoEmpfaumlngerperspektiveldquo betrachtet werden Im Prinzip laumlsst sich zwischen strukturellen und inhaltlichen Elementen der kommuna-len Energie- und Klimapolitik unterscheiden Strukturell praumlgend fuumlr die Muumlnchner Klimapolitik ist vor allem das Integrierte Handlungsprogramm Klimaschutz Muumlnchen (IHKM) (Abschnitt 332) Es gilt oft als Beispiel fuumlr einen innovativen Umgang mit dem querschnittsorientierten und referatsuumlbergreifenden Thema Klimaschutz und ist uumlber Muumlnchen hinaus bekannt (Interview Stadtverwaltung) Als innovativ kann hier etwa die Einrichtung von Arbeitsgruppen uumlber Referate hinweg gelten Sie dienen der Buumlndelung von Know-how und ermoumlglichen eine vorher nicht vorhandene referatsuumlber-

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greifende Kooperation bei Klimaschutzaktivitaumlten in der Verwaltung (Interview Stadt-verwaltung) Allerdings betont auch eine befragte Referatsspitze Grenzen der Uumlbertrag-barkeit bdquoEs gibt sowas wie einen Lenkungsausschuss schon aber in der Differenziertheit wie wir es haben machen es andere Staumldte nicht Das kann daran liegen dass sie weniger Personal haben oder aus anderen Gruumlnden Aber ich glaube auch nicht dass es notwen-dig ist dass alle Staumldte genau das gleiche machen Unter ihren Rahmenbedingungen muumlssen die ihren Weg finden wie sie sowas koordinierenldquo (Interview Stadtverwaltung) Hinzu kommt dass schon durch die Vielzahl der (gefoumlrderten) Klimaschutzmanager in Muumlnchen eine Besonderheit vorliegt die in anderen Staumldten nicht gegeben ist Vor die-sem Hintergrund ist die Diffusion eher in einem reduzierten Grundmuster erfolgt Wich-tig sei - so ein Referatsleiter - zum einen die in Muumlnchen anfangs keineswegs einfache Koordination uumlber Dienststellen hinweg Zum andern beduumlrfe es einer klaren Verant-wortlichkeit (den bdquoHutldquo) fuumlr die Gesamtkoordination Diese Prinzipien sind dabei auch andernorts beachtet worden Allerdings verbleiben dennoch kommunalspezifische Ver-waltungsstrukturen und ndashprozesse (zB kein eigenstaumlndiges Umweltreferat in manchen Staumldten) Diffusionsprozesse lassen sich dann auch leichter inhaltlich festmachen Ein besonders gutes Beispiel dafuumlr ist das auf Umweltmanagement ausgerichtete Kooperationsprojekt zwischen Kommunen und Betrieben OumlKOPROFIT (Oumlkologisches Projekt Fuumlr Integrier-te Umwelt-Technik) (LHM 2014a) Es wurde 1991 in Graz entwickelt und im Rahmen der Muumlnchner Agenda 21 von engagierten Schluumlsselakteuren des RAW und RGU zum ersten Mal in einer deutschen Kommune 1998 umgesetzt Die darin enthaltenen unter-schiedlich anspruchsvollen Umweltmanagement-Module wurden von Muumlnchen weiter-entwickelt und an die deutsche Situation bzw Rechtslage angepasst Gegen die Zahlung einer in etwa kostendeckenden Nutzungsgebuumlhr uumlbernimmt Muumlnchen die regelmaumlszligige Aktualisierung der Arbeitsmaterialien fuumlr alle interessierten Kommunen in Deutschland Muumlnchen sieht seine Aufgabe auch darin andere Kommunen zu OumlKOPROFIT zu in-formieren und zu beraten und als Servicestelle fuumlr alle deutschen Kommunen zu die-nen40 Neben den in Betrieben ausgeloumlsten Umweltinnovationen kann Muumlnchen daher als Initiator einer Politikinnovation in Deutschland betrachtet werden Mittlerweile bestehen mehr als 100 deutsche OumlKOPROFIT-Kommunen mit mehr als 3000 teilnehmenden Firmen Die jeweilige Kommune (bzw ihr Amt fuumlr Wirtschafts-foumlrderung oder Umwelt) initiiert koordiniert und finanziert das Programm vor Ort und

40 Vgl httpwwwmuenchenderathausStadtverwaltungReferat-fuer-Arbeit-und-

WirtschaftWirtschaftsfoerderung Grundlagenoekoprofithtml

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wird dabei von weiteren Partnern unterstuumltzt (zB Umweltberatungsbuumlro Industrie- und Handelskammer lokaler Versorger etc) Wesentlich fuumlr die interkommunale Verbrei-tung war neben der Verbreitung durch die beauftragten Beraterfirmen auch die Gruumln-dung eines OumlKOPROFIT-Netzwerkes im Jahr 2000 in Muumlnchen Vor allem uumlber regel-maumlszligige Bundestreffen wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen und Beratern intensiviert Qualitaumltssicherung betrieben und OumlKOPROFIT weiterentwickelt Das Netzwerk ermoumlglicht damit politische und administrative Lernprozesse Ebenso wurde die Einfuumlhrung von OumlKOPROFIT uumlber einige Bundeslaumlnder (Bayern Nordrhein-Westfalen Thuumlringen Hamburg Baden-Wuumlrttemberg Hessen Sachsen) finanziell ge-foumlrdert Mehr OumlKOPROFIT-Kommunen finden sich damit in Bundeslaumlndern mit guten Foumlrderkonditionen Ein dritter Verbreitungsmechanismus laumluft uumlber die Unternehmen selbst Unternehmen die gute Erfahrungen mit OumlKOPROFIT an einem Standort ge-macht haben entscheiden sich haumlufig fuumlr das System auch an anderen Unternehmens-standorten Auch auf diese Weise koumlnnen Kommunen an diesen Standorten fuumlr OumlKO-PROFIT sensibilisiert werden41 Traditionell bezieht sich OumlKOPROFIT auf Umweltentlastungen in allen Umwelt-medien Aktuell wurde vom Muumlnchner RAW in Kooperation mit dem RGU speziell ein zusaumltzlicher Baustein OumlKOPROFIT Energie entwickelt Damit hat Muumlnchen eine Moumlg-lichkeit gefunden den bundespolitischen Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Ener-gieeffizienz gerecht zu werden So sieht das Energiedienstleistungsgesetz und letztlich die EU-Energieeffizienzrichtlinie eine Energie-Audit Pflicht fuumlr groszlige Unternehmen und bestimmte oumlffentliche Unternehmen vor Diese Vorgabe kann jedoch auch uumlber Energieeffizienz-Netzwerke dh den freiwilligen zielgerichteten und systematischen Erfahrungsaustausch von Unternehmen einer Region oder Branche zu Energieeffizienz-themen umgesetzt werden (vgl zu einer Verbaumlndevereinbarung zwischen Bundesregie-rung und Verbaumlnden zur Gruumlndung von 500 derartiger Netzwerke bis 2020 wwwbmwide) In Muumlnchen konnte eine derartige Netzwerkgruumlndung uumlber OumlKOPRO-FIT und OumlKOPROFIT Energie implementiert werden wobei neben dem RAW und dem RGU auch die Stadtwerke Muumlnchen die Industrie- und Handelskammer Muumlnchen und Oberbayern und der Abfallwirtschaftsbetrieb als Netzwerktraumlger fungieren42 Dagegen besteht nach Einschaumltzung einer Mitarbeiterin des RAW bundesweit durchaus ein er-hebliches Maszlig an Unsicherheit daruumlber wie die Verbaumlndevereinbarung umgesetzt wer-den kann Muumlnchen habe dagegen eine effiziente Moumlglichkeit der Umsetzung EU-rechtlicher und nationaler Vorgaben gefunden Zudem koumlnnte wiederum im Bereich 41 Allerdings ist es nicht zwingend fuumlr die Verbreitung von OumlKOPROFIT in einem Unternehmen dass

die Kommune der Tochterfirma auch selber Kooperationspartner von OumlKOPROFIT wird 42 Auch unabhaumlngig von der Netzwerkteilnahme erfuumlllt OumlKOPROFIT Energie die gesetzlichen Anforde-

rungen zur Durchfuumlhrung eines Energieaudits

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Energie eine neue Diffusionsdynamik in anderen OumlKOPROFIT Kommunen angestoszligen werden (Interview Stadtverwaltung)43 Aumlhnlich wie OumlKOPROFIT verfolgen zwei weitere seit langem bestehende Muumlnchner Programme das Ziel Energie und gleichzeitig finanzielle Mittel einzusparen Das seit 1998 bestehende Programm bdquoPro Klima ndash Contra CO2ldquo unterstuumltzt die Nutzerinnen und Nutzer staumldtischer Gebaumlude Strom und Heizenergie einzusparen und belaumlsst dabei je-weils 35 der Einsparungen den Gebaumludenutzern 35 dem Kommunalreferat und 30 dem Baureferat Das seit 1996 bestehende Programm bdquoFifty-Fiftyldquo unterstuumltzt Muumlnchner Schulen und Kindertageseinrichtungen bei der Einsparung von Energie und Wasser wobei die Haumllfte der eingesparten Energie- und Wasserkosten der jeweiligen Einrichtung als Praumlmie fuumlr ihr Engagement zur freien Verfuumlgung steht Mitarbeiter aus dem RGU vermuten dass im Zuge des bdquofruumlhenldquo Muumlnchner Engagements auch andere Kommunen aumlhnliche Pro-gramme aufgesetzt haben Allerdings ist die Dynamik nicht aumlhnlich gut feststellbar wie bei OumlKOPROFIT (Interviews Stadtverwaltung) Waumlhrend die drei aufgefuumlhrten Programme (OumlKOPROFIT Pro Klima ndash Contra CO2 Fifty-Fifty) eine nicht unerhebliche Diffusionswirkung zugeschrieben werden kann faumlllt die Bilanz fuumlr das Buumlndnis Muumlnchen fuumlr Klimaschutz kritischer aus Kern dieses Buumlnd-nisses war es den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsgedanken in Unternehmen und Stadtgesellschaft zu tragen und innovative Klimaschutzprojekte gemeinschaftlich um-zusetzen (vergleiche Abschnitt 332) Im Ruumlckblick betont der Leiter eines Referats zwar den Einsatz einzelner Mitarbeiter der Stadt und konzediert Teilerfolge bei der Oumlf-fentlichkeitsarbeit und der Bewusstseinsbildung Allerdings sei es nicht gelungen Kli-maschutzaktivitaumlten dauerhaft und in der Breite in Unternehmen zu verankern die nicht ohnehin relativ eng an die Stadt gebunden sind (wie zB die Stadtwerke) Insofern konnte das 2007 gegruumlndete bdquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzldquo zwar eine gewisse Vorbild-wirkung auf andere Kommunen entfalten und wurde dafuumlr auch mehrfach praumlmiert (Ab-schnitt 3332) allerdings konnte die Basis fuumlr innovative Aktivitaumlten und deren Diffu-sion nicht aufrechterhalten werden bdquoEs hatte eine Vorbildfunktion gehabt dahingehend dass wir durchaus mal eine Dach-marke geschaffen haben unter der sich 100 Betriebe gesetzt haben und gesagt haben sbquoJa wir wollen Klimaschutz machenlsquo Aber unsere Beitrittsurkunde hat konkrete quantifi-

43 Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium sowie den Wirtschaftsverbaumlnden zur An-

erkennung von OumlKOPROFIT und OumlKOPROFIT Energie als Energieeffizienznetzwerk im Sinne der Verbaumlndevereinbarung sind aktuell allerdings noch nicht abgeschlossen Der Steuerungskreis ist be-reits informiert und zeigt eine positive Haltung (Stand Oktober 2015)

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zierte Ziele drin gehabt Und da sag ich mal die Zielerfuumlllung und Zielerreichung ist bei vielen Betrieben nicht gemacht worden Die haben ein Leuchtturmprojekt gemacht Aber wenn ich jetzt Frage Habt ihr eine CO2-Bilanz gemacht und habt ihr evaluiert Hat euer Leuchtturmprojekt euch auf den Weg gebracht zu 50 CO2-Reduktion bis 2030 (hellip) Da wuumlrde ich mal sagen das koumlnnen die mir nicht nachweisenldquo (Interview Stadtverwaltung) Kritisch beaumlugt wird damit dass Klimaschutz von vielen Unternehmen nicht als strate-gisches Handlungsfeld begriffen wird dass umfassend und strukturiert im Unternehmen (dh aumlhnlich wie in der Verwaltung) bearbeitet wird Anders als bei OumlKOPROFIT wur-den damit auch in Muumlnchner Unternehmen angestoszligene Klimaschutzaktivitaumlten wohl kaum in Tochterunternehmen oder nicht ortsansaumlssigen Unternehmen nachgeahmt Vielmehr gab es bdquoandere Unternehmen die nicht bei sbquoMuumlnchen fuumlr Klimaschutzlsquo dabei waren Tollwood zB (hellip) die machen viel mehrldquo (Interview Stadtverwaltung) Generell bestaumltigen auch andere Gespraumlchspartner dass Muumlnchen nicht sehr erfolgreich dabei war den Klimaschutzgedanken in der staumldtischen Wirtschaft und Gesellschaft konsequent zu verankern So hat das IHKM generell eine stark nach innen gerichtete Sichtweise Bei der Beteiligung der Buumlrger bestehe weiterhin Nachholbedarf (Interview Stadtverwaltung) Auch diese Aufgabe wird dabei als strukturell anspruchsvoll angese-hen sie erfordere den Blick nach auszligen aber auch ein abgestimmtes Vorgehen inner-halb der Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen (Interview Stadtverwaltung) Vor dem Hintergrund dieses Innovationsverlaufs hat Muumlnchen daher in Vorbereitung einer neuen Kampagne zur Einbindung der Oumlffentlichkeit - dem Klimaschutzaktions-plan ndash ua die Aktivitaumlten anderer Staumldte untersucht die auf Oumlffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung gerichtet sind Als beeindruckend wurde die mit wenig finanziel-len Mitteln ausgestattete Kampagne bdquoKlimaschutz ist Heimspielldquo in Dortmund genannt Sie ist in ihrer weiszlig-gelben Aufmachung an den Fuszligball angelehnt und soll so auch den wenig klimabewussten Durchschnittsbuumlrger erreichen Als ebenso mitreiszligend wurde das Auftreten des Buumlrgermeisters von Tuumlbingen erlebt Unter dem Motto bdquoTuumlbingen macht blauldquo warb dieser in blauem Anzug fuumlr das Energiesparen Vor diesem Hintergrund zielt Muumlnchen darauf ab in Zukunft auf aumlhnliche Weise eine Identifikation der Buumlrger mit dem Klimaschutz herzustellen und eine neue Dachmarke (zusammen mit den Stadtwer-ken) zu etablieren (Interview Stadtverwaltung) Ein fruumlhes Muumlnchner Instrument im Klimaschutz ist auch das seit 1989 bestehende Foumlr-derprogramm Energieeinsparung (FES) Es soll die Muumlnchner Hauseigentuumlmerinnen und Hauseigentuumlmer sowie die Wohnungswirtschaft in Muumlnchen uumlber die bundesgesetz-lichen Vorgaben hinaus fuumlr den baulichen Waumlrmeschutz von Wohngebaumluden und zum Umstieg auf erneuerbare Energietraumlger motivieren Seit 2010 ist es das im bundesdeut-

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schen Staumldtevergleich finanziell houmlchstdotierte Foumlrderprogramm (bei Staumldten ohne Stadtstaat-Status) (LHM 2012b) Nach Aussagen aus einem staumldtischen Referat war die Breite der Foumlrdergegenstaumlnde und das Foumlrdervolumen maszligstabgebend fuumlr andere Kom-munen wobei diese allerdings nicht immer entsprechende Finanzmittel aufbringen koumln-nen (Interviews Stadtverwaltung) Uumlber das Muumlnchner Programm konnten zudem fruumlh-zeitig CO2-mindernde Technologien (wie zB moderne Heizkessel) gefoumlrdert und deren Markteinfuumlhrung beschleunigt werden Dies habe dann wiederum andere Kommunen angeregt entsprechende Foumlrdermaszlignahmen uumlber den gesetzlichen Standard zu ergrei-fen Indirekt wurde zudem die weitere Bundesgesetzgebung der Energieeinsparungs-ordnung im Sinne der CO2- Einsparung positiv beeinflusst (Interview Stadtverwaltung) Wesentlich skeptischer wird das Innovations- und Diffusionspotenzial von staumldtischen Maszlignahmen dagegen von den befragten Mitarbeitern eines anderen Referats beurteilt Die Vorbildwirkung beschraumlnkt sich demnach auf Gebaumlude die sich im Eigentum der Stadt befinden Zu nennen ist hier etwa (auch jenseits des FES) der Aufbau eines Ener-giemanagements fuumlr staumldtische Gebaumlude im Baureferat Gestuumltzt durch die geballte Kompetenz bdquodes groumlszligten kommunalen Ingenieursbuumlrosldquo aber auch durch bestimmte Einzelpersonen und Teams sei hier ein System etabliert worden dass eine Referenz fuumlr andere Staumldte geworden ist und zum Beispiel im Arbeitskreis Energiemanagement des Deutschen Instituts fuumlr Urbanistik vorgestellt wurde (Interview Stadtverwaltung) Gebaumlude staumldtischer Wohnungsbaugesellschaften wuumlrden den Bundesdurchschnitt am Gebaumludeenergiebedarf dagegen bei den staumldtischen Foumlrdermaszlignahmen nur um 10 unterschreiten44 Hier bestehe erhebliche Skepsis innovative Leuchtturmprojekte zu realisieren Auf Druck der SPD solle vielmehr vor allem guumlnstiger Wohnraum in der Masse und fuumlr eine wachsende Stadt realisiert werden Dies habe dann zur breiten Streuung der Mittel des FES gefuumlhrt so dass die gesetzlichen Standards schnell und in der Breite aber eben nur in geringem Maszlige unterschritten werden koumlnnen Unter inno-vationspolitischen Gesichtspunkten wird dieses Masse-statt-Klasse-Denken kritisiert bdquoDie Stadt Muumlnchen denkt nicht in Kategorien von Innovation (hellip) Man denkt hier wir muumlssen den Wohnungsmarkt bedienen wir muumlssen sicherstellen dass diese 250000 Zuwanderer bis 2030 billigen Wohnraum kriegen (hellip) Hier geht nichts um Energie-wendeldquo (Interview Stadtverwaltung) Auch die zT ins Feld gefuumlhrten Anstoszligwirkungen auf die Bundesgesetzgebung werden aktuell ganz anders bewertet So orientiere sich die Muumlnchner Wohnungsbaufoumlrderung an der bestehenden Energieeinsparverordnung statt vorausschauend und proaktiv abseh-baren Verschaumlrfungen der Standards zu begegnen Jenseits der Wohnungsbaugesell-schaften wird schlieszliglich kritisiert dass das FES den Muumlnchner Buumlrger als Eigentuumlmer

44 Kritisiert wurde hierbei eine falsche Methodik zur Berechnung der Energieeinsparung

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von Wohnraum nur wenig anspricht Eine Rolle koumlnnten hierbei die hohen buumlrokrati-schen Huumlrden und das komplizierte Antragsverfahren spielen (vgl auch Rubik und Kress 2014)

3334 Die Sonderstellung der Stadtwerke Muumlnchen bei (Politik-)Innovationen und deren Diffusion

Bei der Untersuchung der Wirkung und Verbreitung von Innovationen spielen die Stadtwerke Muumlnchen (SWM) bzw der Umgang mit ihnen eine Sonderrolle die eben-falls stark aus der Historie heraus zu erklaumlren ist Die Stadtwerke positionieren sich in einem komplexen Diskurs- und Handlungsfeld das von kommunalpolitischen Interes-sen und Akteuren ebenso gepraumlgt wird wie von uumlbergeordneten energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen Aus dem Blickwinkel bestimmter kom-munalpolitischer Akteure gehen Innovationsaktivitaumlten der Stadtwerke mit unerwuumlnsch-ten Nebenwirkungen einher sie koumlnnen auch mitunter Innovationen anderer Akteure im Energiebereich und deren Diffusion behindern Als politische Innovation kann zunaumlchst der Stadtratsbeschluss gelten die bdquostadteige-nenldquo SWM vor dem Hintergrund eines stark fossil-nuklear gepraumlgten Erbes von 2008 an schrittweise aber konsequent auf den Ausbau erneuerbarer Energien auszurichten (Ab-schnitt 332) Dieser Beschluss folgte einem teilweise kontroversen Diskussionspro-zess insbesondere angesichts von Uumlberlegungen der Stadtwerke und Teilen der SPD weiterhin in Steinkohle in Nordrhein-Westfalen zu investieren Er wurde dann jedoch vor allem durch die Machbarkeitsstudie des Oumlko-Instituts beguumlnstigt die die Moumlglich-keiten von Investitionen in erneuerbare Energien im Muumlnchner Raum und daruumlber hin-aus verdeutlichte Ebenso stieszlig die Neuausrichtung auf erneuerbare Energien bei den selbst in einem Umstrukturierungspressprozess befindlichen Stadtwerken zunehmend auf reges Interesse (Interviews Stadtwerke) Die Zielvorgabe kann bis heute als ein Mit-tel verstanden werden Muumlnchen und seine Stadtwerke im Wettbewerb zu positionieren oumlkonomisch wie politisch In politischer Hinsicht reiht sich - wie immer wieder betont - das Ausbauziel in die energie- und klimapolitischen Leitlinien der Stadt ein bdquoMuumlnchen steht dank seiner Stadtwerke bei der Energiewende an der Spitzeldquo (Suumlddeutsche Zei-tung 2422013) Aumlhnlich wird heute die Erreichung von Zwischenzielen politisch- stra-tegisch und oumlffentlichkeitswirksam kommuniziert In oumlkonomischer Hinsicht sind die SWM von einem ehemaligen Zuschussbetrieb zu einem gewinnbringenden Unterneh-men geworden das bis vor kurzem von seinen 300 bis 400 Mio euro Uumlberschuss immerhin jaumlhrlich etwa 100 Mio euro an den staumldtischen Haushalt uumlberweist So aumluszligert sich der Vor-standsvorsitzende der SWM dahingehend dass die Aktivitaumlten der SWM eine gewisse Einmaligkeit aufweisen bdquoNach unserem Wissen gibt es keine Groszligstadt weltweit die so

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fruumlh so ehrgeizige Ziele bei der Energiewende gesetzt hat wie wirldquo (Bieberbach 2015) Dabei strahlt dieses Engagement ideell und medial aus wird aber zumindest in seiner Ambitioniertheit aber auch in seiner Abhaumlngigkeit von uumlbergeordneten politischen Rahmenbedingungen (insbesondere den Foumlrderregimen zu Gunsten erneuerbarer Ener-gien) nicht reihenweise nachgeahmt bdquoWir werden oft zitiert [und] ich muss oft auftre-ten auf europaumlischen Konferenzen Wir werden in den Medien oft zitiert als Musterbei-spiel fuumlr Investitionen in erneuerbare Energien (hellip) Was zu wuumlrdigen ist ist wie schnell und mit welchem Investitionsvolumen der Umbau des Kraftwerksparks ange-strebt wird und (hellip) da kenne ich (hellip) keinen etablierten traditionellen Energieversor-ger der mit so einer Geschwindigkeit und so einem Investitionsvolumen diesen Umbau angehtldquo (ebda) Nach Auffassung der rot-gruumlnen aber wohl auch der rot-schwarzen Stadtratsmehrheit hat sich aus dieser Konstellation eine relativ stabile Kongruenz politischer und oumlkono-mischer Ziele ergeben Klimapolitisch dokumentieren die vorwiegend auszligerhalb Muumln-chens und seines Umlandes vorgenommenen Investitionen Aktivitaumlten in diesem wich-tigen Politikfeld Volkswirtschaftlich durchaus verstaumlndlich kommt damit zum Aus-druck dass es - wie auch von einem Referatsleiter betont ndash bdquofuumlr den Klimaschutz egal ist wo CO2 eingespart wirdldquo (Interview Stadtverwaltung) Aus unternehmerischer Sicht richtet sich der Blick zugleich konsequenter als fruumlher auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte Dabei wird die Bonitaumltseinstufung der SWM bei Investitionsent-scheidungen im Gegenzug wiederum dadurch gestuumltzt dass bdquoder Ruumlckhalt durch die Stadt es uns erlaubt heute massiv in zukuumlnftige Infrastruktur mit viel laumlngeren Pay-back Perioden als bei rein privaten Unternehmen zu investieren (F Bieberbach zitiert nach Rode et al 2010 Uumlbersetzung des Autors) Der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit und die damit - schon aufgrund der begrenzten natuumlrlichen Potenziale in Muumlnchen - verbundene Internationalisierungsstrategie der SWM tritt jedoch in ein mitunter spannungsreiches Verhaumlltnis zu dezidiert kommunal- und verteilungspolitischen Anliegen die an die SWM herangetragen werden In den Interviews und als teilnehmender Beobachtung einer Veranstaltung der Umweltakade-mie Muumlnchen konnten wir hierbei eine breite Palette von Einschaumltzungen miterleben teilweise eher grundsaumltzlicher Art teilweise illustriert am konkreten Beispiel Die eher grundsaumltzlich kritische Haltung gegenuumlber den SWM aumluszligert sich darin dass von manchen Akteuren ein groumlszligeres kommunalpolitisches Engagement in der Energie-politik eingefordert wird bdquoDass die Stadtwerke das [Investitionen in erneuerbare Ener-gien Anm d Verf] machen das ist ein Investmentgeschehen Die haben geschafft das so zu vermarkten dass die Leute glauben das sei Energiepolitik Das hat mit Energie-politik nichts zu tun (Interview Stadtverwaltung)ldquo Unter Applaus fordert schlieszliglich auch ein Teilnehmer der obigen Veranstaltung dass CO2-Einsparung und Umweltschutz

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vor Ort verankert sein muss Mit Blick auf das CO2-intensive und umweltbelastende SWM-Kohlekraftwerk im Muumlnchner Norden fordert er bdquoDer Dreck muss dort einge-spart werden wo er produziert wurdeldquo Neben dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeit weist der SWM- Vorsitzende demgegenuumlber einen allzu engen politischen Steuerungs-anspruch beim Ausbau erneuerbarer Energien wiederum zuruumlck Dies gilt vor allem fuumlr die Stromerzeugung bdquoIch finde die Vorstellung absurd dass jeder jetzt seinen Strom bei sich privat erzeugen muss Wenn es europaweite Stromnetze gibt kann man viel viel billiger Oumlkostrom fuumlr Europa produzieren indem man die besten Standorte in Europa waumlhlt Alles andere finde ich kleingeistige Kirchturmpolitik muss ich jetzt ganz offen so sagenldquo (Bieberbach 2015) Diese Sichtweise ist wiederum aus dem Blickwinkel eines von uns befragten SWM- kritischen Stadtrats symptomatisch Sie spiegelt ein faustischen Handel zwischen Stadt-spitze und ehemaliger SWM-Spitze wider demzufolge die SWM jaumlhrlich Geld in den kommunalen Haushalt uumlberweisen dafuumlr aber kommunalpolitisch nicht behelligt wer-den Der Kommunalpolitik werde dabei von den SWM zunehmend die Faumlhigkeit abge-sprochen sich sinnvoll energiepolitisch einzubringen Schlieszliglich - so das Standardar-gument - stehen die SWM im Wettbewerb und muumlssen sich am Markt mit seinen uumlber regional gesetzten Rahmenbedingungen behaupten In der Konsequenz wird von dem befragten Stadtrat die geringe Transparenz des Verhaumlltnisses zwischen Politik und kommunalem Unternehmen beklagt bdquoUnterm Strich sind die Stadtwerke ein kommunal nicht mehr kontrolliertes Unternehmenldquo (Interview Stadtrat) Diese grundsaumltzlich skeptische Haltung wird jedoch von anderen Gespraumlchspartnern nicht geteilt So betrachten Vertreter der SWM das Verhaumlltnis zu ihrem Gesellschafter prinzipiell als harmonisch Gerade die Diskussion um die Ausbauoffensive im Jahr 2008 sei offen und transparent verlaufen und habe ein Bewusstsein dafuumlr geschaffen wie und wo der angestrebte Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen kann Schwieriger sei aller-dings die Zusammenarbeit zwischen SWM und den Gemeinden im Muumlnchner Umland Deren stark nach innen gerichtete Perspektive erschwert es die Potenziale erneuerbarer Energien vermehrt in der Naumlhe von Muumlnchen und weniger in Norddeutschland oder anderen europaumlischen Laumlndern auszuschoumlpfen45 bdquoDie Umlandgemeinden haben alle ihre eigene Agenda (hellip) Das Umland koumlnnte wesentlich mehr aus erneuerbaren Ener-gien produzieren wir [in Muumlnchen] aber nicht (hellip) Man darf da auch keine Illusionen haben Der Muumlnchner ist im Umland nicht sonderlich beliebt Es ist schon schwierig Die Buumlrgermeister haben ihre eigenen Vorstellungen Es ist nicht so dass wir rausgehen

45 Daneben wurde in diesem Zusammenhang explizit auch auf die restriktive bayerische Windenergiepo-

litik mit ihren neu verabschiedeten Abstandsregelungen verwiesen

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und die sagen sbquoWir wuumlrden gern etwas mit euch machen (hellip)lsquo Es ist ein schwieriges politisches Klein-Kleinldquo (Interview Stadtwerke) Von einer Referatsspitze wird das Verhaumlltnis zu den SWM auch nicht als konfliktbela-den dargestellt Zugleich werden die Grenzen lokalen energiepolitischen Handelns im Hinblick auf die Stromerzeugung anerkannt (vgl skeptisch RGU 2014 im Hinblick auf die von Kronawitter und Pretzl (2013) vorgeschlagenen Leitlinien zu Gunsten dezentra-ler Stromerzeugung) Wichtig sei jedoch dass sich die SWM angesichts ihrer oumlkonomi-schen Potenz und ihrer hohen Gewinne auch immer wieder vor Ort engagieren Es gelte Gewinne auch in Muumlnchen zu reinvestieren und sich auch an betriebswirtschaftlich we-nig interessanten Projekten vor Ort zu beteiligen (Interview Stadtverwaltung) Jenseits der grundsaumltzlichen Diskussion uumlber die Rolle der SWM in Muumlnchen kommt die Kritik am Unternehmen dann auch in konkreten Beispielen bzw Projekten zum Tragen Dabei aumluszligert sich diese Kritik zum einen darin dass die verfolgte Ausbaustra-tegie der SWM offenbar auch negative Verteilungswirkungen fuumlr einen Teil der Muumlnchner Bevoumllkerung hat Zum andern (und damit verbunden) wird kritisch beaumlugt inwiefern die politisch gestuumltzte Strategie der SWM andere Innovationsbestrebungen im Energiebereich erschwert oder gar konterkariert zumindest aber die Vielfalt des Inno-vationsgeschehens verringert Aufgefuumlhrt wurde hier zum Beispiel die Waumlrmeversorgung im neu entstandenen Stadt-viertel Muumlnchen-Riem Seit 2005 wird in einem durchaus innovativen Vorzeigeprojekt die Tiefengeothermie eingesetzt und ein Netz von der SWM betrieben Kritisiert wird jedoch das Preissetzungsverhalten der SWM Verlangt wird von den Endkunden der Muumlnchen-weite Fernwaumlrme-Einheitspreis obwohl der bundesweit gefoumlrderte Einsatz von Geothermie deutliche Kostenvorteile gegenuumlber dem Einsatz fossiler Energietraumlger bietet Die Nicht-Weitergabe von Kostenvorteilen ist dabei auch im Vergleich zu ande-ren Staumldten mit aumlhnlichen Waumlrmeversorgungssystemen unzeitgemaumlszlig (Interview Stadt-rat) So hat sich etwa in Kopenhagen ein sog Bestpreisverfahren etabliert Zwar ist dort in einem Stadtgebiet der Fernwaumlrmeanschluss verpflichtend zugleich wird aber durch die Stadt sichergestellt dass die Endkunden im Vergleich zu sonst anfallenden Waumlrme-preisen fuumlr andere Energietraumlger nicht schlechter gestellt werden Zusaumltzlich werden in Muumlnchen von den Abnehmern in der Messestadt hohe nachtraumlgliche Investitionen in die Hausstationen verlangt um die Ruumlcklauftemperaturen weit unter die derzeit uumlblichen Werte abzusenken und somit den Einsatz der Geothermie fuumlr die SWM noch lukrativer zu machen Andernfalls drohen die Stadtwerke mit dem Einsatz von Ruumlcklauftempera-turbegrenzern bzw bauen diese bdquozwangsweiseldquo ein was einer Reduzierung der Waumlrme-lieferung gleichkomme Richtig waumlre nach Meinung der Kritiker dass sich die SWM erheblich an den Nachruumlstkosten beteiligen Dies gelte umso mehr als bis 2040 der

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Fernwaumlrmebedarf von ganz Muumlnchen uumlber Geothermie bedient werden soll und das Problem dann Muumlnchen-weit (vor allem im Altbaubestand) zuschlaumlgt 46 Dieses Beispiel veranschaulicht - so der befragte Kritiker - dass die Stadtwerke nicht nur ihre Monopolstellung im Fernwaumlrmesektor in Stadtteilen wie Riem oder Freiham ausspielen wuumlrden sondern auch in einer intransparenten Mischkalkulation finanzielle Risiken oder Fehleinschaumltzungen in anderen Bereichen ndash dh vor allem im Stromsek-tor47 ndash ausgleichen wuumlrden bdquoDie brauchen im Moment jeden Euro auf der hohen Kante damit sich ihre wirtschaftli-che Bilanz (hellip) besser darstellt (hellip) Aber das findet alles nur hinter verschlossenen Tuumlren statt (hellip) Wenn ploumltzlich ein kalter Hauch kommt dann kriegen alle anderen Lungenentzuumlndung (hellip) Dann finden sie keine Bereitschaft bei den GmbH-Geschaumlftsfuumlhrern zu sagen ja eigentlich koumlnnen wir da [in der Messestadt Riem] nicht so viel verlangen Die sagen frei nach dem alt-roumlmischen Kaiser-Motto Pecunia non olet also Geld stinkt nicht Das ist uns wurscht wo das Geld herkommt aber Hauptsa-che es gleicht unsere Verluste wieder ausldquo (Interview Stadtrat) Diesem Verhalten der SWM werde von politischer Seite kaum entgegengewirkt Aus Angst die gesetzten Ausbauziele zu verfehlen oder die oumlkonomische Staumlrke der SWM zusaumltzlich zu gefaumlhrden halte sich die Politik vielmehr zuruumlck SWM- kritische Stimmen fuumlhren schlieszliglich auch an dass die SWM des Oumlfteren eine Schluumlsselstellung dabei haben innovative Ideen und Projekte zu initiieren und voranzu-treiben oder Technologiefelder zu besetzen oder dies eben gerade nicht oder nur halb-herzig zu tun (Interview Stadtrat Interview Stadtverwaltung) So hatten die SWM bei der Entscheidung uumlber die Art der Energieversorgung neuer

Stadtviertel erheblichen Einfluss insbesondere bezuumlglich der Frage ob und in wie-weit neben Fernwaumlrmekonzepten alternativen und innovativen Energieversorgungs-konzepten (zB uumlber Passivhaumluser solarthermische Nutzung uauml) Raum gegeben wird Diese fuumlhren bislang eher ein Schattendasein

46 Nach Ansicht der befragten SWM-Vertreter haben sich die Hauseigentuumlmer per Vertrag verpflichtet

bdquorelativ niedrigeldquo Ruumlcklauftemperaturen einzuhalten Dies wurde jedoch in der praktischen Anlagen-auslegung nicht immer gewaumlhrleistet Damit konnte auch die zur Verfuumlgung stehende Waumlrme nicht op-timal ausgenutzt werden was auch oumlkologisch wuumlnschenswert waumlre Fuumlr die Hauseigentuumlmer war des-halb eine Umruumlstung ihrer Anlagen erforderlich da sie sonst ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht erfuumlllen koumlnnten Da viele Eigentuumlmergemeinschaften dies nicht tun wollten haumltten schlieszliglich die SWM die Ruumlcklauftemperaturbegrenzer eingebaut Allerdings seien die SWM auf die Eigentuumlmer zu-gegangen haumltten sie beraten und sich idR mit den Eigentuumlmergemeinschaften einvernehmlich geei-nigt (Interview Stadtwerke)

47 Zu nennen sind generell unguumlnstigere Foumlrderbedingungen fuumlr erneuerbare Energien Verzoumlgerungen bei der Offshore-Windenergie aber auch einzelne Investitionsprojekte (zum Beispiel Andasol in Spa-nien oder ein Geothermie Projekt in Muumlnchen-Sauerlach) die sich als wenig(er) ertragreich herausge-stellt haben

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Auch wuumlrden etwa innovative Konzepte zur Nutzung von Biomasse (zB das flo-rafuel-Verfahren) abgeblockt oder marginalisiert

Im Vergleich zu anderen Stadtwerken werde auch der Einsatz von Mikro- und Nano- Blockheizkraftwerken in Muumlnchner Privathaushalten vernachlaumlssigt wohl aus Angst eine Konkurrenz fuumlr die SWM auf dem Strommarkt zu etablieren

Schlieszliglich wird auch kritisiert dass weitere Fortschritte bei der Umstellung der Fernwaumlrmeleitung von Dampf auf Heiszligwasser im Bestandsnetz nicht vorangetrieben sondern ins Belieben der SWM gestellt werden obwohl es sich dabei um eine Maszlig-nahme mit erheblichen CO2-Minderungspotenzial handele

Bedauerlich sei auch dass die Solarinitiative Muumlnchen und damit eine von vielen Akt-euren getragene Energieversorgung uumlber Fotovoltaikanlagen nicht dauerhaft bzw in groumlszligerem Umfang in Muumlnchen Fuszlig fassen konnte So sollte uumlber die beteiligten Gesell-schafter so viel Kapital bereitgestellt werden dass die Solarinitiative Solaranlagen auf Daumlchern installieren kann und dann wiederum Anteile an Buumlrger weiter verkauft Dies schien nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant dass fuumlr die Versorgung Muumlnchens ein zwar insgesamt begrenztes aber dennoch vom Status-Quo aus gesehen betraumlchtli-ches Ausbaupotenzial fuumlr Fotovoltaik von derzeit 063 des Strombedarfs auf 35 - 5 gesehen wird (vgl Roumlpcke 2015a b) Angebracht wird hierbei dass die SWM wenig Interesse am Ausbau der Solarenergie in Muumlnchen habe muumlsse sie doch letztlich Marktanteilsverluste hinnehmen (Madsen et al 2015) Im Gegensatz zu anderen Stadt-werken sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Muumlnchner Buumlrgern auch wenig ausgepraumlgt bdquoMan hat den Eindruck das ist halt eine Art buumlrgerschaftliches Engagement das ein-fach nicht kongruent ist mit dem wirtschaftlichen Denken eines kommunalwirtschaftli-chen Platzhirsches Da muumlssen Sie mit diskutieren (hellip) Jetzt haben sie halt klare Be-fehlsstrukturen die Geschaumlftsfuumlhrung bestimmt und die andern muumlssen das machenldquo (Interview Stadtrat) Demgegenuumlber sieht die SWM die komplexen Planungsprozesse fuumlr Solaranlagen auf staumldtischen Gebaumluden und die damit verbundene mangelnde Kapitalaufbringung von Seiten der Gesellschafter als wesentlichen Grund fuumlr das Scheitern der Solarinitiative Dies wiederum sei auch auf die restriktiveren Foumlrderbedingungen des EEG in den letz-ten Jahren zuruumlckzufuumlhren (Interview Stadtwerke)

334 Zwischenfazit

Fuumlr die Untersuchung von Politikinnovationen und deren Verbreitung bietet die Stadt Muumlnchen grundsaumltzlich ein geeignetes Untersuchungsobjekt Schon aufgrund seiner

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Groumlszlige und herausgehobenen Stellung im deutschen und europaumlischen Staumldtesystem aber auch wegen seiner oumlkonomischen Staumlrke und bdquoinstitutionellen Dichteldquo wird Muumln-chen eine fuumlhrende Rolle im deutschen Innovationssystem eingeraumlumt (Rode et al 2010) Eine Fuumlhrungsrolle wird von Muumlnchen auch immer wieder in der Energie- und Klimapolitik beansprucht Ins Feld gefuumlhrt werden etwa das ambitionierte Ausbaupro-gramm der Stadtwerke bei erneuerbaren Energien die Vorreiterrolle beim Kooperati-onsprojekt OumlKOPROFIT das breit angelegte Foumlrderprogramm zur Energieeinsparung oder auch die innovative Struktur des Integrierten Handlungsprogramms Klimaschutz Muumlnchen Dabei verbindet sich ein verantwortungsethischer Grundton mit einem auf oumlkonomische Vorteile und Potenziale gerichteten Politikdiskurs Generell zeigen die Interviews dass die Beobachtung von die Orientierung an und die Vernetzung mit anderen Staumldten zwar vorhanden aber nicht systematisch und in der Breite verankert ist In erster Linie richtet sich der Blick auf die eigene Stadt und erst danach auf andere Staumldte (vgl Heinelt und Lamping 2015 und das dort zitierte Sinnbild des bdquogluumlcklichen Buddhasldquo) Dennoch haben die Interviews vielfaumlltige Beispiele fuumlr Innovations- und Diffusionspro-zesse zu Tage gefoumlrdert Wie die Untergliederung in Abschnitt 333 zeigt bestehen jedoch recht unterschiedliche Diffusionsformen und -prozesse So gibt es institutionali-sierte Staumldtenetzwerke aber auch einzelne Ereignisse die Innovationsprozesse befoumlr-dern Ebenso bestehen langjaumlhrige Programme Konzepte und Projekte sowie besonders herausgehobene Akteure wie die Stadtwerke Muumlnchen mit denen sich jeweils spezifi-sche Innovationsgeschichten verknuumlpfen lassen Im Hinblick auf die in Kapitel 232 genannten Diffusionsmechanismen erscheint generell Lernen (individuell wie kollektiv) besonders wichtig fuumlr die Verbreitung von Politikinnovationen Am ehesten greifbar ist das Lernen Muumlnchner Akteure von anderen Akteuren Projekten Netzwerken uauml jen-seits von Muumlnchen mitunter geht es aber auch um Lernprozesse die Muumlnchen andern-orts begleitet sowie um wechselseitiges Lernen Von vergleichsweise geringer Bedeu-tung ist dagegen Nachahmung So sieht sich Muumlnchen angesichts des energie- und kli-mapolitisch bereits Erreichten nur relativ wenig Druck ausgesetzt noch besser zu wer-den Allerdings geben ndash wenn auch nicht bestaumlndig so doch phasenweise ndash Wettbewerbe dazu Anlass sich mit anderen Staumldten zu messen Ebenso ist dieser Mechanismus im Zusammenhang mit den Stadtwerken Muumlnchen besonders praumlsent Jenseits offizieller Aumluszligerungen und Verlautbarungen zeigen die Interviews jedoch im-mer wieder dass Einschaumltzungen daruumlber welche Konzepte Programme oder Ideen Muumlnchens als innovativ anzusehen sind durchaus voneinander abweichen Kritische Stimmen fuumlhren hier an dass so manche als innovativ deklarierte Maszlignahme eher als business-as-usual zu betrachten ist oder dass Politikinnovationen mit wenig beachteten Nebenwirkungen verbunden sind Im Hinblick auf eine houmlchstens inkrementell innova-

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tive Energie- und Klimapolitik wird dann auch betont dass tiefgreifendere (radikale) Innovationen stark von bestimmten Schluumlsselakteuren (oder change agents) abhaumlngig sind Die Innovativitaumlt der Muumlnchner Energie- und Klimapolitik wird schlieszliglich auch vor dem Hintergrund seiner strukturellen Voraussetzungen und Moumlglichkeiten relativiert So werden etwa bestimmte Programme uumlberhaupt erst durch die komfortable Finanzlage der Stadt moumlglich Ebenso erlaubt es dann erst diese Lage eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln und Diffusionsprozesse zu erleichtern Aumlhnlich wird argumentiert dass Muumlnchen aufgrund seines anhaltenden Bevoumllkerungs- und Wirtschaftswachstum quasi gezwungen ist politisch innovativ zu sein Diese besonderen Bedingungen erschweren die Vergleichbarkeit zwischen Muumlnchen und anderen Staumldten Sie legen zugleich nahe dass die Skalier- und Replizierbarkeit Muumlnchner Politikinnovationen gerade aus diesen (aber auch aus anderen) Gruumlnden be-grenzt erscheint Eine interessante weitergehende Fragestellung ist dann ob die Rah-menbedingungen fuumlr eine staumlrkere Verbreitung von Politikinnovationen staumlrker angegli-chen werden sollten (zB uumlber eine Umverteilung kommunaler Finanzkraft) oder ob dadurch die Innovationsaktivitaumlten von Vorreiterkommunen (zu stark) negativ beein-flusst werden

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4 Ergebnisse und Fazit Im Rahmen der Energiewende werden an die kommunale Ebene oft hohe Erwartungen geaumluszligert aktive und effektive Klima- und Energiepolitik zu betreiben Dabei sollen Kommunen nicht nur von EU- Bundes- und Landesebene beschlossene Ziele und Maszlig-nahmen umsetzen sondern eigene Impulse setzen und ggf wieder die - mitunter bdquoblok-kierteldquo - Politikentwicklung auf uumlbergeordneter Ebene vorantreiben Diese eigenen Ak-tivitaumlten sind oft mit der Erwartung verbunden politisch innovativ zu werden Politikinnovationen sind zentraler Gegenstand dieser Untersuchung Der Fokus richtet sich darauf die Arten Charakteristika und die (Nicht-)Verbreitung dieser Innovationen zu erklaumlren nicht jedoch auf ihre schwer bestimmbaren letztendlichen Wirkungen (out-comes) und ihre gesellschaftliche Wuumlnschbarkeit Politikinnovationen sind in der Regel schwieriger dingfest zu machen als rein technologische Innovationen und weisen - auch unabhaumlngig von der Energie- und Klimapolitik - eine Reihe von Besonderheiten auf So sind sie als eine Abkehr von bisherigen Konzepten Programmen Praktiken uauml in einer Kommune zu sehen und von einem politischen Inkrementalismus zu trennen bei dem Schritt fuumlr Schritt und oft in Form von Projekten Politiken implementiert bewertet und gegebenenfalls angepasst werden Mitunter faumlllt dabei eine Grenzziehung schwer so dass die Entscheidung was als politisch innovativ zu gelten hat im Rahmen der Unter-suchung auch immer wieder in das Ermessen der befragten Experten gestellt und nicht ex-ante vorgegeben wird Hierbei zeigen sich insbesondere in der Fallstudie zu Muumln-chen durchaus auch abweichende Auffassungen Eine Besonderheit von Politikinnovation besteht auszligerdem darin dass die Phase der Einfuumlhrung und Verbreitung oft stark interdependent und ruumlckgekoppelt ist So mag es zwar vereinzelt eine Politikinnovation geben die nur in einer einzelnen Kommune im-plementiert wird und sich nicht - auch nicht in angepasster Form - verbreitet Allerdings liegt hier die Vermutung nahe dass eine Politikinnovation und erst recht eine neue sozi-ale Praktik dann auch wenig wirksam und zukunftstraumlchtig ist Innovativitaumlt haumlngt somit in der Regel auch vom Umfang der Verbreitung und Anwendung der Innovation (sowie einem guumlnstigen Innovationsumfeld) ab Schon aus institutionellen in der Verfassung verwurzelten Gruumlnden unterliegt dieser Verbreitungsprozess jedoch wiederum eigenen Besonderheiten Im bundesdeutschen kooperativen Foumlderalismus und geringem Wettbewerbsdruck zwischen Laumlndern und Kommunen ist die Verbreitung nicht unbedingt flaumlchendeckend Auch der Grundgedan-ke der kommunalen Selbstverwaltung steht in einem Spannungsfeld zur Politikdiffusi-on So ist lokale Politik nicht uumlberlokal determiniert und sollte es auch nicht sein um oumlrtlichen Spezifika gerecht zu werden bdquoUnterhalbldquo dieser verfassungsrechtlich abgesicherten Ebene bieten sich jedoch je nach Politikfeld und anderen Kontextbedingungen vielfaumlltige Moumlglichkeiten fuumlr uumlberlokale

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Politikdiffusion und Vernetzung In der Energie- und Klimapolitik spielen hier zunaumlchst sicherlich die erwaumlhnten Vorgaben und Instrumente auf EU- Bundes- und Landesebene (Klimaschutzziele EEG EnWG diverse Foumlrderprogramme etc) eine zentrale Rolle Als Rahmen ermoumlglichen oder restringieren sie kommunales Handeln ohne es aller-dings vollstaumlndig zu determinieren Innerhalb dieses Rahmens gilt kommunaler Klima-schutz dann gemeinhin als bdquofreiwilligeldquo Aufgabe ermoumlglicht es den Kommunen also eigene und oft orts- bzw regionsspezifische Impulse zu setzen Der tatsaumlchliche Gestal-tungsspielraum der Kommunen haumlngt zugleich aber von regional unterschiedlichen Inte-ressen finanziellen und personellen Ressourcen und sonstigen Gegebenheiten (wie geo-graphische Lage Groumlszlige der Kommune vorhandene Energieversorgungsinfrastruktur Wirtschaftsstruktur etc) ab So deutet etwa auch die Fallstudie Muumlnchen darauf hin dass die komfortable finanzielle Lage der Stadt etwa im Verhaumlltnis zu manch ostdeut-schen Staumldten ein wesentlicher Faktor ist um Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten zu ermoumlglichen Zudem stellt kommunale Energie- und Klimapolitik oft nicht nur auf Insti-tutionen und Prozesse der Kommunalpolitik als solche ab sondern auch auf politische Institutionen Akteure und Prozesse auszligerhalb der Rathaumluser im Sinne eines weiten Governance-Verstaumlndnisses Die empirischen Fallstudien dieser Untersuchung bestaumltigen hier die verbreitete Auffas-sung in der politikwissenschaftlichen Literatur Die Energie- und Klimapolitik variiert betraumlchtlich zwischen den Kommunen Dies betrifft bereits die institutionellen und or-ganisatorischen Voraussetzungen der Politik auf lokaler Ebene (zB die Abbildung von Klimaschutz in der staumldtischen Verwaltungsstruktur das Vorhandensein von Klima-schutzmanagern die Stellung und Einbindung von Politikadressaten Zivilgesellschaft) Fuumlr wichtige kommunale Entscheidungstraumlger wie Buumlrgermeister ist Klima- und Ener-giepolitik auch ein mehr oder weniger relevantes Thema (zB in Regensburg vor und nach der letzten Stadtratswahl) in jedem Fall wird sie vom persoumlnlichen Engagement des Spitzenpersonals und von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen vor Ort beeinflusst Zugleich variieren insbesondere auch die raumlumlichen oumlkonomischen sozia-len und (vor allem beim Vergleich mit auslaumlndischen Kommunen) kulturellen Kontext- und Ausgangsbedingungen die Politik zu beeinflussen versucht (Hansen und Coenen 2013) Auch das Energieversorgungssystem weist in unterschiedlichen Regionen sehr unterschiedliche und oft schwer zu veraumlndernde Charakteristika (dh Anordnungen technischer und sozialer Komponenten) auf (Keppler 2013) Entsprechend variieren die energiepolitischen Schwerpunktsetzungen (zB Bedeutung von Versorgungssicherheit Moumlglichkeiten zum Ausbau erneuerbarer Energien) Vor diesem Hintergrund wird auch verstaumlndlich dass - wie auch die Fallstudien Re-gensburg und Muumlnchen bestaumltigen - die Diffusion oder Uumlbernahme von Politikinnovati-onen kaum systematischer und institutionalisierter Teil von Kommunalpolitik sind

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Kommunale Energie- und Klimapolitik ist also in erster Linie auf die territorialen Gren-zen der Kommune und zum Teil des Landkreises beschraumlnkt Dem systematischen Blick nach auszligen wirken die erwaumlhnten lokalen Besonderheiten entgegen die eine simple Uumlbertrag- und Skalierbarkeit innovativer Ansaumltze erschweren Haumlufig fehlen auch ent-sprechende finanzielle und personelle Ressourcen um sich systematisch mit der Politik anderer Kommunen zu beschaumlftigen Schlieszliglich scheint es auch eine Frage des politi-schen Willens und des Selbstverstaumlndnisses der handelnden Akteure zu sein inwieweit der Vergleich mit oder die Orientierung an anderen Kommunen angestrebt wird (vgl etwa die zuletzt geringere Bedeutung von Wettbewerben in der Fallstudie Muumlnchen) Dennoch geben alle drei Fallstudien verschiedene Anhaltspunkte dass Politikinnovatio-nen diffundieren Einen quasi-institutionalisierten Rahmen dafuumlr bieten die Staumldtenetz-werke und -partnerschaften die fuumlr Muumlnchen und weniger stark Regensburg einen nicht unbedeutenden Stellenwert einnehmen Von aumlhnlicher Bedeutung ist fuumlr Schoumlnau das Engagement in bundes- und landespolitischen Verbaumlnden (Buumlndnis Buumlrgerenergie Ge-nossenschaftsverbaumlnde) die in gewissem Maszlige auch ein Sprachrohr fuumlr das Schoumlnauer Modell darstellen Erleichtert wird die Diffusion von Politikinnovationen wohl auch dann wenn es um eher technische Fragen geht die sich fuumlr eine Vielzahl von Kommu-nen und ihre Werke in gleichem Maszlige stellen (zB Bau energieeffizienter Kindergaumlrten Betrieb einer innovativen Klaumlranlage uauml) Zu fragen ist dann jedoch ob es eher um technologische oder auch um politische und soziale Innovationen geht Daruumlber hinaus findet die Verbreitung von Politikinnovationen meistens wohl ad-hoc oder in einem informellen Rahmen statt Sie nimmt etwa bei der Vorbereitung auf grouml-szligere Ereignisse (zB Olympiabewerbung) oder der Teilnahme an Foumlrderprojekten (zB EU-Programmen) Gestalt an Ebenso aumluszligert sie sich in persoumlnlichen Verbindungen auf administrativer oder politischer Ebene zwischen Kommunen Uumlbernommen bzw ver-breitet werden hierbei oft innovative Ideen Konzepte oder Umsetzungsstrategien die als Inspiration dienen und an den konkreten kommunalen Kontext angepasst werden koumlnnen Anders als mitunter marktliche bzw technologische Innovationen veraumlndern sich Politikinnovationen damit eher im Rahmen des Diffusionsprozesses oder es ver-breiten sich nur bestimmte Teile von Politikinnovationen Dies liegt neben den unter-schiedlichen Ausgangsbedingungen von Kommune zu Kommune auch generell an der Prozesshaftigkeit von Politik Die vorliegende explorativ angelegte Untersuchung mit nur wenigen Fallstudienkom-munen kann hier freilich nur sehr eingeschraumlnkt verallgemeinerbare Aussagen treffen Die grundlegende methodische Schwierigkeit besteht darin Gemeinsamkeiten und Un-terschiede in den Diffusionsmechanismen und -kanaumllen auf lokale Aumlhnlichkeiten bzw Besonderheiten oder aber auf andere Faktoren zuruumlckzufuumlhren Diese anderen Faktoren

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sind bei unseren drei Fallstudienkommunen zweifellos von Bedeutung (zB unter-schiedliche Stadtgroumlszlige unterschiedliche Verwaltungsstruktur unterschiedlicher Ein-fluss der Bundespolitik etc) Fuumlr sie muumlsste idealerweise kontrolliert werden Im Folgenden koumlnnen im Vergleich zwischen Muumlnchen Regensburg und Schoumlnau zu-mindest einige wenige vorsichtige Aussagen daruumlber getroffen werden wie sich Diffu-sionsmechanismen und -kanaumlle im Zusammenwirken mit anderen Faktoren vor Ort auswirken (vgl auch die Zwischenfazits in Kapitel 314 324 und 334) Dazu sind im Kapitel 233 wesentliche Determinanten Mechanismen und Kanaumlle der Politikdiffusion diskutiert worden In dieser Hinsicht ist Schoumlnau schon deshalb ein besonderer Fall weil diesbezuumlglich Innovationen und Diffusionsmechanismen in der Literatur konzeptionell und inhaltlich anders thematisiert werden als Veraumlnderungsdynamiken die von unabhaumlngigen Indivi-duen und Gruppen (und nicht primaumlr lokalen Behoumlrden und gewaumlhlten politischen Ver-tretern) in Schoumlnau ausgehen und sich gegen das zentralisierte fossil-nuklear gepraumlgte Energiesystem mit seinen etablierten Technologien Regeln Praktiken etc richtet Die eigentlich interessierenden Politikinnovationen interagieren damit stark mit sozialen Innovationen und koumlnnen als Teil dieser verstanden werden (sog Graswurzelinnovatio-nen) Sie sind auch in hohem Maszlige vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Schoumlnauer Modells zu sehen Anders als in Muumlnchen und Regensburg tritt in Schoumlnau damit auch im Sinne der Diffusionsforschung die Sender- und nicht die Emp-faumlngerperspektive in den Vordergrund Eine Schluumlsselstellung nehmen hierbei die ge-nossenschaftlich aufgebauten Elektrizitaumltswerke Schoumlnau (EWS) ein Damit bietet sich Schoumlnau fuumlr die Untersuchung der Frage an wie gut und in welcher Form die Uumlber-nahme Schoumlnauer Ideen Konzepte oder Organisationsform andernorts gelingt Hier zeigt sich etwa dass die eigenen energiepolitischen und -wirtschaftlichen Vorstellungen in raumlumlicher Naumlhe zu Schoumlnau sowie in Kooperation mit Akteuren besonders gut reali-siert werden koumlnnen die dem Schoumlnauer Modell gewogen sind (soziale Naumlhe) und be-reits sind von Schoumlnau bzw der EWS zu lernen bzw sie nachzuahmen Aus Sicht der EWS soll bei der uumlberregionalen Verbreitung von Politikinnovationen zugleich der Kern der urspruumlnglichen Schoumlnauer Innovation - eine dezentrale buumlrgerschaftlich getragene Energieversorgungsstruktur ohne Atom- und Kohlestrom ndash erhalten bleiben was den Moumlglichkeitsraum energiewirtschaftlicher Versorgungsloumlsungen wiederrum einengt und derzeit auch nur bedingt auf Gehoumlr im Berliner Politikbetrieb stoumlszligt (Kap 314) Regensburg nimmt dagegen energiepolitisch keine Pionierstellung in Deutschland ein und hat sich erst im Zuge eines breiteren energie- und klimapolitischen Diskurses auf Bundes- und EU-Ebene vertieft dieser Thematik angenommen Die Neuausrichtung der Energieversorgung und -politik basiert - neben den veraumlnderten bundespolitischen Rahmenbedingungen - dabei auf neuen Akteurs- und Machtkonstellationen vor Ort

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aber auch auf dem Aufbau neuer Wissensbestaumlnde und der Uumlbernahme und Anpassung von (Politik-)Innovationen In Regensburg sind Innovationsaktivitaumlten besonders stark netzwerkgetrieben und kooperativ angelegt so dass aumlhnlich wie in Schoumlnau die soziale Naumlhe wesentlicher Schluumlsselakteure von Bedeutung ist Die Basis dieser Kooperationen bilden fuumlhrende Unternehmen eine uumlberwiegend junge Bevoumllkerung und eine hohe oumlkonomische und wissenschaftliche Potenz der Region Diffusions- und Kooperations-prozesse basieren wiederum stark auf Nachahmung tragen sich ab einer kritischen Mas-se quasi selbst und manifestieren sich vor allem in und um Regensburg Einen ver-gleichsweise groszligen Stellenwert nehmen auch Stadt-Umland-Kooperationen ein Sie haben im Bereich Bauen und Flaumlchennutzung ohnehin eine laumlngere Tradition oder wer-den durch das uumlberregionale Agieren der Regensburger Energie- und Wasserversor-gungs AG (REWAG) erleichtert In Regensburg erst recht aber in Muumlnchen gibt es vielfaumlltige Beispiele fuumlr Politikinno-vation und deren Diffusion die wiederum unter verschiedene Diffusionsformen und -prozesse zu subsumieren sind Ebenso haben die Interviews in Muumlnchen am staumlrksten verdeutlicht dass die Einschaumltzung uumlber die Innovativitaumlt energie- und klimapolitischer Konzepte und Maszlignahmen am staumlrksten voneinander abweichen Dies zeigt letztlich auch dass der energie- und klimapolitische Diskurs in einer groszligen Stadt vielschichtiger und komplexer ist als in einer kleinen Gemeinde Die Interviews in Muumlnchen verdeutli-chen zugleich dass die Akteure im Politikfeld sich auch nur an einer uumlberschaubaren Zahl an Staumldten orientieren die in Groumlszlige Struktur und Selbstverstaumlndnis Aumlhnlichkeiten zu Muumlnchen aufweisen Vor allem im Verhaumlltnis zu diesen Staumldten spielt dann Lernen eine wichtige Rolle als Diffusionsmechanismus Die guumlnstigen strukturellen und finan-ziellen Rahmenbedingungen Muumlnchens sind zugleich ein wesentlicher Erklaumlrungsfaktor fuumlr die Existenz von Innovations- und Diffusionsaktivitaumlten Deren wirklicher innovati-ver Gehalt wird von manchen der befragten Experten jedoch infrage gestellt Die beobachtbare Variation zwischen den Staumldten weist im weiteren Sinne auf schwie-rige normative Fragen der weiteren Ausgestaltung kommunaler Energie- und Klimapo-litik Er spiegelt gleichermaszligen methodologische Unterschiede in der vergleichenden lokalen Politikforschung (Barbehoumln und Muumlnch 2017) Eine Moumlglichkeit besteht darin lokale Spezifika zu reflektieren das eigentliche Erkenntnisinteresse aber auf etwas zu richten was jenseits bzw oberhalb der tatsaumlchlich analysierten Staumldte liegt Dies koumlnnte insbesondere die Frage sein wie effektiv (oder auch effizient gerechtfertigt etc) der Beitrag der Staumldte zu klima- und energiepolitischen Zielen uumlbergeordneter foumlderaler Ebenen ist Sollten etwa bestimmte Staumldte mit bestimmten Kontextbedingungen oder Eigenarten mehr fuumlr die Erreichung bundespolitischer Klimaschutzziele tun als andere Eine andere Moumlglichkeit besteht darin statt einer Typisierung (bdquodie groszligen Staumldteldquo bdquodie

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finanzstarken Kommunenldquo etc) und einem Ruumlckschluss auf eine Art Grundgesamtheit Staumldte und kommunale Energie- und Klimapolitik als solche und in ihrer Unterschied-lichkeit zu betrachten (relationale Perspektive) Bei diesem Vorgehen sind Staumldte bzw Kommunen weniger eine territoriale und institutionelle Gegebenheit und es treten Un-terschiede hervor die sich einfachen Kategorisierungen entziehen (wie Groumlszlige Finanz-staumlrke Geographie etc) Zugleich wird betont dass uumlberlokale Phaumlnomene wie bundes-deutsche Klimaschutzziele letztlich immer in einen lokalen Kontext uumlbersetzt und von den dortigen Akteuren angeeignet werden muumlssen Sie sind also immer in einer be-stimmten lokalen bdquoGestaltldquo zu haben Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen (in-novativer) kommunaler Energie- und Klimapolitik auf Ebene der EU des Bundes oder auch der Bundeslaumlnder ist damit eine Gratwanderung Sie soll einerseits keine lokale Beliebigkeit zulassen sie soll andererseits aber die Vielfalt lokaler Bedingungen und Konstellationen moumlglichst genau reflektieren

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