3
92 93 Mit oder gegen Holz Digitale Schreinerei Sabine Kraft, Christoph Schindler Der Holzbau bietet aufgrund der im Vergleich zu anderen Baustoffen leichten spa- nenden Bearbeitbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen ein weites Experimentier- feld für digitale Entwurfs- und Fertigungstechniken: In keinem anderen Baumate- rial ist es so einfach, individuelle Bauteile herzustellen. Dementsprechend sind in den letzten fünf Jahren eine ganze Reihe ungewöhnlicher Experimente im Maß- stab 1:1 realisiert worden, die den traditionellen Werkstoff Holz in einen neuen Kontext stellen. Ungewöhnlich insofern, als diese Experimente weder unter die Kategorie der klassischen Stabkonstruktionen subsumiert werden können, noch direkte Verwandtschaft mit den neueren kartenhausartigen Plattenkonstruktionen aufweisen. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet die Projekte ein gemeinsames Viel- faches, das in der Suche nach einer neuen Form der Plastizität zu liegen scheint; man könnte es als ein räumliches Modellieren in Holz bezeichnen, das traditio- nell unter allen Formen der Holzbearbeitung nur das Schnitzen auszeichnete. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Experimente der Inkubator für eine anders geartete holzspezifische Formensprache und neue Tragwerkskonzepte im Holzbau sind, oder ob sich der Neuheitswert in der Umsetzung mit erstaun- lich weit vorangetriebenen computergestützten Planungs- und Fertigungsmetho- den erschöpft. Zweifel sind zumindest angebracht. Sie können anhand zweier Kriterien, wenn auch sicher nicht abschließend geklärt, so doch in der Diskus- sion zumindest erhärtet bzw. abgeschwächt werden. Diese Kriterien liegen zum einen in der Methode der Formfindung und zum anderen in der Nutzung der Materialeigenschaften bzw. der erforderlichen Zahl von Arbeitsschritten der Fertigung bezogen auf das Rohmaterial Holz. Die auf den folgenden Seiten auf- geführte Reihe aktueller Projekte ist in vier Gruppen geordnet: A Eierschneider, einfach Als “einfache Eierschneiderstrukturen“ können die Ringve Viewing Platform (1), das Semper Depot (2) und in gewisser Weise auch die Wandprototypen (3) bezeichnet werden. Mit der Methode des Zerschneidens in parallele Ebenen, wie es das Haushaltsgerät zur präzisen Herstellung gleich dicker Scheiben hart- gekochter Eiern leistet, lassen sich mit einem einzigen Schnitt auf recht einfa- che Weise beliebig modellierte Volumen in Scheiben zerlegen. Die im Schneidevorgang entstehenden Teile sind alle gleich breit. Dadurch ist es einerseits einfach, sie mit einem durchgängigen Konstruktionsprinzip zu verbinden. Andererseits wird die Suche nach einem geeigneten Rohmaterial, aus dem die Einzelteile gefertigt werden können, erheblich erleichtert. Beim Sem- per Depot (2) sind dies Holzwerkstoffplatten gleicher Materialstärke, aus de- nen wie bei einem Ausschneidebogen die Einzelteile herausgetrennt werden; bei der Ringve Viewing Platform (1) und den Wandprototypen (3) können die Volumina sogar aus identischen Stabprofilen gefügt werden. Die im Entwurfs- prozess vorausgegangene Formbestimmung wird durch die unterschiedliche Ab- längung der Stäbe realisiert; durch die Verschränkung der individuellen Ein- zelelemente in unterschiedlichen Win- keln bzw. ihre schrittweise Positions- änderungen von Schnittebene zu Schnitt- gen Sätzen wiedergeben zu wollen. Wir können aber festhalten, dass aus den Erfahrungen, die mit der strukturellen Anisotropie, der hygroskopischen Neigung und der Inhomogenität der verschiedenen Holzarten gesammelt wurden, die traditionellen Regeln im Umgang mit Holz entstanden sind, sowohl was die Ma- terialwahl, seine Bearbeitung als auch das Fügen und Konstruieren betrifft. Sieht man von der konstruktiv eher primitiven Blockbauweise ab, dann sind Stabwerke im Hinblick auf die Form, in der die Natur Holz zur Verfügung stellt, die adäquate Form der Lastabtragung. Allerdings sind Stabwerke idealtypische Konstruktionen, da Bäume zwar durchaus in den Himmel wachsen, sich dabei aber nicht unbedingt gerade halten. Eine Integration der Wuchsrichtung wurde keineswegs als nachteilig empfunden. Bevor es möglich war, Holz unter Hitze- einfluss zu biegen, waren Krummhölzer für die Konstruktion von Schiffsrümpfen, Schlitten- und Wagenbäumen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein begehr- tes Rohmaterial, das mitunter sogar teurer war als die gerade gewachsenen Abschnitte. Je mehr die Achse eines Stabes der Wuchsrichtung des zugrunde- liegenden Stammes folgt, desto weniger Holzfasern müssen bei seiner Bearbei- tung durchtrennt werden und desto höher ist die Eigenstabilität des Bauelements. Auf unterschiedliche Querschnittsbelastungen können Bäume sogar mit dem Zuwachsen von Holz mit angepasstem Eigenschaftsprofil reagieren, dem soge- nannten Reaktionsholz. Nadelhölzer können an der druckbelasteten Seite schief gestellter Stämme oder Äste Fasern ausbilden, die durch erhöhte Lignineinla- gerung druckresistenter sind als Normalholz. Laubhölzer verfolgen genau die umgekehrte Strategie, indem sie an der zugbelasteten Seite mit erhöhtem Cel- lulosegehalt eine Zugspannung aufbauen. Frühe Holzbauten, die in ihren Ver- bindungsdetails Astgabeln oder Astansätze integrierten, machten sich diese Ei- genschaften des Reaktionsholzes empirisch zu Nutze. Die Beachtung der natürlichen Vorgaben des Holzes setzt sich auf der nächs- ten Strukturebene der Holzbearbeitung fort. Für bewitterte Bauteile war beim faserparallelen Trennen die Unterscheidung zwischen Spalten und Spanen von Bedeutung. Diese Unterscheidung spielt heute kaum noch eine Rolle, da das Spalten bis auf die Ausnahme handgebeilter Schindeln aus dem Bauwesen ver- schwunden ist. Sägen parallel zur Faserrichtung zerstört jedoch in der Trenn- fuge die Holzstruktur, während Spalten sie respektiert und gewissermaßen dem Holz die Entscheidung überlässt, wie es sich trennt. Welche praktische und öko- nomische Relevanz dieser Unterscheidung zukam, zeigt sich daran, dass die Widerstandsfähigkeit von gesägtem gegenüber gespaltenem Holz sinkt, da Feuchtigkeit durch die größere Anzahl aufgerissener Kapillaren ungleich leich- ter eindringen kann. Aus dem Sorptionsverhalten des Holzes entstanden auch die baukonstruktiven Regeln: Der Schutz von Holz vor direkter Bewitterung und Feuchtigkeitseinwirkung und – wo dies nicht möglich ist – Möglichkeiten zum Hinterlüften vorzusehen, so dass der Feuchtegehalt unter den für Pilzbefall kri- tischen Werten gehalten werden kann. In Abgrenzung zum chemischen Holz- schutz spricht man hier von einem konstruktiven Holzschutz. Die zweite konstruktive Regel befasst sich ebenfalls mit der hygroskopischen Neigung, nämlich mit dem Schaffen von Bewegungsspielraum für das Quellen und Schwinden quer zur Faser. Dies betrifft sowohl die lastableitenden wie auch alle untergeordneten schwächeren Bauteile wie Wandfüllungen, Beplankungen oder Bodenbeläge. Die tragenden Rahmen wurden, um die quer zur Faser auf- tretenden Kräfte zu minimieren, in der Regel schlank dimensioniert und eher kleinteilig zusammengesetzt. Hier dürfte der Hauptgrund für die mangelnde Nei- gung des traditionellen Holzbaus zur Monumentalität liegen. Moderner Holzbau Aus dieser Perspektive lässt sich der Übergang zum modernen Holzbau eindeu- tig bestimmen. Es ist nicht die industrielle Schnittholzerzeugung, wie sie sich ab der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den dampfbetriebenen Sägewerken ent- wickelt, und es ist auch nicht der Ersatz der Holzverbindung durch die billige Massenfertigung von Nägeln, Bolzen und Stahlblechformteilen. Beides ist zwar für die weitere Entwicklung des Holzbaus unabdingbar, verändert aber nicht das Eigenschaftsprofil des Werkstoffs Holz selbst. Die eigentliche Revolution liegt in der Überwindung der Anisotropie und Inhomogenität durch das Kleben. In der Industrialisierung hatte man das Holz fürchten gelernt, denn seine gewachsene, organische Konsistenz voller Unwägbarkeiten stellte an die maschinellen Ferti- gungsprozesse Herausforderungen, die man von der Metallverarbeitung nicht kannte. Mit dem Kleben beginnt eine beispiellose Metamorphose des Werkstoffs Holz: Das Holz wird in seine Bestandteile aufgelöst und mit einem Bindemittel neu zu einem Werkstoff zusammengesetzt, der die Eigenschaften der einzelnen Bestandteile ausgleicht und nach außen als Körper mit homogenen Eigenschaf- ten erscheinen lässt. Sogenannte “Holzfehler“ wie Ästigkeit, Faserneigung, Schwindrisse und Verfärbungen beeinflussen die Qualität des Holzwerkstoffs dabei nur noch in ästhetischer Hinsicht. An der mechanischen Zerkleinerung des Holzes lag es sicher nicht, dass sich die Entwicklung von Holzwerkstoffen bis weit ins 20. Jahrhundert hinzog. Das Problem war vielmehr die mangelnde Widerstandsfähigkeit der bekannten, auf pflanzlicher und vor allem tierischer Basis hergestellten Klebstoffe gegen Feuchtigkeit und Pilze, was den Einsatz von Holzwerkstoffen allein auf Innen- anwendungen beschränkte. Dies hielt den Holzbauunternehmer Otto Hetzer dennoch nicht davon ab, seine patentierten gekrümmten Brettschichtholz-Trä- ger (1906) mit einem Leim zu verkleben, der hauptsächlich aus Quark be- stand. Dieser sogenannte Kaseinleim, mit dem auch die Flugzeuge des Ersten Weltkriegs zusammengeklebt wurden, ist zwar mehr oder weniger wasserfest, bietet aber bei längerer Feuchtigkeitseinwirkung einen idealen Nährboden für Pilze, die den Klebstoff in ein unansehnlich verrottendes Milchprodukt verwan- deln. Wenn im 19. Jahrhundert die neu aufkommenden Metalltragwerke sich den Holzbau als Vorbild für zugbeanspruchte Konstruktionen genommen ha- ben, so scheinen sich die Verhältnisse dank Hetzer umzukehren: Holz kann nun den weitgespannten Stabkonstruktionen des Stahlbaus nacheifern. Der eigentliche Befreiungsschlag von Anisotropie und Inhomogenität aber war die Entwicklung synthetischer Klebstoffe Anfang der 1930er Jahre, mit denen es möglich wurde, hölzerne Strukturelemente zu richtungsindifferenten Platten- materialien mit voraussagbaren Eigenschaften und allein von Fertigungstech- nik und Logistik abhängigen Abmessungen zu verkleben. Dabei wird das Holz immer weiter aufgetrennt – bis hin zur feinstzerfaserten MDF-Platte, die wir so lieben, weil ihr im lackierten Zustand ihre hölzerne Herkunft nicht mehr anzu- sehen ist. Die individuelle Qualität des Vollholzes trat in den Hintergrund, wäh- rend die Verwertung von Holzabfällen und Restholz zum dynamischen Sektor der Branche wurde. Zunächst kamen die Plattenmaterialien als konstruktiv se- kundäre Wandfüllungen und Beplankungen von Rahmenkonstruktionen zum Einsatz. Da mit Fortschreiten der Klebetechnik der Rahmen aus Schnittholz und die Beplankung aus Spanplatten beim Fügen zu Wand- und Deckenelementen ebenso fest verklebt wurden, lässt sich das entstehende Element gewisserma- ßen als einen in Abmessung und Aufbau projektspezifischen Holzwerkstoff aus hölzernen Strukturelementen verschiedener Größe lesen. In den letzten beiden Jahrzehnten können wir anhand des Erfolgs der Grob- spanplatten und des Brettsperrholzes zwei Phänomene beobachten. • Erstens ist die Strukturauflösung rückläufig; die Strukturelemente innerhalb ei- nes Bauelements werden wieder größer. Die Späne der OSB-Platte sind bis zu 20 cm lang; die Schnittholzbestandteile des Brettsperrholzes haben eine Brei- te bis zu 24 cm und sind bis zu 35 mm stark. Innerhalb dieser Strukturelemen- te ist das Holz durchaus anisotrop und inhomogen, denn es handelt sich ja um Vollholzstücke. Es scheint, als wolle man ausloten, wie groß die Strukturelemente innerhalb des Bauelements sein dürfen, bis die nach außen wirkende Isotropie und Homogenität verloren geht: Man steuert und kontrolliert das Gesamtver- halten, während man die Einzelkomponenten als nicht im Detail beschreibbare, organisch gewachsene Elemente belässt. Ob ein einzelnes Brett oder ein Span nicht taugt, spielt innerhalb des Bauteils keine Rolle, solange die Eigenschaften des einzelnen Strukturelements durch die anderen ausgeglichen werden kön- nen. Geprüft wird schließlich die Platte, nicht das Brett oder der Span. • Zweitens können wir feststellen, dass die Bedeutung der Normen insbeson- dere bei den Brettsperrholzplatten zurücktritt. Brettsperrholzplatten sind herstel- lerspezifische Produkte, die sich in Abmessungen, Aufbau und Verhalten un- terscheiden und untereinander meist nicht kompatibel sind. Die jeweiligen Pro- dukteigenschaften werden im Auftrag des Herstellers für die Zulassung ermittelt und sind nicht auf andere Produkte übertragbar. An die Stelle der Norm tritt die Produkteigenschaft. Ist dies bereits der angesprochene “dritte Weg“? Wenn ja, wohin könnte dieser führen, wenn wir ihn konsequent weiterverfolgen? Im Sinne der ersten Beobachtung zu immer größeren Vollholz-Strukturelementen innerhalb eines Bauteils (oder Gebäudes)? Oder im Sinne der zweiten Beobachtung zu einer immer differenzierteren Materialerfassung und Bauteilzusammensetzung, bis es kein allgemeines Produkt mehr, sondern nur noch Bauteile mit individuellen Ei- genschaften gibt? “Schmücken des Körpers heißt, einer beste- henden Ordnung eine andere Ordnung auf- erlegen, die Symmetrie der organischen Form respektieren oder manchmal ihr wider- sprechen. Das gilt auch für die Dekoration technischer Erzeugnisse. Ob er ein Kanu dekoriert oder ein Haus, eine Waffe oder ei- nen Topf, der Handwerker hat es mit einer vorhandenen Form zu tun, die er ‘schmücken’ soll. Solcher Schmuck bringt immer die Ver- änderung der ursprünglichen Struktur mit sich, durch Schneiden, Schnitzen, Malen oder Verkleiden. Wir haben gesehen, daß solche Veränderungen den Kritikern be- denklich schienen. War es nicht besser, es beim Guten bewenden zu lassen, den natür- lichen Reiz des schönen Körpers zu genie- ßen, die ‘Wahrheit’ der Struktur zu respek- tieren, anstatt sie willkürlich zu verändern? Diese Bedenken kamen, wie wir wissen, ziemlich früh in der Geschichte der Kritik auf, brachten aber keine Ablehnung der De- koration als solcher hervor, ehe die Ma- schine triumphiert hatte. Das Schlagwort ‘Materialtreue’, das sagen will, daß Holz wie Holz aussehen soll und Stein wie Stein, war so wirksam, weil es so viel Ersatz gab, der es dem Publikum unmöglich machte, den Arbeitsvorgang einzuschätzen und zu bewerten. In der Vergangenheit war die Lage vollkommen anders gewesen. Jeder hatte sehen können, daß das, was der Hand- werker aus seinem Material gemacht hatte, die Frucht ungeheurer Geschicklichkeit und Arbeit war, und niemand dachte daran, den Wert einer solchen Virtuosiät zu bezweiflen. Ein extremes Beispiel wird am besten den Unterschied zeigen, der unsere Einstellung von der vergangener Jahrhunderte trennt. Das Victoria and Albert Museum besitzt ein Wunderwerk von geradezu übermenschlicher Geschicklichkeit, von der Hand des großen Holzschnitzers Grinling Gibbons (1648 – 1721), eine in Holz geschnitzte Spitzenkra- watte. Wir sind geneigt, solche Kunstwerke geschmacklos zu finden, und es ist nicht meine Absicht, sie zu verteidigen. Aber Gib- bons war ein wirklicher Meister und besaß sehr viel Geschmack und Takt, und nachdem es ihm Freude gemacht hatte, seine Fertig- keit in der Wiedergabe zarter Blumen und weicher Blätter in diesem leblosen Material zu zeigen, fand er offenbar sein Vergnügen darin, es mit der heikelsten aller menschli- chen Handarbeiten aufzunehmen, der des Spitzenklöpplers. Was wir an Spitzen be- wundern, ist die Fähigkeit von Hand und Auge, die feinsten Fäden zu verschlungenen Ordnungen zu zwingen; Gibbons wollte zei- gen, daß er noch Schwierigeres tun könne, und machte solche Fäden aus Holz. In der Geschichte aller Künste gibt es Bei- spiele für diesen Drang, so weit wie mensch- lich möglich gegen die Beschränkung durch das Material anzukämpfen und den Geist über den Stoff triumphieren zu lassen. (...) Vielleicht liegt es uns gegenwärtig nicht, daß das Material seine Identität leugnet, daß Holz aussieht wie Spitze oder Stickerei wie ein Gemälde, aber der Ehrgeiz des Handwerkers, eine solche zauberische Ver- wandlung zu vollführen, kann in der Kunst- geschichte nicht verschwiegen werden.” aus: Gombrich, Ernst. Kunst und Ornament. Schmucktrieb und Ordnungssinn in der Psy- chologie des dekorativen Schaffens; S. 77, Klett Cotta, Stuttgart 1982 oben: Grinling Gibbons, Spitzen-Krawatte, aus Lindenholz geschnitzt; daneben: italie- nische Stickerei (point de neige), 17. Jhd. Superwood, 2009: Digitale Schnitzereien in der Neuen Monte Rosa Hütte für den Schweizer Alpen-Club SAC – Neuinterpre- tation traditioneller Holzschnitzereien; ETH Zürich, Studio Monte Rosa in Kooperation mit DFAB Gramazio & Kohler

Digitale Schreinerei

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Sabine Kraft, Christoph Schindler Digitale Schreinerei. In: ARCH+ 193, ARCH+ Verlag, Aachen 2009, pp. 93–97

Citation preview

Page 1: Digitale Schreinerei

92 93

Mit oder gegen Holz

Digitale Schreinerei Sabine Kraft, Christoph Schindler

Der Holzbau bietet aufgrund der im Vergleich zu anderen Baustoffen leichten spa-nenden Bearbeitbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen ein weites Experimentier-feld für digitale Entwurfs- und Fertigungstechniken: In keinem anderen Baumate-rial ist es so einfach, individuelle Bauteile herzustellen. Dementsprechend sind inden letzten fünf Jahren eine ganze Reihe ungewöhnlicher Experimente im Maß-stab 1:1 realisiert worden, die den traditionellen Werkstoff Holz in einen neuenKontext stellen. Ungewöhnlich insofern, als diese Experimente weder unter dieKategorie der klassischen Stabkonstruktionen subsumiert werden können, nochdirekte Verwandtschaft mit den neueren kartenhausartigen Plattenkonstruktionenaufweisen. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet die Projekte ein gemeinsames Viel-faches, das in der Suche nach einer neuen Form der Plastizität zu liegen scheint;man könnte es als ein räumliches Modellieren in Holz bezeichnen, das traditio-nell unter allen Formen der Holzbearbeitung nur das Schnitzen auszeichnete.

Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Experimente der Inkubator für eineanders geartete holzspezifische Formensprache und neue Tragwerkskonzepteim Holzbau sind, oder ob sich der Neuheitswert in der Umsetzung mit erstaun-lich weit vorangetriebenen computergestützten Planungs- und Fertigungsmetho-den erschöpft. Zweifel sind zumindest angebracht. Sie können anhand zweierKriterien, wenn auch sicher nicht abschließend geklärt, so doch in der Diskus-sion zumindest erhärtet bzw. abgeschwächt werden. Diese Kriterien liegen zumeinen in der Methode der Formfindung und zum anderen in der Nutzung derMaterialeigenschaften bzw. der erforderlichen Zahl von Arbeitsschritten derFertigung bezogen auf das Rohmaterial Holz. Die auf den folgenden Seiten auf-geführte Reihe aktueller Projekte ist in vier Gruppen geordnet:

A Eierschneider, einfachAls “einfache Eierschneiderstrukturen“ können die Ringve Viewing Platform (1),das Semper Depot (2) und in gewisser Weise auch die Wandprototypen (3)bezeichnet werden. Mit der Methode des Zerschneidens in parallele Ebenen,wie es das Haushaltsgerät zur präzisen Herstellung gleich dicker Scheiben hart-gekochter Eiern leistet, lassen sich mit einem einzigen Schnitt auf recht einfa-che Weise beliebig modellierte Volumen in Scheiben zerlegen.

Die im Schneidevorgang entstehenden Teile sind alle gleich breit. Dadurchist es einerseits einfach, sie mit einem durchgängigen Konstruktionsprinzip zuverbinden. Andererseits wird die Suche nach einem geeigneten Rohmaterial,aus dem die Einzelteile gefertigt werden können, erheblich erleichtert. Beim Sem-per Depot (2) sind dies Holzwerkstoffplatten gleicher Materialstärke, aus de-nen wie bei einem Ausschneidebogen die Einzelteile herausgetrennt werden;bei der Ringve Viewing Platform (1) und den Wandprototypen (3) können dieVolumina sogar aus identischen Stabprofilen gefügt werden. Die im Entwurfs-prozess vorausgegangene Formbestimmung wird durch die unterschiedliche Ab-längung der Stäbe realisiert; durch die Verschränkung der individuellen Ein-zelelemente in unterschiedlichen Win-keln bzw. ihre schrittweise Positions-änderungen von Schnittebene zu Schnitt-

gen Sätzen wiedergeben zu wollen. Wir können aber festhalten, dass aus denErfahrungen, die mit der strukturellen Anisotropie, der hygroskopischen Neigungund der Inhomogenität der verschiedenen Holzarten gesammelt wurden, dietraditionellen Regeln im Umgang mit Holz entstanden sind, sowohl was die Ma-terialwahl, seine Bearbeitung als auch das Fügen und Konstruieren betrifft.

Sieht man von der konstruktiv eher primitiven Blockbauweise ab, dann sindStabwerke im Hinblick auf die Form, in der die Natur Holz zur Verfügung stellt,die adäquate Form der Lastabtragung. Allerdings sind Stabwerke idealtypischeKonstruktionen, da Bäume zwar durchaus in den Himmel wachsen, sich dabeiaber nicht unbedingt gerade halten. Eine Integration der Wuchsrichtung wurdekeineswegs als nachteilig empfunden. Bevor es möglich war, Holz unter Hitze-einfluss zu biegen, waren Krummhölzer für die Konstruktion von Schiffsrümpfen,Schlitten- und Wagenbäumen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein begehr-tes Rohmaterial, das mitunter sogar teurer war als die gerade gewachsenenAbschnitte. Je mehr die Achse eines Stabes der Wuchsrichtung des zugrunde-liegenden Stammes folgt, desto weniger Holzfasern müssen bei seiner Bearbei-tung durchtrennt werden und desto höher ist die Eigenstabilität des Bauelements.

Auf unterschiedliche Querschnittsbelastungen können Bäume sogar mit demZuwachsen von Holz mit angepasstem Eigenschaftsprofil reagieren, dem soge-nannten Reaktionsholz. Nadelhölzer können an der druckbelasteten Seite schiefgestellter Stämme oder Äste Fasern ausbilden, die durch erhöhte Lignineinla-gerung druckresistenter sind als Normalholz. Laubhölzer verfolgen genau dieumgekehrte Strategie, indem sie an der zugbelasteten Seite mit erhöhtem Cel-lulosegehalt eine Zugspannung aufbauen. Frühe Holzbauten, die in ihren Ver-bindungsdetails Astgabeln oder Astansätze integrierten, machten sich diese Ei-genschaften des Reaktionsholzes empirisch zu Nutze.

Die Beachtung der natürlichen Vorgaben des Holzes setzt sich auf der nächs-ten Strukturebene der Holzbearbeitung fort. Für bewitterte Bauteile war beimfaserparallelen Trennen die Unterscheidung zwischen Spalten und Spanen vonBedeutung. Diese Unterscheidung spielt heute kaum noch eine Rolle, da dasSpalten bis auf die Ausnahme handgebeilter Schindeln aus dem Bauwesen ver-schwunden ist. Sägen parallel zur Faserrichtung zerstört jedoch in der Trenn-fuge die Holzstruktur, während Spalten sie respektiert und gewissermaßen demHolz die Entscheidung überlässt, wie es sich trennt. Welche praktische und öko-nomische Relevanz dieser Unterscheidung zukam, zeigt sich daran, dass dieWiderstandsfähigkeit von gesägtem gegenüber gespaltenem Holz sinkt, daFeuchtigkeit durch die größere Anzahl aufgerissener Kapillaren ungleich leich-ter eindringen kann. Aus dem Sorptionsverhalten des Holzes entstanden auchdie baukonstruktiven Regeln: Der Schutz von Holz vor direkter Bewitterung undFeuchtigkeitseinwirkung und – wo dies nicht möglich ist – Möglichkeiten zumHinterlüften vorzusehen, so dass der Feuchtegehalt unter den für Pilzbefall kri-tischen Werten gehalten werden kann. In Abgrenzung zum chemischen Holz-schutz spricht man hier von einem konstruktiven Holzschutz.

Die zweite konstruktive Regel befasst sich ebenfalls mit der hygroskopischenNeigung, nämlich mit dem Schaffen von Bewegungsspielraum für das Quellenund Schwinden quer zur Faser. Dies betrifft sowohl die lastableitenden wie auchalle untergeordneten schwächeren Bauteile wie Wandfüllungen, Beplankungenoder Bodenbeläge. Die tragenden Rahmen wurden, um die quer zur Faser auf-tretenden Kräfte zu minimieren, in der Regel schlank dimensioniert und eherkleinteilig zusammengesetzt. Hier dürfte der Hauptgrund für die mangelnde Nei-gung des traditionellen Holzbaus zur Monumentalität liegen.

Moderner HolzbauAus dieser Perspektive lässt sich der Übergang zum modernen Holzbau eindeu-tig bestimmen. Es ist nicht die industrielle Schnittholzerzeugung, wie sie sich abder 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den dampfbetriebenen Sägewerken ent-wickelt, und es ist auch nicht der Ersatz der Holzverbindung durch die billigeMassenfertigung von Nägeln, Bolzen und Stahlblechformteilen. Beides ist zwarfür die weitere Entwicklung des Holzbaus unabdingbar, verändert aber nicht dasEigenschaftsprofil des Werkstoffs Holz selbst. Die eigentliche Revolution liegt inder Überwindung der Anisotropie und Inhomogenität durch das Kleben. In derIndustrialisierung hatte man das Holz fürchten gelernt, denn seine gewachsene,organische Konsistenz voller Unwägbarkeiten stellte an die maschinellen Ferti-gungsprozesse Herausforderungen, die man von der Metallverarbeitung nichtkannte. Mit dem Kleben beginnt eine beispiellose Metamorphose des WerkstoffsHolz: Das Holz wird in seine Bestandteile aufgelöst und mit einem Bindemittel

neu zu einem Werkstoff zusammengesetzt, der die Eigenschaften der einzelnenBestandteile ausgleicht und nach außen als Körper mit homogenen Eigenschaf-ten erscheinen lässt. Sogenannte “Holzfehler“ wie Ästigkeit, Faserneigung,Schwindrisse und Verfärbungen beeinflussen die Qualität des Holzwerkstoffsdabei nur noch in ästhetischer Hinsicht.

An der mechanischen Zerkleinerung des Holzes lag es sicher nicht, dasssich die Entwicklung von Holzwerkstoffen bis weit ins 20. Jahrhundert hinzog.Das Problem war vielmehr die mangelnde Widerstandsfähigkeit der bekannten,auf pflanzlicher und vor allem tierischer Basis hergestellten Klebstoffe gegenFeuchtigkeit und Pilze, was den Einsatz von Holzwerkstoffen allein auf Innen-anwendungen beschränkte. Dies hielt den Holzbauunternehmer Otto Hetzerdennoch nicht davon ab, seine patentierten gekrümmten Brettschichtholz-Trä-ger (1906) mit einem Leim zu verkleben, der hauptsächlich aus Quark be-stand. Dieser sogenannte Kaseinleim, mit dem auch die Flugzeuge des ErstenWeltkriegs zusammengeklebt wurden, ist zwar mehr oder weniger wasserfest,bietet aber bei längerer Feuchtigkeitseinwirkung einen idealen Nährboden fürPilze, die den Klebstoff in ein unansehnlich verrottendes Milchprodukt verwan-deln. Wenn im 19. Jahrhundert die neu aufkommenden Metalltragwerke sichden Holzbau als Vorbild für zugbeanspruchte Konstruktionen genommen ha-ben, so scheinen sich die Verhältnisse dank Hetzer umzukehren: Holz kann nunden weitgespannten Stabkonstruktionen des Stahlbaus nacheifern.

Der eigentliche Befreiungsschlag von Anisotropie und Inhomogenität aberwar die Entwicklung synthetischer Klebstoffe Anfang der 1930er Jahre, mit denenes möglich wurde, hölzerne Strukturelemente zu richtungsindifferenten Platten-materialien mit voraussagbaren Eigenschaften und allein von Fertigungstech-nik und Logistik abhängigen Abmessungen zu verkleben. Dabei wird das Holzimmer weiter aufgetrennt – bis hin zur feinstzerfaserten MDF-Platte, die wir solieben, weil ihr im lackierten Zustand ihre hölzerne Herkunft nicht mehr anzu-sehen ist. Die individuelle Qualität des Vollholzes trat in den Hintergrund, wäh-rend die Verwertung von Holzabfällen und Restholz zum dynamischen Sektorder Branche wurde. Zunächst kamen die Plattenmaterialien als konstruktiv se-kundäre Wandfüllungen und Beplankungen von Rahmenkonstruktionen zumEinsatz. Da mit Fortschreiten der Klebetechnik der Rahmen aus Schnittholz unddie Beplankung aus Spanplatten beim Fügen zu Wand- und Deckenelementenebenso fest verklebt wurden, lässt sich das entstehende Element gewisserma-ßen als einen in Abmessung und Aufbau projektspezifischen Holzwerkstoff aushölzernen Strukturelementen verschiedener Größe lesen.

In den letzten beiden Jahrzehnten können wir anhand des Erfolgs der Grob-spanplatten und des Brettsperrholzes zwei Phänomene beobachten. • Erstens ist die Strukturauflösung rückläufig; die Strukturelemente innerhalb ei-nes Bauelements werden wieder größer. Die Späne der OSB-Platte sind bis zu20 cm lang; die Schnittholzbestandteile des Brettsperrholzes haben eine Brei-te bis zu 24 cm und sind bis zu 35 mm stark. Innerhalb dieser Strukturelemen-te ist das Holz durchaus anisotrop und inhomogen, denn es handelt sich ja umVollholzstücke. Es scheint, als wolle man ausloten, wie groß die Strukturelementeinnerhalb des Bauelements sein dürfen, bis die nach außen wirkende Isotropieund Homogenität verloren geht: Man steuert und kontrolliert das Gesamtver-halten, während man die Einzelkomponenten als nicht im Detail beschreibbare,organisch gewachsene Elemente belässt. Ob ein einzelnes Brett oder ein Spannicht taugt, spielt innerhalb des Bauteils keine Rolle, solange die Eigenschaftendes einzelnen Strukturelements durch die anderen ausgeglichen werden kön-nen. Geprüft wird schließlich die Platte, nicht das Brett oder der Span. • Zweitens können wir feststellen, dass die Bedeutung der Normen insbeson-dere bei den Brettsperrholzplatten zurücktritt. Brettsperrholzplatten sind herstel-lerspezifische Produkte, die sich in Abmessungen, Aufbau und Verhalten un-terscheiden und untereinander meist nicht kompatibel sind. Die jeweiligen Pro-dukteigenschaften werden im Auftrag des Herstellers für die Zulassung ermitteltund sind nicht auf andere Produkte übertragbar. An die Stelle der Norm trittdie Produkteigenschaft.

Ist dies bereits der angesprochene “dritte Weg“? Wenn ja, wohin könntedieser führen, wenn wir ihn konsequent weiterverfolgen? Im Sinne der erstenBeobachtung zu immer größeren Vollholz-Strukturelementen innerhalb einesBauteils (oder Gebäudes)? Oder im Sinne der zweiten Beobachtung zu einerimmer differenzierteren Materialerfassung und Bauteilzusammensetzung, bis eskein allgemeines Produkt mehr, sondern nur noch Bauteile mit individuellen Ei-genschaften gibt?

“Schmücken des Körpers heißt, einer beste-henden Ordnung eine andere Ordnung auf-erlegen, die Symmetrie der organischenForm respektieren oder manchmal ihr wider-sprechen. Das gilt auch für die Dekorationtechnischer Erzeugnisse. Ob er ein Kanudekoriert oder ein Haus, eine Waffe oder ei-nen Topf, der Handwerker hat es mit einervorhandenen Form zu tun, die er ‘schmücken’soll. Solcher Schmuck bringt immer die Ver-änderung der ursprünglichen Struktur mitsich, durch Schneiden, Schnitzen, Malenoder Verkleiden. Wir haben gesehen, daßsolche Veränderungen den Kritikern be-denklich schienen. War es nicht besser, esbeim Guten bewenden zu lassen, den natür-lichen Reiz des schönen Körpers zu genie-ßen, die ‘Wahrheit’ der Struktur zu respek-tieren, anstatt sie willkürlich zu verändern?Diese Bedenken kamen, wie wir wissen,ziemlich früh in der Geschichte der Kritikauf, brachten aber keine Ablehnung der De-koration als solcher hervor, ehe die Ma-schine triumphiert hatte. Das Schlagwort‘Materialtreue’, das sagen will, daß Holzwie Holz aussehen soll und Stein wie Stein,war so wirksam, weil es so viel Ersatz gab,der es dem Publikum unmöglich machte,den Arbeitsvorgang einzuschätzen und zubewerten. In der Vergangenheit war dieLage vollkommen anders gewesen. Jederhatte sehen können, daß das, was der Hand-werker aus seinem Material gemacht hatte,die Frucht ungeheurer Geschicklichkeit undArbeit war, und niemand dachte daran, denWert einer solchen Virtuosiät zu bezweiflen.Ein extremes Beispiel wird am besten denUnterschied zeigen, der unsere Einstellungvon der vergangener Jahrhunderte trennt.Das Victoria and Albert Museum besitzt einWunderwerk von geradezu übermenschlicher

Geschicklichkeit, von der Hand des großenHolzschnitzers Grinling Gibbons (1648 –1721), eine in Holz geschnitzte Spitzenkra-watte. Wir sind geneigt, solche Kunstwerkegeschmacklos zu finden, und es ist nichtmeine Absicht, sie zu verteidigen. Aber Gib-bons war ein wirklicher Meister und besaßsehr viel Geschmack und Takt, und nachdemes ihm Freude gemacht hatte, seine Fertig-keit in der Wiedergabe zarter Blumen undweicher Blätter in diesem leblosen Materialzu zeigen, fand er offenbar sein Vergnügendarin, es mit der heikelsten aller menschli-chen Handarbeiten aufzunehmen, der desSpitzenklöpplers. Was wir an Spitzen be-wundern, ist die Fähigkeit von Hand undAuge, die feinsten Fäden zu verschlungenenOrdnungen zu zwingen; Gibbons wollte zei-gen, daß er noch Schwierigeres tun könne,und machte solche Fäden aus Holz.In der Geschichte aller Künste gibt es Bei-spiele für diesen Drang, so weit wie mensch-lich möglich gegen die Beschränkung durchdas Material anzukämpfen und den Geistüber den Stoff triumphieren zu lassen. (...)Vielleicht liegt es uns gegenwärtig nicht,daß das Material seine Identität leugnet,daß Holz aussieht wie Spitze oder Stickereiwie ein Gemälde, aber der Ehrgeiz desHandwerkers, eine solche zauberische Ver-wandlung zu vollführen, kann in der Kunst-geschichte nicht verschwiegen werden.”

aus: Gombrich, Ernst. Kunst und Ornament.Schmucktrieb und Ordnungssinn in der Psy-chologie des dekorativen Schaffens; S. 77,Klett Cotta, Stuttgart 1982

oben: Grinling Gibbons, Spitzen-Krawatte,aus Lindenholz geschnitzt; daneben: italie-nische Stickerei (point de neige), 17. Jhd.

Superwood, 2009: Digitale Schnitzereien in der Neuen Monte Rosa Hütte für denSchweizer Alpen-Club SAC – Neuinterpre-tation traditioneller Holzschnitzereien; ETHZürich, Studio Monte Rosa in Kooperationmit DFAB Gramazio & Kohler

Page 2: Digitale Schreinerei

94 95

1 RINGVE VIEWING PLATFORM Knut Einar Larsen, Trondheim 2007Studienarbeit NTNU Trondheim 1-2-Tre:labFormfindung:Zerschneidung und Zusammensetzung eines modellierten Volumens in paralle-len Ebenen Fertigung: Vollholzstäbe, individuell abgelängt, Schifterschnitte mit vierachsiger Ab-bundmaschine, 700 verschiedene Teile

2 LECTURE PODS SEMPER DEPOT Stefan Gruber und Andrei Gheorghe Wien 2008, Seminarräume Formfindung:Zerschneidung und Zusammensetzungeines modellierten Volumens in paralle-len Ebenen Fertigung: Dreischichtplatten, Teile auf Ausschneide-bogen geschachtelt; einfach gekrümmte,orthogonale Flankenfräsung mit CNC-Bearbeitungszentrum, 7000 Einzelteile

5 BURST*008 Jeremy Edmiston und Douglas GauthierNew York 2008, AusstellungsarchitekturFormfindung:Zerschneidung eines modellierten Volu-mens durch zwei Gruppen paralleler,sich überkreuzender Ebenen Fertigung:Furniersperrholzplatten, Teile auf Aus-schneidebogen geschachtelt; orthogonaleSchnitte mit CNC-Laserschneidemaschine1100 individuelle Teile

6 METROPOL PARASOLJürgen Mayer H., Sevilla 2009Archäologisches MuseumFormfindung:Durchstoßen eines modellierten Volumensmit einem in der Aufsicht regelmäßigenQuadratrasterFertigung:Brettschichtholzplatten, individuell zuge-schnitten; einfach gekrümmte, orthogo-nale Fräsung mit sechsachsigem Indus-trieroboter

3 WANDPROTOTYPENGramazio Kohler, Zürich 2009Studentenarbeit ETH Zürich DFABFormfindung:Addition von Einzelelementen zu einemWandvolumen durch schrittweise Positi-onsänderung in parallelen EbenenFertigung:Vollholzstäbe, individuell abgelängt,automatische orthogonale Positionierungzur Kreissäge und Versetzung mit sechs-achsigem Industrieroboter

4 CAMERA OBSCURAKnut Einar Larsen, Trondheim 2006Studienarbeit NTNU, 1-2-Tre:lab Formfindung:Zerschneidung eines Würfels durch zweiGruppen rechtwinklig zueinander ste-hender paralleler Ebenen und Deforma-tion durch Drehung einer SeitenflächeFertigung:individuelle Vollholzstäbe; Schifterschnit-te und Flankenfräsung mit fünfachsigerAbbundmaschine, 16 verschiedene Teile

7 SERPENTINE GALLERY PAVILIONAlvaro Siza, Eduardo Souto de MouraLondon 2005, AusstellungsarchitekturFormfindung:Durchstoßen von Raumbegrenzungsflä-chen aus den rechtwinklig zueinander ste-henden Richtungen eines regelmäßigenRasters Fertigung:Sperrholzplatten, individuell zugeschnit-ten; orthogonale Fräsung, 427 verschie-dene Teile

ebene lassen sich plastische Formen als dynamische Bewegung darstellen.Eierschneiderarchitekturen sind nicht zufällig reine Außenrauminstallatio-

nen oder Innenausbauten, da das System in sich rigide ist und sich nur schwereine Verbindung dieser Strukturen mit der Vielzahl der Anforderungen vorstel-len lässt, die an ein Gebäude gestellt werden. Da die parallelen Ebenen line-ar aneinander gereiht sind, ist eine Ecklösung innerhalb des gleichen Konstruk-tionsprinzips ausgeschlossen.

B Eierschneider, zweifachEcklösungen gelingen durch das Hinzufügen eines zweiten Schnitts mit dem Ei-erschneider. Dieser wird entweder rechtwinklig zur ersten Schnittebene geführt,so dass wie bei Camera Obscura (4), Metropol Parasol (6) und Serpentine Gal-lery (7) aus der Schnittrichtung ein Quadratraster entsteht; oder aber in einemanderen Winkel ein Rautenmuster erzeugt wird wie bei Burst (5) und dem Au-stria Center (8). Der zweite Schnitt bringt einen konstruktiven Vorteil mit sich,da die dabei entstehenden Teile als Abstandshalter für die im ersten Schnitt er-zeugten Teile eingesetzt werden können; dies erlaubt es, die Mehrfach-Eier-schneiderstrukturen wesentlich luftiger zu gestalten als die massiven Einfach-Ei-erschneider. Gleichzeitig aber zeigt sich bei den Mehrfach-Eierschneidern eine

stärkere Tendenz, die Faserrichtung des Holzes außer Acht zu lassen und plat-tenförmige Holzwerkstoffe als Ausschneidebögen für die Einzelteilfertigung ein-zusetzen. Dies ist besonders augenfällig bei Projekten wie Metropol Parasol (6),bei denen die Formgebung in keinerlei Beziehung zur Konstruktion zu stehenscheint. Befremdlich wirken dann auch die pilzförmigen Stützen der Parasols,die das Quadratraster enorm verzerren, da sie parallel zur Schneiderichtungstehen und die nur dreiachsig bearbeiteten Einzelelemente in der Verschnei-dung der Bauteile mit der gekrümmten Oberfläche des modellierten Volumensoffenkundig nicht zusammenpassen. Die Serpentine Gallery (7) umgeht dieseProblematik, indem sie die fünf Raumbegrenzungsflächen getrennt voneinan-der mit jeweils zwei Eierschneiderschnitten bearbeitet.

Einzig der Camera Obscura (4) gelingt es, ein plastisches Volumen aus Voll-holzstäben zu erzeugen, indem der als Ausgangsform dienende Würfel nachzweimaligem Zerschneiden um seine Mittelachse verdreht wird. Die Bauteile desAustria Centers (8) hingegen sind so groß, dass sie ohne den Umweg über dieHolzwerkstoffplatte projektspezifisch als gekrümmt verleimtes Brettschichtholzwie klassische Leimbinder gefertigt wurden und somit die Faserrichtung demmodellierten Volumen folgen kann. Der rautenförmige Verschnitt der Binder istallerdings konstruktiv nicht erforderlich.

C FaltstrukturenWährend die Eierschneider-Strukturen mehr oder weniger deutlich nicht kon-struktiv motiviert sind, versuchen Faltstrukturen wie der Origami Bogen (9) unddie Kapelle St. Loup (10) der Brettsperrholzplatte ein Potenzial für Tragwerkeabzugewinnen. Insofern besteht eine gewisse Affinität zu den neueren Platten-konstruktionen. Durch das Auffalten von Flächen in einzelne Brettsperrholzele-mente sollen diese gezielt mehr durch Normalkräfte in der jeweiligen Ebeneals durch Momente beansprucht werden. Das Auffaltungsprinzip ist allerdingseher von der Umsetzung japanischer Papierfalttechnik mit den Möglichkeitendes Brettsperrholzes als der digitalen Fertigungstechnik geleitet; dies zeigt sichan der manuell gefertigten Konstruktion des Bogens (9) wie auch an der durchintuitives Papierfalten entwickelten Form der Kapelle (10).

D Strukturen mit KassettenelementenGrößte gestalterische Freiheit ermöglichen Konstruktionen aus individuellenKassettenrahmen, da ihre jeweilige Geometrie lediglich von den benachbartenKassetten abhängt. Ein Nachteil solcher Strukturen liegt im Materialaufwand,den die statisch nicht erforderliche Verdopplung der Wandungen mit sich bringt.Wie unterschiedlich der Umgang mit diesem Prinzip sein kann, illustrieren der

Swissbau Pavillon (11) und das Betriebsrestaurant Dietzingen (12). Währendder Swissbau Pavillon auf einer Kugeloberfläche ein Zellwachstum um gege-bene quadratische Öffnungen herum simuliert, dient bei Dietzingen die Kas-settenstruktur lediglich dazu, die Flächen zwischen den Primärträgern dekora-tiv zu unterteilen. Der Swissbau Pavillon ist die einzige Struktur unter den vor-gestellten Projekten, die mit einer rechnergestützten Wachstumssimulation ausden Relationen der Einzelelemente ermittelt wurde. Der Beweis, dass ein Bot-tom-up-Verfahren nicht nur als Forschungsselbstzweck an Europas größterCAD-Professur, sondern auch in einem funktionalen Bauprojekt mit Dutzendenvon Gewerken umgesetzt werden kann, steht noch aus.

E FlechtstrukturenDie beiden Projekte mit den mit Abstand größten Abmessungen und Spannwei-ten sind das Yeoju Golf Resort (13) und das Centre Pompidou Metz (14). Mankann die beiden nur graduell unterschiedlichen Projekte als eine Weiterentwick-lung der Eierschneidermethode betrachten: In beiden Fällen wird eine doppelt ge-krümmte Oberfläche von einem hexagonalen Raster (also drei Schnittrichtungen)durchstoßen. Im Gegensatz zu den ein- und zweifachen Eierschneidern wird ausdieser geometrischen Operation nicht das Volumen der Einzelteile, sondern nur

8 AUSTRIA CENTER VIENNA Christian Knechtl, Wien 2008KongresszentrumFormfindung:Durchstoßen einer gekrümmten Flächemit zwei Gruppen paralleler, sich über-kreuzender Ebenen Fertigung:Brettschichtholzbinder; doppelt ge-krümmte Fräsung (Regelfläche) aufCNC-Portalbearbeitungszentrum

Page 3: Digitale Schreinerei

96 97

12 BETRIEBSRESTAURANT DIETZINGEN Barkow Leibinger, Dietzingen 2008GastronomieraumFormfindung: Auffüllung und Aussteifung einer drei-eckigen Primärträgerlage durch unregel-mäßige fünfeckige KassettenFertigung:Brettschichtholzplatten, individuell zuge-schnitten; Schifterschnitte auf CNC-Ab-bundmaschine; sekundäre Tragstruktur

11 SWISSBAU PAVILION ETH Zürich, CAAD Professur Hovestadt Basel 2005, temporärer PavillonFormfindung:Definition einer Kugeloberfläche mit Kas-setten in Form unregelmäßiger PolygoneFertigung:OSB-Platten, Teile auf Ausschneidebogengeschachtelt, einfach gekrümmte, ortho-gonale Flankenfräsung und Schifter-schnitte mit CNC-Bearbeitungszentrum,1280 verschiedene Teile

14 CENTRE POMPIDOU METZ Shigeru Ban, Metz, Frankreich 2009, KunstmuseumFormfindung:Sechslagige hexagonale Flechtstruktur in Assoziation zu einem Strohhut; in Richtung derZ-Achse deformiert, von den Körpern der Ausstellungsräume durchstoßen. Die Träger-volumina sind entlang ihrer Mittelachse jeweils rechtwinklig zur Dachfläche extrudiert.Fertigung:Brettschichtholzelemente; je nach Krümmung der Trägermittelachse gerade, indivi-duell einfach oder doppelt gekrümmt verleimt; fünfachsige Scheibenfräsung mitCNC-Abbundmaschine, 1790 individuelle TeileGeometrieberatung: designtoproduction GmbH, ErlenbachHerstellung: Holzbau Amann GmbH, Weilheim-Bannholz

13 YEOJU GOLF RESORTShigeru Ban, Yeoju, Südkorea 2009, Golf ClubFormfindung:Hexagonale Flechtstruktur; in Richtung der Z-Achse zu 21 Stützenbündeln defor-miert. Die Volumina der Träger sind entlang ihrer Mittelachse jeweils rechtwinkligzur Dachfläche extrudiert und miteinander verschnitten.Fertigung:Brettschichtholzelemente; je nach Krümmung der Trägermittelachse gerade, indivi-duell einfach oder doppelt gekrümmt verleimt; fünfachsige Scheibenfräsung mitCNC-Abbundmaschine, 4500 Elemente, davon 467 unterschiedlichGeometrieberatung: designtoproduction GmbH, ErlenbachHerstellung: Blumer-Lehmann AG, Gossau, Schweiz

10 KAPELLE ST. LOUP Local architecture, Danilo Mondada undSHEL, Pompaples 2008temporärer Sakralraum Formfindung:Trapez mit durch unregelmäßige Auffal-tung ausgesteiftem QuerschnittFertigung: Brettsperrholzplatten, individuell zuge-schnitten; Schifterschnitte auf CNC-Por-talbearbeitungszentrum, 92 verschiedeneTeile

9 ORIGAMI BOGEN IBOIS EPF Lausanne, Lausanne 2006PrototypFormfindung:Bogen mit durch regelmäßige Auffaltungausgesteiftem QuerschnittFertigung:Brettsperrholzplatten, individuell zuge-schnitten; Schifterschnitte manuell, zweisymmetrische Plattentypen

deren Mittelachsen errechnet. Die tatsächlichen Volumina der Träger werden dannentlang dieser Mittelachsen in parallelen Trägerlagen jeweils rechtwinklig zurDachfläche “extrudiert“. Auf diese Weise ist es möglich, sich verwindende, aberin ihren Abmessungen konstante rechtwinklige Querschnitte zu erhalten.

Wie auch beim Origami handelt es sich um metaphorische Entwürfe, wel-che die Prinzipien anderer Materialien in Holz übertragen: Zur Herleitung derStruktur des Centre Pompidou Metz (14) diente dem Architekten ein geflochte-ner chinesischer Strohhut. Wenn auch das Flechten der elastischen Halme maß-stabsbedingt wirklich nichts mehr mit dem Verleimen und Fügen von starrenBrettschichtholzträgern zu tun haben kann, so veranschaulicht die Flechtmetapherdoch das mehrlagige “Extrudieren” der Volumina entlang der Mittelachsen.

Vergleicht man das Centre Pompidou (14) mit der mehrfach gekrümmten Flä-che der 35 Jahre älteren Gitterschale der Multihalle Mannheim, stellt man irri-tiert fest: Beim Centre Pompidou überspannen sechs Brettschichtholzlagen von je14 x 44 cm bis zu 50 m. Bei der Multihalle überspannen vier Schnittholzlagenvon 5 x 5 cm bis zu 60 m. Ob dies damit zu tun hat, dass bei der Formfindungder Multihalle kein chinesischer Strohhut, sondern ein Hängemodell Pate stand?

Was Yeoju (13) und Centre Pompidou (14) deutlich machen, ist das großePotenzial der technischen Umsetzung im Zusammenspiel von Holzbauer, Statiker

und Geometrieberater. In der engen Zusammenarbeit war es nicht nur möglich,tausende unterschiedlich gekrümmter Bauteile zu fräsen, sondern durch Formver-leimung der Brettschichtholzrohlinge deren Faserwinkel maximal 5° von der Bau-teil-Mittelachse abweichen zu lassen. Wobei nicht verschwiegen bleiben sollte,dass von diesen individuell verleimten Rohlingen im nächsten Arbeitsgang nochfast 50 % zerspant werden müssen, bis die endgültige Bauteilgeometrie vorliegt.

Resümee:1. Die initiale Formgebung der beispielhaft gezeigten Projekte ist weder von denBedingungen des Werkstoffs noch von funktionalen Anforderungen bestimmt. Ers-teres würde einen konstruktiv geleiteten Entwurf bedeuten, zweiteres im Fallevon Gebäuden eine Entwicklung des Entwurfs von innen heraus. Das Gegen-teil ist der Fall. Es sind überdimensionale Holzplastiken, deren äußere Gestaltdurch ein willkürlich gesetztes Volumen beschrieben wird; willkürlich meint hiereinen formgebenden Akt, dessen Parameter nicht herleitbar sind, man könnteauch von sogenannter künstlerischer bzw. freier Gestaltung sprechen. 2. Die Objekte werden im 3D-CAD als geometrisch definierte Volumina ohneSchwerkraft und ohne den Einfluss von Umgebungsbedingungen modelliert. Dieanschließende digitale Bearbeitung umfasst die Geometriebestimmung der Ein-

zelelemente sowie deren Fertigungsplanung mitsamt den Stücklisten. Die eigent-lichen Chancen eines digitalen Formfindungsprozesses, die nicht zuletzt darinliegen könnten, die Form im Wechselspiel mit den auf sie einwirkenden Kräf-ten auszubalancieren, bleiben ungenutzt. Zu Konstruktionen mit Materialeigen-schaften werden die Objekte erst in den anschließenden Berechnungen und Fer-tigungsplanungen der Ingenieure und Holzbaufirmen. 3. Obwohl die Objekte in ihrer spezifischen Form derzeit am besten in Holzausgeführt werden können, sind es keine Holzkonstruktionen im klassischen Sinne.Das Zerschneiden modellierter Volumina impliziert genau genommen einen ho-mogenen Werkstoffblock; für ein Material, dessen Eigenschaften richtungsab-hängig variieren, ist es eine ungeeignete Methodik. Die Herstellung gekrümm-ter Formen mittels Fräsen erinnert stark an das eingangs erwähnte Schnitzen.4. Plattenförmige Holzwerkstoffe als Ausgangsmaterial für den Zuschnitt indi-vidueller Bauteile sind in ihren Abmessungen, Materialzusammensetzungenund Eigenschaften genormte Halbzeuge. Gerade beim individuell wachsendenRohstoff Holz ist zu fragen, ob ein solcher Umweg über die Halbzeug-Standar-disierung eine Unikatfertigung, wie sie die gezeigten Objekte erfordern, nichtletztlich ad absurdum führt. Zumindest wird, wenn man vom Rohstoff ausgeht,die Kette der notwendigen Fertigungsschritte immer länger.

5. “Anything goes“: Es scheint, als könne man praktisch alles bauen – und alsmüsse man diese technologische Potenz, auch komplizierteste Formen erzeu-gen und umsetzen zu können, zur Schau stellen. Man macht es, weil man eskann. Einer anderen Begründung bedarf es nicht. Die amerikanische Histori-kerin Rosalind Williams schreibt dazu: “Instead of being a figure in the groundof history, technology has become the ground – not an element of historicalchange, but the thing itself.“6. Die neu geschaffenen technologischen Möglichkeiten äußern sich – zumin-dest vorerst – in einem Überborden des Dekorums, was einhergeht mit einemfreiwilligen Kompetenzverzicht des Architekten. Seine Rolle scheint sich – umes provokativ zu sagen – auf das Auswählen einer geeigneten Metapher odereiner dekorativen Geste, d.h. auf die Schaffung formaler Komplikationen zufokussieren, die Beschränkungen in der Umsetzung weitgehend ausblendet. Be-schränkungen aber sind nach Frank Lloyd Wright (1953) ein Nährboden derArchitektur: “Aber wenn wir auf diese ungeheuren, homogenen menschlichenBerichte zurückblicken, kommen wir nicht umhin festzustellen, dass der Menschimmer dann am edelsten baute, wenn die Beschränkungen am größten warenund wenn von der Phantasie am meisten gefordert wurde. Beschränkungenscheinen stets die besten Freunde der Architektur gewesen zu sein.“

Fotos: Blumer-Lehmann AG Fotos: Holzbau Amann GmbH