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DIGITALE WERTSCHÖPFUNGSNETZWERKE UND RAMI 4.0 IM HESSISCHEN MITTELSTAND www.digitalstrategie-hessen.de

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DIGITALE WERTSCHÖPFUNGSNETZWERKE UND RAMI 4.0 IM HESSISCHEN MITTELSTAND

www.digitalstrategie-hessen.de

IMPRESSUM

HerausgeberHessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und LandesentwicklungKaiser-Friedrich-Ring 7565185 Wiesbadenwww.wirtschaft.hessen.de

Projektträger und Auftraggeber der Studie„Voraussetzungen, Handlungsbedarf und Potenziale digitaler Wertschöpfungsnetzwerke aus Sicht des hessischen Mittelstandes“ im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie Verkehr und LandesentwicklungHessen Trade & Invest GmbHKonradinerallee 965189 WiesbadenTelefon +49 611 95017-85Fax +49 611 950 [email protected]

Autoren WIK-Consult GmbHRhöndorfer Straße 6853604 Bad HonnefDr. René ArnoldDr. Andrea LiebeTelefon +49 2224 [email protected] www.wik-consult.com

RedaktionDr.-Ing. Svantje Hüwel, Hessen Trade & Invest GmbHDr. Marei Waidmann, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und LandesentwicklungMaria Rieping, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

© Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Vervielfältigung und Nachdruck – auch auszugsweise – nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung.

GestaltungWIK-Consult GmbH, Bad Honnef

BildquellenTitel: MP-fotolia

DruckA&M Service GmbHHinter dem Entenpfuhl 13 / 1565604 Elz

Auflage 200

VeröffentlichungAugust 2018

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informa-tionsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druck-schrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechterspezifische Differenzierung von funktions- bzw. personenbezogenen Bezeichnungen verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in der Veröffentlichung geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit der Meinung des Herausgebers übereinstimmen.

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INHALT

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 2

ZUSAMMENFASSUNG 3

1 EINLEITUNG 5

2 INDUSTRIELLER MITTELSTAND IN HESSEN 6

3 GRUNDLAGEN ZU WERTSCHÖPFUNGSNETZWERKEN IM KONTEXT VON INDUSTRIE 4.0 10

3.1 Industrie 4.0 10

3.2 Wertschöpfungsnetzwerke 12

3.3 RAMI 4.0 15

4 STATUS QUO WERTSCHÖPFUNGSNETZWERKE IN HESSEN 18

4.1 Ergebnisse aus den Experten-Interviews 18

4.2 Analyse und Erklärungsansätze 21

5 MEHRWERT VON RAMI 4.0 23

5.1 Status Quo 23

5.2 Grundsätzlicher Nutzen von RAMI 4.0 23

5.3 RAMI 4.0 als Innovationsinstrument 23

5.4 RAMI 4.0 – Einfluss auf und Zusammenspiel mit Standardisierung 24

5.5 RAMI zur Einordnung von bestehenden Technologien 27

5.6 RAMI zur Einordnung von Software-Lösungen 27

5.7 Die Verwaltungsschale von RAMI 4.0 als einheitliche Merkmalsdefinition 30

6 BERATUNGS- UND FÖRDERANGEBOTE FÜR HESSISCHE KMU IM BEREICH DIGITALISIERUNG / INDUSTRIE 4.0 31

7 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 35

8 FAZIT 37

GLOSSAR 38

LITERATUR 39

2

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AUTOSAR AUTomotive Open System ARchitecture

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

BPI Business Process Innovation

BPR Business Process Reengineering

CPS Cyber-Physische Systeme

CPPS Cyber-Physisches Produktionssystem

DFKI Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH

DIN Deutsches Institut für Normung

DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE

ERP Enterprise Resource Planning

FuE Forschung und Entwicklung

HF-RFID High Frequency Radio Frequency Identification

IEC International Electrotechnical Commission

IIC Industrial Internet Consortium

IKT Informations- und Kommunikationstechnologie

ISO International Organization for Standardization

IT Informationstechnologie

ITK Informationstechnologie und Kommunikation

JIPM Japan Institute of Plant Maintenance

KMU Kleine und mittlere Unternehmen

OPC UA Open Platform Communications Unified Architecture

RAMI 4.0 Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0

SVB Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

TPM Total Productive Maintenance

VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer e.V.

ZVEI Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.

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gen von Industrie 4.0 erfolgreich zu begegnen. Dabei erfolgt die Vernetzung nicht nur unternehmensintern, sondern auch über Unternehmensgrenzen hinweg in Wertschöpfungsnetzwerken.

Wertschöpfungsnetzwerke als ein Teil von Industrie 4.0 erfordern die Definition einer gemeinsamen und bran-chenübergreifenden Referenzstruktur für die Umset-zung von Industrie 4.0. Diesen Zweck erfüllt das Refe-renzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0). Die vorliegende Studie zeigt, dass RAMI 4.0 zahlreiche Mehrwerte für Unternehmen haben kann. Es schafft einen Referenzrahmen, in dem Standards und Schnitt-stellen verortet werden können. Diese Einordnung ermöglicht es, unternehmensübergreifende Projekte schnell und zielgerecht aufsetzen zu können. Das spart mittelfristig Kosten und Zeit.

Mit zahlreichen Angeboten zur Selbsthilfe unterstützen die Landespolitik sowie Kammern und Verbände den hessischen Mittelstand auf dem Weg zu Industrie 4.0, Wertschöpfungsnetzwerken und RAMI 4.0. Jedes Unter-nehmen muss für sich selbst den optimalen Digitalisie-rungsgrad finden. In Anbetracht der großen wirtschaftli-chen und technischen Potenziale sollten sich kleine wie große Unternehmen intensiv mit den Themen Industrie 4.0, Wertschöpfungsnetzwerke und RAMI 4.0 auseinan-dersetzen. Nur so können sie herausfinden, welche Digitalisierungslösungen zu ihnen passen.

Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran und bietet gerade für den industriellen Mittelstand in Deutschland und in Hessen erhebliche Chancen. Mit der Kombination von Produkten und Dienstleistungen als eines seiner zentralen Erfolgsgeheimnisse hat der hessische industrielle Mittelstand schon einen wesentli-chen Schritt in Richtung von Wertschöpfungsnetzwer-ken und damit Industrie 4.0 gemacht. Um das volle Potenzial von Industrie 4.0 zu entfalten, müssen sich die Unternehmen in Hessen aber noch intensiver mit der Digitalisierung ihrer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse auseinandersetzen.

Wie wichtig das Thema Industrie 4.0 für die Zukunft ist, haben die hessischen kleinen und mittleren Unter-nehmen (KMU) in der Industrie schon heute verstan-den. Das zeigen die für die vorliegende Studie durch-geführten Experteninterviews deutlich auf. Allerdings ist die Umsetzung von Digitalisierung und Vernetzung in der Fläche noch nicht weit genug vorangeschritten, um schon heute die Potenziale, die Industrie 4.0 bie-ten kann, auszuschöpfen. Fehlende Informationen zur Digitalisierung sind auf dem Weg zu Industrie 4.0 oft ein Hemmnis für KMU. Ebenso haben noch zu wenige KMU die Digitalisierung in ihre Strategie integriert. Aus Gesprächen mit digitalen Vorreitern des industriellen Mittelstands konnte abgeleitet werden, dass es in erster Linie der Motivation und Eigeninitiative der Unterneh-men bedarf, um die Digitalisierung im eigenen Unter-nehmen voranzubringen und so den Herausforderun-

ZUSAMMENFASSUNG

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1 EINLEITUNG

Die Digitalisierung erfasst zusehends alle Lebensberei-che und Sektoren der Wirtschaft. Die Industrie ist hier keine Ausnahme. Typischerweise wird die digitale Trans-formation in der deutschen Industrie unter dem Begriff Industrie 4.0 zusammengefasst. Mit diesem Begriff ver-binden verschiedene Akteure oft unterschiedliche Ent-wicklungen. Einig sind sich die Experten jedoch, dass die Vernetzung über die Grenzen des eigenen Unterneh-mens hinaus ein wesentlicher Baustein von Industrie 4.0 ist. Ebenso stimmen die Experten überein, dass diese Vernetzung einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die zukünftige Entwicklung der deutschen Industrie darstel-len wird. Von der Umsetzung von Industrie 4.0 verspre-chen sich Experten einerseits hohe Effizienzgewinne, jedoch auch völlig neue Geschäftsmodelle für Industrie-unternehmen.

Die digitale Transformation spielt selbstverständlich auch für die Industrieunternehmen in Hessen eine wich-tige Rolle. Wie in ganz Deutschland ist dieser Teil der Wirtschaft auch in Hessen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geprägt. Sie stellen den Kern der Wirtschaftskraft des Landes dar und beschäftigen einen wesentlichen Teil der Arbeitnehmer. Um trotz dieser kleinteiligen Struktur Wertschöpfungsnetzwerke auch und gerade über Branchengrenzen hinweg zu realisie-ren, braucht es einen gemeinsamen Rahmen von Stan-dards und Schnittstellen, der als organisierendes Ele-ment agiert. Ein solcher Rahmen muss offen genug gestaltet sein, um die Standards verschiedener Bran-chen abbilden zu können.

Ein Referenzarchitekturmodell kann genau ein solcher Rahmen sein. Es kann im Zuge von Industrie 4.0 die IT-Systeme, technischen Ressourcen und Kompetenzen verschiedener Unternehmen und Branchen innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerkes aufeinander abstim-men. Konkret kommt einer Referenzarchitektur die Auf-gabe zu, einen Rahmen für die Strukturierung, Entwick-lung und Integration sowie den Betrieb der technischen Systeme vorzugeben.

Referenzarchitekturen sind aus verschiedenen Branchen bekannt. So gibt es z. B. die Von-Neumann-Architektur im Computer-Bereich, die branchenweit anerkannt ist. Ähnliche Beispiele sind die AUTOSAR-Architektur in der Automobilbranche oder der ISOBUS in der Landwirt-schaft. AUTOSAR wurde gemeinsam von Partnern der Automobil-, Steuergeräte- und Softwareherstellung ent-wickelt. ISOBUS standardisiert die Datenübertragung zwischen Traktoren, Anbaugeräten und dem Betriebs-management. Aus der Stromwirtschaft ist das Smart Grid Architecture Model bekannt, das Smart Grid-Pro-jekte zu visualisieren und zu validieren vermag.

All diesen Referenzarchitekturen ist gemein, dass sie all-gemeingültige, individuell ausprägbare Elemente und deren Hierarchisierung und Kommunikation basierend auf einheitlichen Standards beschreiben. Ein in der industriellen Fertigung weit verbreitetes Referenzarchi-tekturmodell ist die sogenannte Automatisierungspyra-mide. Ihr hierarchischer Aufbau kann jedoch die von der Industrie verlangte Vernetzung nicht vollständig abbil-den.1

Die vorliegende Studie hat das Referenzarchitekturmo-dell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) zum Gegenstand. Das Modell wurde im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 von den Verbänden Bitkom, VDMA, ZVEI und VDI mit Beteiligung verschiedener Forschungseinrichtungen sowie Partnern aus der Wirtschaft unter Koordination der Arbeitsgruppe „Referenzarchitekturen, Standards und Normung“ der Plattform Industrie 4.0 entwickelt. Ziel der Studie ist es, zu bestimmen, inwiefern das Thema der Referenzarchitektur Industrie 4.0 bereits im industriellen Mittelstand in Hessen angekommen ist. Dabei gilt es auch, Barrieren auf Seiten der Unterneh-men zu erkennen, den Mehrwert eines solchen Modells herauszuarbeiten und ggf. Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Kapitel 2 charakterisiert in einem ersten Schritt den industriellen Mittelstand in Hessen und arbeitet struk-turelle Muster heraus. Daran anschließend erfolgt in Kapitel 3 ein Literaturüberblick zu Wertschöpfungsnetz-werken. Dabei wird dem Dreiklang Industrie 4.0, Wert-schöpfungsnetzwerk und RAMI 4.0 jeweils ein eigener Abschnitt gewidmet. Im Anschluss daran erfolgt in Kapi-tel 4 ein Blick in die Praxis, indem der Status Quo zu Wertschöpfungsnetzwerken in Hessen näher betrach-tet wird. Die Aussagen dieses Kapitels basieren in ers-ter Linie auf Experteninterviews, die insbesondere mit Kammern, Verbänden und Unternehmen geführt wor-den sind. Kapitel 5 hat den Mehrwert von RAMI 4.0 zum Gegenstand. Neben der Ableitung des theoretischen Mehrwerts werden zahlreiche Beispiele aufgeführt, die diesen veranschaulichen. Kapitel 6 stellt Beratungs- und Förderangebote für hessische KMU im Bereich Digitali-sierung vor. Im anschließenden Kapitel 7 werden Hand-lungsempfehlungen gegeben. Die Studie schließt mit einem Fazit.

1 Vgl. Dumitrescu, R. et al. (2015). Auf dem Weg zur Industrie 4.0: Erfolgsfaktor Referenzarchitektur, S. 11.

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leister immer öfter zu Produzenten. So wird eine sau-bere Trennung zwischen Industrie und Dienstleistung nach Meinung der Autoren der Studie unmöglich. Sie schlagen für die Definition von Industrie deshalb das Konzept des Netzwerk Industrie vor, das neben den typischen Branchen auch industrienahe Dienstleistun-gen umfasst. Dieser Definition entsprechend analysiert die Studie das Netzwerk Industrie in der Metropolre-gion Frankfurt RheinMain.

Die vorliegende Studie verfolgt diesen Ansatz weiter und zeichnet nach, wie sich das Netzwerk Industrie in ganz Hessen entwickelt und welche seiner Teilbereiche die wesentlichen Treiber des Wachstums sind. Dazu wurde die Definition von Eickelpasch, Behrend und Krü-ger-Röth (2017) für diese Studie von der Metropolre-gion Frankfurt RheinMain auf ganz Hessen übertragen.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Anzahl der sozi-alversicherungspflichtig Beschäftigten (SVB) in Hessen und ganz Deutschland sowohl für das Netzwerk Indu-strie als auch für die drei relevanten Branchen Verarbei-tendes Gewerbe (WZ10 bis WZ33), Finanzdienstleistun-gen (WZ64) und Handel (WZ45 bis WZ47).

Zunächst fällt auf, dass sich das Netzwerk Industrie in Hessen nach der Finanzkrise fast exakt genauso entwik-kelt wie im deutschen Durchschnitt. Von 2011 bis 2017 stieg die Beschäftigtenzahl insgesamt um etwa 8 %. Bei näherer Betrachtung der einzelnen Branchen, die das Netzwerk Industrie bilden, zeigt sich, dass der Kernbe-reich der Industrie, also das Verarbeitende Gewerbe, deutlich langsamer gewachsen ist als die dienstlei-stungsorientierten Branchen. Diese sind damit wesentli-cher Treiber für das Wachstum. Dieses Ergebnis befin-det sich im Einklang mit der 2011 veröffentlichten Studie zu Smart Industry in Hessen5 und den aktuellen Ergebnissen von Eickelpasch, Behrend und Krüger-Röth (2017), deren Studie für die Region FrankfurtRheinMain6 mit weiteren Kennzahlen wie der geleisteten Brutto-wertschöpfung dieses Ergebnis für einen großen Teil der hessischen Wirtschaft bestätigt.

5 Lichtblau, K. & Kempermann, H. (2011). Gemeinsam Mehr.Wert Innovationen im industriellen Mittelstand – Ergebnisse einer Studie der Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH für das Land Hessen. Neu-Isenburg: Initiative Industrieplatz Hes-sen; Lichtblau & Arnold (2012).

6 Eickelpasch et al. (2017).

Die Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen findet in der deutschen Industrie schon lange statt. Typi-scherweise wird diese Verknüpfung als hybride Wert-schöpfung2 bezeichnet. Auf genau dieser Verknüpfung setzen neue Definitionen von Industrie wie zum Beispiel die Smart Industry3 oder das so genannte Netzwerk Industrie4 auf. Beide Definitionen schließen neben den klassischen Branchen auch Dienstleistungsbranchen mit in die Definition von Industrie ein. Dabei verfolgen sie leicht unterschiedliche Ansätze.

Lichtblau und Arnold (2012) zeigen, dass die traditio-nelle Branchensicht auf die Industrie zwar unverzichtbar ist, um statistische Zeitreihen zu definieren, aber der heutigen Realität in der Industrie nicht gerecht wird. Sie schlagen deshalb eine Definition von Industrie anhand von industriellen Wertschöpfungsprozessen vor, die heute ebenfalls Dienstleistungen als wesentlichen Bestandteil mit einschließen. So gelangen sie zur Defini-tion von Smart Industry.

Die Studie von Eickelpasch, Behrend und Krüger-Röth (2017) im Auftrag der IHK Frankfurt a.M. betrachtet die Entwicklung der Industrie in der Metropolregion Frank-furtRheinMain. Die Studie stellt zunächst fest, dass Outsourcing und produktbegleitende Dienstleistungen die heutige Industrie prägen. Zugleich werden Dienst-

2 vbw (Hrsg.) (2015). Hybride Geschäftsmodelle als Lösungsan-bieter zum Erfolg. München: Vereinigung der bayrischen Wirt-schaft, S. 5 ff.

3 Lichtblau, K. & Arnold, R. (2012). Smart Industry – Intelligente Industrie: Eine neue Betrachtungsweise der Industrie. Ergeb-nisse einer Studie der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH für das Land Hessen. Neu-Isenburg: Initiative Industrieplatz Hessen, S. 20 ff.

4 Eickelpasch, A.; Behrend, R. & Krüger-Röth, D. (2017). Industrie und industrienahe Dienstleistungen in der Region Frankfurt-RheinMain. Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, S. 13.

2 INDUSTRIELLER MITTELSTAND IN HESSEN

Die hessische Industrie ist einer der wichtigsten Arbeitgeber des Bundeslandes und zeichnet sich darüber hinaus schon seit Jahren durch die Kombi-nation aus Produkten und Dienstleistungen — die so genannte hybride Wertschöpfung — aus. Eine kursorische Analyse der Entwicklung des hessi-schen industriellen Mittelstandes unterstreicht, dass gerade diese Kombination der wesentliche Trei-ber des Wachstums seit der Finanzkrise war. Damit hat der industrielle Mittelstand in Hessen schon einen wesentlichen Schritt in Richtung Industrie 4.0 gemacht.

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Der Trend zur Integration von Dienstleistungen in indus-trielle Produkte ist ein erster Schritt in Richtung Industrie 4.0. Denn auch hier sind diese neuen Geschäftsmodelle und Dienstleistungen ein wesentli-cher Erfolgsfaktor. Um die Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen gewährleisten zu können, braucht es an zahlreichen Stellen neue technische und vor allem informations- und kommunikationstechnologische (IKT) Lösungen. In der Konsequenz ergibt sich nicht zuletzt durch die Zentrierung auf Kundenwünsche, die typi-scherweise ein entscheidender Mehrwert von hybrider Wertschöpfung ist, die Notwendigkeit zur Definition und Umsetzung von Wertschöpfungsnetzwerken, die deutlich komplexer sind als frühere vollständig lineare Produktionsketten.

Die hier zitierten Studien7 deuten darauf hin, dass zumindest die Verknüpfung von Produkten und Dienst-leistungen schon in der Praxis angekommen ist. Damit ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Industrie 4.0 bereits gemacht. Gerade die Einbindung von Dienstleis-tungen sorgt für das Wachstum der Industrie in Hessen. Damit gibt es gute Gründe, sich in dieser Studie näher mit den Themen Industrie 4.0, Wertschöpfungsnetz-werke und RAMI 4.0 auseinanderzusetzen.

7 vbw (Hrsg.) (2015); Lichtblau & Arnold (2012); Eickelpasch et al. (2017); Lichtblau & Kempermann (2011).

Insgesamt macht das Netzwerk Industrie rund 35 % aller Unternehmen in Hessen aus. Das unterstreicht die Rele-vanz der modernen Industrie für die hessische Wirt-schaft.

Die Digitalisierung, Vernetzung und Konvergenz des Verarbeitenden Gewerbes zusammen mit anderen Branchen und einer zunehmenden Affinität der Ver-braucher zu digitalen Angeboten bietet für alle Unter-nehmen und Betriebe in Hessen große Chancen. Es ist jedoch anzunehmen, dass je nach Größe und Ausrich-tung der Branche eine unterschiedliche Geschwindig-keit und unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Digitalisierung vorhanden sind. Ebenso unterscheidet sich das optimale Digitalisierungsniveau je nach Bran-che und Unternehmen unter Umständen deutlich. Um dies abschließend beurteilen zu können, bräuchte es eine genaue Analyse aller Randbedingungen und ins-besondere der Marktstrukturen innerhalb der Bran-chen, die die vorliegende Studie nicht leisten kann. Eine kursorische Analyse der Branchen des Netzwerks Indus-trie in Hessen, insbesondere mit Blick auf die darun-terliegenden Größenstrukturen der Unternehmen und Betriebe, kann jedoch einen ersten Eindruck vermitteln, für welche Branchen und welche Arten von Unterneh-men die Entwicklung hin zu Industrie 4.0, Wertschöp-fungsnetzwerken und RAMI 4.0 von besonderer Rele-vanz sein wird.

130

125

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95

902011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Netzwerk Industrie Hessen

Netzwerk Industrie Deutschland

Verarbeitendes Gewerbe Hessen

Finanzdienstleistungen Hessen

Handel Hessen

Abbildung 1: Entwicklung der SVB im Netzwerk Industrie und den Unterbranchen in Deutschland und Hessen (Index 2011=100) (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Darstellung; folgende Zusammenstellungen von WZ08-Codes wurden genutzt: Netzwerk Industrie: 10 bis 33, 37, 38, 39, 46, 492, 494, 495, 502, 504, 512, 521, 53, 61, 62, 63, 64, 691, 692, 70, 712, 72, 73, 77, 78, 80, 81, 82;Verarbeitende Gewerbe: 10 bis 33; Finanzdienstleistungen: 64; Handel: 45, 46, 47.)

Jahr

Wachstumsindex

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chen darüber hinaus von (teilweise) sehr großen globa-len Akteuren dominiert. Dies führt dazu, dass in diesen Unterbranchen Standards auch und gerade in Bezug auf die Digitalisierung eher top down eingeführt wer-den als dass sie bottom up durchsetzbar wären, da die kleineren Unternehmen hier recht stark von einigen wenigen Endabnehmern abhängen und unter anderem auch ihre Digitalisierungsanstrengungen im Einklang mit den Anforderungen der Großkunden durchführen. Mit Blick auf RAMI 4.0 kann man also davon ausgehen, dass die Ausgestaltung des Modells in einigen Bran-chen hauptsächlich von einigen wenigen großen Akteu-ren getrieben wird.

Wesentliche Unterbranchen des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen, deren Struktur erheblich fragmen-tierter ist, sind die Herstellung von Metallerzeugnissen und der Maschinenbau. Hier finden sich oft sehr kleine, hochspezialisierte Nischenanbieter. Teilweise können solche Firmen eigene Lösungen am Markt durchset-zen, insbesondere wenn es sich dabei um Lösungen mit besonders hohem Mehrwert für die Anwender handelt. Die allermeisten der Unternehmen in diesen Unter-branchen des Verarbeitenden Gewerbes stellen jedoch Komponenten her. Sie sollten sich möglichst frühzeitig um Industrie 4.0 und gerade um RAMI 4.0 kümmern, da ihre Produkte sich mittelfristig in komplexe Wertschöp-fungsnetzwerke einordnen werden müssen. Weiterhin können sie am ehesten von neuen Geschäftsmodellen innerhalb der Industrie 4.0 profitieren oder durch sol-che von Wettbewerbern unter Druck geraten.

Zunächst lohnt es sich, einen Blick auf die Gesamtver-teilung der Unterbranchen des Netzwerks Industrie zu werfen. Es zeigt sich, dass das Verarbeitende Gewerbe basierend auf den Zahlen aus 2015 mit rund 17 % aller Unternehmen des Netzwerks Industrie in Hessen einen deutlich kleineren Anteil als die industrienahen Dienst-leistungen innerhalb des Netzwerks Industrie hat, die immerhin rund 57 % der hessischen Unternehmen aus-machen. Aus dem Entwicklungspfad (Abbildung 1) und der Verteilung der Anteile innerhalb des Netzwerks Industrie wird klar, dass der Verbund mit den industrie-nahen Dienstleistungen sehr wichtig ist, um den indus-triellen Kern, also das Verarbeitende Gewerbe, in Hes-sen zu stärken. So können positive Wachstumsimpulse verstetigt werden.

Die Digitalisierung ist dabei Mittel zum Zweck. Sie schafft letztlich die Voraussetzungen für eine erfolgrei-che Verknüpfung der Angebote zwischen Verarbeiten-dem Gewerbe und industrienahen Dienstleistungen. Je nach Unterbranche des Verarbeitenden Gewerbes erscheint es wahrscheinlich, dass sich die Herange-hensweise an Digitalisierung und Industrie 4.0 unter-scheiden wird. Einige Unterbranchen wie insbesondere die Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus, die Herstellung von chemischen Erzeugnissen, phar-mazeutischen Erzeugnissen, Gummi- und Kunststoff-waren sowie Kraftwagen und Kraftwagenteilen weisen ein deutliches Übergewicht an vergleichsweise gro-ßen Unternehmen (50 und mehr Mitarbeiter) innerhalb von Hessen auf. Insgesamt werden diese Unterbran-

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Betriebe Unternehmen

Wirtschaftszweig   Ins-gesamt 0-9

10 bis 49

50 bis 249

250 oder mehr

Ins-gesamt 0-9

10 bis 49

50 bis 249

250 oder mehr

Verarbeitendes Gewerbe (WZ08-C)

Anzahl 17.706 13.593 2.749 1.057 307 17.039 13.163 2.635 953 288

% an NI 16,88 % 12,96 % 2,62 % 1,01 % 0,29 % 17,36 % 13,41 % 2,68 % 0,97 % 0,29 %

Abfall- und Wasserentsorgung(WZ08-37/38/39)

Anzahl 816 551 194 64 7 720 509 158 45 8

% an NI 0,78 % 0,53 % 0,18 % 0,06 % 0,01 % 0,73 % 0,52 % 0,16 % 0,05 % 0,01 %

Großhandel (WZ08-46)

Anzahl 14.942 12.479 1.904 488 71 13.828 11.737 1.608 397 86

% an NI 14,25 % 11,90 % 1,82 % 0,47 % 0,07 % 14,09 % 11,96 % 1,64 % 0,40 % 0,09 %

Logistik und Kurierdienste WZ08-49.20/49.4/ 49.50/50.20/50.40/51.2/52.10/53)

Anzahl** 5.658 — — — — 5.041 — — — —

% an NI 5,39 % — — — — 5,14 % — — — —

IKT (WZ08-61/62/63)

Anzahl 11.558 10.502 778 240 38 10.804 9.925 653 184 42

% an NI 11,02 % 10,01 % 0,74 % 0,23 % 0,04 % 11,01 % 10,11 % 0,67 % 0,19 % 0,04 %

Industrienahe Dienstleistungen und Entwicklung WZ08-64/69.10/ 71.1/71.20/70/72/ 73/77/78/80/81/82)

Anzahl*** 54.203 — — — — 50.737 — — — —

% an NI 56,84 % — — — — 57,07 % — — — —

Netzwerk Industrie Anzahl** 104.883 — — — — 98.169 — — — —

% an Hessen

35,92 % — — — — 36,01 % — — — —

Hessen Anzahl* 291.966 — — — — 272.617 — — — —

NI = Netzwerk Industrie

* Größenklasse 250 und mehr nicht besetzt** Werte für Größenklassen sind nicht vollständig kongruent ausweisbar*** Zusammenstellung aus den Werten für 4-Steller ergänzt um 2-Steller je nach Verfügbarkeit, Werte für Größenklassen sind nicht

vollständig kongruent ausweisbar

Tabelle 1: Anzahl der Betriebe und Unternehmen im Jahr 2015 im Netzwerk Industrie in Hessen (veröffentlicht 2018) (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (2018), eigene Berechnung und Darstellung)

10

Während die zweite industrielle Revolution durch die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion mit Hilfe elektrischer Energie und die dritte Revolution durch den Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automa-tisierung der Produktion getrieben worden sind, gel-ten Cyber-Physische Produktionssysteme (CPPS) als die Basis von Industrie 4.0. Cyber-Physische Systeme (CPS) sollen die Verbindung zwischen der physischen und der virtuellen Welt schaffen, indem sie über eine Datenin-frastruktur, das „Internet der Dinge“, kommunizieren. Basis dafür wiederum sind die sogenannten Embedded Systems, die geprägt werden durch die Integration von Kleinstcomputern und die verstärkte Nutzung von Sen-sorik.9

Industrie 4.0 sieht die vollständige Vernetzung des Wertschöpfungsprozesses vor, unabhängig davon, wie viele Akteure darin eingebunden sind und ob diese strukturiert oder ad hoc zusammenarbeiten. Entschei-dend für die Realisierung von Industrie 4.0 wird es sein, dass alle physischen Bestandteile der Produktion sowie das Produkt selbst miteinander in einer Sprache kom-munizieren können. Das schließt von der einzelnen Komponente über Baugruppen bis hin zur komplet-ten Anlage alle Teile ein. Der resultierende permanente Datenstrom ermöglicht eine ständige Planung und Steuerung in automatisierter Form. Daten lassen sich vertikal über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen hinweg ebenso miteinander verknüpfen wie horizontal zwischen den Akteuren des Wertschöpfungsnetzwerks. Ermöglicht wird dieses in erster Linie durch Cloud-Tech-nologien.10

Im Zentrum der Diskussionen um Industrie 4.0 steht die Produktion. Von daher ist eines der Kernelemente von Industrie 4.0 auch die intelligente Fabrik – Smart Factory. Hier steht die Vernetzung von autonomen, sich situativ selbst steuernden, sich selbst konfigurierenden, wis-sensbasierten, sensorgestützten und räumlich verteilten Produktionsressourcen im Mittelpunkt. Die Beschäftig-ten sind regulativ, steuernd und gestaltend aktiv und übernehmen so die entscheidende qualitätssichernde Rolle. Komplexität wird in der Smart Factory beherrsch-bar, die Aktivitäten sind flexibler und gleichzeitig effizi-enter im Sinne der kundenspezifischen Fertigung. Die Logik der Produktion ist in Hinblick auf folgende Punkte neu: Die Produkte sind jederzeit identifizierbar und lokalisierbar. Die Historie der Produkte ist bekannt, ebenso ihr Ist-Zustand sowie verschiedene Möglichkei-ten zur Erreichung des Zielzustandes.

9 Vgl. McKinsey (2015).10 Vgl. PwC (2014).

3 GRUNDLAGEN ZU WERTSCHÖPFUNGSNETZ-WERKEN IM KONTEXT VON INDUSTRIE 4.0

3.1 Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 wurde erstmalig im Rahmen der Hannover Messe 2011 formuliert.8 Heute steht er für die umfassende Digitalisierung und Vernetzung der deutschen Industrie. Das Verständnis des Begriffs ist aber uneinheitlich. Tabelle 2 gibt einen Überblick über verschiedene Begriffsverständnisse von Industrie 4.0.

Es zeigt sich, dass durchaus unterschiedliche Schwer-punkte in der Begriffsbeschreibung gesetzt werden, die in der Tabelle kenntlich gemacht sind. Allen gemein-sam scheint die Möglichkeit der Steuerung der Wert-schöpfungskette über den Lebenszyklus von Produk-ten hinweg mit einer Orientierung an individualisierten Kundenwünschen. Dabei reicht der Lebenszyklus eines Produkts grundsätzlich von der Entwicklung bis hin zur Nutzung und Wartung und endet mit einem Ver-schwinden des Produkts vom Markt. Die Steuerung wird dadurch möglich, dass durch die Vernetzung aller Ins-tanzen der Wertschöpfung und die Auswertung und Optimierung anhand der erhobenen Daten eine Ver-fügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit besteht. So ergeben sich Chancen zur Steigerung der Effizienz und zur Optimierung des eigenen bestehen-den Geschäftsmodells.

Darüber hinaus eröffnet Industrie 4.0 das Potenzial, durch die Vernetzung von Produkten, Produktion und Dienstleistungen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu etablieren. Eine der ganz großen Herausforde-rungen, auf die im Laufe der Studie noch weiter ein-gegangen wird, besteht darin, die Potenziale für das eigene Unternehmen zu erkennen und zu bewerten.

8 Vgl. Deloitte (2016). Industrie 4.0 im Mittelstand, S. 5.

Industrie 4.0 beschreibt die umfassende Digitali-sierung und Vernetzung der deutschen Industrie, die alle Instanzen der Wertschöpfung umfasst. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Verbindung von realer und virtueller Welt. Wertschöpfungsnetz-werke gelten als eine Möglichkeit der effizienten Wertschöpfung durch eine unternehmensübergrei-fende Vernetzung. Das Modell RAMI 4.0 soll dazu dienen, verschiedenen Branchen und Akteuren die Kommunikation und Zusammenarbeit durch die Ver-ankerung von Standards und Schaffung von Schnitt-stellen zu erleichtern.

11

15 PWC (2014), S. 10.16 Staufen AG (2015). Deutscher Industrie 4.0 Index 2015,

Köngen, S. 4.17 ZEW (2015). IKT-Report – Unternehmensbefragung zur Nut-

zung von Informations- und Kommunikationstechnologien, Mannheim, S. 1.

11 acatech (2016). Kompetenzentwicklungsstudie Industrie 4.0 – Erste Ergebnisse und Schlussfolgerungen, München, S. 26.

12 IW Köln/IW Consult (2016). Wohlstand in der digitalen Welt. Erster IW-Strukturbericht, Köln, S. 21.

13 Diegner, B. (2014). Plattform Industrie 4.0, Gesamtüberblick Stand 2014-06, S. 11.

14 Mc Kinsey (2015), S. 7.

Tabelle 2: Begriffsverständnis von Industrie 4.0 (Darstellung unter Verwendung der angegebenen Quellen und Hervorhebung der unterschiedlichen Schwerpunkte)

Studie Begriff

acatech (2016)11 „Der Terminus bezeichnet einen tiefgreifenden ökonomischen Paradigmenwechsel, der die Entwicklung hochflexibler Wertschöpfungsketten, neuer Geschäftsmodelle und innovativer Services beschreibt. Kennzeichen der Industrie 4.0 sind die Fertigung individualisierter Produkte bis hin zu Losgrößen eins unter den Bedingungen einer hochflexibilisierten Produktion sowie die Entwicklung von Verfahren zur Selbstoptimierung, -konfiguration und -diagnose.“

IW Köln/ IW Consult (2016)12

„(…) vertikale und horizontale Vernetzung von Wertschöpfungsketten und eine teilautonome Selbststeuerung der Prozesse.“

Plattform Industrie 4.013 „Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. (…) Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitopti-mierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, (…).“

McKinsey (2015)14 “(…) McKinsey defines Industry 4.0 as digitization of the manufacturing sector, with embedded sensors in virtually all product components and manufacturing equipment, ubiquitous cyberphysical systems, and analysis of all relevant data.“

PwC (2014)15 „Industrie 4.0 umfasst nicht nur die Digitalisierung und Vernetzung der horizontalen und vertikalen Wertschöpfungsketten, sondern wird auch das Produkt- und Serviceangebot der Unternehmen revolutionieren und zur Umsetzung neuer, oftmals disruptiver digitaler Geschäftsmodelle führen.“

Staufen AG (2015)16 „(…) internetgestützte Vernetzung von Objekten, Maschinen und Menschen in Echtzeit (…)“

ZEW (2015)17 „(…) umfassende Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen, ausgehend von der Kundenbestellung, über den Erstellungsprozess, bis hin zu nachgelagerten Produktdienstleistungen.“

12

senschaft und Politik. Gemeinsam werden Handlungs-empfehlungen, die als Basis für einheitliche und verläss-liche Rahmenbedingungen dienen sollen, erarbeitet und eine Forschungsagenda entwickelt. Die Plattform ist nicht operativ tätig, betreibt also keine Demonstrati-onszentren, Forschungsprojekte oder unternehmens-getriebenen Projekte, initiiert und begleitet diese aber. Gleichermaßen gilt für die Standardisierungsarbeit, dass die Plattform nicht die Gremienarbeit übernimmt. Sehr wohl sollen aber Handlungsbedarfe für Normen und Standards benannt und aktiv Empfehlungen für die nationale und internationale Gremienarbeit ausgespro-chen werden.22

3.2 Wertschöpfungsnetzwerke

Obwohl sich die Definitionen und das Verständnis von Industrie 4.0 in einzelnen Details unterscheiden, haben alle Varianten einen starken Fokus auf die Vernetzung als gemeinsames Element. Dabei lässt sich unterschei-den zwischen der horizontalen und der vertikalen Ver-netzung. Die vertikale Vernetzung findet in erster Linie im Unternehmen statt, entweder innerhalb einer Abtei-lung oder zwischen den Abteilungen. Die horizon-tale Vernetzung bezeichnet die unternehmensüber-greifende Zusammenarbeit, bei der die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens mit externen Unter-nehmen zusammenarbeiten (Abbildungen 2 und 3). Ein Wertschöpfungsnetzwerk ist entsprechend gekenn-zeichnet „durch komplexe wechselseitige Beziehungen zwischen autonomen, rechtlich selbständigen Akteuren. Es bildet eine Interessengemeinschaft von potenziellen Wertschöpfungspartnern, die bei Bedarf in gemeinsa-men Prozessen interagieren. Die Entstehung von Wert-schöpfungsnetzwerken ist auf nachhaltigen ökonomi-schen Mehrwert ausgerichtet.“23

Kleine und mittlere Unternehmen gehören oft mehreren Netzwerken an, in denen sie dann wiederum auftragsspe-zifisch Produktionsgemeinschaften bilden. Diese hoch-dynamische Organisation ermöglicht eine erhöhte Fle-xibilität und eine schnelle Anpassung und Orientierung an Marktentwicklungen und Kundenanforderungen.

22 Vgl. http://www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/Plattform/Plattform-Industrie-40/plattform-industrie-40.html, Abruf 09.05.2018.

23 Kagermann, H.; Wahlster, W. & Helbig, J. (2013). Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern: Umsetzungsempfehlun-gen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, S. 87.

In zahlreichen Umfragen wird dem Themenkomplex Industrie 4.0 eine wachsende Bedeutung bescheinigt. 80 % der Unternehmen im Mittelstand gehen davon aus, dass das Thema Industrie 4.0 für sie in den kommenden Jahren wichtiger wird und von strategischer Bedeutung für die Unternehmen ist.18 Die gegenwärtigen Aktivitä-ten im Mittelstand fokussieren sich in erster Linie auf Fra-gen der Optimierung und Automatisierung von Prozes-sen sowie der Vernetzung von Systemen. Ebenso werden neue Technologien implementiert und IT wird standardi-siert.19 Diese Aktivitäten stellen erste wichtige Schritte in Richtung Industrie 4.0 dar, bedürfen in den kommenden Monaten und Jahren aber einer weiteren Intensivierung, um die Potenziale, die Industrie 4.0 offeriert, auch wirk-lich auszuschöpfen und nutzbar zu machen.

Diese Bewertungen decken sich mit der Einschätzung, dass die wirtschaftlichen Potenziale von Industrie 4.0 durchweg positiv sind. Dennoch sind solche Prognosen mit Unsicherheiten behaftet und die exakten Effekte variieren erheblich. Diese Varianz kann zum einen auf unterschiedliche Begriffsverständnisse von Industrie 4.0 zurückgeführt werden und zum anderen auf die zugrun-deliegenden anzunehmenden Technologien und ihre Kombinationen.20 Es gibt Schätzungen für Einsparpo-tenziale im Bereich der Produktion, die unter anderem Komplexitätskosten, Fertigungs-, Logistik- und Quali-tätskosten umfassen, die zwischen zehn und 70 % lie-gen.21 Zentrale Herausforderung für den Mittelstand wird sein, aus den Potenzialen individuell realisierbare Schritte abzuleiten.

Das Thema Industrie 4.0 kann in der (Fach-)Öffentlich-keit an verschiedenen Stellen wahrgenommen werden und wird von verschiedenen Akteuren vertreten. Einer der zentralen Akteure in Deutschland ist die Plattform Industrie 4.0 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie des Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung (BMBF). Sie wurde mit dem Ziel der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Produkti-onsstandorts Deutschland initiiert. Dabei sind insbeson-dere die Rolle Deutschlands bei der Standardisierung und die Gestaltung der Arbeitswelt mit Industrie 4.0 von Bedeutung. Stakeholder sind die Unternehmen und ihre Belegschaft, Gewerkschaften, Verbände sowie Wis-

18 Vgl. Deloitte (2016), S. 8 bzw. 15.19 ebd., S. 9. 20 Vgl. Schröder, C. (2016). Herausforderungen von Industrie 4.0

für den Mittelstand, Bonn, S. 9.21 Dabei ließen sich die Komplexitätskosten am stärksten (60-70 %)

senken, wohingegen das Einsparpotenzial der Fertigungs-, der Logistik und der Qualitätskosten je bei 10-20 % liegt. Das Potenzial der Instandhaltungskosten wird auf 20-30 % und das der Bestandskosten auf 30-40 % geschätzt. Vgl. Schröder, C. (2016), S. 10, nach Bauernhansl, T.

13

Abbildung 2: Horizontales Wertschöpfungsnetzwerk (Quelle: Kagermann et al. (2013), S. 26)

23,1 %

28,7 %

25,8 %

14,1 %

23,0 %

27,4 %

12,1 %

12,6 %

10,3 %

19,6 %

1,1 %

8,7 %

5,3 %

4,7 %

9,1 %

10,5 %

8,7 %

6,8 %

12,6 %

14,4 %

4,9 %

2,4 %

3,2 %

1,6 %

0,7 %

1,3 %

1,6 %

9,8 %

4,2 %

7,4 %

4,2 %

0,8 %

3,8 %

2,7 %

3,9 %

2,2 %

4,8 %

1,2 %

1,3 %

1,8 %

4,4 %

1,5 %

14,4 %

Abbildung 3: Vernetzung nach Geschäftsbereichen und externen Partnern (Quelle: IfM Bonn in: Icks et al. (2017), S. 27)

Produktion

Vertrieb

Einkauf

Personal

Logistik

Controlling

FuE*

Zulieferer(Service)-

dienstleisterForschungs-

partner Erstausrüster Sonstige

Exte

rne

Unt

erne

hmen

* FuE treibende Unternehmen

ProduktionEngineering

Lieferanten und Unterauftragnehmer

Produktion

Engineering

Marketing und Sales

ProduktionEngineering

Marketing und Sales

Externer Designer

KPI

Marketing und Sales

Betrieb 2

Betrieb 3

Betrieb 1

Management und Planung

14

Zulieferer. Knapp die Hälfte der unternehmensübergrei-fend vernetzten Unternehmen sind dabei in ein oder zwei Abteilungen beteiligt. Die detaillierte Betrachtung in Abbildung 3 zeigt, dass insbesondere die vertriebs-seitige Vernetzung mit Zulieferern und Service-Dienst-leistern eine hohe Bedeutung hat. Hier scheinen Ver-triebskanäle der Partner von Bedeutung zu sein und Kenntnisse zum Produkt an den Vertrieb transferiert zu werden. Ähnlich häufig findet eine horizontale externe Vernetzung im Bereich des Controlling statt. In die-sem Fall sind Dienstleister ebenfalls begehrte Partner. Zu den Controlling-Aufgaben zählen nicht nur Informa-tions- und Dienstleistungsaufgaben, sondern ebenso Planungs- und Steuerungsfunktionen. Vermutlich fin-det hier eine Zusammenarbeit mit Steuerberatern, Soft-wareanbietern oder Unternehmensberatern, aber auch Anbietern von Cloud-Lösungen zur Verarbeitung der umfangreichen Datenmengen statt. Knapp ein Viertel der befragten Unternehmen hat den Einkauf, die Pro-duktion oder die Logistik unternehmensübergreifend vernetzt. Bei der Vernetzung von Produktion und Ein-kauf spielt insbesondere die Verbindung zum Zulieferer eine Rolle und Effizienzvorteile einer schnellen Produk-tion stehen im Vordergrund.29

Weiter zeigt die Studie des Instituts für Mittelstands-forschung, dass der Vernetzungsgrad in aller Regel mit der Größe des Unternehmens korreliert. Je größer das Unternehmen, desto höher das Vernetzungsniveau. Als Treiber der externen Vernetzung wird an erster Stelle das Heben von Effizienzvorteilen gesehen. Dazu zählt in erster Linie die Optimierung von Produktionsprozes-sen. Die diesbezüglichen Potenziale basieren auf der Verfügbarkeit von Prozessdaten, die sich auswerten las-sen, um Schwachstellen zu erkennen und gegebenen-falls zu nutzen oder zu beseitigen. Ein weiterer wichtiger Treiber der externen Vernetzung ist die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen.30 Auch lassen sich die Auslastungen der Produktionsanlagen verbes-sern und gegebenenfalls Lagerkosten einsparen. Letzt-lich zielt die Realisierung von komplexen Wertschöp-fungsnetzwerken innerhalb der Industrie 4.0 auf die Ermöglichung und Durchsetzung innovativer Geschäfts-modelle, die wesentlich stärker auf Dienstleistungsele-mente setzen, als dies bisher schon der Fall ist.

Gebremst werden die Bestrebungen nach externer Ver-netzung häufig durch die damit verbundenen Kosten. Gerade dem Mittelstand scheint häufig nicht ersichtlich, in welchem Maße der Nutzen die Kosten zu überstei-gen vermag. Darüber hinaus scheut man den organisa-torischen Aufwand und fürchtet Daten- und Rechtsunsi-cherheiten. Weitere Hemmnisse sind das Fehlen eines geeigneten Vernetzungspartners und auch das man-gelnde Bewusstsein, dass die externe Vernetzung und das Engagement in einem Wertschöpfungsnetzwerk eine Möglichkeit sein mag, um den Anforderungen der Industrie 4.0 zu begegnen.31

29 Vgl. Icks et al. (2017), S. 25 ff.30 ebd, S. 29.31 ebd, S. 31.

Wertschöpfung bezeichnet dabei den Wert, den ein produzierendes Unternehmen durch seine wirtschaft-lichen Aktivitäten schafft. Rechnerisch handelt es sich um die Differenz zwischen dem Wert des Outputs (Pro-duktionswert) und dem Wert der Inputs (Vorleistun-gen, Abschreibungen, Steuern etc.). Wertschöpfung im Unternehmen erfolgt auf verschiedenen Stufen. Diese reichen von der internen Logistik und der Produktion über die externe Logistik, das Marketing und den Ver-kauf bis hin zu Dienstleistungen rund um das fertige Produkt. Häufig wird auch noch das Recycling mit ein-bezogen. Diese Verbindung von Stufen nennt sich Wertschöpfungskette und wird begleitet von Unter-stützungsaktivitäten, die den Wertschöpfungsprozess ergänzen. Dazu zählen die Infrastruktur des Unterneh-mens, das Human Ressource Management, die Techno-logie-Entwicklung und Beschaffung.24

Ziele der externen Vernetzung sind die Realisierung von Effizienzgewinnen, zum Beispiel durch die Synchronisie-rung von Lieferketten, die Verkürzung von Produktions-zeiten und die Beschleunigung von Innovationszyklen.25

Gerade der Mittelstand ist seit jeher durch die Koope-ration von Unternehmen geprägt. Durch die Zusam-menarbeit lässt sich eine virtuelle Größe erreichen, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöht.26 Im Zuge von Industrie 4.0 tritt als neue Größe nun der permanente Datenaustausch der an der Wertschöpfung beteilig-ten Unternehmen hinzu. Dieser Datenaustausch erfolgt vertraglich vereinbart über virtuelle Plattformen. Er basiert in aller Regel auf Rahmenvereinbarungen, die die Unternehmen geschlossen haben, um Standard-produktionsvorgänge automatisiert auszuführen und abzurechnen.27 Um solche Verträge wirksam zu gestal-ten und den eigenen Vorteil zu wahren, müssen Unter-nehmen intern genug Wissen zu Daten und ihren mög-lichen Verwendungszwecken aufbauen, so dass sie die kurzfristigen und langfristigen Folgen des Datenaus-tauschs bewerten können.

Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung zeigt, dass rund 50 % der befragten mittelständischen Unter-nehmen in Deutschland mit mindestens einem externen Partner vernetzt sind.28 Die häufigste Form der Vernet-zung ist die mit einem externen Dienstleister, ähnlich häufig ist der automatisierte Datenaustausch mit einem

24 Vgl. zum Konzept der Wertschöpfungskette Porter, M. E. (2014). Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage). Spitzenleistun-gen erreichen und behaupten (8. Auflage), Frankfurt am Main, S. 61 ff.

25 Vgl. Bloching et al. (2015). Die Digitale Transformation der Industrie, München/Berlin, S. 19.

26 Vgl. Theurl, T. & Schweinsberg, A. (2004). Neue kooperative Ökonomie, Tübingen, S. 4 ff.

27 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2013). Zukunftsbild „Industrie 4.0“, Bonn, S. 20.

28 Dieser Befund lässt sich auch in Hessen zeigen. In etwa die Hälfte der hessischen Unternehmen der Gewerblichen Wirt-schaft sind mit ihren Geschäftskunden und Lieferanten digital vernetzt. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Ver-kehr und Landesentwicklung (Hrsg.) (2018). Monitoring Report Wirtschaft DIGITAL 2017: Hessen, Wiesbaden, S. 68.

15

CPS mit verteilten Diensten

MES als zentrale Plattform

Zentrale Verbindung zwischen Office und Shop Floor

Offenes Grundkonzept der IoT-Plattform

RAMI 4.0

IIRA

Digitale Durchgängigkeit

IT-Sicherheit

Allgemeingültigkeit

Flexibilität

Smart Service-Fähigkeit

Transformationsfähigkeit

nich

t erf

üllt

teilw

eise

erf

üllt

voll

erfü

llt

Anforderungen

Erfüllungsgrade der Modelle

Abbildung 4: Referenzarchitekturen im Überblick (Quelle: Dumitrescu et al. (2015), S. 23)

3.3 RAMI 4.0

Die Komplexität und Dynamik von Industrie 4.0 und die damit verbundene horizontale externe Vernetzung in Wertschöpfungsnetzwerken brauchen Standards. Es sind Prozesse und Schnittstellen erforderlich, die die Zusammenarbeit und die auszutauschenden Informa-tionen festlegen. Eine Referenzarchitektur bezeichnet dabei die technische Beschreibung und Umsetzung dieser Vereinbarungen. Sie liefert damit ein allgemei-nes Muster für die Produkte und Dienstleistungen aller zusammenarbeitenden Unternehmen und bildet den Rahmen sowohl für die Strukturierung als auch die Ent-wicklung, Integration und den Betrieb der relevanten technischen Systeme. Ein Wertschöpfungsnetzwerk besteht aus unterschiedlichsten Firmen mit verschie-denen Geschäftsmodellen. Der Referenzarchitektur kommt die Aufgabe zu, die unterschiedlichen Sichtwei-sen zusammenzuführen zu einer gemeinsamen und ein-heitlichen Sichtweise. Dazu ist es erforderlich, sich auf grundlegende Strukturierungsprinzipien sowie Schnitt-stellen und Daten zu einigen.32

Die Anforderungen an ein Referenzarchitekturmodell für die Industrie 4.0 sind hoch. In verschiedenen Schrit-ten ist im Zuge der Zusammenarbeit der Verbände Bit-kom, VDMA, ZVEI und VDI mit Beteiligung verschiede-ner Forschungseinrichtungen sowie Partnern aus der

32 Vgl. Kagermann et al. (2013), S. 43.

Wirtschaft unter Koordination der Arbeitsgruppe „Refe-renzarchitekturen, Standards und Normung“ der Platt-form Industrie 4.0 das Referenzarchitekturmodell Indus-trie 4.0 entwickelt worden. Der Zweck des gemeinsamen Modells war die Entwicklung eines branchenübergrei-fenden Verständnisses, welche Standards, Normen usw. für Industrie 4.0 notwendig sind. RAMI 4.0 soll als Refe-renz dienen, anhand derer Zusammenhänge branchen-übergreifend diskutiert werden können.

Verschiedene andere Referenzarchitekturen wurden und werden von Verbänden und Unternehmen unterschied-lichster Interessenlagen diskutiert. Die Abbildung 4 gibt einen Überblick zur Bewertung der verschiedenen Vor-schläge hinsichtlich der sechs Bewertungskriterien Digi-tale Durchgängigkeit, IT-Sicherheit, Allgemeingültigkeit, Flexibilität, Smart Service-Fähigkeit und Transformations-fähigkeit. Es zeigt sich, dass das RAMI 4.0 in Hinblick auf die Erfüllung dieser Kriterien den anderen Modellen überlegen ist.33

RAMI 4.0 bildet die wesentlichen Aspekte von Indus- trie 4.0 ab. Neben der vertikalen Integration inner-halb der Fabrik bezieht es auch das Produkt mit ein. Die gesamte Wertschöpfungskette wird abgebildet, so dass technische, administrative und kommerzielle Daten

33 Dumitrescu et al. (2015), S. 23.

16

verschiedenen Funktionen. Die Informationsschicht beschreibt Regeln und den Zugriff auf ereignisbe-zogene Daten. Die Kommunikationsschicht hat die Aufgabe der Vereinheitlichung der Kommunika-tion unter Verwendung eines einheitlichen Daten-formats. Die Integrationsschicht enthält Aktivitäten, die den Übergang von der physischen in die digi-tale Welt vollziehen. Die Industrie 4.0-Komponente besteht aus einem oder mehreren realen Gegen-ständen (Assets) und einer virtuellen Realität bzw. IT-technischen Beschreibung (der sogenannten Verwaltungsschale35). Durch diese IT-technische Beschreibung wird ein Gegenstand im Wertschöp-fungsprozess eindeutig identifizierbar und, soweit eine Kommunikationsadresse vorhanden ist, auch ansprechbar. Letztlich benötigt jeder Gegenstand in der Industrie 4.0 eine Verwaltungsschale, um ein-gebunden werden zu können. Im vorhergehenden Abschnitt wurde kurz auf die Bedeutung Cyber-Phy-sischer Systeme im Kontext von Wertschöpfungs-netzwerken eingegangen. Letztlich stellt die Indus-trie 4.0-Komponente eine Spezialisierung dieser dar.36 Die Gegenstandsschicht repräsentiert die Realität, dabei zählt neben physischen Gegenstän-den auch der Mensch.

35 Die Verwaltungsschale ist damit das Interface zwischen der I4.0 Kommunikation und dem Asset, sie speichert sämtliche Infor-mationen und Daten zum Asset und ist eine standardisierte Kommunikationsschnittstelle. Vgl. Plattform Industrie 4.0 (2016). Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) – Eine Einführung, S. 17.

36 Vgl. Adolphs et al. (2015), S. 18.

auch über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg konsistent gehalten werden und jederzeit abrufbar sind. Ein dritter Aspekt ist die Einbeziehung von Wert-schöpfungsnetzwerken, die über den einzelnen Fabrik- standort hinausgehen und dadurch letztlich der Dyna-mik dieser Wertschöpfung nachkommen. Das Referenz-architekturmodell RAMI 4.0 ist ein dreidimensionales Modell (siehe dazu auch Abbildung 5, bzw. als engli-sche Version in Abbildung 7):

� In der senkrechten Achse werden die unterschied-lichen Sichtweisen für die IT-Repräsentanz eines Gegenstandes (Assets) als Layers/Schichten darge-stellt.34 Zu den Schichten zählen die Geschäftsschicht, die Funktionsschicht, die Informationsschicht, die Kommunikationsschicht, die Integrationsschicht und die Gegenstandsschicht.

Die Geschäftsschicht beschäftigt sich mit der Orga-nisation und den Geschäftsprozessen. Dazu zählen unter anderem die Sicherstellung der Integrität der Funktionen in der Wertschöpfungskette, die Abbil-dung der Geschäftsmodelle, rechtliche und regu-latorische Rahmenbedingungen sowie die Model-lierung von Regeln, denen das Gesamtsystem zu folgen hat. Die Funktionsschicht fokussiert auf die formale Beschreibung von Funktionen und bietet eine Plattform für die horizontale Integration der

34 Vgl. dazu und im Folgenden Adolphs, P. et al. (2015). Statusre-port: Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0), S. 8 f.

Hierarchieebenen

IEC 62264//IEC 61512

Geschäftsschicht

Funktionsschicht

Informationsschicht

Kommunikationsschicht

Integrationsschicht

Gegenstandsschicht

Lebenszyklus und WertschöpfungsketteIEC 62890

Vernetzte WeltUnternehmen Technische Anlage Steuereinheit

StationFeldgerät Produkt

Entwicklung NutzungWartung ProduktionTyp

Instanz

NutzungWartung

Abbildung 5: Referenzarchitekturmodell für die Industrie 4.0 (RAMI 4.0) (Quelle: In Anlehnung an Plattform Industrie 4.0 und ZVEI, deutsche Begrifflichkeiten aus DIN SPEC 91345)

Schichten

17

� Ansatz für die Realisierung einer Kommunikations-schicht

� OPC UA: Basis IEC 62541

� Ansatz für die Realisierung der Informationsschicht

� IEC Common Data Dictionary (IEC 61360 Series/ISO 13584-42)

� Merkmale, Klassifikation und Werkzeuge nach eCl@ss

� Electronic Device Description (EDD) � Field Device Tool (FDT)

� Ansatz für die Realisierung von Funktions- und Infor-mationsschicht

� Field Device Integration (FDI) als Integrations-technologie

� Ansatz für das durchgängige Engineering

� AutomationML � ProSTEP iViP � eCl@ss (Merkmale)

Es zeigt sich, dass durchaus schon Standards und Nor-men vorhanden sind, es aber auch noch Erweiterungs- und Modifizierungsbedarf gibt. Auch ist erkennbar, dass es Überschneidungen gibt. Das Ziel sollten mög-lichst wenige Standards sein, die über die Branchen hin-weg für Industrie 4.0 Gültigkeit besitzen.

Das Modell erhebt nicht den Anspruch einer zeitglei-chen Umsetzung aller Aspekte, sondern erlaubt durch die Zerlegung von Aufgaben und Abläufen eine sukzes-sive Migration aus der heutigen Welt in die Industrie 4.0. Die bis hier skizzierten Diskussionen beziehen sich auf Deutschland. Gleichwohl lassen sich Entwicklungen wie Industrie 4.0 und RAMI 4.0 nicht national begrenzen. Die Plattform Industrie 4.0 steht dabei in Verbindung mit andern internationalen Gremien, um zum einen den Austausch zu fördern und zum anderen auch die Intero-perabilität der Modelle herzustellen. Diese ist zwingend erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der deut-schen Unternehmen sicherzustellen.39 Im Jahr 2016 wurde beispielsweise eine Roadmap mit dem Industrial Internet Consortium (IIC) abgesteckt, um die jeweiligen Referenzarchitekturmodelle miteinander kompatibel zu machen.

39 Vgl. http://www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/In-der-Pra-xis/Internationales/Kooperationen/Kooperation-IIC/koopera-tion-iic.html, Abruf 09.05.2018.

� Die waagerechte Achse verortet den Produktlebens-zyklus mit den enthaltenen Wertschöpfungsketten. Dabei unterscheidet das Modell zwischen Typ und Instanz. Der sogenannte Typ entsteht mit der ers-ten Idee eines Produktes. Dazu zählt die Entwick-lung samt Prototypenfertigung und Tests. Erst wenn alle Tests und Validierungen abgeschlossen sind, wird der Typ für die Serienproduktion freigegeben. Jedes Produkt, das auf dieser Basis gefertigt wor-den ist, stellt nun eine sogenannte Instanz des Typs dar, bekommt eine Seriennummer, wird vertrieben und an den Kunden geliefert. Für den Kunden wie-derum gelten die Produkte zunächst als Typen; erst wenn sie in eine Anlage eingebaut werden, werden sie zur Instanz. Sowohl Typ als auch Instanz unterlie-gen damit einer Nutzung und Pflege. Effizienz ent-steht durch die Verknüpfung von Einkauf, Auftrags-planung, Montage, Logistik, Maintenance, Kunde, Zulieferer etc. Die Betrachtung der Wertschöpfungs-prozesse über den Lebenszyklus ermöglicht so zum Beispiel die durchgängige Datenerfassung.

� Die dritte Achse bildet die Hierarchieebenen mit den unterschiedlichen Funktionalitäten in Fabriken oder Anlagen ab. Diese reichen von der Feldebene über verschiedene Granularitäten von Steuerungs- und Arbeitseinheiten bis hin zur Unternehmensebene. Ergänzt um das Produkt und die vernetzte Welt wird einerseits das hergestellte Produkt mit in das Indus-trie 4.0-Netzwerk einbezogen und andererseits die horizontale externe Zusammenarbeit mit Dienstleis-tern, Zulieferern etc. abgebildet.

Die DIN SPEC 91345 beschreibt RAMI 4.0 umfassend.37

Aktuell hat man begonnen, RAMI 4.0 mit verschiede-nen Standards, Begriffsdefinitionen usw. zu befüllen. Dieser Prozess steht jedoch erst am Anfang. Deshalb beschränkt sich die Stärke von RAMI 4.0 heute noch hauptsächlich auf die konzeptionelle Ebene.

Einzelne Ansätze, die Industrie 4.0-tauglich sind, exis-tieren bereits. Sie fokussieren sich auf Teilaspekte, wie zum Beispiel die Standardisierung von kommunikativen Austauschprozessen. Diese Ansätze sind zumeist direkt in RAMI 4.0 abbildbar und beziehen sich häufig auf ein bestimmtes Layer innerhalb des Modells. Sie tragen dazu bei, eine Gesamtsicht zu entwickeln:38

37 Vgl. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (2016). DIN SPEC 91345, Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI4.0).

38 Vgl. dazu Adolphs et al. (2015), S. 5. Für einen aktuellen Über-blick zu Standards in der Industrie vgl. Lu, Y.; Morris, K. C. & Frechette, S. P. (2016). Current Standards Landscape for Smart Manufacturing Systems. Washington, D.C.: National Institute of Standards and Technology.

18

Insbesondere die Kammern und Verbände sind zu dem Eindruck gelangt, dass das Thema Industrie 4.0 zwar in der Fläche angekommen ist, aber von den Unternehmen in der Praxis noch zu wenig gelebt wird. Gleichwohl gibt es einige Vorreiter, die sehr aktiv sind und umfangrei-che Industrie 4.0-Strukturen aufgebaut haben, die bis zu kompletten Smart Factories reichen. Für die breite Realisierung von Industrie 4.0 wird sowohl grundlegen-der Beratungs- als auch Informationsbedarf gesehen. Als positive Beispiele dafür, wie eine solche Beratungs-leistung in der Praxis umgesetzt werden kann, wurden mehrfach die Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren der Initiative Mittelstand-Digital des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) genannt.41

Die Interviewpartner geben an, dass sie mit Indus-trie 4.0 zunächst einmal gedanklich und auch operativ Bestrebungen zur Digitalisierung verbinden. Der aktu-elle Entwicklungsstand ist allerdings sehr heterogen. Der Grad der Digitalisierung variiert von sehr gering42 bis hin zu sehr hoch43. Es zeigen sich deutliche Unter-schiede zwischen Branchen und auch in Hinblick auf die Unternehmensgröße. Darüber hinaus kommt es sehr stark auf das Produkt an. In einigen Branchen des Handwerks z. B. sind die Möglichkeiten der Digitali-sierung sehr begrenzt und beschränken sich etwa auf Online-Marketing und Rechnungsstellung. Grundsätz-lich gelten die größeren Mittelständler als etwas akti-ver als die kleineren. Manufakturen mit einer geringen Fertigungstiefe und hohem Spezialwissen der Mitarbei-ter sehen eher wenig Digitalisierungspotenzial, heben allerdings z. B. im Bereich der Verwaltung Effizienzen. Diese Aussagen der Kammern, Verbände und Unter-nehmen werden von den Förderberatungen so auch bestätigt. Eine weitere enge Verknüpfung wird zwi-schen der Automatisierung von Prozessen in der Pro-duktion und Industrie 4.0 gesehen. In diesem Bereich gibt es gerade bei den etwas größeren Mittelständlern rege Aktivitäten und recht weit vorangeschrittene Pro-jekte in Richtung Smart Factory.44

41 https://www.mittelstand-digital.de/ 42 Hier wurden als Beispiele die Implementierung eines eigenen

Internetauftritts oder der Versand von elektronischen Nachrich-ten an Geschäftspartner genannt.

43 Hier werden zahlreiche Prozesse und Aktivitäten einschließlich der internen und externen Kommunikation digital abgebildet.

44 Eine Studie des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Ener-gie, Verkehr und Landesentwicklung (Hrsg.) (2018), S. 12, ergab, dass der hessische Mittelstand im Durchschnitt derzeit gleich stark digitalisiert ist wie der Bundesdurchschnitt. Aller-dings ist in Hessen in den kommenden Jahren von einem im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich höheren Digitalisie-rungstempo auszugehen.

4.1 Ergebnisse aus den Experteninterviews

Der Fokus der vorliegenden Studie liegt auf dem hessi-schen Mittelstand. Um ein Bild hinsichtlich der Entwick-lungen der zuvor umrissenen Themenfelder zu erlan-gen, wurden von November 2017 bis Januar 2018 in einer nicht repräsentativen Umfrage 32 Experteninter-views mit Stakeholdern geführt. Zu den Interviewpart-nern zählten neben den Unternehmen selbst insbeson-dere die Kammern und Verbände. Tabelle 3 schlüsselt die Interviews nach den wesentlichen Gruppen von Gesprächspartnern auf.

Die folgenden Abschnitte fassen die Ergebnisse der Inter-views zu den drei Themenbereichen (1) Industrie 4.0, (2) Wertschöpfungsnetzwerke und (3) RAMI 4.0 zusam-men. Der Zusammenfassung der Interviews folgt jeweils eine kurze Schlussfolgerung aus Sicht der Autoren.

4.1.1 Industrie 4.0

Die befragten Akteure nehmen die Entwicklung hin zu einer digitalisierten und voll vernetzten Industrie weni-ger als eine Revolution denn als eine Evolution wahr, die die Automatisierung, interne Vernetzung und Digitali-sierung des Sektors seit den 1980er Jahren logisch fort-setzt. Als grundlegend neue Aspekte werden innerhalb von Industrie 4.0 allerdings die horizontale (externe) Vernetzung und die Geschwindigkeit genannt.40

40 Neben der Industrie spielt auch das Handwerk eine wichtige wirtschaftliche Rolle in Hessen. Während die grundlegenden Entwicklungen von Industrie 4.0 nach eigener Aussage auch das Handwerk betreffen, so wird angemerkt, dass die Begriff-lichkeit dies nicht widerspiegelt.

4 STATUS QUO WERTSCHÖPFUNGSNETZWERKE IN HESSEN

Die für die vorliegende Studie durchgeführten Experteninterviews zeigen, dass das Thema Indus-trie 4.0 zwar in den Köpfen angekommen ist, es in der Praxis aber noch an konkreter Umsetzung fehlt. Nur wenige Unternehmen sehen sich heute schon als Teil eines Wertschöpfungsnetzwerks. Allerdings ist diese Vernetzung eines der zentralen Elemente von Industrie 4.0. RAMI 4.0 ist ebenfalls nur weni-gen Unternehmen bekannt. Während die individu-ellen Gründe für ein begrenztes Engagement oder Interesse für Industrie 4.0, Wertschöpfungsnetz-werke und RAMI 4.0 vielfältig sein können, fällt ins-gesamt auf, dass noch entscheidende Schritte zur vernetzten Digitalisierung gemacht werden müssen.

19

Darüber hinaus stellen sich viele Unternehmen Fragen nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Potenzial der Verwendung von Daten.

Aus den Aussagen zu Industrie 4.0 lässt sich schlussfol-gern, dass der Begriff Industrie 4.0 im hessischen Mittel-stand angekommen ist. Die durchgeführten Interviews lassen erkennen, dass das Thema von den Akteuren vor Ort zwar sehr ernst genommen, allerdings noch sel-ten umgesetzt wird. Viele Unternehmen befinden sich anscheinend noch in grundlegenden Schritten zur Digi-talisierung ihrer eigenen Prozesse und sind noch nicht bereit, den nächsten Schritt zu machen. In diesem Kon-text scheint es noch Informationsdefizite bzw. Bera-tungsbedarf zu geben. Für das einzelne Unternehmen muss die Vorteilhaftigkeit im Einzelfall greifbar und das Ausmaß dimensioniert werden, da letztlich nicht für jedes Unternehmen ein identischer Umfang an Digitali-sierung effizient scheint. Der Erfolg wiederum ist abhän-gig von einer klaren Digitalisierungsstrategie in jedem einzelnen Unternehmen, die verdeutlicht, dass es sich nicht allein um ein Mittel zur Kostenreduktion, sondern vielmehr um eine unternehmensstrategische Aufgabe handelt. Dabei bedarf es der Formulierung, welche Ziele erreicht werden sollen und welche Maßnahmen, z. B. im Hinblick auf die Personalentwicklung und die Suche nach strategischen Partnern, erforderlich sind.

die kommenden einheitlichen Regeln auf europäischer Ebene eher zunehmen als sinken werden. Das Einbinden der eigenen Assets in RAMI 4.0 und Wertschöpfungsnetzwerke liegt zu gro-ßen Teilen in der Verantwortung der Unternehmen selbst. Typi-scherweise werden für den Datenaustausch bilaterale Verträge geschlossen. Um hier informierte Entscheidungen treffen zu können ist es wichtig, dass das Unternehmen ein umfassendes Verständnis für Daten und ihren möglichen Wert entwickelt. Nur so kann abgeschätzt werden, welche Folgen möglicherweise in Verträgen zu vermeiden sind. In jedem Fall sollten sich Unter-nehmen intensiv mit Datenschutz und Datensicherheit ausein-andersetzen.

Als ein grundsätzlicher Punkt wird gerade von den Kam-mern und Beratungsgesellschaften betont, dass die Implementierung von Technologien zur Digitalisierung und Automatisierung kein Selbstzweck ist. Der Einsatz von digitalen Technologien erfordert also immer ein konkretes Ziel, das umgesetzt werden soll.

Es besteht die einhellige Meinung der Interviewten, dass die Themen rund um Industrie 4.0 und Digitalisierung im hessischen Mittelstand von den Unternehmern bzw. von der Geschäftsführung getrieben werden sollten. Dieses bestätigt sich insbesondere in den Unterneh-men, die Vorreiter sind. Von einigen Experten aus den Kammern, Verbänden und Beratungsinstitutionen wer-den die Möglichkeiten der Geschäftsmodelloptimierung und -innovation, die die hohe Vernetzung und Datenver-fügbarkeit im Zuge von Industrie 4.0 mit sich bringen, als Chance genannt. Gleichwohl wird dieses Thema für den Mittelstand noch etwas verkannt und ist noch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste angekommen. Die Ausein-andersetzung ist noch nicht so aktiv wie sie perspekti- visch von Seiten der Interviewten gesehen wird. Gründe werden in erster Linie in Unklarheiten hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit gesehen.45

45 Der Datenaustausch mit Partnern, Kunden und Zulieferern ist ein Kernelement von Industrie 4.0. Deshalb müssen sich Unter-nehmen, die sich vernetzt aufstellen, sowohl um Fragen des Datenschutzes als auch um Fragen der Datensicherheit küm-mern. Eine aktuelle Studie des WIK belegt, dass KMU, die sich im Sinne der Industrie 4.0 vernetzen, mehr für die Datensicher-heit im Unternehmen tun als solche, die sich nicht in Industrie 4.0 engagieren. Dazu: Hillebrand, A. et al. (2018): Aktuelle Lage der IT-Sicherheit in KMU. Bad Honnef: Wissenschaftliches Insti-tut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste. In Bezug auf den Datenschutz wird sich durch die EU-Datenschutzgrundver-ordnung 2016/679 (DSGVO), die Regulierung zu Free flow of non-personal data in the European Union (COM(2017) 495 final) und die ePrivacy-Regulierung (COM (2017) 10 final) im Jahr 2018 einiges ändern. Die konkreten Folgen für die Vernet-zung von Industrieunternehmen und den Datenaustausch sind noch nicht zur Gänze abzusehen. Insgesamt scheint es aber klar zu sein, dass die Anforderungen an den Datenaustausch durch

Tabelle 3: Überblick zu den durchgeführten Interviews

Gruppe Geführte Gespräche

Handwerkskammern 1

IHKn, IHK Hessen Innovativ, Hessischer Regionalverband 8

Hessische Klein- und Mittelständische Unternehmen 11

Überregionale Verbände/Zentralverbände/Institutionen 8

Beratungsgesellschaften zur Förderung 2

Weitere 2

Summe 32

20

In Hinblick auf die Vorbehalte im Kontext Datenschutz und Datensicherheit bedarf es der Aufklärung und letzt-lich auch klarer Regeln, die sicherstellen, dass nur die Daten in den Hoheitsbereich des Netzwerkpartners gelangen, die für die Zusammenarbeit unverzichtbar sind. Zumeist kann dies durch bilaterale Verträge erle-digt werden. Bei zunehmender Relevanz des Datenaus-tauschs in einer immer stärker vernetzten Industrie der Zukunft stellt sich jedoch die Frage, ob solche bilateralen Verträge nicht letztlich einen zu großen Aufwand gerade für KMU mit begrenzten Personalressourcen generie-ren. Mittel- bis langfristig braucht es standardisierte Austauschprozesse und Regeln, zu denen RAMI 4.0 beitragen kann.

RAMI 4.0 kann einen Mehrwert leisten bei der IT-tech-nischen Beschreibung von Wertschöpfungsstufen und Produkten.47 Dieses wiederum ist eine Grundlage für die Entwicklung und Installation technischer Lösungen zur vertikalen und horizontalen Vernetzung.

4.1.3 RAMI 4.0

Die Interviews zeigen, dass RAMI 4.0 zum aktuellen Zeit-punkt nur einen sehr geringen Bekanntheitsgrad im hes-sischen Mittelstand hat. Die befragten Experten gehen davon aus, dass dies im gesamten deutschen Mittel-stand der Fall ist. Die Aussage gilt sowohl für Unterneh-men, die im Bereich Digitalisierung und Automatisierung der Produktion sehr aktiv sind als auch für diejenigen, die sich in diesen Bereichen aus den unterschiedlichsten Gründen kaum oder gar nicht engagieren. Aktives, kon-tinuierliches Engagement und Interesse ist eine echte Ausnahme und nur vereinzelt zu verzeichnen.

Einem Teil der Befragten ist RAMI 4.0 zwar grundsätz-lich ein Begriff, es zeigt sich aber, dass abgesehen von einigen Ausnahmefällen kein tiefergehendes Ver- ständnis besteht. Aufgrund der wahrgenommenen hohen Komplexität und Wissenschaftlichkeit beste-hen Hemmnisse, sich eingehender mit dem Modell zu beschäftigen. Im Gegensatz zum übergeordneten Thema Industrie 4.0 wird auch keine Notwendigkeit gesehen, sich detaillierter damit auseinanderzusetzen.

Nach Auffassung der befragten Experten, die RAMI 4.0 teilweise selbst mitentwickelt haben, ist RAMI 4.0 noch nicht ganz reif für den Markt. Die Substanz, also das was letztlich wirklich in den Unternehmen verwendet wer-den kann, wird erst in den kommenden Jahren entwi-ckelt. So werden weitere Industrie 4.0-Standards in den bekannten Gremien erarbeitet.48

47 Siehe nächster Abschnitt und Kapitel 5.48 Aktuelle Beispiele werden z. B. hier zusammengefasst: Lu et al.

(2016).

4.1.2 Wertschöpfungsnetzwerke

Die horizontale externe Vernetzung spielt laut der inter-viewten Experten bisher nur eine Nebenrolle in der mittelständischen hessischen Industrie. Auf Basis der Interviews sind zwei Arten von Unternehmen zu unter-scheiden. Während es durchaus Unternehmen im indus-triellen Mittelstand in Hessen gibt, die schon immer recht stark mit anderen Unternehmen vernetzt waren, hat die Mehrheit der Unternehmen solche Netzwerke noch nicht aufgebaut. Unternehmen mit existierenden Netzwerken und entsprechenden Erfahrungen fällt es leichter, den Schritt hin zu Wertschöpfungsnetzwerken zu gehen. Unternehmen ohne solche Erfahrungen tun sich deutlich schwerer. Dieser Eindruck wird von den Verbänden und Kammern bestätigt.

Doch auch wenn Vernetzung über das eigene Unterneh-men hinaus stattfindet, bleibt diese meistens hinter den theoretischen Möglichkeiten von Wertschöpfungsnetz-werken zurück. Die horizontale externe Vernetzung mit digitalisierten Austauschprozessen findet in der Regel lediglich in Richtung Kunde oder Lieferant statt. Dabei sind Vernetzungen im Bereich des Bestellwesens recht verbreitet, auch wenn hier eine Konzentration insbeson-dere auf die Hauptlieferanten erfolgt. Die interne verti-kale Vernetzung in Richtung Verwaltung oder Fertigung ist in den meisten Fällen nicht zwingend darauf abge-stimmt. Hier fehlt es nach Auskunft der Unternehmen häufig noch an technischen Lösungen. Als ein Grund wird die fehlende IT-technische Beschreibung von Wert-schöpfungsstufen und Produkten genannt.

Neben solchen technischen Gründen zeigen die Inter-views, dass in Hinblick auf die horizontale externe Ver-netzung einige Vorbehalte von Seiten der Unterneh-men bestehen. Hier sind die Themen Datenschutz und Datensicherheit absolut vorrangig. Es bestehen Vor-behalte dahingehend, dass befürchtet wird, für den Netzwerkpartner würden sämtliche Daten, also letzt-lich auch solche, die das Unternehmen für sein eigenes Geschäftsmodell benötigt, zugänglich.

Aus den Interviews lässt sich ableiten, dass für die befrag-ten Unternehmen und Experten Wertschöpfungsnetz-werke und Industrie 4.0 nicht zwingend zusammenge-hören. Zum einen hat es Kooperationen und Netzwerke immer schon gegeben, aber nicht jede Form der Wert-schöpfung muss unbedingt in einer solchen Zusammen-arbeit erfolgen. Zum anderen kann eine externe Zusam-menarbeit und Vernetzung auch im kleineren Rahmen als im Netzwerk vollzogen werden.46

46 Dieses spiegelt letztlich auch die Erkenntnis, dass die Formen der Kooperation sehr unterschiedlich sein können und die Wahl des geeigneten Rahmens insbesondere durch die Trans-aktionshäufigkeit und die Spezifität der Leistungserstellung determiniert wird. Vgl. Schweinsberg, A. (2006). Flexibilität und Stabilität globaler Unternehmenskooperationen – eine akteur-orientierte Untersuchung der Binnenstabilität Virtueller Unter-nehmen, Aachen.

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4.1.4 Zwischenfazit

Drei wesentliche Erkenntnisse lassen sich aus den Inter-views der Experten für den hessischen Mittelstand fest-halten:

� Industrie 4.0 ist als Thema angekommen und wird wahrgenommen, wird aber selten in der Praxis gelebt. Einzelne Vorreiter sind vorhanden.

� Nur wenige Unternehmen sehen sich in Wertschöp-fungsnetzwerken engagiert. Die horizontale externe Vernetzung konzentriert sich häufig auf Bestellvor-gänge und den Austausch mit dem Kunden.

� RAMI 4.0 ist nur bei sehr vereinzelten mittelständi-schen Unternehmen wirklich bekannt. Viele Unter-nehmen erkennen die Potenziale von RAMI 4.0 noch nicht.

4.2 Analyse und Erklärungs-ansätze

Wie die Experteninterviews gezeigt haben, sind Status quo und Entwicklungsstand in Richtung Industrie 4.0, Wertschöpfungsnetzwerke und RAMI 4.0 sehr hetero-gen. Industrie 4.0 ist als Thema bei den Unternehmen schon durchaus verankert. Die tatsächliche Umsetzung beschränkt sich heutzutage aber zumeist noch auf die hybride Wertschöpfung, also die Kombination von Pro-dukten und Dienstleistungen. Das ist schon ein erster Schritt in Richtung Wertschöpfungsnetzwerke. Bis zur vollständigen Umsetzung fehlt es aber insbesondere noch an der horizontalen Vernetzung zwischen einzel-nen Unternehmen. RAMI 4.0 ist bisher nur den wenigs-ten KMU ein Begriff.

Die kursorische Analyse der Marktverhältnisse in Abschnitt 2 hat gezeigt, dass die Unternehmen, je nach Unterbranche des Netzwerks Industrie, entweder eher von den Bedürfnissen global dominanter Endabnehmer abhängen, wie zum Beispiel die Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus, die Herstellung von chemi-schen Erzeugnissen, pharmazeutischen Erzeugnissen, Gummi- und Kunststoffwaren sowie Kraftwagen und Kraftwagenteilen, oder weitgehend selbst entscheiden können, wenn es um ihre Digitalisierung und Vernet-zung geht. Zur zweiten Gruppe gehört neben dem Metall- auch der Maschinenbau. Die Experteninterviews bestätigten diesen Eindruck. Viele Unternehmen aus dem Mittelstand gaben an, dass sie sich kaum oder gar nicht selbst mit Standardisierung sowie RAMI 4.0 beschäftigen, da sie sich letztlich an den Vorgaben der (Groß-)Kunden ausrichten müssen. Weiterhin ist die per-sonelle Ausstattung zu gering, um für solche Zwecke eigens Kapazitäten frei zu machen.

Mittelständische Unternehmen spielen in diesen Gre-mien nur eine kleine Rolle. Zumeist fehlt es an den Kapa-zitäten, sich proaktiv einzubringen. Deshalb kommt Ver-bänden und Kammern eine besondere Rolle zu, die Entwicklungen in den Gremien zu verfolgen und ggf. negative Auswirkungen für den Mittelstand zu antizipie-ren und wenn möglich abzuwenden.

Auf Basis dieser Erkenntnisse aus den Interviews lässt sich zusammenfassen, dass die Kenntnisse und das Engagement in Richtung RAMI 4.0 und seiner Ausge-staltung nicht sehr ausgeprägt sind. Laut Aussage der Gesprächspartner auf nationaler Ebene unterscheidet sich der hessische Mittelstand hier nicht von den rest-lichen mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Großunternehmen beschäftigen sich sehr wohl mit RAMI 4.0. So setzen sich z. B. Atos IT Solutions, Bosch-Rexrodt, Intel Deutschland, KraussMaffei Technologies, Opel, SAP oder Siemens sehr aktiv mit RAMI 4.0 ausei-nander49 und bringen sich aktiv in den Normierungs-prozess von RAMI 4.0 und Standards im Umfeld von RAMI 4.0 ein.50 Der Mittelstand hat typischerweise nicht die nötige Kapazität, sich gleichermaßen einzubringen.

Auch ohne direkte Gremienarbeit sollte der industri-elle Mittelstand in Hessen und in Deutschland die Ent-wicklung von RAMI 4.0 genau beobachten und sich insbesondere darum kümmern, dass seine eigenen Produkte RAMI 4.0-fähig werden. Andernfalls könnte es sein, dass Vorgaben der Großkunden in der Zukunft einfach akzeptiert werden müssen. Das bedeutet, der industrielle Mittelstand muss sich um die IT-technische Beschreibung von Assets, wie sie bereits im vorherge-henden Abschnitt 4.1.2 angesprochen wurde, küm-mern. Diese Beschreibungen sind wesentlich spezifi-scher und stärker auf einzelne Unternehmen bezogen als es bei der Definition von Standards typischerweise der Fall ist. Die IT-technische Beschreibung eines Assets in RAMI 4.0 lässt es auch zu, dass Unternehmen die spezi-fischen Mehrwerte ihrer Produkte hinterlegen. Sollte sich RAMI 4.0 durchsetzen, werden diese Beschreibungen von strategischer Bedeutung sein. Sind Produkte und Prozesse einmal RAMI 4.0-kompatibel, eröffnen sich dar-über hinaus neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit lokalen, regionalen und überregionalen Partnern. Davon profitieren nicht zuletzt KMU vor Ort. So kann Wertschöp-fung langfristig in Hessen gehalten werden.

Insofern ist die vorliegende Studie, die einen Beitrag zur Bekanntheit von RAMI 4.0 leistet, schon ein wichti-ger Schritt des Landes Hessen, die dortigen KMU über RAMI 4.0 zu informieren, so dass diese sich frühzeitig mit RAMI 4.0 und den Potenzialen für das eigene Unterneh-men beschäftigen können.

49 Dumitrescu et al. (2015).50 Siemens war bereits 2012 maßgeblich an der Entwicklung des

Smart Grid Architecture Model (SGAM), an dem sich die Struk-tur von RAMI 4.0 orientiert, beteiligt. (siehe: Siemens Pressemit-teilung vom 11.05.2012: „Siemens entwickelt europäisches Architekturmodell für Smart Grids“).

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Darüber hinaus sind nicht alle Unternehmen in glei-chem Umfang geeignet, ein Modell wie RAMI 4.0 für sich nutzbar zu machen. Unternehmen, die weitestge-hend auf externe Vernetzung verzichten und ihre Wert-schöpfung quasi autark erstellen, sind deutlich weniger angesprochen als Unternehmen, die ein hohes Potenzial zur Automatisierung aufweisen und auch schon heute in Netzwerke eingebunden sind. Obwohl die Digitali-sierung die Grundvoraussetzungen für die Einbindung der eigenen Assets in RAMI 4.0 schafft, ist es wichtig zu bemerken, dass jedes Unternehmen selbst seinen indi-viduellen Digitalisierungsgrad festlegen muss.

Industrie 4.0 und damit auch RAMI 4.0 erfordern Investi-tionen, zum einen in Technologien, zum anderen aber auch in (neue) Beschäftigte. Es mangelt an Fachkräften, die über Kenntnisse verfügen, die in der Industrie 4.0-Welt gefordert sind. Von Seiten der Unternehmen wurde im Rahmen der Interviews betont, dass die Investitions-budgets für Industrie 4.0 gering sind. Gleichzeitig liegt derzeit eine historisch gute Auftragslage vor, die sämtli-che Ressourcen der Unternehmen bindet. Diese Kons-tellation erschwert es, die Notwendigkeit von Investitio-nen in neue Technologien zu sehen. Hinzu kommt, dass nicht in jedem Unternehmen diesen Themen ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Auch wurde von den Unternehmen erklärt, dass es für „Späteinsteiger“ schwierig sei, Grundlageninformationen und Beratung zu erhalten.51 Diese Wahrnehmung überrascht insofern, als dass es bereits zahlreiche Beratungsangebote gibt, die genutzt werden können. Darauf wird im Abschnitt 6 noch detailliert eingegangen.

Als Kandidaten für RAMI 4.0 gelten die Unternehmen, die das Potenzial der Digitalisierung erkannt haben und ihm intern einen hohen Stellenwert beimessen. Im bes-ten Fall haben diese Unternehmen schon die wesentli-chen Schritte hin zur internen Vernetzung gemacht, sowie die entsprechenden Vorarbeiten für eine konsis-tente IT-technische Beschreibung ihrer Assets durchge-führt. Solchen Unternehmen erleichtert RAMI 4.0 die Definition der Austauschprozesse mit Partnern und Kun-den, die schon ähnlich weit digitalisiert sind. Das fol-gende Kapitel geht im Detail auf den Mehrwert von RAMI 4.0 ein.

51 So gelten etwa 20 % der Unternehmen als Vorreiter, 50 % als Mittelfeld oder Späteinsteiger und rund 30 % als Nachzügler. Vgl. Saam, M.; Viete, S. & Schiel, S. (2016). Digitalisierung im Mittelstand: Status Quo, aktuelle Entwicklungen und Heraus-forderungen, Mannheim, S. 1.

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Als Architekturmodell erscheint RAMI 4.0 für diesen Zweck besonders geeignet, weil es sämtliche Elemente und IT-relevanten Komponenten in einem Layer-Modell zusammenführt.53 Es ist in der Lage, die gesamte Indus-trie 4.0-Welt abzubilden. Dabei bietet es eine hohe Übersichtlichkeit und Nutzerfreundlichkeit. Neben der Fähigkeit, ein hohes Maß an Komplexität darzustellen, bietet RAMI 4.0 die Möglichkeit, individuelle Aufgaben und Abläufe in Teile zu zerlegen und dabei Datenschutz und IT-Sicherheit mit einzubeziehen.54

Bei der Umsetzung von Industrie 4.0-Lösungen und Pro-jekten kann das Modell auf diese Weise eine Orientie-rung bieten, indem es die Anforderungen in Form von nationalen und internationalen Standards an Schnittstel-len benennt. Gleichzeit können aber auch Lücken und Überschneidungen in der Standardisierung erkannt werden.

5.3 RAMI 4.0 als Innovations- instrument

Um innovative Geschäftsideen oder -modelle zu entwi-ckeln, braucht es einen möglichst vollständigen Über-blick zum Markt und zu den Prozessen und Kundenwün-schen. RAMI 4.0 kann helfen, diesen Überblick zu bekommen und Konkurrenten, Partner, Prozesse und (mögliche) Kunden strukturiert zu erfassen und zu analy-sieren. Ein Beispiel für ein innovatives Geschäftsmodell, das sich aus einer solchen umfassenden Betrachtung ergeben kann, ist die Umsetzung eines Laserscanners als Dienstleistung, die im Folgenden kurz ausgeführt wird.

53 Siehe auch Abbildung 4.54 Vgl. dazu und im Folgenden: Hübner, I. (2015). RAMI 4.0 und

die Industrie 4.0-Komponente, in open automation, Heft 3/2015, S. 3-6.

5.1 Status Quo

Die Ergebnisse der Experteninterviews in Hessen haben gezeigt, dass RAMI 4.0 aktuell nur bei wenigen Akteu-ren in der Praxis bekannt ist. Da RAMI 4.0 bisher noch nicht vollständig befüllt ist und es sich realistisch aktuell noch um ein Konzept handelt, überrascht dieses Ergeb-nis nicht. Dieser Abschnitt zeigt den theoretischen Mehrwert von RAMI 4.0 und die Vorteile, die durch eine konsistente Verwendung von RAMI 4.0 entstehen kön-nen, anhand von anschaulichen Beispielen auf.

5.2 Grundsätzlicher Nutzen von RAMI 4.0

Im Abschnitt 3.3 wurde gezeigt, dass die wesentliche Eigenschaft von RAMI 4.0 eine konsistente Darstellung der komplexen Beziehungen innerhalb von Wertschöp-fungsnetzwerken als Teil von Industrie 4.0 ist. Damit schafft RAMI 4.0 ein gemeinsames und kongruentes Verständnis von Prozessen und Schnittstellen. Es ent-steht letztlich eine gemeinsame Sprache zu Industrie 4.0 über Abteilungs-, Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg.

Eine solche gemeinsame Sprache trägt dazu bei, Trans-aktionskosten einzusparen und eine höhere Effizienz zu ermöglichen. Wenden alle beteiligten Akteure die Refe-renzarchitektur an, so können wesentlich schneller als in traditionellen zumeist relativ individuellen IT-Strukturen die für die Zusammenarbeit notwendigen Schnittstellen ausgemacht werden. Ebenso wird schnell deutlich, ob weitere Abteilungen oder Partner für das gemeinsame Projekt gewonnen werden müssen. So können Projekte und Kooperationen wesentlich sachgerechter geplant werden als ohne RAMI 4.0. 52

52 Damit können zahlreiche der in Japan Institute of Plant Mainte-nance (JIPM) bzw. Total Productive Maintenance (TPM) definier-ten 16 Verlustarten reduziert werden. Vgl. May, C. (2007). Die 16 Verlustarten von TPM. Centre of Excellence for TPM, FH Ans-bach.

5 MEHRWERT VON RAMI 4.0

Die Prozesse, Produkte und Dienstleistungen, die RAMI 4.0 abbilden können muss, sind geprägt von einer hohen Komplexität. Insofern überrascht es nicht, dass RAMI 4.0 ebenfalls komplex ist und von vielen Vertretern aus der Praxis als unzugänglich empfunden wird. RAMI 4.0 und die Einordnung der eigenen Assets in das Modell können jedoch einen hohen Mehrwert bieten. RAMI 4.0 kann als Innova-tionsinstrument genutzt werden, bestehende Tech-nologien konsistent abbilden und einheitliche Merk-malsdefinitionen anwendbar machen.

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Laserscanner als Dienstleistung

Die strukturierte Darstellung von Produkten und Prozessen innerhalb von RAMI 4.0 erlaubt es, neue Möglichkeiten zur Geschäftsmodellgestaltung zu erkennen. Beispielsweise kann ein recht einfacher Sensor wie ein Laserscanner nicht nur in der Funk-tions- und Informationsschicht verwendet werden, sondern auch zusätzliche Mehrwerte in der Busi-nessschicht liefern. Wird ein solcher Laserscanner an einer Ladeneingangstür installiert, um die Anzahl der Besucher festzustellen, kann dies auf zumindest zwei Arten umgesetzt werden. Traditionell würde der Hersteller des Laserscanners diesen produzie-ren und als Produkt verkaufen. Nach dem Verkauf wäre die Beziehung des Herstellers zu seinem Geschäftspartner, abgesehen von möglichen War-tungen sowie Garantie- oder Gewährleistungsfäl-len, abgeschlossen.

In der RAMI 4.0 Struktur wird schnell deutlich, dass das Geschäftsmodell aber ebenso gut darin beste-hen kann, nicht den Scanner als solchen zu verkau-fen, sondern vielmehr die Dienstleistung, an der der Kunde interessiert ist, zu monetarisieren. In die-sem Fall bedeutet das, den Sensor zu installieren und dann einen Vertrag mit dem Ladengeschäft zu schließen, der die Lieferung der relevanten Daten beinhaltet.

Diese Herangehensweise kann verschiedene Vor-teile für beide Geschäftspartner haben. Der Herstel-ler des Laserscanners kann frei wählen, welches Endgerät er einsetzt, kann die korrekte Installation sicherstellen, sich freien Zugriff für die Fernwartung zusichern lassen usw. Insgesamt behält er mehr Kontrolle über den Laserscanner selbst. Er erhält weiterhin Zugriff auf potenziell wertvolle Daten, die sich aus der Zählung der Kunden des Ladenge-schäfts ergeben. Aus ihnen können in der Kombina-tion mit den Daten anderer Laserscanner aus ande-ren oder verbundenen Ladengeschäften Dienste mit Mehrwert für den Ladenbesitzer kreiert werden. So kann der Besitzer des Ladengeschäfts seine eigene Kundenanzahl in Abhängigkeit vom Wetter, von Veranstaltungen oder ähnlichen Randbedin-gungen mit dem Durchschnitt der anderen Geschäfte in der Nähe vergleichen bzw. mit dem der anderen Ladengeschäfte der eigenen Kette.55

55 Beispiel entnommen aus Adolphs, P. (2017). Referenzarchitektur als Grundlage für neue Produkte zur Cloud-basierten Kommuni- kation. In Schulz, T.: Industrie 4.0 – Potenziale erkennen und umsetzen. Vogel Business Media. S. 109-125.

Abbildung 6 verdeutlicht den Unterschied zwischen der Einordnung eines solchen Sensors nach RAMI 4.0 (I4.0 Integration) im Vergleich zur traditionellen Automatisie-rungstechnik (Current Integration).

Neben der Geschäftsmodellanalyse und -innovation kann RAMI 4.0 auch indirekt Innovationen anstoßen. Die Expertengespräche für die vorliegende Studie haben gezeigt, dass bestehende Systeme an RAMI 4.0 ange-passt werden müssten, sollte sich die Referenzarchitektur durchsetzen. Im Kern kann die Darstellung der eigenen Geschäftsabläufe an RAMI 4.0 ein Business Process Reen-gineering (BPR) erfordern. Ein wesentlicher Bestandteil eines BPR ist unter anderem Business Process Innovation (BPI). Diese kann sich positiv auf die internen Abläufe auswirken. RAMI 4.0 einzuführen ist eine ähnlich große Herausforderung wie die Implementierung eines Enter-prise Resource Planning (ERP) Systems.56 Denn beide ERP-System und RAMI 4.0 bedürfen der Abbildung und Integration existenter Prozesse und Abläufe innerhalb einer vorgegebenen Struktur. Eine gescheiterte Imple-mentierung eines ERP-Systems ist mit hohen Kosten ver-bunden und hat zumeist negative Folgen für die internen Prozesse eines Unternehmens. Ähnliches kann bei einer nicht sorgfältig vorbereiteten Einführung von RAMI 4.0 passieren. Entsprechend muss auch die Darstellung der eigenen Prozesse, Produkte, Komponenten, Maschinen usw. in RAMI 4.0, wie alle grundlegenden neu einzufüh-renden Systeme im Unternehmen, gut geplant sein, um zu gelingen.

5.4 RAMI 4.0 — Einfluss auf und Zusammenspiel mit Standardisierung

Die Einigung auf Standards ist ein wichtiger Aspekt des unternehmensübergreifenden Datenaustauschs, der wiederum die Kommunikation zwischen Maschinen oder Werkstücken und Maschinen ermöglicht. Nur wenn eine gemeinsame Semantik der Daten vorliegt, kann auch horizontal vernetzt gearbeitet werden.57 Ein wesent-licher Schritt in diese Richtung ist die Einbindung der Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA) in RAMI 4.0. Der OPC UA-Standard fügt sich nahtlos in RAMI 4.0 ein. Obwohl der Standard haupt-sächlich die Kommunikationsschnittstellen definiert, befindet er sich nicht nur auf der Communication Layer von RAMI 4.0, sondern auch auf der Information Layer. Das unterstreicht den Mehrwert von RAMI 4.0, Funktio-nalitäten von Standards vollumfänglich nachzeichnen zu können (siehe Abbildung 7).

56 Vgl. Chang, S.; Yen, D. C.; Huang, S. & Hung, P. (2008). An ERP-system life cycle-wide management and support framework for small- and medium-sized companies. Communications of AIS 22:275-294.

57 Neben der Semantik ist natürlich auch von zentraler Bedeu-tung, dass Zeitsynchronisation, Echtzeitfähigkeit, Ausfallsicher-heit etc. zuvor gemeinsam definiert werden.

25

Business

Functional

Information

Communication

Integration

Asset

Connected World

Enterprise

Work Centers

Control Device

StationField Device

Product

I4.0 Integration

Current Integration

Abbildung 6: Ein Sensor als Dienstleistung in RAMI 4.0 (Quelle: Adolphs (2017), S. 124)

IEC 62890

Life Cycle & Value StreamHierarchy Levels

IEC 62264//IEC 61512

Abbildung 7: Einordnung des OPC UA Standards in RAMI 4.0 (Quelle: VDMA, & Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (2017). Industrie 4.0 Kommunikation mit OPC UA – Leitfaden zur Einführung in den Mittelstand. Frankfurt a.M., S. 26)

Business

Functional

Information

Communication

Integration

Asset Connected WorldEnterpriseWork Centers Control Device

StationField Device Product

Development Maintenance/ UsageType

Instance

Production Maintenance/ Usage

Layer

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Der Standard OPC UA hat laut Aussage der für die vor-liegende Studie interviewten Experten schon eine gewisse Relevanz erreicht, auch wenn noch einige Schritte bis zu einer vollständigen Umsetzung der hori-zontalen Vernetzung gegangen werden müssen. Diese Bedeutung zeigt sich unter anderem auch in der Umset-zung von OPC UA in so genannten Companion Specifi-cations wie z. B. der EUROMAP7758 für die Kunststoff- und Gummimaschinen-Hersteller bzw. -Anwender. EUROMAP77 ermöglicht die einheitliche Kommunika-tion und Integration. Es gibt inzwischen eine Reihe wei-terer Companion Specifications bzw. Arbeitsgruppen, die solche Spezifikationen auf Basis von OPC UA erar-beiten.59 Die Aufgabe von Companion Specifications ist es, auf Basis des OPC UA branchenspezifische Klassifika-tionen, Schnittstellen usw. zu definieren. So definiert die oben zitierte EUROMAP77 die Schnittstelle zwischen Spritzgussmaschinen und der Fertigungssteuerung ein-heitlich über Herstellergrenzen hinweg und ermöglicht so den vernetzten Datenaustausch.

RAMI 4.0 und die Entwicklung von OPC UA haben sich gegenseitig beeinflusst und vorangetrieben. Was mit einer einheitlichen Industrie 4.0-Kommunikations-schnittstelle möglich ist, zeigt das folgende kurze Bei-spiel des intelligenten Condition Monitorings.

Intelligentes Condition Monitoring

Die in RAMI 4.0 vorgesehene Verwaltungsschale ermöglicht ein intelligentes Condition Monito-ring. Hierbei wird die Konfiguration des Condi-tion-Monitoring-Systems durch einheitlich hinter-legte Merkmale vereinfacht. Konkret lassen sich in der Verwaltungsschale die Grenzwerte für die maxi-male Drehzahl eines Motors oder die höchstmög-liche Betriebstemperatur hinterlegen. Nähert sich die Drehzahl oder die Temperatur des Motors wäh-rend des Betriebs diesen Höchstwerten, kann eine Warnung ausgegeben werden. Findet ein länge-rer Betrieb des Motors in der Nähe der maximalen Belastung statt, so kann eine Wartung geplant oder vorgezogen werden. Sollte bei dieser Wartung ein Geräte- oder Komponententausch notwendig sein, enthält die Verwaltungsschale alle relevanten Infor-mationen sowie Bestelldaten, um diesen durchzu-führen. Sind diese Daten einmal hinterlegt, kann das Condition Monitoring weitgehend autonom, also ohne weitere Konfiguration oder Programmie-rung, erfolgen.60

58 EUROMAP, European Plastics and Rubber Machinery (2017). OPC UA interfaces for plastics and rubber machinery - Data exchange between injection moulding machines and MES.

59 Siehe https://opcfoundation.org/markets-collaboration/ für eine Liste. Abruf 09.05.2018.

60 Vgl. VDMA & Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Auto-mation (2017), S. 9 ff.

Insgesamt ist die Existenz von Standards für die heu-tige und zukünftige industrielle Produktion ein ganz wesentliches Element. Durch Standards werden Verein-barungen getroffen, wie eine Tätigkeit nach aktuellem Kenntnisstand bestmöglich auszuführen ist. Standards dienen dabei zunächst einmal der Orientierung, schaf-fen aber auch Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit für alle Beteiligten. Sie stellen sicher, dass der Output mit einer konstanten und reproduzierbaren Qualität bei konstanten Durchlaufzeiten erfolgt. Weiterhin ermög-lichen sie die Nachprüfbarkeit von Prozessen. Verwen-det werden Standards sowohl im Unternehmen, in der Hierarchie zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem, um Aufgaben und Ziele zu definieren als auch in der unter-nehmensübergreifenden Zusammenarbeit zur Defini-tion von Austauschprozessen über Unternehmensgren-zen hinweg. Standards bieten aber auch immer einen Ansatzpunkt für Verbesserungen im Prozessablauf. Sie können sowohl offen als auch geschlossen definiert wer-den. Grundsätzlich sind im Zeitalter der Digitalisierung offene Schnittstellen zu präferieren.

Welcher Standard sich durchsetzt und wie dieser ange-wendet wird, hängt oft von der Marktstruktur ab. Bei-spiele für den Fall, dass einer der Partner den Standard top down vorgibt, sind Branchen wie die Automobilin-dustrie, die von einigen wenigen globalen Champions geprägt werden. Wie Kapitel 2 gezeigt hat, sind andere Branchen ähnlich aufgestellt. Dies hat dazu geführt, dass sich die Standards zwischen verschiedenen Branchen teilweise deutlich unterscheiden. RAMI 4.0 zielt darauf ab, diese Vielzahl an unterschiedlichen Standards zusam-menzuführen und interoperabel zu machen.

Aus theoretischer Sicht stellt sich nun die Frage, ob diese Form der Standardsetzung wünschenswert ist oder ob es sinnvoller wäre, Standards zu haben, die sich nicht zwischen verschiedenen Plattformen und Bran-chen unterscheiden. Auf den ersten Blick scheint es ein-facher, wenn ein und derselbe Standard für alle gilt. In der Praxis ist es aber so, dass der Aufwand, alle Prozesse und Produkte in ein und demselben Standard abbild-bar zu machen, die Komplexität dieses Standards unnö-tig erhöht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es tatsächlich keine Überschneidung der Wertschöpfung in den betrachteten Branchen gibt.

Weiterhin ist zu bemerken, dass selbst wenn es einen übergreifenden Standard gibt, große Unternehmen oft dazu tendieren, diesen für ihre Belange zu adaptie-ren. Z. B. weicht man von den eigentlich vorgesehenen Inhalten einzelner Informationsbausteine ab, um eine bessere Einbindung in bestehende Systeme zu gewähr-leisten. Darüber hinaus wird problematisiert, dass Stan-dards neue Strukturen in der IT erfordern und die Ver-einbarkeit der vorhandenen Legacy-Strukturen der IT mit den neuen Strukturen nicht automatisch gegeben ist. Diese muss unter Aufwendung von Kosten, zum Bei-spiel für Programmieraufwand, der durchaus hoch sein kann, hergestellt werden. Diese Problematik wird noch verschärft durch die Tatsache, dass geeignete Fach-kräfte, insbesondere im Mittelstand, knapp sind.

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5.6 RAMI zur Einordnung von Software-Lösungen

Genauso wie einzelne Technologien können auch Soft-ware-Lösungen innerhalb von RAMI 4.0 eingeordnet und dargestellt werden. Dieses Vorgehen kann den Anwendungsbereich und den Mehrwert einer Software-Lösung selbst bei komplexen Systemen gut verständlich vermitteln. Dabei kann die zweidimensionale Darstel-lung anstatt der typischen dreidimensionalen Darstel-lung der einzelnen Layer von RAMI 4.0 eine wesentli-che Vereinfachung des Zugangs zum Modell ergeben.

Vernim (2016)62 stellt dies beispielhaft anhand des For-schungsprojekts „Integrierte Gestaltung und Herstel-lung kundeninnovierter Produkte in Cyber-Physischen Fertigungssystemen“ (InnoCyFer) dar. Sie benutzt dabei die Herstellung eines Kaffeevollautomaten als indivi-dualisierbares Lifestyle-Produkt als Beispiel. Abbildung 9 gibt einen Überblick zur Einordnung von InnoCyFer in RAMI 4.0. Konkret wird in der Business-Layer das Geschäftsmodell abgebildet. Dabei stehen die kunden-innovierte Herstellung und der Vertrieb der entstehen-den individuellen Produkte im Mittelpunkt. Ebenso ord-net sich das benötigte flexible Produktionssystem hier ein. In der Functional Layer von RAMI 4.0 ist unter ande-rem die Open-Innovation-Plattform verankert. Ebenso werden hier die Toolkits beschrieben, mit denen der Kunde das Produkt selbst mitgestalten kann. Die Inno-vationsplattform und die Toolkits stellen die Schnittstel-len zur realen Welt des Kunden dar. Im Functional Layer findet sich auch die Produktarchitektur als Kernelement von InnoCyFer. Hier muss klar definiert sein, welche Pro-dukteigenschaften durch den Kunden veränderbar sind und welche nicht. Für die veränderbaren Bereiche müs-sen entsprechende Lösungsräume definiert werden.

Die konkreten Beschreibungen der Inhalte und Ele-mente der Open-Innovation-Plattform und der Tool-kits finden sich in der Information Layer. Um die kom-plexe Zuordnung von individuellen Aufträgen leisten zu können, setzt InnoCyFer auf einen Ameisenalgorith-mus63. So können die Aufträge effizient an die jeweili-gen Maschinen und Anlagen weitergereicht werden. Bisher wurden die Kommunikationswege in der Com-munication Layer nur grundlegend definiert. Eine wei-tere Definition von Standards ist hier noch notwendig. Für die Integration Layer wurde zunächst eine Umset-zung in HF-RFID gewählt. Dies kann aber auch durch andere Technologien ersetzt werden. Auf der Asset Layer liegen entsprechend der Logik von RAMI 4.0 die physischen Elemente des Use Cases.64

62 Vernim (2016). Einordnung von InnoCyFer in die RAMI 4.0 Referenzarchitektur. In Anderl et al. „Softwarearchitekturen für Industrie 4.0 – RAMI und IIRA aus Sicht der Projekte im Techno-logieprogramm AUTONOMIK für Industrie 4.0. S. 38-40.

63 Der Ameisenalgorithmus ist ein Algorithmus zur näherungs-weisen Lösung von komplexen Optimierungsproblemen. Das Verfahren entstammt der kombinatorischen Optimierung und orientiert sich dabei an Verhaltensweisen von Ameisen bei ihrer Futtersuche.

64 Vernim (2016).

Insgesamt weisen diese Einblicke aus der Praxis darauf hin, dass die hinterlegten Standards in RAMI 4.0 durch-aus für verschiedene Branchen unterschiedlich sein können. Letztlich bietet RAMI 4.0 aber selbst dann noch den Mehrwert, dass Unternehmen aus unterschiedli-chen Branchen Kenntnis über Lösungen anderer Bran-chen erlangen können und gegebenenfalls, soweit die horizontale Vernetzung in Richtung anderer Plattformen und Branchen geht, die eigenen Standards in Hinblick auf Kompatibilität und Interoperabilität zu reflektieren. Die oben erwähnten Companion Specifications kön-nen hier einen wesentlichen Beitrag zur Interoperabili-tät leisten.

5.5 RAMI zur Einordnung von bestehenden Technologien

Neben der Einordnung von schon bestehenden und noch zu entwickelnden Standards kann RAMI 4.0 dazu genutzt werden, auch bestehende Technologien ein-zuordnen. Konkret bedeutet das, Komponenten, Bau-gruppen, Maschinen oder Anlagen können über deren Verwaltungsschalen digital abgebildet werden. Dabei schafft RAMI 4.0 eine einheitliche Definition von gemeinsam genutzten Merkmalen. Somit wird es mög-lich, Produktionsressourcen wie Maschinen, Anlagen, Infrastrukturen oder Logistikelemente flexibel auf Basis der konkreten Anforderungen des Prozesses einzuset-zen. So können z. B. Produktionsaufträge zwischen einer Gruppe von gleichartigen Maschinen verteilt werden. Innerhalb dieses Prozesses kann sich das Produkt die jeweilige Maschine „aussuchen“, von der der nächste Bearbeitungsschritt vorgenommen werden soll. Bei einem Ausfall können Aufträge ebenfalls weitgehend autonom einer anderen Maschine zugeordnet werden.

In Abbildung 8 kann der notwendige Produktionsschritt 2 auf verschiedenen Maschinen (A1, B2 oder C3) ausge-führt werden. Dabei wird die Fähigkeit zum Bohren von allen drei Maschinen auf die gleiche Weise repräsen-tiert. Demnach kann die Zuordnung flexibel und dyna-misch erfolgen.61

61 Plattform Industrie 4.0 (2017). Beziehungen zwischen I4.0-Kom-ponenten – Verbundkomponenten und intelligente Produktion. Fortentwicklung des Referenzmodells für die Industrie 4.0–Komponente SG Modelle und Standards, S. 42 ff.

28

ƒx

Logik = Fachliche Funktionalität

Verwaltungsschale z.B. Produziere Welle

Teilmodell Arbeitsplan (Beispiel)

Merkmalsfestlegungen

+ Schritt 1+ Schritt 2

+ Schritt 3

AAC004: Drill tool diameterAAC005: Drill feed rateAAC006: Drill depth

..

Verwaltungsschale z.B. Maschine A1

Teilmodell Bohren (Beispiel)

MerkmaleAAC004: Drill tool diameterAAC005: Drill feed rateAAC006: Drill depth

Verwaltungsschale z.B. Maschine B2

Teilmodell Bohren (Beispiel)

Merkmale

AAC004: Drill tool diameterAAC005: Drill feed rateAAC006: Drill depth

Verwaltungsschale z.B. Maschine C3

Teilmodell Bohren (Beispiel)

Merkmale

AAC004: Drill tool diameterAAC005: Drill feed rateAAC006: Drill depth

Flex

ibili

tät b

ei d

er R

esso

urce

n-Zu

ord

nung

Aushandlung von Kooperationen und Verträgen laut der

"Sprache der Industrie 4.0"

Abbildung 8: Flexibler Einsatz von Maschinen durch einheitliche Einordnung in RAMI 4.0 (Quelle: Plattform Industrie 4.0. (2017), S. 42.)

Neben der reinen Einordnung von Software-Lösungen in RAMI 4.0 kann die Referenzarchitektur dazu dienen, neue Software-Lösungen konform zum Konzept von Industrie 4.0 zu entwickeln oder bestehende Software-Lösungen, Kommunikationsprotokolle und IT-Systeme entsprechend anzupassen. Ein Beispiel für eine solche Umsetzung von RAMI 4.0 sind die Profibus-Systeme der Firma Siemens.65 Sie umfassen drei konkrete Produkte:

� Profibus – ein standardisiertes digitales Kommunika-tionssystem für alle Anwendungen des Fertigungs-prozesses sowie Prozessautomatisierung.

� Profinet – ein innovativer offener Standard für das industrielle Ethernet.

� IO-Link – Sensor- / Aktuator-Schnittstelle, die in allen Automatisierungsanwendungen verwendet werden kann.

65 Vgl. https://www.profibus.com/ oder http://w3.siemens.com/mcms/automation/de/industrielle-kommunikation/profibus/seiten/default.aspx. Abruf 09.05.2018.

Insgesamt bietet dieses System ein wesentliches Upgrade von traditionellen Feldbussystemen. Ein weite-res Beispiel findet sich in BaSys 4.0, welches einen gro-ßen Teil des RAMI 4.0-Raums abdeckt (siehe Abbildung 10). Bei BaSys 4.0 handelt es sich um ein modulares Betriebssystem für Produktionsanlagen. Das Basissys-tem Industrie 4.0 wird in verschiedenen Demonstratoren verwendet. Hierzu gehören die wandelbare Montageli-nie zur Multivariantenfertigung der DFKI Deutsches For-schungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH, der Einlauf von Produktänderungen in Getriebemontageli-nien der ZF Friedrichshafen AG, die Automatisierung einer Kaltwalzanlage der SMS Group GmbH und die Multi-Produkt-Linie bei Bosch-Rexroth.66

� Die wandelbare Montageline des DFKI innerhalb der SmartFactory in Kaiserslautern zeigt schon heute die industrielle Vernetzung von morgen. Zahlreiche Part-ner arbeiten hier gemeinsam an der Sicherstellung der Interoperabilität, die den zentralen Erfolgsfaktor für die Industrie 4.0 darstellt. BaSys 4.0 leistet im Hin-tergrund einen wichtigen Beitrag zur Interoperabilität.

66 Vgl. https://www.basys40.de/basys-demonstratoren/. Abruf 09.05.2018.

29

� Der Demonstrator bei der ZF Friedrichshafen AG zeigt BaSys 4.0 schon heute im Einsatz. Es handelt sich um eine reale Hybridmontagelinie zur Multi-variantenfertigung. Mit Hilfe von BaSys 4.0 konnte die Hybridmontagelinie in die schon vorhandenen Systeme integriert werden. So kommt es zu weni-ger Stillstandszeiten im Zusammenhang mit Soft-wareänderungen. Weiterhin wird die skalierbare softwaretechnische Vernetzung von Hardwarekom-ponenten mit dem Gesamtsystem stattfinden und der Einlauf von Produktänderungen wird vereinfacht und visualisiert.

� In der hybriden Simulation einer Aluminium-Kalt-walzanlage bei der SMS Group wird das komplette automatisierungstechnische Verhalten einer sol-chen Anlage virtualisiert. Das erlaubt es, alle pro-duktionsrelevanten Szenarien inklusive der Kommu-nikation mit überlagerten ERP-Systemen zu testen. BaSys 4.0 dient bei der SMS Group dazu, moderne Lösungskonzepte im Umfeld von Industrie 4.0 für den Bereich der Automatisierung solcher komple-xer Anlagen zu entwickeln.

� Die Multiproduktlinie bei Bosch-Rexroth erlaubt die Herstellung von 6 Produktfamilien und deren Varian-ten auf einer gemeinsamen Anlage. BaSys 4.0 kann die produktionsstörungsfreie Software-Aktualisie-rung sicherstellen. Das ist immer dann entscheidend, wenn neue Produkte/-varianten in Betrieb genom-men werden oder auch wenn Operationen/Prozesse erweitert bzw. ergänzt werden.

Connected WorldEnterpriseWork CentersStationControl DeviceField DeviceProduct

Connected WorldEnterpriseWork CentersStationControl DeviceField DeviceProduct

Connected WorldEnterpriseWork CentersStationControl DeviceField DeviceProduct

Business Functional

Information Communication

Integration Asset

Dev

elo

pm

ent

Mai

nt./

usag

ePr

od

uctio

nM

aint

./U

sag

e

Dev

elo

pm

ent

Mai

nt./

usag

ePr

od

uctio

nM

aint

./U

sag

e

Type Instance

Value Stream Hie

rarc

hy

Leve

ls

Abbildung 9: Einordnung von CyFer in die Schichten von RAMI 4.0 (Quelle: Vernim (2016), S. 40)

Abbildung 10: Einordnung von BaSys 4.0 in RAMI 4.0 (Quelle: PSI (2017). Software für Versorger und Industrie – Das Projekt BaSys 4.0, S. 7)

Business

Functional

Information

Communication

Integration

Asset

IEC 62890

Life Cycle & Value Stream Hierarchy Levels

IEC 62264//IEC 61512

Connected WorldEnterpriseWork Centers Control Device

StationField Device Product

Development Maintenance/ UsageType

Instance

Production Maintenance/ Usage

Layer

30

5.7 Die Verwaltungsschale von RAMI 4.0 als einheitliche Merkmalsdefinition

Einen wesentlichen Beitrag zur Einordnung von Tech-nologien, Software und anderen Bausteinen der Indus- trie 4.0 leistet die Verwaltungsschale innerhalb von RAMI 4.0. Sie bietet eine einheitliche digitale Darstel-lung der Merkmale des Assets innerhalb eines komple-xen Wertschöpfungsnetzwerks.

Das steht im deutlichen Gegensatz zu heutigen anwen-dungsorientierten Lösungen, die zumeist auf proprietä-ren Systemen aufsetzen. Diese sind in der Regel äußerst heterogen und werden zusätzlich oftmals auf die indivi-duellen Bedürfnisse der einzelnen Firma angepasst, um z. B. mit bestehenden IT-Infrastrukturen oder Anlagen kompatibel zu sein. So entstehen häufig Medienbrü-che, inkonsistente Daten und redundante Daten. Das hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Qualität der Daten, die Effizienz von Prozessen und damit letzt-lich die Kostenstruktur der Unternehmung.67

Die IT-technische Beschreibung von Assets (Verwal-tungsschale) stellt eine Vielzahl an Daten und Informa-tionen dar, die sowohl im Unternehmen als auch im Wertschöpfungsnetzwerk über die Cloud verfügbar sind bzw. verfügbar gemacht werden können. Der Vor-teil besteht darin, dass die Informationen nur einmal gespeichert werden müssen, von überall darauf zuge-griffen werden kann und so eine hohe Transparenz ent-steht. Dabei stehen die Daten sowohl in der horizon-talen Vernetzung, also unternehmensübergreifend, als auch in der vertikalen Vernetzung, unternehmensintern, zur Verfügung.

Mit Hilfe dieser Daten können innerhalb von Industrie 4.0 neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Diese Geschäftsmodelle können entweder ein Unternehmen oder ein Netzwerk von Unternehmen beeinflussen. Ebenso entsteht Potenzial zur Optimierung und Digitali-sierung des aktuellen Geschäftsmodells.

67 Block et al. (2016), S. 231-257.

31

Die Unternehmen der Stufen 0 bis 1 müssen zunächst einmal Klarheit darüber erhalten, wie der wirtschaftliche Nutzen von Industrie 4.0-Konzepten in ihrem individuel-len Kontext aussieht. Auch müssen Unsicherheiten und Informationsdefizite in Hinblick auf das Konzept von Industrie 4.0 abgebaut werden. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Erfordernis der Stärkung von Fachkräften durch den Aufbau von Kompetenzen. Ähnliches gilt auch für die Stufen 2 und 3. Hier müssen die Informatio-nen immer weiter verdichtet und konkretisiert werden. Hinzu kommt, dass gegebenenfalls gegen Widerstände im Unternehmen gearbeitet werden muss.

Für die Pioniere gelten ganz andere Ziele. Ihnen geht es in erster Linie darum, fehlende Finanzkraft für die Durch-führung von Industrie 4.0-Investitionen auszugleichen, rechtliche Fragen zu klären, Fachkompetenzen weiter aufzubauen, IT- und Datensicherheitsfragen zu klären und unternehmensinterne Bürokratien und Regularien in die neue Welt zu überführen.

Um diese Ziele in den drei Gruppen zu erreichen, bedarf es neben geeigneter politischer und rechtlicher Rah-menbedingungen insbesondere des Eigenengage-ments der Unternehmen. Tabelle 4 führt Anlaufstellen und Angebote auf, die derzeit in Hessen zur Verfügung stehen, um den Mittelstand dabei zu unterstützen, Digi-talisierung und Industrie 4.0 im eigenen Unternehmen weiter voranzutreiben.

Dabei reichen die Angebote zur Selbsthilfe von benut-zerfreundlichen Tools, die einen Schnellcheck ermögli-chen, auf welcher Stufe das einzelne Unternehmen steht, über kostenlose bzw. geförderte Erstberatungen und komplexere individuelle Beratungsprojekte bis hin zu Fördermöglichkeiten von Projekten.

Den Zugang zu RAMI 4.0 zu finden fällt schwer, wenn man nicht schon einige Schritte zur Digitalisierung des eigenen Unternehmens gemacht hat. Deshalb ist die weitere Verbreitung von Industrie 4.0 im Mittelstand eine notwendige Voraussetzung für die Verbreitung von RAMI 4.0 und damit auch einer raschen Befüllung des Modells mit Standards, Assets und Merkmalsdefinitio-nen. So kann RAMI 4.0 die weitere Entwicklung von Industrie 4.0 unterstützen. Zur Orientierung, wo das eigene Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung steht, bietet die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Hessen Trade & Invest (HTAI) in Hessen einen kostenlo-sen Online-Digitalisierungs-Check, der auf den Stufen der Industrie 4.0-Readiness aus einer Studie von Licht-blau et al. aufbaut. Diese Skala unterscheidet drei ver-schiedene Stufen:68

� Neulinge, die die sich auf den untersten Stufen bewegen und zunächst erste Schritte wagen müs-sen. (Stufe 0 bis 1)

� Einsteiger, die ähnliche Probleme haben wie Neu-linge, mit dem Themenfeld aber bereits grundsätz-lich vertraut sind. (Stufe 2 bis 3)

� Pioniere, die bereits recht weit fortgeschritten sind, durchaus als Best Practice-Beispiele für Neulinge und Einsteiger gelten, sich aber gerne noch weiter entwickeln würden. (Stufe 3 bis 5)

68 Vgl. Lichtblau, K. et al. (2015). Industrie 4.0-Readiness, Aachen, S. 57 ff. Dieses Modell liegt in abgewandelter Form auch dem Digitalisierungs-Check des Hessischen Ministeriums für Wirt-schaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung zugrunde. Vgl. dazu https://digicheck.digitalstrategie-hessen.de/. Abruf 09.05.2018.

6 BERATUNGS- UND FÖRDERANGEBOTE FÜR HESSISCHE KMU IM BEREICH DIGITALISIERUNG / INDUSTRIE 4.0

Die Implementierung von RAMI 4.0 im Mittelstand ist abhängig von der Digitalisierung und den Bestre-bungen der Unternehmen hin zu datenbasierten Geschäftsmodellen. Für seine Einführung ist insbe-sondere Eigenengagement der Unternehmen erfor-derlich. Zur Unterstützung stehen Angebote zur Beratung und Förderung insbesondere der öffentli-chen Hand zur Verfügung. Einen Überblick bietet Tabelle 4. Darunter befinden sich auch nieder-schwellige Angebote. Entsprechend ist kein fertiges Konzept oder konkretes Projekt zur Digitalisierung nötig, um eine Erstberatung sinnvoll wahrzuneh-men.

32

Beratung

Hessen Trade & Investwww.htai.de

Die Hessen Trade & Invest GmbH (HTAI) ist die Wirtschaftsentwicklungs gesellschaft des Landes Hessen. Ihre Aufgabe ist es, den Wirtschafts- und Technologiestandort Hessen nachhaltig weiterzuentwickeln, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu festigen und auszubauen.

Geschäftsstelle Digitales HessenDie Geschäftsstelle Digitales Hessen unterstützt im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums die Umsetzung der Strategie Digitales Hessen im operativen Bereich. Sie ist angesiedelt beim Themenfeld ‚Digitalisierung‘ der Hessen Trade & Invest GmbH, der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Landes Hessen.https://www.digitalstrategie-hessen.de/startseitehttps://www.technologieland-hessen.de/start

Hessischer Digitalisierungs-CheckMit dem kostenlosen hessischen Digitalisierungs-Check können kleine und mittlere Unternehmen online ihren Digitalisierungsgrad ermitteln und umfang reiche Hinweise zu Entwicklungspotenzial und Beratungsangeboten erhalten.https://www.digitalstrategie-hessen.de/digicheck

RKWhttps://www.rkw-hessen.de/unternehmens-entwicklung/digitalisierung.html

Das RKW Hessen bietet Beratungen zur Digitalisierung von Geschäftsprozes sen sowie Produkten und Dienstleistungen. Kleine und mittlere Unternehmen, Selbständige und Freiberufler können hier Bera-tungsleistungen zur Digita lisierung von Geschäftsprozessen sowie Produkten und Dienstleistungen mit Landesförderung in Anspruch nehmen.

Hessen Agenturwww.hessen-agentur.de

Die HA Hessen Agentur GmbH ist die Dienstleistungsgesellschaft des Landes. Sie setzt Projekte, Kampagnen und Förderaktivitäten um und fungiert zudem als Berater und “Think Tank“.

Das Land Hessen und die EU fördern innovative, technologieorientierte F&E-Projekte als Einzel- oder Verbundvorhaben. Im Fokus steht die Entwicklung neuer, marktfähiger Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Die HA ist Projektträger für mehrere hessische Förderprogramme (u. a. Modell-hafte F&E-Vorhaben, LOEWE-Förderlinie 3, Elektromobilität, Logistik und Mobilität). Die Experten der Innovationsförderung Hessen stehen potenziellen Antragstellern (kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen etc.) mit Rat und Tat zur Seite. www.innovationsfoerderung-hessen.de

WIBankwww.wibank.de

Die WIBank hält ein reichhaltiges Angebot an unterschiedlichen Förder programmen bereit und hilft kostenlos das für das jeweilige Unternehmen passende zu finden.

House of ITwww.house-of-it.eu

Zur weiteren Stärkung der IKT-Branche haben Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik den Aufbau des House of IT initiiert. Dieses trägt dazu bei, die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Stärken der Region national und international noch sichtbarer zu machen. Das Ziel besteht darin, nachhaltige Innovationen zu schaffen, exzellente Weiterbildungsprogramme anzubieten und Existenz-gründungen zu unterstützen, um damit die Entwicklung der regionalen IKT-Branche zu fördern.

Master of Digital Transformation Management (MBA)Der Masterstudiengang bietet jungen Professionals und Führungskräften die Möglichkeit, Digital- kompetenzen für die digitale Transformation zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft auf- bzw. auszubauen. Der berufsbegleitende Studiengang wurde vom House of IT in Kooperation mit der Goethe Business School sowie den Universitäten Darmstadt, Frankfurt und Kassel entwickelt.https://www.house-of-it.eu/mba

Mittelstand 4.0-Kompetenz-zentrum Darmstadthttps://kompetenzzentrum-darmstadt.digital/

Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Stra-tegien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird.

Das Land Hessen fördert flankierend eine Transferstelle, um die Angebote des Kompetenzzentrums hessenweit zu vermarkten und weiterzuentwickeln. Mit kostenlosen und praxisnahen Angeboten wer-den kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung Ihrer Produktions- und Geschäftsprozesse begleitet. Das Spektrum reicht dabei von Orientierung über Analyse und Qualifizierung bis hin zur individuellen Unterstützung bei der Umsetzung konkreter Lösungen.

BIEG Hessenwww.bieg-hessen.de

Das BIEG Hessen unterstützt kleine und mittlere Unternehmen aller Branchen zu Fragen rund um Internet und E-Business. Thematischer Schwerpunkt ist Online-Marketing. Mithilfe von Beratungen, Ver-anstaltungen und Leitfäden können sich Geschäftsführer und Entscheider Klarheit über die jeweiligen Chancen und Risiken verschaffen. Als IHK-Einrichtung sind die Beratungsleistungen für IHK-Mitglieder kostenlos und neutral.

CRISP – Center for Research in Security and Privacywww.crisp-da.dewww.cast-forum.de

Das CRISP bietet zusammen mit dem Competence Center for Applied Security Technology, CAST e.V., Aus- und Weiterbildungen im Bereich IT-Sicherheit für Unternehmen an.

HWKwww.handwerk-hessen.de/

Die Handwerkskammern in Hessen bieten vielfältige Beratungsleistungen und Veranstaltungen für Handwerksunternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung.

IHKwww.ihk-hessen.de/standortewww.ihk-hessen-innovativ.de

Die hessischen Industrie- und Handelskammern unterstützen ihre Mitglieder bei Fragen rund um die Digitalisierung mit Beratungsangeboten und Veranstaltungen.

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Fortsetzung Tabelle 4: Beratung

IT FOR WORKIT Netzwerk e.VZeitsprung IT-Forum Fulda e.V.www.it-for-work.dewww.it-netzwerk-online.dewww.zeitsprung.org

Die Beteiligung an einem Unternehmensnetzwerk bietet wertvolle Kontakte zu IT-Dienstleistern, sowie Zugang zu Beratung, Veranstaltungen & Workshops rund um das Thema IT und Digitalisierung. Beispiele für IT-Unternehmensnetzwerke sind hier angegeben.

Lernfabriken / Testzentren / Testbeds / Labore

Unabhängig von der Bezeichnung gibt es mit voranschreitender digitaler Transformation zunehmende Möglichkeiten sich Digitalisierungs- oder Industrie-4.0-Lösungen in wissenschaftlichem oder betrieb-lichen Umfeld anzusehen und Ideen für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Häufig können an den „Demonstrations-Orten“ neue Ideen und geplante Entwicklungen in Gestalt von Prototypen getestet werden, ohne sich eine eigene Testumgebung aufbauen zu müssen.

Vorhandene Möglichkeiten können recherchiert werden: � Forschungsfinder Hessen

https://www.forschungsfinder-hessen.de � Hessische Hochschulen und Universitäten

https://wissenschaft.hessen.de/wissenschaft/hochschulen-hessen � Plattform Industrie 4.0

https://www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/In-der-Praxis/Testumgebungen/testumgebungen.html � Nationale Kontakt- und Koordinierungsstelle

https://i4kmu.de/

Smart Electronic Factory e. V.http://www.smart-electronic-factory.de/

Die Smart Electronic Factory e.V. ist eine Informations- und Demonstrations plattform für Industrie 4.0. Diese Evaluierungsumgebung ist in einer realen hessischen Elektronikfabrik implementiert. Verschie-dene Software- und Hard ware-Hersteller sowie universitäre Einrichtungen wirken an dieser Initiative aktiv mit. Zentrale Zielsetzung ist es, Industrie 4.0-Szenarien, mit Fokus auf mittel standtaugliche Lösun-gen, in der realen Produktion von Unternehmen umzusetzen.

Forschungsfinder Hessenhttps://www.forschungsfinder-hessen.de

Der Forschungsfinder Hessen ist eine Suchmaschine zur Erschließung der Forschungs-, Entwicklungs- und Transferkompetenzen der hessischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Der Forschungs-finder bringt mehr Transparenz in die hessische Forschungslandschaft und hilft Unternehmen, Ansprechpartner für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu identifizieren.

BitkomVDMAZVEIhttps://www.bitkom.orghttps://www.vdma.orghttps://www.zvei.org

Branchenverbände sind Interessenvertreter und geben Orientierung. Mit einer verbandsübergreifen-den Kooperationsvereinbarung zum Projekt Industrie 4.0 legten Bitkom, VDMA und ZVEI 2013 den Grundstein für die heutige bundesweite Plattform Industrie 4.0. Sie unterstützen ihre Mitglieder mit Beratungs- und Serviceangeboten. Darüber hinaus stellen sie Informationen und erarbeitetes Wissen über die Plattform Industrie 4.0 der Allgemeinheit zur Verfügung.

VDMA-Werkzeugkasten Industrie 4.0Der Werkzeugkasten stellt für Produkte und Produktion verschiedene Entwicklungsstufen bis zu Indus-trie 4.0 dar. Mit dieser Struktur können Unternehmen in Eigenregie ihre Situation analysieren und Ideen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen entwickeln. Darüber hinaus bietet der Leitfaden, in dem der Werkzeugkasten das zentrale Element ist, eine chronologische Vorgehensweise, sich als Unternehmen systematisch Richtung Industrie 4.0 zu entwickeln. http://www.vdmashop.de/refs/VDMA_Leitfaden_I40_neu.pdf

Plattform Industrie 4.0http://www.plattform-i40.de

Die von BMWi und BMBF geleitete bundesweite Plattform Industrie 4.0 bietet allen Akteuren die Möglichkeit sich zu Trends und Entwicklungen der produzierenden Industrie auszutauschen, ein gemeinsames Grundverständnis zu Industrie 4.0 zu erarbeiten und sich aktiv einzubringen.

Die Plattform Industrie 4.0 liefert Informationen für die erfolgreiche digitale Transformation wie z. B. Landkarten mit Praxisbeispielen und Testumgebungen sowie eine umfangreiche Online-Bibliothek. In der Bibliothek sind u. a. Informationen zu Standards, Sicherheit, Recht, Digitalisierung und Arbeit zu finden.

Nationale Kontakt- und Koordinierungsstellehttps://i4kmu.de/

Die Nationale Kontakt- & Koordinierungsstelle „Industrie 4.0-Testumgebungen für KMU – I4KMU“ unterstützt und begleitet Unternehmen auf dem Weg in das digitale Industriezeitalter. Zu den Testumgebungen, die genutzt werden können, zählen auch hessische Testumgebungen.

Initiative "Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitswelten"

Die Initiative "Mittelstand 4.0 - Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse" unterstützt im Rahmen des Förderschwerpunktes „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmens-prozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Mittelstand und Handwerk bei der Digitalisierung, Vernetzung und Einführung von Industrie 4.0-Anwendungen. Neben dem Mittel-stand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt bieten weitere 23 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren Know how und Digitalisierung zum Anfassen.

Mittelstand 4.0-Agenturen leisten Wissenstransfer für übergreifende Digitalisierungsthemen wie Cloud-Computing, Kommunikation, Handel und Prozesse. https://www.mittelstand-digital.de

Sicher im Netzwww.sicher-im-netz.de

Sicherheitscheck in den Bereichen IT-Infrastruktur / Management, Internet- und E-Mailnutzung, Mobile Business, IT-Sicherheits-Management / Datenschutz.

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Förderung

Innovationsförderung Hessen Das Land Hessen und die EU fördern innovative, technologieorientierte F&E-Projekte als Einzel- oder Verbundvorhaben. Im Fokus steht die Entwick lung neuer, marktfähiger Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Die HA Hessen Agentur GmbH ist Projektträger für mehrere hessische Förder-programme (u.a. Modellhafte F&E-Vorhaben, LOEWE-Förderlinie 3, Elektro mobilität, Logistik und Mobilität). Die Experten der Innovationsförderung Hessen stehen potenziellen Antragstellern (kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen etc.) mit Rat und Tat zur Seite.https://www.innovationsfoerderung-hessen.de

WIBankwww.wibank.de

Die WIBank hält ein reichhaltiges Angebot an unterschiedlichen Förderprogrammen bereit und hilft kostenlos das für das jeweilige Unternehmen passende zu identifizieren.

Förderangebote: Förderung nach der Strategie Digitales Hessen: https://www.wibank.de/wibank/digitales-hessen/digitales-hessen/449228

Modellhafte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Digitalisierung: https://www.wibank.de/wibank/modellhafte-fue-digitalisierung/modellhafte-forschungs--und-entwicklungsvorhaben-zur-digitalisierung/441184

Wissens- und Technologietransfer zur Digitalisierung: https://www.wibank.de/wibank/wissens-und-technologietransfervorhaben-zur-digitalisierung/wissens--und-technologietransfer-zur-digitalisierung/440958

Digitalisierungs-Zuschuss Der Digitalisierungs-Zuschuss hilft kleinen und mittleren Unternehmen, Geschäftsprozesse wie Dienstleistungen zu digitalisieren und die IT-Sicherheit zu verbessern.https://www.digitalstrategie-hessen.de/digi-zuschuss

Go-Digitalwww.innovation-beratung-foerderung.dewww.foerderdatenbank.de

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützt mit dem Modellvorhaben externe Beratungsdienstleistungen in Kompetenzbereichen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Handwerks.

Go-Innovativwww.innovation-beratung-foerderung.dewww.foerderdatenbank.de

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert externe Beratungsdienstleistungen zum Innovationsmanagement in Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Handwerks.

Unternehmerisches Know-Howwww.bafa.de

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). In den Bereichen Außenwirtschaft, Wirtschaftsförderung, Energie und Wirtschaftsprüferaufsicht nimmt es wichtige administrative Aufgaben des Bundes wahr. Die BAFA nimmt komplexe Bewertungen auf Eignung für Förderungen vor (wirtschaftliche Fragen, finanzielle Fragen, Personalthemen, organisatorische Fragen).

KMU-innovativwww.bmbf.dewww.foerderdatenbank.de

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt risikoreiche industrielle Forschungs- und vorwettbewerbliche Entwicklungsvorhaben kleiner und mittlerer Unternehmen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien.

Horizont 2020 – Rahmen-programm für Forschung und Innovation (2014-2020)www.een-hessen.dewww.foerderdatenbank.de

Horizont 2020 bildet die Grundlage für die Förderung von Forschung und Innovation durch die Europäische Union in den Jahren 2014 bis 2020. Ziel ist es, unionsweit eine wissens- und innovations-gestützte Gesellschaft und eine weltweit führende Wirtschaft aufzubauen und gleichzeitig zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen.

Mittelstand-Digitalwww.mittelstand-digital.de

Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren / -agenturen / -förderinitiativen

Tabelle 4: Anlaufstellen und Angebote für Beratung und Förderung im Bereich Digitalisierung / Industrie 4.0 (Quelle: Eigene Darstellung erstellt mit Unterstützung der HTAI und unter Einbezug der genannten Websites)

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zelne Unternehmen, ggf. unter Anleitung eines fachlich kompetenten Beraters, eine konsistente Digitalstrategie entwickelt, die neben den zu erreichenden Zielen auch die notwendigen Schritte enthält. Die Digitalisierung des Unternehmens ist dabei ein Baustein auf dem Weg in die Industrie 4.0-Welt, in die es das eigene Geschäfts-modell, ggf. mit Modifikationen, zu überführen gilt.

Diese Grundlagen sind die Voraussetzung dafür, dass sich der Mehrwert von RAMI 4.0 im Unternehmen entfal-ten kann. Weiterhin sollten sich KMU aus der Industrie mit RAMI 4.0 beschäftigen, um den möglichen Mehr-wert für sich selbst zu bewerten. Es ist zum einen emp-fehlenswert, auf Informationsmaterialien zurückzugrei-fen und zum anderen von den Erfahrungen anderer Unternehmen zu profitieren. Diesem Zweck kommen Demonstrationszentren und die Dokumentation von Best Practice-Beispielen nach.69 In den kommenden Monaten und ggf. auch Jahren wird die Befüllung des RAMI 4.0-Modells mit Standards und Normen eine zen-trale Aufgabe der entsprechenden Gremien in den Ver-bänden wie Bitkom, VDMA, ZVEI und VDI sowie dem DIN, aber auch der Arbeitsgruppe „Referenzarchitektu-ren, Standards und Normung“ der Plattform Industrie 4.0 sein. Den Gremien Input zu liefern wird wiederum Auf-gabe der Unternehmen sein. Dieser Input kann entwe-der durch ein persönliches Engagement zum Beispiel im Rahmen von Arbeitsgruppen bei der Plattform Indus-trie 4.0 oder über die Unternehmensverbände erfolgen.

In der Praxis sollten die Unternehmen die Zusammenar-beit in Wertschöpfungsnetzwerken prüfen und die Vor-teile von RAMI 4.0 mit ihren Kooperationspartnern dis-kutieren. Noch nicht marktreife Ideen zur Umsetzung von Industrie 4.0 können in Testzentren einer Evaluie-rung unterzogen werden. Darüber hinaus empfiehlt es sich für die Unternehmen, ständig an der Weiterent-wicklung ihrer Geschäftsmodelle zu arbeiten und dabei auch das Potenzial hybrider Geschäftsmodelle nicht außer Acht zu lassen. Es gilt eine Sensibilität dafür zu entwickeln, dass diese Prozesse nie als abgeschlossen gelten können, sondern einer ständigen Evolution unterliegen. So ist es erforderlich, dass Schnittstellen so gestaltet werden, dass für den Fall der Etablierung neuer Standards in RAMI 4.0 möglichst geringe Kosten der Umstellung entstehen.

Um RAMI 4.0 zukünftig zu einer größeren Verbreitung im Mittelstand zu verhelfen, wird es Aufgabe der Multi-plikatoren sein, die Unternehmen, und dabei insbeson-dere die sogenannten Neulinge und Einsteiger, dahin-gehend zu unterstützen, dass Defizite auf dem Weg zu

69 Dabei sind diese Dokumentationen der Erfahrungen anderer Unternehmen bezogen auf RAMI 4.0 zum aktuellen Zeitpunkt noch Zukunftsmusik. Dies gilt vielmehr für Erfahrungen mit Industrie 4.0.

Obwohl die hybride Wertschöpfung schon heute einen wesentlichen Einfluss auf die Industrie in Hessen und in ganz Deutschland hat, sind noch wichtige Schritte bis zu einer breiten vernetzten Digitalisierung im Sinne von Industrie 4.0 zu gehen. Die für diese Studie durchge-führten Interviews mit Unternehmensvertretern aus dem hessischen Mittelstand, Experten zum Thema RAMI 4.0 sowie Verbänden und Kammern unterstreichen deut-lich, dass dieser Prozess hin zu Industrie 4.0 evolutionär geschieht. Nach Auffassung der Experten aus der Praxis handelt es sich eben nicht um die oft beschworene und möglicherweise disruptive Revolution. Insbesondere wird dies damit begründet, dass auf dem Weg zur Industrie 4.0 immer wieder Zwischenschritte notwendig sein werden, die vorhandene Systeme kompatibel zuein-ander machen und innovative Lösungen in Vorhande-nes integrieren.

Die Ergebnisse der durchgeführten Interviews haben deutlich gemacht, dass RAMI 4.0 bei hessischen und deutschen KMU nur wenig bekannt und noch weniger verbreitet ist. Gleichzeitig verfügt das Modell noch über umfangreiche Lücken in der Befüllung. Im Folgenden sollen nun Handlungsempfehlungen entwickelt wer-den, um Informationsdefizite abzubauen und die Befül-lung von RAMI 4.0 voranzubringen. Dabei ist neben dem Eigenengagement der Unternehmen auch ein gebündeltes Engagement auf höherer Ebene ange-zeigt. Konkret kommt Kammern und Verbänden in die-sem Prozess die Rolle zu, zu motivieren sowie bei ersten Überlegungen bis hin zur Umsetzung zu unterstützen. Nach Auskunft der Interviewten wird die Schwelle für Beratungsleistungen oft als zu hoch empfunden. Viele Unternehmer gehen davon aus, dass sie selbst bereits eine gute Idee zur Digitalisierung, zu einem neuen Geschäftsmodell oder zur horizontalen Vernetzung brauchen, bevor ein Berater hinzugezogen wird, um im Detail zu feilen. Diese Befürchtungen basieren auf unzu-reichender Information. Wie in Kapitel 6 gezeigt, existie-ren bereits zahlreiche Angebote zur niederschwelligen Beratung, die von viel mehr Unternehmen genutzt wer-den könnten. So könnte das so wichtige Denken in digi-talen Strukturen grundlegend geschärft werden. Hier liegt es an den Unternehmen, die entsprechenden Stel-len zu kontaktieren und sich beraten zu lassen.

Wie in Kapitel 6 adressiert, bedarf es zunächst der Erfül-lung von Grundvoraussetzungen, nämlich der Etab-lierung von Industrie 4.0 und der Digitalisierung im Unternehmen. In Tabelle 4 wurde gezeigt, welche Mög-lichkeiten und Instrumente von der öffentlichen Hand und weiteren für die Unternehmen öffentlich zugängli-chen Stellen zur Verfügung gestellt werden. Es obliegt nun den Unternehmen, den Mehrwert dieser Trends und Entwicklungen für sich zu erkennen und zu bewer-ten sowie die vorgestellten Instrumente zu nutzen. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass das ein-

7 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

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Der hessische Mittelstand ist nicht nur innerhalb von Hessen oder auch ganz Deutschland in Wertschöp-fungsnetzwerke eingebunden, sondern auch darüber hinaus. Von diesem Standpunkt aus und auch vor dem Hintergrund der vereinbarten Kooperation zwischen der Plattform Industrie 4.0 und dem IIC zu Kompatibi-litätsanstrengungen der Referenzarchitekturmodelle sollten insbesondere von Seiten der Bundespolitik Maß-nahmen ergriffen werden, um die Position der deut-schen Industrie im internationalen Umfeld zu stärken. Damit wäre sichergestellt, dass die bisher in RAMI 4.0 geflossenen Gelder von Unternehmen und Fördermit-telgebern nicht zu sunk cost würden. Es würde Investiti-onssicherheit hergestellt, da so die heute existierenden und mit RAMI 4.0 kompatiblen Produkte, wie z. B. BaSys oder Profibus, auch weiterhin markttauglich bleiben.

Industrie 4.0 abgebaut werden können. Dabei ist es zum einen notwendig, dass Kommunikations- und Infor-mationsmaterialien auch und gerade an Unternehmen mit wenig Kenntnissen adressiert werden. Die vorlie-gende Studie ist ein Schritt in diese Richtung.

Ein weiterer Schritt wird sein, die Informationsmateria-lien zu Industrie 4.0 der öffentlichen Hand (Behörden, Ministerien und Agenturen) sowie der Kammern und Verbände, soweit noch nicht geschehen, gezielt um RAMI 4.0 zu erweitern, um die Unternehmen so weiter für das Thema zu sensibilisieren und Kenntnisse dazu aufzubauen. Dabei ist die Bedeutung der Standardisie-rung zu betonen. Von hoher Wichtigkeit ist es für die Unternehmen, dass Unsicherheiten im Bereich der IT-Sicherheit und des Datenschutzes abgebaut werden und diese Themen weit oben auf der Agenda stehen. Dabei sollte hervorgehoben werden, dass die meis-ten Fragen des Zugangs, der Weitergabe und mögli-chen Haftung in Bezug auf den Datenaustausch in Wert-schöpfungsnetzwerken in bilateralen Verträgen geklärt werden können. Mittel- bis langfristig kann die Menge dieser Verträge möglicherweise zum Hemmnis für die weitere Verbreitung digitaler Geschäftsmodelle wer-den. Sollten aus der Industrie selbst heraus keine stan-dardisierten Verträge entstehen, kann dies ein mögli-cher Eingriffspunkt für die europäische Politik sein, um einen digitalen Binnenmarkt mit einer dynamischen Entwicklung sicherzustellen. Erste Schritte in diese Rich-tung wurden von der Europäischen Kommission mit dem Vorschlag zu einer Regulierung zu „Free flow of non-personal data in the European Union“70 gemacht.

Ein letzter, aber auch bedeutender Punkt ist der schritt-weise und kontinuierliche Aufbau von Fachkräften. Zum einen bedarf es der Weiterbildung und Schulung vor-handenen Personals in Hinblick auf die neuen Heraus-forderungen. Mitunter entstehen ganz neue Berufsbil-der und es werden Qualifikationen am Arbeitsmarkt angefragt, für die noch gar kein Angebot besteht. RAMI 4.0 sollte daher in die berufliche Aus- und Weiterbil-dung integriert werden. Um eine praxisnahe Forschung in diesen Feldern zu erhalten, sollte die Zusammenarbeit von Fachhochschulen und Mittelstand ausgebaut wer-den. Eine Förderung kleiner und für KMU zugänglicher Projekte ist zu empfehlen. Sobald es ausreichend Anwen-dungsbeispiele gibt, wäre ergänzend die Demonstra-tion der Praxistauglichkeit von RAMI 4.0 anhand geeig-neter Fallbeispiele sowie entsprechender Publikationen wünschenswert.

70 COM(2017) 495 final.

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misch, schwer verständlich oder gar kryptisch. Das gilt ebenfalls für viele Darstellungen des Mehrwerts. Die vorliegende Studie hat einen ersten Schritt in Richtung einer einfacheren Darstellung des Mehrwerts gemacht.

Wie die Ergebnisse der Experteninterviews belegen, ist es zwar vermutlich nicht für alle KMU zielführend, sich individuell in den Standardisierungsprozess rund um RAMI 4.0 einzubringen, sie sollten die Entwicklung aber beobachten und ihre Produkte, Prozesse und Dienstleis-tungen auf die Darstellung in RAMI 4.0 vorbereiten. Dies wird mit zunehmender Relevanz von RAMI 4.0 von strategischer Bedeutung sein.

Die Standardisierungsprozesse rund um RAMI 4.0 zu begleiten, ist mit Blick auf die Interessen des Mittel-stands eher eine Aufgabe für die Verbände und Kam-mern, die sicherstellen sollten, dass Interessen der KMU gebündelt werden und wesentliche Bereiche der deut-schen Wirtschaft nicht durch Standards benachteiligt werden. Ferner sollte die Bundespolitik mit Hilfe der Plattform Industrie 4.0 sicherstellen, dass gerade in der internationalen Abstimmung von Referenzarchitekturen keine negativen Folgen für die deutsche Industrie ent-stehen und Investitionssicherheit gewährleistet wird.

Unabhängig davon wie stark sich ein einzelnes Unter-nehmen in den Standardisierungsprozess einbringen kann und will, ist festzuhalten, dass es keine eindeutig optimale Digitalisierung per se gibt. Jedes KMU für sich sollte eine Digitalisierungsstrategie entwickeln, die auf einer sorgfältigen Abwägung von Nutzen und Kosten beruht und das individuelle Optimum bestimmt. Die intensive Auseinandersetzung mit diesen Themen wird unverzichtbar sein, um zukünftig flexibel und wettbe-werbsfähig zu bleiben. Es bedarf der Anlage von Struk-turen und der Überprüfung von Prozessen, um für Kun-den und Partner attraktiv zu bleiben und auf digitaler Ebene zusammenzuarbeiten. Letztlich sind es die daten-basierten Geschäftsmodelle, die in Zukunft dominieren werden. Auch für die Unternehmen, die sich bis dato noch nicht intensiv mit diesen Themen beschäftigt haben, stehen ausreichend Beratungs- und Hilfsange-bote zur Verfügung.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass sich das Bundesland Hessen und konkret die Hessen Trade & Invest sehr früh mit dem Thema RAMI 4.0 beschäftigen. Vielen KMU in Hessen und in ganz Deutschland ist RAMI 4.0 noch kein Begriff. Die vorliegende Studie leistet einen ersten Beitrag dazu, auf RAMI 4.0 und die mögli-chen Mehrwerte aufmerksam zu machen.

RAMI 4.0 kann, wie in Kapitel 5 gezeigt wurde, signifi-kante Mehrwerte bieten und innovative Geschäftsmo-delle ermöglichen. Es schafft einen Referenzrahmen, in dem Standards und Schnittstellen verortet werden kön-nen. Diese Einordnung ermöglicht es, unternehmens-übergreifende Projekte schnell und zielgerecht aufzu-setzen. Das spart mittelfristig Kosten und Zeit. Darüber hinaus kann RAMI 4.0 als Innovationsinstrument einge-setzt werden. Einerseits können neue Geschäftsmodelle mit Hilfe des Überblicks, den RAMI 4.0 schafft, leichter identifiziert werden. Andererseits birgt die Umstellung der eigenen Strukturen auf RAMI 4.0 die Möglichkeit, Prozessinnovationen im eigenen Unternehmen und fir-menübergreifend zu entwickeln. Die in RAMI 4.0 hinter-legten Informationen ermöglichen z. B. ein intelligentes Condition Monitoring und einen effizienteren Bestell-prozess für Ersatzteile genauso wie eine intelligente Auslastung in Multi-Produkt-Produktionslinien.

Insbesondere Komponentenhersteller sollten sich auf die in Zukunft zunehmenden Anforderungen der IT-tech-nischen Darstellung ihrer Produkte einstellen. Es liegt dabei an den KMU selbst, diese Themen im eigenen Unternehmen voranzubringen, sich zu informieren und Anstrengungen zur Implementierung zu unternehmen. Dies scheint unverzichtbar, um den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft flexibel zu begegnen.

Die Landespolitik sowie Kammern und Verbände kön-nen auf diesem Weg unterstützen und tun dies schon mit zahlreichen Angeboten zur Selbsthilfe. Darunter befinden sich auch niederschwellige Angebote.

Mit Blick auf RAMI 4.0 scheint es ein klares Kommuni-kationsproblem zu geben. Zahlreiche Interviewpartner bezeichneten den Vorstoß des Modells als zu akade-

8 FAZIT

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GLOSSAR

realer Objekte (Dinge) mit virtuellen, informationsverarbeiten-den Objekten. Auf der einen Seite erweitert es das herkömmli-che Internet um die Fähigkeit, die reale Welt einzubinden, auf der anderen Seite bietet es die Möglichkeit, Technik mit einer künstlichen Intelligenzfunktion auszustatten.

Interoperabilität – Fähigkeit zur nahtlosen Zusammenarbeit verschiedener Modelle, Systeme, Techniken oder Organisatio-nen.

Legacy-Struktur – Informationstechnologie, die sich vor allem durch fehlende Aktualität vom restlichen System abhebt. Der Begriff ist häufig negativ behaftet. In der Praxis können Legacy-Strukturen Grund für Interoperabilitätsprobleme sein, da sie sich nicht ohne weiteres in neue Strukturen eingliedern lassen.

Netzwerk Industrie – Erweiterung der klassischen Industrie-branche um industrienahe Dienstleistungen aus angrenzen-den Wirtschaftszweigen (nach WZ08). Ziel dieser Erweiterung ist es, die Verflochtenheit aller unmittelbar beteiligten Parteien des industriellen Wertschöpfungsnetzwerks in Hessen besser erfassen zu können. Damit ist das Netzwerk Industrie die exem-plarische Realisierung einer hybriden Wertschöpfung.

Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 RAMI 4.0 – Eine Referenzarchitektur bezeichnet die technische Beschreibung und Umsetzung von Vereinbarungen zu auszutauschenden Informationen, Prozessen und Schnittstellen. Sie liefert damit ein allgemeines Muster für die Produkte und Dienstleistun-gen aller zusammenarbeitenden Unternehmen und bildet den Rahmen sowohl für die Strukturierung als auch die Entwick-lung, Integration und den Betrieb der relevanten technischen Systeme. Eine solche Referenzarchitektur ist RAMI 4.0 für die Industrie 4.0. Es hat den Anspruch, die besonderen Herausfor-derungen der unternehmensübergreifenden Vernetzung und Digitalisierung dabei zu berücksichtigen. (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.3)

Sensor – Technisches Bauteil zur qualitativen oder quantitati-ven Erfassung einer physischen Eigenschaft. Ein anschauliches Beispiel ist der Laserscanner (vgl. Abschnitt 5.2).

Smart Factory – Fabrik, die in Produktion und produktionsna-hen Prozessen ein hohes Maß an Selbstorganisation aufweist und in der Lage ist, flexibel und effizient auf wechselnde Anfor-derungen zu reagieren.

Vertikale Vernetzung – Hierarchieübergreifende, innerhalb eines Unternehmens stattfindende Vernetzung.

Verwaltungsschale – IT-technische Beschreibung von Assets. Durch diese IT-technische Beschreibung wird ein Gegen-stand im Wertschöpfungsprozess eindeutig identifizierbar und, soweit eine Kommunikationsadresse vorhanden ist, auch ansprechbar. Letztlich benötigt jeder Gegenstand in der Indu-strie 4.0 eine Verwaltungsschale, um in die digitale Kommuni-kation eingebunden werden zu können.

Wertschöpfungskette – Sequenzieller Prozess der Wertschöp-fung, angefangen bei der Produktion bis hin zur Dienstleistung und Vermarktung von fertigen Produkten. Durch steigende horizontale und vertikale Vernetzung können immer komple-xere Wertschöpfungsketten konstruiert werden, was steigende Effizienz und Flexibilität zur Folge hat.

Wertschöpfungsnetzwerk – Dezentrales Netzwerk, das gekennzeichnet ist durch komplexe wechselseitige Beziehun-gen zwischen autonomen und rechtlich selbständigen Unter-nehmen. Es ist eine Interessengemeinschaft von potenziellen Wertschöpfungspartnern, die bei Bedarf gemeinsam agieren und Leistung erstellen. (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.2)

Asset – Ein Asset ist ein Gegenstand, der virtueller oder phy-sischer Natur sein kann (z. B. Software, Anlagen, Maschinen, Komponenten), einen Wert für eine Organisation hat und auf-grund dessen verwaltet wird. Im Rahmen der Studie spielt ins-besondere die IT-technische Beschreibung und Einbindung der Assets eine Rolle. (vgl. dazu Verwaltungsschale und Indu-strie 4.0-Komponente)

Cyber-Physische Systeme (CPS) – Cyber-Physische Systeme sind Systeme, die reale, physische Objekte und Prozesse (wie Sensoren und Produktionsanlagen) und virtuelle, informations-verarbeitende Objekte (wie Überwachungssoftware oder Pro-duktionsroutineprogramme) über ein Netzwerk miteinander verbinden. Zusätzlich dazu verfügen Cyber-Physische Systeme häufig über Mensch-Maschine-Schnittstellen, welche die Regu-lierung, Steuerung und Gestaltung betreffender Prozesse erlauben. Sie sind ein konkreter Anwendungsfall des Internet der Dinge (vgl. dazu Internet der Dinge).

Cyber-Physische Produktionssysteme (CPPS) – Cyber-Physi-sche Produktionssysteme gelten als Basis von Industrie 4.0. Es handelt sich um Produktionssysteme auf der Basis von Cyber-Physischen Systemen (vgl. dazu Cyber-Physische Systeme).

Cloud – Virtualisierte IT-Ressourcen, auf welche internetbasiert und ortsunabhängig zugegriffen werden kann. Die virtuelle „Rechenwolke“ besteht aus zahlreichen miteinander vernetz-ten Rechnern.

Companion Specifications – Aufgabe von Companion Speci-fications ist es, auf Basis des OPC UA branchenspezifische Klas-sifikationen, Schnittstellen usw. über Herstellergrenzen hinweg zu definieren und so den vernetzten Datenaustausch zu ermög-lichen.

Digitalisierung – Digitalisierung bezeichnet einen Verände-rungsprozess, vorangetrieben durch die stetig steigende Prä-senz von digitalen Geräten und Technologien. Im Kontext der Industrie bedeutet das neben technologischen Innovationen vor allem eine zunehmende Vernetzung sowohl von Unterneh-men als auch von Teilnehmern der Wertschöpfungskette. Man unterscheidet entsprechend zwischen horizontaler und vertika-ler Vernetzung.

Geschäftsmodell – Ein Geschäftsmodell ist eine abstrahierte, meist vereinfachte Darstellung der Wertschöpfung eines Unter-nehmens und elementarer Bestandteil der Unternehmensstra-tegie. Es beschreibt die zugrunde liegende Idee, um Gewinne zu erwirtschaften.

Horizontale Vernetzung – Unternehmensübergreifende Ver-netzung von Unternehmen innerhalb einer funktionalen Hierar-chiestufe.

Hybride Wertschöpfung – Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen innerhalb einer Wertschöpfung.

Industrie 4.0 – Der Begriff steht für die vierte industrielle Revo-lution und beschreibt die umfassende Digitalisierung und Ver-netzung der deutschen Industrie. (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.1)

Industrie 4.0-Komponente – Die Industrie 4.0-Komponente besteht aus einem oder mehreren Assets und der Verwaltungs-schale.

Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) – Sammel-begriff für Informationstechnologie (IT) und Telekommunika-tion (TK).

Internet der Dinge (engl. Internet of Things, IoT) – Beschrei-bung einer (internetähnlichen) Infrastruktur zur Verknüpfung

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Projektträger: