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662 Quintessenz Zahntech 2012;38(6):662±6 64 DIGITALER WORKFLOW AUF EIN WORT Einleitung CAD/CAM wird das Berufsbild des Zahntechnikers ver- ! ndern" ” Diese Weisheit klingt „ gef# hlte” 15 Jahre alt und ist in den letzten Jahren in fast jedem Bericht, den ich ge- lesen habe, zumindest Teil der Einleitung. Richtig, werden Sie sagen. Es stimmt, dass sich viel getan hat und mehr noch. Geht es uns nicht obendrein noch so, dass die Ge- schwindigkeit, mit der digitale Ver! nderungsprozesse un- sere t! glichen Arbeitsabl! ufe momentan erg! nzen, eher noch kr! ftig angestiegen ist (Abb. 1)? Ein R# ckblick In den ersten Jahren ab 2001 stand die Verbesserung der Hardware- und Software-Komponenten im Vordergrund. Es ging dabei ausschlie˚ lich um eine erfolgreiche Etab- lierung von Zirkoniumdioxid. Also lediglich ein Werkstoff stand im Mittelpunkt des Interesses (Abb. 2). Doch die Ergebnisqualit! ten waren anf! nglich in punkto Genauigkeit einfach zu weit von der etablierten Fertigungspr! zision konventioneller Techniken entfernt. Gro˚ e Æ nanzielle Kr! fte wurden in die Entwicklung ver- besserter Schleifstrategien, performance-optimierter Rechnerleistungen und abgestimmter Fr! smaschinen mit 5-Achs-Technologien investiert. Offene Fragen rund um das Thema Zirkoniumdioxid haben viel l! nger auf Ant- worten warten lassen, als es das Marketing der Industrie in diesem Zusammenhang zun! chst versprach. Liner oder kein Liner, Sandstrahlen oder nicht, Wasser- k# hlung? Chipping? Langzeitabk# hlung? Hier nur eine kleine Auswahl von Verarbeitungsthemen, die jede f# r sich bis heute gen# gend Z# ndstoff bietet, an einem Kollegenstammtisch eine erregte Diskussion # ber die Meinungsverschiedenheit auszul$ sen. Heute ist Zirkoni- umdioxid ein erforschter Werkstoff, der in seiner Verarbei- tungsqualit! t eigene Ma˚ st! be setzt. Aber der Weg war steinig und w! re ohne die Kraft der Premium-Anbieter sicher nicht gelungen. CAD/CAM im Jahr 2012 ist viel mehr" Die Frage, ob man sich als Zahntechniker aktuell mit ei- ner digitalen Fertigungstechnik auseinandersetzt, stellt sich gar nicht mehr, denn digitale Technologien sind bereits zur t! glichen Routine geworden. In nahezu allen prothetischen Bereichen der modernen Zahnheilkunde konnten verbesserte Ergebnisqualit! ten und ebenso in- novative Behandlungsprotokolle etabliert werden. Indivi- Digitaler WorkØ ow ver! ndert das Berufsbild der Zahntechnik Carsten Fischer Abb. 1 Es bringt uns heute schon zum Schmunzeln, wenn wir auf die ersten CAD/CAM-Versuche zur# ckblicken, dabei ist es gerade zehn Jahre her. Abb. 2 Transluzentes Zirkoniumdioxid ist zum Standard gewor- den. Wer h! tte noch vor drei Jahren gedacht, dass eine monoli- thische Fertigungsweise (links im Bild) zur probaten prothetischen Versorgung im Alltag wird?

Digitaler Workflow verändert das Berufsbild Zahntechnik

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Digitaler Workflow verändert das Berufsbild Zahntechnik

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662 Quintessenz Zahntech 2012;38(6):662±6 64

DIGITALER WORKFLOW

AUF EIN WORT

Einleitung¹ CAD/CAM wird das Berufsbild des Zahntechnikers ver-! ndern" º Diese Weisheit klingt ¹ gef# hlteº 15 Jahre alt und ist in den letzten Jahren in fast jedem Bericht, den ich ge-lesen habe, zumindest Teil der Einleitung. Richtig, werden Sie sagen. Es stimmt, dass sich viel getan hat und mehr noch. Geht es uns nicht obendrein noch so, dass die Ge-schwindigkeit, mit der digitale Ver! nderungsprozesse un-sere t! glichen Arbeitsabl! ufe momentan erg! nzen, eher noch kr! ftig angestiegen ist (Abb. 1)?

Ein R# ckblickIn den ersten Jahren ab 2001 stand die Verbesserung der Hardware- und Software-Komponenten im Vordergrund. Es ging dabei ausschlie˚ lich um eine erfolgreiche Etab-lierung von Zirkoniumdioxid. Also lediglich ein Werkstoff stand im Mittelpunkt des Interesses (Abb. 2).

Doch die Ergebnisqualit! ten waren anf! nglich in punkto Genauigkeit einfach zu weit von der etablierten Fertigungspr! zision konventioneller Techniken entfernt. Gro˚ e Æ nanzielle Kr! fte wurden in die Entwicklung ver-besserter Schleifstrategien, performance-optimierter Rechnerleistungen und abgestimmter Fr! smaschinen mit

5-Achs-Technologien investiert. Offene Fragen rund um das Thema Zirkoniumdioxid haben viel l! nger auf Ant-worten warten lassen, als es das Marketing der Industrie in diesem Zusammenhang zun! chst versprach.

Liner oder kein Liner, Sandstrahlen oder nicht, Wasser-k# hlung? Chipping? Langzeitabk# hlung? Hier nur eine kleine Auswahl von Verarbeitungsthemen, die jede f# r sich bis heute gen# gend Z# ndstoff bietet, an einem Kollegenstammtisch eine erregte Diskussion # ber die Meinungsverschiedenheit auszul$ sen. Heute ist Zirkoni-umdioxid ein erforschter Werkstoff, der in seiner Verarbei-tungsqualit! t eigene Ma˚ st! be setzt. Aber der Weg war steinig und w! re ohne die Kraft der Premium-Anbieter sicher nicht gelungen.

CAD/CAM im Jahr 2012 ist viel mehr"Die Frage, ob man sich als Zahntechniker aktuell mit ei-ner digitalen Fertigungstechnik auseinandersetzt, stellt sich gar nicht mehr, denn digitale Technologien sind bereits zur t! glichen Routine geworden. In nahezu allen prothetischen Bereichen der modernen Zahnheilkunde konnten verbesserte Ergebnisqualit! ten und ebenso in-novative Behandlungsprotokolle etabliert werden. Indivi-

Digitaler WorkØ ow ver! ndert das Berufsbild der ZahntechnikCarsten Fischer

Abb. 1 Es bringt uns heute schon zum Schmunzeln, wenn wir auf die ersten CAD/CAM-Versuche zur# ckblicken, dabei ist es gerade zehn Jahre her.

Abb. 2 Transluzentes Zirkoniumdioxid ist zum Standard gewor-den. Wer h! tte noch vor drei Jahren gedacht, dass eine monoli-thische Fertigungsweise (links im Bild) zur probaten prothetischen Versorgung im Alltag wird?

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DIGITALER WORKFLOW

AUF EIN WORT

duelle Abutments, Kronen, Br# cken, Inlays, Onlays, Terti-! rstrukturen aus NEM oder SLM (selective laser melting), Provisorien, Prothesen ± um nur die g! ngigsten prothe-tischen Indikationen zu nennen. Hierbei sind die digitale Implantatplanung, Funktionsanalyse, KFO, Archivierung, Gesichtsscanner usw. noch gar nicht genannt (Abb. 3).

Die digitale Verfahrenskette erm$ glicht ganz neue Standards der Qualit! tskontrolle und bietet durch die Da-tenspeicherung eine vollst! ndige Reproduzierbarkeit der prothetischen Arbeit zu jedem Zeitpunkt. Nat# rlich liegt der Gedanke nahe, nunmehr die gewonnenen Daten zu verkn# pfen. Der Wunsch nach einem ¹ digitalen WorkØ owº ist gro̊ und hat eine wahre Begeisterung ausgel$ st. Ob diese Euphorie kunden- oder industriegetrieben ist, l! sst sich nicht beantworten, doch steht fest, dass eine digitale Prozesskette erneut viele Vorteile f# r alle Beteiligten brin-gen w# rde. Ein m$ gliches digitales Ablaufprotokoll:

! Intraoraler Scanner zur digitalen Datenerfassung! Virtuelles Modell! CAD-Planung! STL-File! Substraktive (Fr! stechnik) und additive (Rapid Proto-

typing, StereolithograÆ e) Fertigung zur Erstellung der Modellunterlage

! CAM-Fertigung! Restauration

Intraoraler ScannerMit der IDS 2011 ist eine neue Generation von Ger! ten vorgestellt worden. Weitaus performance-optimiertere Scanner, die ohne l! stigen Puder (Kontrastmittel) mit Tau-senden von Bildern pro Sekunde in Echtzeit ein 3-D-Mo-dell virtuell generieren k$ nnen, erm$ glichen eine soforti-ge Kontrolle eventueller Scan- oder Pr! parationsfehler f# r den anwendenden Zahnarzt. Die sofortige Ber# cksichti-gung der korrekten Einschubrichtung, Pr! parationswinkel und ihre Darstellungsqualit! t ist ein gro˚ er Schritt in die richtige Richtung. Auch muss keine deÆ nierte Scan-H$ he ber# cksichtigt werden.

Eine kritische Randnotiz sei erlaubt: Nicht einer meiner Kunden w# rde sich im Anschluss an die Datenerfassung etwa eine Stunde bis anderthalb Stunden vor die Kon-struktionssoftware setzen, um eine Einzelzahnkrone zu konstruieren.

ModellerstellungDas geliebte Gipsmodell Æ ndet in dieser digitalen Prozess-kette keinen gefestigten Stand. Die Modelle werden ent-weder durch StereolithograÆ e (SLA) oder aus Polyurethan gefr! st. Beide Verfahren stehen f# r mich derzeit in kei-nem akzeptablen Preis-Leistungs-Verh! ltnis, das auch nur irgendwie zu rechtfertigen ist. Die neuartige Modellerstel-lung darf also als der ¹ Flaschenhalsº in der Verkn# pfung aller Abl! ufe gesehen werden. Selbst als technikbegeister-

Abb. 3 CAD/CAM bedeutet heute den Einsatz unterschiedlichster Materialien in einem Gesamtzusammenhang zu nutzen: Zirko-niumdioxidbr# cke auf Standardabutments, CAD/CAM-gefr! stes Provisorium im Unterkiefer. Nur das Verst! ndnis dieser Zusam-menh! nge wird besonders in der Anfertigung komplexer Rekonst-ruktionen die gew# nschte Sicherheit erbringen (ZA Dr. Locher, Goethe-Universit! t Frankfurt).

Abb. 4 Der routinem! ˚ ige Einsatz von Einzelst# ck-Komponenten ist erst durch digitale Arbeitsschritte m$ glich. So k$ nnen immer $ fter auch kritische Fallsituationen noch zu ansprechenden Ergeb-nissen gef# hrt werden (ZA Dr. Gehrke, Ludwigshafen).

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DIGITALER WORKFLOW

AUF EIN WORT

ter Zahntechniker, der bereits wie viele meiner Kollegen zigtausend Euro in die Pr! zision seiner Modellerstellung und Artikulation investiert hat, ist mir nicht schl# ssig, wie dieser bew! hrte Arbeitsschritt in einer digitalen Prozess-kette ersetzt werden soll. Aber hier lasse ich mich gerne in der Zukunft # berraschen (Abb. 4).

Ein AusblickZum digitalen WorkØ ow geh$ rt letztendlich auch die Ver-blendung eines Metall- oder Keramik-Zahnersatzes. Im so-genannten CAO-Verfahren (Computer Aided Overpress) wird parallel zur Ger# ststruktur aus Zirkoniumdioxid eine Verblendh# lle aus r# ckstandsfrei verbrennbarem Kunst-stoff im CAD/CAM-Verfahren hergestellt. Anschlie˚ end werden beide Komponenten zusammengewachst und in der % berpresstechnik fertiggestellt. Somit wird der Auf-wachsprozess durch den Zahntechniker erspart und da-mit ist eine kostenefÆ zientere Herstellung m$ glich.

Eine noch h$ here Effektivit! t verspricht die sogenann-te ¹ Sinterverbundkroneº (SVK& ), eine Entwicklung der Arbeitsgruppe Vollkeramik M# nchen an der LMU M# n-chen. Dabei entspricht die Innenkontur der Verblendung der Au˚ enkontur des Ger# sts, die Au˚ enform der Ver-blendung der Form der vollanatomischen Krone. Beide Kronenbestandteile, Ger# st und Verblendung, werden im CAD/CAM-Verfahren hergestellt, jedoch bereits mit den deÆ nitiven Materialien, welche anschlie˚ end im so-genannten ¹ Sinterverbundbrand™ zusammengef# gt wer-den.

FazitUnd wo Æ nde ich mich als Zahntechniker in diesen kom-plexen Abl! ufen wieder? Eine sehr gute Frage, die nicht nur eine Antwort kennt und allumfassend momentan kaum zu beantworten ist. Ich will Ihnen zumindest verra-

ten, wie wir jetzt und heute in unserem Laboralltag diesen neuen Herausforderungen begegnen.

Unsere CAD/CAM-Produktion verarbeitet laborseitig alle ausgereiften Werkstoffe ohne Wasser. Dazu geh$ ren ausbrennf! hige Kunststoffe f# r Lithiumdisilikat-Presstech-nologie, Wachs und Zirkoniumdioxid. F# r die Bereiche NEM und SLM oder die Herstellung von individuellen ein-teiligen Abutments bem# hen wir externe Fertigungszen-tren auf Basis unserer STL-Files. Das sind alles Werkstoffe, die hinreichend erforscht und in der richtigen Anwen-dung mit gro˚ er Sicherheit empfohlen werden k$ nnen. ¹ Richtigeº Anwendung bedeutet den Herstellerinforma-tionen folgend und nicht experimentell, wie es viel zu h! uÆ g durch Kollegen publiziert wird. Die einfache Frage an den Hersteller, f# r welche Bereiche das jeweilige Ma-terial freigegeben ist, f# hrt hier oft laborseitig zu gro˚ em Erstaunen. Neben der Unterst# tzung der prothetischen Planung Æ nden wir dann erst in der ¹ Veredelungº dieser Werkstoffe unsere Position am Markt, das hei˚ t zu den vielen Emotionen und zum individuellen handwerklichen Geschick des Zahntechnikers, der die zahntechnische Leistung zu einem Einzelst# ck werden l! sst.

Alle weiteren Inhalte auf dem Weg zur digitalen Prozess-kette beobachten wir zurzeit sehr aufmerksam auf Fort-bildungen, in Publikationen und im Kollegengespr! ch. Denn eines steht fest: Der digitale WorkØ ow kommt ± und das viel schneller als erwartet" Es bleibt also spannend"

Carsten Fischersirius ceramicsLyoner Stra˚ e 44-4860528 FrankfurtE-Mail: [email protected]