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ORIGINALBEITRAG https://doi.org/10.1365/s40896-019-00031-y Coaching Theor. Prax. (2020) 6:17–29 Digitales Coaching – mehr als ein Trend? Eine vergleichende Analyse des Nutzungsverhaltens digitaler Medien im Coaching bei Coaches und Personalverantwortlichen Thomas Bachmann 1 · Julia Marie Gramlich 2 · Henrike Barth 3 Online publiziert: 18. Dezember 2019 © Der/die Autor(en) 2019 Zusammenfassung Moderne Medien bestimmen das Berufsleben ständig, überall und tiefgreifend. Auch für die Profession des Coachings gibt es bereits zahlreiche digitalisierte Angebote. Trotz vielfach benannter Vorteile existiert bislang nur wenig Forschung zur Digitalisierung im Coaching. Der vorliegende Artikel illustriert anhand zweier empirischer Untersuchungen Hinter- gründe des Nutzungsverhaltens digitalisierten Coachings bei externen Coaches und Personalverantwortlichen in deutschen Unternehmen. Unter Verwendung der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1985, 1991) zeigt sich bei beiden Berufsgruppen, dass die subjektive Norm in Form von Peers, Organisationen sowie der Gesellschaft den größten Einfluss auf die Intention hat, digitale Angebote und Tools im Coaching zu nutzen. Schlüsselwörter Coaching · Digitalisierung · Theorie des geplanten Verhaltens Digital Coaching—more than a Trend? A Comparative Analysis Between Coaches and Human Resource Managers Regarding the Usage Behavior of Digital Media in Coaching Abstract Every day, modern media constantly and profoundly determine our professional lives. Concomitant, an array of digital offers already exists for the profession of coaching. Despite multiple advantages being highlighted, so far only little research consists concerning the process of digitalization in coaching. The present article thus illustrates the background of usage behavior regarding digital coaching of coaches and human resource managers in German companies by means of two empirical studies. Using the Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1985; 1991; 2005) it becomes apparent that the social norm in form of other colleagues, organizations as well as the society as a whole exerts the greatest influence on the intention using digital media in coaching of both coaches and human resource managers. Keywords Coaching · Digitalization · Theory of Planned Behavior Thomas Bachmann [email protected] Julia Marie Gramlich [email protected] Henrike Barth [email protected] 1 artop GmbH, Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin, Christburger Str. 4, 10405 Berlin, Deutschland 2 Universität St. Gallen, Girtannerstr. 6, 9000 St. Gallen, Schweiz 3 Zwinglistraße 8, 10555 Berlin, Deutschland K

DigitalesCoaching–mehralseinTrend? · 2019. 12. 18. · 1 artop GmbH, Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin, Christburger Str. 4, 10405 Berlin, Deutschland 2 Universität

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ORIGINALBEITRAG

https://doi.org/10.1365/s40896-019-00031-yCoaching Theor. Prax. (2020) 6:17–29

Digitales Coaching –mehr als ein Trend?

Eine vergleichende Analyse des Nutzungsverhaltens digitaler Medien im Coaching bei Coachesund Personalverantwortlichen

Thomas Bachmann1 · Julia Marie Gramlich2 · Henrike Barth3

Online publiziert: 18. Dezember 2019© Der/die Autor(en) 2019

ZusammenfassungModerne Medien bestimmen das Berufsleben ständig, überall und tiefgreifend. Auch für die Profession des Coachingsgibt es bereits zahlreiche digitalisierte Angebote. Trotz vielfach benannter Vorteile existiert bislang nur wenig Forschungzur Digitalisierung im Coaching. Der vorliegende Artikel illustriert anhand zweier empirischer Untersuchungen Hinter-gründe des Nutzungsverhaltens digitalisierten Coachings bei externen Coaches und Personalverantwortlichen in deutschenUnternehmen. Unter Verwendung der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1985, 1991) zeigt sich bei beidenBerufsgruppen, dass die subjektive Norm in Form von Peers, Organisationen sowie der Gesellschaft den größten Einflussauf die Intention hat, digitale Angebote und Tools im Coaching zu nutzen.

Schlüsselwörter Coaching · Digitalisierung · Theorie des geplanten Verhaltens

Digital Coaching—more than a Trend?A Comparative Analysis Between Coaches and Human Resource Managers Regarding the Usage Behavior of DigitalMedia in Coaching

AbstractEvery day, modern media constantly and profoundly determine our professional lives. Concomitant, an array of digitaloffers already exists for the profession of coaching. Despite multiple advantages being highlighted, so far only littleresearch consists concerning the process of digitalization in coaching. The present article thus illustrates the backgroundof usage behavior regarding digital coaching of coaches and human resource managers in German companies by meansof two empirical studies. Using the Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1985; 1991; 2005) it becomes apparent that thesocial norm in form of other colleagues, organizations as well as the society as a whole exerts the greatest influence onthe intention using digital media in coaching of both coaches and human resource managers.

Keywords Coaching · Digitalization · Theory of Planned Behavior

� Thomas [email protected]

Julia Marie [email protected]

Henrike [email protected]

1 artop GmbH, Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin,Christburger Str. 4, 10405 Berlin, Deutschland

2 Universität St. Gallen, Girtannerstr. 6, 9000 St. Gallen,Schweiz

3 Zwinglistraße 8, 10555 Berlin, Deutschland

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18 T. Bachmann et al.

1 Einleitung

Über 50 Jahre nachdem Joseph Weizenbaum (1966) denersten digitalen Psychotherapeuten ELIZA entwickelte, hatdie digitale Revolution heute viele andere Beratungsberu-fe durchdrungen. So auch die Profession des Coachings:Avatare, Video-Chats und digitale Whiteboards stehenprogrammatisch für die zunehmenden, digitalen Verände-rungen im „populärsten Personalentwicklungsinstrument“(Deutscher Bundesverband Coaching 2013, S. 6). Wel-che Auswirkungen jedoch hat die Digitalisierung für dasCoaching? Auf der einen Seite betonen Kritiker, dass dasCoaching vom Zwischenmenschlichen lebt und deshalbnicht durch digitale Medien ersetzt werden kann (Helleret al. 2018). Demgegenüber wird Coaching-Praktizieren-den neben „Ignoranz“ und „Skepsis“ unter anderem vor-geworfen, sie „blieben in den Rillen alter Gewohnheitenverhaftet“ (Geißler 2018, S. 30). Wieder andere befürchten,dass digitale Beratungssettings eine Zunahme an unquali-fizierter Konkurrenz auf einem immer unkontrollierbarerwerdenden Markt bedeuten (Fietze 2016).

Und wie steht es um die Meinung derer, die Coachingals Personalentwicklungsinstrument in Organisationen an-bieten und implementieren? Da Coaching zukünftig an Be-deutung gewinnen und sich speziell nach der Begleitungvon Change-Prozessen zum wichtigsten Personalentwick-lungsinstrument ausbilden wird (Schermuly et al. 2012),rückt neben der Meinung von Coaches auch die Frage, wiePersonalverantwortliche in Organisationen den Einsatz di-gitaler Tools im Coaching bewerten, verstärkt in den Vor-dergrund. Welche Rolle spielen hierbei z.B. die Sorge umDatenschutz, unterschiedliche Verständnisse von Coachingoder die Meinung anderer Kolleg/innen bzw. Peers?

Der vorliegende Artikel illustriert anhand zweier em-pirischer Untersuchungen verschiedene Hintergründe desNutzungsverhaltens digitalisierten Coachings sowohl beiprofessionellen Coaches als auch bei Personalverantwortli-chen in deutschen Unternehmen. Beide Gruppen sind beimCoaching im Kontext von Organisationen in ihrem Wirkeneng miteinander verknüpft. Personalverantwortliche prägendurch ihre Art der Implementierung und Nutzung bzw. desAngebots von Coaching das Coachingverständnis der Orga-nisationen (Bachmann 2016). Sie wählen externe Coachesaus und beauftragen sie und nehmen damit als Auftragge-bende auch Einfluss auf deren Handeln und Leistungser-bringung. Weiterhin haben Personalverantwortliche nebendieser „Vermittlungsaufgabe“ auch noch eine Beratungs-funktion für potentielle Nachfragende bzw. Auftraggeben-de aus der Organisation, indem sie Vorgespräche führenund möglichen Coachingbedarf identifizieren. Nicht sel-ten haben sie darüber hinaus auch die Funktion von in-ternen Coaches. Für eine Untersuchung der Digitalisierungim Coaching ist daher ein Vergleich von externen Coaches

und Personalverantwortlichen nicht nur interessant, sondernerlaubt auch Rückschlüsse auf Ursachen für Entwicklungs-trends im Coachingfeld und speziell innerhalb der Profes-sion Coaching.

2 Theoretischer Hintergrund

Was genau bedeutet digitalisiertes Coaching? Dieser Fra-ge wird zunächst anhand einer differenzierten Darstellungder Digitalisierung im Coaching digitalisierten Coachingsnachgegangen. Anschließend wird mithilfe der Theorie desgeplanten Verhaltens von Ajzen (1985; 1991) erklärt, wel-che Faktoren die Entscheidung von Coaches und Personal-verantwortlichen beeinflussen, digitale Tools im Coachingtatsächlich einzusetzen.

2.1 Digitalisierung von Coaching

In Anlehnung an Bachmann und Fietze (2018) und Pascalet al. (2015) stellt Abb. 1 die Bereiche dar, in denen sichdie Digitalisierung von Coaching vollzieht bzw. zu erwartenist. Diese werden im Folgenden kurz erläutert.

Zu Beginn eines Coachingprozesses steht die Auswahleines geeigneten Coachs (Bachmann und Fietze 2018; Pas-cal et al. 2015). Im organisationalen Kontext wird grund-sätzlich zwischen den organisationsexternen und den orga-nisationsinternen Coaches unterschieden, wobei Coachingin der Praxis am häufigsten mit ersteren aufgrund ihrerbetriebsfremden, unvoreingenommenen Rolle durchgeführtwird (Rauen 2003; Schwaemmle und Staehelin 2002). Platt-formen wie coachdatenbank.de, xing.com, coachhub.comoder sharpist.com erleichtern die Suche nach Coaches undermöglichen außerdem online Kontaktaufnahmen sowieZugang zu detaillierteren Coach-Profilen und zum Teilauch zu Bewertungen der Coaches. Die Digitalisierungdieses dem eigentlichen Coachingprozess vorgeschaltetenBereichs der „Coach-Auswahl“ (Pascal et al. 2015, S. 103)oder des „Coaching-Marktes“ (Bachmann und Fietze 2018)

Abb. 1 Bereiche der Digitalisierung von Coaching

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eröffnet so Möglichkeiten einer effizienten, kriteriengelei-teten und ortsungebundenen Coach-Suche. Pascal et al.(2015) antizipieren für diesen Bereich z.B. die Anwen-dung von Algorithmen, um eine ideale Passung zwischenCoach und Klienten zu gewährleisten.

Neben der Coach-Auswahl können auch klassische Coa-ching-Methoden wie die Systemaufstellung digitalisiertdurchgeführt werden. Ein Beispiel hierfür ist das 3D-visu-elle E-Coaching Tool proreal.world, das mit Avataren sowiediversen Symbolen und Landschaften auf eine digitale Auf-stellungsarbeit ausgerichtet ist. Ein weiteres Beispiel fürden Bereich digitalisierter coachingübergreifender Metho-den bietet die Internetseite zoom.us mit Webinarfunktionz.B. über kollaborative Online-Whiteboards, auf denenbesprochene Inhalte im Coaching zwischen Coach undKlienten visualisiert werden können.

Nicht zuletzt ist die Digitalisierung auch in der Instanzdes Coachs selbst angekommen. So kann dieser durchSelbstcoaching-Formate wie digitale Diagnostik, Online-Videos und Online-Arbeitsaufgaben im Rahmen von fes-ten Modulen und Themenblöcken teilweise ersetzt wer-den. Beispiele für das Konzept der geleiteten Selbsthilfesind e-selfcoaching.ch und coach.me, im Therapiekontextselfapy.de oder die App ada.com zur Selbst-Diagnostik immedizinischen Krankheitsfall. Alle Entwicklungen zielendarauf ab, zukünftig die Instanz des Coaches der ande-rer Helferpersonen mithilfe von Algorithmen und/oderkünstlicher Intelligenz, manchmal auch repräsentiert durchAvartare, zu ersetzen.

Als Umrahmung der bereits beschriebenen Formen di-gitalisierten Coachings kann auch der Coachingprozessan sich digitalisiert ausgelegt werden. So bieten Soft-wareapplikationen wie coachaccountable.com und coa-chingcloud.com digitalisierte Terminkoordinationen, Do-kumentationen, Erinnerungen sowie Rechnungsstellungenund Evaluationen des Coachingerfolgs an (Bachmann undFietze 2018). Aufgrund der Schwierigkeit, Coaching gene-rell zu evaluieren (Carter 2006), werden bisher lediglichdigitalisierte Fragebögen wie z.B. surveymonkey.co.ukeingesetzt. Das Center for Creative Leadership (CLL) ent-wickelte ein Evaluationstool, das Verhaltensveränderungenund Erfolge der Klient/innen mittels laufend aktualisierterBeobachtungsdaten verschiedener Stakeholder wie Coachund Führungskraft messen soll (Pascal et al. 2015). Durchein hohes Standardisierungsmaß der Daten können Organi-sationen so zukünftig auf einen Blick Erfolge von Coachesund Coaching-Programmen ermitteln. Die Vergleichbarkeitvon Coaching-Daten ist gerade für den Arbeitsbereich vonPersonalverantwortlichen hinsichtlich Coaching-Angebotund Coach-Auswahl relevant.

Schließlich lässt sich auch die allen zuvor genann-ten Aspekten zugrundeliegende Kommunikation zwischenCoach und Klient/innen digitalisieren. Diese Form des Coa-

chings über digitale Kanäle wie z.B. Skype oder E-Mailist die bereits am längsten etablierte Form digitalisiertenCoachings (Bachmann und Fietze 2018), wobei die Profes-sionalität dieser Vorgehen aus Datenschutzgründen kritischdiskutiert werden müssen. Internetseiten wie cai-world.comund gotomeeting.com bieten darüber hinaus weitere Kom-munikations-Tools wie beispielsweise Desktop Sharing,Chaträume und Sitzungsaufzeichnungen an.

Unter digitalisiertem Coaching verstehen wir also zu-sammenfassend, wenn einer der fünf beschriebenen Berei-che des Coachingsprozesses durch digitale Plattformen oderTools substituiert oder unterstützt wird.

2.2 Theorie des geplanten Verhaltens

Menschliches Verhalten zu erklären, stellt seit jeher einegroße Herausforderung psychologischer Forschungen dar.Die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1985;1991) unternimmt genau diesen Versuch und dient den vor-liegenden Untersuchungen als Erklärungshilfe für das spe-zifische Verhalten von Coaches und Personalverantwortli-chen, digitalisierte Formen von Coaching zu nutzen.

Ajzen (1985, S. 11) beschreibt Verhalten als „followingalong lines of more or less well-formulated plans“. Erstdiese implizit oder explizit formulierten Pläne ermöglichendas Erreichen von Verhaltenszielen und werden von Aj-zen als Intentionen bezeichnet. Jedoch münden nicht al-le Intentionen zwangsläufig in tatsächlichem Verhalten. Sokönnen z.B. äußere Umstände verhindern, dass ein spe-zifisches Verhalten überhaupt gezeigt werden kann: HerrKlöbner möchte seiner Nachbarin selbstgebackene Keksevorbeibringen, diese ist jedoch nicht zu Hause, sodass dieintendierte Handlung gar nicht erst stattfinden kann. Da-her definiert Ajzen Intentionen dahingehend, dass sie denVersuch, spezifisches Verhalten zu zeigen, vorhersagen kön-nen, nicht jedoch die Handlung selbst. Weiterhin können In-tentionen selbst situationsspezifisch angepasst, modifiziertoder gar fallen gelassen werden: Herr Waldvogel möchtez.B. unbedingt 15kg abnehmen, lockert diese Intention je-doch auf der Hochzeit seiner Nichte erheblich, als er dasüppige Speisebuffet erblickt. Ein zunehmender Zeitabstandzwischen Intention und Situation, in der das spezifischeVerhalten gezeigt werden soll, vergrößert hierbei die Wahr-scheinlichkeit, dass unvorhergesehene Ereignisse eben jeneIntention verändern können. Nach Ajzen (1985) lassen sichVeränderungen in Intentionen durch die drei Determinan-ten:

1. Einstellung zum Verhalten (kurz: Einstellung),2. subjektive Norm und3. die bereits erwähnte wahrgenommene Verhaltenskontrol-

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20 T. Bachmann et al.

Abb. 2 Theorie des geplanten Verhaltens. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiethoff 2004 und Ajzen 2005)

erklären. Diese drei Determinanten werden im Folgendeneinzeln beleuchtet. Abb. 2 veranschaulicht ergänzend dieKomponenten der Theorie des geplanten Verhaltens sowiederen jeweilige Beziehungen zueinander.

1. Ajzen (1985) bezeichnet Einstellungen als Verhaltens-überzeugungen, also als eine Art persönlicher Bewer-tung von Verhalten. Dabei beziehen sich Einstellungenim Rahmen der Theorie des geplanten Verhaltens ledig-lich auf das Verhalten an sich, nicht jedoch auf Personenoder Objekte. Nach Ajzen (1985, S. 13) setzen sich Ein-stellungen aus der Bewertung einer Person hinsichtlichdes Ergebnisses einer Handlung sowie der Stärke die-ser Bewertung zusammen. Wie in Abb. 2 dargestellt,sind Einstellungen (A; attitude) dabei proportional zumsummativen Index bestehend aus der Multiplikation vonZukunftserwartung (b; belief that the behavior leads toa certain outcome) undWert (e; evaluation of outcomes).

2. Nach Ajzen (1985) stellt die subjektive Norm die indivi-duelle Wahrnehmung des sozialen Drucks dar, ein spezi-fisches Verhalten zeigen oder nicht zeigen zu müssen. Sokann die subjektive Norm auch als eine normative Über-zeugung verstanden werden, die sich an der spezifischenMeinung einer individuellen Referenzgruppe orientiert.Wie in Abb. 2 dargestellt, setzt sich die subjektive Norm(SN; social norm) hierbei aus der multiplikativen Ver-knüpfung von normativen Überzeugungen (n; normati-ve beliefs) und der Motivation, einer spezifischen Refe-

renzgruppe möglichst ähnlich zu sein (m; motivation tocomply with the referent) zusammen (Ajzen 1991).

3. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle stellt nach Aj-zen (1991) die subjektiv empfundene Einfachheit oderSchwierigkeit dar, ein spezifisches Verhalten zeigen zukönnen. Diese individuelle Einschätzung wird maßgeb-lich durch vorhandene oder nicht vorhandene Ressour-cen und Handlungsmöglichkeiten beeinflusst. Weiterhinbedingen eigens gemachte Erfahrungen aus der Vergan-genheit, Erfahrungen von näherstehenden Personen wieFamilie oder Freund/innen sowie weitere Informations-quellen die individuell wahrgenommene Verhaltenskon-trolle von Personen. Wie in Abb. 2 dargestellt, setzt sichdie wahrgenommene Verhaltenskontrolle (PBC; percei-ved behavior control) dabei multiplikativ aus der situati-onsspezifischen Kontrollüberzeugung (c; control belief)sowie deren empfundene Stärke (p; perceived power) zu-sammen. Zudem kann die wahrgenommene Verhaltens-kontrolle unabhängig von der Intention als einzige Deter-minante einen direkten Einfluss auf das Verhalten haben.

Nach Ajzen (1991) kann die Gewichtung der drei De-terminanten zwischen spezifischen Verhaltensweisen undSituationen variieren: So kann z.B. bei einer schwachenEinstellung die subjektive Norm eine starke Vorhersage-kraft für ein spezifisches Verhalten haben. Darüber hinausformuliert Ajzen, dass nur Intentionen einen direkten Ein-fluss auf Verhalten haben, Persönlichkeitseigenschaften unddemographische Variablen hingegen nicht. Für die vorlie-

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gende Studie folgt daraus, dass die Einstellung gegenüberder Nutzung digitaler Formen von Coaching, die subjekti-ve Norm einer relevanten Referenzgruppe und schließlichdie wahrgenommene Verhaltenskontrolle die Intention derNutzung digitalisierten Coachings von Personalverantwort-lichen determinieren.

Verschiedene Metaanalysen (z.B. Ajzen 1991; Armita-ge und Conner 2001; Hausenblas et al. 1997; Randall undWolff 1994) haben die einzelnen Determinanten der Theoriedes geplanten Verhaltens empirisch überprüft. So kommenHausenblas et al. (1997) z.B. zu dem Ergebnis, dass dieKorrelationen der einzelnen Determinanten mit der Intenti-on (rA= 0,52; rSN= 0,27; rPBC= 0,43) insgesamt höher ausfal-len als mit dem Verhalten (rA= 0,39; rSN= 0,09; rPBC= 0,45),was als empirischer Beleg für die Variable der Intentiongelten kann. Armitage und Conner (2001) berechnen so-gar eine signifikante multiple Korrelation der drei Deter-minanten mit der Intention von r= 0,57. Die Betrachtungder Stärke des Einflusses der einzelnen Determinanten aufdie Intention zeigt, dass sich die Einstellung als stärkster,die subjektive Norm als schwächster Prädiktor herausstellt.Dieses Ergebnis deckt sich mit anderen empirischen Stu-dienergebnissen (z.B. Ajzen 2005).

Bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Intenti-on und dem Verhalten (s. Abb. 2) ermitteln Randall undWolff (1994) eine Korrelation von r= 0,45. Armitage undConner (2001) kommen hier zu einem ähnlichen Ergebnisvon r= 47. Durch Hinzunahme der Variable wahrgenom-mene Verhaltenskontrolle berechnen sie sogar eine multi-ple Korrelation von R= 0,52. So können mit der Theoriedes geplanten Verhaltens neben der Intention auch Vorher-sagen über tatsächliches Verhaltens gemacht werden: NachArmitage und Conner (ebd.) klärt die Theorie des geplan-ten Verhaltens insgesamt 20% der Varianz in Messungenzukünftigen Verhaltens auf und kann damit als valides Er-klärungsmodell für die vorliegende Studie gelten.

3 Fragestellungen und Hypothesen

Das Ziel der hier vorgestellten Studie ist es, anhand derfolgenden zwei Fragestellungen Aufschluss über die Hin-tergründe sowie Unterschiede des Nutzungsverhaltens digi-talisierten Coachings bei Coaches und Personalverantwort-lichen zu geben.

Fragestellung 1 Welche Formen digitalisierten Coachingsnutzen externe Coaches und Personalverantwortliche be-reits, bzw. können sich vorstellen, in Zukunft zu nutzen?

In Abschn. 2.1 wurden fünf Bereiche digitalisierten Coa-chings in Anlehnung an Bachmann und Fietze (2018) undPascal et al. (2015) vorgestellt: Coaching-Markt bzw. -Aus-wahl, Methoden, Coach, Kommunikation und Coaching-

Prozess. Aufgrund mangelnder empirischer Untersuchungs-ergebnisse für eine wissenschaftlich fundierte Formulierungvon Hypothesen wird hier ein exploratives Vorgehen ge-wählt.

Fragestellung 2 Inwiefern beeinflussen Einstellungen, sub-jektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle vonexternen Coaches und Personalverantwortlichen die Nut-zungsintention und das Nutzungsverhalten von digitalenTools im Coaching?

In Abschn. 2.2 wurde erläutert, warum die Theorie desgeplanten Verhaltens der vorliegenden Untersuchung alstheoretisches Erklärungsmodell zur Vorhersage willentli-chen Verhaltens zugrunde liegt. Die drei DeterminantenEinstellung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhal-tenskontrolle beeinflussen dabei die Intention, spezifischesVerhalten zu zeigen. Dabei variiert die Stärke der Be-einflussung der Determinanten situationsspezifisch (Ajzen1991; Hausenblas et al. 1997; Armitage und Conner 2001).Demgemäß lassen sich zur Beantwortung der zweitenForschungsfrage folgende Hypothesen formulieren:

HypotheseH1 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwi-schen der Einstellung von Coaches und Personalverantwort-lichen bezüglich digitaler Plattformen und Tools für Coa-ching und ihrer Intention, diese im Coaching zu nutzen.

HypotheseH2 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwi-schen der subjektiven Norm der Coaches und der Perso-nalverantwortlichen hinsichtlich digitaler Plattformen undTools für Coaching und ihrer Intention, diese im Coachingzu nutzen.

HypotheseH3 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwi-schen der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle von Coa-ches und Personalverantwortlichen in Bezug auf die Nut-zung digitaler Plattformen und Tools für Coaching und ihrerIntention, diese im Coaching zu nutzen.

HypotheseH4 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwi-schen der Intention von Coaches und Personalverantwortli-chen, digitale Plattformen und Tools für Coaching zu nut-zen, und ihrem tatsächlich gezeigten Nutzungsverhalten.

Fragestellung3 Welche Unterschiede gibt es zwischen Ein-stellungen, subjektiver Norm und wahrgenommener Verhal-tenskontrolle sowie Intention und Verhalten zwischen exter-nen Coaches und Personalverantwortlichen hinsichtlich derNutzung digitaler Plattformen und Tools im Coaching?

Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen kanndavon ausgegangen werden, dass Personalverantwortlicheeher als „Treibende“ für neue Technologien wirken, da siedem Effizienz- und Innovationsdruck ihrer Organisation un-

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terliegen. Damit kann angenommen werden, dass sie somitEinfluss auf das Nutzungsverhalten digitaler Plattformenund Tools der Coaches ausüben.

Hypothese H5 Personalverantwortliche sind im Vergleichzu externen Coaches eher nutzungsaffin bezügliche digitalerPlattformen und Tools im Coaching, was sich in positiverenEinstellungen, einem stärkeren Einfluss der sozialen Normund einer höher ausgeprägten Intention ausdrückt.

4 Methode

4.1 Stichprobe und Studiendesign

Als Basis für die vorliegende empirische Untersuchungdient eine Stichprobe von 102 Coaches und 91 Personal-verantwortlichen in Deutschland. Zur Beantwortung deraufgeführten Forschungsfragen wurden zwei unabhängigequantitative Online-Befragungen durchgeführt. Die Erhe-bungen fanden im Frühjahr bis Sommer 2018 statt. Für dieDatenerhebung der Coaches wurden 700 Coaches der Rau-en Coaching-Datenbank persönlich per E-Mail kontaktiert.Darüber hinaus wurden der Verteiler des Coaching-Ausbil-dungsinstituts artop – Institut an der Humboldt-Universitätzu Berlin, persönliche Kontakte und die Xing-Gruppe derInternational Coaching Federation zur Gewinnung vonTeilnehmern verwendet. Die teilnehmenden Personalver-antwortlichen wurden über den Verteiler von artop, überXING.com, LinkedIn.com und den Bundesverband Deut-scher Personalmanager (BDP) sowie über persönliche Kon-takte akquiriert. Da in Deutschland kein System existiert,in dem sich alle Personalverantwortlichen und Coachesregistrieren lassen müssen, ist die Generierung einer Zu-fallsstichprobe durch Listenauswahl unmöglich (Diekmann2017, S. 381).

Die teilnehmenden Coaches waren im Mittel 54 Jahrealt, darunter 48% männlichen und 52% weiblichen Ge-schlechts. Ein Großteil der Befragten gab als höchsten Bil-dungsabschluss Hochschule oder Fachhochschule (71%)an. Weitere 18% der Coaches tragen einen Doktortitel.Am häufigsten gaben die Teilnehmenden eine Ausbildungin den Bereichen Geisteswissenschaften (38%; Mehrfach-nennungen waren möglich), Wirtschaft (34%), Pädagogik(14%) und dem sozialen Bereich (11%) an. Die Berufser-fahrung gaben 65% der Coaches mit mehr als 10 Jahren an,gefolgt von 17% mit 5–10 Jahren, 6% mit 3–5 Jahren, 9%mit 1–3 Jahren und 4% mit 0–1 Jahr. 67% der Teilnehmen-den arbeiten zu weniger als 50% für Selbstzahler. Tab. 1zeigt die prozentualen Häufigkeiten der Themen innerhalbder Coaching Sitzungen der externen Coaches.

Bei der Stichprobe der Personalverantwortlichen beträgtder mittlere Altersdurchschnitt der Stichprobe 43,2 Jah-

Tab. 1 Prozentuale Häufigkeit von Coachingthemen bei externen Coa-ches (Mehrfachauswahl, N= 102)

Häufigkeit der Coachingthemen nach Angabe der externen Coaches(in %)

Führung- und Management 79,4

Karriere/berufliche Entwicklung 58,8

Persönlichkeitsentwicklung 57,8

(Team-)Konflikte 38,2

Standing/persönliches Auftreten 31,4

Work-Life-Balance 28,4

Mikropolitik/Entscheidungen 14,7

Tab. 2 Prozentuale Häufigkeit von Coachingthemen bei Personalver-antwortlichen (Mehrfachauswahl, N= 85)

Häufigkeit der Coachingthemen nach Angabe der Personalverant-wortlichen (in %)

Führung- und Management 75,8

(Team-)Konflikte 50,4

Persönlichkeitsentwicklung 46,2

Karriere/berufliche Entwicklung 37,4

Standing/Persönliches Auftreten 28,6

Work-Life-Balance 15,4

Mikropolitik/Entscheidungen 9,9

re, mehr als die Hälfte der Teilnehmenden waren Frauen(57,6%). Als höchsten Bildungsabschluss gaben 78% derTeilnehmenden einen Fach- oder Hochschulabschluss an.Weitere 13% sind promoviert. Am häufigsten gaben dieTeilnehmenden eine Ausbildung in den Bereichen Wirt-schaft (41%) und Geisteswissenschaften (22%) an. Hin-sichtlich der beruflichen Daten der Teilnehmenden gaben52% an, mehr als zehn Jahre Berufserfahrung zu besitzen,gefolgt von 18% mit 6–10 Jahren, 13% mit 4–5 Jahren,9% mit 2–3 Jahren und 7% mit 0–1 Jahr. 55% der Perso-nalverantwortlichen haben eine Position als Führungskraftinne. Am häufigsten wurden die Branchen Dienstleistungenund sonstige Branchen (21%) angegeben. Weitere 14% derTeilnehmenden arbeiten in der Produktionsbranche. Tab. 2zeigt die prozentualen Häufigkeiten der Themen aus Sichtder Personalverantwortlichen.

Signifikante Unterschiede zwischen den Coachingthe-men sind bei „Karriere“ und bei „Work-Life-Balance“ fest-zustellen (χ2= 8,87; p= 0,002 und χ2= 4,73; p= 0,020). Beiden anderen Themen gibt es hinsichtlich der Häufigkeit einegroße Ähnlichkeit, was dafür spricht, dass externe Coachesund Personalverantwortliche hier in vergleichbaren Feldernaktiv sind. Die Häufigere Nennung von Karriere- undWork-Life-Balance-Themen könnte sich daraus ergeben, dass die-se bei externen Coaches mehr von Privatzahlenden nachge-fragt werden.

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Digitales Coaching – mehr als ein Trend? 23

4.2 Fragebogen

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde ein dedukti-ves Vorgehen gewählt, die eingesetzten Fragebögen umfas-sen je 81 Items. Bis auf die soziodemographischen, beruf-lichen sowie organisationalen Daten wurde zur Beantwor-tung der einzelnen Items eine 6-stufige Likert-Skala mitden jeweiligen Polen 1= trifft überhaupt nicht zu/nie/garnicht wichtig bis 6= trifft voll zu/immer/sehr wichtig vor-gegeben. Zu Beginn sollten die Teilnehmenden ihr Alter,Geschlecht, höchsten Bildungsabschluss, Fachrichtung, Be-rufserfahrung sowie die drei häufigsten Coaching-Themenangeben.

Für die Theorie des geplanten Verhaltens wurden die ein-zelnen Variablen wie folgt operationalisiert: Die Determi-nante Einstellung ergibt sich aus den Variablen Zukunftser-wartung×Wert. Entsprechend wurden für die Variable Zu-kunftserwartung acht Items wie z.B. „Durch die Digitalisie-rung kann Coaching zukünftig räumlich flexibler werden“formuliert. Weiterhin wurde analog in acht darauffolgendenItems dieWertung dieser Zukunftserwartungen durch Itemswie „Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist mir dieräumliche Flexibilität wichtig“ abgefragt.

Das Augenmerk bei der Operationalisierung der zweitenDeterminante subjektive Norm lag auf den von Wiethoff(2004) formulierten Aspekten der Überzeugung, dass rele-vante Bezugspersonen der Meinung sind, dass ein spezifi-sches Verhalten gezeigt werden sollte sowie der Motivation,diesen Bezugspersonen ähnlich zu sein. Ein beispielhaftesItem für den ersten Aspekt ist „Positive Erfahrungen an-derer Personalverantwortlicher mit digitalen Medien, Appsund Plattformen im Coaching lösen bei mir Interesse undNeugier aus“. Items des zweiten Aspekts, die Motivation,Bezugspersonen ähnlich zu sein, wurden aufgrund von Re-aktanzreaktionen der Proband/innen im Pretest vom end-gültigen Fragebogen ausgeschlossen.

Die dritte Determinante, die wahrgenommene Verhal-tenskontrolle, setzt sich aus der Kontrollüberzeugung mitbeispielhaften Items wie „Meine Organisation bzw. meinUnternehmen verfügt über ausreichend finanzielle Ressour-cen, um digitale Coaching-Formate zu verwenden“ sowieder wahrgenommenen Stärke zusammen. Ähnlich wie beider subjektiven Norm wurden die formulierten Items für diewahrgenommene Stärke aufgrund von Reaktanzreaktionender Probanden im Pretest vom Fragebogen ausgeschlossen.

Schließlich wurden die Variablen Nutzungsintention so-wie Nutzungsverhalten durch die in Abschn. 2.1 vorge-stellten fünf Bereiche digitalisierten Coachings operatio-nalisiert, wobei bei der Stichprobe der Coaches anstelle derDigitalisierung der Instanz des Coachs selbst die Digita-lisierung der Evaluierung gewählt wurde, da bei ersteremder Beruf von Coaches gänzlich überflüssig würde. Für dasNutzungsverhalten wurden für die jeweiligen fünf Berei-

che unterschiedliche Items wie z.B. „Für den Einsatz vonCoaching in meiner Organisation bzw. meinem Unterneh-men nutze ich bereits Online-Plattformen, um Coaches zufinden“ formuliert. Dieselben Items wurden analog für dieNutzungsintention mit der veränderten Formulierung „Fürden Einsatz von Coaching in meiner Organisation bzw. mei-nem Unternehmen kann ich mir zukünftig vorstellen, fol-gende digitale Angebote zu nutzen ...“ erstellt.

4.3 Skalenbildung und Auswertung

Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurden zu-nächst die Skalen Intention und Verhalten durch den Mit-telwert der zugehörigen Items gebildet. Diese wurden an-schließend auf ihre internen Konsistenzen überprüft (Bortz2013, S. 429 f). Daraufhin wurden deskriptive Statistikendieser Skalen vorgenommen.

Für die Berechnung der Hypothesen der zweiten For-schungsfrage wurden ebenso zunächst die Skalen Einstel-lung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskon-trolle durch den Mittelwert der entsprechenden Items ge-bildet. Im Anschluss daran wurden auch hier die internenKonsistenzen ermittelt. Zur Beantwortung der HypothesenH1, H1 und H3 wurden multiple lineare Regression mit denunabhängigen Variablen (UV) Einstellung, subjektive Normund wahrgenommene Verhaltenskontrolle sowie der Inten-tion bzw. Verhalten als abhängige Variablen (AV) einmalfür die Coaches und einmal für die Personalverantwortli-chen durchgeführt. Um Gemeinsamkeiten bzw. Unterschie-de im Nutzungsverhalten zwischen Coaches und Personal-verantwortlichen darzustellen, wurden Mittelwertvergleicheberechnet. Für alle statistischen Tests wurde eine Irrtums-wahrscheinlichkeit von 5% festgelegt.

5 Ergebnisse

Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage nach demaktuellen Nutzungsverhalten sowie der Nutzungsintentiondigitalen Coachings von Personalverantwortlichen und ex-ternen Coaches wurde eine deskriptive Datenanalyse derHäufigkeiten durchgeführt. Zunächst wurden die internenKonsistenzen der verwendeten Skalen durch die Berech-nung von Cronbachs Alpha bestimmt (Bortz 2013). DieSkalenparameter sind in Tab. 3 dargestellt. Insgesamt kön-nen die internen Konsistenzen der gebildeten Skalen alssehr zufriedenstellen bezeichnet werden, was damit für ei-ne hohe Aussagekraft der Ergebnisse spricht.

Die Mittelwerte liegen bei den Personalverantwortlichenbei den kognitiven und motivationalen Skalen höher alsbei den externen Coaches, während die Skalen „Kontrolle“und „Verhalten“, die sich auf konkretes Tun beziehen, ge-ringer ausgeprägt sind. Ein Mittelwertvergleich der beiden

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Tab. 3 Parameter der verwen-deten Skalen

Externe Coaches Personalverantwortliche

Skala Mean Cronbachs α Mean Cronbachs αEinstellung 3,93 0,83 4,11 0,84

Soziale Norm 3,26 0,81 4,04 0,84

Verhaltenskontrolle 3,93 0,88 3,87 0,72

Intention 3,95 0,91 4,30 0,92

Verhalten 2,81 0,88 2,57 0,89

Stichproben zeigt signifikante Unterschiede bei der sozialenNorm (F (1,191)= 30,19; p= 0,000) und bei der Intention(F (1,191)= 4,38; p= 0,038). Damit zeigt sich, dass die Per-sonalverantwortlichen eher die Digitalisierung im Coachingbefördern möchten als die Coaches und sich dabei vor allemstärker an der sozialen Norm orientieren.

Abb. 3 veranschaulicht das Antwortverhalten der bei-den Stichproben hinsichtlich des Nutzungsverhaltens undder Nutzungsintention der fünf Bereiche digitalen Coa-chings. (Die Kategorie „Digitalisierung des Coachs“ wurdenicht gebildet; das Item ging in die Kategorie „Metho-den“ ein. Dafür wurde eine extra Kategorie „Evaluati-on“ gebildet). Ein Vergleich der Mittelwerte zeigt sig-nifikante Unterschiede zwischen externen Coaches undPersonalverantwortlichen in der Nutzungsintention beider Coachwahl (F (1,191)= 11,20; p= 0,001), bei denMethoden (F (1,191)= 26,19; p= 0,000) und den Pro-zessen (F (1,191)= 11,95; p= 0,001). Bei der tatsächli-chen Nutzung gibt es Unterschiede bei der Coachwahl(F (1,191)= 40,16; p= 0,000) und bei den Methoden(F (1,191)= 5,61; p= 0,019).

Die größten Diskrepanzen zeigen sich bei der Nutzungdigitaler Plattformen zur Auswahl von Coaches. Hier habendie Coaches bei der Intention und dem tatsächlichen Nut-zungsverhalten deutlich höhere Werte als die Personalver-antwortlichen. Die Personalverantwortlichen zeigen zwarauch eine hohe Intention, solche Plattformen zu nutzen, ihr

Abb. 3 Häufigkeiten bezüglichder Nutzung und Nutzungsin-tention digitaler Plattformen undTools für Coaching von externenCoaches (N= 102) und Personal-verantwortlichen (N= 91)

[]

[]

[][]

[][][]

[] [][]

4,32

1,90

2,572,21

3,32

2,90

2,28 2,42 2,39

3,30

0

1

2

3

4

5

6

Coachwahl Methoden Evaluation Coaching Prozess Kommunikation

Häu

figkei

t

Intention Coaches Intention Personalv. Nutzung Coaches Nutzung Personalv.

tatsächliches Nutzungsverhalten ist jedoch deutlich gerin-ger ausgeprägt.

Dem Einsatz von digitalen Tools für Coachingmethodenund -prozesse sind die Personalverantwortlichen mehr zu-geneigt als die Coaches. Bei der digitalen Evaluation undKommunikation haben beide Gruppen ähnliche Ausprägun-gen.

In Abb. 4 und 5 sind zwei Regressionsmodelle darge-stellt, welche die Wirkung der Einstellung, der sozialenNorm und der Verhaltenskontrolle auf die Intention unddamit auf das tatsächliche Nutzungsverhalten digitalerPlattformen und Tools im Coaching erklären. Die Methodeder Regressionsanalyse wurde gewählt, da aufgrund des zugeringen Stichprobenumfangs Pfadanalysen bzw. Struktur-gleichungsmodelle für diese Untersuchung nicht geeignetsind.

Betrachtet man zunächst die Korrelationen zwischen denEinflussgrößen auf der linken Seite der Modelle, zeigt sich,dass bei den externen Coaches alle Variablen hoch mitein-ander korrelieren, während bei den Personalverantwortli-chen die Einstellungen relativ unabhängig von der Verhal-tenskontrolle sind.

Bei beiden Modellen ist die soziale Norm gegenüberden anderen Einflussgrößen jeweils der stärkste signifikantePrädiktor für die Nutzungsintention. Bei den Personalver-antwortlichen sind die Einstellungen ebenfalls ein signifi-kanter Prädiktor.

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Einstellung

Soziale Norm

Verhaltenskontrolle

Intention R² = .32 Verhalten R² = .52.65*

.19

.40*

.08

.54*

.34*

.24*

.19*

Abb. 4 Regressionsmodelle zur Vorhersage der Nutzung digitaler Plattformen und Tools im Coaching für externe Coaches (N= 102). Intention:(F (3,98)= 15,30; p= 0,000) und Verhalten (F (1, 100)= 54,16, p= 0,000) (Signifikante Koeffizienten sind mit * gekennzeichnet, die geraden Pfeilestehen für Regressionsgewichte (β), die gekrümmten Doppelpfeile für Korrelationen (r))

Einstellung

Soziale Norm

Verhaltenskontrolle

Intention R² = .22 Verhalten R² = .18.34*

.24

*

.33*

.05

.26*

.31*

.06

.19

Abb. 5 Regressionsmodelle zur Vorhersage der Nutzung digitaler Plattformen und Tools im Coaching für Personalverantwortliche (N= 91).Intention: (F (3,87)= 8,15; p= 0,000) und Verhalten (F (1, 89)= 9,32; p= 0,000) (Signifikante Koeffizienten sind mit * gekennzeichnet, die geradenPfeile stehen für Regressionsgewichte (β), die gekrümmten Doppelpfeile für Korrelationen (r))

Abb. 6 Einstellung bezüglichder Nutzung digitaler Plattfor-men und Tools für Coachingvon externen Coaches (N= 102)und Personalverantwortlichen(N= 91)

[]

[]

[]

[]

[]

4,90

5,30

3,08

[]

[]

[]

[]

[]

5,15

5,41

3,60

0 1 2 3 4 5 6

kostengünstiger

nachhaltiger

persönlicher

vertraulicher

emotionaler

zeitlich flexibler

räumlich flexibler

bessere Prozessunterstützung

Personalverantwortliche Coaches

Die Wirkung der Intentionen und der Verhaltenskontrol-le auf das Verhalten wurde mit zwei weiteren linearen Re-gressionen analysiert. Diese zeigen bei den Coaches einenstarken Einfluss auf das tatsächliche Verhalten, währendbei den Personalverantwortlichen der Zusammenhang zwar

noch signifikant, jedoch deutlich schwächer ausfällt. Beiden Coaches erweist sich in dieser Analyse im Gegensatzzu den Personalverantwortlichen die Verhaltenskontrolle alszusätzlicher signifikanter Prädiktor für das Verhalten (imModell durch eine gestrichelte Linie dargestellt). Insgesamt

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ist die Varianzaufklärung für das Verhalten bei den Coachesdeutlich höher als bei den Personalverantwortlichen.

Betrachten wir abschließend die Einstellungen hinsicht-lich der Nutzung von digitalen Plattformen und Tools imCoaching detaillierter. Der Mittelwertvergleich der Facet-ten der Einstellungen, also auf Itemebene, zeigt, dass diePersonalverantwortlichen insgesamt positiver auf digitalePlattformen und Tools blicken, als es die Coaches tun.Signifikante Unterschiede zeigen sich bei den Items „kos-tengünstiger“ (F (1,191)= 6,68; p= 0,010), „nachhaltiger“(F (1,191)= 10,86; p= 0,022) und „bessere Prozessunter-stützung“ (F (1,191)= 13,30; p= 0,012).

Insgesamt zeigt der detaillierte Blick (siehe Abb. 6), dassbei den Einstellungen zu digitalen Plattformen und Toolsim Coaching Effizienzkriterien, also Kostenersparnis sowiezeitliche und räumliche Flexibilität ausschlaggebend sind,jedoch keine Erwartungen, dass sich dadurch die Qualitätdes Coachings verbessert. Es wird eher eine qualitative Ver-schlechterung in Kauf genommen, was sich darin zeigt, dassdie Beziehungsparameter Vertrauen, Emotionalität und per-sönliche Nähe im Mittel einen Skalenpunkt unterhalb derSkalenmitte sind.

6 Diskussion

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Vergleich vonPersonalverantwortlichen in Organisationen und externenCoaches zeigt bezüglich der Nutzung digitaler Tools imCoaching, dass Personalverantwortliche der Digitalisierungim Coaching grundsätzlich aufgeschlossener gegenüberste-hen als die Coaches und sich dabei stärker an der sozia-len Norm orientieren. Eine mögliche Erklärung hierfür istderen Unternehmens- bzw. Organisationszugehörigkeit undein damit verbundener höherer Innovations- und Effizienz-druck als bei externen, selbstständigen Coaches. Im Gegen-satz zu den eingangs beschriebene Forschungsergebnissenzur Theory of Planned Action, bei denen die Einstellungengenerell der stärkste Prädiktor für die Intention waren (vgl.Ajzen 2005), ist in der vorliegenden Untersuchung die so-ziale Norm für beide Gruppen ausschlaggebend für die Nut-zung digitaler Plattformen und Tools im Coaching. Es gehthier also um ein Verhalten, das nur zu einem kleineren Teilselbst entschieden werden kann, sondern im Wesentlichendurch die Entwicklungen des Marktes hervorgebracht wird.

Hinsichtlich der ersten Forschungsfrage nach der aktuel-len bzw. zukünftigen Nutzung digitaler Angebote im Coa-ching zeigt sich die größte Diskrepanz bei der Nutzung di-gitaler Plattformen zur Auswahl von Coaches. Hier weisendie Coaches sowohl bei der Intention als auch beim tatsäch-lichen Nutzungsverhalten deutlich höhere Werte auf als diePersonalverantwortlichen. Darin können sich die Vorteilefür externe Coaches, auf solchen Plattformen für eine effi-

ziente Akquise präsent zu sein, widerspiegeln. Zwar zeigenauch Personalverantwortliche eine hohe Intention, solchePlattformen zu nutzen, ihr tatsächliches Nutzungsverhaltenist jedoch deutlich geringer ausgeprägt. Dies könnte durchorganisationsbedingte Restriktionen zu erklären sein. Au-ßerdem zeigen sich Personalverantwortliche dem Einsatzvon digitalen Coachingmethoden sowie digitalisierten Coa-chingprozessen mehr zugeneigt als externe Coaches. Beider digitalen Evaluation sowie Kommunikation weisen bei-de Gruppen ähnliche Ausprägungen auf, hier herrschen alsoweitgehend ähnliche Vorstellungen über Nutzen und Nut-zung bei Personalverantwortlichen und externen Coaches.

Die Ergebnisse zur zweiten Forschungsfrage, inwiefernEinstellungen, subjektive Norm und wahrgenommene Ver-haltenskontrolle von externen Coaches und Personalverant-wortlichen die Nutzungsintention und das Nutzungsverhal-ten von digitalen Tools im Coaching beeinflussen, zeigenzunächst, dass bei externen Coaches alle Variablen hochmiteinander korrelieren, hingegen bei den Personalverant-wortlichen die Einstellungen relativ unabhängig von derVerhaltenskontrolle sind. Dies könnte darin begründet lie-gen, dass Personalverantwortliche meist nicht selbst coa-chen bzw. den Coachingprozess nicht direkt gestalten unddass die Einstellungen sich somit unabhängig von den tat-sächlichen Möglichkeiten bzw. Fähigkeiten, das Verhaltenauch zu zeigen, ausprägen. Weiterhin ist die soziale Normbei beiden Berufsgruppen gegenüber den anderen Einfluss-größen jeweils der stärkste und einzig signifikante Prädik-tor für die Nutzungsintention. Die Wirkung der Intentionauf das Verhalten weist bei externen Coaches einen star-ken Einfluss auf das tatsächliche Verhalten auf. Bei denPersonalverantwortlichen ist der Zusammenhang zwar auchnoch signifikant, fällt jedoch deutlich schwächer aus. Dielässt sich wiederum durch die weniger konkreten Nutzungs-möglichkeiten digitaler Plattformen und Tools im Coachingdurch die Personalverantwortlichen begründen, möglicher-weise bedingt durch organisationale Restriktionen oder ein-fach nur dadurch, dass sie zwar durch ihre Rolle in derOrganisation mit Coaching zu tun haben, aber nicht selbstcoachen.

Schließlich zeigen die Ergebnisse zur Beantwortung derdritten Forschungsfrage, welche Unterschiede es zwischenEinstellungen, subjektiver Norm und wahrgenommener Ver-haltenskontrolle sowie Intention und Verhalten zwischenexternen Coaches und Personalverantwortlichen bezüglichder Nutzung digitaler Plattformen und Tools im Coachinggibt, dass Personalverantwortliche insgesamt positiver aufdigitale Plattformen und Tools blicken als externe Coaches.Dies spiegelt sich vor allem in höheren Einstellungsausprä-gungen der Personalverantwortlichen hinsichtlich Kosten-ersparnissen, Nachhaltigkeit und besserer Prozessunterstüt-zung durch digitalisiertes Coaching wider. Für die Ein-stellungen von Personalverantwortlichen und auch die von

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Coaches zum Einsatz digitaler Plattformen und Tools imCoaching sind also Effizienzkriterien wie Kostenersparnis-se sowie zeitliche und räumliche Flexibilität ausschlagge-bend. Gleichzeitig hegen beide Berufsgruppen jedoch keineErwartungen, dass sich durch die Digitalisierung die Quali-tät des Coachings verbessert, es wird im Gegenteil in Kaufgenommen, dass für wesentliche Parameter, nämlich hin-sichtlich der Beziehungsqualität in Bezug auf Nähe, Ver-trauen und Emotionalität, sich Nachteile ergeben werden.Dies ist insofern bedenkenswert, als dass in zahlreichenStudien die Beziehung im Coaching als wichtigster Prädik-tor für die Wirksamkeit beschrieben und ermittelt wird (vgl.z.B. Jansen et al. 2004; Ianiro et al. 2013).

Die vorliegende Untersuchung weist einige methodischeLimitationen auf. Da es sich bei den Stichproben um conve-nience samples, also nicht-repräsentative, anfallende Stich-proben handelt, können die Ergebnisse nur bedingt gene-ralisiert werden. Da die Teilnehmenden z.B. ausschließlichPersonalverantwortliche und Coaches aus dem deutschspra-chigen Raum sind, können die Ergebnisse nicht auf ande-re Nationalitäten bzw. Kulturen übertragen werden. Hin-zu kommt, dass der Großteil der Coaches überwiegendnicht für Selbstzahler arbeitet. Dies könnte einen elemen-taren Einflussfaktor hinsichtlich der subjektiven Norm dar-stellen. Weiterhin eruiert der Fragebogen das individuel-le Nutzungsverhalten von Personalverantwortlichen, wobeiin größeren Unternehmen die Nutzungsmöglichkeiten oft-mals vorgegeben werden. Bachmann (2016) spricht in die-sem Kontext davon, dass die Definitionsmacht von Coa-ching letztlich bei den Organisationen selbst liegt. So wer-den Coaches beispielsweise vielfach über Rahmenvertrags-ausschreibungen speziell für den Einsatz im Unternehmenund nicht über Bewertungen auf Online-Plattformen aus-gewählt. Oder die zur Verfügung stehenden Coaching-For-mate sind vom Unternehmen vorgegeben und für Personal-verantwortliche nicht frei wählbar. Insofern ist es denkbar,dass die Teilnehmenden zwar eine hohe Nutzungsintenti-on aufweisen, diese jedoch in ihrer Umsetzung im Praxis-alltag durch die Rahmenbedingungen von Organisationenbeschränkt werden. Ebenso können diese organisationalenRahmenbedingungen auch das tatsächliche Nutzungsver-halten digitalisierten Coachings von Personalverantwortli-chen negativ beeinflussen. Dies kann ein weiterer Erklä-rungsgrund für das im Vergleich zur Intention signifikantniedriger ausfallende Nutzungsverhalten sein. Außerdemimpliziert die Wahl der Theorie des geplanten Verhaltens(Ajzen 1985; 1991) als theoretische Grundlage der Studieeine geringe Generalisierbarkeit auf andere Arbeitsbereicheoder Berufsgruppen. Alternative Modelle wie das Techno-logy Acceptance Model (Davis und Venkatesh 1996) hät-ten möglicherweise technik-spezifischere Aspekte des Nut-zungsverhaltens digitalisierten Coachings von Personalver-antwortlichen und Coaches wie wahrgenommene Nützlich-

keit und wahrgenommene Nutzerfreundlichkeit beleuchtet,wobei die wahrgenommene Nützlichkeit in der vorliegen-den Untersuchung im Rahmen der Einstellung mitabge-deckt wurde.

Prägnant zusammengefasst kann man sagen, dass exter-ne Coaches, die häufiger Karriere- und Work-Life-Balan-ce-Themen bearbeiten, als es bei Organisationscoachingsder Fall ist, eher noch zurückhaltend mit digitalen Platt-formen und Tools im Coaching umgehen, wenn man vonder Plattformnutzung zur Selbstpräsentation und zum Ge-fundenwerden einmal absieht. Diese Nutzungsform hat sichallerdings schon seit den Anfang 2000er Jahren etabliert, et-wa im deutschsprachigen Raum mit der Coach-Datenbankvon Rauen. Weiterhin sind bei den externen Coaches dieEinstellungen zu digitalen Angeboten im Coaching starkmit der sozialen Norm und der Verhaltenskontrolle, alsomit den technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten korre-liert. Dieses Kontrollerleben könnte auch als Technikaffi-nität interpretiert werden. Die Nutzungsintention wird fastausschließlich durch die soziale Norm prädiktiert, das Ver-halten durch die Intention und die wahrgenommene Kon-trolle. Bei der Nutzung digitaler Plattformen und Tools imCoaching beugen sich die befragten Coaches also dem so-zialen Druck und nehmen dabei Verschlechterungen desCoachings bezogen auf die Beziehungsqualität in Kauf beigleichzeitigen Vorteilen der räumlich-zeitlichen Flexibili-tät sowie aus Opportunitätsgründen bezüglich der Entwick-lungen im Coachingmarkt. Die letztendliche Nutzung wirdweiterhin noch durch die Technikaffinität prädiktiert.

Für die Personalverantwortlichen lässt sich zusammen-fassen, dass diese insgesamt eine höhere Nutzungsintentionfür digitale Plattformen und Tools angeben, die tatsächli-che Nutzung in den Organisationen jedoch dahinter zurück-bleibt. Dies trifft erstaunlicherweise auch auf die Plattfor-men zu, auf denen Coaches sich präsentieren und gefundenwerden können. Hier scheinen für die Personalverantwort-lichen persönliche Netzwerke, Empfehlungen bzw. digitalesoziale Netzwerke wie xing.com oder linked.com eine wich-tigere Rolle zu spielen. Die Einstellungen, soziale Norm undVerhaltenskontrolle sind bei den Personalverantwortlichenunabhängiger voneinander. Sie stehen digitalen Plattformenund Tools im Coaching positiver gegenüber, beugen sichaber genauso dem sozialen Druck. Die subjektive Verhal-tenskontrolle spielt bei ihnen keine Rolle. Das liegt mögli-cherweise daran, dass sie das Thema eher aus einer wenigerinvolvierten und identifizierten Perspektive betrachten. Ef-fizienz und Flexibilität stehen im Vordergrund, es geht wohleher darum, als interner Dienstleister nützlich zu sein, denndas eigentliche Coaching wird ja – technisch und persön-lich – von den Coaches erbracht, als deren Auftraggebendesie agieren.

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Anhang

Tab. 4 Verwendete Items im Fragebogen

Skala Einstellung

Durch die Digitalisierung ...

Im Coaching können sich zukünftig Kostenersparnisse ergeben

Kann Coaching nachhaltiger werden

Kann Coaching zukünftig persönlicher werden

Kann Coaching zukünftig weniger vertraulicher werden

Kann Coaching zukünftig emotionaler werden

Kann Coaching zukünftig zeitlich flexibler werden

Kann Coaching zukünftig räumlich flexibler werden

Im Coaching lassen sich neue Erkenntnisse u. Reflexionsprozesse besser unterstützen

Skala Subjektive Norm

Befreundete Coaches setzten immer mehr digitale Medien, Apps und Plattformen im Coaching ein

Unter Coaches ist es mir wichtig auf dem neuesten Stand zu sein

Positive Erfahrungen anderer Coaches mit digitalen Medien, Apps und Plattformen im Coaching lösen bei mir Interesse und Neugier aus

Ich bemerke, dass immer mehr Klienten/innen den Einsatz digitaler Medien, Apps und Plattformen im Coaching fordern

Auch andere Coaches legen Wert auf den Einsatz digitaler Medien im Coaching

Ich denke, dass sich auch Coaching dieser gesellschaftl. Entwicklung auf Dauer nicht entziehen kann

Skala Wahrgenommene Verhaltenskontrolle

Ich habe ausreichend finanz. Ressourcen, um digitale Coachingformate zu verwenden

Ich habe genüg. Zeit, um mich mit den digit. Möglichkeiten f. Coaching auseinanderzusetzen

Ich weiß, wie ich digitale Coachingformate implementieren kann

Es fällt mir leicht immer auf dem neusten Stand der Technik zu bleiben

Mir fällt es leicht mit digitalen Geräten oder Plattformen umzugehen

Probleme bei der Nutzung digitaler Geräte u. Apps kann ich selbst schnell beheben

Skala Intention/Verhalten

Für den Einsatz von Coaching in meiner Organisation bzw. meinem Unternehmen nutze ich bereits/kann ich mir zukünftig vorstellen folgendedigitale Angebote zu nutzen ...

Online-Plattformen, um Coaches zu finden

Online-Plattformen, um Coaches mit einem bestimmten Qualitäts- und Professionsstandard zu finden

Online-Plattformen, um Coaches zu bewerten

Online-Plattformen, um Coaches entsprechend ihrer Bewertungen auswählen zu können

Online-Tools zur Unterstützung des Coachings durch Angebotsstellung, Terminplanung und Rechnungslegung

Online-Tools zur Unterstützung des Coachings durch Dokumentation, Visualisierungen oder Hausaufgaben

Online-Tools zur Unterstützung des Coachings durch Erinnerungen oder Trackingfunktionen

Online-Tools zur Unterstützung des Coachings durch Evaluation und Feedback an/über den Coach

Digitale Methoden bzw. Tools (z.B. digitales Whiteboard, Fragebögen, Aufstellungsfiguren, Bilder usw.)

Online-Kommunikationskanäle (z.B. Chat, Audio, Video)

Selbstcoaching-Tools, die die Arbeit von Coaches teilweise oder ganz ersetzen (z.B. Selbstcoaching in Form von Texten, Videos, digital angelei-teten Modulen usw.)

Coaching in virtuellen Räumen oder Realitäten, vermittelt durch Avatare

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Publisher’s Note Springer Nature remains neutral with regard to juris-dictional claims in published maps and institutional affiliations.

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