35
Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus makroökonomischer Perspektive Konferenz „Digitale Potenziale nutzen und gestalten“, Berlin, 02.12.2019 Prof. Dr. Melanie Arntz, Dr. Terry Gregory, Dr. Ulrich Zierahn Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung 01.12.2019

Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

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Page 1: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus makroökonomischer Perspektive

Konferenz „Digitale Potenziale nutzen und gestalten“, Berlin, 02.12.2019

Prof. Dr. Melanie Arntz, Dr. Terry Gregory, Dr. Ulrich Zierahn Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung 01.12.2019

Page 2: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Industrie 4.0: Neue Automatisierungspotentiale

2

Page 3: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

„Ende der Arbeit”?

3

Der Spiegel,17.4.1979 Der Spiegel,3.9.2016

„Demnach arbeiten 47

Prozent

der Beschäftigten in den

USA in Berufen, die in den

nächsten 10 bis 20 Jahren

mit einiger

Wahrscheinlichkeit

automatisiert werden

können“

„Die Experten sind in zwei

Lager gespalten. Die einen

behaupten, daß die Flut

schnell ansteigt und in 20

Jahren 80 Prozent der

Arbeitsplätze vernichtet.

Die anderen sind der

Ansicht, dieses Ergebnis

werde erst später erreicht.“

Page 4: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Welche Auswirkungen haben neue Automatisierungs-potenziale auf die Gesamtbeschäftigung?

4

1. Wie viele Arbeitsplätze sind potenziell automatisierbar?

2. In welchem Maße werden Automatisierungspotenziale tatsächlich realisiert?

3. Welche Auswirkungen hat die Automatisierung von Arbeitsplätzen und Tätigkeiten auf die Gesamtbeschäftigung?

4. Welche Verteilungswirkungen gehen damit einher?

Page 5: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Wie viele Arbeitsplätze sind potenziell automatisierbar?

5

Neue Technologien

Beschäftigungseffekte

?

Page 6: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Der einzelne Job macht den Unterschied

6

Berufsbasierter Ansatz (e.g. Frey/Osborne, 2016)

• Expertenbefragung zur Automatisierbarkeit ausgewählter Berufe

• Statistisches Modell: Automatisierungspotential hängt von Beruf ab

Extrapolation der Automatisierbarkeit für alle Berufe unter Verwendung des Modells und berufsbasierten Tätigkeitsdaten

Job-basierter Ansatz (Arntz/Gregory/Zierahn, 2017)

• Verwendung bestehender berufsbasierter Automatisierbarkeits-Abschätzungen

• Statistisches Modell: Automatisierungspotential hängt von Tätigkeiten ab

Extrapolation der Automatisierbarkeit für alle Jobs unter Verwendung des Modells und arbeitsplatzbasierten Tätigkeitsdaten

Page 7: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

0%

10%

20%

30%

40%

50%

OxfordBerufe

USA

ZEWJobsUSA

ZEWJobsDE

Automatisierungspotential

Zwei Ansätze, große Unterschiede

7

Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2017)

Page 8: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Höhere Automatisierungspotentiale für Geringqualifizierte

8

0 20 40 60

ISCED 1 or less

ISCED 2, ISCED 3C short

ISCED 3A-B, C long

ISCED 4A-B-C

ISCED 5B

ISCED 5A

ISCED 5A/6

Share of Automatable Jobs

Automatibility by Education

Source: Arntz et al. (2016).

0 10 20 30

<10%

10%-25%

25%-50%

50%-75

75%-90%

90%-100%

Share of Automatable Jobs (%)In

com

e P

erce

nti

les

Automatibility by Income

Source: Arntz et al. (2016).

Page 9: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

In welchem Maße werden Automatisierungs-potenziale realisiert?

9

Neue Technologien

Automatisierungspotentiale

Beschäftigungseffekte

47% ~12%

?

Page 10: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Langsame Diffusion neuer Technologien

10

31.4%

15.0%

2.1%

33.9%

17.6%

Wir haben uns noch nicht mit der Nutzung solcher Technologien beschäftigt.

Wir setzen uns bereits mit der Nutzung solcher Technologien auseinander.

Wir planen derzeit die Anschaffung solcher Technologien.

Wir nutzen bereits solche Technologien.

Die Nutzung dieser Technologien ist zentraler Bestandteil unseres Geschäftsmodells.

Nutzung von 4.0-Technologien in deutschen Betrieben

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung 2016

Page 11: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Langsame Diffusion neuer Technologien

11

50.5

43.8

5.8

42.8

49.4

7.8

34.5

52.1

13.4

020

40

60

80

100

in P

rozent

vor 5 Jahren heute in 5 Jahren

Büro- und Kommunikationsmittel

1.0/2.0 Technologien 3.0 Technologien

4.0 Technologien

85.9

10.4

3.7

83.1

11.9

5.1

78.8

13.3

7.9

020

40

60

80

100

in P

rozent

vor 5 Jahren heute in 5 Jahren

Produktionsmittel

1.0/2.0 Technologien 3.0 Technologien

4.0 Technologien

Anteil der Arbeitsmittel nach Einsatzbereich und Technologiestufe im Zeitablauf

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung 2016

Page 12: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Chancen neuer Technologien

12

-.6 -.4 -.2 0 .2 .4Zustimmung

...senkt die Energiekosten

...senkt die körperliche Arbeitsbelastung für die Beschäftigten

...senkt die Transport-und Lagerhaltungskosten

...senkt die Arbeitskosten/ Lohnkosten

...ermöglicht es, neue Produkte bzw. Dienstleistungen anzubieten

...ermöglicht es, individuelle Kundenwünsche besser zu erfüllen

...erhöht die Arbeitsproduktivität

Chancen: Die Nutzung neuer Technologien..

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung 2016

Page 13: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Risiken neuer Technologien

13

-.4 -.2 0 .2 .4 .6Zustimmung

...steigert das wirtschaftliche Risiko

...wird durch einen Mangel an passenden Fachkräften erschwert

...erhöht die psychische Arbeitsbelastung für die Beschäftigten

...macht eine aufwändige Reorganisation der Arbeitsprozesse notwendig

...erhöht die Abhängigkeit von Fremdleistungen

...ist mit hohen Investitionskosten verbunden

...verändert die Aus- und Weiterbildungsinhalte im Betrieb

...steigert den Weiterbildungsbedarf der Beschäftigten

...erhöht die Aufwendungen für Datenschutz und Cybersecurity

Risiken: Die Nutzung neuer Technologien..

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung 2016

Page 14: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Automatisierung und Jobs

14

Neue Technologien

Automatisierungspotentiale

Diffusion neuer Technologien

Beschäftigungseffekte

47% ~12%

eher langsam bis moderat

?

Page 15: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Flexibilität von Beschäftigten

15

-10

-5

0

5

10

15

Nicht-RoutineAnalytisch

Nicht-RoutineInteraktiv

RoutineKognitiv

RoutineManuell

Nicht-RoutineManuell

zwischen Berufen

innerhalb von Berufen

Veränderung zurückzuführen auf Anpassungen:

Beispiel „Nicht-Routine Analytisch“: 85 % (15%) der aggregierten Veränderung sind auf Veränderungen innerhalb von Berufen (zwischen Berufen) zurückzuführen

Quelle: Spitz-Oener (2006)

Veränderung der Tätigkeiten an deutschen Arbeitsplätzen 1979-1999

Page 16: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Automatisierung und Jobs

16

Neue Technologien

Automatisierungspotentiale

Diffusion neuer Technologien

Flexibilität der Arbeitskräfte

Beschäftigungseffekte

Angepasste Arbeitsteilung, sich

verändernde Berufsbilder

?

47% ~12%

eher langsam bis moderat

Page 17: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Makroökonomische Rückkopplungsprozesse

17

Geringere Arbeitsnachfrage

Höhere Wettbewerbsfähigkeit

Höhere Arbeitsnachfrage

Technologieeinsatz

Ersetzt Arbeit

Nachfrage nach Technologien

Neue Arbeitsplätze und Tätigkeiten

Arbeitsangebot

Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Löhne

Kapital- vs. Lohnkosten

Page 18: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Modellierung der makroökonomischen Wirkungen

18

Page 19: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Netto positive Beschäftigungseffekte

19

-10% -5% 0% 5% 10%

Gesamteffekt

Tätigkeitswandel

Produktnachfrage

Arbeitsangebot

Veränderung der Beschäftigung

Netto-Beschäftigungseffekte, 2011-2016

Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 20: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Veränderung der Berufsstrukturen

20

-6% -4% -2% 0% 2% 4% 6% 8% 10% 12%

Analytisch

Interaktiv

Kognitive-Routine

Manuell-Routine

Manuell-Nicht-Routine

Veränderung der Beschäftigung

Beschäftigungseffekten nach Berufen, 2011-2016

Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 21: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Veränderung der Branchenstrukturen

21 Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 22: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Automatisierung und Jobs

22

Neue Technologien

Automatisierungspotentiale

Diffusion neuer Technologien

Flexibilität der Arbeitskräfte

Job-Zerstörung/-Schaffung

Beschäftigungseffekte

47% ~12%

Eher langsam bis moderat

Neue Jobs entstehen

Gesamtbeschäftigungseffekte bisher

positiv, aber Veränderung der Arbeit

Angepasste Arbeitsteilung, sich

verändernde Berufsbilder

Page 23: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Beschäftigungspolarisierung

23 Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 24: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Lohnpolarisierung

24 Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 25: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Upskilling Steigender Weiterbildungsbedarf vor allem für Mittel-/Hochqualifizierte

25

Quelle: Arnold et al. (2016)

Beschäftigtenbefragung: „Die technologischen Neuerungen erfordern eine beständige Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten.“

0%

20%

40%

60%

80%

100%

niedrig mittel mittel-hoch hoch Gesamt

Ausbildungslevel

Page 26: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Steigende Kompetenzanforderungen im Office-Bereich Mehr IT-Kenntnisse, mehr übergeordnete Kenntnisse

26 Quelle: Arntz/Gregory/Janssen/Zierahn (2016)

Page 27: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Steigende Kompetenzanforderungen im Produktionsbereich Mehr IT-Kenntnisse, mehr übergeordnete Kenntnisse

27 Quelle: Arntz/Gregory/Janssen/Zierahn (2016)

Page 28: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Downskilling Sinkende Anforderungen für einige Geringqualifizierte

28

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

niedrig mittel mittel-hoch hoch Gesamt

Ausbildungslevel

Beschäftigtenbefragung: „Die technologischen Neuerungen verlangen mir weniger Fähigkeiten und Kompetenzen ab.“

Quelle: Arnold et al. (2016)

Page 29: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Fazit: Nicht wie viele, sondern welche Jobs! Nicht ob wir arbeiten, sondern wie!

29

Kernergebnisse

1. Automatisierungspotenzial oftmals überschätzt

2. Automatisierungspotential ≠ Beschäftigungseffekte

3. Langsame, aber sich beschleunigende Verbreitung von 4.0 Technologien

4. Wachsende technologische Kluft in der deutschen Betriebslandschaft

5. Schwach positive Gesamtbeschäftigungseffekte der Digitalisierung

6. Starke Struktureffekte auf Berufs- und Branchenebene

7. Wachsende Beschäftigungs- und Lohnungleichheit

8. Steigende Anforderungen und steigender Weiterbildungsbedarf für vor allem qualifizierte und hoch-qualifizierte Beschäftigte

9. Sinkende Anforderungen für einen Teil der gering qualifizierten Beschäftigten

10. Polarisierung der Anforderungen

Page 30: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

30

Kontakt

Prof. Dr. Melanie Arntz

Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) Mannheim

L7, 1

68161 Mannheim

+49 621 1235-159

[email protected]

http://www.zew.de/team/mar/

Page 31: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Literatur

31

• Arntz/Gregory/ Zierahn (2016), The Risk of Automation for Jobs in OECD Countries: A Comparative Analysis, OECD Social, Employment and Migration Working Papers No. 189, Paris.

• Arntz/Gregory/Zierahn (2017): Revisiting the Risk of Automation, Economics Letters 159: 157-160.

• Arntz/Gregory/Zierahn (2018): Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: Makroökonomische Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne von morgen, Bundesministerium für Forschung und Entwicklung (BMBF), Mannheim.

Page 32: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Automatisierungspotentiale: Ergebnisse

32

0%

5%

10%

15%

20%

An

teil

der

Bes

chäf

tigt

en

Automatisierungswahrscheinlichkeit

Quelle: Frey und Osborne (2013), Bureau of Labor Statitics (2015), Bundesagentur für Arbeit (2014), Berechnungen des ZEW.

47% der Beschäftigten

Page 33: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Langsame Diffusion neuer Technologien

33

Auto

matisie

rung

Erfassung der in deutschen Betrieben eingesetzten Arbeitsmittel, IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0-Befragung 2016 (N=2.032)

Page 34: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

Funktionsweise des Modells

34

-20% -16% -12% -8% -4% 0% 4% 8% 12%

Cemiebranche - Kognitiv-Routine

Metallbau - Analytisch

Veränderung der Beschäftigung

Insgesamt Tätigkeitswandel Produktivität Arbeitsangebot

Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)

Page 35: Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit aus

0.0% 0.5% 1.0% 1.5% 2.0%

Basisszenario

Status Quo-Szenario

Beschleunigungsszenario

Veränderung der Beschäftigung

Szenarien für die nächsten 5 Jahre leicht positive Gesamtbeschäftigungseffekte

35

Gesamteffekte für drei Technologie-Szenarien, 2016-2021

Quelle: Arntz/Gregory/Zierahn (2018)