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3 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau Die Bemessung und Konstruktion von Bauteilen aus Glas soll durch die Normengenera- tion der DIN 18008 auf eine neue Grundlage gestellt werden und die bisherigen bauauf- sichtlich eingeführten Regelwerke zur Glasbemessung sollen abgelöst werden. Dabei muss gleichzeitig auch im Glasbau auf das Teilsicherheitskonzept umgestellt werden. Der eingeschränkte Anwendungsbereich der derzeitigen Regelungen soll dabei sukzes- sive erweitert und auf den Stand der Technik angepasst werden. Durch die modulare Struktur der DIN 18008 mit zur Zeit sieben Einzelteilen soll gewährleistet werden, dass aufbauend auf den Grundlagenteil und der Entwicklung im Glasbau zukünftig auch Glas- konstruktionen erfasst werden können, die zur Zeit nur über Zustimmungen im Einzelfall oder allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen genehmigt werden können. Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über den derzeitigen Bearbeitungsstand der Normenreihe und die wichtigsten neuen Inhalte gegenüber den bestehenden Regelungen aus den fertiggestellten Teilen 1 und 2. DIN 18008 – Glass in building – Design of glass structures. DIN 18008 will be the new standard for the structural design of glass and glass structures in Germany and replace the current German standards. The design method will be changed from a design based on allowable stresses to a design based on limit states with partial safety factors. The restrictive range of application of the current German standards shall be expanded with a modular structure of DIN 18008 containing seven different parts for different applications. It will be then possible to gradually cover new developments in glass structures and structural glass based upon the basis of design. This article gives an overview of the status of the standard and the most important new content in comparison to the existing standards from the finalized parts 1 and 2 Bereich mehr auf wirkliche Neuerun- gen konzentrieren sollte. Es ist nicht das Ziel der DIN 18008, jede nur denkbare neuartige Verglasungskonstruktion zu regeln, dennoch können die beschriebenen Grundlagen als Basis für die Behand- lung von Verglasungskonstruktionen auch außerhalb des Geltungsbereichs der Norm verwendet werden. Die modulare Struktur der DIN 18008 mit zur Zeit sieben Einzelteilen ge- währleistet, dass aufbauend auf den Grundlagenteil (Teil 1) neuartige Glas- konstruktionen erfasst werden kön- nen: Teil 1 Begriffe und allgemeine Grundlagen Teil 2 Linienförmig gelagerte Verglasungen Teil 3 Punktförmig gelagerte Verglasungen Teil 4 Zusatzanforderungen an absturz- sichernde Verglasungen Teil 5 Zusatzanforderungen an begehbare Verglasungen Teil 6 Zusatzanforderungen an zu Reini- gungs- und Wartungsmaßnahmen betretbare Verglasungen Teil 7 Sonderkonstruktionen (z. B. Balken, Schubfelder, …) Die europäischen Normungsentwürfe für die Bemessung im Glasbau (prEN 13474 [4]) hatten auch das Ziel der Schaffung von einheitlichen Bemes- sungsregeln für Glas. Sie sind jedoch trotz mehr als 10-jähriger Bearbei- tungszeit aufgrund der fehlenden Kon- struktionsregeln und der Komplexität der Regeln, die dennoch etliche Inkon- Jens Schneider Johann-Dietrich Wörner DIN 18008 – Glas im Bauwesen Bemessungs- und Konstruktionsregeln 1 Einführung Bisher werden Verglasungskonstruk- tionen in Deutschland nach den Tech- nischen Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasun- gen (TRLV) [1] und den Technischen Regeln für die Verwendung von ab- sturzsichernden Verglasungen (TRAV) [2] sowie den Technischen Regeln für die Bemessung und Ausführung punkt- gestützter Verglasungen (TRPV) [3] bemessen und ausgeführt. Eine Viel- zahl üblicher Verglasungskonstruk- tionen weicht jedoch wesentlich von diesen Regelwerken ab. Diese müssen im Geltungsbereich der Bauordnun- gen der Länder über Zustimmungen im Einzelfall oder allgemeine bauauf- sichtliche Zulassungen erstellt werden. Die oben genannten Ausführungsre- geln sollen durch die DIN 18008 zu- nächst abgelöst und dabei auf das in- zwischen fast allen Bemessungsregeln im Bauwesen zugrunde liegende Teil- sicherheitskonzept umgestellt werden. Dabei soll gleichzeitig der aktuelle Stand der Technik in die Neuregelun- gen einfließen und eine Grundlage ge- schaffen werden, die es erlaubt, Neu- entwicklungen im Glasbau zukünftig einfacher durch Ergänzungen zu er- fassen. Denn die große Zahl der Zu- stimmungen im Einzelfall im Glasbau ist mit hohem Aufwand bei den Behör- den, mit Unsicherheiten hinsichtlich Kosten und Terminplanung der Bau- projekte und vielen unnötigen experi- mentellen Untersuchungen oft gleich- artiger Konstruktionen verbunden. Dies hemmt die Weiterentwicklung, die sich gerade im experimentellen DOI: 10.1002/stab.200810025

DIN 18008 – Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln

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3© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau

Die Bemessung und Konstruktion von Bauteilen aus Glas soll durch die Normengenera-tion der DIN 18008 auf eine neue Grundlage gestellt werden und die bisherigen bauauf-sichtlich eingeführten Regelwerke zur Glasbemessung sollen abgelöst werden. Dabeimuss gleichzeitig auch im Glasbau auf das Teilsicherheitskonzept umgestellt werden.Der eingeschränkte Anwendungsbereich der derzeitigen Regelungen soll dabei sukzes-sive erweitert und auf den Stand der Technik angepasst werden. Durch die modulareStruktur der DIN 18008 mit zur Zeit sieben Einzelteilen soll gewährleistet werden, dassaufbauend auf den Grundlagenteil und der Entwicklung im Glasbau zukünftig auch Glas-konstruktionen erfasst werden können, die zur Zeit nur über Zustimmungen im Einzelfalloder allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen genehmigt werden können. Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über den derzeitigen Bearbeitungsstand derNormenreihe und die wichtigsten neuen Inhalte gegenüber den bestehenden Regelungenaus den fertiggestellten Teilen 1 und 2.

DIN 18008 – Glass in building – Design of glass structures. DIN 18008 will be the newstandard for the structural design of glass and glass structures in Germany and replacethe current German standards. The design method will be changed from a design basedon allowable stresses to a design based on limit states with partial safety factors. Therestrictive range of application of the current German standards shall be expanded with amodular structure of DIN 18008 containing seven different parts for different applications.It will be then possible to gradually cover new developments in glass structures andstructural glass based upon the basis of design.This article gives an overview of the status of the standard and the most important newcontent in comparison to the existing standards from the finalized parts 1 and 2

Bereich mehr auf wirkliche Neuerun-gen konzentrieren sollte.

Es ist nicht das Ziel der DIN18008, jede nur denkbare neuartigeVerglasungskonstruktion zu regeln,dennoch können die beschriebenenGrundlagen als Basis für die Behand-lung von Verglasungskonstruktionenauch außerhalb des Geltungsbereichsder Norm verwendet werden. Diemodulare Struktur der DIN 18008mit zur Zeit sieben Einzelteilen ge-währleistet, dass aufbauend auf denGrundlagenteil (Teil 1) neuartige Glas-konstruktionen erfasst werden kön-nen:

– Teil 1Begriffe und allgemeine Grundlagen

– Teil 2Linienförmig gelagerte Verglasungen

– Teil 3Punktförmig gelagerte Verglasungen

– Teil 4Zusatzanforderungen an absturz-sichernde Verglasungen

– Teil 5Zusatzanforderungen an begehbareVerglasungen

– Teil 6Zusatzanforderungen an zu Reini-gungs- und Wartungsmaßnahmenbetretbare Verglasungen

– Teil 7Sonderkonstruktionen (z. B. Balken, Schubfelder, …)

Die europäischen Normungsentwürfefür die Bemessung im Glasbau (prEN13474 [4]) hatten auch das Ziel derSchaffung von einheitlichen Bemes-sungsregeln für Glas. Sie sind jedochtrotz mehr als 10-jähriger Bearbei-tungszeit aufgrund der fehlenden Kon-struktionsregeln und der Komplexitätder Regeln, die dennoch etliche Inkon-

Jens SchneiderJohann-Dietrich Wörner

DIN 18008 – Glas im Bauwesen Bemessungs- und Konstruktionsregeln

1 Einführung

Bisher werden Verglasungskonstruk-tionen in Deutschland nach den Tech-nischen Regeln für die Verwendungvon linienförmig gelagerten Verglasun-gen (TRLV) [1] und den TechnischenRegeln für die Verwendung von ab-sturzsichernden Verglasungen (TRAV)[2] sowie den Technischen Regeln fürdie Bemessung und Ausführung punkt-gestützter Verglasungen (TRPV) [3]bemessen und ausgeführt. Eine Viel-zahl üblicher Verglasungskonstruk-tionen weicht jedoch wesentlich vondiesen Regelwerken ab. Diese müssenim Geltungsbereich der Bauordnun-gen der Länder über Zustimmungenim Einzelfall oder allgemeine bauauf-sichtliche Zulassungen erstellt werden.Die oben genannten Ausführungsre-

geln sollen durch die DIN 18008 zu-nächst abgelöst und dabei auf das in-zwischen fast allen Bemessungsregelnim Bauwesen zugrunde liegende Teil-sicherheitskonzept umgestellt werden.Dabei soll gleichzeitig der aktuelleStand der Technik in die Neuregelun-gen einfließen und eine Grundlage ge-schaffen werden, die es erlaubt, Neu-entwicklungen im Glasbau zukünftigeinfacher durch Ergänzungen zu er-fassen. Denn die große Zahl der Zu-stimmungen im Einzelfall im Glasbauist mit hohem Aufwand bei den Behör-den, mit Unsicherheiten hinsichtlichKosten und Terminplanung der Bau-projekte und vielen unnötigen experi-mentellen Untersuchungen oft gleich-artiger Konstruktionen verbunden.Dies hemmt die Weiterentwicklung,die sich gerade im experimentellen

DOI: 10.1002/stab.200810025

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sistenten aufweisen, in der Fachweltsehr umstritten und für die praktischeAnwendung kaum geeignet. Bereitsdie Dimensionierung einfachster Ver-glasungen bedarf hier aufgrund dervielen Lastfallkombinationen speziel-ler Software, deren Ergebnis auchvon Experten nur häufig schwer inter-pretierbar ist.

Die DIN 18008 hat zum Ziel, diewesentlichen und besonderen Para-meter des Werkstoffs Glas (z. B. dieZeitabhängigkeit der Festigkeit vonFloatglas, Isolierglaseffekte, Schub-verbund bei Verbund-Sicherheitsglas,etc …) für die Bemessung so zu erfas-sen, dass sie angemessen berücksich-tigt werden, aber noch praktisch hand-habbar sind. Es muss gerade ausSicherheitsgründen für Ingenieuremachbar bleiben, mit Kontrollrech-nungen die Ergebnisse der Berech-nung im Computer rasch überprüfenzu können. Nicht zuletzt ist ein weite-res Ziel bei der Erarbeitung der Norm,den in Deutschland sehr weit ent-wickelten Konstruktiven Glasbau auchin den Regelwerken endlich so zu er-fassen, dass die DIN 18008 als Refe-renz für Bauprojekte weltweit heran-gezogen werden kann. Dies wird fürdie deutschen Ingenieure im Zuge derGlobalisierung immer wichtiger.

Inzwischen wurden DIN 18008Teil 1, Teil 2 fertiggestellt, die Ein-sprüche diskutiert und bearbeitet, unddie Veröffentlichung steht kurz bevor.Die übrigen Teile sind noch in Bear-beitung. Teil 3 und Teil 4 sollen imLaufe dieses Jahres veröffentlicht wer-den.

2 DIN 18008 Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen

2.1 Teilsicherheitskonzept im Glasbau2.1.1 Einwirkungsseite

Die Umstellung auf das Teilsicherheits-konzept wurde durch die Einführung

der neuen Normengeneration derDIN 1055 auch im Glasbau zwingenderforderlich. Grundlagen hierzu wur-den bereits in den Arbeiten von Shen[5] und Güsgen [6] gelegt. Basis derBemessungsregeln der DIN 18008 istDIN 1055 Teil 100 Einwirkungen aufTragwerke – Grundlagen der Trag-werksplanung, Sicherheitskonzept undBemessungsregeln, Ausgabe März 2001[7]. Die Umstellung ist aber nach wievor sehr umstritten, da sie neben denTeilsicherheitsbeiwerten auf der Ein-wirkungs- und Widerstandsseite eineVielzahl von Kombinationsregeln mitsich bringt, die den rechnerischenAufwand für die Ingenieure und da-mit auch die Fehleranfälligkeit beider Berechnung erhöht. Zur Ermitt-lung der Lastfallkombinationen aufder Einwirkungsseite verweist DIN18008 aber konsequent auf DIN1055-100, da diese Grundnorm Basisfür alle Bemessungsnormen sein sollte.Vereinfachend wird davon ausgegan-gen, dass die Einwirkungen vonein-ander unabhängig sind, so dass diezur Ermittlung von Ed erforderlichenTeilsicherheitsbeiwerte der Einwirkun-gen Tabelle A.3 der DIN 1055-100entnommen werden können. Für dieKombinationsbeiwerte y gilt dannTabelle A.2 der DIN 1055-100 analog(s. Tabelle 1).

Bei Mehrscheiben-Isolierglas istwie bereits in der TRLV bei den Nach-weisen die Wirkung von Druckdiffe-

renzen zwischen dem Scheibenzwi-schenraum und der umgebenden At-mosphäre zu berücksichtigen. Bezogenauf die Bedingungen bei der Abdich-tung des Scheibenzwischenraums re-sultieren die Druckdifferenzen ausTemperaturänderungen des Füllgasesund Änderungen des Drucks der um-gebenden Atmosphäre. Die atmosphä-rischen Druckänderungen sind zumeinen meteorologisch (Hoch- und Tief-druckgebiete) bedingt, zum anderenergeben sich atmosphärische Druck-änderungen auch aus unterschied-lichen Höhenlagen des Ortes derHerstellung und des Einbaus desMehrscheiben-Isolierglases (Tabelle 2).

2.1.2 Widerstandsseite

Abschnitt 8.3.2 regelt, dass der Nach-weis der ausreichenden Tragfähigkeitvon Verglasungen auf der Grundlagedes Nachweises der maximalen Haupt-zugspannungen an der Glasoberflächeerfolgt. Die Eigenspannungszuständeaus thermischer Vorspannung derGläser werden auf der Widerstands-seite berücksichtigt. Hierfür gibt esmehrere Gründe. Erstens wird in denProduktnormen die thermische Eigen-spannung gar nicht getrennt erfasst,denn es wird nur das fertige Produkthinsichtlich Festigkeit geprüft. Zwei-tens erlauben die optischen Messver-fahren [17] zwar punktuelle Messun-gen im Bereich weniger Millimeter,

Tabelle 2. Vorgaben zur Ermittlung von Druckdifferenzen bei Mehrscheiben-Iso-lierglasTable 2. Parameters for the calculation of climatically induced pressure differencesin insulating glass units

Einwirkungs- Temperaturdifferenz DT Änderung des atmosphä- Ortshöhen-kombination [K] rischen Drucks Dpmet differenz DH

[kN/m2] [m]

„Sommer“ +20 –2,0 +600

„Winter“ –25 +4,0 –300

Tabelle 1. Kombinationsbeiwerte y für EinwirkungenTable 1. Load combination Factors y

DIN 18008 behandelt wie DIN 1055-100, Tabelle A.2 y0 y1 y2

Windlasten Windlasten 0,6 0,5 0,0

Schnee- und Eislasten bis 1000 m ü NN Schnee- und Eislasten bis 1000 m ü NN 0,5 0,2 0,0

Klimatische Einwirkungen auf Isolier-verglasungen und Temperaturzwängungen Temperatureinwirkungen 0,6 0,5 0,0

Montagezwängungen Baugrundsetzungen 1,0 1,0 1,0

Holm und Personenlasten Nutzlasten Kategorie A 0,7 0,5 0,3

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die Streuung der thermischen Eigen-spannung über den Bereich einerScheibe könnte jedoch nur mit sehrgroßem Aufwand und vielen Messun-gen ermittelt werden. Bisher liegenhierzu nur wissenschaftliche Untersu-chungen mit geringer Anzahl von Pro-bekörpern vor [11], [12], [16]. Schließ-lich entsteht ein großer Aufwand imNachweisverfahren durch eine ge-trennte Betrachtung von Eigenfestig-keit und thermischer Vorspannung,die weitere Kombinationen erzeugt.Diese Gründe waren wesentlich fürdie überwiegende Ablehnung des eu-ropäischen Norm-Entwurfes zur Glas-bemessung prEN 13474.

Die charakteristischen Werte der Biegezugfestigkeit der wichtigstenGläser sind in Tabelle 3 zusammenge-stellt.

Bei planmäßig unter Zugbean-spruchung stehenden Kanten (z. B. beizweiseitig linienförmiger Lagerung)von Scheiben ohne thermische Vor-spannung dürfen unabhängig von de-ren Kantenbearbeitung nur 90 % dercharakteristischen Biegefestigkeit an-gesetzt werden. Dies berücksichtigtden Einfluss der Kantenbearbeitungauf die Biegefestigkeit. Nur im Vier-schneiden-Biegeversuch bei der Fes-tigkeitsprüfung von ESG und TVGwird die unterZug stehende Kante mit-geprüft, die charakteristischen Werteder Festigkeit von Floatglas und Guss-glas werden dagegen im Doppelring-Biegeversuch ermittelt.

Bei derVerwendung von Verbund-Sicherheitsglas (VSG) dürfen die cha-rakteristischen Festigkeitswerte derBauprodukte aus Glas pauschal um10 % erhöht werden. Diese Erhöhungbasiert auf probabilistischen Überle-gungen für Verbundglaseinheiten ausmindestens zwei Glasscheiben undFestigkeitswerten.

Die Erfassung des Schubverbun-des von VSG mit PVB-Folien war ur-sprünglich auf der Basis der Arbeitvon Wellershoff [8] und Ensslen [9]für Windlasten mit einem Schubmo-dul von GPVB = 0,4 MPa geplant,wurde aber aufgrund von BedenkeneinigerAusschussmitglieder in den Be-reich der allgemeinen bauaufsicht-lichen Zulassungen verschoben. DieBedenken bezogen sich auf nicht aus-reichende Vorgaben in den Produkt-normen zur Gewährleistung der Ei-genschaften von PVB hinsichtlich desSchubmoduls, da nach den Produkt-normen nur die Reißfestigkeit und dieBruchdehnung der PVB-Folien ge-prüft werden muss, nicht jedoch derSchubmodul. Bauaufsichtliche Zulas-sungen von Glasveredlern für VSG,bei dem ein Schubmodul angesetztwerden darf, sind aber in Kürze zu er-warten.

Für die Glasdicken sind auchnach DIN 18008 die Nennwerte nachden entsprechenden Produktnormen

einzusetzen. Leider lassen die Pro-duktnormen aber deutliche Abwei-chungen der tatsächlichen Dicke ge-genüber der Nenndicke nach untenzu, vgl. Tabelle 4. Dies hat gerade aufStabilitätsnachweise erhebliche Aus-wirkungen, die in dem geplantenNormteil der Sonderkonstruktionenberücksichtigt werden müssen [16],[18]. Trotzdem hat sich der Normen-ausschuss aus Gründen der einfache-ren Anwendbarkeit für die Übernahmeder Nenndicken für die Spannungs-und Verformungsnachweise entschie-den.

Im Glasbau sind auf der Wider-standsseite weitere Besonderheitenzu beachten, die die Komplexität dererforderlichen Kombinationen weitererhöhen. Dies ist erstens die Zeitab-hängigkeit der Festigkeit von thermischentspanntem Glas (z. B. Floatglas,Gussglas), die einen Modifikations-faktor kmod erforderlich macht, der inähnlicher Form bereits im Holzbaueingeführt wurde. Streng genommenwiderspricht dabei die Zeitabhängig-keit der Festigkeit der Annahme derUnabhängigkeit von Einwirkung undWiderstand. Dennoch wird vereinfa-chend auf die charakteristischen Werteder Biegezugfestigkeit der Gläser ausden Produktnormen und Zulassungenverwiesen und diese für thermischentspannte Gläser mit kmod abgemin-dert. Die Berücksichtigung der Last-einwirkung auf die Festigkeit vonGlas muss aber nur für Gläser ohnethermische Vorspannung berücksich-tigt werden, da mit den Teilsicherheits-beiwerten sichergestellt ist, dass der

Tabelle 3. Charakteristische Biegezugfestigkeiten der GläserTable 3. Characteristic bending strength of glasses

Thermisch entspanntes Glas:

Floatglas (Spiegelglas) 45 N/mm2

Gussglas (z. B. Drahtglas) 25 N/mm2

Thermisch vorgespanntes Glas:

ESG 120 N/mm2

ESG emailliert 75 N/mm2

TVG 70 N/mm2

TVG emailliert 45 N/mm2

Tabelle 4. Grenzabmaße der Dicke von Floatglas nach EN572-2 [19] und derenAuswirkungen auf Spannungs- und VerformungsberechnungenTable 4. Allowances of thickness deviations of float glass and their effect on stressand deformation.

Abweichung

[%] bezogen auf [%] bezogen aufNenndicke Grenzabmaße Spannungsermittlung Verformungsermittlung

[mm] [mm] [%] Wy ly

3 ± 0,2 ± 6,7 ± 12,9 ± 18,7

4 ± 0,2 ± 5,0 ± 19,8 ± 14,3

5 ± 0,2 ± 4,0 ± 17,8 ± 11,5

6 ± 0,2 ± 3,3 ± 16,6 ± 19,7

8 ± 0,3 ± 3,8 ± 17,4 ± 10,8

10 ± 0,3 ± 3,0 ± 15,9 ± 18,7

12 ± 0,3 ± 2,5 ± 14,9 ± 17,3

15 ± 0,5 ± 3,3 ± 16,6 ± 19,7

19 ± 1,0 ± 5,3 ± 10,2 ± 15,0

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Bemessungswert die thermische Vor-spannung unterschreitet (der Quer-schnitt bleibt „überdrückt“).

Zweitens sind im Glasbau kon-struktive Randbedingungen für dieAnwendung sehr wichtig, die auf derWiderstandsseite mit einem Faktor kcerfasst werden. Dies liegt daran, dassan Verglasungen, die als rein aus-fachende Bauteile verwendet werden(z. B. in Fenstern), nicht die gleichenSicherheitsanforderungen gestellt wer-den müssen wie an Verglasungen, die inTragwerken statisch tragende Funktio-nen übernehmen und von denen beiBruch eine wesentlich größere Gefahrausgeht. Die wesentlichen Formeln fürdie Ermittlung des Bemessungswertesdes Tragwiderstandes gegenüber Span-nungsversagen finden sich in Abschnitt8.3.6 und 8.3.7 der DIN 18008. Fürthermisch vorgespanntes Glas gilt:

(1)

Rd Bemessungswert des Tragwider-stands

kc Beiwert zur Berücksichtigung derArt der Konstruktion. Sofern inden nachfolgenden Normteilennichts anderes angegeben wird,gilt kc = 1,0, maximal kc = 1,8

fk charakteristischer Wert der Bie-gezugfestigkeit

gM Materialteilsicherheitsbeiwert. Fürthermisch vorgespannte Gläser istgM = 1,5 zu verwenden.

Für Gläser ohne planmäßige thermi-sche Vorspannung (z. B. Floatglas) gilt:

(2)

In Gleichung (2) ist gM = 1,8 zu ver-wenden.

Die Teilsicherheitsbeiwerte auf derWiderstandsseite wurden auf der Ba-sis der prEN 13474 und der Ergeb-nisse zu Festigkeitsuntersuchungen inden Dissertationen von Fink, Laufs,Schneider und Siebert [10] bis [13] er-mittelt. Bei Floatglas ist der höhereSicherheitsfaktor auf die sehr großeStreuung der Festigkeitswerte von Pro-ben im ungeschädigten Zustand mitVariationskoeffizienten von bis zu n =0,30 zurückzuführen. Bei planmäßigund gleichmäßig vorgeschädigten Pro-ben (z. B. durch Berieselung mit Alu-miniumkorund) sinkt der Mittelwertder Festigkeit stark ab, die Streuung

Rk k f

dc k

M= ◊ ◊mod

g

Rk f

dc k

M= ◊

g

der Festigkeitswerte aber ebenso, unddamit reduziert sich der 5 %-Fraktil-wert nur wenig. Da auch derTeilsicher-heitsbeiwert auf der Widerstandsseitedirekt von der Streuung der Festig-keitswerte abhängt, könnte man diesenentsprechend reduzieren, wenn manein Verfahren zur Vorschädigung aufBasis einer größten anzunehmendenRisstiefe normiert und regelmäßigeBiegezugprüfungen für Floatglas vor-schreibt. Zur Zeit ist in der Produkt-norm der DIN EN 572-2 [19] wederein charakteristischer Festigkeitswertdefiniert, noch sind bisher regelmä-ßige Festigkeitsuntersuchungen fürFloatglas vorgeschrieben. Bei ther-misch vorgespannten Gläsern überla-gert sich der Einfluss der thermischenVorspannung, was zu einer geringe-ren Streuung und damit zu geringe-ren Teilsicherheitsbeiwerten als beiFloatglas führt.

Die Beiwerte kmod zur Abminde-rung der Festigkeit thermisch nichtvorgespannter Gläser in Abhängigkeitvon der Lasteinwirkungsdauer sind inTabelle 5 aufgeführt.

Bei der Kombination von Einwir-kungen unterschiedlicher Einwirkungs-dauer ist die Einwirkung mit der kür-zesten Dauer für die Bestimmung desModifikationsbeiwertes kmod maß-gebend. Der Beiwert kmod = 0,25 fürdominierende ständige Einwirkungenaus Wasserdruck und Eigengewichtwurde eingeführt, um die stark zeitab-hängige Abminderung der Festigkeitdes Glases unter Dauerlasten abzu-sichern. Dieser Lastfall wird in der Pra-xis nur selten maßgebend. Er schätztkonservativ die sog. Rissfestsetzung derSpannungs-Risskorrosion ab. Aufgrunddes Einflusses der Einwirkungsdauerauf die Festigkeit können also auchEinwirkungskombinationen maßge-bend sein, welche nicht den maximalenWert der Beanspruchung liefern!

Aus Gründen der Vereinfachungund zur Beschränkung der Anzahlder Kombinationsmöglichkeiten wurdedie Anzahl der Beiwerte kmod auf einerforderliches Minimum beschränkt.

Prinzipiell wäre es möglich, für dieunterschiedlichen Einwirkungen auchunterschiedliche kmod zu definieren.Hierzu fehlen jedoch statistisch abge-sicherte Daten für die Dauer jederEinwirkung, die nur für Wind undSchnee bekannt sind [12]. Dies er-höht auch den Kombinationsaufwandunverhältnismäßig zur erzielbaren Ge-nauigkeit oder einer wirtschaftliche-ren Bemessung.

2.2 Sicherheitskonzept und Resttragfähigkeit

Für viele Glaskonstruktionen greiftdie Bemessung nur auf Basis vonSchnittgrößen (bzw. Spannungen) undVerformungen zu kurz. Nur durch diesog. Resttragfähigkeit, die gewährlei-stet, dass auch im Falle des Brucheseinzelner Scheiben die Glaskonstruk-tion für einen angemessenen Zeit-raum ausreichend standsicher bleibt„non-progressive collapse“, könnenderartige Verglasungen den Sicher-heitsanforderungen genügen, die nachDIN 1055-100 oder den Grundlagenzur Festlegung von Sicherheitsan-forderungen für bauliche Anlagen(GruSiBau) [14] an bauliche Anlagengestellt werden. Diese Besonderhei-ten sind auf das spröde Materialver-halten und die Oberflächenempfind-lichkeit des Glases zurückzuführen.Denn eine abgesicherte statistischeErfassung aller Einwirkungen, die zuBeschädigungen der Oberfläche undnachfolgendem Glasbruch führenkönnten (z. B. aus Reinigung, Aufprallharter Gegenstände, mutwilliger Be-schädigung, …) ist nicht möglich –vor allem nicht für Nutzungszeit-räume von über 30 Jahren für bauli-che Anlagen.

Bisher war Resttragfähigkeit inden Regelwerken nicht ausdrücklichgenannt, sondern nur in den konstruk-tiven Regelungen, z. B. derVorgabe vonVSG aus grob brechenden Gläsernwie Floatglas oder teilvorgespanntemGlas für Überkopfverglasungen ver-steckt. Durch grob brechende Glasar-

Tabelle 5. Rechenwerte für den Modifikationsbeiwert kmod (Tabelle 6, DIN 18008)Table 5. Characteristic values for the modification factor kmod

Einwirkungsdauer Beispiele kmod

ständig Eigengewicht, Wasserdruck 0,25

mittel Schnee, Klimalasten 0,40

kurz Wind, Holmlast 0,70

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ten wird erreicht, dass bei Bruch derScheiben sich die großflächigen Bruch-stücke über die Verbundfolie so ver-zahnen, dass auch im Bruchzustandnoch eine Tragfähigkeit erreicht wird(Bild 2). Bei VSG aus fein brechen-dem Einscheiben-Sicherheitsglas, dasin kleine würfelförmige Bruchstückevon etwa 1 cm2 zerfällt, kann dagegennur eine sehr geringe Tragfähigkeit imBruchzustand erreicht werden, da dieScheibe sich sofort stark verformtund von den Auflagern gezogen wirdbzw. die Verbundfolie im Bereich vonPunkthaltern ausreißt.

In DIN 18008 wurde versucht, dieResttragfähigkeit im Teil 1 allgemein zudefinieren, damit in den Teilen 2 ff. jenach Konstruktionsart unterschiedli-che Anforderungen an die Resttrag-fähigkeit in Abhängigkeit der Einbau-situation (z. B. Horizontalverglasun-gen, begehbare Verglasungen), derKonstruktion (z. B. zwei- oder viersei-tige Lagerung), des Versagensszenarios(z. B. Bruch einer oder mehrerer Schei-ben eines VSG-Verbundes) und der zuberücksichtigenden Einwirkungen ge-stellt werden können. DIN 18008-1 de-finiert den Begriff der Resttragfähigkeitzunächst allgemein unter 3.1.2:

„Fähigkeit einerVerglasungskonstruk-tion im Falle eines festgelegten Zer-störungszustands unter definierten äu-ßeren Einflüssen (Last, Temperatur,usw.) über einen ausreichenden Zeit-raum standsicher zu bleiben.“

In Abschnitt 4 (Sicherheitskonzept)heißt es dann:

„Aufgrund des spröden Bruchverhal-tens von Glas kann es für bestimmteKonstruktionen bzw. Einbausituatio-nen erforderlich sein, eine ausreichen-de Resttragfähigkeit zu fordern. DieResttragfähigkeit einer Verglasungs-konstruktion hängt von der Art derKonstruktion, dem Schädigungsgradund den zu berücksichtigenden äuße-ren Einwirkungen ab.“

Damit soll sichergestellt werden, dassbei Einhaltung konstruktiver Vorga-ben (z. B. Verwendung von VSG ausgrob brechenden Glasarten und vier-seitige Lagerung bei Horizontalver-glasungen) kein spezieller Nachweisder Resttragfähigkeit erfolgen muss.Aber Anforderungen an die Resttrag-fähigkeit von Verglasungskonstruktio-nen können nach DIN 18008 auchdurch rechnerische Nachweise oderdurch versuchstechnische Nachweiseerfüllt werden. In Abschnitt 9 (Nach-weis der Resttragfähigkeit) heißt eshierzu:

„Die Resttragfähigkeit kann experi-mentell oder für Teilzerstörungszu-stände mit hinreichend vielen intak-ten Glasschichten und/oder Schei-ben auch rechnerisch nachgewiesenwerden. Gebrochene Glasschichtendürfen beim rechnerischen Nachweisnicht angesetzt werden.“

Prinzipiell wird hier auch derWeg desNachweises der Resttragfähigkeit mitnoch intakten Glasschichten (z. B.bei Dreifach-VSG) eröffnet, der bis-her jedoch im nachfolgenden Teil 2leider noch nicht konkretisiert wurde.Und Vorgaben zur Versuchsdurch-führung als Alternative zum kon-struktiven „Nachweis“ wären für denTeil 2 auf jeden Fall sinnvoll und mitden zahlreichen Erfahrungen desletzten Jahrzehntes auch durch dieVersuchsanstalten definierbar. Hier-aus ergibt sich eine wichtige Chancegegenüber den bisherigen unklarenund sich von Bundesland zu Bundes-land unterscheidenden Regelungenzur Resttragfähigkeit. Es sind die Ver-suchsanstalten gefordert, die Chancewahrzunehmen und einheitliche Vor-gaben für experimentelle Nachweiseals Anlage zu den Teilen 2 ff. zu defi-nieren (Bilder 1 und 2).

3 DIN 18008 Teil 2: Linienförmiggelagerte Verglasungen

3.1 Nachweis der Standsicherheit

Teil 2 der DIN 18008 soll die seit vie-len Jahren bewährte TRLV[1] ersetzen.Daher wurde der Inhalt der TRLV invielen Bereichen unverändert über-nommen. Nur die Umstellung auf dasTeilsicherheitskonzept aus Teil 1mussteberücksichtigt werden.

Zur Ermittlung des Widerstandesgegen Spannungsversagen darf in Teil 2bei Gläsern ohne thermische Vorspan-

Bild 1. Resttragfähigkeitsversuch an einer Scheibe der Dach-verglasung der Glashalle Neue Messe Leipzig (VSG aus 2 ¥8 mm ESG)Fig. 1. Post-breakage behaviour of a roof glass pane of theNeue Messe Leipzig (laminated glass from 2 ¥ 8 mm tempe-red glass)

Bild 2. Resttragfähigkeitsversuch an einem punktgelagertenVordach im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (VSG aus2 ¥ 10 mm TVG)Fig. 2. Post-breakage behaviour of glass pane of a canopy(laminated glass from 2 ¥ 10 mm heat strengthened glass)

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nung in Gleichung (2) kc = 1,8 ange-setzt werden. Dies ist auf die konstruk-tiven Vorgaben zurückzuführen. BeiVertikalverglasungen, deren Oberkantemehr als 4 m über Verkehrsflächenliegt, müssen monolithische Einfach-verglasungen aus grob brechendenGlasarten (z. B. Floatglas, TVG, gezo-

genem Flachglas, Ornamentglas) all-seitig gelagert sein. Bei Horizontal-verglasungen müssen bei Einfachver-glasungen bzw. für die untere Scheibevon Isolierverglasungen nurVerbund-sicherheitsglas (VSG) aus FloatglasoderVSG aus Teilvorgespanntem Glas(TVG) oder Drahtglas verwendet

werden. VSG-Scheiben mit einerStützweite von mehr als 1,2 m sindallseitig zu lagern.

Für den Nachweis der Druckdif-ferenzen bei Mehrscheiben-Isolierglaskann für linienförmig gelagerte Vergla-sungen das von Feldmeier entwickeltevereinfachte Näherungsverfahren zur

Tabelle 6. Vergleich der Auswirkungen auf die Spannungsnachweise für verschiedene Gläser nach TRLV und DIN 18008 fürVertikalverglasungen unter WindlastTable 6. Comparison of the design stress level for different glasses between TRLV and DIN 18008 for a vertical glass paneexposed to wind load only

Vertikalverglasung gF = 1,5 (Windlast)„zul s“ = (fakVSG fakKante kmod fc fk )/ (gMgF ) [Floatglas, Gussglas] bzw. (fakVSG fc fk )/ (gMgF ) [ESG/TVG]

2-seitig linienförmig 2-seitig linienförmig 4-seitig linienförmig 4-seitig linienförmig gelagert (monolithisch) gelagert (VSG) gelagert (monolitisch) gelagert (VSG)[N/mm2] [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2]

Floatglas DIN 1,0 ·0,9 ·0,7 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,5 1,1 ·0,9 ·0,7 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,5 1,0 ·0,7 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,5 1,1 ·0,7 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,518008 = 18,9 = 20,8 = 21,0 = 23,1

TRLV 18,0 22,5 18,0 22,5

Gussglas DIN 1,0·0,9 ·0,7 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,5 1,1 ·0,9 ·0,7 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,5 1,0 ·0,7 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,5 1,1 ·0,7 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,518008 = 10,5 = 11,6 = 11,7 = 12,8

TRLV 10,0 – 10,0 –

ESG DIN 1,0·1,0 ·120,0/1,5 ·1,5 1,1 ·1,0 ·120,0/1,5 ·1,5 1,0 ·1,0 ·120,0/1,5 ·1,5 1,1 ·1,0 ·20,0/1,5 ·1,518008 = 53,3 = 58,7 = 53,3 = 58,7

TRLV 50,0 50,0 50,0 50,0

TVG DIN 1,0 · 1,0 · 70,0/1,5 · 1,5 1,0 · 1,1 · 70,0/1,5 · 1,5 1,0 · 1,0 · 70,0/1,5 · 1,5 1,0 · 1,1 · 70,0/1,5 · 1,518008 = 31,1 = 34,2 = 31,1 = 34,2

„TRLV“ 29,0 29,0 29,0 29,0

Tabelle 7. Vergleich der Auswirkungen auf die Spannungsnachweise für verschiedene Gläser nach TRLV und DIN 18008 fürHorizontalverglasungen unter Eigengewicht und SchneelastTable 7. Comparison of the design stress level for different glasses between TRLV and DIN 18008 for a horizontal glass paneexposed to dead load and snow load

Horizontalverglasung mit mittlerem gF = 1,4 (z. B. Eigengewicht und Schnee)„zul s“ = (fakVSG fakKante kmod fc fk )/ (gMgF ) [Floatglas, Gussglas] bzw. (fakVSG fc fk )/ (gMgF ) [ESG/TVG]

2-seitig (mono) 2-seitig (VSG) 4-seitig (mono) 4-seitig (VSG)[N/mm2] [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2]

Floatglas DIN 1,0·0,9 ·0,4 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,4 1,1 ·0,9 ·0,4 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,4 1,0 ·0,4 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,4 1,1 ·0,4 ·1,8 ·45,0/1,8 ·1,418008 = 11,6 = 12,7 = 12,9 = 14,1

TRLV 12,0 15 12,0 15

Gussglas DIN 1,0·0,9 ·0,4 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,4 1,1 ·0,9 ·0,4 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,4 1,0 ·0,4 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,4 1,1 ·0,4 ·1,8 ·25,0/1,8 ·1,418008 = 6,4 = 7,1 = 7,1 = 7,9

TRLV 8,0 – 8,0 –

ESG DIN 1,0·1,0 ·120,0/1,5 ·1,4 1,1 ·1,0 ·120,0/1,5 ·1,4 1,0 ·1,0 ·120,0/1,5 ·1,4 1,1 ·1,0 ·120,0/1,5 ·1,418008 = 57,1 = 62,9 = 57,1 = 62,9

TRLV 50,0 50,0 50,0 50,0

TVG DIN 1,0·1,0 ·70,0/1,5 ·1,4 1,1 ·1,0 ·70,0/1,5 ·1,4 1,0 ·1,0 ·70,0/1,5 ·1,4 1,1 ·1,0 ·70,0/1,5 ·1,418008 = 33,3 = 36,7 = 33,3 = 36,7

„TRLV“ 29,0 29,0 29,0 29,0

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Ermittlung von Klimalasten verwen-det werden, das sich im informativenAnhang A der DIN 18008-2 befindet.

In den Tabellen 6 und 7 ist einvereinfachter Vergleich der Auswir-kungen der Anwendung des Bemes-sungskonzeptes nach DIN 18008 (Teil-sicherheitskonzept) mit dem Konzeptder TRLV (Konzept der zulässigenSpannungen) für linienförmig gela-gerte Verglasungen aufgeführt. Mitden vereinfachten Annahmen, dassauf Vertikalverglasungen nur Wind-lasten einwirken und dass auf Hori-zontalverglasungen nur Eigengewichtund Schneelasten einwirken, ist die-ser Vergleich möglich. Im zweitenFall wird vereinfachend mit einemmittleren Teilsicherheitsbeiwert vongF = 1,4 für Eigengewicht und Schnee-lasten gerechnet.

DerVergleich zeigt, dass mit demneuen Konzept für linienförmig gela-gerte Verglasungen überwiegend einegeringfügige Anhebung des Span-nungsniveaus bei der Bemessung ver-bunden ist. Für zweiseitig linienför-mig gelagerte Verglasungen aus ther-misch entspanntem Glas kommt esdagegen zu einer Verschärfung derAnforderungen. Dies ist vor demHintergrund des sehr ungünstigenResttragfähigkeitsverhaltens gerecht-fertigt.

Nicht berücksichtigt werdenkönnen hierbei die Auswirkungen derneuen Lastnormen der DIN 1055, beidenen beispielsweise in den nörd-lichen Bundesländern der Windlast-zone 2 und höher oftmals eine Anhe-bung des Niveaus der Einwirkungenverbunden ist.

Für den Großteil der in Fensternverbauten Verglasungen ist jedoch Ab-schnitt 6.5 entscheidend: Nur durchWind und Eigenwicht belastete allsei-tig linienförmig gelagerte Vertikalver-glasungen aus Isolierglas dürfen beiEinhaltung der nachfolgenden Bedin-gungen für Einbauhöhen bis 20 m überGelände bei normalen Produktions-und Einbaubedingungen der Isolier-verglasungen (d. h., die Einwirkungenaus Druckdifferenzen entsprechen denStandardwerten derTabelle 3 der DIN18008-1) ohne weiteren Nachweis ver-wendet werden:

– GlaserzeugnisFloatglas,TVG, ESG/ESG-H

– Fläche £ 1,6 m2

– Scheibendicke ≥ 4 mm– Differenz der

Scheibendicken £ 4 mm– Scheiben-

zwischenraum £ 16 mm– Charakteristischer

Wert der Windlast £ 0,8 kN/m2

3.2 Nachweis der Gebrauchs-tauglichkeit

Vereinfachend darf der Bemessungs-wert der Beanspruchung nach DIN1055-100, Gleichung (22), d. h. nur mitder charakteristischen Kombination,ermittelt werden. Für den Nachweisder Gebrauchstauglichkeit wurde alsKriterium pauschal 1/100 der Stütz-weite festgelegt. Dies stellt für die Hori-zontalverglasungen eine Lockerunggegenüber derTRLV dar, in der für Iso-lierverglasungen l/200 gefordertwurde. Allerdings ist zu beachten, dassdie Isolierglashersteller für die freieKante der Isolierverglasungen nachwie vor Werte zwischen l/200 undl/300 fordern, die aus der Historie desGlaserhandwerks stammen. Da eshierzu keinerlei systematische Unter-suchungen gibt, wurde ein Arbeitskreisim Fachverband Konstruktiver Glas-bau gegründet, der auf der Basis experi-menteller Untersuchungen neue Vor-gaben erarbeiten soll.

Literatur

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[2] TRAV 2003. Technische Regeln fürdie Verwendung von absturzsichern-den Verglasungen (TRAV), DeutschesInstitut für Bautechnik (DIBt), Berlin,Januar 2003.

[3] TRPV 2006. Technische Regeln fürdie Bemessung und die Ausführungpunktförmig gelagerter Verglasungen(TRPV), Deutsches Institut für Bau-technik (DIBt), Berlin, August 2006.

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[8] Wellershoff, F.: Nutzung der Vergla-sung zur Aussteifung von Gebäudehül-len. Dissertation, RWTH Aachen.Aachen: Shaker Verlag, 2006.

[9] Ensslen, F. : Zum Tragverhalten vonVerbund-Sicherheitsglas unter Berück-sichtigung der Alterung der Polyvinyl-butyral-Folie. Dissertation, Ruhr-Uni-versität Bochum, 2005.

[10] Fink, A.: Ein Beitrag zum Einsatzvon Floatglas als dauerhaft tragenderKonstruktionswerkstoff. Dissertation,Institut für Statik, Technische Univer-sität Darmstadt, 2000.

[11] Laufs, W.: Ein Bemessungskonzeptzur Festigkeit thermisch vorgespannterGläser. Dissertation, RWTH Aachen.Aachen: Shaker Verlag, 2000.

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[19] EN 572-2:2004. Glass in building –Basic soda lime silicate glass products –Part 2: Float glass. CEN, 2004.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider, Fachgebiet Bau-mechanik, Baustatik, Konstruktiver IngenieurbauFachhochschule Frankfurt am MainProf. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Johann-DietrichWörner, Institut für Werkstoffe und Mechanik imBauwesen, Technische Universität Darmstadt

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