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1 SELBSTBESTIMMUNG TROTZ ODER DURCH BETREUUNG? Als Diplomarbeit zum 2.5.2001 der Katholischen Fachhochschule Mainz vorgelegt von Johannes Pfeiffer Fachbereich Sozialarbeit Referentin: Prof. Dr. Cornelia Kopper-Reifenberg

Diplom JohannesPfeiffer Selbstbestimmung 20010502 · PDF file2 Inhalt: Vorwort 1. Einleitung 7 2. Grundzüge des Betreuungsrechts 9 2.1 Altes Recht – neues Betreuungsrecht. Eine

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SELBSTBESTIMMUNG

TROTZ ODER DURCH BETREUUNG?

Als Diplomarbeitzum 2.5.2001

der Katholischen Fachhochschule Mainz

vorgelegt von Johannes Pfeiffer

Fachbereich SozialarbeitReferentin: Prof. Dr. Cornelia Kopper-Reifenberg

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Inhalt:

Vorwort

1. Einleitung 7

2. Grundzüge des Betreuungsrechts 92.1 Altes Recht – neues Betreuungsrecht. Eine Abgrenzung 92.2 Überblick über das Betreuungswesen 112.2.1 Voraussetzungen einer Betreuung 122.2.2 Aufgabenkreise 152.2.3 Erforderlichkeitsgrundsatz 152.2.4 Verfahren in Betreuungssachen 17

I) Auswahl eines geeigneten Betreuers 17II) Rechte des Betroffenen im Verfahren 19

2.2.5 Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsvorbehalt 202.3 Statistiken 21

3. Selbstbestimmung 233.1 Selbstbestimmung als ethischer Begriff 243.1.1 politische Aspekte 243.1.2 rechtsphilosophische Aspekte 253.2 Selbstbestimmung als rechtlicher Begriff 27

4. Verhältnis der Selbstbestimmung zur Betreuung 334.1 Betreuungsrecht: Widerspruch zum Freiheitsgedanken des

Grundgesetzes? 334.1.1 Fremd- und Selbstgefährdung 354.1.2 Die Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit 374.2 Selbstbestimmung und Betreuung 424.2.1 Selbstbestimmung aus Sicht des Betreuers 434.2.1.1 Qualifizierung 44

- Stufenmodell zur Qualifizierung 484.2.1.2 Querschnittsarbeit 53

a) Werbung und Beratung ehrenamtlicher Mitarbeiter 54- Querschnittsarbeit und Selbstbestimmung 57

b) Informationspflicht über vorsorgliche Verfügungen 584.2.2 Selbstbestimmung aus Sicht des Betreuten 594.2.2.1 Der gesetzliche Auftrag 594.2.2.2 Begrifflichkeiten 60

a) Betreuungsverfügung 62b) Vorsorgevollmacht 62c) Patiententestament 64

4.2.2.3 Form der vorsorglichen Willensbekundungen undWirksamkeit

64

4.2.2.4 Zur Aufbewahrung von Vollmachten und Verfügungen 654.2.2.5 Kombination der Vorsorgemöglichkeiten 66

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5. Das Selbstbestimmungsrecht am Beispiel derSterbehilfediskussion

67

5.1 Begrifflichkeiten 685.2 Einwilligung in die Sterbehilfe 715.2.1 Recht auf Leben contra Selbstbestimmungsrecht 725.2.2 Rechtliche Situation in Deutschland 77

a) Rechtsprechung 78b) Der mutmaßliche Wille 80

5.2.3 Der holländische Weg 845.3 Verantwortungsdelegation 855.3.1 Die Willensermittlung durch den Arzt 945.3.2 Die Willensermittlung durch den Betreuer 945.4 Die Möglichkeit der Vorsorge 97

6. Abschließende Betrachtung 104

Literatur

Anhang

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VorwortIn der vorliegenden Diplomarbeit beschäftige ich mich mit einer Frage,

die nicht nur auf den ersten Blick ein Spannungsfeld aufzeigt; ein Ver-

such zu dessen Lösung soll Gegenstand dieser Arbeit sein: „Selbstbe-

stimmung trotz oder durch Betreuung?“ Im Vorwort möchte ich erklä-

ren, wie ich zu diesem Thema gekommen bin, bevor ich in der Einleitung

darlegen möchte, welchen Argumentationsweg ich wählen werde, um zur

Diskussion des genannten Spannungsfeldes im Allgemeinen und, bezo-

gen auf das aktuelle Thema Sterbehilfe, im Konkreten zu gelangen.

Zunächst zur Themenwahl: In meinem Blockpraktikum im Jahr 1999

wurde ich mit einer mir bis dahin fast fremden „Klientel“ konfrontiert:

alten Menschen. – Als Praktikant des Sozialdienstes der gerontopsychi-

atrischen Abteilung eines Landeskrankenhauses erlebte ich, wie Rah-

menbedingungen, politische, institutionelle wie auch strukturelle, zur

Folge hatten, dass Patienten ebenso wie Angestellte Objekte des Systems

„Gesundheitswesen“ wurden.

Beispielsweise erlebte ich mit, wie eine Patientin, wie sich später heraus-

stellte, wohl zu unrecht, geschlossen untergebracht wurde. Sie wehrte

sich dagegen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. „Gewaltbe-

reitschaft“, „Aggression“ wurden mit dem klinischen Begriff „Fremdge-

fährdung“ umschrieben. Die alte Dame wurde „fixiert“ und „medika-

mentiert“, bis sie sich „beruhigte“. Ursache war laut Arztbericht eine

langjährige Psychose. Zweifellos neigte sie zur Gewalt. Zweifellos litt sie

auch an einer Psychose. Zurückgezogen, zunehmend depressiv lief die

ca. 80-jährige den Gang tagelang auf und ab, ohne mit jemandem ein

Wort zu wechseln. Zwischendurch „rastete“ sie immer wieder aus und

wollte aus der Station fliehen.

Nach geraumer Zeit gelang es mir, ein Gespräch mit ihr zu führen. Lang-

sam baute sich ein Vertrauensverhältnis auf. Sie erzählte mir von ihrem

Sohn, von ihrer Kusine, ihrer Schwester, ihrem verstorbenen Ehemann

und der Schwiegertochter, dem „Luder“. Hasserfüllt, voller Aggressionen

berichtete sie von Vorfällen aus den vergangenen 25 Jahren, in denen

Sohn, Schwiegertochter und die Patientin gemeinsam in einem Haus

lebten. In einem Genogramm kamen hochinteressante Konstellationen zu

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Tage, welche die Verstrickungen in dieser Familie eindrücklich aufzeig-

ten. Deutlich wurde dabei, dass einerseits die Ursache für die Proble-

matik nicht allein bei der Patientin zu suchen war, und andererseits weder

sie noch ihre Familie in der Lage schienen, adäquat die Rechte der Pati-

entin zu vertreten und sich für diese einzusetzen. Ein Fall, der auch noch

meiner heutigen Ansicht nach nicht (nur) in eine psychiatrische Klinik

gehört.

Die Patientin wurde schließlich in ein Altersheim überwiesen.

„Gewaltbereitschaft“ und „Aggression“ als Ausdruck der Psychose oder

vielmehr als Ausdruck der „Hilflosigkeit“ einer alten Dame, die sich

nicht mehr anders zu helfen weiß?

Im weiteren Verlauf des Praktikums erfuhr ich von dem neuen Betreu-

ungsrecht. Das Landeskrankenhaus befürwortete, dass auch ich als Prak-

tikant zu einer Fortbildungsveranstaltung zu diesem Thema gehen sollte

und so erhielt ich erste Einblicke ins Betreuungsrecht. Es taten sich

Möglichkeiten auf, Menschen wie diese Patientin durch die persönliche

Betreuung darin zu unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen und viel-

leicht auch darin, und hier deutet sich das Spannungsfeld an, selbstbe-

stimmt ihr Leben zu gestalten. Dennoch hatten „die“ Betreuer im Kran-

kenhaus alles andere als einen guten Ruf. Was lief da falsch?

Aufgrund der Erfahrungen bis dahin wuchs mein Interesse am Betreu-

ungsrecht stetig, so dass ich mich bei der sog. „Mailingliste Betreuungs-

recht“ anmeldete, einem Diskussionsforum im Internet, das allen offen

steht, die sich für das Betreuungsrecht interessieren. Als stiller Teilneh-

mer dieser Liste beobachtete ich, dass nur wenige Inhalte so regelmäßig

diskutiert wurden, wie Fragen des Selbstbestimmungsrechts der Betrof-

fenen: Wann und in welchem Umfang darf der Betreuer in die Autono-

mie des Betreuten eingreifen? Stellt die Betreuerbestellung bei aller Für-

sorge nicht einen Eingriff dar, der zur Fremdbestimmung führt? Und

auch: In wieweit sind Vorsorgemöglichkeiten sinnvoll?

Dies sind Fragen, mit denen ich mich im vorgegebenen Rahmen ausei-

nandersetzen möchte.

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1. Einleitung

Im Laufe meines Studiums der Sozialarbeit an der Katholischen Fach-

hochschule Mainz gab es nur wenige Berührungspunkte mit der Thema-

tik oder dem Tätigkeitsbereich Betreuungswesen: Lediglich in der Lehr-

veranstaltung „Familien- und Jugendhilferecht“ wurde das Thema in

dreimal 45 Minuten aufgegriffen. Weder gab es im Grundstudium eine

Info-AG zum Thema Betreuungsrecht, noch wurde das Thema im

Hauptstudium in einen „Schwerpunkt Betreuungsrecht“ behandelt. Bei-

spiele sozialarbeiterischen Handelns wurden überwiegend an der Jugend-

hilfe festgemacht. Wie ich dennoch zur Thematik gefunden habe, wurde

bereits im Vorwort näher erläutert. Nun möchte ich kurz den Aufbau

meiner Arbeit darlegen und begründen.

In meiner Diplomarbeit werde ich die beiden im Titel genannten Ele-

mente „Selbstbestimmung“ und „Betreuung“ kritisch hinterfragen. Im-

mer wieder werden alternierend rechtliche und ethische Aspekte heran-

gezogen. So wird es beispielsweise nicht genügen, den Begriff der

Selbstbestimmung allein am Grundgesetz festzumachen. Mindestens

ebenso wichtig ist die ethische Bedeutung des Begriffs für das Betreu-

ungswesen.

Das vierte Kapitel soll die wesentlichen Aspekte der beiden vorange-

gangenen Kapitel zusammenführen: So wird hier zunächst die grundsätz-

liche Frage nach der Vereinbarkeit des Wertes „Selbstbestimmung“ und

dem Betreuungsrecht gestellt werden, bevor im weiteren Verlauf zunächst

diskutiert wird, wie Betreuer und das Betreuungswesen als ganzes dafür

Sorge tragen können, dass das Selbstbestimmungsrecht zugunsten des Be-

treuten umgesetzt werden kann. Zentraler Bedeutung kommt dabei einem

Qualifizierungsmodell für Betreuer zu. Im zweiten Teil dieses Teilkapitels

werden Vorsorgemöglichkeiten vorgestellt, die sicherstellen sollen, dass

Entscheidungen auch noch dann nach den eigenen Wünschen und Werten

getroffen werden, wenn die Selbstbestimmung z.B. aufgrund einer Alters-

krankheit nicht mehr möglich ist oder zumindest zweifelhaft geworden ist.

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Die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel sollen schließlich am

Beispiel der aktuellen Diskussion um die Sterbehilfe verdeutlicht werden.

Eingrenzend und zugleich Richtung weisend werde ich diesem Teil

meiner Arbeit zwei Leitfragen voranstellen, welche durch das Folgende

beantwortet werden sollen. Hier geht es einerseits um die Rolle des Be-

treuers bei Entscheidungen der Sterbehilfe und andererseits auch in

diesem Zusammenhang um die Vorsorgemöglichkeiten und um eine

kritische Betrachtungsweise der Validität dieser Alternative. Zunächst

werden so, um einen Einstieg zu finden, wesentliche Begriffe aus dem

Themenbereich der Sterbehilfe erläutert, dann die Weitläufigkeit der

allgemeinen ethischen und juristischen Diskussionen anhand einzelner

ausgewählter Stellungnahmen dargestellt.

Ein abschließendes Kapitel soll die verschiedenen Ergebnisse zusammen-

führen und die strukturgebende Fragestellung der vorliegenden Arbeit:

„Selbstbestimmung trotz oder durch Betreuung?“ beantworten. Somit ist

das Ziel der Ausführungen, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie

Antworten auf diese Frage zum Wohl eines Betreuten gefunden werden

können.

Hinweis: Rechtliche Grundbegriffe wie Geschäfts(un)fähigkeit, Vermö-

genssorge, Personensorge, Willenserklärung usw. setze ich als bekannt

voraus und werde sie daher für die Arbeit nicht näher erläutern. Weiter-

hin weise ich darauf hin, dass, zur besseren Lesbarkeit, bei Personen-

gruppen stets die männliche Form verwendet wird. Selbstverständlich

sind dabei grundsätzlich sowohl Mann wie auch Frau gemeint.

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2. Grundzüge des Betreuungsrechts

Der Titel der Diplomarbeit stellt die Frage: „Selbstbestimmung trotz oder

durch Betreuung?“

Zur Beantwortung wird in späteren Kapiteln die Diskussion dargestellt

und aufgegriffen und am Beispiel der Sterbehilfe verdeutlicht.

In diesem Einstiegskapitel soll es nun darum gehen, durch die Formulie-

rung der Grundzüge des Betreuungsrechts eine der beiden Säulen der

Diskussion darzustellen. So werden zunächst einige Aspekte genannt,

warum 1992 das neue Betreuungsrecht eingeführt wurde. Weiterhin sol-

len wichtige Grundbegriffe erläutert werden, um schließlich anhand von

statistischen Daten die gesellschaftliche Bedeutung des Rechtsinstitutes

der Betreuung zu verdeutlichen.

Ziel dieses Kapitels ist es also, einen Überblick über das Betreuungs-

wesen zu geben.

Betreuungsrechtliche Besonderheiten werden dann später in Anwendung

u.A. im Rahmen der Diskussion und am Beispiel der Sterbehilfe ausge-

führt.

Zunächst also als Einstieg eine Abgrenzung zum alten Vormundschafts-

recht:

2.1 Altes Recht – neues Betreuungsrecht. Eine Abgrenzung

Am 1.1.1992 trat das neue Betreuungsrecht in Kraft und löste Entmün-

digung (§ 6 BGB a.F.), Vormundschaft und Pflegschaft (Gebrechlich-

keitspflegschaft; § 1910 BGB a.F.) für Erwachsene ab.1 Die Gründe, ein

neues Recht zu schaffen, fasst Jürgens (nach dem Gesetzentwurf) folgen-

dermaßen zusammen: „Das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht des

Bürgerlichen Gesetzbuches wies unverhältnismäßige Rechtseingriffe,

diskriminierende Begriffe, inhaltlich eine Vernachlässigung der Perso-

nensorge und weitere Mängel auf.“2

1 Vgl.: Deinert in: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/btrn000.htm#hd1 [Stand: 13.2.2001]2 Siehe Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 2; ausführliche Darlegung derGründe: BT-Drucks.11/4528, S. 49: „Mängel des geltenden Rechts“

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So wurde die Zielsetzung des Gesetzentwurfs der damaligen Bundesre-

gierung folgendermaßen formuliert: „Die Rechtsstellung psychisch kran-

ker, körperlich, geistig oder seelisch behinderter Menschen soll durch

eine grundlegende Reform des Rechts der Vormundschaft und Pfleg-

schaft über Volljährige verbessert werden.“3

Im einzelnen sollte der Automatismus, dass „Entmündigte“ zwangsläufig

geschäftsunfähig (z.B. bei Geisteskrankheit - § 104 II BGB: natürliche

Geschäftsunfähigkeit) bzw. in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt (z.B.

bei Geistesschwäche) waren, aufgehoben werden. 4 Denn dies „hatte zur

Folge, dass der Betroffene die Entmündigung kaum noch als Maßnahme

zu seinem Schutz und seinem Wohl erkennen konnte.“5

Daneben sollten die „von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze

über die „Einwilligungsfähigkeit“ in Untersuchungen des Gesundheits-

zustandes, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe“6 im Betreuungs-

recht umgesetzt werden.

Das heißt: Die wesentlichen Reformbemühungen richteten sich auf zwei

Bereiche 7:

• Grundsatz der Subsidiarität der Betreuung (vgl. Kap. 2.2.3):

Durch die Förderung privater Vorsorge sollten staatliche Eingriffe

in vielen Fällen überflüssig gemacht werden (Vgl. § 1896 II Satz

2 BGB).

• Betonung der Selbstbestimmung des Betreuten:

Hierbei geht es nicht um eine Verhinderung der Betreuung, son-

dern um die Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses nach den

Wünschen und Vorstellungen des Betreuten (Vgl. § 1901 II Satz 2

BGB).

Die beiden ebengenannten Schwerpunkte des neuen Rechts von 1992

werden in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen. Der ehemalige rheinland-

3 Vgl.: BT-Drucks.11/4528, S.14 Vgl.: Deinert in: URL: http://betreuer-netz.de/btr/btrlex/btrn001.htm#hd2 [Stand:10.7.2000] bzw. BT-Drucks.11/4528, S.385 Vgl.: Caesar: Vortrag anlässlich des Symposiums „Gesetzliche Betreuung“ (1997), S.26 Vgl.: BT-Drucks.11/4528, S. 387 Vgl.: Langenfeld: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patiententestament(1994), S. 1f;Anm. : Nähere Ausführungen dazu in: BT-Drucks.11/4528, S.52ff

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pfälzische Justizminister Caesar sah die wesentlichen Ziele im Betreu-

ungsrecht verwirklicht: Es habe also mit dem neuen Betreuungsgesetz,

wie er es in einem Vortrag formulierte, ein grundlegender „Perspektiv-

wechsel“ stattgefunden. Und damit sei „das Spannungsverhältnis zwi-

schen Fürsorge und Entrechtung besser erkennbar“8.

2.2 Überblick über das Betreuungswesen

Es gibt kein Betreuungsgesetz, sondern verschiedene Gesetzestexte zum

Betreuungsrecht. Schwerpunkt ist das BGB (§§1896 ff BGB). Das Ver-

fahrensrecht (auch das Unterbringungsverfahrensrecht) befindet sich im

FGG. Seit Anfang 1999 finden sich vergütungsrechtliche Regelungen für

professionelle Betreuer und Verfahrenspfleger im Berufsvormünderver-

gütungsgesetz (BvormVG). Weiterhin befinden sich Regelungen zum

Unterbringungsrecht im PsychKG oder sind in landesrechtlichen Be-

stimmungen geregelt. Das Betreuungsbehördengesetz regelt die Tätig-

keiten der Betreuungsbehörden und den einzelnen Bundesländern obliegt

die Ausgestaltung der Ausführungsgesetze (Anerkennung von Betreu-

ungsvereinen, Finanzierungsfragen, Zuständigkeiten...).9

Anspruchsgrundlage 10 für eine Betreuung ist § 1896 I BGB. Darin heißt

es: „Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder

einer körperlichen, geistigen, oder seelischen Behinderung seine Angele-

genheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormund-

schaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Be-

treuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. [...]“

Neben dem Inhalt des Abs. I soll in dieser Arbeit eine wesentliche Rolle

§1896 II 2 BGB spielen: „Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die

Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten [...]

ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.“

8 Vgl. und siehe: Caesar: Vortrag anlässlich des Symposiums „Gesetzliche Betreuung“(1997), S.49 Vgl.: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 15f (RZ 5ff), 20f (RZ23ff)

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2.2.1 Voraussetzungen einer Betreuung

Um für einen Menschen eine Betreuung einzurichten, sind folgende vier

Voraussetzungen zu prüfen, die aus § 1896 BGB hervorgehen11:

• Volljährigkeit

Eine Betreuung kann nur für Volljährige eingerichtet werden. Nach §

2 BGB sind Volljähr ige, Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet

haben. Es gibt Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn abzusehen

ist, dass für einen 17jährigen Minderjährigen bei Erlangung der

Volljährigkeit eine Betreuung erforderlich sein wird. Dann kann das

Vormundschaftsgericht auch für einen noch nicht Volljährigen „vor-

sorglich“ einen Betreuer bestellen (1908a BGB).

• Medizinische Voraussetzungen

Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer psychischen Krankheit

bzw. einer körperlichen, geistigen, oder seelischen Behinderung:

Als psychische Krankheiten, die zu einer Betreuung führen können,

gelten12:

- endogene Psychosen: körperlich nicht begründbare Psychosen:

z.B. Schizophrenie, Manie, Depression; (ICD: F20 bis F39).

- exogene Psychosen: körperlich begründbare seelische Störungen

als Folge von zerebralen Krankheiten, Hirnverletzungen oder an-

deren Hirnfunktionsstörungen: z.B. Demenz, apallisches Syn-

drom (=Wachkoma), Hirnorganisches Psychosyndrom (=HOPS);

(ICD: F00 bis F09)

- Abhängigkeitskrankheiten: z.B. Alkohol- und Drogenabhängig-

keiten (ICD: F10 bis F19)

- Neurosen und Persönlichkeitsstörungen: z.B. Angst-, Zwangs-

störungen (ICD: F40 bis F79)

10 Anm.: In der Literatur wird § 1896 BGB nach meinen Recherchen nicht explizit alsAnspruchsgrundlage bezeichnet. Dennoch wage ich hier diese Bezeichnung inAbsprache mit May (Ruhr-Uni-Bochum).11 Soweit nicht anders angegeben: Vgl. Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S.226 ff; RZ1ff12 Gliederung nach: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 227; RZ 3); Alle Angaben nachICD (=International Statistical Classification of Diseacses and Related HealthProblems) aus: ICD (1994), S. 297ff

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Der Begriff der Behinderung wird nach § 31 SchwbG umschrieben

als »Auswirkungen einer nicht nur vorübergehenden Funktions-

störung«, die ihrerseits auf einem regelwidrigen körperlichen,

geistigen oder seelischen Zustand beruht.

Unter einer seelischen Behinderung ist eine bleibende – jedenfalls

lang anhaltende – psychische Beeinträchtigung als Folge einer

psychischen Krankheit“13 zu verstehen.

Die geistige Behinderung beschreibt Jürgens als ein angeborenes oder

erworbenes Intelligenzdefizit. Es gibt verschiedene Schweregrade der

geistigen Behinderung (vgl. Intelligenzquotient: IQ. Leichte (IQ 50

bis 69), mittlere (IQ 35 bis 49) und hochgradige (IQ 20 bis 34) Intel-

ligenzminderung). Eine geistige Behinderung ist unter einem IQ von

65 gegeben, wobei die Grenzen zwischen Lernbehinderung und

geistiger Behinderung fließend sind.

Auch körperlich behinderte Menschen können eine gesetzliche

Betreuung bekommen. Dann muss der Antrag vom Behinderten ge-

stellt werden. Von Amts wegen kann eine Betreuerbestellung nur er-

folgen, wenn der betroffene körperbehinderte Mensch seinen Willen

nicht kundtun kann.

Die medizinischen Voraussetzungen des § 1896 BGB sind sehr eng

gefasst. So zählen z.B. Suchtkrankheiten „ohne weitere Auffällig-

keiten“ (z.B. Frusttrinken, Rauschgifteinnahme ohne „objektiven“

Grund, u.a.) nicht zu den psychischen Krankheiten im Sinne des

§1896 BGB. Diese enge Auslegung ist allerdings umstritten. 14

Da der gesundheitliche Zustand des Betroffenen unmittelbare Vor-

aussetzung der Betreuerbestellung ist, muß zuvor grundsätzlich15 ein

Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden (vgl. § 68b I

FGG). Die Auswahl des Sachverständigen (z.B. bei psychischen Er-

krankungen: Arzt für Psychiatrie) richtet sich nach der Art der

Krankheit oder Behinderung. „Bei der Begutachtung geht es nicht

nur um die Art der [...] Krankheit oder [...] Behinderung, sondern in

13 Siehe: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 228; RZ 514 Vgl.: Lippert: Betreff: [BtR] Alkoholproblematik. [email protected] inMailingliste Betreuungsrecht: >[email protected]< [9.2.2001]15 Anm. (Vgl.: §68b I FGG): In Ausnahmefällen genügt ein „ärztliches Zeugnis“ (z.B.:Betreuerbestellung auf Antrag; Verzicht des Betroffenen auf ein Gutachten).

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erster Linie um den Ausprägungsgrad und die Auswirkung auf die

Fähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten zu besorgen.“16

• Besorgung der „Angelegenheiten“

Eine weitere Voraussetzung neben der medizinischen Indikation ist,

dass der Betroffene seine Angelegenheiten aufgrund der Krankheit

oder Behinderung ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen kann.

Dabei kommt es auf die gegenwärtige individue lle Lebenssituation

an. Folglich hat eine gutachtliche Aussage über Art und Grad einer

Krankheit oder Behinderung nicht obersten Stellenwert und tritt

„hinter den Fragen nach der sozialen Situation des Betroffenen und

den Möglichkeiten und Grenzen der Lebensbewältigung mit eigener

und fremder Hilfe zurück.“ 17

„Die Verwendung des Begriffs »Angelegenheiten« [in § 1896 BGB]

zeigt, dass die Betreuung sich nicht allein auf Rechtsangelegenheiten

beschränkt. Sie umfasst neben der »Rechtsfürsorge« auch die »tat-

sächliche Fürsorge«.“ Die Erforderlichkeit der „gesetzlichen Vertre-

tung“ des Betreuten ist aber dennoch Voraussetzung, nicht allein die

Bedürftigkeit zur „tatsächlichen Fürsorge“.18

• Kausalzusammenhang

„Zwischen der Krankheit / Behinderung und der Unfähigkeit der Be-

sorgung eigener Angelegenheiten muss ein ursächlicher Zusammen-

hang bestehen („auf Grund“).

Ob hier tatsächlich ein Kausalzusammenhang vorliegen muss, ist in

der Literatur strittig. So führen Pardey und Jürgens aus, dass eine Un-

fähigkeit, die eigenen Angelegenheiten zu besorgen, nicht den

„Schluß auf eine Krankheit oder Behinderung zulässig“ machen darf

und somit bestünde auch kein Kausalzusammenhang sondern eher

eine „wertende Zuordnung“. 19

16 Vgl. und siehe: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 154, RZ 376 (Zitat: RZ:379)17 Siehe: Wienand: Betreuungsrecht (1998), S. 918 Vgl. und siehe: ebd. ; Anm.: Wienand erläutert nicht näher, wo der Unterschiedzwischen rechtlicher und tatsächlicher Fürsorge liegt, bzw. was in diesemZusammenhang Inhalt einer „tatsächlichen Fürsorge“ sein kann.19 Vgl.: Pardey: Betreuung Volljähriger (1989), S. 86; Siehe: Jürgens: Das neueBetreuungsrecht (1999), S. 15

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2.2.2 Aufgabenkreise

Bei der Betreuertätigkeit handelt es sich um eine „Vertretung“ des Be-

treuten gerichtlich und außergerichtlich in bestimmten Aufgabenkreisen

(§1902 i.V.m. §1896 II 1 BGB). Diese werden vom Vormundschafts-

gericht individuell und ausdrücklich festgelegt (§69 I 2b FGG). „Die

Betreuung darf nur für diejenigen Aufgaben bzw. Aufgabenkreise vom

Vormundschaftsgericht angeordnet werden, in denen der Betroffene

betreuungsbedürftig ist, d.h. nur für solche Aufgaben, die tatsächlich

anfallen und die der Betroffene nicht ohne gesetzlichen Vertreter aus-

üben kann.“20

Da der Umfang des Aufgabenkreises jeweils im Einzelfall bestimmt

wird, kann der Umfang sehr unterschiedlich sein. Häufig benannte Auf-

gabenkreise sind: Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht oder

Gesundheitsfürsorge. Spezifizierungen sind üblich. So können Aufgaben-

kreise benannt werden wie z.B. Wohnungsangelegenheiten (Beschaffung,

Erhalt, Künd igung, Auflösung), Postempfangs- und Öffnungsbefugnis

(vgl. §1896 IV BGB, vgl. dazu auch Art. 10 GG: Brief- und Postge-

heimnis), Organisation von ambulanten Hilfen, Geltendmachung von

Sozialhilfeansprüchen oder auch die in §1896 III BGB genannte Über-

wachung eines Bevollmächtigten. 21 Eine Betreuung mit dem Aufgaben-

kreis „alle Angelegenheiten“ „bedarf gründlichster Prüfung und kommt

nur in Betracht, wenn der Betroffene keine seiner Angelegenheiten

(mehr) selbst besorgen kann“.22

2.2.3 Erforderlichkeitsgrundsatz

„Der Erforderlichkeitsgrundsatz ist ein unbestimmter Rechtsbegriff“23.

Kernstück ist § 1896 II Satz 1 BGB: „Ein Betreuer darf nur für Aufga-

benkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist.“

Daraus ergibt sich, daß die Betreuerbestellung nachrangig (subsidiär) zu

20 Siehe: Deinert: Arbeitshilfe für Betreuungsvereine (1993), S. 78f21 Vgl.: Köhler: das Betreuungsrecht (1996), S. 42 bzw. Zimmermann: Betreuungsrecht(1999), S. 7f22 Siehe: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 25; RZ 8223 Siehe: Wienand: Betreuungsrecht (1998), S. 10

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erfolgen hat. Beispielhaft für diese Vorrangigkeit vor einer Betreuerbe-

stellung sind in Satz 2 des Paragraphen Bevollmächtigte bzw. andere

Hilfen genannt. Mit den „anderen Hilfen“ meint der Gesetzgeber z.B.

Angehörige, Nachbarn, Freunde, Soziale Dienste aber auch Hilfen z.B.

nach §72, insbes. Abs. II BSHG u.a. .24

Weiter lässt sich der Grundsatz auf das gesamte Betreuungsrecht ausdeh-

nen. An verschiedenen Stellen des BGB wird darauf (direkt oder indi-

rekt) verwiesen (Auswahl)25:

§ 1903 I: Einwilligungsvorbehalt

§ 1906 I: Genehmigung der Unterbringung

§ 1908a: Vorsorgliche Bestellung eines Betreuers bei Minderjährigkeit

§ 1908d II: Erweiterung des Aufgabenkreises

§ 1905: Sterilisation

§ 1907: Wohnungsauflösung

§ 1901 II 1: Durchbrechung des Willensvorrangs des Betreuten

Da die Betreuerbestellung einen Eingriff in die Rechte des Betroffenen

bedeutet (vgl. dazu Kapitel 4), ist sie nur zulässig, wenn sie „erforder-

lich“ ist, d.h., wenn das angestrebte Ziel der Hilfe nicht anders als durch

eine Betreuung erreicht werden kann.

Das Bundesjustizministerium26 umschreibt den Erforderlichkeitsgrund-

satz mit Hilfe folgender vier Punkte: Der Erforderlichkeitsgrundsatz be-

ziehe sich

„auf das „Ob“ einer Betreuerbestellung

auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers

auf die Auswirkungen der gerichtlichen Maßnahme

auf die Dauer der Anordnung“.

Lipp führt ähnlich wie Däubler-Gmelin zum Erforderlichkeitsgrundsatz

aus, dass eine Betreuung „nur für die Angelegenheiten und nur mit den

24 Anm. (Vgl.: Damrau, S. 90 Rz 22f): Wehrt sich der Betroffene gegen eineBevollmächtigung oder gegen andere Hilfen und sind die sonstigen Voraussetzungengegeben, so ist eine Betreuung einzurichten, wenn die Voraussetzungen gegeben sindund dadurch der Betroffene „geschützt“ werden kann.25 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S.15f; RZ 5926 Vgl.: Däubler-Gmelin in: Das Betreuungsrecht (2000), S. 7 in: URL:http://www.bmj.bund.de/download/betreu.doc [Stand: 15.2.2001]

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Beschränkungen der Rechtsstellung des Betroffenen [angeordnet werden

kann], die jeweils erforderlich sind“. Bei Wegfall der Voraussetzungen

müssen einzelne Aufgabenkreise oder ggf. die Betreuung als Ganzes auf-

gehoben werden. 27

Bei der Einrichtung, wie auch bei der Ausübung der Betreuung ist also zu

prüfen, ob die Maßnahme überhaupt erforderlich ist und wenn ja, wie die

Maßnahme auszugestalten ist. Genauere Vorgaben macht der Gesetz-

geber nicht. Daher ist im Einzelfall aufgrund der Unbestimmtheit des

Begriffs eine Ermessensentscheidung zu treffen.

2.2.4 Verfahren in Betreuungssachen

Im Folgenden sollen einzelne Aspekte des Verfahrens vorgestellt werden,

die in dieser Arbeit von Bedeutung sein werden. Zum einen geht es um

die Frage, welche Aussagen das Betreuungsrecht zu der Eignung als Be-

treuer macht und nach welchen Gesichtspunkten der Vormundschafts-

richter einen Betreuer bestellt. Zum anderen geht es um die Frage, wel-

che Rechte der Betroffene im Verfahren hat.

a) Auswahl eines geeigneten Betreuers

Über die Auswahl eines geeigneten Betreuers entscheidet das zuständige

Vormundschaftsgericht (§§ 65 und 65a FGG). Der Betroffene hat ein

Vorschlagsrecht, d.h. er kann Personen benennen, die er als Betreuer

akzeptiert, bzw. nicht akzeptiert. Widerspricht es dem Wohl des Betrof-

fenen nicht, so ist den Vorschlägen zu entsprechen (§1897 IV BGB).

Auch Vorschläge naher Angehöriger (wenn es überhaupt keine Vor-

schläge gibt: auch der Betreuungsbehörde) hat der Vormundschafts-

richter zu beachten. Diese Vorschläge sind jedoch nicht bindend (§ 68a

Satz 3 FGG).

27 Vgl. und siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 131f

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§ 1897 und 1900 BGB geben bezüglich der Auswahl eines geeigneten

Betreuers eine Rangfolge vor. Diese richtet sich nach zwei Gesichts-

punkten (zu Einzelheiten: vgl. Kapitel 4.2.1)28:

Zum einen muss der Betreuer geeignet sein, die Angelegenheiten des

Betreuten zu besorgen. Ob jemand dazu geeignet ist, hängt von Aufga-

benkreis ab (fachliche Kenntnisse erforderlich? – Kaufmann, Jurist,

Sozialarbeiter, Angehöriger, ...).

Daneben muss eine persönliche Betreuung durch den Betreuer möglich

sein. Mit „persönlicher“ Hilfe ist allerdings nicht die tatsächliche Hilfe

im Alltag gemeint (Vgl.: Der Betreuer ist ein „Vertreter“ in den persön-

lichen Angelegenheiten!), sondern der persönliche Kontakt, der es dem

Betreuer ermöglichen soll, Wünschen des Betroffenen zu entsprechen

und die Betreuung dem Wohl des Betroffenen entsprechend zu gestalten

(§1901 BGB). Das o.g. Vorschlagsrecht des Betroffenen im Verfahren

soll der Bedeutung persönlicher Bindungen Rechnung tragen.

Insofern liegt es nahe, dass Angehörige (Eltern, Geschwister, Kinder,

insbesondere Ehegatten) bei der Betreuerbestellung vorrangig zu berück-

sichtigen sind (vgl. § 1897 V BGB). Erst wenn diese nicht zu Verfügung

stehen, sind andere mögliche Betreuer in die Überlegungen mit einzube-

ziehen. Daraus ergibt sich folgende Rangfolge: 29

1. Ehrenamtliche Einzelbetreuer: In der Regel sind dies enge

Familienangehörige. Sie führen die Betreuung ehrenamtlich, d.h., sie

dürfen nur eine sehr begrenzte Zahl von Betreuungen übernehmen

und erhalten keine Vergütung sondern lediglich einen Aufwandser-

satz.30

2. Selbständige Berufsbetreuer: Auch dies sind „natürliche“ Einzelper-

sonen. Nach §1836 II BGB erhalten sie eine Vergütung, die der je-

weiligen Qualifikation angepasst wird. Allerdings ist eine bestimmte

Ausbildung nicht vorgeschrieben.

28 Vgl.: Zimmermann: Betreuungsrecht (1999), S.17f; Jürgens: Das neueBetreuungsrecht (1999), S. 39ff; RZ 121ffp29 Vgl.: Zimmermann: Betreuungsrecht (1999), S.17ff und Jürgens: Betreuungsrecht(1995), S. 247ff, Rz 1-Rz 1-830 Anm. : Der Aufwandersatz wird gewährt entweder nach § 1835 BGB: Einzeln zuberechnender Aufwendungsersatz (=Einzelauflistung der Kosten) oder nach § 1835aBGB: Aufwandspauschale von 600 DM jährlich. Vgl.: Jürgens: Das neueBetreuungsrecht (1999), S. 105; RZ 271

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3. Vereinsbetreuer: Dies sind Mitarbeiter von Betreuungsvereinen. Nur

wenn der Verein zustimmt, können sie zum Betreuer bestellt werden

4. Behördenbetreuer: Die Vorschriften für Vereinsbetreuer können auf

Behördenbetreuer weitgehend entsprechend angewendet werden.

5. Betreuungsvereine oder -Behörden: Nach § 1900 BGB kann auch ein

Vereine oder (nachrangig:) eine Behörden als „juristische Personen“

bestellt werden, wenn keine natürliche Person gefunden werden kann.

Die Aufgaben der Betreuung werden einem Mitarbeiter des Vereins

oder der Behörde übertragen.

b) Rechte des Betroffenen im Verfahren

Im Gegensatz zum früheren Vormundschaftsrecht für Erwachsene räumt

das Betreuungsrecht dem Betroffenen umfangreiche Rechte in allen Ver-

fahren ein, die seine Betreuung betreffen.

- So ist er (ungeachtet seiner Geschäftsfähigkeit) verfahrensfähig (§ 66

FGG). Dies dient der Möglichkeit, dass sich der Betroffene aktiv am

Verfahren beteiligen kann: er kann selbst Anträge stellen, sämtliche

Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, Richter und Sachver-

ständige ablehnen, Prozesskostenhilfe beantragen, Wiedereinsetzung

begehren, Rechtsmittel selbst einlegen (z.B. Beschwerde), Bekannt-

machungen (§69 FGG) entgegennehmen. 31

- Weiterhin darf der Betroffene z.B. verlangen, dass die persönliche

Anhörung durch das Gericht (§ 68 I Satz 1 FGG), die vor der Bestel-

lung des Betreuers grundsätzlich stattfinden muß, in seiner üblichen

Umgebung (§ 68 I Satz 2 FGG) erfolgt. Bei der Anhörung kann er die

Anwesenheit einer Vertrauensperson fordern bzw. anderen Personen

die Anwesenheit verwehren (§ 68 IV Satz 2 und 3 FGG). Über den

Verlauf des Verfahrens muß er unterrichtet werden. 32

Damit der Betroffene die beispielhaft genannten Rechte wahrnehmen

kann, ist es u.U. notwendig (z.B. wenn der Betroffene seinen Willen

nicht kundtun kann), dass das Gericht „nach pflichtgemäßem Ermessen

einen Verfahrenspfleger“ bestellt (§ 67 FGG). Wird davon abgesehen, so

ist dies zu begründen. Die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen wird

31 Vgl.: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 421, RZ 2

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durch die Bestellung eines Pflegers nicht berührt. Das Gericht muß allen

Anregungen nachgehen. 33

2.2.5 Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsvorbehalt

Die Betreuung hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit. Wer

geschäftsfähig oder geschäftsunfähig ist, bleibt dies auch nach der Be-

stellung. Der Verweis auf eine mögliche Geschäftsunfähigkeit ist sogar

„unzulässig“34.

Ist der Betroffene geschäftsfähig und besteht gleichzeitig eine Betreuung,

so kann dies im rechtsgeschäftlichen Handeln zu Konflikten führen, weil

beide (Betreuer und Betreuter) wirksame Verträge abschließen können.

In einem solchen Fall ist die Willenserklärung des Betreuten vorrangig.

Um den Betroffenen aber vor erheblicher Selbstschädigung zu schützen,

sieht, wenn dies erforderlich ist, der Gesetzgeber die Möglichkeit der

partiellen Geschäftsunfähigkeit vor. D.h., die Willenserklärung eines

unter Betreuung stehenden Menschen entspricht in den Bereichen der

partiellen Geschäftsunfähigkeit der, eines beschränkt Geschäftsfähigen.

Mittel hierzu ist die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.

§1903 BGB: Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für

die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das

Vormundschaftsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung,

die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf

(Einwilligungsvorbehalt). Die §§ 108 bis 123, 131 Abs.2 und § 206

gelten entsprechend.

Auch wenn die Erteilung eines Einwilligungsvorbehaltes unabhängig von

der Geschäftsfähigkeit zu sehen ist, macht sie wenig Sinn und ist daher

auch nicht erforderlich, wenn der Betroffene „ohnehin handlungsunfähig

ist, keine Willenserklärungen abgeben kann, oder vom Rechtsverkehr als

32 Auswahl nach: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 142; RZ 34733 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 142f; RZ 348ff (Zitat: RZ 351)34 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S.16: „Hinweise zurGeschäftsunfähigkeit sind rechtlich unverbindlich und gehören nicht in den Tenor“. DieFrage danach „zu stellen ist mithin überflüssig und wegen der stigmatisierenden unddiskriminierenden Folgen schädlich und unzulässig.“

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geschäftsunfähig erkannt wird.“35 Im Rahmen des vom Einwilligungs-

vorbehalt erfassten Aufgabenkreises ist es nun die Aufgabe des Be-

treuers, den Willenserklärungen, die der Betreute abgibt und die ihm

einen rechtlichen Vorteil verschaffen, entweder vorher zuzustimmen oder

diese nachträglich zu genehmigen (§§ 182, 184 BGB). Bis dahin bleibt

seine Willenserklärung „schwebend unwirksam“.36

Das Vormundschaftsgericht legt fest, auf welche Bereiche sich der Ein-

willigungsvorbehalt erstreckt. Dieser kann nicht nur die Vermögenssorge

betreffen, sondern auch Teile der Personensorge, wenn damit eine „er-

hebliche Gefahr“ abgewendet werden kann. (z.B. Anerkennung der

Vaterschaft).37

2.3 Statistiken

Seit Bestehen der gesetzlichen Betreuung hat ihre Zahl stark zugenom-

men (Vgl. Grafik38):

35 Siehe: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 68; RZ 186Anm.: Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes kann in Ausnahmefällen auchbei bestehender Geschäftsunfähigkeit sinnvoll sein, um „den Betroffenen davor zubewahren, wegen Beweisschwierigkeiten an einer für ihn nachteiligen Willenserklärungfestgehalten zu werden“ (ebd.).36 Vgl.: Zimmermann: Betreuungsrecht (1999), S. 225f; Jürgens: Das neueBetreuungsrecht (1999), S. 65ff; RZ 181ff37 Vgl.: Storr: Sozialpädagogische Praxis (1991), S. 4738 Vgl.: Deinert: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/zahlen.htm[Stand: 12.12.2000]

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Deutlich wird aus der Grafik insbesondere der sprunghafte Anstieg ge-

setzlicher Vertretungen, der zwischen 1987 und 1992 nahezu eine Ver-

doppelung solcher Fälle dokumentiert.

Dann, nach Einführung des neuen Betreuungsrechts, zeichnet sich ein

kontinuierliche4r Anstieg der Fallzahlen ab: Seit 1992 hat sich die Zahl

der Betreuungen mehr als verdoppelt. Nach Prognosen wird in diesem

Jahr sogar die 1 Mio.-Grenze überschritten werden. Gründe sieht Deinert

v.a.39

• in der demographischen Entwicklung und, damit verbunden, in

der Zunahme alterstypischer Erkrankungen, wie Demenzen, einer

stärker werdenden Vereinsamung, v.a. im Alter, usw.,

• in einem „Nachholbedarf“ der neuen Bundesländer, „da in der

ehemaligen DDR nahezu keine Vormundschaften und Gebrech-

lichkeitspflegschaften angeordnet waren“,

• in einer größeren Akzeptanz der Betreuung (im Vergleich zum

früheren Recht). (vgl. einfacheres Verfahren, mehr Fürsorge statt

Bevormundung usw.)

Die folgende Grafik zeigt die unterschiedlichen Anteile der verschie-

denen Betreuungsarten. Man erkennt man, dass ca. 70% aller Betreu-

ungen ehrenamtlich geführt werden, die meisten durch Familienange-

hörige. Der Rest (ca. 30%) sind berufsmäßig geführte Betreuungen.

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Die Verteilung erklärt sich aus der „Rangordnung“ der Betreuungsarten

wie sie in Kap. 2.2.4 ausgeführt sind.

Es erscheint interessant, dass immerhin bei deutlich mehr als jedem

zweiten die Betreuung durch Familienangehörige geführt wird. Diesen

Zusammenhang und eventuelle Konsequenzen, die sich daraus ziehen

lassen, sollen im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter erörtert werden.

Bis hierhin eine Einführung in die Grundlagen des Betreuungsrechts.

Noch einmal soll betont werden, dass nur solche Grundbegriffe und –

Gedanken des Betreuungswesens dargestellt wurden, die für die spätere

Diskussion unerlässlich sind. Weggelassen wurden beispielsweise

Themenbereiche wie das Enden der Betreuung (z.B. durch Tod des Be-

treuten), und Vorschriften zur Überprüfung der Betreuung (z.B. Überprü-

fungsfrist: § 69 I Nr. 5 FGG; Mitteilung an die Betreuungsbehörde: §

1908 k BGB).

Es mag bis hierher der Eindruck entstanden sein, dass der Betreuer im

Rahmen seines Aufgabenkreises die Entscheidungen für „seinen“ Be-

treuten trifft. Man könnte daraus schließen, dass in solchen bestimmten

Bereichen die Selbstbestimmung ausgeschaltet oder ersetzt ist.

Bevor ich mich aber im vierten Kapitel mit der Frage beschäftige, inwie-

fern durch oder trotz Betreuung Selbstbestimmung realisiert wird, und

damit in die Diskussion einsteige, möchte ich mich im folgenden Kapitel,

als zweite Säule der Diskussion, verschiedenen Aspekten des Begriffs

der Selbstbestimmung nähern.

3 Selbstbestimmung

Nach dem Brockhaus ist Selbstbestimmung „die Möglichkeit und Fähig-

keit des Individuums, der Gesellschaft oder des Staates, frei dem eigenen

Willen gemäß zu handeln und die Gesetze, Normen und Regeln des

39 Vgl.: Deinert: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/zahlen.htm[Stand: 12.12.2000]

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Handelns selbstverantwortlich zu entwerfen (und so gleichbedeutend mit

Autonomie).“40

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich einen Zugang zum Verständnis

des so weit gefassten Begriffs der Selbstbestimmung zu verschaffen. In

dieser Arbeit soll Selbstbestimmung als ethischer und als rechtlicher

Begriff vorgestellt werden, da diese Möglichkeiten des Zugangs für das

Thema der Arbeit am einschlägigsten erscheinen.

3.1 Selbstbestimmung als ethischer Begriff

Selbstbestimmung ist ein Wert und als solcher hat er mit ethischem Han-

deln zu tun. Inwiefern aber dieser Wert im Zusammenhang mit ethischem

Handeln steht, das soll im Folgenden behandelt werden, um die theoreti-

schen Erkenntnisse später auf betreuungsrechtliche Fragestellungen be-

ziehen zu können.

Ethik, als die Theorie vom moralischen Handeln, hat viele Teilbereiche.

Einige ausgewählte davon möchte ich nun beschreiben:

3.1.1 Politische Aspekte

Während im Altertum (Aristoteles) Ethik und politisches Handeln un-

trennbar verbunden sind, geht diese gedankliche Bindung im Mittelalter

völlig verloren. Moralität wird ins Private zurückgedrängt und Politik

setzt weithin auf Macht und Gewalt im Kampf (Machiavelli). Erst mit

Kant (1724 – 1804) setzt ein „Umdenken“ (mit Unterbrechungen /

„Rückschlägen“ im 19. und 20. Jhd.) ein, das im Prinzip der Demokratie

einen Punkt erreicht, an dem ein moralischer Anspruch zum Tragen

kommt, politische Ziele nicht nur „hinsichtlich ihrer politischen Wirk-

samkeit, sondern auch Hinsichtlich ihrer Humanität zu rechtfertigen.“ 41

Eine praktische politische Theorie, so habe sich laut Pieper gezeigt,

könne „ohne ethische Prämissen nicht auskommen, da der Anspruch

moralischer Normen nicht auf den privaten Hausgebrauch beschränkt

40 Siehe Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 20 (1993), S. 87

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ist, sondern auch für öffentliche Willensbildungsprozesse verbindlich ist.

[...] Mithin ist die Ethik die Basiswissenschaft, auf deren Ergebnisse die

politische Philosophie aufbaut, indem sie das ethische Freiheitsprinzip

rechtlich und institutionell absichert “. 42

Freiheit und damit auch unbedingt impliziert das Recht auf Selbstbe-

stimmung ist also nicht einfach ein unbegründeter Grundsatz, ein „Wert“,

dem die Demokratie folgt. Vielmehr stellt Freiheit und damit auch das

Recht auf Selbstbestimmung die Basis für das Gelingen politischen Han-

delns dar.

3.1.2 Rechtsphilosophische Aspekte

Eine „philosophische Rechtslehre“ hebt sich von einer „politischen

Staatsethik“ (vgl. oben) insofern ab, als sie sich mit dem rechtlichen Teil

der moralischen und politischen Dimension der Praxis befasst: Ihr Au-

genmerk richtet sich auf das Problem, dass einerseits das Freiheitsprinzip

eine wesentliche ethische Grundlage der Demokratie ist, gleichzeitig aber

diese Freiheit durch Gesetze verbindlich werden und „durchgesetzt“

werden muß und damit die Freiheit und Selbstbestimmung ihrer Mitglie-

der beschnitten werden können. „Im Unterschied zu den Normen einer

Moral sind die Normen einer Rechtsordnung als Gesetze niedergelegt,

die für den Fall der Zuwiderhandlungen mit Strafen drohen.“43

Woher kommen aber diese Gesetze und wer legitimiert sie ethisch? Be-

vor Kant die „Vernunftnatur des Menschen“ postulierte, gab es zwei

Strömungen:

Die Verfechter des „Naturrechts“ sahen die Legitimation und Verpflich-

tung, verbindliche Gesetze zu erlassen und durchzusetzen in einem Ord-

nungsgefüge, das den Menschen als untergeordneten Teil dieser Ordnung

wahrnahm. Ob göttliche / transzendente Macht (z.B. bei Thomas v.

Aquin) oder eine hierarchische Struktur des Kosmos, in der der Mensch

untergeordnet war (vgl. Platon): jeweils leitete man die Gesetze, die man

41 Pieper: Einführung in die Ethik, S. 6042 Pieper: Einführung in die Ethik, S. 60 f43 Pieper: Einführung in die Ethik, S. 62

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aufschrieb, von sog. „Zweckbestimmungen“ ab, die aus der Natur (des

Übergeordneten!) zu „erschließen“ waren.

Die „Rechtspositivisten“ hingegen behaupteten, dass Gesetze alleine

deshalb gültig und verbindlich seien, weil sie gemeinsam beschlossen

und fixiert wurden. Nur dadurch sei eine Ordnung und das gemeinsame

Überleben möglich, weil mehrheitlich beschlossene Gesetze verbindlich

seien und nur diese unter Androhung von Sanktionen durchgesetzt wer-

den könnten.

Es fällt auf, dass die beiden Strömungen Gegensätze darstellen: Einer-

seits wollen sich die Verfechter des Naturrechts auf von außen vorgege-

bene Gesetze stützen. Die Rechtspositivisten wollen andererseits der

eigenen Fähigkeit vertrauen, durch gemeinsame Beschlüsse allgemein

verbindliche Gesetze zu schaffen.

Kant stellt im Gegensatz zum bis dahin gewesenen die Vernunft des

Menschen in den Vordergrund: Vernunft, als eine „moralische Aufgabe,

die es autonom zu bewältigen gilt, indem die Freiheit sich selbst Gesetze

gibt“.

Der Mensch will und soll frei sein und soll Freiheit haben. Paradoxer-

weise braucht er aber Beschränkungen, weil er in der totalen Freiheit

unfrei werden würde. Deshalb soll der Mensch seine Freiheit insofern

beschränken, dass sie für ihn Freiheit bedeutet. Kant nannte dies den

Kategorischern Imperativ: „Der Mensch handele so, dass sein Handeln

jederzeit als Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“

Kant sah Gesetzgebung also nicht als Grenze menschlicher Freiheit, son-

dern Gesetze sind Folge menschlicher Freiheit und ermöglichen ihrerseits

erst wieder Freiheit. Gesetze schränken zwar Freiheit ein, doch muss die

Einschränkung der Freiheit nach vernünftigen Maßstäben erfolgen. 44

44 Anm. : „Die Autonomie des Willens besteht in der Bestimmtheit des Willens durch dieVernunft. Die Autonomie des Willens ist Ausdruck der Freiheit. Der Mensch ist frei,wenn sein Wille durch die Vernunft bestimmt wird.“ Siehe: URL:http://www.philosophenlexikon.de/kant.htm [Stand: 29.4.2001]

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Die Vorstellung vom Gelingen einer auf der Vernunft aufbauenden, frei-

heitlichen und sich nach demokratischen Grundsätzen richtenden Gesetz-

gebung basiert auf Kants positivem Menschenbild. Ob dieser Ansatz in

einer Staatsordnung so tatsächlich umsetzbar ist, werde ich im Rahmen

dieser Arbeit zwar nicht klären können. Jedoch erscheint mir eine Er-

kenntnis Kants von besonderer Bedeutung: Der Mensch braucht gesetz-

liche Grenzen, um seine Freiheit entfalten zu können. Er handelt dann

vernunftgemäß „autonom“, also aus einer inneren, sittlichen Grundhal-

tung heraus (=αυτοσ / autos), die dem Zweck nach dem Gesetz (=νοµοσ

/ Nomos) entspricht (vgl. dazu Kapitel 4.2.1.1).45

Insofern lässt sich auch die oben gestellte Frage beantworten, inwieweit

das Erlassen und Durchsetzen von Gesetzen ethisch legitimiert ist:

Rechtsnormen müssen „nicht aus moralischen Gründen befolgt werden“,

sondern „es genügt, dass sie respektiert werden [...]. Gleichwohl ist der

Begriff des Rechts ebenso wenig wie der der Politik ohne Rückgriff auf

das Prinzip der Moralität zu legitimieren, wie es die verschiedenen Fas-

sungen der sog. Menschenrechte oder Grundrechte deutlich zum Aus-

druck bringen. Dort ist es überall die Freiheit, die als [...] unveräußer-

liches Grundrecht postuliert wird, das weder rechtlich noch politisch

angetastet werden darf, da Recht und Politik selber auf diesem Grund-

wert basieren.“46

3.2 Selbstbestimmung als rechtlicher Begriff

Man sieht, dass Begriffe wie Autonomie, Freiheit oder Selbstbestimmung

auch aus ethischer Sicht eng im Zusammenhang mit gesetzlichen Nor-

men und deren Durchsetzung stehen und in diesem Zusammenhang be-

gründet werden können. Wie eben bereits gesagt, baut das Grundgesetz

auf solchen ethischen Grundwerten auf. Auch wenn die Selbstbestim-

mung in anderen Freiheitsgrundrechten ihren Ausdruck findet, erscheint

Art 2 Abs. I GG am grundlegendsten. Daher soll an diesem Artikel der

Zugang zum rechtlichen Verständnis des Selbstbestimmungsrechts er-

folgen:

45 Vgl. dazu auch: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 22

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Der Wortlaut des Art. 2 Abs. I GG:

„(1)Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit

er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungs-

mäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Zunächst zum formellen Charakter des Artikels:

Grundsätzlich herrscht über den Rechtscharakter des Art. 2 Abs. I GG

Uneinigkeit. Einerseits wird argumentiert, dass dieser Artikel ein echtes

Grundrecht sei, d.h. ein Recht, auf das man sich berufen kann wie auf

jedes andere Grundrecht 47. Andere Meinungen gehen davon aus, Abs. I

sei im Sinne einer Auslegungsregel für das gesamte Grundrecht zu ver-

stehen. Dann wäre er ein sog. „Muttergrundrecht“, Hauptgrundrecht“

oder ein „Hauptfreiheitsrecht“, das als Freiheitsleitsatz in anderen Grund-

rechten konkretisiert wird.48

Der materielle (= inhaltliche) Charakter des Artikels:

„Die Freiheitsgrundrechte dienen in ihrer klassischen Funktion als Ab-

wehrrechte dem Schutz eines Bereiches privater Selbstbestimmung

gegenüber dem Staat.“ 49 Sie beziehen sich sowohl auf immaterielle, wie

auch auf materielle Dinge. Art. 2 Abs. I GG ist (ungeachtet dessen, ob es

nun ein »Hauptfreiheitsgrundrecht« oder ein »gewöhnliches« Grundrecht

ist) als Freiheitsgrundrecht ein solches Abwehrrecht. Das »Recht der

freien Entfaltung seiner Persönlichkeit« impliziert den Schutz des

Bürgers vor ungerechtfertigten Eingriffen in seine Persönlichkeitsrechte.

So geht es im Folgenden darum, das Recht der freien Persönlichkeits-

entfaltung näher zu bestimmen, sowie im Anschluß daran die Schutz

bzw. Abwehrfunktion der Freiheitsgrundrechte zu erläutern:

Doch was ist unter dem Begriff der Persönlichkeitsentfaltung zu verste-

hen? Nach Model / Müller bezeichnet er nicht nur eine „aktive“ Hand-

46 Siehe: Pieper: Einführung in die Ethik, S. 6447 Anm. : Vgl. dazu Art 1 Abs. III GG: „Die nachfolgenden Grundrechte bindenGesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendesRecht.“48 Vgl.: URL: http://rw20hr.jura.uni-sb.de/rw20/wiwieinf/wvic4.htm [Stand: 3.12.2001]und Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 69f

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lungsfreiheit, sondern schließt ein „passives“ »sich Verhalten« mit ein. 50

„Das Bewusstsein des »Sich–Entfaltens« ist [für das Recht auf Persön-

lichkeitsentfaltung] nicht erforderlich, ebenso wenig, dass die Entfaltung

sich in Richtung zum »Guten« bewegt.“51

Man kann also sagen: Persönlichkeitsentfaltung bedeutet das Recht, alles

zu tun, was man will, sofern die unten genannten Ausnahmen nicht

tangiert werden. 52 Jegliche Fremdbestimmung ist danach grundsätzlich

grundgesetzwidrig. Implizit liegt hier also die Betonung des Rechts auf

Selbstbestimmung zugrunde. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder vor

Eingriffen des Staates in seine Persönlichkeitsrechte und in seine allge-

meine Handlungsfreiheit geschützt ist.

Auch wenn in Art 2 Abs. I GG von „Persönlichkeitsentfaltung“ die Rede

ist, wird auf diesen Artikel immer wieder verwiesen, wenn von Selbst-

bestimmung die Rede ist. Der Brockhaus schreibt dazu, dass der Aus-

druck der individuellen Selbstbestimmung seit dem 19. Jahrhundert

durch den des Persönlichkeitsrechts abgelöst wurde.53 Wenn im Folgen-

den also von dem Recht der Persönlichkeitsentfaltung die Rede ist, ist

damit synonym das Recht auf Selbstbestimmung gemeint. Unterschied-

liche Nuancen der beiden Begriffe sind im Rahmen dieser Arbeit nicht

von Bedeutung.

Doch nun zu diesem Schutz der Persönlichkeit im Einzelnen:

Wer ist tatsächlich geschützt? Der Schutz der Persönlichkeit gilt für die

Grundrechtsträger:

„Träger des Grundrechts ist jede natürliche Person. Der Geisteszustand

etc. spielt keine Rolle. Ein „lebensunwertes“ Leben kennt das GG nicht.

Die Grundrechtsberechtigung endet mit dem Tod, genauer mit dem Erlö-

49 Vgl.: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 12550 Anm.: So lässt sich von Art 2 Abs. I GG auch ein Rauchverbot zum Schutz derPersönlichkeitsrechte von Nichtrauchern ableiten.51 Siehe: Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 71. Vgl. Dazu auch Jarass: GG (2000),S. 6952 Anm. : Die Motivation spielt dabei keine Rolle. Z.B. Recht auf Unfruchtbarkeit: EinArzt handelt nicht rechtswidrig, wenn er einen Menschen auf dessen Wunsch hinsterilisiert.53 Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 20 (1993), S. 88

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schen der Hirnströme.“54 Also auch für Menschen, die ihrem Willen

nicht oder nicht mehr Ausdruck verleihen können, gelten die Grund-

rechte.

Was ist geschützt? Also: In welche Bereiche darf grundsätzlich nicht

eingegriffen werden? Es werden drei schützenswerte Bereiche unter-

teilt55:

a. Die Individualsphäre: Bereich des öffentlichen und beruflichen

Wirkens.

b. Die Privatsphäre: Bereich privater Lebensgestaltung.

c. Die Intimsphäre: Z.B. Tagebücher, vertrauliche Briefe.

Der Grad des Schutzes dieser „Sphären“ ist unterschiedlich: In die inti-

men Bereiche der Selbstbestimmung darf nie eingegriffen werden. Sie

genießen »absoluten« Schutz. „Die Privatsphäre darf nur aus zwingen-

den Gründen verletzt werden.“ Dem hingegen genügt bereits eine „Ab-

wägung nach dem Zweck und der Art und Weise des Eingriffs“56 dazu, in

die Individualsphäre eingreifen zu dürfen.

Wodurch wird der einzelne vor Eingriffen des Staates geschützt? Oder

anders gefragt: In welchem rechtlichen Rahmen sind ausnahmsweise

Eingriffe des Staates erlaubt?

• Art 2 Abs. I GG: Schranken der Persönlichkeitsentfaltung

Das Grundrecht in Art 2 Abs. I GG besagt, dass jeder das Recht auf

freie Persönlichkeitsentfaltung hat. Erst wenn die in dem Artikel ge-

nannten Schranken vom Einzelnen überschritten werden, kann der

Staat eine Befugnis haben, in die Freiheitsrechte dieses Einzelnen

einzugreifen. Oder anders formuliert: Grundsätzlich darf der Saat

nicht in die Rechte des Einzelnen eingreifen. Erst wenn die in Art 2

Abs. I GG genannten Schranken verletzt werden, hat der Staat in

einem engen Rahmen Eingriffsbefugnisse. Diese Schranken gelten

54 Siehe: Jarass: GG (2000), S. 79; Anm.: Über den Moment des Todeseintrittes gibt esumfangreiche ethische und juristische Diskussionen. In der vorliegenden Arbeit soll(soweit dies im Zusammenhang überhaupt eine Rolle spielt) vom genannten Kriteriumdes Erlöschens der Hirnströme ausgegangen werden.55 Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 16 (1991), S. 70656 Siehe: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 16 (1991), S. 706

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nur für Art 2 Abs. I GG. Sie sind grundsätzlich nicht für die übrigen

Freiheitsrechte anwendbar. Im einzelnen sind folgende Schranken

genannt:57

1. Rechte Anderer

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit endet da, wo die

Persönlichkeitsrechte anderer beginnen.

2. Sittengesetz

Nach Model / Müller gehören zu dem Sittengesetz des Art, 2 Abs.

I GG nicht nur die „Gesetze der Sittlichkeit“58, sondern darüber

hinaus all diejenigen „sittlichen Normen, die Allgemeingut der

abendländischen Kultur sind, vor allem die 10 Gebote.“59

Jarass60 misst dem Sittengesetz keine praktische Bedeutung zu,

weil es für ihn im Begriff der »Verfassungsmäßigen Ordnung«

aufgeht.

3. Verfassungsmäßige Ordnung

Es besteht Uneinigkeit bezüglich der Auslegung dieses Begriffs.

Einerseits findet man in der Literatur Vorbehalte dagegen, alle

Rechtsvorschriften, die verfassungskonform sind, als Bestandteil

der verfassungsmäßigen Ordnung zu bezeichnen. Andererseits

wird auch die Ansicht problematisiert, dass verfassungsmäßige

Ordnung sich allein auf Regelungen des GG beziehe. Model /

Müller schlagen einen „Mittelweg“ vor: Demnach gehörten zur

verfassungsmäßigen Ordnung „außer der Verfassung selbst alle

mit dem GG formell und materiell zu vereinbarenden Normen, die

in besonders eindringlicher Weise die von der [Verfassung] vor-

gezeichneten Strukturen der [Rechtsordnung] bestimmen“ 61

Diese Schranken der Persönlichkeitsentfaltung bilden nun also den

Rahmen, innerhalb derer der Staat in die freie Entfaltung der Per-

sönlichkeit des Einzelnen eingreifen darf.

• Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Übermaßverbot:

57 Vgl.: Jarass: GG (2000), S. 19; RZ 5;Anm.: Grundrechtsnormen bilden für den Staat negative Kompetenznormen. (ebd.)58 Siehe: Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 79; Anm. : Was darunter zu verstehenist, wird nicht ausgeführt!59 Siehe: Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 7960 Vgl.: Jarass: GG (2000), S. 64

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Gesetzliche Grundrechtseingriffe haben „vor der Verfassung nur

dann Bestand, wenn sie für die Verfolgung eines verfassungsrechtlich

legitimierten Ziels erforderlich, geeignet sind und im Hinblick auf

das Ziel der Eingriff als verhältnismäßig angesehen werden kann.“62

Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit sind die drei

Beschränkungen, die gleichzeitig bei jedem Eingriff in Grundrechte

erfüllt sein müssen, damit dieser gerechtfertigt ist.

• Art. 19 Abs. I und II GG: Wesensgehalt

Neben den ebengenannten Einschränkungen darf der in Art. 19 Abs.

II GG genannte „Wesensgehalt“ des Grundgesetzes nicht angetastet

werden. Dies soll vor einer »Umdeutung« und falschen Interpretation

des Grundgesetzes schützen. 63 Insbesondere ist es auch verboten,

Grundrechte durch sog. Individualgesetze einzuschränken, „d.h.,

solche Gesetze, die das Grundrecht nur bezogen auf einen Einzelfall

oder eine Einzelperson mindern“ 64 (Vgl. Art. 19 Abs. I GG).

Im voranstehenden Kapitel wurde also festgestellt:

Selbstbestimmung ist ein ethischer Begriff. Das Grundgesetz baut auf

ethischen Grundwerten auf. Insbesondere durch Art. 2 Abs. I GG wird

der Selbstbestimmung rechtlich ein großer Stellenwert eingeräumt. Die

Bedeutung wird dadurch hervorgehoben, dass manche Rechtswissen-

schaftler Art. 2 Abs. I GG als Auslegungsregel für das gesamte Grund-

recht verstehen.

An dieser Stelle nun, muss die Frage aufgegriffen werden, die bereits das

zweite Kapitel beendete: Inwiefern wird durch eine oder trotz einer

Betreuung Selbstbestimmung realisiert?

4 Verhältnis der Selbstbestimmung zur Betreuung

61 Siehe: Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 8062 Siehe: Rüßmann in: URL: http://rw20hr.jura.uni-sb.de/rw20/wiwieinf/wvic4.htm[Stand: 21.4.2001]63 Anm. : Der Wesensgehalt eines Grundgesetzes ist dann verletzt, „wenn der Nutzen desGrundrechts für seine Adressaten im wesentlichen entfällt.“ Siehe: Model / Müller:Grundgesetz (1996), S.26564 Siehe: Rüßmann in: URL: http://rw20hr.jura.uni-sb.de/rw20/wiwieinf/wvic4.htm[Stand: 21.4.2001]

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Im Folgenden möchte ich also der Frage nachgehen, inwieweit die Be-

stimmungen des Betreuungsrechtes (vgl. Kap. 2) den o.g. ethischen

Aspekten einerseits und dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes ande-

rerseits entspricht.

Darüber hinaus werde ich in diesem Kapitel auf die konkrete Umsetzung

des Selbstbestimmungsrechts im Betreuungswesen eingehen. Dabei

werde ich die Fragestellung zunächst aus der Sicht des Betreuers als

„hoheitlich bestellter Treuhänder“65 behandeln und schließlich auf Vor-

sorgemöglichkeiten als Alternative oder Ergänzung der Betreuung für die

betroffenen Menschen eingehen.

4.1 Betreuungsrecht: Widerspruch zum Freiheitsgedanken des

Grundgesetzes?

Ist der Betroffene mit einer Betreuerbestellung einverstanden (eine

rechtsgültige Einwilligung in die Betreuung liegt vor), kann man im

Grunde nicht von einem Eingriff sprechen, da erst mit fremder Hilfe die

Rechte des Betroffenen, also auch das Selbstbestimmungsrecht, wahrge-

nommen werden können. Insofern ist eine Betreuung auf Antrag (§1896 I

BGB) des Betroffenen kein Eingriff, sondern der Betroffene nimmt seine

Freiheitsgrundrechte mit Unterstützung einer Betreuung wahr.

Nun jedoch möchte ich den Fall näher betrachten, wenn keine Einwil-

ligung in eine Betreuung vorliegt, weil der Betroffene aufgrund seines

Zustandes nicht fähig ist, seinen Willen kundzutun, bzw. weil seine Ein-

willigung aufgrund des Zustandes nicht wirksam ist:66

Die Anordnung einer Betreuung ohne wirksame Einwilligung, wie auch

die im Rahmen einer Betreuung getroffene einzelne Maßnahme ohne

oder gegen den Willen des Betroffenen (=Zwangsbetreuung), stellen

65 Vgl. dazu und Siehe: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 52f; RZ 153 ff66 Anm. : „Nicht nur staatliches Handeln gegen den Willen, sondern auch ohnewirksame Einwilligung des Grundrechtsinhabers kann daher einen Eingriff in dessenFreiheitsgrundrechte darstellen.“ Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 124Anm.: Schwab (in: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 193, RZ 495) erwähntdas in diesem Zusammenhang sehr interessante Problem der „unfreiwilligen“Einwilligung. Damit sind Einwilligungen gemeint, die der betroffene auf Drängen oderaufgrund einer tendenziellen Beeinflussung anderer Beteiligter abgibt.

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grundsätzlich Eingriffe in die durch das Grundgesetz geschützten Frei-

heitsgrundrechte des Betroffenen dar.67

Lipp stellt in diesem Zusammenhang eine meiner Ansicht nach interes-

sante These auf: „Da die Betreuung insgesamt wie auch die einzelnen

Maßnahmen des Betreuers ausschließlich zum Wohl des Betroffenen er-

folgen, wäre eine Zwangsbetreuung demnach [...] mangels einer mate-

riellen Rechtfertigung verfassungsrechtlich unzulässig. Diese Schlussfol-

gerung hat zwar noch niemand gezogen; sie ergibt sich aber zwangs-

läufig“68.

Zur Erklärung der These:

Die Grundrechte dienen dem Einzelnen zum Schutz gegenüber dem Staat

und somit der eigenen Autonomie. Der Geisteszustand ist nicht aus-

schlaggebend dafür, ob jemand Grundrechtsträger ist oder nicht (s.o.).

„Wird der Staat in dem grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich ohne

oder gegen den Willen des Grundrechtsträgers tätig, setzt er seine Ent-

scheidung an die Stelle des Bürgers.“69 Er nimmt ihm (nach der These

von Lipp) das Recht der Selbstbestimmung, das sich aus Art. 2 I GG er-

gibt.

Bei der Einrichtung und insbesondere Ausübung der Betreuung gegen

oder ohne den Willen des Betroffenen ist dies der Fall. Grundrechte, wie

das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung, werden dadurch beschnit-

ten, dass Aufgabenkreise, also Angelegenheiten, die der Betroffene nicht

(mehr) ohne fremde Hilfe wahrnehmen kann (vgl. §1896 I BGB), an Be-

treuer übertragen werden.

Beispielsweise hat der Betreuer im Aufgabenkreis Aufenthaltsbe-

stimmung das Recht, einen Wohnort, wie z.B. ein Zimmer in einem

Altenpflegeheim oder Behindertenwohnheim, zu bestimmen. Trotz eini-

ger Vorkehrungen, die dem Schutz des Betroffenen dienen sollen

(Wunschrecht: §1901 II und III BGB; Verfahrensfähigkeit §66 FGG;

Genehmigung durch das VG, u.a.), bleibt die Entscheidung über die

Maßnahme (insbesondere dann, wenn ein Einwilligungsvorbehalt ange-

67 Anm. : auch die Regelung der „unmittelbaren Geschäftsunfähigkeit in §§ 104 II, 105“bedeutet einen Eingriff – das soll hier jedoch nicht weiter thematisieret werden. Vgl.:Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 11968 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 12969 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 125

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ordnet wurde) letztlich beim gesetzlichen Vertreter, dem Betreuer. Der

Betreuer kann, wenn eine Einwilligungsvorbehalt besteht, gegen den tat-

sächlich und unmissverständlich geäußerten Willen des Betroffenen z.B.

einen neuen Wohnort bestimmen.

Ist die Entmündigung angesichts solcher Möglichkeiten also tatsächlich

abgeschafft?

Diese Frage klingt zunächst verblüffend, weil die Betreuung, wie ein-

gangs der Arbeit erwähnt, im Gegensatz zum alten Vormundschaftsrecht,

die Rechte der Betroffenen stärken soll.

Sind also die sog. Zwangsbetreuung oder Zwangsmaßnahmen im

Rahmen der Betreuung (=gegen oder ohne den Willen des Betrof-

fenen) zu rechtfertigen?

4.1.1 Fremd- und Selbstgefährdung

Zu unterscheiden sind folgende Fälle:

a) Schädigt ein Bürger Andere (=Fremdgefährdung), schränkt er damit

u.U. auch deren Grundrechte ein. Er selbst übt zwar seine (Freiheits-)

rechte aus, nimmt diese jedoch gleichzeitig Anderen. Aber auch die

Rechte Anderer sind grundgesetzlich geschützt. Es liegt ein Konflikt vor.

Daher muss ein Gesetz vorsehen, inwieweit der Staat in die Rechte von

Bürgern eingreifen darf, um Dritte oder die Allgemeinheit zu schützen. 70

Das Betreuungsrecht bietet diese Möglichkeit grundsätzlich nicht: „Eine

Unterbringung des Betreuten [, wie auch andere Maßnehmen gegen oder

ohne den Willen des Betroffenen] nach den Vorschriften des Betreuungs-

rechts ist nur bei einer Eigengefährdung zulässig, nicht bei einer Fremd-

gefährdung.“71

Bei einer Gefahr für Andere sehen z.B. das StGB und das PsychKG

Sanktionen vor. Allerdings bemerkt Reis (Mitarbeiter der örtlichen

Betreuungsbehörde Mainz): Da ein Betreuter, wenn er Andere schädigt,

70 Anm. : In einem solchen Fall muss ein „hinreichend bestimmtes Gesetz“ vorgesehensein, das zum Schutz „Dritter oder der Allgemeinheit geeignet, erforderlich undverhältnismäßig“ ist . Vgl. und siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 12571 Siehe: Jensen: Das neue Betreuungsrecht, S. 13

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z.B. nach dem PsychKG oder StGB Sanktionen zu erwarten hat, seien die

Grenzen zwischen Fremd- und Selbstschädigung fließend und unein-

deutig. Sanktionen gegen eine Person können die Rechte einschränken

und insofern schädigt sich der Betoffene letzten Endes selbst dadurch,

dass er Andere schädigt.72

b) Bei einer Selbstschädigung sieht das etwas anders aus:

Bei dem Freiheitsgedanken des Art. 2 GG muß hinterfragt werden, wie

ein Bürger sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen kann. Träger

des Grundrechts ist er, wie oben festgestellt wurde, in jedem Fall. Das

steht außer Frage. Kann er aber dieses Recht auch ausüben? Hat er die

Fähigkeit, tatsächlich sein Leben angesichts einer möglichen Erkrankung

oder verschiedener Einflüsse durch seine Umwelt selbstbestimmt zu

gestalten und seine Entscheidungen danach zu treffen?

Wesentlich bei der Frage nach der Selbstbestimmung ist, wie Lipp be-

tont, dass er „die tatsächliche Fähigkeit zur Selbstbestimmung [hat]. So-

weit ihm die Eigenverantwortlichkeit tatsächlich fehlt, wird ihm seine

Freiheit nicht genommen, wenn der Staat seine Entscheidung für unbe-

achtlich erklärt und an seiner Stelle die eigene Entscheidung in dessen

Angelegenheiten trifft.“73

Letztendlich ist dies also ein ganz anderer Ansatz als bei der Fremdge-

fährdung: Grund für das Eingreifen in die Rechte des Betroffenen ist

weder die Verletzung von Rechten anderer (=Rechte Dritter oder der

Allgemeinheit), noch der eigenen Rechte74. Entgegen der oben aufge-

worfenen Frage wird also nicht tatsächlich in die Rechte des Betroffenen

eingegriffen, da die Wahrnehmung von Rechten das Erkennen dieser

voraussetzt. „Sowohl Anordnung der Betreuung als auch einzelne Maß-

nahmen des Betreuers ohne oder gegen den natürlichen Willen des Be-

troffenen greifen demnach nicht in dessen Freiheitsgrundrechte ein,

72 Informationen aus einem Gespräch am 26.3.200173Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 13074 Anm. : ...soweit man seine eigenen Grundrechte überhaupt verletzen kann! Vgl. dazudie Argumentation von Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 127f

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wenn seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung aus tatsächlichen Gründen

eingeschränkt ist.“75

Pardey nennt den Begriff der Zwangsfürsorge und bewertet ihn im Zu-

sammenhang mit dem Betreuungsrecht und dessen Maßnahmen sehr

kritisch: Denn ein Eingriff in Freiheitsgrundrechte ist nur dann erlaubt,

wenn die in Kapitel 3.2 genannten Voraussetzungen gegeben sind. Die

Selbstschädigung ist dabei (als Schranke) nicht genannt, also (grundsätz-

lich) nicht grundrechtlich erfasst und geschützt. Daher darf der Staat

nicht in die Rechte der Betroffenen „eingreifen, um sie zu bessern oder

zu einer stärker gemeinverträglichen oder angepassten Lebensweise zu

führen“76 Nur für den Fall, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, die

Folgen seines Handelns zu überblicken und wenn die Gefahr einer

Selbstschädigung bestünde, nur dann sei ein Eingriff zu rechtfertigen

(=Zwangsfürsorge).

4.1.2 Die Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit

Man behilft sich also in der Argumentation damit, dass die Rechte, die

der Betroffene selbst nicht (mehr) wahrnehmen kann, stellvertretend

durch einen hoheitlich beauftragten gesetzlichen Vertreter wahrgenom-

men werden. Diese Verpflichtung beinhaltet die Möglichkeit, Zwang

anzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Betroffene die tatsächliche

Fähigkeit zur Selbstbestimmung nicht besitzt. Dann hat er auch nach all-

gemeiner Auslegung nicht die Fähigkeit der Einwilligung. Es geht hier

letztlich also um die Frage, ob ein Betroffener einsichts- oder entschei-

dungsfähig ist.

Es besteht Unklarheit darüber, wann eine Einsichts- und Entscheidungs-

fähigkeit anzuerkennen ist und wann nicht. Die Geschäftsfähigkeit ist

hierfür ungeeignet.77

Pardey betont, dass eine Einwilligungsfähigkeit mehr voraussetzt, als nur

„die Fähigkeit, »ja« und »nein« sagen zu können.“ 78

75 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 13176 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 78

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Bienwald sieht den „natürlichen Willen“ des Betroffenen als ent-

scheidend an: Nach §1901 II und III ist dem natürlichen Willen des Be-

troffenen „zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft

und dem Betreuer zuzumuten ist.“ Er definiert den Begriff der Einwilli-

gungsunfähigkeit (zwar in Bezug auf ärztliche Maßnahmen nach §1904 –

das ist hier aber auf andere Eingriffe übertragbar und insoweit verallge-

meinerbar) als das Unvermögen, die „Bedeutung und die Tragweite des

Eingriffs und seiner Gestaltung zu ermessen...“. 79

Jürgens ergänzt: „...nach entsprechender [...] Aufklärung und Bera-

tung“.80

Fröschle führt zum § 1901 aus: „Wenn der Betreute sich selbst massiv

gefährdet, ist der Betreuer nach § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet,

dagegen etwas zu tun! Dabei muss er die Wünsche des Betreuten nur

beachten, soweit das im Interesse der Gefahrenabwehr möglich ist. Aus §

1901 Abs. 3 Satz 1 BGB ergibt sich nämlich gerade, daß im Konfliktfall

das Wohl des Betreuten dessen Wünschen vorgeht.“81

Auch Lipp stellt das Wohl des Betroffenen in den Vordergrund. Aller-

dings sei eine Konkretisierung, was nun mit dem „Wohl“ gemeint ist,

nicht möglich. Die Aufgabe des Betreuers bestünde darin, „zwischen

subjektivem Wunsch und objektiven Interessen des Betreuten abzu-

wägen“82.

Weitere Autoren, sprechen das Thema an, jedoch wird oftmals keine

klare Antwort gegeben, wer nach welchen Kriterien beurteilen kann, ob

ein Mensch einwilligungs-, also einsichts- oder entscheidungsfähig ist:

May83 zählt insgesamt 10 Versuche (BGH, Bundesärztekammer und ver-

schiedene weitere Autoren) auf, die sich mit der Frage beschäftigen,

wann eine Einwilligungs- und Einsichtsfähigkeit anzuerkennen ist.

77 Vgl.: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 10f.. Und: Pardey:Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 7978 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 48; RZ 13179 Def. nach Bienwald W: Betreuungsrecht (1999), § 1904RZ. 8 in: May: Das Stufen-modell zur Qualifizierung (2000), S. 1180 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 73; RZ 20081 Vgl.: Fröschle: Betreff: [BtR] Betreuter und Fahrerlaubnis.<[email protected]> in: Mailingliste Betreuungsrecht:<[email protected]> [20.3.2001]82 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 150f83 Vgl. May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 119 - 121

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Aber auch hier erhält man letztlich keine Auskunft darüber, welche

Kriterien für die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit anzulegen

sind.

So plädiert Renesse dafür, den Begriff der Einwilligungsfähigkeit „im

Gesetz zu definieren. Dabei sollten nicht nur die kognitiven Fähigkeiten

einer hilfsbedürftigen Person, sondern ihre Lebenserfahrung und ihre

Einsichtsfähigkeit in das konkrete anstehende Problem von Bedeutung

sein.“84

May geht ebenso wie Lipp davon aus, dass eine eindeutige Definition,

wann die Einwilligungsfähigkeit anzuerkennen ist und wann nicht, von

individuellen Entscheidungen abhängig gemacht werden muß. Er hält

insbesondere Mediziner, wie auch geübte Betreuer für geeignet, dies

festzustellen. 85

Die Lösung des Problems erscheint auch deswegen von herausragender

Bedeutung, weil es immer wieder zu Grundrechtseingriffen kommt, wie

die derzeitige Debatte in der Mailingliste bestätigt: Hier gab es in

jüngster Zeit aufgrund mehrerer Fernsehreportagen86 erbitterte Kontro-

versen (weit über 100 Mails!), weil Betreute selbst, Angehörige und Be-

kannte von Betreuten Vorwürfe erhoben gegen Maßnahmen der Be-

treuung. Im Fall, der die Diskussion auslöste, hatte eine Betreuerin den

Umzug ihrer Betreuten gegen deren Willen aus dem Privathaus in ein

Altenpflegeheim veranlasst. Weiterhin verwehrte sie verschiedenen Be-

kannten und Angehörigen den Umgang mit der alten Dame (usw.).

Ohne die Diskussion nun differenzierter darstellen zu wollen, machen die

dargestellten Aspekte in Verbindung mit obengemachten Vorschlägen

verschiedener Autoren in jedem Fall deutlich, wie unsicher die Rechts-

lage auf dem Gebiet der Zwangsmaßnahmen ist.

84 Siehe: Renesse (Interfraktionelle Arbeitsgruppe Strukturreform des Betreuungsrechts)im Eckpunktepapier vom 23.10.2000, S. 585 Anm. : „Nach meinem Verständnis sind Mediziner besonders geeignet, dieEinwilligungsfähigkeit zu prüfen, aber dies gelingt sicher auch einem geübtenBetreuer.“ Siehe: May: Betreff: Re: Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit - Ihr Buch"Qualifizierung im Betreuungswesen". <[email protected]> [14.3.2001]86 Vgl. dazu: Presseerklärung des BDB vom 13.01.01 in: URL http://www.bdb-ev.de/Verband/Presse/presse.html#Presse130101 [Stand: 24.4.2001]

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Dies bemängelt auch Pardey: Die Entscheidungen im Rahmen einer

Betreuung insbesondere wenn ein Einwilligungsvorbehalt ausgesprochen

wurde, hat im vorliegenden Zusammenhang allein der Betreuer zu ver-

antworten. Äußert sich der Betreute nicht zur bzw. gegen die Entsche i-

dung des Betreuers, so kommt dieser in Begründungsschwierigkeiten:

Denn das „Gesetz enthält außer in wenigen unsystematischen Einzelbe-

merkungen [z.B. § 70g V FGG] keine Regelungen, wie BetreuerInnen

sich notfalls gegen die Betreuten durchsetzen können.“87 Entscheidungs-

befugnisse, die der Betreuer ohne Zweifel, wenn auch pauschal in einem

Aufgabenkreis, zugestanden bekommt, „machen wenig Sinn, wenn sie

nicht in gleicher Weise umgesetzt werden können. [...] Der Gesetzgeber

wusste, dass es an dieser Stelle Schwierigkeiten geben würde, hat sich

damit beruhigt, in dem alten Recht sei es auch ohne solche Regelungen

nicht zu Schwierigkeiten gekommen. [...] Es wird aber wichtig bleiben,

bewusst damit umzugehen, dass das neue Gesetz eben keine dem moder-

nen Verfassungsverständnis entsprechende Regelungen aufgenommen

hat. Man behilft sich deshalb mit allgemeinen Grundsätzen, die für Laien

wenig fassbar, insbesondere nirgendwo nachvollziehbar nachzulesen

sind.“88

Solch ein Grundsatz ist beispielsweise der bereits erläuterte Erforderlich-

keitsgrundsatz, wie auch die bewusst allgemein gehaltene Formulierung,

dass die Betreuung dem „Wohl“ des Betroffenen verpflichtet ist (§1901

BGB).

Angesichts der Bedeutung des möglichen Eingriffs für den Betroffenen

insbesondere im Hinblick auf die „allgemeinen Persönlichkeitsrechte“,

die aus dem Grundgesetz hervorgehen und dem Betroffenen eigentlich

weitgehende Rechte auf Selbstbestimmung einräumen sollen, erscheint

die Uneindeutigkeit der Diskussion problematisch: Denn Fehlentschei-

dungen des Betreuers sind auch deswegen so schwerwiegend, weil Ein-

griffe in das Selbstbestimmungsrecht oft irreversibel sind. D.h., wenn

„der Betreuer tatsächlich über den Betreuten bestimmt, ist diese Freiheit

87 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 107; RZ 33288 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 107; RZ 333

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unwiederbringlich verloren“89, auch dann, wenn man die (Fehl–) Ent-

scheidung nachträglich korrigiert, soweit dies überhaupt möglich ist (z.B.

Einrichtung der Betreuung gegen den Willen, Unterbringung, ärztliche

Behandlung, Briefgeheimnis, usw.).

Einerseits scheint man den Begriff der „Einwilligungsfähigkeit“ im Ge-

setz definieren zu wollen (vgl. Renesse); andererseits möchte man die

Beurteilung der Fähigkeit zur Selbstbestimmung subjektiven Bewer-

tungsmaßstäben überlassen (vgl. May). Dazwischen versucht man sich

mit Diskussionen um das Wohl des Betroffenen zu verhelfen. Der Begriff

des „Wohls“ ist dabei im Falle einer gemutmaßten (!) Einwilligungsun-

fähigkeit fremddefiniert und eben nicht selbstbestimmt. Da kommt es

nun letztlich nicht darauf an, ob es eindeutige Kriterien gibt, auf die man

sich berufen kann, oder ob die Entscheidung auf einer subjektiven Be-

wertung beruht. Die Frage ist eigentlich eine andere: Bei welcher der

beiden Möglichkeiten der „Zwangsfürsorge“ ist das Risiko eines Grund-

rechtseingriffs geringer?

Es erscheint einleuchtend, dass nicht jeder Mediziner dafür geeignet ist.

Ebenso wird man es nie erreichen, dass jeder Betreuer die Grenze zwi-

schen „fürsorgerischer“ Bevormundung und echter Hilfe zur Selbstbe-

stimmung erkennen wird. Denn man wird wohl immer wieder auf Fälle

stoßen, bei denen man sich nie eindeutig von der Entscheidungsunfähig-

keit des Betroffenen zweifelsfrei wird überzeugen können. Eindeutige

Kriterien, die die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen „beweisbar“

machen, lösen das Problem, wie man sehen wird (vgl. Kapitel 4.2), nur

scheinbar.

Sicherlich müssen die Voraussetzungen einer Betreuung, wie z.B. der

Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. Kapitel 2.2.3) beachtet werden. Auch die

Hinweise auf die §§ 1901 BGB und 1904 BGB, wie auch die besonders

strengen Vorschriften des Einwilligungsvorbehaltes, oder auf die §§ 66,

68b und §69d FGG sind sicher richtig.

Jedoch bleibt für mich ein wesentlicher Teil meiner oben aufgeworfenen

Frage, ob die sog. Zwangsbetreuung oder Zwangsmaßnahmen im

89 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 138

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Rahmen der Betreuung (=gegen oder ohne den Willen des Betroffenen)

zu rechtfertigen sind, offen. Denn letztlich ist der Betreuer (u.U. in Ver-

bindung mit dem Vormundschaftsgericht) als Vertreter verantwortlich

auch für Eingriffe gegen den natürlichen Willen, die aufgrund einer tat-

sächlichen oder (vielleicht nur) vermuteten Entscheidungs- oder Ein-

sichtsunfähigkeit des Betroffenen durchgeführt werden. Er ist dabei

allein auf sein Urteilsvermögen angewiesen. Es gibt weder eine adäquate

Ausbildung für Betreuer, noch kann er sich an Kriterien halten, die durch

Gesetz oder Richter vorgegeben werden. Begriffe wie „Erforderlichkeit“,

„Wohl des Betreuten“ oder „Einsichts- oder Einwilligungsfähigkeit“

werden nicht hinreichend konkretisiert und müssen sich daher am indivi-

duellen Werteprofil des Entscheidungsträgers messen lassen.

Dem Missbrauch stehen zwar nicht, wie in einigen der angesprochenen

Fernsehreportagen der letzten Zeit vorgeworfen wird, Tür und Tor offen,

jedoch wird man sich der potenziellen Gefahr einer leichtfertigen (oft-

mals sicherlich ungewollten) Bevormundung, vor der ja das Betreuungs-

recht besonders schützen will (vgl. Kapitel 2.1), auf Seiten des Gesetz-

gebers stellen müssen.

Zwangsläufig ergibt sich aus dem Problem die Frage, wie dieser Rechts-

unsicherheit Abhilfe verschafft werden kann. Es geht hier direkt um die

Selbstbestimmung des Betreuten. Daraus ergibt sich die Forderung, das

Selbstbestimmungsrecht innerhalb des vorgegebenen rechtlichen

Rahmens zu stärken. Dazu gibt es Möglichkeiten, die im Folgenden dis-

kutiert werden sollen:

4.2 Selbstbestimmung und Betreuung

„Die Tätigkeit als Berufsbetreuerin und -betreuer unterliegt keinen

staatlich festgelegten Kriterien und es gibt auch kein Berufsbild. [...] An

dieser Stelle wird es bedeutsam, dass es zu einer Entscheidung nach den

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Wünschen und Werten des Betroffenen kommt.“ 90 Dieses Statement um-

schreibt in aller Kürze oben aufgeworfenes Problem.

Im Folgenden soll nun die Frage gestellt werden, wie dieses Problem

gelöst werden könnte; was auf der einen Seite die Betreuer und das Be-

treuungswesen (als ganzes) tun können, gemäß der vom Gesetzgeber

anvertrauten Verantwortung zu handeln. Dabei werden konkrete Krite-

rien ebenso wie ein konkretes Konzept zur Qualifizierung des Betreuers

vorgestellt und miteinander verglichen. Andererseits wird es um die

Frage gehen, wie Menschen für den Fall ihrer Entscheidungsunfähigkeit

Vorsorge treffen können, um so auch dann noch ihr Recht auf Selbstbe-

stimmung wahrnehmen zu können.

4.2.1 Selbstbestimmung aus Sicht des Betreuers

Befragt man das Betreuungsgesetz zu bestimmten Qualifikationen eines

Betreuers, die dieser erfüllen muss, um die gesetzliche Verantwortung

(Vertretungsmacht) für einen Menschen übertragen zu bekommen, so ist

man schnell am Ende. §1897 geht darauf ein: „Zum Betreuer bestellt das

Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem

gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten

rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang per-

sönlich zu betreuen.“ Die „Geeignetheit“ zur „persönlichen Betreuung“

ist demnach das einzige zu erfüllende Kriterium.91 Bewusst lässt der Ge-

setzgeber die konkrete Umsetzung offen. 92

Dies stellt an die sog. „Professionellen“ besondere Anforderungen: Die

Landesarbeitsgemeinschaft für Betreuungsangelegenheiten in Rheinland-

Pfalz93 hat eine Liste von Berufsgruppen erstellt, nach der die Sozialar-

beiter und Sozialpädagogen (im übrigen noch vor den Pädagogen und

Juristen) die geeignetste Berufsgruppe seien, um Betreuungstätigkeiten

90 Siehe: Schwöppe: URL: http://www.fh-muenster.de/FB10/wb/8000.html [Stand:29.4.2001]91 Vgl.: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 249f, RZ 9ff; Anm.: In § 1780 und §1781(analoge Anwendung), sowie in §1897 sind Ausnahmen genannt: Unfähigkeit undUntauglichkeit zur Übernahme einer Vormundschaft (analog also: ...einer Betreuung);Und: Mitarbeiter eines Heims (zur Vorbeugung von Interessenskollisionen).92 Anm. : Natürlich aber unter der Voraussetzung, dass die Reihenfolge der zubestellenden Personen beachtet wird (vgl. dazu Kapitel 2.2.4 I)

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wahrnehmen zu können. Gleichzeitig bemängelt der Vormundschafts-

gerichtstag 199994 aber, dass die „fachlichen Anforderungen an die

Kenntnisse und Handlungskompetenzen von Betreuern [...] »von den

derzeitigen Ausbildungs- und Studiengängen regelmäßig nicht erfüllt

werden.«“ Auch in der Mailingliste Betreuungsrecht sucht man mit Be-

mühen nach Qualifikationskriterien, die eine Meinungsbildung erleich-

tern sollen. Mit dem Problem einer offensichtlich mangelhaften Qualifi-

kation für den Beruf des Betreuers und der Frage, wie man diesem

Dilemma abhelfen kann, möchte ich mich nun beschäftigen.

4.2.1.1 Qualifizierung

Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Betreuern, die be-

rufsmäßig tätig sind und solchen, die die Betreuung ehrenamtlich führen.

Denn dies sind sehr häufig Familienangehörige oder nahe Bekannte. Im

Folgenden möchte ich die letztgenannte, größte Gruppe jedoch ausklam-

mern und insbesondere diejenigen Betreuer und deren Qualifikations-

merkmale betrachten, die Betreuungen berufsmäßig führen. Die

Qualifizierung ehrenamtlicher Betreuer wird in Kap. 4.2.1.2 unter dem

Stichwort Querschnittsarbeit thematisiert.

„Nach § 1836 II BGB richtet sich der Stundensatz der Vergütung für

einen Betreuer nach den »nutzbaren Fachkenntnissen«. [Im Einzelnen

beträgt die Vergütung nach § 1836 II BGB i.V.m. § 1 I BVormVG je

nach nutzbaren Fachkenntnissen oder Schwierigkeit der Betreuung

35DM, 45DM bzw. 60DM.] Genauere Ausführungen lassen sich in den

Rechtsvorschriften zu Eignung und Vorbildung des Betreuers im Sinne

von Mindestanforderungen oder eines Berufsbildes nicht finden.“95 Diese

Gelder sind aus der Staatskasse (Justizhaushalt) zu finanzieren. Hat der

Betreute im Einzelfall Vermögen, muss er seinen Betreuer selbst finan-

zieren. Dann kann der Stundensatz auch höher beziffert werden.

Die Vergütung hat bereits in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten ge-

führt. Wie Jürgens bemerkt, sei es „absehbar, dass hier ein neuer Streit-

punkt und Ansatz für weitere umfangreiche Rechtsprechung zur Vergü-

93 Vgl. May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 1594 Vgl. May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 1495 Siehe: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 14

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tung liegen wird.“96 Und in der Tat ist derzeit in der Mailingliste die Dis-

kussion entbrannt, nach welchen Kriterien Betreuer weniger Vergütung

bekommen als andere. Es wird gemutmaßt, „dass der Gesetzgeber bei

der Schaffung unterschiedlicher Vergütungssätze aus rein finanzieller

Überlegung gehandelt hat (es soll kräftig gespart werden); eine Absicht

zur Sicherung von Qualität“ 97 könne nicht festgestellt werden.

Die örtliche Betreuungsbehörde der Stadt Mainz versucht in Zusammen-

arbeit mit dem Vormundschaftsgericht dieses Problem dadurch in den

Griff zu bekommen, dass nur in Einzelfällen Vergütungen von 35 oder

45 DM pro Stunde anerkannt werden. Derzeit gebe es im Gebiet der Be-

hörde keine Betreuung, die für 35 DM geführt werde und nur zwei, die

für 45 DM geführt würden. Diese beiden Betreuer jedoch würden sich

durch Nachqualifizierungsmaßnahmen um höhere Stundensätze bemü-

hen.98

Trotz einiger Versuche, den Begriff der „nutzbaren Fachkenntnisse“ mit

Leben zu füllen99, kommt auch May letztlich zu dem Schluß, dass es

nicht möglich sei, die Eignung eines Betreuers abstrakt beurteilen zu

können: Eine „persönliche Eignung umfasst immer ein Bündel von per-

sönlichen Eigenschaften wie z.B. menschliche und geistige Kompe-

tenz.“100

Der BdB (Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e.V.) und der Ver-

band freiberuflicher Betreuer/innen e.V. (VfB) fordern Mindestanforde-

rungen für ihre Mitglieder:101

- Ein „gewisses Maß an Lebenserfahrung“ und die Fähigkeit zur

kritischen Selbstreflexion, woraus der BdB ableitet, dass man erst

96 Siehe: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 111, RZ 27597 Vgl.: Scherl: Betreff: Re: [BtR] Berufsbetreuung 45,00 DM / 60,00 DM.<[email protected]> in: Mailingliste Betreuungsrecht: <[email protected]> [26.3.2001]Anm. : Diese Behauptung bleibt im Übrigen trotz der Vielzahl der Mailsunwidersprochen!98 Informationen aus einem Gespräch mit dem Mitarbeiter der örtlichenBetreuungsbehörde der Stadt Mainz am 16.3.2001, Herrn Reis99 Vgl.: Dodegge G: Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz NJW 1998, 3074 in: May:Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 14f100 Siehe May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 14101 Vgl. May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 16; Näheres dazu: ebd.,S.63ff

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mit dem Alter von mindestens 30 Jahren Betreuer werden kann

(BdB),

- Eine Geeignetheitsprüfung soll erst nach einer Einarbeitungszeit

von 6 Monaten stattfinden, in denen die Betreuung ehrenamtlich

geführt werden muß (BdB),

- „Spezifische Kenntnisse und persönliche Fähigkeiten“ unab-

hängig von der Berufsausbildung (VfB),

- und die Bereitschaft zur kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung

und den Austausch mit Fachkollegen (VfB).

Der BdB führt weiterhin aus: „»Der Berufsbetreuer hat seinen Beruf ge-

wissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes

der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Berufsbetreuers

erfordert, zu erweisen.« Verstöße gegen diese Richtlinien können durch

ein »Schieds- und Ehrengericht« überprüft und sanktioniert werden.“102

In der Mailingliste Betreuungsrecht, die im übrigen von dem o.g. Herrn

May administriert wird, ist vor einiger Zeit eine Diskussion entstanden,

in der verschiedene Ansätze vorgeschlagen wurden (die im Übrigen z.T.

von einigen Vormundschaftsgerichten so praktiziert werden):

Eignungstest:103

1. Schufa-Auskunft2. Polizeiliches Führungszeugnis3. Letztes Zeugnis / letzter Abschluss4. Lebenslauf5. Grundwissen Betreuungsrecht6. Menschenkenntnis/Umgang in und mit Streßsituationen7. Plan der Fort- und Weiterbildung8. Bereitschaftserklärung einem Betreuerverein/Berufsverband bei-zutreten

Deutlich fällt die Forderung nach Qualität auf: Persönliche, wie auch

fachliche Qualitäten sollen planmäßig gefordert und gefördert werden;

man versucht nicht nur durch das allgemein geforderte Führungszeugnis,

Sicherheit bezüglich strafrechtlicher Relevanzen zu bekommen, sondern

102 Vgl. May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 26103 Siehe: Hartig: Betreff: Re: [BtR] Eignungstest fuer Betreuer?. <[email protected]> in: Mailingliste Betreuungsrecht: <[email protected]>[25.1.2001]

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Schwerpunkte liegen genauso bei finanziellen oder lebensgeschichtlichen

Motiven.

Insbes. strukturell geht der Vorschlag von Holocher104 deutlich weiter:

„Die Idee einer Kammerorganisation oder Ethikkommission, also einer

Art Kontrollinstanz, die die Eignung von BerufsbetreuerInnen und die

Qualität von Betreuungsarbeit definiert und Standards festlegt, halte ich

für sehr sinnvoll. Jedoch nur für beruflich geführte Betreuungen, egal ob

Behörden-, Vereins- oder freiberufliche BetreuerInnen.“ Als Begrün-

dungen führt er an, es gäbe keinen „Berufsstand“ des Betreuers. Ein

solcher, durch eine Kammer vertretener Berufsstand, der sich deutlich

von anderen Berufen unterscheidet, könnte nicht nur eine effektvollere /

machtvollere Außendarstellung betreiben (Stichwort: Öffentlichkeits-

arbeit), sondern durch die Festlegung von Qualitätsstandards „Zugangs-

voraussetzungen [...] definieren und Fortbildungsstandards/-inhalte [...]

koordinieren.“105

An dieser Stelle könnte man nun auf vielschichtige Aspekte eingehen:

Qualitätssicherungssysteme, Non-Profit-Organisation, Berufsverbände,

Kammern für Sozialarbeiter oder / und Betreuer, Ethikkommissionen,

Öffentlichkeitsarbeit, usw.. Ich jedoch möchte mich wieder zurück auf

mein Thema besinnen: Inwieweit hängen solche Diskussionen mit dem

Selbstbestimmungsrecht der Betreuten zusammen?

Man ist sich, wie die dargestellten Meinungen und Ausführungen zeigen,

offensichtlich bewusst, dass der Betreuer in schwierigen Situationen Ver-

antwortung trägt, bei denen sich der Gesetzgeber bewusst zurückhält, um

der persönlichen Entscheidung des Betreuers Vorrang zu lassen. Ziel von

individuellen Entscheidungen soll eine „persönliche Betreuung“ sein, die

Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben mit Hilfe des Betreuers ist.

Um durch persönliche Entscheidungen des Betreuers das Selbstbestim-

mungsrecht der Betroffenen zu verwirklichen und gleichzeitig einem

Missbrauch vorzubeugen, bedarf es auch der persönlichen Eignung der

104 Vgl.: Holocher: Betreff: Re: [BtR] sachliche Diskussion- Berufsvereinigung/Ethikkommission. <[email protected]> in MailinglisteBetreuungsrecht: <[email protected]> [30.1.2001]105 ebd. Anm. : Ähnliche Diskussionen mit ähnlichen Argumenten werden derzeit jaauch im Berufsverband der Sozialarbeiter (DBSH) geführt.

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Betreuer: Schon eine „Selektion“ nach den Voraussetzungen eines Be-

treuers hat Auswirkungen darauf, wie wahrscheinlich nicht wiedergutzu-

machende Eingriffe in die grundgesetzlich geschützten Persönlichkeits-

rechte werden. Daher ist die Diskussion um solche Mindestanforde-

rungen so wichtig.

Einig ist man sich offenbar, dass derzeitige Studiengänge wie Sozial-

wesen, Pädagogik, Jura u.a., nur sehr begrenzt als Grundlage dienen

können. Das Aufstellen von allgemeinen Forderungen, wie eine 6-mona-

tige ehrenamtliche Betreuung oder eine Altersbegrenzung nach unten ist

sicherlich ein diskussionswürdiger Ansatz. Jedoch erscheint es frag-

würdig, dass damit eine Mindestqualität zu gewährleisten ist (abgesehen

davon, dass solche Vorschläge in der Praxis vermutlich gar nicht durch-

führbar sind; Stichwort Berufseinsteiger).

Eines jedoch fällt bei fast allen Vorschlägen auf: Aufgrund der Werthaf-

tigkeit der Entscheidungen, die der Betreuer fällen muss, wird die Forde-

rung nach einer „ethischen Instanz“ laut: Im einen Fall wird ein

„Schieds- oder Ehrengericht“ gefordert, im anderen Fall ist es eine Ethik-

kommission. Ziel ist es aber in jedem Fall, dem Betreuer bei Einzelfall-

entscheidungen, die mit ethischen Fragen zu tun haben, Sicherheit zu

geben. Denn nur so kann man als Betreuer dem Willen des Betroffenen

entsprechend handeln und dadurch stellvertretend das Selbstbestim-

mungsrecht des Betroffenen wahrnehmen. Menschenkenntnis (vgl.

oben!), ethische Charaktertugenden bzw. eine konkrete „Urteilskraft“ bei

der Entscheidungsfindung im konkreten Fall106 oder eine sittliche Grund-

haltung107, „die praxisbezogen das Einzelne mit dem Allgemeinen vermit-

telt, ist in hohem Maße im Betreuungswesen gefordert.“108

106 Nach Aristoteles in: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 27107 Nach Kant in: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 27Anm. : Vgl.: dazu auch Kapitel 3.1 (Selbstbestimmung als ethischer Begriff)!108 Siehe: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 27

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Das Stufenmodell zur Qualifizierung im Betreuungswesen109

Vor dem Hintergrund der dargestellten Unsicherheit und den daraus fo l-

genden Forderungen nach ethischer Kompetenz hat May das sog.

„Stufenmodell zur Qualifizierung im Betreuungswesen“ vorgeschlagen.

Es „vermittelt Methoden und Kompetenzen zur Ermittlung des Patien-

tenwillens als Grundlage einer personenorientierten Entscheidungs-

findung und stellt einen methodischen Vorschlag zur Erlangung ethischer

Urteilskraft für alle Personen dar, welche stellvertretende Entschei-

dungen für Nichteinwilligungsfähige treffen.“110 Es besteht aus fünf

Stufen und möchte dazu beitragen, durch „die Integration von auf das

Betreuungswesen bezogener Ethik [die] Qualität der Praxis im Betreu-

ungswesen“111 zu verbessern. Die Betonung liegt dabei neben der fachli-

chen auch auf der „ethischen Qualität“, die ihrerseits Voraussetzung für

fachliche Qualität ist. Damit ist ausdrücklich nicht gemeint, dass ein Be-

treuer durch das Modell ein besserer Mensch würde. Vielmehr soll das

Modell helfen, (1) ethische Prinzipien zu verstehen, damit (2) zu argu-

mentieren und (3) auf konkrete Situationen anzuwenden. 112 „Mit dem

Stufenmodell wird eine flexible Ausgestaltung der zugrundeliegenden

medizinischen Prinzipien auf Basis des Selbstbestimmungsrechts des

Patienten möglich“113.

Im Folgenden möchte ich die einzelnen Stufen des Modells kurz vorstel-

len:

Stufe 1: Studium / Weiterbildung / Fortbildung

Ähnlich wie sich im Medizinstudium die Vermittlung ethischer Urteils-

fähigkeit und von Entscheidungskompetenzen durch Übung in Fallbe-

sprechungen etabliert habe, so könne dieses Konzept auch auf die Aus-

bildung von Betreuern übertragen werden: „Die erste Stufe beinhaltet

studien- und praktikabegleitende Fallseminare und Kolloquien während

109 Alle Angaben, soweit nicht anders angegeben: Vgl.: May: Das Stufenmodell zurQualifizierung, S. 30 – 38Anm. : Der genauere Titel des Modells lautet: „Geleitetes stufenorientiertes Modell derAusbildung von Betreuern und Bevollmächtigten in ethischen Fragen“.110 Siehe: URL: http://www.medizinethik.de/publikat.htm [Stand: 29.4.2001]111 Siehe: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 28112 Vgl.: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 29113 Vgl.: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S.40

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einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung.“114 Moderiert werden sollen solche

Seminare oder Besprechungen von erfahrenen und fachkundigen Betreu-

ern. Sie haben die Aufgabe, den Blick nicht wertend auf „spezifische

Problemfelder“ hinzulenken. Der Betreuungspraktikant wird vom An-

leiter zum „Sinndeuten und Werten der jeweiligen Betreuungssituation

aufgefordert“. Ziel des Praktikums ist die Heranführung „an das opti-

male Führen von Betreuungen [...] (a) zum Wohl des Betroffenen, (b)

zum Wohl des Praktikanten und (c) zur »Stärkung und Konsolidierung

eines neuen Berufsbildes«“.

Stufe 2: Selbstreflexion / Wert- und Leistungsprofil

Da der Betreuer im dem Fall, dass der Wille des Betreuten nicht feststell-

bar ist, dessen Entsche idung nach eigenen Wertmaßstäben ersetzen muss

(vgl. „Kemptener Urteil“ des BGH 1994; vgl. Kapitel 5.2.2), ist es not-

wendig, dass ihm sein eigenes Wertprofil bekannt ist. Diese soll der

Praktikant ebenso reflektieren, wie er sich auch über sein Leistungsprofil

(Stärken und Schwächen) klar werden soll.

Dadurch, dass sich der Praktikant weltanschaulich und in seinen

Leistungskompetenzen positionieren muß und diese „Kompetenzfelder

und Schwerpunkte der zukünftigen Tätigkeit“ somit den Vormundschafts-

richtern bekannt werden, wird es möglich, dass tatsächlich ein im Einzel-

fall geeigneter Betreuer ausgewählt wird.

Stufe 3: Eigenständige Anwendung in der Praxis

In dieser Stufe soll der neue Betreuer sein bisher gelerntes Wissen über

Sach- und Wertzusammenhänge anwenden lernen: §1901 III 3 BGB be-

sagt, dass grundsätzlich wichtige Angelegenheiten (z.B. Fernmeldever-

kehr, Post, medizinische Maßnahmen, Unterbringung, u.a.) zuvor mit

dem Betreuten besprochen werden müssen. „Besprechen bedeutet ein

Informieren über den Stand der Angelegenheiten, die möglichen Maß-

nahmen und die Absichten des Betreuers, sowie ein Gespräch mit dem

Betreuten mit dem Ziel, seine Vorstellungen, Wünsche und Werte zu er-

mitteln.“

114 Vgl.: May: Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S. 29

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Für diese „Ermittlung“ gibt es mehrere Methoden. May stellt die sog.

„narrative Wertanamnese“ nach Kielstein / Sass vor. Dabei werden Ge-

schichten verwendet, „um Krankheitsbilder, -situationen und Behand-

lungsalternativen darzustellen und Patienten zu einer Stellungnahme

aufzufordern. Zusätzlich werden zusammenfassend Wertfragen für zent-

rale Interventionsrelevante Konfliktsituationen gestellt.“ Dem Anhang

sind vier Geschichten beigefügt, die Sass / Kielstein für diese Methode

vorstellen.

Daneben hat der direkte Kontakt mit dem Betreuten eine vertrauens-

bildende Funktion. Der Lerneffekt für den Betreuer besteht darin, dass er

die Ergebnisse seiner „Besprechung“ mit dem Betreuten einer örtlichen

Arbeitsgemeinschaft, die ihn begleiten und unterstützen soll, vorstellt:

„Die erfahrenen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sollen in diesem

Prozeß Hilfestellung leisten und den Betreuer auf praxisrelevante und

methodische Probleme hinweisen und Lösungsvorschläge anbieten.“

Auf diese Weise entsteht ein sog. „Werttagebuch“, das durch wiederkeh-

rende Besprechungen mit dem Betroffenen einerseits, und andererseits

durch Reflexion mit Hilfe der Arbeitsgruppe kontinuierlich fortgeschrie-

ben wird: „Das Erstellen einer Wertanamnese und das kontinuierliche

Fortschreiben eines Werttagebuchs sind Elemente der Besprechungs-

pflicht“, die aus § 1901 III Satz 3 BGB hervorgeht.

Stufe 4: Konsensuskonferenzen

Die vierte Stufe auf dem Weg zur ethischen Kompetenzfähigkeit umfasst

fallorientierte Diskussionen im Rahmen unregelmäßig stattfindender

Konsensuskonferenzen in Analogie zu Ethikkonzilen in der Klinik. Ziel

dieses multidisziplinär besetzten Ethikkonzils ist die Möglichkeit, einen

„Sachverhalt“ aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten und zu be-

gründen. Insbes. das Erlernen des Begründungsvorgangs steht dabei im

Vordergrund.

Methodisch hilfreich ist der in diesem Zusammenhang von May er-

wähnte „Bochumer Arbeitsbogen zur medizinischen Praxis“ (vgl. An-

hang): „Die Selbstbestimmung des Patienten wird hier nicht von vorn-

herein vorausgesetzt oder bestritten, sondern selbst zum Gegenstand der

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medizinethischen Diagnose gemacht. Es wird die Frage nach der Beur-

teilung gestellt, wieweit der Patient in die Bewertung einbezogen oder sie

ihm sogar ganz überlassen werden kann.“

Stufe 5:Kompetenz zur Anleitung anderer

Die Ausbildung in den Stufen 1 bis 4 soll dem Betreuer eine „ethische

Urteilskraft“ (vgl. Kapitel 3.1.2) vermittelt haben. Er hat damit nicht nur

die Kompetenz erworben, in seiner Berufspraxis dieses Wissen anzu-

wenden (Mikroebene), sondern er kann es in Falldiskussionen der ört-

lichen Arbeitsgemeinschaften (vgl. 3. Stufe) oder Konsensuskonferenzen

(vgl. 4. Stufe) einbringen.

Das Stufenmodell stellt einen Versuch dar, den Bereich methodisch und

konzeptionell zu füllen, in dem der Betreuer die Einwilligung in Maß-

nahmen gegen oder ohne den Willen des Betreuten treffen muss, und in

dem das Gesetz keine konkreten Vorgaben macht. Gleichzeitig will es

zur „Stärkung und Konsolidierung eines neuen Berufsbildes“115 bei-

tragen. Die in der Mailingliste dargestellten und diskutierten Ideen sehe

ich in dem Stufenmodell weitgehend verwirklicht: Die Forderung nach

fachlicher Qualität und persönlicher Eignung im Einzelfall, sowie die

Unterstützung und ggf. Kontrolle durch eine ethische Instanz, werden im

Modell umgesetzt. Auch Fortbildungsstandards/ -inhalte können plan-

mäßig koordiniert werden. Insofern muss man dem Modell Praxisnähe

und Umsetzbarkeit bescheinigen.

So bemerkt Uhlenbruck: „Das Modell ist überzeugend und stellt einen

entscheidenden Beitrag zur Qualitätssicherung im Betreuungswesen

dar.“116Auch in Gesprächen, die ich geführt habe, kommt dies zum Aus-

druck: Herr Reis, ein langjähriger Mitarbeiter der örtlichen Betreuungs-

behörde Mainz, hält das Konzept für einen längst überfälligen Ansatz,

die Qualität der Betreuungsarbeit zu sichern. May fordert nur implizit,

Reis fordert ausdrücklich eine eigene Berufsausbildung für Berufsbe-

treuer: Denn nach der Gesetzgebung könne ja im Grunde jeder, der vom

Vormundschaftsgericht (oder von Betreuungsvereinen) für „geeignet“

115 Siehe: May, Das Stufenmodell zur Qualifizierung (2000), S.32

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gehalten wird, Berufsbetreuer werden. Und da es keine Kriterien für die

„Geeignetheit“ gebe, weil derzeit noch nicht einmal ein Studium dazu

qualifiziert, sei die Forderung nach einem eigenen Ausbildungsgang, z.B.

auf FH – Niveau, angebracht, so Reis117.

Derzeit läuft erstmalig ein Modellversuch auf Grundlage des „Stufen-

modells“ an. 118

Meines Erachtens ist es letztlich nicht entscheidend, in welcher Form das

Konzept von May umgesetzt wird. Ob ein eigener Studiengang, ein Auf-

baustudium, eine Zusatzqualifikation mit gleitender Einarbeitungsphase

in die praktische Führung von Betreuungen oder im Rahmen berufsbe-

gleitender Fortbildungsgänge – eines ist den beschriebenen Ansätzen

gemeinsam: Alle haben zum Ziel, die Qualität ethischer Urteilsfindung

und Urteilskraft der Betreuer zu fördern, um so den beschriebenen Un-

sicherheiten zu begegnen. Mit pauschalen Zugangsbeschränkungen, wie

von einigen gefordert, lässt sich ein solches Ziel mit Sicherheit nicht er-

reichen.

4.2.1.2 Querschnittsarbeit

Von besonderer Bedeutung ist in der Arbeit als Vereins- oder Behörden-

betreuer die sog. „Querschnittsarbeit“. Da sie im Rahmen der praktischen

Tätigkeit als hauptamtlicher Betreuer eine sehr große Rolle spielt,

möchte ich im Folgenden den Inhalt der sog. Querschnittsaufgaben näher

erläutern, bevor ich zum Ende des Kapitels wieder auf den Zusammen-

hang zum Selbstbestimmungsrecht komme.

Für Vereine leitet sich der Auftrag der Querschnittsarbeit ab aus § 1908f

I Nr. 2 und 2a BGB (=Planmäßige Gewinnung, Einführung, Fortbildung

und Beratung von ehrenamtlichen Betreuern, sowie Informationspflicht

über Vorsorgemöglichkeiten). Grundlage für die Querschnittsarbeit der

Betreuungsbehörden ist Abschnitt III des BtBG (=Betreuungsbehörden-

116 Vgl.: URL: http://www.medizinethik.de/publikat.htm [Stand: 27.2.2001]117 Informationen aus einem Gespräch am 26.3.2001118 Information aus einem Telefonat mit May am 25.4.2001

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gesetz), insbes. die §§ 5 und 6 BtBG.119 Näheres ist in Landesaus-

führungsgesetzen geregelt. Da mich die Situation von rheinland-pfälzi-

schen Betreuungsvereinen interessiert, werde ich hier meinen Schwer-

punkt legen:

Das Landesausführungsgesetz von RLP (= AG BtG RhPf = Ausfüh-

rungsgesetz des Betreuungsgesetzes in Rheinland-Pfalz) regelt in §4, der

wiederum in der sog. Förderverwaltungsvorschrift (FörderVV) des Lan-

des RLP konkretisiert ist, die Finanzierung der Betreuungsvereine 120.

Dabei wird die Förderung an verschiedene Verpflichtungen gebunden:

a) Werbung und Beratung ehrenamtlicher Mitarbeiter

Nach § 1908f I Nr. 2 BGB sind Betreuungsvereine verpflichtet, „sich

planmäßig um die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer [zu bemü-

hen], diese in ihre Aufgabe“ einzuführen, fortzubilden und zu bera-

ten. Die FörderVV des Landes RLP wiederholt: „Mit Hilfe der Zu-

wendungen des Landes sollen die anerkannten Betreuungsvereine in

die Lage versetzt werden, sich planmäßig um die Gewinnung ehren-

amtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bemühen, diese in ihre

Aufgabe einzuführen, sie fortzubilden und zu beraten“121

Zukünftig wird es zusätzlich vermutlich die Aufgabe der Vereine

sein, sich nicht nur um ehrenamtliche Betreuer zu bemühen, sondern

es sollen auch „Vorsorgebevollmächtigte [...] in die Weiterbildung,

119 Die entsprechende Pflicht von Vormundschaftsgerichten zur Beratung von Betreuernergibt sich aus §1908 i I BGB i.V.m. §1837 I BGB. Darauf werde ich aber nicht weitereingehen.120 Vgl. und siehe dazu Deinert: Arbeitshilfe für Betreuungsvereine, S. 421 ffAnm. : Das Land RLP gewährt nach §4 AG BtG RhPf den anerkannten Betreuungsver-einen 40% „der angemessenen Personal- und Sachkosten einer hauptamtlichen Fach-kraft.“ Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen weitere 40% dieser Kosten über-nehmen, sind jedoch nicht wie das Land dazu verpflichtet. Daraus ergibt sich, dass sichBetreuungsvereine in RLP zu 80% aus öffentlichen Mitteln finanzieren. 20% mussdurch das Führen von Betreuungen abgedeckt werden. Auch wenn die Förderung indiesem Umfang in Deutschland einmalig ist, so geht Kaßner (Das Betreuungsrecht undseine Umsetzung in Rheinland-Pfalz, S. 71) jedoch davon aus, dass dies nicht der Rea-lität entspricht. So stellt sie fest, dass in RLP mindestens 30 – 40% der Mittel durchBetreuungen aufgebracht werden müssen, weil die Berechnungsgrundlage der 80%Landersförderungsanteil nicht der Realität entspräche. Dies soll jedoch in dieser Arbeitnicht vertieft werden.121 Siehe Punkt 1.1 der FörderVV in: Deinert: Arbeitshilfe für Betreuungsvereine, S.424

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Beratung und die Kontrollmöglichkeiten der Betreuungsvereine ein-

bezogen werden.“122

Die Tätigkeit der Werbung und Beratung ehrenamtlicher Mitarbeiter

ist sehr vielseitig und von den jeweiligen Ressourcen abhängig123:

Öffentlichkeitsarbeit stellt dabei ein Schwerpunkt dar: Presseartikel,

Werbeeindrucke, eigene Flugblätter und Informationsschriften, in

denen sich der Verein sich und seine Tätigkeit vorstellt, sind üblich.

Auch Plakate und Infostände sind verbreitete Methoden der Öffent-

lichkeitsarbeit von Betreuungsvereinen.

Weiterhin ist ratsam, sich als Betreuungsverein ins bestehende soziale

Netz einzubringen (z.B. durch Gremienarbeit), um auf diese Weise

ein eigenes Netz von Kontaktpersonen aufzubauen. Dadurch erlangen

die Mitarbeiter des Betreuungsvereins Kenntnisse über ortsansässige

soziale Dienstleistungen, die so ggf. für den ehrenamtlichen Betreuer

leichter zu erschließen sind (mobile soziale Dienste, Sozialstationen,

ambulante medizinische Versorgung, sowie Wohnheime, WFB ´s,

Freizeiteinrichtungen, ...).124

Weiterhin hat die Beratungstätigkeit große Bedeutung: Ein ehren-

amtlicher Betreuer, der sich einem Verein anschließt, kann sich hier

beraten lassen. 125 Zunächst soll er in seine Aufgabe eingewiesen

werden, indem der Vereinsbetreuer dem Ehrenamtlichen einzelfallbe-

122 Siehe: Renesse (Interfraktionelle Arbeitsgruppe Strukturreform desBetreuungsrechts) im Eckpunktepapier vom 23.10.2000, S. 4123 Soweit nicht anders angegeben: Vgl: Piorko: URL: http://www.landkreistag-bw.de/text_lkt/1_2k_th09.pdf [Stand: 9.4.2001] bzw. Kaßner: Das Betreuungsrecht undseine Umsetzung in Rheinland-Pfalz, S.68ff124 Nach Hellmann, in BT-Prax 1/92, S. 5, in: Kaßner: Das Betreuungsrecht und seineUmsetzung in Rheinland-Pfalz, S.68; Deinert: Arbeitshilfe für Betreuungsvereine, S. 59125 Anm. : Ein anderes Problem in diesem Zusammenhang ist die Freiwilligkeit derBeratung. Nur ein kleiner Teil der ehrenamtlichen Betreuer lässt sich durch Beratunghelfen. Insbesondere Familienangehörige (vgl. Kapitel 2.2.6), die zum Betreuer bestelltwerden, nehmen das Angebot oft nicht oder zu spät wahr. Eine „Zwangsberatung [...]kennt das Gesetz nicht“ () und diese ist auch aus pädagogischer Sicht nicht zu befür-worten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen Vereine auch nicht über neueBetreuerbestellungen informiert werden, damit diese die neuen Betreuer über ihr Hilfs-angebot informieren können. Der Betreuungsverein des SKM Trier hat eine Möglichkeitgefunden, diese Regelungen zu umgehen indem „über das Gericht oder die Bt-behördeVeranstaltungs- oder Beratungsangebote [der Betreuungsvereins] direkt an die neubestellten [ehrenamtlichen] Betreuer weitergegeben bzw. –versandt werden.“ Vgl. undsiehe: Crames; SKM Trier: Betreff: [BtR] Querschnittsarbeit - Weitergabe Adressenneubestellte ea. <[email protected]> in: Mailingliste Betreuungsrecht:<[email protected]> [23.11.2000]

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zogen seine Pflichten nach dem Betreuungsgesetz und seine Tätig-

keiten innerhalb des übertragenen Aufgabenkreises erläutert. Dabei

soll der Querschnittsarbeiter auf die Problemstellung im Einzelfall

eingehen und ggf. auf die Bedeutung des Einwilligungsvorbehaltes,

auf die Genehmigungspflicht mancher Handlungen (Unterbringung,

u.a.) oder auf die Notwendigkeit von Verwaltungstätigkeiten (Erstel-

lung eines Vermögensverzeichnisses, Rechnungslegung, Akten-

führung...) hinweisen. Es ist also wichtig, über soziale, psychosoziale,

medizinische und rechtliche Aspekte der Betreuung im Einzelfall zu

informieren und dahingehend zu beraten. 126

Allerdings darf eine solche Beratung keine „Einzelfallberatung, also

Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes“ sein. Diese

muß sich auf „allgemeine Informationsveranstaltungen und Infor-

mationsbroschüren [...] beschränken und im Einzelfall auf anwalt-

liche oder notarielle Beratung“ hinweisen.“127 Diese Regelung und

der Widerspruch, der sich aus dem gesetzlichen Auftrag zur Beratung

dazu ergibt, führt bei Betreuungsvereinen und -behörden häufig zu

Unsicherheiten, wie auch umfangreiche Diskussionen und häufige

Fragen diesbezüglich im Rahmen der Mailingliste bestätigen.

Neben der individuellen Beratung sind im Rahmen der Querschnitts-

arbeit Fortbildungen zweckmäßig. Kaßner nennt Themengebiete wie

z.B. Einkommens- und Vermögensverwaltung, Grundkenntnisse in

Gerontopsychiatrie oder Psychiatrie. Solche Fortbildungen werden

oft von eingeladenen Fachleuten gehalten.

Um eine vom Gesetzgeber geforderte „geplante“, also kontinuierliche

Querschnittsarbeit zu gewährleisten fordert Jürgens:

I) Zum einen solle die Größe eines Betreuungsvereins auf mindes-

tens zwei professionelle Mitarbeiter festgesetzt werden, um eine

126 Anm. : Weiterhin nennt Deinert konkret (Arbeitshilfe für Betreuungsvereine, S. 60ff)„Hilfestellung beim Beantragen von Sozialleistungen“ und „bei den Pflichten desBetreuers gegenüber dem Vormundschaftsgericht“ u.a.. Da diese Punkte zwar wichtig,in diesem Zusammenhang jedoch im Detail nicht einschlägig sind, werde ich auf dieDarstellung verzichten. Vgl.: dazu auch Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 355 RZ 15127 Siehe: Deinert: Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, (2000), S. 8f

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Kontinuität zu gewährleisten („wegen des Wortlauts [des § 1908f

I Nr.1 BGB] und aus praktischen Gründen“)128,

II) zum anderen müsse eine dauerhaft ausreichende finanzielle Zu-

wendung seitens der Länder und Kommunen gewährleistet

sein.129

Beide Forderungen sehe ich letztlich nicht umgesetzt: So gibt es zahl-

reiche Betreuungsvereine, die aus einer einzigen hauptamtlichen Per-

son und ihren ehrenamtlichen Mitgliedern bestehen. Weiterhin ist die

finanzielle Förderung in jedem Bundesland unterschiedlich hoch. So

wurde, wie Diskussionsbeiträge der Mailingliste zeigen, die Förde-

rung beispielsweise in Sachsen-Anhalt ganz gestrichen. Wie Deinert

betont, sei die Förderung in RLP „vergleichsweise günstig“, was sich

auch in den Justizstatistiken niederschlage (=Verhältnis von Berufs-

und ehrenamtlichen Betreuern). Auf diese eigentlich notwendige

Diskussion soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da

sie über den Rahmen dieser Diplomarbeit hinausgeht.

Querschnittsarbeit und Selbstbestimmung

Was allerdings haben die Maßnahmen der Querschnittsarbeit mit dem

Selbstbestimmungsrecht der Betreuten zu tun? Ebenso wie bei der

Qualifikation hauptberuflicher Betreuer (vgl. Kapitel 4.2.1.1), soll die

Querschnittsarbeit nach § 1908f I Nr. 2 BGB ehrenamtliche Betreuer

auf freiwilliger Basis dazu befähigen, die Betreuung gemäß des ge-

setzlichen Auftrags zum Wohl des Betreuten und nach dessen

Wünschen und Willen zu führen. Ähnliche Probleme wie bei der

Auswahl des „geeigneten“ Berufsbetreuers gibt es auch bei der Aus-

wahl eines „geeigneten“ ehrenamtlichen Betreuers. Deinert be-

schreibt ausführlich130, welche Auswahlkriterien bei ehrenamtlichen

Betreuern anzulegen sind und welche „Persönlichkeitsmerkmale“

diese haben sollen. Auf eine erneute Darstellung der Diskussion in

diesem Zusammenhang verzichte ich, da es mir nachvollziehbar er-

scheint, dass hier ähnliche Probleme auftauchen: Der Betreuer als In-

128 Vgl.: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 353, RZ 7;129 Vgl.: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 355, RZ 12;130 Vgl.: Deinert: Arbeitshilfe für Betreuungsvereine, S. 55ff

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haber der Vertretungsmacht, der stellvertretend Rechtsgeschäfte ab-

schließen kann und bisweilen, womöglich ungewollt in Hilfsbereit-

schaft, gegen die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verstößt.

Fortbildungen und individuelle Beratungen (also Querschnittsarbeit)

tragen vorbeugend dazu bei, dass eine (frustrierende) Überforderung

vermieden, eine „persönliche Betreuung“, wie die Beachtung des

Willens erst möglich wird und so die Qualität der Betreuungsarbeit

auch von „Ehrenamtlern“ Mindeststandards erreicht:131 Der Zusam-

menhang zwischen Qualität (durch Aus-, Fort-, sowie Weiterbildung)

und dem selbstbestimmten Willen des Betreuten wurde oben in ande-

rem Zusammenhang ausführlich dargelegt. Meiner Meinung nach

lassen sich die Ergebnisse von oben direkt auf die Fortbildungs- und

Beratungstätigkeit für ehrenamtliche Helfer übertragen: Durch Unter-

stützung der freiwilligen Helfer kann die Qualität derer Arbeit geho-

ben werden und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betreuer in die

Selbstbestimmungsrechte (vgl. Art. 2 GG) seines Betreuten eingreift,

wird geringer.

Der Vereinsbetreuer, quasi als „Case-Manager“ („Unterstützungs-

und Einzelfallmanager“), kann dem freiwilligen Helfer ein Netz von

sozialen Dienstleistungen erschließen, das diesem ohne die fremde

Unterstützung unzugänglich wäre. Mit dem Verweis auf das „Case -

Management“ möchte ich deutlich machen, wie sinnvoll die Übertra-

gung des weithin anerkannten Konzepts Sozialer Arbeit auf den

Betreuungsbereich ist: Der Ressourcenerschließung und Bereit-

stellung für ehrenamtliche Helfer im Rahmen der Vereinsarbeit er-

füllt meiner Ansicht nach die wesentlichen Voraussetzungen des

Konzepts „Case-Management“. Es bietet die Möglichkeit, freiwillige

Helfer, geplant und sinnvoll mit in den Hilfeprozeß einzubinden und

so gleichzeitig die Qualität der ehrenamtlichen Arbeit gezielt zu

verbessern. Denn nur durch die gezielte Ressourcenerschließung und

-bereitstellung kann präventiv das Selbstbestimmungsrecht der Be-

treuten vor unrechtmäßigen Eingriffen geschützt werden.

131 Vgl. dazu auch: Jürgens: Betreuungsrecht (1995), S. 255 RZ 14

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Daher ist es so wichtig, die Querschnittsarbeit gezielt zu fördern. Der

Schluß, dass Umfang und Qualität der Querschnittschnittsarbeit im

Betreuungswesen direkte Auswirkungen auf die Möglichkeit zur

Selbstbestimmung haben, erscheint mir zwingend, auch wenn er in

dieser Eindeutigkeit, meiner Recherche nach, in der Literatur bisher

nicht gezogen wurde.

b) Informationspflicht über vorsorgliche Verfügungen

Die Informationspflicht über vorsorgliche Verfügungen ist das zweite

Element der Querschnittsarbeit. Sie wurde erst nachträglich mit dem

Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 1998 dem Betreuungsrecht

hinzugefügt. Der Auftrag dazu ergibt sich aus §1908f I Nr. 2a BGB.

Danach sind Betreuungsvereine verpflichtet, planmäßig über Vorsor-

gevollmachten und Betreuungsverfügungen zu informieren. Diese

Verfügungen dienen der privaten Vorsorge und haben im Grunde

nichts mit den Regelungen des Betreuungsrechts zu tun (Verfahren,

Rechtstellung usw.). Es ist also eine eigene private Möglichkeit,

selbst für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit vorzusorgen und ggf.

sogar eine Betreuung zu vermeiden.

Daher möchte ich an dieser Stelle lediglich hervorheben, dass die In-

formationspflicht der Betreuungsvereine Teil der Querschnittsarbeit

ist, ansonsten jedoch inhaltlich deutlich vom Betreuungsrecht zu

trennen ist. Gleichzeitig soll auf das nun folgende Kapitel verwiesen

werden, in dem verschiedene Möglichkeiten privater Vorsorge vorge-

stellt werden.

4.2.2 Selbstbestimmung aus Sicht des Betreuten

In Kapitel 4.2.1 wurde betrachtet, wie konzeptionelle Gegebenheiten

oder Veränderungen dazu beitragen können, das Selbstbestimmungsrecht

eines einwilligungsunfähigen Menschen zu sichern und zu stärken. Dar-

aus ergibt sich zum einen die Forderung nach besonderen Qualifika-

tionsmerkmalen des Betreuers. Zum anderen trägt die Querschnittsarbeit

dazu bei, dass auch ehrenamtliche Betreuer dazu befähigt werden, die

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Rechte des Betreuten wahrzunehmen und die eigenen Pflichten zu erken-

nen.

Nun jedoch geht es um die Frage, wie ein Betroffener sein Selbstbestim-

mungsrecht aktiv wahrnehmen kann in dem Fall, dass er selbstbestim-

mungsunfähig, bzw. die Einwilligungsfähigkeit fraglich wird.

Die Begrifflichkeiten im Bereich der Vorsorgemöglichkeiten sind sehr

unscharf. Daher sollen zunächst gesetzliche Bestimmungen genannt

werden, um einen Einstieg ins Thema zu finden. Dann wird es notwendig

sein, die Unklarheit der Begriffswahl aufzulösen, indem beispielhaft drei

ausgewählte Formen vorsorglicher Verfügungen vorgestellt werden.

4.2.2.1 Der gesetzliche Auftrag:

Mit dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25.6.1998 (Inkraftgetre-

ten am 1.1.1999) wurde die Anerkennung als Betreuungsverein (§1908f I

Nr. 2a) abhängig gemacht von der Informationspflicht über Vorsorge-

vollmachten und Betreuungsverfügungen. Auch Betreuungsbehörden

haben diese Pflicht (§ 6 BtBG).132 §1896 BGB betont in Verbindung mit

dem Erforderlichkeitsgrundsatz die Nachrangigkeit der Betreuung nach

anderen Möglichkeiten, wie z.B. einer Vollmacht.

Deinert vermutet als Motivation, Alternativen zur Betreuung zu schaffen,

finanzielle Gründe: Der Regierungsentwurf „sieht zahlreiche Gesetzes-

änderungen vor, die fast allesamt zum Ziel haben, die Aufwendungen des

Staates für die gesetzliche Betreuung zu vermindern (bzw. den Kosten-

anstieg aufzuhalten).“133

Diese Intention deckt sich allerdings nicht mit den o.g. Argumenten der

Selbstbestimmung (vgl. Kapitel 4.1). Da sie (zumindest in diesem Zu-

sammenhang) die Argumente aber auch nicht entkräften, erscheint eine

Verschiebung zugunsten vorsorglicher Willensbekundungen durchaus

sinnvoll. Allerdings ist differenziert zu prüfen, wann eine Vorsorgere-

132 Vgl.: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 32. u.a.133 Siehe: Deinert: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/reform.htm#Kap1[Stand: 20.4.2001]; Anm.: Renesse (Interfraktionelle Arbeitsgruppe Strukturreform desBetreuungsrechts) hielt das Betreuungsrechtsänderungsgesetz „vor allem deshalb alsnotwendig, weil der Bedarf an rechtlicher Betreuung zunahm, die Berufsbetreuung in

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gelung ihren Zweck erfüllt, d.h., wann welche der Möglichkeiten aus-

gewählt werden muss und welche Dinge zu beachten sind, damit die

Willensbekundungen wirksam sind.

Neben Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen kommt sog.

Patientenverfügungen eine besondere Bedeutung zu. Hierfür gibt es zwar

keinen gesetzlichen Auftrag; jedoch findet die Patientenverfügung in

Literatur und Praxis zunehmende Beachtung. In dieser Arbeit soll diese

Form der Vorsorge insbesondere in der Anwendung auf das Thema Ster-

behilfe vorgestellt werden. Hier soll nur zur Komplettierung kurz darauf

eingegangen werden.

4.2.2.2 Begrifflichkeiten

Gemeinsam ist allen hier genannten „vorsorglichen Verfügungen“, dass

sie Möglichkeiten der Vorsorge für den Fall der eigenen Einwilligungs-

unfähigkeit darstellen. 134 Wie May bemerkt, gibt es dutzende Bezeich-

nungen für solche Verfügungen. 135 Daher erscheinen Oberbegriffe, wie

„vorsorgliche Willensbekundungen“136 bzw. der „Vorsorgerege-

lungen“137, sinnvoll.

Der Begriff der „vorsorglichen Willensbekundungen“ umschreibt wohl

am ehesten die Absicht einer solchen Erklärung: Es handelt sich dabei

nämlich um „zeitversetzte“ Willensäußerungen für den Fall der eigenen

Selbstbestimmungsunfähigkeit, deren Feststellung ja die Voraussetzung

für Fremdentscheidungen ist (vgl. Kapitel 4.1.2). Die Fähigkeit zur

selbstbestimmten Einwilligung muß daher in jedem Fall zum Zeitpunkt

der Äußerung zweifelsfrei feststehen. In einigen Fällen (z.B. bei Vor-

sorgevollmachten) muß sogar die Geschäftsfähigkeit glaubhaft versichert

immer mehr Fällen eingesetzt wurde und die Kosten für die Länder ständig wuchsen.“(siehe: Renesse im Eckpunktepapier vom 23.10.2000, S. 1)134 Vgl.: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 155135 Z.B.: Patientenbrief, Patientenschutzbrief, Euthanasie-Testament, Kranken- undSchwerverletztenverfügung, Patientenletztverfügung, Patientenvorausverfügung,Lebenstestament, usw....; vgl. ebd.136 Vgl.: Handreichungen der Bundesärztekammer. In: URL:http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/04Patver.html [Stand: 12.4.2001]137 Vgl.: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 31 RZ 65

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sein.138 Durch Willensbekundungen, die der Betroffene noch zu Zeiten

der eigenen Selbstbestimmungs- bzw. Geschäftsfähigkeit abgibt, kann er

konkrete Handlungsanweisungen erteilen oder Wünsche äußern für den

Fall, dass er eben diese Entscheidungen zu späterem Zeitpunkt nicht

mehr wirksam äußern kann.

Adressaten von Vorsorgeregelungen können Ärzte, Vormundschafts-

gerichte, Betreuer, Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen sein.

Durch die zeitversetzte Wirkung wird es möglich, dass von aktuell ein-

willigungsunfähigen Menschen in einer konkreten Situation trotzdem

eine gültige Willensäußerung vorliegt, oder der (mutmaßliche) Wille

zumindest durch eine stellvertretende Entscheidung zum Ausdruck

kommt.139

In Literatur und Praxis haben sich weitestgehend die drei im Folgenden

genannten Vorsorgeregelungen durchgesetzt:

- die Betreuungsverfügung (§ 1901a BGB: Betreuungsverfügung),

- die Vorsorgevollmacht (§ 1896 II BGB: Bevollmächtigung).

- die Patientenverfügung (fälschlicherweise häufig auch als Patien-

tentestament bezeichnet)140,

Zur besseren Unterscheidung der drei Vorsorgemöglichkeiten, soll die

Darstellung im Folgenden in drei einzelnen Abschnitten erfolgen:

a) Betreuungsverfügungen

Die Betreuungsverfügung dient einerseits dem Vormundschaftsrichter im

Fall einer Betreuungsbedürftigkeit als Entscheidungsgrundlage zur Aus-

wahl eines oder mehrerer geeigneter Betreuer. Denn der Richter hat nach

§ 1896 IV BGB grundsätzlich den Vorschlägen zu entsprechen, die ein

Betroffener bezüglich der Auswahl eines Betreuers macht (vgl. Kapitel

2.2.4). Ein solcher Wunsch kann auch zeitversetzt geäußert worden sein

(§ 1901a BGB sieht diese Möglichkeit vor).

138 Anm.: Zur Unterscheidung und Problematik der begrifflichen Unterscheidung(Geschäftsfähigkeit – Einwilligungsfähigkeit): vgl.: Pardey: Betreuungs- undUnterbringungsrecht (2000), S. 48 ff; RZ 129 ff139 Zur Problematik des angenommenen, mutmaßlichen Willens: vgl. Kapitel 5.2.2

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Daneben kann der Urheber der Betreuungsverfügung Wünsche zur

Wahrnehmung der Betreuung äußern und damit Einfluß auf die Führung

seiner Betreuung nehmen. 141 Für die Wirksamkeit der vom Betroffenen

in der Betreuungsverfügung genannten Inhalte ist dessen Geschäftsfähig-

keit nicht von Bedeutung. Die Verfahrensfähigkeit reicht aus (Vgl.

Kapitel 2.2.4 II).

Deinert bemerkt zur Betreuungsverfügung allerdings, dass sie keine

große praktische Bedeutung erlangt habe. „Einmal vielleicht, weil diese

Vorsorgemöglichkeit wenig bekannt ist, zum anderen – und dies dürfte

der wichtigere Grund sein –, weil jemand, der eine Vertrauensperson als

möglichen Betreuer benennen kann, in der Regel dieser Person eine

Vollmacht erteilen kann.“142 Um eine solche Vollmacht soll es im

Folgenden gehen.

b) Vorsorgevollmacht

Die Vorsorgevollmacht dient im Unterschied zur Betreuungsverfügung

dazu, eine Betreuung zu vermeiden oder zumindest den Umfang einer

Betreuung einzuschränken (Subsidiarität / Erforderlichkeit der Betreu-

ung: Vgl. § 1896 II BGB; sowie Kapitel 2.2.3). Der Bevollmächtigte

nimmt die Funktion eines Betreuers wahr. Insofern könnte man auch von

einer Vollmacht für Betreuungsaufgaben sprechen. 143 Allerdings kann,

anders als im Betreuungsverfahren, bei dem das Gericht Aufgabenkreise

benennt, für die ein Betreuer bestellt wird, der Vollmachtgeber zielge-

richtet „einer selbst ausgewählten Vertrauensperson für bestimmte Be-

reiche oder generell [=Generalvollmacht] Vertretungsmacht“144 erteilen.

Es handelt sich dabei also nicht (wie bei der Betreuungsverfügung) um

einen gerichtlich kontrollierten, sondern um einen „privaten“ Weg der

Vorsorge.145 Dennoch muß bei Entscheidungen von erheblicher Bedeu-

tung (z.B. Einwilligung in gefährliche ärztliche Maßnahmen: § 1904 II

140 Anm. : Da der Begriff „Patiententestament“ (in Bezug auf das Testament im Sinneder §§ 2064 ff) missverständlich ist, wird häufig , so auch in der vorliegenden Arbeit,der Begriff „Patientenverfügung“ verwendet.141 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 22; RZ 72 f; Deinert:Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 1142 Siehe: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 1143 Vgl.: Walter: Die Vorsorgevollmacht (1996), S. 4144 Siehe: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 2

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BGB; Unterbringung: § 1906 V BGB) die Genehmigung des Vormund-

schaftsgerichts eingeholt werden. 146

Das Risiko, „ob der Bevollmächtigte nach dem in ihn gesetzten Ver-

trauen handelt oder nicht“, trägt grundsätzlich allein der Vollmacht-

geber. Allerdings kann nach § 1896 III BGB ein „Überwachungs-

betreuer“ bestellt werden, der den Bevollmächtigen kontrolliert. Dieser

kann „Auskunft und Rechenschaft verlangen, Ersatzansprüche des Be-

treuten geltend machen und eventuell die Vollmacht widerrufen.“ Von

dieser Möglichkeit wird jedoch nur selten Gebrauch gemacht.147

Als Bevollmächtigte kommen v.a. Vertrauenspersonen in Betracht, am

ehesten nahe Angehörige oder gute Freunde. Neben der Benennung einer

bevollmächtigten Person sollen in der Vollmacht die eigenen Wünsche

und Werte niedergelegt sein, an denen sich der Bevollmächtigte orien-

tieren soll. Diese sollen möglichst konkret und individuell sein.148

Walter führt aus, dass ein Bevollmächtigter grundsätzlich alle Rechts-

geschäfte und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen vornehmen darf,

solange es sich nicht um »absolut höchstpersönliche«, sog. vertretungs-

feindliche Rechtsgeschäfte (vgl. Kapitel 3.2), die nur vom Betroffenen in

eigener Person geschlossen werden dürfen, handelt und soweit diese vom

Inhalt der Bevollmächtigung erfasst sind.149

c) Patientenverfügung

Die in Patientenverfügungen genannten Inhalte sollen im Fall der Ein-

willigungs- und Entscheidungsunfähigkeit Einfluß auf ärztliche Behand-

lungsmaßnahmen nehmen. Sie enthalten häufig Anweisungen an Ärzte,

sind also auch inhaltlich nicht so weit gefasst wie Vorsorgevollmachten.

Obwohl „eine absolute Verbindlichkeit derartiger Verfügungen [...]

weder im Gesetz festgeschrieben noch in der obergerichtlichen Recht-

sprechung anerkannt“150 ist, gewinnt diese Möglichkeit der Vorsorge an

Bedeutung: So hat die Bundesärztekammer eigens „Handreichungen für

145 Vgl.: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung; Informationsheft (1999), S. 13146 Vgl.: Jürgens: Das neue Betreuungsrecht (1999), S. 22, RZ 73147 Vgl. und siehe: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 3bzw. 7f148 Vgl.: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 2149 Vgl.: Walter: Die Vorsorgevollmacht (1996), S. 2

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Ärzte zum Umgang mit Patientenverfügungen“ veröffentlicht. Darin wird

ausgeführt151: „Eine Patientenverfügung [...] ist eine schriftliche oder

mündliche Willensäußerung eines entscheidungsfähigen Patienten zur

zukünftigen Behandlung für den Fall der Äußerungsunfähigkeit. Mit ihr

kann der Patient u.a. bestimmen, ob und in welchem Umfang bei ihm in

bestimmten, näher umrissenen Krankheitssituationen medizinische Maß-

nahmen eingesetzt werden sollen.“ Besondere Bedeutung kommt Patien-

tenverfügungen bei Maßnahmen der Sterbehilfe zu (vgl. Kapitel 5).

4.2.2.3 Form der vorsorglichen Willensbekundungen und Wirksamkeit

Grundsätzlich bedürfen Vorsorgeregelungen keiner besonderen Form.

Sie müssen auch nicht schriftlich niedergelegt sein. Allerdings entstehen

bei den Adressaten der Willensbekundungen oftmals Unsicherheiten,

wenn gewisse Formen nicht beachtet werden:152

So wird aus dem Grund der Glaub- und Ernsthaftigkeit zum einen vorge-

schlagen, seine Wünsche schriftlich niederzulegen und zweites das

Dokument nach Möglichkeit selbst handschriftlich zu verfassen. Die

Unterschrift sollte regelmäßig (ca. einmal im Jahr oder situationsbedingt

z.B. vor Krankenhausaufenthalten) mit dem Vermerk versehen werden,

dass der Inhalt des Schriftstücks noch dem Willen des Betroffenen ent-

spricht: z.B.: „Überprüft und bestätigt: Ort, Datum und Unterschrift“153.

Vielfach wird betont, dass Vorsorgeregelungen möglichst konkret und

individuell verfasst werden sollen, damit die Handlungsanweisungen und

Entscheidungsvorgaben nicht falsch verstanden werden und der tatsäch-

liche Wille des Betroffenen umgesetzt wird. Weiterhin können sie „je-

derzeit vom Patienten geändert oder widerrufen werden.“154

Während Wünsche, die ein Betroffener in Betreuungsverfügungen

äußert, auch dann zu beachten sind, wenn dieser nicht voll geschäftsfähig

150 Siehe: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 2, 9f151 Siehe: Bundesärztekammer in: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/04Patver.html [Stand: 12.4.2001]152 Vgl.: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 31f153 Vgl. und siehe: Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung, Informationsheft, S. 17154 Siehe: Bundesärztekammer in: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/04Patver.html [Stand: 12.4.2001];Vgl.: Deinert: Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung (2000), S.16f

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ist (Einwilligungsfähigkeit reicht aus 155), muss bei Vorsorgevollmachten

die Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung des Schriftstücks

zweifelsfrei feststehen. 156 Wie Pardey bemerkt, sei dazu die

Unterschriftsbeglaubigung in der Regel ausreichend (z.B. bei Banken,

Krankenhäusern, ...) und die notarielle Beurkundung nicht nötig. Im

Zweifelsfall jedoch sollte immer durch eine notarielle Beurkundung die

Gültigkeit des Schriftstücks festgestellt werden, insbesondere dann, wenn

im Rahmen der Vollmacht über größere Geldbeträge oder Immobilien

verfügt werden kann. In diesem Fall muss der Notar feststellen, dass zum

Zeitpunkt der Unterzeichnung des Dokuments keine Bedenken bezüglich

der Geschäftsfähigkeit bestehen. 157

4.2.2.4 Zur Aufbewahrung von Vollmachten und Verfügungen158

Da Betreuungsverfügungen lediglich als Grundlage für den richterlichen

Beschluß im Betreuungsverfahren dienen und somit im Grunde damit

kein Missbrauch betrieben werden kann, genügt hier die Aufbewahrung

beim zuständigen Amtsgericht. Sie ist somit im Bedarfsfall jederzeit zu-

gänglich.

Bei Patientenverfügungen gilt ähnliches: Missbrauch ist kaum möglich.

Die Landesärztekammer schlägt daher vor, Patientenverfügungen „bei

den persönlichen Unterlagen, bei Angehörigen oder Freunden, eventuell

beim Hausarzt“ aufzubewahren.

Da Vollmachten je nach Inhalt jedoch zu rechtsgültigem Handeln be-

rechtigen und somit Missbrauch möglich wird, kommt der Aufbewah-

rung besondere Bedeutung zu. Denn einerseits müssen diese Dokumente

im Bedarfsfall für andere Menschen (z.B. Angehörige oder die Bevoll-

mächtigten selbst) zugänglich und auffindbar sein, andererseits soll sie

auch nicht so leicht zugänglich sein, dass Missbrauch betrieben werden

kann. Daher erscheint es sinnvoll, das Original der Vollmacht an einem

155 Anm.: Zur Unterscheidung und Problematik der begrifflichen Unterscheidung(Geschäftsfähigkeit – Einwilligungsfähigkeit): vgl.: Pardey: Betreuungs- undUnterbringungsrecht (2000), S. 48 ff; RZ 129 ff156 Vgl.: Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung, Informationsheft, S. 23157 Vgl.: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 31f; Vgl.:Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung, Informationsheft, S 22f 158 Soweit nicht anders angegeben: Vgl.: Vorsorgevollmacht Betreuungsverfügung,Informationsheft, S20ff.; Landesärztekammer Rheinland-Pfalz: Handreichung

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67

sicheren Ort (Tresor, Rechtsanwalt, Notar, Bank, Hausarzt, beim Be-

vollmächtigten selbst oder einer anderen Vertrauensperson, ...) aufzu-

bewahren und gleichzeitig entweder eine Kopie der Vollmacht oder einen

Verweis, wo das Original aufbewahrt wird, mit sich zu führen.

Der Betreuungsverein des DRK Mainz bietet beispielsweise einen Ser-

vice an, bei dem die Vollmachten in einer zentralen Kartei verwaltet

werden. Gleichzeitig trägt der Betroffene selbst immer ein Plastikkärt-

chen im Scheckkartenformat mit sich, auf dem die wichtigsten Infor-

mationen abgedruckt sind.

4.2.2.5 Kombination der Vorsorgemöglichkeiten

Es ist möglich, die drei vorgestellten Vorsorgemöglichkeiten (und wei-

tere) zu kombinieren. Eine Kombination von Patiententestament und

Vorsorgevollmacht ermöglicht beispielsweise, dass der Bevollmächtigte

im Rahmen dieser Vollmacht auch die Aufgabe bekommt, in den Fällen,

die im Patiententestament angesprochen sind, z.B. gegenüber Ärzten für

die Rechte und den Willen des Patienten einzutreten. Damit soll an dieser

Stelle darauf hingewiesen sein, dass es die Möglichkeit der Kombination

gibt und dass sie in vielen Fällen sinnvoll erscheint. Eine weitere Erör-

terung soll hier nicht erfolgen.

Das Kapitel hat gezeigt, dass Betreuungsrecht und Selbstbestimmungs-

recht in der Tat in einem Spannungsfeld stehen. Schwierigkeiten waren

gerade bei entscheidungsunfähigen Menschen zutage getreten. Es wurde

deutlich, dass es im Rahmen einer Betreuung häufig um ethische Ent-

scheidungen geht, die auf der einen Seite besondere Kompetenzen ver-

langen und auf der anderen Seite offenbar ein Ausschöpfen der verschie-

denen Vorsorgemöglichkeiten nötig machen. Nur dadurch kann offenbar

in solchen Fällen der Entscheidungsunfähigkeit die gesetzliche

Betreuung nicht der Selbstbestimmung des Betreuten entgegenstehen. In

einem Verweis auf das zweite Kapitel sei betont, dass gerade hier die

Bedeutung des Erforderlichkeitsgrundsatzes zum tragen kommt.

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Im Folgenden soll nun dieses Spannungsfeld an einem aktuellen Beispiel

verdeutlicht werden. Gerade beim Thema Sterbehilfe werden dabei die

Kompetenzen der Betreuer, sowie die Vorsorgemöglichkeiten wiederum

zentrale Themen darstellen.

5 Das Selbstbestimmungsrecht am Beispiel der Sterbe-

hilfediskussion

Der Umfang und die vielschichtigen Argumente der Sterbehilfedis-

kussion erfordern es, Schwerpunkte in der Darstellung zu setzen. So

können einige Fragestellungen der Medizinethik, wie die Diskussion um

den Todeseintritt (Hirntod), oder Argumente der Transplantationsethik

hier nicht im grundsätzlich und anderswo nötigen Umfang berücksichtigt

werden. Auch eine Darstellung der Hospizbewegung und anderer Inter-

essensverbände wird sich auf das Wesentliche beschränken. Themen-

gebiete wie der Suizid und dessen mögliche psychosoziale Ursachen,

sowie eine daraus folgende Forderung nach Verbesserung der Suizid-

prävention, kann lediglich als Grundlage dieses Themas angesehen

werden und muß in ihren Ergebnissen vorausgesetzt werden. 159

Im Vordergrund sollen vielmehr aktuelle Statements von Entscheidungs-

trägern (Politiker, Interessensvertreter,...), sowie rechtliche Fragestel-

lungen (Rechtsprechung, Gesetz und Grundgesetz) stehen. Ziel ist es, die

bisher dargestellte Problematik der stellvertretenden Entscheidung am

Beispiel der Sterbehilfe zu verdeutlichen, und damit auch der Frage

nachzugehen, ob die genannten Alternativen zur Betreuung tatsächlich

auch im Umfeld des Sterbens eines Menschen den Hoffnungen, die in sie

gesetzt werden, gerecht werden.

Daher erscheint es auch aus Gründen der Systematik sinnvoll, die Ein-

grenzung des nun folgenden Themas an zwei „Leitfragen“ festzuma-

chen, die sich direkt am Betreuungswesen orientieren:

1. Welche Rolle spielt im juristischen und ethischen Sinn der Be-

treuer, wenn im Fall einer Betreuung Nichteinwilligungsfä-

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higer eine Entscheidung gefällt werden muss, die den Tod und

das Sterben hinauszögert, beschleunigt oder diesen Prozeß

auf andere Weise beeinflusst?

2. Inwiefern stellen Vorsorgemöglichkeiten tatsächliche Alterna-

tiven dar?

Um diese „Leitfragen“ des Kapitels beantworten zu können, sollen zu-

nächst die wesentlichen Begriffe der allgemeinen Diskussion erläutert

und dann einige Stellungnahmen der Diskussion dargestellt werden, um

damit auch den rechtlichen Rahmen, in dem sich die Sterbehilfedebatte

bewegt, deutlich zu machen. Dies soll dahin führen, die Position des Be-

treuers im Spannungsfeld der verschiedenen Ansichten zur Sterbehilfe

mit Hilfe der beiden Leitfragen zu verorten.

5.1 Begrifflichkeiten

• Sterbehilfe

Sterbehilfe ist die begriffliche Zusammenfassung (=Oberbegriff) „für

Handlungen, die von der Hilfe und Unterstützung im Sterben bis hin zur

aktiven Tötung Sterbender oder Schwerstkranker reichen.“160 Ihr Ziel ist

die Erleichterung des Sterbens unheilbar erkrankter Menschen. Im

engeren Sinn umfasst der Begriff das Handeln, „das den leichten und

schmerzlosen Tod eines bereits Sterbenden ermöglichen soll. Da der

Begriff des Sterbens aber einen Vorgang erfasst, der weder medizinisch

noch juristisch exakt abzugrenzen ist, weil er sich über Wochen, ja

Monate erstrecken kann, versteht man heute [im weiteren Sinn] unter

Sterbehilfe auch jede sonstige Hilfe bei Erkrankungen oder Zuständen,

die zwar zum Tode führen, aber noch nicht dem eigentlichen Sterbevor-

gang [...] zugerechnet werden können.“161 Auch aus diesem Grund ist

die Untersche idung zwischen Begriffen, wie z.B. aktiver, passiver oder

indirekter Sterbehilfe sehr wichtig, wenn auch, wie man sehen wird, nur

sehr schwer möglich.

• Euthanasie

159 Vgl. zum Thema: Anschütz / Wedler: Suizidprävention und Sterbehilfe (1996)160 Siehe Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 21 (1993), S. 167

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Der Begriff „Euthanasie“ beschreibt ursprünglich (Griechen, Römer)

nicht Maßnahmen der Sterbehilfe, sondern meint den schnellen, leichten

und schmerzlosen, manchmal auch ehrenhaften Tod eines Kriegers im

Kampf. Erst im Mittelalter bezog man ihn auf die ärztliche Aufgabe,

Sterbenden durch Schmerzlinderung zu helfen. Aufgrund der irrefüh-

renden Benutzung des Wortes durch die Nationalsozialisten (vgl.: Tötung

lebensunwerten Lebens) ist der Begriff heute v.a. in Deutschland um-

stritten und wird häufig, so auch in dieser Arbeit, vermieden. 162

• Sterbebegleitung; Sterbebeistand163

Sterbebegleitung umfasst die Maßnahmen ärztlicher und pflegerischer

Versorgung (=„Basispflege“), sowie die mitmenschliche Begleitung. Die

Intensivierung der Hilfe beim Sterben in diesem Sinn wird v.a. von der

Hospizbewegung gefordert: Deren Ziele sind:

o Pflege und Schmerzlinderung,

o die Wahrung der freien Selbstbestimmung des Sterbenden und

o die mitmenschliche Begegnung.

Dabei sollen die Angehörigen wesentlich einbezogen werden.

• Indirekte Sterbehilfe

„Indirekte Sterbehilfe wird geleistet, wenn tödlich Kranken ärztlich ver-

ordnete schmerzlindernde Medikamente gegeben werden, die als unbe-

absichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleu-

nigen können.“164 Die Zulässigkeit ist heute weitgehend unumstritten

(BGH, Deutscher Juristentag, Bundesärztekammer, Kirchen, Ethik, ...).

• passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe ist der Verzicht auf eine lebensverlängernde Be-

handlung bei einem unheilbar Kranken, dessen Tod alsbald zu erwarten

ist. Es ist hierbei rechtlich unerheblich, „ob eine Behandlung gar nicht

erst aufgenommen wird oder ob es um die spätere Beendigung zunächst

begonnener lebenserhaltender Behandlungsmaßnahmen unter Einschluß

des Abschaltens [intensivmedizinischer] Lebenserhaltungssysteme

161 Siehe Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben (1997), S. 98162 Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 6 (1988), S. 675163 Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 21 (1993), S. 167164Siehe: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 24; Vgl. dazu auch: BrockhausEnzyklopädie, Bd. 21 (1993), S. 168

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(techn. Behandlungsabbruch) geht.“165 Der Abbruch bzw. die Nichtauf-

nahme lebenserhaltender Maßnahmen in unmittelbarer Todesnähe stehen

im Vordergrund (nicht: die Verkürzung des Lebens).

• Hilfe zum Sterben

Die Hilfe zum Sterben umschreibt ebenso wie die passive Sterbehilfe den

Abbruch lebenserhaltender bzw. lebensverlängernder Maßnahmen. Al-

lerdings fehlt hier die unmittelbare Nähe zum Tod (=„mangels unmittel-

barer Todesnähe“). Der Tod wird also auf lange Frist gesehen eingeleitet

und insofern in Kauf genommen, um Leiden zu ersparen. 166

• Aktive Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe, auch direkte Sterbehilfe genannt, ist die gezielte und

tätige Herbeiführung des Todes, z.B. durch die Verabreichung einer den

Tod herbeiführenden Injektion oder Infusion. Auch wenn die aktive

Tötung dem ausdrücklichen Willen des Betroffenen entspricht, ist sie

nach §216 StGB (Tötung auf Verlangen) verboten. 167

Die Abgrenzung der Begriffe führt in der praktischen Auslegung am Fall

oftmals zu Problemen, weil die Grenzen nur undeutlich sind. So ist z.B.

zweifelhaft, ob das Abschalten eines Beatmungsgerätes im Sinn Passiver

Sterbehilfe als ein Verzicht auf eine lebensverlängernde Behandlung zu

werten ist, weil der Patient ja ohne die künstliche Lebensverlängerung

sterben würde. Dagegen setzt diese Handlung jedoch ein „aktives“ Han-

deln voraus, in dessen unmittelbarer Folge der Tod eintritt und insofern

auch als „aktive Sterbehilfe“ bezeichnet werden kann.

Ähnlich verhält es sich beim Abbruch künstlicher Ernährung: Wird durch

die Entfernung einer PEG-Sonde, die dem Patienten Nahrung zuführen

soll, der Sterbeprozeß und damit der Tod unmittelbar eingeleitet, oder

165 Siehe Brockhaus Enzyklopädie (1993), Bd. 21, S. 167166 Vgl. und siehe: Beschluß des OLG Frankfurt am Main vom 15.7.1998 (20 W 224/98,NJW 1998, 2747-2749) in Bauer: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]Anm.: Die Bezeichnung einer solchen Handlung als „Hilfe zum Sterben“ ist in derLiteratur umstritten (vgl.: Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben (1997), S. 98ff;Jürgens: Ist der Tod genehmigungsfähig? BtPrax 1998, 159 in: May: Autonomie undFremdbestimmung (2000), S. 249): Häufig wird auf eine „Wesensnähe“ der „Hilfe zumSterben“ und der „aktiven Sterbehilfe“ hingewiesen. In der vorliegenden Arbeit wirddennoch unterschieden, weil das OLG Frankfurt (s.u.) hier zwischen aktiver Sterbehilfeund Hilfe zum Sterben unterscheidet.167 Siehe: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 24

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wird dadurch „unnatürliches“ Leiden verkürzt, weil der Patient ohne die

medizinische Maßnahme bereits gestorben wäre? Inwieweit ist die Ent-

fernung der PEG-Sonde also eine passives Verhalten, auch wenn die Ent-

fernung der PEG-Sonde „aktiv“ vorgenommen werden muß, oder doch

eher eine aktive Tat? Oder ist darin eine „Hilfe zum Sterben“ zu sehen,

bei der das Sterben eingeleitet wird und der Tod erst in Tagen oder

Wochen zu erwarten ist?

Auf dem Hintergrund solcher Fragestellungen bewegt sich die Diskus-

sion der Sterbehilfe. Verschiedenste Ansichten gibt dazu. Eine eindeutige

Lösung scheint - dies vorweggenommen - nicht in sicht. Weiterhin ist zu

fragen, ob eindeutige Begriffsbestimmungen das ethische Dilemma lösen

können, das im Folgenden dargestellt werden soll:

5.2 Einwilligung in Sterbehilfe

In jede ärztliche Maßnahme muss der Patient bzw. dessen gesetzlicher

Vertreter grundsätzlich zuvor wirksam einwilligen, da diese ansonsten als

Körperverletzung strafbar wäre.168 Eingriffe ohne Einwilligung oder Zu-

stimmung des Patienten oder des Vertreters sind nur in Ausnahmefällen

zulässig, so z.B. bei § 21 PsychKG, sowie bei Gefahr im Verzug (z.B.

lebensrettende Sofortmaßnahmen). Ähnliche Aussagen macht Art. 5 der

Bioethikkonvention169: Danach „dürfen Eingriffe an einer Person im Ge-

sundheitsbereich nur vorgenommen werden, wenn der Betroffene nach

entsprechender Aufklärung vorher seine freiwillige Einwilligung erteilt

hat. Bei einwilligungsunfähigen [...] Personen sind Maßnahmen grund-

sätzlich nur zu ihrem Nutzen und erst dann zulässig, wenn der gesetzliche

Vertreter [...] zugestimmt hat.“

Die Notwendigkeit der Einwilligung ist Ausdruck des allgemeinen Per-

sönlichkeitsrechts und damit des Selbstbestimmungsrechts des Patienten.

Dies muss so erst recht bei ärztlichen Maßnahmen gelten, bei denen der

Tod nicht auszuschließen ist.

168 Vgl.: § 823 BGB, sowie Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S.97ff, RZ 301ff169 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 103, RZ 325

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Wie ist es aber bei ärztlichen Maßnahmen, die den Tod als Ziel oder

„Nebeneffekt“ herbeiführen? Hier geht es also um die Frage, inwieweit

eine Einwilligung in Maßnahmen der Sterbehilfe gegeben werden kann

und inwieweit diese Einwilligung des Patienten bindend für den Arzt ist,

der durch den Hippokratischen Eid 170 dem Leben verpflichtet ist.

Besonders kritisch wird diese Frage dann, wenn der Patient aufgrund

seines Zustandes nicht mehr einwilligungsfähig ist. Die Ersetzung seiner

Einwilligung durch andere Personen oder die „vorsorgliche Willens-

äußerung“ löst das Problem, wie man sehen wird, nur bedingt. Bevor ich

dies aber diskutiere, möchte ich die allgemeinere Diskussion aufgreifen,

die sich mit dem Spannungsfeld von Autonomie auf der einen Seite und

dem Lebensschutz auf der anderen beschä ftigt.

5.2.1 Recht auf Leben contra Selbstbestimmungsrecht

Ein zentrales Problem bei der Sterbehilfeproblematik besteht in der Pola-

risierung der Auslegungen des Begriffs „Selbstbestimmung“: Auf der

einen Seite wird das Selbstbestimmungsrecht als ein „absoluter“ Wert

angenommen. Dann versteht man unter Selbstbestimmung eine Auto-

nomie, die in sich schlüssig begründbar und nur begrenzt in Bezug auf

gesellschaftliche Normen gesehen werden kann: „Autonomie im Sinne

des Respekts vor der Selbstbestimmung des Patienten.“171 Ein Mensch

nimmt seine bürgerlichen Freiheitsrechte wahr, indem er z.B. über Zeit-

punkt, Ort und Form seines eigenen Lebensendes entscheidet. Auf der

anderen Seite wird Selbstbestimmung im Rahmen gewisser Grenzen

definiert. Zu erwähnen ist an dieser Stelle Kants Autonomiebegriff (vgl.

oben): Danach bringt der kategorische Imperativ „eine Idee von Freiheit

zum Ausdruck, die darin besteht, dass menschliches Handeln [...] nicht

einfach zufällig ist, sondern einem Gesetz folgt, das sich vernünftige

170 Wortlaut: Ich gelobe feierlich, „mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zustellen. [...] Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patienten solloberstes Gebot meines Handelns sein....“; vgl. Brockhaus Enzyklopädie (1987), Bd. 2,S. 169)171 Siehe: Fahr in: URL: http://www.ethik-info.de/Inhaltsverzeichnis/Aktive_Sterbehilfe/aktive_sterbehilfe.htm [Stand: 29.4.2001]

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Wesen selbst auferlegen.“172 „Die Ansicht der vernunftgemäßen Hand-

lung als Ausdruck der Autonomie bei Patienten im Sinne Kants führt zu

einem strikten Verbot der Selbsttötung und wohl auch zu einem Verbot

des Therapieabbruchs.“173 Somit wird das Lebensrecht ein solch hohes

Gut, dass es durch keinen subjektiven Willen gebrochen werden kann.

Der Konflikt besteht also nicht nur in einer unterschiedlichen Interpre-

tation des „Selbstbestimmungsrechts“, sondern in einer aus dieser Polari-

sierung hervorgehenden unterschiedlichen Auslegung der beiden Werte:

Lebensrecht und Selbstbestimmungsrecht – beide in Art. 2 GG grund-

gelegt.

Einzelne Stellungnahmen zu den verschiedenen Sichtweisen machen die

Gegensätzlichkeit deutlicher:

Die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin sieht im Lebensschutz einen

weitaus höheren Wert als im Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen:

Man müsse ausschließen, „dass ein Mensch durch die Hand eines ande-

ren stirbt“. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt, das Recht auf

Leben gelte uneingeschränkt.174

Im Gegensatz dazu vertritt die DGHS (Deutsche Gesellschaft für Huma-

nes Sterben) die Position, der niederländische Weg (vgl. unten!), aktive

Sterbehilfe in bestimmten, eng definierten Fällen zuzulassen, sei kein

Tabubruch, sondern „ein mutiges Aufgeben von rechtlichen Hilfskon-

struktionen, die aktive Sterbehilfe bisher lediglich tolerierten“. So habe,

wie der Anästhesist Admiraal bemerkt, jeder „das Recht, sein Leiden als

unerträglich zu empfinden und Euthanasie [175] zu erbitten“. Die DGHS

fordert daher „klare Definitionen der Sterbehilfe“, um dadurch Grau-

zonen zu „beseitigen, in denen sich die Ärzte bei täglichen Entschei-

dungen über Leben und Tod befinden.“ 176

172 Siehe: Fahr in: URL: http://www.ethik-info.de/Inhaltsverzeichnis/Aktive_Sterbehilfe/aktive_sterbehilfe.htm [Stand: 29.4.2001]173 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 41174 Vgl. und siehe: Kopka / Berger: Lizenz zum Töten? In: Die Woche: URL:http://www.woche.de/pdf/100131.pdf [Stand: 29.4.2001]175 Anm.: Euthanasie im Sinn aktiver Sterbehilfe!176 Anm.: In den Niederlanden „tolerieren die Gerichte seit 1984 die Tötung aufVerlangen, wenn sie von Ärzten vorgenommen wird und die Umstände genaudokumentiert werden.“ (vgl.: Thorbrietz: Gift per Mausklick in: Die Woche in: URL:http://www.woche.de/titeltextaktuell5.htm [Stand: 2.3.2001])

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In der Tat würden klarere Begriffsdefinitionen vermutlich die Entschei-

dungsfindung in vielen Fällen erleichtern. Jedoch wird hier wiederum

entgegnet, man könne nur mit einer individuellen Bewertung den Be-

dürfnissen der Patienten gerecht werden und nicht durch allgemeine neue

rechtliche Bestimmungen.

Die kontroversen Haltungen führen zu teilweise heftigen emotionalen

Reaktionen der Interessensvertreter: So wurde der umstrittene Mainzer

Rechtsphilosoph Hoerster wegen seiner liberalen Thesen zur Sterbehilfe

durch eine Gruppe Behinderter und deren „Unterstützer“ am Reden ge-

hindert und hat mittlerweile „quasi Redeverbot“. Hoerster sieht sich un-

gerecht behandelt, da er lediglich für eine „humanere und weniger verlo-

gene Sterbehilfe“ eintrete.177

Bei der Recherche insbesondere nach aktuellen Artikeln zu dem Thema

Sterbehilfe im Internet fällt auf, dass die Meinungen (ebenso wie im ge-

schilderten Fall) unvereinbar scheinen: Bei nur wenigen anderen Themen

sei „die deutsche Gesellschaft so gespalten“, wie Kopka und Berger be-

merken. 178 Pessimistische Stimmen meinen sogar, es gäbe gar keine Lö-

sung: „Der Konflikt ist unlösbar – deshalb wird so erbittert und oft ver-

letzend gestritten über die aktive Sterbehilfe.“ Zwei ethische Grundhal-

tungen stießen aufeinander, „jede für sich wertvoll und wichtig, zusam-

men aber unvereinbar.“179 So sind die Ärzte (nicht nur) durch den Eid

des Hippokrates an das Lebensrecht gebunden, müssen aber gleichzeitig

das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen wahren, um sich nicht wegen

Körperverletzung strafbar zu machen: Ein Spannungsfeld zwischen

echter medizinischer Hilfe im Sterben auf der einen und Körperver-

177 Vgl. und siehe: in Keßler: Gesinnungsterror in: Die Zeit: URL:http://www.zeit.de/1999/3/199903_hoerster.htm [Stand: 9.4.2001]178 Vgl.: Kopka / Berger: Lizenz zum Töten? in: Die Woche: URL:http://www.woche.de/pdf/100131.pdf ; [Stand: 29.4.2001]Anm.: Eine Forsa-Umfarge im Auftrag der „Woche“ (Quelle: ebd.) zeigt, dass eingroßer Teil der Bevölkerung (je nach Quelle zwischen 60 und 80 %) aktive Sterbehilfebefürwortet. Insbesondere die „Funktionäre“ lehnten diese aber großteils ab.179 Vgl. und siehe: Hölscher in: Frankfurter Rundschau: URL: http://www.fr-aktuell.de/fr/110/t110002.htm [Stand: 11.4.2001]

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letzung oder sogar Totschlag und unterlassener Hilfeleistung auf der

anderen Seite.180

Das Grundgesetz macht keine Aussagen darüber, welche Ansicht nun die

richtigere ist. Es sagt lediglich, dass der Wesensgehalt eines Grundrechts

nicht verändert werden darf (Vgl. Kapitel 3.2). Die Idee einer „pluralisti-

schen Gesellschaft“ (wie in Deutschland) sieht nicht vor, solche Wertun-

gen „zentral“ in einer Verfassung pauschal vorwegzunehmen. 181 Insofern

bleibt es Auslegungssache, in welchem Verhältnis das Selbstbestim-

mungsrecht nun zum Lebensrecht steht.182 Verschiedene Urteile (vgl.

unten) bringen diese „Wertekonkurrenz“ deutlich zum Ausdruck.

Man könnte auf die Idee kommen, zur Lösung des geschilderten Span-

nungsfeldes, das Argument der Menschenwürde (Art. 1 GG) in die

Diskussion mit einzubeziehen. 183 Von der Menschenwürde le itet sich

nach Kant nämlich die Autonomie des Einzelnen ab.184 Dabei ließen sich

dann vielleicht auch Vorstellungen von menschenunwürdigem Am-

Leben-Erhalten und menschenunwürdigem Sterben erläutern und ver-

stehen.

Aber: Auch der Hinweis auf die Menschenwürde hilft hier nicht weiter,

wie Uhlenbruck185 darlegt: Da der Begriff der Menschenwürde davon

abhängt, wer ihn definiert (Philosophie, Sozialtheorie, Theologie,

Rechtswissenschaft, ...), ist eine inhaltliche Definition nicht möglich

(also nicht: „Menschenwürde als absolutes Maß“).186

180 Vgl.: Höfling in Schell: URL: http://www.wernerschell.de/Rechtsalmanach/Heilkunde/sterbehilfe_integritaetsschutz.htm [Stand:12.4.2001]181 Vgl. dazu auch: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 17 (1992), S. 257182 Anm.: Es gibt das Recht auf Leben (Art. 2 II GG), sowie das Recht aufSelbstbestimmung (Art. 2 I GG). Ein Recht auf Tod gibt es nicht (vgl. dazu unten!).183 Anm.: Vielfach wird in der Diskussion auf das Rechts eines menschenwürdigenTodes hingewiesen (z.B. in Model / Müller: Grundgesetz (1996), S. 81f, RZ 20). DiesesArgument beschäftigt sich aber auch wiederum nicht mit der grundsätzlichen Frage(aktive / passive / indirekte Sterbehilfe: ja oder nein?), sondern mit Detailfragen, wieeiner „Objektmedizin“ (Krankheit steht im Vordergrund) (statt „Subjektmedizin“ =Mensch steht im Vordergrund) am Lebensende. (vgl. dazu unten!)184 Vgl.: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 23185 Vgl.: Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben (1997), S. 20 f186 Anm.: Uhlenbruck (nach Paul Sporken in Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben(1997), S. 21) bemerkt lediglich, dass es die Menschenwürde gebiete, das Sterben weder(„bis ins Absurde“) sinnlos zu verlängern, noch zu verkürzen.

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Sicher ist nur, dass es ein Recht auf menschenwürdiges Sterben gibt, da

das Menschenleben auch und gerade im Sterben untrennbar mit der

Menschenwürde verbunden ist. So könnte man als Befürworter aktiver

Sterbehilfe das Argument der Menschenwürde verwenden, um die Qua-

len eines sterbenskranken Menschen als „menschenunwürdig“ zu be-

zeichnen. Gleichzeitig könnte man für das Verbot aktiver Sterbehilfe

argumentieren, indem man die Lebensverkürzung als „menschenun-

würdig“ bezeichnet, weil das Recht auf Leben uneingeschränkt gilt und

die Menschenwürde das Dasein als Mensch charakterisiert.

In das obengenannte breite Spektrum der Auslegung des Begriffs der

Selbstbestimmung bricht eine durchaus begründete Angst, dem medizi-

nischen Fortschritt und einem Überaktionismus der Ärzte (oder ggf.

anderer Entscheidungsträger) gerade im Sterben nicht gewachsen zu

sein.187

Hinzu kommen Fremdinteressen, wie finanzieller Druck (z.B.) seitens

der Krankenkassen oder Krankenhäuser, bzw. Interessen möglicher Er-

ben, sich für die eine oder andere Alternative zu entscheiden (u.a.).

Die Internationale Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand

(IGSL-Hospiz) sieht v.a. zwei Fragen im Mittelpunkt alter und sterbender

Menschen:188

„Zum einen plagt viele Menschen die Sorge, durch Intensivmedizin werde

ihr Leiden und ihr Leben unnötig verlängert. Sie haben Angst, ihre

Würde zu verlieren, Angst, an nicht beherrschbaren Schmerzen leiden zu

müssen. Zum anderen wollen alte Menschen ihren Mitmenschen nicht zur

Last fallen und haben deshalb fast panische Angst, pflegebedürftig zu

werden.“

Kann man da noch von Autonomie sprechen? „Wie soll schließlich der

schwerkranke und oft bewusstlose Patient in seiner ohnehin prekären

187 Vgl.: Uhlenbruck: Selbstbestimmtes Sterben (1997), S. 11ff188 Siehe: Resolution der IGSL-Hospiz vom März 2001

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Lage auf der Intensivstation noch in der Lage sein, von seiner Autonomie

und Selbstbestimmung angemessenen Gebrauch zu machen?“189

5.2.2 Rechtliche Situation in Deutschland

Die derzeitige Gesetzeslage in Deutschland geht davon aus, dass aktive

Sterbehilfe, auch der Versuch dazu, strafbar ist (§216 StGB: Tötung auf

Verlangen). Selbst wenn es der ausdrückliche Wunsch des Patienten ist,

sein Leben zu beenden, bleibt eine aktive todbringende Maßnahme durch

den Arzt oder durch Angehörige eine strafbare Handlung.

Eine Beihilfe zum Suizid und die Teilnahme daran hingegen ist grund-

sätzlich nicht strafbar. Der BGH schränkt diesen Grundsatz allerdings

erheblich ein, indem er bereits die Anwesenheit beim Selbstmordge-

schehen für unterlassene Hilfeleistung hält, wenn der „Helfer“ den Suizid

nicht verhindert, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre.190

In beiden Fällen wird also der Lebensschutz über den Willen und das

Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestellt: Es soll dem Patienten

nicht ermöglicht werden, sich freiwillig töten zu lassen. Festzustellen

bleibt jedoch, dass sich jeweils nicht der Patient strafbar macht, sondern

der „Helfer“. Er selbst bleibt in jedem Fall, auch wenn er überlebt, straf-

frei.

Die Straffreiheit der Selbsttötung ergibt sich aus Art. 2 I GG: Dazu ge-

hört (nach der allgemeinen Auslegung des Persönlichkeits- und Selbstbe-

stimmungsrechts) auch das Recht, über sein eigenes Leben und dessen

Beendigung entscheiden zu dürfen. 191

Die Strafbarkeit der Beihilfe zum Selbstmord oder der tatsächlichen akti-

ven Sterbehilfe folgt aus dem Recht auf Leben (Art 2 II Satz 1 GG) und

aus der daraus hervorgehenden „Schutzbefugnis des Staates, die die

Handlungsfreiheit des Betroffenen, in gewissem Umfang auch die Frei-

189 Siehe: Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]190 Siehe: Kutzer in: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 25fAnm.: Bei Ärzten oder beim Pflegepersonal ist weiterhin gesondert zu prüfen, „ob nichtdie strafrechtliche Garantenpflicht des Arztes oder des Krankenhauses für das Lebendes Patienten ein Einschreiten gebietet oder ob eine Strafbarkeit wegen unterlassenerHilfeleistung nach §323c StGB in Betracht kommt.“ (ebd.)191 Vgl.: Kutzer in: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 25f

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heit der Person [...], beschränkt. Allerdings ist der Entscheidungsfreiheit

des Betroffenen großes Gewicht zuzuerkennen“. 192

a) Rechtsprechung

In der Auslegungsbedürftigkeit dieser Entscheidungsfreiheit, die un-

trennbar mit dem Recht auf und der Fähigkeit zur Selbstbestimmung zu-

sammenhängt aber nicht ohne weiteres dem Lebensschutz des Art. 2 II

GG entspricht, besteht nun das Problem: „Es gelte also, den Konflikt

zwischen dem hohen Anspruch an die Achtung des Lebens und den

ebenfalls hohen Anspruch auf Achtung der Selbstbestimmung der Person

und ihrer Würde zu lösen“, so das OLG Frankfurt am 15.7.1998 in seiner

Begründung zu einem Fall, bei dem die Sondennahrung (PEG) einer 85-

jährigen Dauer-Komapatientin (keine unmittelbare Todesnähe!) aufgrund

eines früher geäußerten Willens, „kein langes Sterben ertragen zu wol-

len“, eingestellt wurde.193 Ist ein solches Verhalten nicht auch Tötung auf

Verlangen, also strafbar? Muss hier nicht auch der Lebensschutz mehr

zählen als eine freiheitliche Selbstbestimmung?

Im vorliegenden Fall waren die Richter der Meinung, dass zwar

„mangels unmittelbarer Todesnähe keine geplante sog. "passive Sterbe-

hilfe" [im engeren Sinne vorliege], sondern es [gehe] um den Abbruch

einer lebenserhaltenden Maßnahme ("Hilfe zum Sterben"). Bei dieser

[sei] das Selbstbestimmungsrecht des Patienten als Ausdruck seiner all-

gemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unver-

sehrtheit (Artikel 2 II 1 GG) grundsätzlich anzuerkennen“.194

Die Richter sahen also die Meinung der Patientin, „kein langes Sterben

ertragen zu wollen“, als „mutmaßlichen Willen“ an. Sie interpretierten

dies im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Patientin als (wenn auch

zeitversetzte, aber dennoch wirksame) Willensäußerung, Maßnahmen

zum Lebenserhalt, wie die Ernährung durch eine PEG-Sonde, bei der

keinerlei Hoffnung auf Besserung bestand, abzubrechen. Insofern

192 Siehe: Jarass: GG (2000), S. 86; RZ 71193 Vgl. und siehe: Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]194 Siehe: Wortlaut des Beschlusses: Deinert in: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand: 10.4.2001]

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äußerten sich die Richter auch in der Begründung dahingehend, dass an

die Feststellung der mutmaßlichen Einwilligung wegen des Lebens-

schutzes „strenge Anforderungen zu stellen seien, während bei nicht auf-

klärbarer mutmaßlicher Einwilligung dem Lebensschutz der Vorrang

einzuräumen sei.“195

Der Fall zeigt, dass die Grenzen zwischen einer dem Tod noch fernen

Hilfe zum Sterben, aktiver, passiver sowie indirekter Sterbehilfe fließend

und in der Bewertung jeweils im höchsten Maß vom Einzelfall abhängig

sind. So ist die passive, wie auch indirekte Sterbehilfe in Deutschland

gängige und auch straffreie Praxis, wenn sie dem Willen des Be trof-

fenen entspricht. Allerdings ist es strittig, ob z.B. (wie beim vorliegen-

den Fall) die Entfernung einer PEG-Sonde dem Abbruch einer lebenser-

haltender Maßnahmen gleichkommt, oder ob diese Maßnahme nicht doch

eher als „aktive“ Sterbehilfe, d.h. gezielte und tätige Herbeiführung des

Todes gewertet werden muss.196

Interessant dabei ist auch die Frage, welchen Stellenwert die verschie-

denen „künstlichen“ Ernährungsformen im Bezug auf den Abbruch

lebensverlängernder oder verkürzender Maßnahmen haben: Ist das (das

Sterben beschleunigende) Absetzen einer (ansonsten wenigstens kurz-

fristig lebenserhaltenden) Infusion ein geringerer Eingriff, als die Been-

digung der Nahrungszuführung (z.B. Tee) mit Hilfe von Nasen-

schläuchen? Welche Bedeutung hat beispielsweise bei der Nahrungszu-

fuhr über Nasenschläuche die Umstellung von kalorienreicher Kost auf

kalorienarmen Tee? Wo ist da vom ethischen Gesichtspunkt der Unter-

schied zu der Entfernung einer PEG-Sonde? In jedem Fall gehört die

Zuführung von Nahrung zur Grundversorgung.

Inwieweit und in welcher (angemessenen) Dosis ist die Infusion von

schmerzlindernden Medikamenten als Palliativmedizin197 zu werten, als

195 Vgl. und siehe: Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]196 Vgl.: Leicht: Wenn der Tod gewollt ist in: Die Zeit (1998) in: Deinert in: URL:http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand:10.4.2001]197 Anm.: Palliativmedizin: krankheits- bzw. schmerzlindernde Medizin, die jedochnicht die Krankheitsursache bekämpft. (Vgl.: Brockhaus Enzyklopädie (1991), Bd. 16,S. 456)

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indirekte oder passive Sterbehilfe oder doch (bei „Überdosis“) eine ak-

tive Tötung?

In der Rechtsprechung werden hier nur unklare Grenzen gezogen. Auf

der einen Seite wird eine klare Definition der Begriffe eingefordert. Die

Gegenposition steht auf dem Standpunkt, eine solche Grenzziehung sei

schlicht und ergreifend nicht möglich und vom Einzelfall abhängig. Der-

zeit ist die Klärung der Unsicherheiten weiterhin offen.

b) Der mutmaßliche Wille

Wie oben bereits bei der Betreuerbestellung sowie bei Maßnahmen im

Rahmen der Betreuung gegen oder ohne den Willen, tritt vielmehr, wie

im Urteil der OLG Frankfurt, das Problem des Wohls und des Willens

des Betroffenen und der damit zusammenhängenden Willensermittlung

in den Vordergrund. Entscheidungskriterium im vorliegenden Fall, wie

auch in einem anderen Fall, mit dem sich der BGH am 13.9.1994 im sog.

„Kemptener Urteil“ beschäftigte198, war der angenommene, mutmaßliche

Wille des Patienten: „Der mutmaßliche Wille kann auch dann ein Recht-

fertigungsgrund für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen sein,

wenn der eigentliche Sterbeprozeß noch nicht eingesetzt hat.“199 Der

BGH führte zur Willensermittlung aus: „An die Voraussetzungen für die

Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses sind strenge Anforde-

rungen zu stellen. Hierbei kommt es vor allem auf frühere mündliche

oder schriftliche Äußerungen des Patienten, seine religiöse Überzeu-

gung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbe-

dingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen an.“200

Pardey kritisiert die Formulierungen des Urteils (mutmaßlicher Wille –

bei strenger Prüfung) scharf, indem er sie für eine „(juristische) Formu-

lierung“ hält, „die jedenfalls z.T. mehr nach Ausweichen klingt als nach

konkret umsetzbarem Einzelkriterium“.201

Ebenso distanzierte sich nur knapp 2 Wochen nach der Entscheidung des

OLG Frankfurt der Vormundschaftsgerichtstag in seiner Stellungnahme

198 Vgl.: BGHSt 40, 257 in: Kutzer in: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 21f199 Vgl.: Kutzer in: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S. 22200 Siehe BGHSt 40, 257 in: Kutzer in: Lehmann, Engelhardt: Leben bis zuletzt, S.23201 Siehe: Pardey: Betreuungs- und Unterbringungsrecht (2000), S. 104 (Fußnote 132)

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(27.7.1998): „Der Beschluss des OLG Frankfurt verstoße gegen die

Verfassung. Das Thema Sterbehilfe müsse gesetzlich geregelt werden, da

ein Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit

(Artikel 2 II GG) nur auf Grundlage eines Gesetzes möglich sei. Der Ge-

setzgeber stelle derzeit, wie aus der Strafvorschrift in § 216 StGB (Tö-

tung auf Verlangen) ersichtlich sei, den Lebensschutz sogar über das

Selbstbestimmungsrecht des Getöteten.“202

Nur wenige Wochen Später, am 11.9.1998 griff allerdings die Bundes-

ärztekammer (BÄK) in den sog. „Grundsätzen der Bundesärztekammer

zur Sterbebegleitung“ den Begriff des „mutmaßlichen Patientenwillens“

erneut auf:203 „Der Arzt hat den mutmaßlichen Willen aus den Gesamt-

umständen zu ermitteln...“ In ihrer Auslegung hält sie sich eng an die

Formulierung des eben zitierten BGH – Beschlusses.

Die Arbeitsgruppe „Zu hause Sterben“ bemängelt an der Formulierung

der BÄK, dass diese „wiederholt nicht nur den Willen des Patienten als

Handlungsrichtschnur anführt, sondern auch den mutmaßlichen Willen“.

Student, der wissenschaftliche Leiter der Arbeitsgruppe, bezeichnet den

„mutmaßlichen Willen“ als ein „höchst problematisches Konstrukt, wenn

es um Entscheidungen geht, die unwiderruflich den vorzeitigen Tod der

Patienten zur Folge haben.“ Dazu führt er aus, dass niemand den mut-

maßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Patienten ersetzen könne,

weil eine solche Situation nicht voraussehbar sei. Einem anderen Men-

schen, der nicht mehr einwilligungsfähig ist (im Beispiel der Quelle:

Apallisches Syndrom = Wachkoma), einen „erklärten Willen“ zu

unterstellen, wirke geradezu grotesk, so Student.

Der Kölner Rechtswissenschaftler Höfling204 kommt zu einem ähnlichen

Ergebnis: „Der Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung des Patien-

ten führt [...] in ein Labyrinth ungelöster Probleme und kann möglicher-

weise dazu beitragen, dass die Hemmschwelle für menschliche Tötungs-

202 Siehe: Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]203 Vgl. und siehe: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standard Frameset/index.htm?/Homepage/publikationen_itn/08richtlinien_itn/85_sterbe.htm [Stand: 11.4.2001]204 Direktor des Instituts für Staatsrecht der Uni Köln und Leiter der Forschungsstellefür Recht des Gesundheitswesens (vgl.: URL: http://www.wernerschell.de/Rechtsalmanach/Heilkunde/sterbehilfe_integritaetsschutz.htm [Stand: 29.4.2001])

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wünsche herabgesetzt wird.“205 Daher fordert er „verfassungsrechtliche

Bemühungen, um den Übergang von passiver Sterbehilfe (beispielsweise

das Abschalten einer Beatmungsmaschine) zu aktiver Sterbehilfe (z.B.

das Setzen einer Giftspritze) zu erschweren und Entwicklungen in Rich-

tung auf ein Modell der Euthanasie in Deutschland entgegenzu-

steuern.“206

Die „Deutschen“ haben mit einer eindeutigen Haltung zum Problem der

Sterbehilfe, wie die Stellungnahmen zeigen, besondere Schwierigkeiten.

Ein solch kontroverser Umgang hat auch mit der deutschen Vergangen-

heit zu tun: Aufgrund des Missbrauchs der „Euthanasie“ unter der natio-

nalsozialistischen Diktatur ist es sicherlich angebracht, wenn gerade die

Deutschen besonders sensibel das Thema aktive Sterbehilfe angehen.

„Respekt vor dem Leben und Hilfe in der letzten Phase des Lebens

schließen aus, dass ein Mensch durch die Hand eines anderen stirbt. Das

ist, man kann es drehen und wenden wie man will, Euthanasie.“207

Dennoch: Eine Lösung der Diskussion in Deutschland scheint unmittel-

bar nicht in Sicht, zumal die deutsche Bundesjustizministerin keinen Re-

gelungsbedarf sieht. Auf die Frage, ob nicht mehr gesetzlich geregelt

werden müsse antwortete Däubler-Gmelin in einem Spiegel Interview

unmissverständlich: „Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht

aus“. Sie fordert vielmehr in diesem Zusammenhang im Rahmen der-

zeitiger rechtlicher Regelungen einen „neuen Konsens für ein würdiges

Sterben an der Hand eines anderen, der die Schmerzen nimmt, aber nicht

durch die Hand eines anderen“.208 Die Förderung der Palliativmedizin,

sowie die Akzeptanz, dass der Tod zum Leben gehöre und jeden angehe,

weil ihn jeder früher oder später erlebe, gehören zu den Hauptforde-

rungen der Hospizbewegung, deren Schirmherrin die Ministerin ist.

205 Siehe: Höfling in Schell: URL: http://www.wernerschell.de/Rechtsalmanach/Heilkunde/sterbehilfe_integritaetsschutz.htm [Stand: 29.4.2001]206 Siehe: Höfling in Schell: URL: http://www.wernerschell.de/Rechtsalmanach/Heilkunde/sterbehilfe_integritaetsschutz.htm [Stand: 29.4.2001 ]207 Siehe: Däubler-Gmelin in: URL: http://www.aerztezeitung.de/docs/2001/04/11/068a0601.asp?cat=/news [Stand: 29.4.2001]208 Siehe: Däubler-Gmelin in: URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,114181,00.html [Stand: 29.4.2001]

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Insbesondere die Forderung nach einer besseren Palliativmedizin wird

weitgehend von allen öffentlichen Meinungsträgern unterstützt: Ärzte-

kammer, Vormundschaftsgerichtstag, die verschiedenen Hospiz-Verei-

nigungen, die Kirchen, die Politik, Pressevertreter, selbst die o.g. DGHS,

u.v.a.. Hier scheint also ein „Minimalkonsens“ zu herrschen. Ebenso ist

die Verbesserung und Humanisierung der Sterbebegleitung nicht Ge-

genstand des Problems, wenn auch im Rahmen der Diskussion immer

wieder auf deren zentrale Bedeutung (als Alternative v.a. zur aktiven

Sterbehilfe) zu Recht hingewiesen wird.

Gerade ein sensibler Umgang mit dem Thema Sterbehilfe, insbesondere

wenn es um die aktive Sterbehilfe geht, erfordert einen differenzierten

Blick auf die Regelungen im Ausland. Als eine gute und knappe Zusam-

menstellung erscheint mir die des MDR, die im Anhang beigefügt ist.

Daher verzichte ich an dieser Stelle auf eine Darstellung der Regelungen

der dort aufgeführten Länder. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen,

dass all diese Länder offenbar ähnliche Probleme haben, eindeutige Re-

gelungen zu finden. In Frankreich beispielsweise gibt man sich zufrieden

mit dem grundsätzlichen Verbot der aktiven Sterbehilfe, behält sich je-

doch die Möglichkeit vor, in Ausnahmefällen mildere Strafen ausspre-

chen zu können als bei Mord oder Totschlag. „Liberalere“ Wege be-

schreiten die Schweiz und Belgien. In jüngster Zeit ist der holländische

Weg Gegenstand der Debatte geworden. Diesen möchte ich nun in Kürze

darstellen:

5.2.3 Der Holländische Weg

Seit den 60er Jahren gilt die Niederlande als Vorreiter auf dem Gebiet

der aktiven Sterbehilfe. So wird seit 1994 aktive Sterbehilfe unter be-

stimmten Voraussetzungen toleriert. Allerdings gab es bisher keine bin-

denden Regelungen dafür und sie wurde in einer rechtlichen Grauzone

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praktiziert.209 Am 11.4.2001 schließlich wurde das „Gesetz über die Kon-

trolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbst-

tötung“210 verabschiedet.

Das umstrittene Gesetz löste heftige z.T. emotionale Reaktionen aus:

Von den einen als „Katastrophenfall“ gescholten, weil es „das erste

Euthanasie-Gesetz der Welt seit der Nazi-Zeit“211 sei, von anderen als

„Weltpremiere gepriesen“212. Die einen lehnen den Vorstoß als „Tabu-

bruch“ und „Rückfall in eine Euthanasie- und Übermensch-Mentali-

tät“213 ab, andere wiederum „begrüßten das Gesetz als Tabu-Bruch“214.

Ein Widerspruch, der kaum größer sein könnte!

In der Ärztezeitung vom 11.4.2001 werden die Inhalte des neuen Geset-

zes wie folgt zusammengefasst215:

• Der Arzt muss sich vergewissern, daß ein "wohlüberlegtes" Hilfe-gesuch des Patienten vorliegt,

• er muss der Überzeugung sein, daß der Patient "aussichtslos undunerträglich" leidet,

• er hat den Patienten über seine Situation und die Heilungsaus-sichten informiert, und

• der Arzt hat mindestens einen weiteren unabhängigen Arzthinzugezogen, der den Patienten untersucht und die vorgenanntenKriterien geprüft hat.

Dann muss ein Prüfungsausschuß (bestehend aus jeweils einem Juristen,

Mediziner und Ethiker) über das Vorgehen des Arztes entscheiden.

Reuters216 nennt weitere Einzelheiten: So müsse nach dem neuen Gesetz

ein „Arzt-Patienten-Verhältnis“ bestehen, d.h., der Patient muss sich in

209 Vgl. z.B.: NDR4 in: Sterbehilfe-Gesetz - Was damit geregelt wird. In: URL:http://www.ndr4.de/aktuell/sterbehilfe.html [Stand: 29.4.2001]210 Gesetzentwurf in deutscher Sprache im Internet unter: URL:http://www.minjust.nl:8080/c_actual/persber/26691-duits.pdf [Stand: 27.4.2001]211 Siehe: Schweihoff (Hospiz-Stiftung) in: URL: http://www.wernerschell.de/Rechtsalmanach/Heilkunde/euthanasie_gesetz_holland.htm [Stand: 29.4.2001]212 Siehe: Levý in: URL: http://www.faz.de/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=faz/content.asp&rub={B02AFBB3-E1E0-4556-B06E-092A3599848A}&doc={2EBAE35A-C6C7-4E54-964C-4137742AF81A} [Stand: 12.4.2001]213 Siehe: Thomas (Vorsitzender des Hartmannbundes) in: Plischke in: URL:http://www.epd.de/nachrichten/main_nachrichten.phtml [Stand: 12.4.2001]214 Siehe: Reuters, 12.4.2001 in: Sterbehilfe in Niederlanden stößt auf geteiltes Echo. In:URL: http://www.icn4u.de/TopNews/15974/ [27.4.2001]215 Siehe: URL: http://www.aerztezeitung.de/docs/2001/04/11/068a0601.asp?cat=/news[Stand: 27.4.2001]216 Vgl.: URL: http://www.tagesschau.de/archiv/2001/04/11/aktuell/meldungen/hg-sterbehilfe?layout=print [Stand: 27.4.2001]

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der Behandlung des Arztes befinden, der aktiv „beim Sterben hilft“. Da-

mit solle einer Art „Sterbetourismus“ nach Holland vorgebeugt werden.

Weiterhin dürfe es „keine andere medizinische Alternative“ zur Sterbe-

hilfe geben und erst dann dürfe das Leben des Kranken, dem Wortlaut

des Gesetzes nach, in einer „medizinisch angemessenen Weise“ beendet

werden. Nach der Sterbehilfe hat der Arzt die zuständige Behörde zu

informieren.

Sterbehilfe im Allgemeinen war das Thema der beiden voranstehenden

Kapitel. Dabei sollten die Begrifflichkeit wie auch die Diskussion um

dieses Thema möglichst differenziert dargestellt werden, um die hitzig

ausgelebten Kontroversen diesbezüglich, formal wie inhaltlich nachvoll-

ziehen zu können. Interessant schien in diesem Zusammenhang auch die

Darstellung der neuen niederländischen Regelung, insbesondere mit

Blick auf deren Echo im Ausland.

All dies hat in dieser Arbeit die Zielrichtung, die rechtlichen und ethi-

schen Spannungsfelder zu verdeutlichen, innerhalb derer der Betreuer

wie auch der Betreute Entscheidungen über Leben und Tod fällen können

oder nicht. Daher sollen an dieser Stelle die oben aufgeworfenen „Leit-

fragen“ aufgegriffen werden:

5.3 Verantwortungsdelegation

„Grundsätzlich soll ein Patient selbst entscheiden, welche medizinische

Behandlung die Ärzte bei ihm vornehmen. Wer aber soll ihm diese Ent-

scheidung abnehmen, wenn er sie selbst nicht treffen kann?“217

Klar ist, dass bei derzeitiger deutscher Rechtslage keine Einwilligung in

„aktive“ lebensverkürzende Maßnahmen gegeben werden darf – von

niemandem.

Die Frage der Einwilligung in Maßnahmen des Behandlungsabbruchs mit

zu erwartender Todesfolge ist strittig: Im Fall, dass der Wille des Patien-

ten eindeutig ermittelt werden kann, hat grundsätzlich der Patientenwille

Vorrang, solange „aktive“ Sterbehilfe ausgeschlossen werden kann. Auf

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die Problematik der Annahme eines „mutmaßlichen Willens“ wurde oben

bereits eingegangen. Nun geht es um die Frage, wer Entscheidungsträger

ist in dem Fall, dass der mutmaßliche Wille nicht eindeutig festgestellt

werden kann:

Im bereits erwähnten Beschluß des OLG Frankfurt vom 15.7.1998 wurde

im Rahmen einer Betreuungssache über eine Beschwerde der Ver-

fahrenspflegerin entschieden, die für die Einstellung der Sondennahrung

(PEG) bei einer Dauer-Komapatientin die vormundschaftsgerichtliche

Genehmigung nach § 1904 BGB218 einholen wollte. Der Antrag wurde in

den Vorinstanzen abgelehnt: Sowohl das zuständige Amtsgericht als

auch das Landgericht waren der Ansicht, § 1904 BGB sei „nicht analog

auf die gezielte Herbeiführung des Todes“ anwendbar.

„Die Richter des 20. Zivilsenats des OLG Frankfurt änderten die Ent-

scheidungen der Vorinstanzen ab und vertraten die Auffassung, es liege

eine Gesetzeslücke vor. Der Gesetzgeber habe das Betreuungsrecht unter

Wahrung der größtmöglichen Autonomie der Betroffenen regeln wollen.

Eine Analogie sei möglich, zumal der geregelte Tatbestand der Risiko-

operation und der nicht geregelte Tatbestand eines Behandlungsab-

bruchs bei wertendem Denken nicht absolut ungleich seien. Wenn schon

eine Risikooperation vorab genehmigt werden müsse, bedürfe ein Be-

handlungsabbruch erst recht der Genehmigung des Vormundschaftsge-

richtes.“219

Mit der (aufgrund rechtsethischer und -historischer Gründe in der

Rechtsordnung) grundsätzlich nicht vorgesehenen Möglichkeit, dass

„Richter über Leben und Tod“ entscheiden dürfen, habe der Beschluß

nichts zu tun: Vielmehr solle durch die richterliche Genehmigung einem

Missbrauch entgegengewirkt werden.

217 Siehe: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/pressestelle.htm [Stand:29.4.2001]218 Wortlaut des § 1904 BGB: „Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchungdes Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarfder Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, wenn die begründete Gefahr besteht,dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren unf längerdauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. [...]“219 Siehe: Pressemitteilung des OLG (1998) in: Deinert in: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.html [Stand: 10.4.2001]

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Daher könne der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen „durch das

Vormundschaftsgericht genehmigt werden, wenn dies dem zuvor geäu-

ßerten oder dem mutmaßlichen Willen eines im Koma liegenden Patien-

ten entspricht und ein bewußtes und selbstbewußtes Leben nicht mehr zu

erwarten“220 sei, so die Präsidentin des OLG.

Nach Auffassung des OLG ist also der Betreuer berechtigt und ver-

pflichtet, auch bei Maßnahmen, die über das Maß einer „Risikoopera-

tion“ hinausgehen, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach §

1904 BGB einzuholen. Entscheidend dabei ist der geäußerte, oder zu-

mindest mutmaßliche Wille des Patienten (vgl. §1901 BGB). Nur wenn

der mutmaßliche Wille nicht feststellbar sei, sei dem Lebensschutz Vor-

rang einzuräumen. 221

Der Vormundschaftsgerichtstag hingegen teilte die Auffassung des OLG

nicht: Der „Beschluss des Frankfurter OLG verstößt gegen die Verfas-

sung“222, so der Vormundschaftsgerichtstag in seiner Stellungnahme. In

das in Art. 2 II GG genannte Lebensrecht dürfe nämlich nur auf der

Grundlage eines Gesetzes eingegriffen werden. Da es ein solches Gesetz

nicht gebe, wie auch schon das OLG Frankfurt festgestellt habe, sei somit

auch § 1904 BGB nicht analog anwendbar.

Stattdessen fordert man neben der „Schaffung entsprechender rechtlicher

Regelungen und Schutzgarantien“ für die Betroffenen „auch die Ent-

wicklung und Diskussion ethischer Leitlinien“ und kommt zu folgendem

Schluss: „Ohne diese Auseinandersetzung und die Schaffung von gesetz-

lichen Regelungen haben Vormundschaftsrichter nicht das Recht, über

Leben oder Tod zu entscheiden.“223

220 Siehe: Pressemitteilung des OLG (1998) in: Deinert: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand: 10.4.2001]221 Vgl. hierzu Kapitel 5.2.2: Der mutmaßliche Wille222 Siehe Vormundschaftsgerichtstag (1998) in: Deinert URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand: 10.4.2001]223 Siehe Vormundschaftsgerichtstag (1998) in: Deinert URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand: 10.4.2001]

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Im Beschluss vom 18.2.1999 hatte des Landgericht München224einen

vergleichbaren Fall (PEG, Dauerkatheter, HOPS, ...) zu bewerten: So

führte man aus, dass § 1904 BGB „nicht auf lebensbeendende ärztliche

Maßnahmen anwendbar [sei], da er nur ärztliche Eingriffe betreffe, die

lebensgefährlich sein könnten. [...] Ein ärztlicher Heileingriff mit dem

Risiko des Todes (geregelter Tatbestand in § 1904 BGB) sei etwas Ande-

res als ein ärztlicher Eingriff mit dem Ziel des Todes, da er gerade nicht

der Gesundheit des Betroffenen diene, deren Schutz jedoch der Zweck

des § 1904 BGB sei.“

Es wurde argumentiert, dass der Betreuer selbst mit dem Aufgabenkreis

„Gesundheitsfürsorge“ nicht in Maßnahmen des Behandlungsabbruchs

einwilligen könne, da dies „eine derjenigen höchstpersönlichen Ange-

legenheiten [sei], die einem Betreuer ohnehin nicht übertragen werden“

könnten (vgl. Kap. 3.2): Ein Betreuer als dessen Vertreter ist nach An-

sicht des LG München nicht befugt, eine solche Entscheidung zu fällen.

Leicht verweist (wenn auch im Bezug auf den „Frankfurter Beschluss“)

auf die Pflicht des Betreuers, sich für eine Behandlung einzusetzen –

nicht für ihren Abbruch (vgl. § 1901 IV BGB225). Schon deswegen könne

ein Betreuer nicht in die Beendigung einer lebenserhaltenden Maßnahme

einwilligen. 226

Umso unerwarteter erscheint aufgrund dieser Argumentation das Ergeb-

nis des Gerichts: Es hielt erwartungsgemäß weder Vormundschaftsge-

richte noch Betreuer für geeignet, darüber zu entscheiden, sondern Ärzte

und Angehörige: Diese sollten „über lebensbeendende Maßnahmen in

eigener Verantwortung entscheiden“. Es hält diese beiden Personengrup-

pen für geeignet, den mutmaßlichen Patientenwillen zu ergründen.

Symptomatisch erscheinen meiner Ansicht nach die Beispiele: Vormund-

schaftsgerichte lehnen die Entscheidung ab, so dass es zu einem

224 Vgl. und siehe: Deinert in: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_ muenchen.html [Stand: 10.4.2001]; Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 28.4.2001]225 Anm.: Wortlaut des § 1901 IV BGB: „Innerhalb seines Aufgabenkreises hat derBetreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oderBehinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zuverhüten oder ihre Folgen zu mildern.“

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Beschluß höherer Instanzen kommt. Diese wiederum erklären, dass doch

die Vormundschaftsrichter zu entscheiden hätten. Dagegen wehrt sich

aber in aller Deutlichkeit der Vormundschaftsgerichtstag. Stattdessen

verweist dieser auf den Gesetzgeber, der die Gesetzeslücke schließen

soll. Das Bundesjustizministerium allerdings sieht keinen Regelungs-

bedarf (vgl. oben). Ebenfalls keinen Regelungsbedarf sieht offenbar auch

das Landgericht München, das ja die Entscheidung Ärzten und Ange-

hörigen überlässt und keine richterliche Kontrolle bzw. Absicherung für

notwendig hält. Es argumentiert jedoch gleichzeitig, dass die Ent-

scheidung über einen Behandlungsabbruch eine höchstpersönliche An-

gelegenheit sei und deswegen nicht Betreuern überlassen werden könne.

Bauer bezweifelt insbesondere beim „Münchner“ Beschluß, dass dieser

der Selbstbestimmung des Patienten dient: „Auf welche minimalistische

Bedeutung reduziert man eigentlich den Begriff Autonomie, wenn Ärzte

und Angehörige stellvertretend für den moribunden Patienten über des-

sen Weiterleben entscheiden sollen?“227

Weiterhin stellt er die rhetorische Frage, ob „hier womöglich Verant-

wortlichkeiten abgewälzt“ werden. Ein Eindruck, der sich aufgrund der

Widersprüchlichkeit der Argumentationen aufdrängt!

An dieser Stelle gewinnt meines Erachtens ethische Diskussion erheblich

an Bedeutung: Denn jede pauschale Zuweisung der Entscheidung wird

der Bedeutung des Problems nicht gerecht: Weder Ärzte, noch Juristen

oder Sozialarbeiter bzw. Betreuer sind als Berufsgruppe allein aufgrund

ihrer Berufsausbildung dafür geeignet, ethische Entscheidungen stellver-

tretend für Nichteinwilligungsfähige zu treffen.

Denn zur „Aufrechterhaltung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten

ist es notwendig, dass der Mensch nicht zum Objekt herabgesetzt und als

selbständiges Subjekt behandelt wird.“228 Bei der Nichteinwilligungs-

fähigkeit führt dieser hohe, aber notwendige Anspruch zu Problemen.

Die Rechtsprechung verweist regelmäßig auf den „mutmaßlichen Wil-

226 Vgl.: Leicht: Wenn der Tod gewollt ist in: Die Zeit in: Deinert: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Lexikon/sterbehilfe_frankfurt.htm [Stand:10.4.2001 ]227 Siehe: Bauer in: URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.html [Stand: 28.4.2001]228 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 101

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len“. Der BGH hat dazu 1994 konkrete Kriterien vorgeschlagen (vgl.

oben). Erst wenn der Rückgriff auf einen mutmaßlichen Willen nicht

möglich ist, muss man sich auf „allgemeine Wertvorstellungen“ be-

ziehen229. Bei der Anwendung solcher Wertvorstellungen sei jedoch Zu-

rückhaltung geboten. Erst im „Zweifel hat der Schutz des menschlichen

Lebens Vorrang vor persönlichen Überlegungen des Arztes, eines Ange-

hörigen oder einer anderen beteiligten Person.“230

Anders wird dazu in der Ethik – Charta Stellung bezogen: „Alle Mutma-

ßungen über einen nicht geäußerten Willen oder gesellschaftliche Wert-

vorstellungen anstelle des geäußerten Willens, sind wegen ihres spekula-

tiven Charakters als Entscheidungsgrundlagen ungeeignet. Der Wunsch

nach Erlösung durch Tötung (Tötung auf Verlangen) ist als Hilferuf auf-

zufassen! In jedem Fall ist der Lebenserhalt vorrangig, der Wunsch, na-

türlich zu sterben beachtlich.“231

Unabhängig davon, welche Position nun die „richtigere“ ist, wirkt es

sicher fragwürdig, wenn sich der Lebensschutz „verselbständigt“ und der

„mutmaßliche Wille“ aufgrund „gesellschaftlicher Zwänge“ keine Rolle

mehr zu spielen scheint: Denn im „Frankfurter Fall“ (s.o.) zog die

Betreuerin den Antrag auf Entfernung der PEG-Sonde zurück, da sie sich

aufgrund der öffentlichen Diskussion unter Druck gesetzt fühlte. Ihre

Entscheidung wurde heftig kritisiert, da das „Einlenken“ zeigte, wie be-

einflussbar ethische Entscheidungen sind, obwohl von der Betreuerin

(eidesstattliche Erklärung!) und vom OLG der mutmaßliche Wille „zwei-

felsfrei“ festgestellt wurde.232

Dennoch: Zu fragen bleibt, ob das Problem überhaupt auf juristischem

bzw. institutionellem Weg gelöst werden kann. May nimmt an, dass jede

„Zunahme der Institutionalethik durch Gesetze, Leitlinien, Vorschriften,

229 Vgl.: BGHSt 40, 257-272 in: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S.247 und S. 179230 Siehe: BGH Urteil vom 13.9.1994 (BGHSt 40, 257-272) in: May: Autonomie undFremdbestimmung (2000), S. 246231 Siehe: Ethik-Charta aus Anlaß des "Menschenrechtsübereinkommens zurBiomedizin" des Europarats in: URL: http://www.fuente.de/bioethik/ethkch12.htm[Stand: 28.4.2001]232 Vgl. May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 249f

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etc. [...] durch Überreglementierung den individualethischen Spielraum“

verringere. „In einer moralischen Verantwortungsdelegation auf die

Rahmenordnung kann die scheinbare moralische Entlastung im Einzel-

fall und Gefahr eines moralischen Vakuums gesehen werden, wenn Ent-

scheidungen im Rekurs auf Vorschriften getroffen werden, ohne die indi-

viduellen, spezifischen Bedingungen zu berücksichtigen.“ 233

Zentral erscheint der Begriff „Verantwortungsdelegation“: May vermutet

im Fall einer juristischen oder institutionellen Regelung der Sterbehilfe

(vgl. „Institutionalethik“), dass sich dann der Einzelne auf die sog.

„Rahmenordnungen“ zurückziehen und sich dadurch „moralisch entlas-

tet“ fühlen könnte. Der Effekt wäre genau ein anderer wie der, den man

sich erhofft: Ein „moralisches Vakuum“ entstünde und dadurch die Ge-

fahr, dass „individuelle, spezifische Bedingungen“ nicht mehr berück-

sichtigt würden.

Schon jetzt erkennt man klar eine Verantwortungsdelegation wenn auch

auf anderer Ebene, wie obengenanntes Beispiel zeigt: Das OLG Frank-

furt sagt, dass Vormundschaftsrichter entscheiden sollen; Vormund-

schaftsrichter „delegieren“ an den Gesetzgeber; der Gesetzgeber erklärt

sich nicht für verantwortlich, weil der BGH bereits alles gesagt habe.

Dieser allerdings ist ja (schon wegen des Rechtswegs) nicht in der Lage

und auch nicht dafür geschaffen, Einzelfälle zu bewerten. Derweil er-

halten die Entscheidungsträger, wie z.B. Betreuer und Ärzte, keine

Rechtssicherheit bei Entscheidungen, die nicht auf sich warten lassen

können, wenn nicht der Tod zuvor kommen soll.

Leicht kommentiert den Konflikt der „Verantwortungsdelegation“ ein-

drucksvoll, indem er auf vielfältige Argumente eingeht und schließlich

persönlich Stellung bezieht:

„Wer aber die aktive Sterbehilfe positiv in Gesetzen regelt, baut letztlich

eben auch ein Erwartungsumfeld auf, das er heute noch gar nicht über-

schauen kann - für Erben, die ihr erhofftes Erbteil nicht noch an die

letzten teuren Tage und Wochen der Erbtante "verschwenden" wollen;

für begehrliche Gesundheitspolitiker, die sich fragen, ob die letzten

233 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 265

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Lebensmonate denn immerzu die teuersten sein müssen - ob jedenfalls

die Versicherung dafür aufkommen muss, wenn jemand unbedingt nicht

aus der Intensivstation weichen will, obwohl die Ärzte ihm keine Chance

mehr geben. Und wo wir nun, die Demographie führt es uns vor Augen,

sowieso schon bald zu viele Alten sein werden…Indessen gilt trotzdem, ja

erst recht: Alle sensiblen Grenzbereiche menschlicher Existenz, die man

in gesetzlich geregelte Erlaubnisscheine oder: in den Schein der Erlaub-

nis umwandeln will, werden letztlich einer Routine ausgesetzt - und der

Verdrängung der eigentlichen ethischen Herausforderung.

Ja, und dann erwarte ich möglicherweise, dass mir am letzten Tage ein

Arzt aktiv hilft, obwohl es das Gesetz nicht erlaubt? Ist das nicht ver-

dammt unehrlich? Ich finde es, offen gestanden, ehrlicher und mensch-

licher, wenn ein Mensch human handelt, indem er gegen das Gesetz ver-

stößt, als wenn er routiniert inhuman handeln könnte, obwohl (und weil)

es das Gesetz erlaubt. Und ich vertraue immer noch darauf, dass unsere

Rechtskultur eher imstande ist, die existentielle Ausnahme richtig zu er-

kennen - eher jedenfalls, als dass sie einer geregelten Routine den Geist

der Ausnahme einhauchen könnte.“234

Die Stellungnahme von Leicht verdeutlicht in aller Kürze, in welchem

Spannungsfeld sich die Entscheidungen in Todesnähe bewegen, welchen

Zwängen man bei der Entscheidungsfindung zusätzlich ausgesetzt ist und

wie einfach man der Gefahr der „Verantwortungsdelegation“ unterliegen

kann. Entscheidend ist in jedem Fall eine im höchsten Maße individuelle

und ethische Entscheidung.

Ein Argument scheint jedoch dabei zu fehlen: Es wird nicht die Bedeu-

tung der Entscheidung für den Entscheidungsträger gewürdigt. Denn hier

kann die berufliche Existenz von der Entscheidung für einen Anderen

abhängen, da man eben derzeit (leider!) nicht davon ausgehen kann, dass

„unsere Rechtskultur [...] imstande ist, die existentielle Ausnahme richtig

zu erkennen“.

234 Siehe Leicht: Leben in Frankreich, Sterben in Holland? in: Die Zeit (2000) in: URL:http://www.zeit.de/2000/49/Politik/200048_robertleicht_1130.html [Stand: 28.4.2001]

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Es stellt sich daher die Frage, ob es möglich ist, dem Entscheidungsträger

(solange dieser nicht der Patient selbst sein kann) annähernde Rechts-

sicherheit zu bieten. Denn die Betreuer sind verunsichert: In die Ein-

willigung zu ärztlichen Maßnahmen nach §1904 sind sie eindeutig be-

rechtigt. Für den Behandlungsabbruch sind sie nach der Ansicht des LG

München nicht befugt. Der BGH sagt im Widerspruch dazu im „Kemp-

tener Urteil“, dass Betreuer mit vormundschaftlicher Genehmigung doch

entscheiden dürfen. Die aus dieser Rechtsprechung hervorgehende ana-

loge Anwendung des § 1904 BGB wurde bisher erst einmal vom Amts-

gericht Oberhausen umgesetzt und scheint in der Praxis keine Rolle zu

spielen. 235

So stehen die Betreuer mit ihrer Entscheidung alleine da und man behilft

sich (und insofern hat die analoge Anwendung des §1904 BGB doch

auch derzeit bereits Bedeutung) mit Formulierungen, die sich an das „zu-

ständige“ Amtsgericht wenden, wie z.B.: „Sollte ich die vormundschafts-

gerichtliche Genehmigung nach § 1904 BGB für die Einstellung der Be-

handlung benötigen, so bitte ich Sie, mir diese zu erteilen... – Begrün-

dung beigefügt.“ Zurück kommt dann in der Regel eine Erklärung, in der

sich das Vormundschaftsgericht für nicht zuständig erklärt.

Im Ergebnis stimmt May grundsätzlich dieser Praxis zu: „Nach dem

Prinzip der ethischen Subsidiarität sollen übergeordnete Stellen erst

dann tätig werden, wenn die direkt betroffenen Personen die Verant-

wortung für die Entscheidung nicht übernehmen können.“236 Mit den

„übergeordneten Stellen“ sind in diesem Zusammenhang die Amtsge-

richte gemeint. May begründet seine Aussage, indem er anzweifelt, dass

Vormundschaftsgerichte die Aufgabe der Abwägung der Argumente im

Individualfall besser besorgen könnten, als die den Patienten naheste-

henden Entscheidungsträger selbst. Er hält es daher für notwendig, „an-

dere Verfahren zur Abschätzung der Reichweite der Entscheidung und

Bewertung der geplanten Maßnahme nach den Wünschen und Werten“

zur Verfügung zu stellen.

235 Spiewak in: Das lange Sterben des Walter K., in: Die Zeit: URL:http://www.zeit.de/2001/17/Wissen/200117_sterbehilfe.html [Stand: 20.4.2001]236 Vgl. und siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 276

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5.3.1 Die Willensermittlung durch den Arzt

In der Medizin gibt es unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis

zwischen Lebensrecht und Selbstbestimmungsrecht. Schmitten ist der

Auffassung, das „ärztliche Gewissen“ müsse als „übergeordnete Instanz“

über dem „Patientenwillen“ stehen. 237 Auch die BÄK war bis 1993 dieser

Meinung. 238 Erst 1998 bekannte sie sich in den „Grundsätzen zur ärzt-

lichen Sterbebegleitung“ zum hohen Wert des Selbstbestimmungsrechts

des Patienten und folgte damit im Grundsatz aktueller Rechtsprechung:239 „Alle Entscheidungen müssen dem Willen des Patienten entsprechen.

Bei bewusstlosen Patienten wird in der Regel zur Ermittlung des mut-

maßlichen Willens die Bestellung eines Betreuers erforderlich sein“,

denn dieser ist „gehalten, zum Wohl des Patienten zu entscheiden.“

Erst wenn es nicht möglich ist, weder vom Patienten noch von einem

gesetzlichen Vertreter oder einem Bevollmächtigten rechtzeitig eine

Willenserklärung zu erfahren, so muss auf den mutmaßlichen Willen

zurückgegriffen werden (Zur Auslegung: s.o.). Aber dennoch, so wird in

der Präambel bemerkt, sind Art und Ausmaß der Behandlung vom Arzt

zu verantworten. „Er muss dabei den Willen des Patienten beachten. Bei

seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und pflegenden

Mitarbeitern einen Konsensus suchen.“

5.3.2 Die Willensermittlung durch den Betreuer

Nach § 1901 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten nach dessen

Willen und Wünschen zu besorgen. Zu einer solchen „persönlichen

Betreuung“ gehört es, diese Wünsche und den Willen des Betroffenen zu

kennen. D.h., sie müssen zuvor ermittelt und dokumentiert worden sein.

237 Vgl.: Schmitten: Die Entscheidung zur Herz-Lungen-Wiederbelebung (1998) in:May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 280238 Vgl.: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 281f; Anm.: Noch 1997bezeichnete die BÄK den Nahrungsentzug bei unheilbar Kranken auch mit demPatientenwillen als „aktive Euthanasie“ (ebd.)239 Vgl. und siehe: Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung vom 11.9.1998 in: URL:http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.htm?/Homepage/publikationen_itn/08richtlinien_itn/85_sterbe.htm [Stand: 11.4.2001]

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Der Betreuer hat im Rahmen des § 1901 eine Besprechungspflicht. Dabei

soll regelmäßig der Wille eruiert werden, soweit dies möglich ist. Für den

persönlichen Kontakt werden für den Normalfall ein bis zwei Treffen

monatlich vorgeschlagen. Für May ist es von „entscheidender Bedeu-

tung“, dass der Betreuer im Rahmen dieser Gespräche beweissichere

Dokumente anfertigt, die den geäußerten oder nonverbal vermittelten

Willen wiedergeben.

Denn nach derzeitiger Rechtsprechung kann der Abbruch bzw. die

Nichtaufnahme einer lebenserhaltenden Maßnahme nur mit dem tatsäch-

lichen oder mutmaßlichen Willen gerechtfertigt werden. Da man im Fall

einer Nichteinwilligungsfähigkeit nicht auf den tatsächlichen Willen zu-

rückgreifen kann, ist hier der mutmaßliche Wille von Bedeutung. Dieser

sollte dann aber belegt und begründet werden können. Erst wenn auch

ein mutmaßlicher Wille nicht zu ermitteln ist, weil keine Anhaltspunkte

dafür vorhanden sind (soziales Umfeld, religiöse Orientierung, usw.),

muss auf die sog. „allgemeinen Wertvorstellungen“240 zurückgegriffen

werden. Hier jedoch verweist der BGH auf den Grundsatz „in dubio pro

vita“ – „Im Zweifel für das Leben“.

Es geht hier also um die Ermittlung des Patientenwillens, mit der man

schlüssig begründen kann, wie der mutmaßliche Wille des Patienten ist.

In diesem Zusammenhang zu nennen ist der sog. „Bochumer Arbeits-

bogen zur medizinethischen Praxis“, der dem Anhang dieser Arbeit bei-

gefügt ist. Er soll Hilfestellung leiten, wenn auf den „mutmaßlichen

Willen“ zurückgegriffen werden muß. Der Betreuer kann sich als Be-

gründungshilfe für seine stellvertretende Entscheidung an den im Bogen

gestellten Fragen orientieren, um so zu einer Entscheidung zu kommen,

die ausschließen kann, dass die Entscheidung weder rein subjektiv, noch

aufgrund äußerer Zwänge erfolgt. Andererseits wird damit ausgeschlos-

sen, dass der Patient, weil sein tatsächlicher Wille nicht zu ermitteln ist,

in dubio pro vita, ein ethisch kaum vertretbares, menschenunwürdiges

unter Umständen monatelanges Sterben hinnehmen muß.

Insofern lässt sich auch obengestellte Frage beantworten:

240 Vgl.: BGHSt 40, 257-272 in: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S.279

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Welche Rolle spielt im juristischen und ethischen Sinn der Betreuer,

wenn im Fall einer Betreuung Nichteinwilligungsfähiger eine Ent-

scheidung gefällt werden muss, die den Tod und das Sterben hinaus-

zögert, beschleunigt oder diesen Prozeß auf andere Weise beein-

flusst?

In einer ethischen Argumentation nimmt der Betreuer, wie im Übrigen

auch ein Bevollmächtigter, im Sinn des Prinzips der ethischen Subsidi-

arität die individuellste Stufe ein. Durch den Auftrag, dem Wohl und

dem Willen des Betroffenen zu entsprechen, muss es selbstverständlich

sein, dass der Betreuer „Garant für die Durchsetzung des Willens des

Patienten“241 ist und somit nötigenfalls den „mutmaßlichen Willen“

wiedergeben kann, wenn der Betroffene selbst nicht mehr zu einer wirk-

samen Willensäußerung im Stande ist.

Daher kommt May zu folgendem Schluß: „Wegen der besseren Kenntnis

der Persönlichkeit sollte die Willensermittlung durch den Betreuer mit

Unterstützung des Arztes erfolgen.“242

Eine Verantwortungsdelegation wird dann ausgeschlossen (hier ist die

rechtliche Rolle angesprochen, die der Betreuer spielt), wenn die Zustän-

digkeiten geklärt werden: Grundsätzlich soll der Betreuer die Entschei-

dungen selber treffen. Da er Entscheidungsträger ist, muss es gängige

„Praxis werden, dass der Betreuer von den übrigen Beteiligten bei der

Entscheidungsfindung und –umsetzung beraten und unterstützt und in

seiner Funktion respektiert wird“243, wie auch der 5. Vormundschafts-

gerichtstag 1996 forderte.

Ob § 1904 BGB bei Maßnahmen der Sterbehilfe anwendbar ist, bleibt

offen. Eine Klärung der Zuständigkeiten ist dringend erforderlich.

5.4 Die Möglichkeit der Vorsorge bei Sterbehilfe

241 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 285242 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 287243 Siehe: Protokoll der Arbeitsgruppe „Entscheidungsspielräume von Betreuern amBeispiel lebensverlängernder Maßnahmen“ (1997) in: May: Autonomie undFremdbestimmung (2000), S. 285

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Vielfach wird bei der Sterbehilfediskussion und den Problemen der Er-

mittlung eines mutmaßlichen Willens auf die in Punkt 4.2.2 genannten

Vorsorgemöglichkeiten hingewiesen. In der Tat bieten solche vorsorg-

lichen Willensbekundungen die Möglichkeit der „zeitversetzten

Kommunikation“ und so kann der Wille nicht nur „mutmaßlich“, sondern

„tatsächlich“ ermittelt werden. May führt zum Zweck der Patientenver-

fügung aus: „Eine Patientenverfügung sichert das Selbstbestimmungs-

recht durch die prospektive Kommunikation und Willensäußerung für

den Fall, dass eine direkte Kommunikation nicht möglich ist.“244

Denn hier ist die Rechtsprechung eindeutig: Solange „aktive“ Sterbehilfe

ausgeschlossen werden kann, hat der Patientenwille eines einwilligungs-

fähigen Patienten vorrang.

So meint auch die BÄK in den „Grundsätzen zur Sterbebegleitung“:

Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten sowie Betreuungsverfü-

gungen seien „eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes.“245 Die

Kammer hat eigens sog. „Handreichungen für Ärzte zum Umgang mit

Patientenverfügungen“246 veröffentlicht, die dazu beitragen sollen, dass

das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung vom Arzt auch in Situati-

onen geachtet wird, „in denen der Patient nicht mehr in der Lage ist,

seinen Willen zu äußern.“

Uhlenbruck fasste in einem Vortrag vor Medizinern die Kernbereiche der

Autonomie des Patienten in Bezug auf die Vorsorgemöglichkeiten knapp

in zwei Punkten zusammen247: Zum einen sei der Wille des Kranken

oberstes Gesetz und nicht dessen Gesundheit. Insofern sei ein Patienten-

testament „nach herrschender Meinung für den Arzt verbindlich, wenn es

nur einigermaßen klare Angaben des Patienten enthält.“ Zum Anderen

könne der Patient die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts in Form

244 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 101245 Vgl. und siehe: Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitungin: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/08richtlinien_itn/85_sterbe.html [Stand: 11.4.2001]246 Vgl. und siehe: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/04Patver.html [Stand: 12.4.2001]247 Vgl.: August: Der Arzt muss lernen, den Willen des Patienten zu respektieren. In:Ärzte Zeitung online. In: URL: http://www.aerztezeitung.de/docs/1997/04/02/060a2301.asp [Stand: 13.4.2001]

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einer Betreuungsverfügung oder einer Vorsorgevollmacht auf Andere

übertragen.

Ist die Situation tatsächlich so eindeutig, wie es scheint? Es mag an

dieser Stelle verwundern, dass die Literatur zur Validität von vorsorg-

lichen Willensbekundungen sehr widersprüchlich ist. Da ist die Rede,

davon, dass wegen einer teilweise ungeklärten Rechtslage nicht zu ga-

rantieren [sei], dass ein solches Patiententestament als gültig akzeptiert

werden wird“248, oder dass derartige Willensbekundungen nicht immer

echte Entscheidungshilfen seien. 249

Dies mag an dieser Stelle verwundern, da es doch schien, als könnte man

die Unklarheiten, die sich aus Rechtsprechung und Medizinethik erge-

ben, durch eindeutige Aussagen z.B. in Dokumenten, auflösen. Im

„Frankfurter Fall“ genügte sogar lediglich die mündliche Überlieferung

der Patientin, „kein langes Sterben ertragen zu wollen“, für den Abbruch

der künstlichen Ernährung.

Vielfach, so auch in den Handreichungen der Ärztekammer, wird betont,

dass in einer Patientenverfügung ein Mindestmaß an Ernsthaftigkeit und

eine Auseinandersetzung mit den Argumenten (für und wider bestimmte

Behandlungsabbrüche, Therapiemöglichkeiten, ...) zum Ausdruck

kommen sollte. Dies würde die Verbindlichkeit für den Arzt erhöhen.

Die Verbindlichkeit ist nicht gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte

vorliegen, die auf eine Veränderung des Patientenwillens schließen las-

sen. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten, weil ein

Arzt in einer konkreten Behandlungssituation, zu der sich der Betroffene

nicht mehr äußern kann, einwenden kann, dass eine zu früherem Zeit-

punkt erstellte Patientenverfügung nicht der aktuellen Behandlungssitua-

tion, oder den vielleicht inzwischen verbesserten Behandlungsmethoden

entspricht.250 Auch Bauer meint: „Nicht immer sind derartige Willensbe-

248 Siehe: Weber: Tipps zum Thema Patiententestament. In: URL: http://www.wdr.de/tv/addis_stunde/themen/000310_1.html [Stand: 8.4.2001]249 Vgl.: Bauer in URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 29.4.2001]250 Vgl.: Deinert: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (2000), S. 2

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kundungen jedoch eine echte Entscheidungshilfe für den behandelnden

Arzt, da die Umstände, unter denen sie verfasst wurden, nicht bekannt

sind und da vor allem die unvorhersehbar individuelle und spezifische

Situation eines Intensivpatienten in gesunden Tagen kaum treffend und

im Detail korrekt antizipiert werden kann. Die Problematik der ethischen

Fragen in Verbindung mit der Intensivmedizin liegt ja gerade im Versa-

gen des Selbstbestimmungsprinzips für diese Patienten. Doch selbst bei

den wenigen Fällen, in denen mit den Kranken eine Kommunikation

möglich ist, kann eine Einsicht in die Tragweite medizinethischer Frage-

stellungen nicht erwartet werden“.251

Die Einschränkung bekommt besonders in Anbetracht der Tatsache Ge-

wicht, dass „Patientenverfügungen jederzeit formlos widerruflich sind,

[und somit] vom behandelnden Arzt geprüft werden [muß], ob An-

haltspunkte für eine Willensänderung vorliegen.“ 252

Es muß in einer Patientenverfügung, ebenso wie in einer Vollmacht,

möglichst exakt der Zeitpunkt benannt werden, ab dem die Vollmacht

wirksam werden soll. Formulierungen, wie „Für den Fall meiner Ge-

schäftsunfähigkeit... bevollmächtige ich...“ oder: „Für den Fall, dass ich

unwiederbringlich nicht mehr in der Lage sein sollte...“ oder: „..., dass

ich nicht mehr meine Angelegenheiten selbst regeln kann,...“ sind in der

Regel zu pauschal und tragen der Bedeutung des Dokuments keine

Rechnung. 253

Daher hat die Deutsche Hospiz Stiftung eine „Checkliste“ mit 12 Fragen

veröffentlicht, die Hilfestellung beim Verfassen einer individuellen

Patientenverfügung leisten soll. Es sind Kriterien genannt, die dazu bei-

tragen sollen, dass in den Formulierungen ein Mindestmaß an Ernst-

Anm.: Bauer nennt in diesem Zusammenhang den Begriff des „Paternalismus“: „Dasgrundlegende ethische Dilemma auch des milden Paternalismus liegt indessen, nebender relativen Vernachlässigung des Selbstbestimmungsprinzips, in dem notwendigerWeise unsicheren prognostischen Vermögen des Arztes, genau zu wissen, was - jenseitsaller medizinischen Indikationen - wirklich "das Beste" für seinen individuellen Patien-ten ist.“ [...] „So bleibt dem Intensivmediziner oft nichts Anderes übrig als seine Zu-flucht zu einer milden Form des Paternalismus zu nehmen.“ Vgl. Bauer in:http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 19.4.2001]251 Siehe: Bauer in URL: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz23.htm [Stand: 29.4.2001]252 Siehe: Bundesärztekammer in: URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/04Patver.html [Stand: 12.4.2001]253 Vgl.: Leicht in: Wahrung der Selbstbestimmung in: Die Zeit in: URL:http://www.zeit.de/1999/5/199905_patiententestame.html [Stand: 3.4.2001]

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haftigkeit erkennbar wird und den individuellen und konkreten Ansprü-

chen der Verfügung gerecht wird. Einzelne Aspekte dieser 12 Punkte

sollen im Folgenden auszugsweise dargestellt werden:254

Ø Wird die individuelle Motivation deutlich?

Es sollte deutlich werden, dass man nicht nur eine „unbestimmte

Angst vor einem würdelosen Sterben“ hat, sondern dass man sich

mit dem Thema persönlich intensiv auseinandergesetzt hat.

Ø Ist der Text praxistauglich?

Die Formulierungen müssen „individuell, aussagekräftig und

rechtsverbindlich sein“.

Ø Wird zwischen verschiedenen Verfügungsbereichen unterschieden?

Dem Verfasser sollten die verschiedenen Möglichkeiten der Vor-

sorge bekannt sein (z.B. Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht,

Patientenverfügung).

Ø Wurden Fachleute und Vertrauenspersonen einbezogen?

Um sich eine ernsthafte Meinung erlauben zu können, ist es

„dringend anzuraten, kompetente Fachleute und nahestehende

Vertrauenspersonen durch Gespräche in die Vorüberlegungen und

individuelle Meinungsfindung einzubeziehen.“

Ø Werden schwammige Formulierungen und unbestimmte Begriffe

vermieden?

„Unbestimmte Wertungen“ (s.o.) werden den Entscheidungen in

der konkreten Situation häufig nicht gerecht.

Ø Keine voreiligen generellen Festlegungen oder Verzichtserklärungen!

Formulierungen wie ein grundsätzlicher Ausschluß künstlicher Be-

atmung oder Ernährung o.ä. sollten vermieden werden.

Ø Werden als „Mindestbestandteil“ die modernen Formen der Sterbe-

begleitung eingefordert?

So z.B.: Palliativmedizin, Schmerztherapie und Hospizarbeit.

Ø Ist der Verfasser über die Risiken und das Verbot aktiver Sterbehilfe

informiert?

254 Vgl.: Deutsche Hospiz Stiftung: Für Validität und Praktikabilität. In:http://www.hospize.de/texte/checkliste.htm [Stand: 4.4.2001]

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102

Da aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten ist, ist die Forderung

danach im Einzelfall sinnlos.

Ø Bezieht sich der Text auf einen konkreten Krankheitszustand und

wird deutlich, dass er nach ausreichender Information wohlüberlegt

verfasst wurde?

Um die o.g. Verbindlichkeit der Verfügung zu erreichen, sollte sie

sich auf „konkrete Krankheitszustände oder Symptome beziehen.“

Es gibt viele Versuche, dem Anspruch dieser Checkliste in Form von

Vordrucken gerecht zu werden. So haben die beiden großen Kirchen die

sog. „Christliche Patientenverfügung“255 und das Institut für medizi-

nische Ethik der Ruhr-Uni-Bochum die sog. „Vorsorgliche Verfügung

für die medizinische Betreuung“ oder die als Alternative zu der „Christ-

lichen Patientenverfügung“ geschaffene Verfügung mit dem Titel „Leben

und Sterben in Gottes Hand“256, veröffentlicht. Die Betreuungsbehörde

Frankfurt257 schlägt zur Erstellung der Verfügung, ebenso wie zur Erstel-

lung der Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung ein „Baukasten-

system“ vor, bei dem der Urheber des Schriftstücks sich die einzelnen

Textpassagen, die ihm wichtig erscheinen und die seinen Wünschen ent-

sprechen, zu einem vollständigen Dokument zusammensetzen kann.

Es gibt zahllose Vorschläge für Patientenverfügungen, deren Formulie-

rungen den Ansprüchen nur teilweise genügen. Das Zentrum für Medizi-

nische Ethik in Bochum hat im Internet eine Liste mit Formulierungs-

vorschlägen von vielen verschiedenen Patientenverfügungen, Vorsorge-

vollmachten und Betreuungsverfügungen zusammengestellt.258 Diese im

Einzelnen aber zu besprechen und zu diskutieren, würde den Rahmen

dieser Arbeit sprengen.

Die zweite Leitfrage, die diesem Teilkapitel vorangestellt war lautete:

Inwiefern stellen Vorsorgemöglichkeiten tatsächliche Alternativen

dar? Die Meinungen hierzu gehen offenbar auseinander. Die Einen

sehen in der vorsorglichen Formulierung des Willens kein Problem und

255 Vgl.: Christliche Patientenverfügung (1999)256 Vgl.: URL : http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Betreuungsverfuegung.htm[27.4.2001]257 Vgl.: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung; Informationsheft (1999), S. 42f258 Vgl.: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Verfuegungen.htm [27.4.2001]

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vertreten die Ansicht, dass jeglicher geäußerte Wille in jedem Fall

respektiert werde. Andere wiederum warnen vor solcherlei Optimismus

und betonen, dass solche Verfügungen nicht valide sein können, weil

man nie mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der einst geäußerte

Wille auf die aktuelle Situation anwendbar ist.259

Die verschiedenen Beispiele gerade auch aus der in Kapitel 5.2.2 darge-

stellten Rechtsprechung machen eines deutlich: Wenn man möchte, dass

die Vorsorgemöglichkeit der Patientenverfügung tatsächlich eine Alter-

native darstellt, die statt auf einen mutmaßlichen Willen auf den tatsäch-

lichen Willen zurückgreift, dann muss diese Verfügung den oben ge-

nannten Voraussetzungen entsprechen. Nur so scheint eine hohe Wahr-

scheinlichkeit gegeben, den möglichen Unsicherheiten der Betreuer,

Ärzte oder Angehörigen entgegen, den eigenen Wertentscheidungen nach

behandelt zu werden (also gegebenenfalls auch nicht mehr behandelt zu

werden).

Ich habe mich an dieser Stelle nur mit der Vorsorgemöglichkeit der

Patientenverfügung auseinandergesetzt, da sie im Falle der Sterbehilfe-

diskussion sicherlich die einschlägigste, weil unmittelbarste Variante

darstellt. May meint sogar: Eine Patientenverfügung als Ausdruck der

Selbstbestimmung für Situationen, in denen man sich nicht äußern kann,

muss im Interesse einer optimalen Betreuung des Betroffenen gefördert

und stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden.260

Was haben diese Vorsorgemöglichkeiten, gerade auf dem Hintergrund

der Sterbehilfediskussion, denn nun aber mit dem Betreuer zutun?

Zunächst einmal muss betont werden, dass eine Patientenverfügung

ebenso wie eine Vorsorgevollmacht ausgestellt werden kann, unabhängig

von einer möglichen oder tatsächlich eingerichteten gesetzlichen Betreu-

ung. Diese Möglichkeiten der Vorsorge existieren natürlich für Jeden und

259 Vgl.: Spiewak: Das lange Sterben des Walter K. in: URL:http://www.zeit.de/2001/17/Wissen/200117_sterbehilfe.html [Stand: 26.4.2001]260 Siehe: May: Autonomie und Fremdbestimmung (2000), S. 329

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eine Betreuung ist weder Anlass noch Hindernis für eine solche Vor-

sorge.

Dennoch hat der Betreuer mit Patientenverfügungen zu tun: Zum einen

hat er als Querschnittsarbeiter für Vorsorgemöglichkeiten zu werben und

darüber zu informieren. Im o.g. Zitat hebt May hier insbesondere die

Förderung von Patientenverfügungen heraus: „...im Interesse einer opti-

malen Betreuung“.

Des weiteren hat der Betreuer im Sinne des Wohls nach § 1901 BGB den

mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln (vgl. Kapitel 5.3.2).

Derartige Willensbekundungen können in solchen Fällen eine wesent-

liche Bewertungsgrundlage für die Willensermittlung darstellen.

Auch wenn man dann immer noch nicht von einem „tatsächlichen“ Wil-

len sprechen kann, weil ein solcher nie durch eine „prospektive Kommu-

nikation“ gänzlich valide vermittelt werden kann: Ein mutmaßlicher

Wille, der bekanntermaßen nach dem Frankfurter Beschluß ebenfalls als

Entscheidungsgrundlage dienen kann, wird mit Zutun der Patienten-

verfügung für den Betreuer begründbar.

Insofern stellt die Patientenverfügung einerseits eine Argumentations-

grundlage für den Entscheidungsträger dar. Andererseits dient sie in

zweifacher Hinsicht der Selbstbestimmung des Betreuten: Zum einen legt

sie (im darin genannten Umfang) den Auftrag des Betreuers fest, der für

diesen verpflichtend ist. Zum Anderen ist sie Grundlage für den Rahmen,

in welchem der Betreuer als Garant für den Willen des Betreuten gegen

Dritte einzutreten hat.

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6 Abschließende Betrachtung

„Selbstbestimmung trotz oder durch Betreuung?“ war die strukturge-

bende Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Mein Ziel war es, Wege

und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Antworten auf diese Frage zum

Wohl eines Betreuten gefunden werden können.

Bereits in den beiden ersten, die allgemeinere wie auch die speziellere

Diskussion grundlegenden, Kapiteln war die Bedeutung sowohl einer

rechtlichen wie auch einer ethischen Dimension zugrundegelegt. Wäh-

rend diese Dimensionen im Einführungskapitel über das Betreuungsrecht

implizit durch die Auswahl des Dargestellten Ausdruck fanden, habe ich

das Folgekapitel ausdrücklich nach ethischen und rechtlichen Gesichts-

punkten strukturiert. Eindeutig sind schließlich beide Dimensionen maß-

gebend bei den Diskussionen des vierten und fünften Kapitels.

Doch welche Ergebnisse haben nun die Diskussionen gebracht, gerade

hinsichtlich der leitenden Fragestellung der Diplomarbeit? Hierzu möchte

ich die letzten beiden Kapitel zum Abschluß gegenüberstellen. Da das

fünfte Kapitel eine beispielhafte Anwendung der allgemeineren Darstel-

lung des vierten Kapitels dargestellt, liegt eine Parallelität nahe, die im

folgenden ausgeführt werden soll:

Im vierten Kapitel wurde die gesetzliche Betreuung polarisierend dem

Recht auf und dem Wert der Selbstbestimmung gegenübergestellt. Deut-

lich schien die Unüberwindlichkeit des Gegensatzes in der These Lipps:

„Da die Betreuung insgesamt wie auch die einzelnen Maßnahmen des

Betreuers ausschließlich zum Wohl des Betroffenen erfolgen, wäre eine

Zwangsbetreuung demnach [...] mangels einer materiellen Rechtfer-

tigung verfassungsrechtlich unzulässig.“261 Der scheinbare Widerspruch

wurde durch die Feststellung des problematischen Begriffs der Einsichts-

und Entscheidungsfähigkeit als maßgebliche Voraussetzung für die

Rechtmäßigkeit einer Betreuung aufgelöst.

261 Siehe: Lipp: Freiheit und Fürsorge (2000), S. 129

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Also bestand die vorläufige Lösung des Widerspruchs in der Feststel-

lung: Wenn Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit gegeben ist, entschei-

det der Betreute zweifelsfrei selbstbestimmt.

Das fünfte Kapitel hingegen polarisierte das Recht auf Selbstbestimmung

und das Recht auf Leben. Wie bereits im voranstehenden Kapitel, schie-

nen hier die gegensätzlichen Haltungen nicht vereinbar. Die Rechtspre-

chung ist hier nicht einheitlich.

Auch und gerade im Sterben zählt das Selbstbestimmungsrecht. Daraus

folgt, dass im Rahmen des gesetzlich Erlaubten dem Willen des Betrof-

fenen zu entsprechen ist. Schließlich schien die Lösung des Dilemmas

auf folgende Alternativen hinauszulaufen: Wenn schon kein tatsächlicher

Wille ermittelt werden kann, so muss der mutmaßliche Wille Entschei-

dungsgrundlage sein. Erst wenn auch dieser nicht festgestellt werden

kann, so hat das Lebensrecht vorrang.

Hier war das vorläufige Ergebnis also die Feststellung: Wenn der Wille

des Betreuten, einsichts- und entscheidungsfähig zum Ausdruck ge-

bracht, hinreichend konkret bekannt ist, so kann der Selbstbestimmung

bestmöglich genüge getan werden.

Für beide Kapitel habe ich somit ein vorläufiges Ergebnis festgehalten.

Beide Lösungsversuche müssen weiter problematisiert werden.

Wenn im vierten Kapitel die Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit als

Lösung des Widerspruchs vorgeschlagen werden, so ist damit die Not-

wendigkeit festgestellt, eben diesen Zustand der Einsichts- und Entschei-

dungsfähigkeit zu diagnostizieren. Hier war aber nun festzustellen, dass

es keine hinreichenden Kriterien gibt, aufgrund derer man eindeutig zu

einer solchen Diagnose kommen könnte. Demzufolge musste sich die

Fragestellung nach dem „wie wird diagnostiziert?“, zu der Frage nach

dem „wer diagnostiziert?“ wenden. Somit war also die Qualifizierung

zum Zentrum der Fragestellung, oder besser zur möglichen Problem-

lösung geworden. Deutlich wurde, dass es keine Ausbildung und kein

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Studium gibt, welche(s) derzeit auf die Beantwortung solcher Fragestel-

lungen vorbereitet. An dem Punkt der Einsichts- und Entscheidungs-

fähigkeit ließ sich also explizit festmachen, dass eine Qualifizierung der

Betreuer Voraussetzung dafür ist, dass die Einrichtung einer Betreuung

nicht zwangsläufig die Beschränkung der Selbstbestimmung des Betreu-

ten zur Folge hat.

Als Ergänzung und Unterstützung dieses Effektes der Aufrechterhaltung

der Selbstbestimmung wurde schließlich auf die Vorsorgemöglichkeiten

verwiesen. Durch solche Vorsorge, für welche durch Betreuungsvereine

geworben werden muss, besteht die Möglichkeit, auch im Fall der zu-

künftigen Einsichts- und Entscheidungsunfähigkeit nach selbstbe-

stimmten Vorstellungen betreut zu werden.

Im fünften Kapitel sollte dem dargestellten Dilemma durch die Feststel-

lung des mutmaßlichen Willens abgeholfen werden. Auch hier musste

alsbald die Frage nach dem „wer stellt fest?“ gestellt und beantwortet

werden. Als Ergebnis der verschiedenen Antwortmöglichkeiten wurde

eindeutig der Betreuer als der geeignetste Entscheidungsträger festge-

stellt. Doch auch hier wurde deutlich, dass eine besondere Qualifizierung

nötig ist, um gerade angesichts von höchstpersönlichen Angelegenheiten

wie dem Sterben, zu vertretbaren und begründbaren stellvertretenden

Entscheidungen im Sinne und zum Wohl des Betreuten zu gelangen.

Noch eindeutiger als im vierten Kapitel wurde schließlich in diesem Zu-

sammenhang auf die besondere Bedeutung der Vorsorgemöglichkeiten

hingewiesen. Insbesondere die Patientenverfügung wurde dabei, unter

Berücksichtigung der notwendigen Voraussetzungen, als geeignet darge-

stellt, bindende Entscheidungsgrundlage für den Betreuer zu sein, welche

der Ermittlung des tatsächlichen Willens am nächsten kommt.

Welche Schlussfolgerung lässt sich nun für die Beantwortung der Leit-

frage aus der Diplomarbeit ziehen?

Lässt sich Selbstbestimmung durch die Einrichtung einer Betreuung auf-

rechterhalten?

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Oder muss man doch richtiger Fragen: Gibt es Möglichkeiten, trotz der

Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung (über) sich selbst zu bestim-

men?

Als wesentliches Element, damit die Betreuung zur Aufrechterhaltung

und Durchsetzung der Selbstbestimmung gegenüber Dritten dient, wie

auch um die Selbstbestimmung des Betreuten von der subjektiven Be-

wertung des Betreuers abzugrenzen, lässt sich die Forderung nach einem

konsequenten Qualifizierungskonzept für Berufsbetreuer wie auch für

ehrenamtliche Betreuer formulieren.

Formal ist diese Arbeit, wie oben bereits dargelegt, nach ethischen und

rechtlichen Dimensionen strukturiert.

Auch inhaltlich wurde deutlich, dass die Lösung des Spannungsfeldes

von Betreuung und Selbstbestimmung immer eine ethische wie auch eine

rechtliche Dimension aufweist.

Insofern lässt sich die Forderung aufstellen, dass eine hinreichende

Qualifizierung zur Tätigkeit als Betreuer sowohl aus fachlichen, recht-

lichen Kenntnissen, wie auch aus einer ethischen Urteilsfähigkeit be-

stehen muss. Meinen Nachforschungen nach ist diesem Anspruch bislang

in keinem Konzept besser Rechnung getragen als in dem „Stufenmodell

zur Qualifizierung im Betreuungswesen“ von May.

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Anlage 1:

Wertanamnese I

Inhalt:

(a) Krankengeschichten zur Bewertung und Selbstbestimmung

(b) Frageliste für Selbstbestimmung und Betreuungssituationen

(c) Medizinische Begriffe und ihre Bedeutung

(d) Eigene Fragen und Gedanken

KRANKENGESCHICHTEN ZUR SELBSTBEWERTUNG UNDSELBSTBESTIMMUNG

Sie finden hier vier Geschichten von Patienten am Ende ihres Lebens.Diese Krankengeschichten vom Leiden und Sterben sind ebensounterschiedlich wie es die Lebensgeschichten dieser Patienten waren. Fürjeden von uns wird die Geschichte vom Kranksein und schließlich auchvom Sterben einmal Teil unserer eigenen Lebensgeschichte. Mit der nochausstehenden Geschichte des Endes unseres eigenen Lebens beschäftigenwir uns jedoch nur ungern und selten ohne einen besonderen Anlaß. Wirsollten es dennoch tun, denn die frühzeitige Beschäftigung mit künftigenHerausforderungen gehört zu den wirksamsten Mitteln vorsorglicherSicherung von Lebensqualität und Selbstbestimmung. Nicht nur für dieschönen und starken Stunden im Leben oder für dieGesundheitsvorsorge, sondern auch für die dunklen und schwachenStunden, bei schwerer Krankheit und in der Nähe des Todes, müssen wirunsere eigenen Vorstellungen formulieren, damit nicht andere, Ärzte,Angehörige oder Freunde, später einmal technisch mögliche, aber für unspersönlich unerwünschte und damit falsche medizinische Entscheidungentreffen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Geschichten kann dazubeitragen, daß wir uns über Lebenswerte und Lebensqualität und denSinn medizinischer Intervention klarer werden und eigene Wertungenvornehmen für die Gesundheitsvorsorge und die Betreuung im Alter. Injedem Fall sollten Sie mit einem Arzt Ihres Vertrauens Ihre Wünsche,Hoffnungen, Ängste und Behandlungsverfügungen, beispielsweise imRahmen einer Vorsorgeuntersuchung, besprechen.

Sie können sich mit diesen Geschichten vom Kranksein und Sterben aufverschiedene Weise auseinandersetzen: (1) Denken Sie in Ruhe über dieGeschichten nach und diskutieren Sie diese mit Ihrer Familie und IhrenFreunden. Das wird Ihnen helfen, sich über diejenigen Werte undWünsche klar zu werden, die in einer Betreuungssituation IhreBehandlung leiten sollen. (2) Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie dieGeschichten einfach umschreiben und dabei davon ausgehen, daß Sieselbst der Kranke sind und Ihren Wünschen und Werten entsprechendbehandelt werden. (3) Besprechen Sie Ihre Wünsche, Wertungen undVerfügungen mit einem Arzt Ihres Vertrauens, beispielsweise aus Anlaßeiner Vorsorgeuntersuchung. (4) Vor allem soll Ihnen aber die

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Auseinandersetzung mit diesen Geschichten als eine Vorbereitung aufden Entwurf einer Betreuungsverfügung dienen.

EIGENE ERFAHRUNGEN MIT KRANKENGESCHICHTEN

Für die meisten von uns ist die Beschäftigung mit den nachfolgendenfünf Geschichten von Krankheit und Sterben nur ein äußerer Anlaß, überunsere eigene Zukunft nachzudenken. Viele von uns haben eigeneErfahrungen, oft sehr leidvolle. Jeder hat seine eigene Geschichte zuerzählen, die bereits Teil seiner Lebenserfahrung ist und die in dieBewertung einfließen wird. Eigene Erlebnisse prägen unsere Hoffnungenund Ängste, Werte und Wünsche für die Zukunft. Was haben Sie bishererlebt? Was ist heute schon ein Teil Ihrer Lebensgeschichte?

Waren Sie schon einmal schwer krank? Wie hat das Ihre Einstellung zuKrankheit, zu Schmerzen, zu Abhängigkeit, zur Qualität des Lebens undzur Medizin beeinflußt?

Haben Sie schwere Krankheit oder Sterben von Familienangehörigenoder Freunden aus der Nähe erlebt und begleitet? Wie hat das IhreEinstellung zu Krankheit und Sterben geprägt?

1. WER SOLL JETZT ENTSCHEIDEN, UND WIE?

Herr B. ist 79 Jahre alt und benötigt für alle Verrichtungen des täglichenLebens die Hilfe anderer. Er kann zunehmend schlechter hören undsehen, er hat keine Interessen mehr und ist häufig geistig verwirrt. Weiler früher starker Raucher war, ist die Durchblutung seiner Beine gestört;er kann nur wenige Meter ohne Schmerzen laufen. Durch eine größereGefäßoperation könnten die Schmerzen beim Gehen behoben werden,seine Bewegungsfähigkeit verbessert und seine Hilfsbedürftigkeitreduziert werden. Herr B. ist aber nicht in der Lage, sich zu denVorteilen und Risiken des Eingriffs sinnvoll zu äußern. Seine Kinderhalten den geplanten Eingriff für problematisch und neigen dazu, ihremVater die Risiken einer Operation zu ersparen, da sie meinen, daß seineLebensqualität dadurch nur unwesentlich verbessert werden würde. HerrB. selbst hat sich früher nie, als er noch Situationen klar verstehen undauch in ihnen entscheiden konnte, zu problematischen Fragenmedizinischer Behandlungen geäußert.

1. Wenn Sie einmal in einer vergleichbaren Situation nicht mehrentscheidungsfähig sein sollten, wer sollte stellvertretend für Sieentscheiden, der Arzt, Ihre Kinder, Ihr Partner, oder wer sonst?

2. Wie hätten Sie gewünscht, daß entschieden worden wäre, wenn Sie inHerrn B.s Situation gewesen wären?

3. Wenn jemand 'in gesunden Tagen' erklärt, daß er bestimmteBehandlungen in bestimmten Situationen ablehnen oder vorziehenwürde, sollten Ärzte und Familie sich nach Ihrer Meinung daran halten?

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Herrn B. und schreiben Siediese Geschichte so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen undVorstellungen entspricht.

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2. DIESE KREBSERKRANKUNG IST NICHT HEILBAR

Vor fünf Jahren wurde Frau M., 46 Jahre alt, wegen einerKrebserkrankung die linke Brust abgenommen; außerdem erhielt sie eineStrahlentherapie. Als plötzlich Rückenschmerzen und eineGehbehinderung auftreten, werden Tochtergeschwülste in derWirbelsäule festgestellt. Frau M. stimmt einer Chemotherapie zu, obwohlihr die Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Leistungsverlustund Haarausfall bekannt sind. Diese Behandlung könnte die Schmerzenvorübergehend lindern, aber nicht den Knochenkrebs heilen. Frau M.kann nach einiger Zeit das Bett nicht mehr verlassen, da derKnochenkrebs sich trotz der Behandlung weiter ausbreitet. Sie stirbtnach sechs Monaten im Krankenhaus und nicht, wie sie gewünscht hätte,zu Hause. Ohne die chemotherapeutische Behandlung wäre sievermutlich eher verstorben.

1. Würden Sie wünschen, daß die Ärzte Sie über Ihren Zustand vollaufklären, auch darüber, daß eine Heilung nicht mehr möglich ist?

2. Würden Sie wünschen durch eine intensive Schmerztherapie völligbeschwerdefrei gestellt zu werden, auch wenn dadurch Ihre geistigeWachheit beeinträchtigt wird?

3. Würden Sie intensive medizinische Behandlungen fortsetzen wollen,um ein bestimmtes Ereignis noch zu erleben oder selbst noch etwas zuerledigen? Was wäre Ihnen so wichtig?

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau M. und schreiben Siediese Geschichte so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen undVorstellungen entspricht.

3. EIN PLÖTZLICHER HIRNSCHADEN

Frau D., 55 Jahre alt, bricht im Büro bewußtlos zusammen. ImKrankenhaus wird ein Schlaganfall festgestellt, vermutlich die Folgeeines seit Jahren bestehenden und nicht konsequent behandeltenBluthochdrucks. Die ausgedehnte Hirnblutung kann ohne das Risikozusätzlicher Hirnschädigung nicht operativ beseitigt werden, kann aberüber eine längere Zeit hin ganz oder teilweise abgebaut werden. Indiesem Krankheitsstadium ist nicht mit Sicherheit vorauszusagen, welcheDauerschäden zurückbleiben werden. Diese können von einer leichtenbis zu einer völligen Lähmung reichen und/oder den Verlust des Sprach-,Wahrnehmungs-, Erkennungs- und Denkvermögens einschließen.

1. Mit welchen Dauerschäden würden Sie weiterleben wollen?

2. Welche Dauerschäden wären für Sie so schwerwiegend, daß Sie mitdiesen nicht weiterleben möchten und deshalb die medizinischeVersorgung von zusätzlich auftretenden und durchaus behandelbarenKrankheiten wie zum Beispiel Infektionen ablehnen, solange Schmerzen,Durst und Hunger, Angst, Unruhe und Luftnot angemessen behobenwerden.

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3. Welche Situation wäre für Sie so unerträglich, daß Sie auch nicht mehrkünstlich ernährt werden wollen und nur wünschen, daß Schmerzen undUnruhe, Durstgefühl, Angst und Atemnot behandelt werden.

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau D. und schreiben Siediese Geschichte so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen undVorstellungen entspricht.

4. DEN ZEITPUNKT DES STERBENS WÄHLEN?

Frau S., 80 Jahre alt, geistig aktiv und urteilsfähig, ist starkgehbehindert, herzkrank und leidet seit Jahren unter einerschmerzhaften, aber gutartigen Darmerkrankung. Seit sie vor zweiJahren ihren Mann verlor, hat sie der Lebensmut verlassen; ihremHausarzt hat sie seitdem des öfteren gesagt, daß er sie in Ruhe sterbenlassen möge, wenn sie einmal ihrem Leben selbst ein Ende setzen würde.Jetzt ruft die Nachbarin den Arzt an und informiert ihn, daß Frau S. eineÜberdosis Schlaftabletten genommen habe. Der Arzt findet sie bewußtlosauf dem Sofa, neben ihr ein Zettel mit dem Hinweis, daß sie keinerEinweisung ins Krankenhaus und auch keiner lebenserhaltendenMaßnahme zustimme, sie wolle sterben. Der Arzt folgt ihren Wünschen.

1. Können Sie sich vorstellen, daß Sie in einer vergleichbaren Situationähnlich wie Frau S. handeln würden?

2. Würden Sie wünschen, daß Ihnen für einen solchen Fall Ihr ArztHinweise auf Medikamente und ihre Dosierung geben würde?

3. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Arztes?

4. Versetzen Sie sich in die Geschichte von Frau S. und schreiben Siediese Geschichte so um, daß die Behandlung Ihren Wünschen undVorstellungen entspricht.

FRAGELISTE FÜR MEDIZINISCHE GRENZSITUATIONENFÜR DIE AKTUELLE SELBSTBEWERTUNG UND DIEKÜNFTIGE SELBSTBESTIMMUNG

Wir alle wissen, daß sich unser Wert- und Weltbild ändern kann, vor al-lem auch unter dem Einfluß künftiger Erfahrungen und Erlebnissen.Einige von uns möchten sich deshalb nicht allzu genau festlegen undschwierige Entscheidungen erst dann treffen, wenn sie fällig sind, odersie Personen ihres Vertrauens überlassen. Andere wiederum sind sich derwichtigsten Werte und Wünsche, auch was die Zukunft und die Situa-tionen von Schwäche, Krankheit und Unfähigkeit zu eigener Entschei-dung betrifft, sehr sicher und wollen, daß diese Werte und Wünschehandlungsleitend und bindend für andere sind. Die folgenden Fragensollen Ihnen helfen, sich über Ihre Werte und Wünsche klar zu werden,die im Falle einer möglichen künftigen Unfähigkeit zur eigenen Ent-scheidung handlungsleitend sein sollen und dem von Ihnen Bevollmäch-tigten und den Ärzten stellvertretende Entscheidungen erleichtern sollen.Streichen Sie die von Ihnen gewünschte Bewertung an nach (a) der jetzi-

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gen Wichtigkeit (Zahlen 1 bis 5) und (b) nach der künftigen Verbindlich-keit für andere im Betreuungsfall (Buchstaben A bis E). Wägen Sie sorg-fältig ab und diskutieren Sie auch diese Abwägungen mit einem ArztIhres Vertrauens.Aktuell wichtig: 1 = sehr wichtig; 2 = wichtig; 3 = je nach Situation; 4 =kann ich nicht entscheiden; 5 = nein.Verbindlich für die Zukunft: A = unbedingt wichtig; B = wichtig; C= jenach Situation; D = kann ich nicht entscheiden; E = nein.

•• 1. Ich möchte solange leben wie möglich, 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• solange ich einigermaßen gesund bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• solange eine Aussicht auf Besserung besteht 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn ich für immer bewußtlos bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn ich geistig unzurechnungsfähig bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn ich unheilbar sterbenskrank bin 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn ich ständig die Hilfe anderer benötige 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

•• 2. Ich möchte ohne Leiden und Schmerzen sein 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn die Behandlung die Klarheit des Denkens beeinträchtigt

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn die Behandlung mich müde und schläfrig macht 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn die Behandlung unbeabsichtigt meine Lebenspanne verkürzt

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E•• 3. Ich wünsche menschlichen und medizinischen Beistand im Sterben

1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• auch wenn die Medikamente mich müde und schläfrig machen 1,2,3,4,5

A,B,C,D,E• auch wenn die Medikamente meine Lebensspanne verkürzen 1,2,3,4,5

A,B,C,D,E• auch wenn die Medikamente direkt meinen Tod herbeiführen 1,2,3,4,5

A,B,C,D,E•• 4. Bei unheilbarer Krankheit und Erwartung stark eingeschränkter

Lebensqualität, wünsche ich• umfassende Aufklärung 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• sollen meine Betreuer umfassend aufgeklärt werden 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• soll meine Familie informiert werden 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

•• 5. Wenn meine letzte Stunde gekommen ist, möchte ich in vertrauterUmgebung sein 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

• im Kreis meiner Lieben 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E• wo medizinische und menschliche Betreuung gesichert ist 1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

•• 6. Ich bitte, sich an meinen Wertungen zu orientieren1,2,3,4,5 A,B,C,D,E

MEDIZINISCHE BEGRIFFE UND IHRE BEDEUTUNG

Medizinische Begriffe werden vom Laien oft nicht zutreffend oder garfalsch verstanden. Für die Selbstvergewisserung über eigene Werte undWünsche und vor allem für eventuelle definitive Hinweise undVerfügungen ist es aber unerläßlich, daß über Begriffe und ihreBedeutung keine Unklarheit herrscht. Das gilt im Zusammenhang mitBetreuungsverfügungen vor allem für Begriffe wie Aufklärung, Betreuer,Betreuungsverfügung, Bevollmächtigter, Chemotherapie, Demenz,Finalstadium, Hirntod, Koma, Künstliche Beatmung, Künstliche

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Ernährung, Kreislaufstillstand, Künstliche Flüssigkeitszufuhr,Lebensqualität, Palliativmedizin, Prognose, menschliche undmedizinische Sterbebegleitung, aktive und passive Sterbehilfe,Übertherapie, Vorsorgevollmacht, Wiederbelebung. Sprechen Siewichtige Begriffe mit einem Arzt Ihres Vertrauens durch, auch solche,die Sie zu kennen meinen.

(A) Diese Begriffe sind mir bekannt:

(B) Diese Begriffe sind mir nicht vertraut:

EIGENE FRAGEN UND GEDANKEN

Wenn Ihnen sonst noch etwas wichtig erscheint für Ihre eigeneSelbstklärung über Ziele und Grenzen medizinischer Behandlung undLebensqualität oder medizinischer Fragen, die Sie mit Ihrem Arzt, IhremBevollmächtigten, einem Juristen Ihres Vertrauens, einem guten Freundoder einem Geistlichen besprechen möchten, so können Sie das auf demhier noch verbleibenden freien Raum eintragen.

(A) Wertfragen

(B) Medizinische Fragen

(C) Sonstiges und Fragen an mich selbst

Anlage 2:BOCHUMER ARBEITSBOGEN ZUR MEDIZINETHISCHEN PRAXIS1

Wissenschaftliche und ethische Analyse zur Behandlung eines medizini-schen Falles

Feststellung der medizinisch-wissenschaftlichen Befunde:Die Grundlage für die Befunderhebung erfolgt nach den anerkannten undbewährten Prinzipien wissenschaftlicher Diagnostik:

Ø Allgemeine Überlegungen:Wie lautet die Diagnose des Patienten und wie ist seine Prognose?Welche Behandlung kann aus medizinischer Sicht angesichts dieser Dia-gnostik und Prognostik vorgeschlagen werden?

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Welche Therapiealternativen können angeboten werden?Welches sind die allgemeinen Erfolgsaussichten der vorgeschlagenenTherapiemöglichkeiten? Welche Prognose besteht ohne die vorgeschla-genen Behandlungen?

Ø Spezielle Überlegungen:Wird die ins Auge gefaßte Behandlung dem Patienten medizinisch nut-zen?Wird sie die allgemeine Prognose im spezielle Fall günstig beeinflussen?Zu welchem Grade?Könnte sie dem Patienten in Bezug auf seine Heilung oder sein Wohlbe-finden schaden?In welchem Ausmaß?Wie wägen sich Nutzen und Schäden gegeneinander ab?

Ø Ärztliches Handeln:Liegen adäquate Behandlungsvoraussetzungen vor: Personelle? Team?technisch-apparative? Berücksichtigung des Standes der medizinischenForschung und ärztlichen Erfahrung?Welche wichtigen Fakten sind unbekannt?Sind die benutzten medizinischen Schlüsselbegriffe hinreichend klar?

Ø Zusammenfassung:Welche Behandlung wäre optimal angesichts des medizinisch-wissen-schaftlichen Befundes?

Feststellung der medizinethischen BefundeDie Grundlage für die Befunderhebung ist eine Bewertung nach den fol-genden drei Prinzipien:

Ø Gesundheit und Wohlbefinden des Patienten:Welche Schäden können bei den einzelnen alternativen Therapieweisenauftreten? (Verschlechterung des Wohlbefindens, Schmerzen, Lebens-verkürzung? Körperliche oder geistige Beeinträchtigung des Patienten?Angst?)

Ø Selbstbestimmung des Patienten:Was ist über das Wertsystem des Patienten bekannt? Welche Einstellunghat der Patient intensivmedizinischen, palliativen oder reanimierendenBehandlungsformen gegenüber?Ist der Patient über Diagnose, Prognose und Therapie hinreichend infor-miert?Wie weit kann der Patient in die Bewertung einbezogen werden oderinwieweit kann sie ihm ganz überlassen werden? Wer kann sonst stell-vertretende Entscheidungen für den Patienten fällen?Stimmt der Patient der Therapie zu?

Ø Ärztliche Verantwortung:Gibt es Konflikte zwischen der ethischen Beurteilung des Arztes, desPatienten, des Pflegeteams oder der Familie? Kann ein solcher Konfliktdurch eine bestimmte Behandlungsoption gemildert oder beseitigt wer-den? Wie wird sichergestellt, daß insbesondere auch die folgenden Prin-zipien nicht verletzt werden: das Vertrauensverhältnis zwischen Patientund Arzt, das Prinzip der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit und dieärztliche Schweigepflicht? Welche wichtigen Fakten sind unbekannt?

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Sind die benutzten ethischen Schlüsselbegriffe und ihr Verhältnis zuein-ander hinreichend klar?

Ø Zusammenfassung:Welche Behandlung wäre optimal angesichts des medizinethischen Be-fundes?

Behandlung des FallesWelche Optionen (alternative Lösungsmöglichkeiten) bieten sich ange-sichts eines möglichen Konfliktes zwischen medizinisch-wissenschaftli-chen und medizinethischen Befunden an? Welche der vorgenannten wis-senschaftlichen und ethischen Kriterien sind von diesen alternativen Op-tionen betroffen?Welche Optionen würden im Wertprofil des Patienten am angemessens-ten sein?Wer könnte oder sollte als Berater hinzugezogen werden?Ist eine Überweisung des Falles aus medizinischen oder ethischen Grün-den an andere angezeigt?Was sind die konkreten Verpflichtungen des Arztes bei der gewähltenBehandlung?Was sind die Verpflichtungen des Patienten, des Pflegepersonals, derFamilie, des Gesundheitswesens?Gibt es Argumente gegen die Entscheidung?Wie ist diesen Argumenten zu begegnen? Ist die Entscheidung ethischkonsensfähig? Für wen? Warum?Wurde sie mit dem Patienten diskutiert und seine Zustimmung erreicht?Revision der Entscheidung?

Ø Zusammenfassung:Welche Entscheidung wurde angesichts des Verbundes zwischen denmedizinisch-wissenschaftlichen und den medizinethischen Befunden undder vorgenommene Güterabwägung getroffen?Wie lassen sich die medizinethischen Entscheidungen und die vorge-nommenen Güterabwägungen klar und kurz zusammenfassen?

Zusätzliche Fragen zur ethischen Bewertung

1. Bei Fällen von langdauernder Behandlung:Wird die eingeschlagene medizinische Behandlung und ihre ethischeBewertung routinemäßig überprüft?Ist die Behandlung flexibel genug, um sich ändernden medizinisch-wis-senschaftlichen und medizinethischen Befunden anzupassen?Was ist bei unvorhergesehenem Auftreten medizinisch-wissenschaftli-cher oder medizinethischer völlig neuer Befunde am Behandlungsgesamtzu ändern?Wie steht der Patient zur Änderung der Behandlungsstrategie?Erfolgt bei infauster Prognose eine Abwägung zwischen intensivmedizi-nischen und palliativen Therapiemaßnahmen?

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Ist sichergestellt, daß hierbei der explizite oder mutmaßliche Wille desPatienten berücksichtigt wird?

2. Bei Fällen von erheblicher sozialer Relevanz:Welche familiären, emotionalen, lebensstilrelevanten, beruflichen oderökonomischen Folgelasten entstehen?Können diese Folgelasten vom Patienten, seinen Angehörigen oder derSolidargemeinschaft getragen werden?Wird die soziale Integration des Patienten, seine Lebensfreude und Per-sönlichkeitsentfaltung gefördert?Welche Bedeutung hat die Beantwortung dieser Fragen für die medizin-wissenschaftliche und die medizinethische Güterabwägung?

3. Bei Fällen therapeutischer oder nichttherapeutischer Forschung:Ist die Versuchsanordnung angesichts der medizinethischen Aspekte op-timal?Ist die Forschung notwendig? Hat der Proband/Patient nach Aufklärungseine Zustimmung gegeben?Welche Gründe könnte es dafür geben, daß die Aufklärung nicht voll-ständig war oder nicht voll verstanden wurde?Welche Gründe könnte es dafür geben, daß der Proband/Patient nichtvöllig freiwillig seine Zustimmung erteilt hat?Ist sichergestellt, daß bei der Auswahl der Patienten diese nicht gegen-über anderen Patienten bevorzugt oder benachteiligt werden?Hat der Proband/Patient das Recht, jederzeit die Teilnahme am Versuchzu beenden, und ist ihm dies hinreichend und in verständlicher Formmitgeteilt worden?

Anlage 3:STERBEHILFE IN EUROPA, AUSTRALIEN UND DEN USAI

Deutschland

In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten. Das Strafgesetzbuch stellt

in Paragraf 216 auch das Töten auf Verlangen unter Strafe und droht eine

Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren an. Dagegen bleibt die passive

Sterbehilfe, etwa durch Abschalten der Beatmungsgeräte, unter be-

stimmten, eng begrenzten Voraussetzungen straffrei.

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Seit langem anerkannt ist Sterbehilfe im Endstadium einer unheilbaren

Krankheit. Ein Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts von 1998 hat

sie unter bestimmten Umständen auch für eine Phase erlaubt, in der der

Sterbeprozess noch nicht eingesetzt hat. Entscheidendes Kriterium dabei

ist der geäußerte oder mutmaßliche Wunsch des Patienten. Besonders

problematisch ist das bei schwerstbehinderten Frühchen, Neugeborenen

oder Koma-Patienten, deren mutmaßlicher Wille überhaupt nicht oder

nur sehr schwer ermittelt werden kann.

Belgien

Die belgischen Regierungsparteien haben 1999 einen gemeinsamen Ge-

setzentwurf zur Straffreiheit für Sterbehilfe eingebracht. Nach dem von

Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen im Senat eingereichten Entwurf

sollen auch aktive lebensbeendende Maßnahmen unter Umständen straf-

frei sein.

Das Paket hat drei Gesetze zum Inhalt, die sich allerdings vom holländi-

schen Vorbild in einigen wichtigen Punkten unterscheidet. Das erste Ge-

setz sieht eine Ausnahme im Strafgesetzbuch vom dort festgeschriebenen

Verbot des Tötens vor. Danach soll aktive Sterbehilfe dann straffrei sein,

wenn der Wunsch nach lebensbeendenden Maßnahmen von einem un-

heilbar kranken, volljährigen und bei Bewusstsein befindlichen Patienten

mehrfach und freiwillig schriftlich oder vor Zeugen geäußert wird. Zwi-

schen dem Wunsch nach Sterbehilfe und lebensbeendenden Maßnahmen

muss ein Monat vergehen. Die beiden anderen Gesetzestexte befassen

sich mit der Einsetzung einer Kontrollkommission und der Verstärkung

der sterbebegleitenden Medizin.

Frankreich

Frankreichs nationales Ethik-Komitee hat sich im vergangenen Jahr für

die Beibehaltung der aktiven Sterbehilfe als Straftatbestand ausgespro-

chen. Gleichzeitig forderten die Mitglieder einen Ausbau der sterbebe-

gleitenden Pflege in den Krankenhäusern. Wenige Monate zuvor hatte

das Komitee Ausnahmen bei der Strafverfolgung vorgeschlagen, die al-

lerdings ausschließlich die Gerichtsverfahren betreffen. So sollen die

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Geschworenen die Möglichkeit erhalten, Fälle von Euthanasie anders zu

behandeln als andere Fälle von Mord und Totschlag.

Schweiz

In der Schweiz ist die Beihilfe zum Selbstmord durch Sterbehelferorgani-

sationen legal. Jährlich gibt es nach Schätzungen rund 120 Fälle. Wer die

"Freitod-Hilfe" in Anspruch nehmen will, muss an ärztlich diagnosti-

zierten, unerträglichen Schmerzen und einer Krankheit mit einer

schlechten Prognose leiden, mindestens 18 Jahre alt sowie im Vollbesitz

seiner geistigen Kräfte und Schweizer Bürger sein. Aktive Sterbehilfe ist

dagegen weiterhin verboten.

USA

Die Justizkommission des US-Senats stimmte im April 2000 einem Ge-

setz zu, das die ärztliche Hilfe zum Selbstmord verbietet. Die Bestim-

mung war bereits im Oktober vom US-Repräsentantenhaus angenommen

worden, und bedarf noch der Abstimmung im Senat sowie der Unter-

schrift des Präsidenten. Nach dem Gesetz ist es Ärzten verboten, zum

Tode führende Medikamente zu verschreiben. Gleichzeitig wird eine

wirksamere Anwendung von Medikamenten zur Schmerzlinderung emp-

fohlen. Bei Verstößen droht eine Höchststrafe von bis zu 20 Jahren Haft.

Anders lauten die Bestimmungen in Oregon. Dort haben nach amtlichen

Angaben bislang rund 50 Menschen von dem USA-weit einzigen Eutha-

nasie-Gesetz Gebrauch gemacht. Die Bürger hatten Ende 1997 dem Ge-

setz über erlaubte Sterbehilfe zugestimmt, nachdem es bereits 1994

verabschiedet, aber juristisch angefochten worden war. Nach dem Gesetz

"In Würde sterben" können todkranke Patienten ihren Arzt um ein zum

Tode führendes Mittel bitten.

Australien

Medizinische Sterbehilfe war weltweit erstmals 1995 im australischen

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Northern Territory erlaubt worden. Das Provinz-Parlament in Darwin

stimmte mehrheitlich dafür, dass sich unheilbar Kranke unter bestimmten

Bedingungen von Ärzten töten lassen dürfen. 1997 allerdings hob das

Bundesparlament das Gesetz des Nord-Territoriums wieder auf. Nach der

australischen Verfassung kann die Zentrale zwar nicht in die Gesetzge-

bung der sechs Bundesstaaten, wohl aber in die des Nord- und des

Hauptstadt-Territoriums eingreifen.

Abkürzungsverzeichnis:

A.F. Alter FassungAbs. AbsatzAG AmtsgerichtAG BtGRhPf Ausführungsgesetz des Betreuungsgesetzes in Rheinland-PfalzArt ArtikelBÄK BundesärztekammerBd. BandBDB Berufsverband der Berufsbetreuer/-innen e.V.BGB Bürgerliches Gesetzbuch

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BGH BundesgerichtshofBSHG BundessozialhilfegesetzBtÄndG BetreuungsrechtsänderungsgesetzBtBG BetreuungsbehördengesetzBT-Drucks. Bundestags-DrucksacheBtPrax Betreuungsrechtliche PraxisBVormVG BerufsvormündervergütungsgesetzBzw. BeziehungsweiseBzw. BeziehungsweiseD.h. Das heißtDGHS Deutsche Gesellschaft für Humanes SterbenEbd. EbendaFGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen GerichtsbarkeitFörderVV FörderverwaltungsvorschriftGG GrundgesetzGgf. GegebenenfallsHOPS Hornorganisches PsychosyndromHrsg. HerausgeberKap. KapitelKap. KapitelLG LandgerichtO.g. Oben genannt/e/r/sOLG OberlandesgerichtPEG (Percutane Endoskopische Gastrostomie)PsychKG Gesetz für psychisch KrankeRLP Rheinland-PfalzRZ Randziffer(n)S. SeiteSchwbG SchwerbehindertengesetzSog. Sogenannte/r/sSog. Sogenannt/e/r/sStGB StrafgesetzbuchU.a. Unter anderem / und andereURL: Uniform Resource LocatorUsw. Und so weiterVfB Verband freiberuflicher BetreuerVG VormundschaftsgerichtVgl. VergleicheWFB Werkstatt für BehinderteZ.B. Zum Beispiel

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Crames; SKM Trier: Betreff: [BtR] Querschnittsarbeit - WeitergabeAdressen neubestellte ea. <[email protected]> in: MailinglisteBetreuungsrecht: <[email protected]>[23.11.2000]

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Fröschle: Betreff: [BtR] Betreuter und Fahrerlaubnis.<[email protected]> in: MailinglisteBetreuungsrecht: <[email protected]>[20.3.2001]

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Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung in:URL: http://www.bundesaerztekammer.de/standardFrameset/index.html?/Homepage/publikationen_itn/08richtlinien_itn/85_sterbe.html [Stand: 11.4.2001]

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29.4.2001]Kutzer, Klaus: Die Würde des Menschen ist unantastbar – bis zuletzt.

Sterben und Sterbehilfe in der Rechtsprechung. In: Lehmann,Engelhardt: Leben bis zuletzt. Hrsg.: Sekreteriat der DeutschenBischofskonferenz; Kirchenamt der evangelischen Kirche. 1996

Landesärztekammer Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Handreichung.Ansprechpartnerin: Kröhler, Bettina im Referat „Fachausschüsse“(Tel.: 06131.2882229)

Langenfeld, Andrea: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung undPatiententestament nach dem neuen Betreuungsrecht. Konstanz1994

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Resolution der IGSL-Hospiz: Burgheim, Werner und Ackermann-Grüger. Adresse: IGSL-Hospiz Postfach 1408 55384 Bingen e-mail: [email protected]

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Ich versichere, dass die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigtwurde und ich mich keiner anderen als der von mir angegebenenLiteratur und Hilfsmittel bedient habe. Im Rahmen einer Prüfung wurdedas Thema von mir noch nicht schriftlich bearbeitet.

Mainz, 2.5.2001 _______________________

I Vgl: Hans-Martin Sass, Rita Kielstein: 'Wertanamnese und Betreuungsverfügung.Instrumente zur Selbstbestimmung des Patienten und zur Entscheidungshilfe des Arztesund Betreuers'. Heft 111 der Medizinethischen Materialien 7. Auflage, überarbeitetunter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung und der zum Januar 1999 in Kraftgetretenen Veränderungen des Betreuungsrechts, Deze mber 2000. In: URL:http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Betreuungsverfuegung.htm#Zeit

1 Vgl.: URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/Arbeitsbogen.htm [Stand: 29.4.2001][Heft 2 der Medizinethischen Materialien: Bochumer Arbeitsbogen zurmedizinethischen Praxis. September 1987]I Siehe MDR in: URL:http://www.mdr.de/online/nachrichten/inhalt_nachricht_hintergrund_50230@[email protected] [Stand: 30.4.2001]