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Dirk Ziesing Mit Gott für König und Vaterland

Dirk Ziesing Mit Gott für König und VaterlandDirk Ziesing Mit Gott für König und Vaterland Geschichte des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments 1813–1815 agenda Verlag

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Dirk Ziesing

Mit Gott für König und Vaterland

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agenda

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Dirk Ziesing

Mit Gott für König und Vaterland

Geschichte des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments

1813–1815

agenda Verlag Münster

2015

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Gedruckt mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe

Umschlagbild: Blüchers Unfall bei Ligny, 16. Juni 1815.

Aus der großen Berliner Kunstausstellung 1897, nach einem Gemälde von P. F. Messerschmitt.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2015 agenda Verlag GmbH & Co. KG Drubbel 4, D-48143 Münster

Tel.: +49(0)251-799610, Fax: +49(0)251-799519 www.agenda.de, [email protected]

Druck & Bindung: TOTEM, Inowroclaw, Polen

ISBN 978-3-89688-534-0

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Inhalt

Vorwort ............................................................................................................................................... 7

Einleitung ............................................................................................................................................ 9

Die Ausrüstung ............................................................................................................................... 16

Die Verpflegung .............................................................................................................................. 18

Das Jahr 1814 .................................................................................................................................. 20

Das Jahr 1815 .................................................................................................................................. 22

Gosselies und Jumet .................................................................................................................. 23

Die Schlacht bei Ligny............................................................................................................... 24

Die Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo) ............................................................................ 26

Die Gefechte bei Sèvres und Issy ............................................................................................ 28

Das Jäger-Detachement der Blücher-Husaren ...................................................................... 30

Die Situation der Verwundeten ............................................................................................... 31

Erwähnungen in zeitgenössischen Dokumenten ...................................................................... 36

Rückkehr und Auflösung ............................................................................................................... 37

Gedächtnistafeln ............................................................................................................................. 40

Jüdische Kriegsteilnehmer ............................................................................................................. 49

Denkmäler ........................................................................................................................................ 51

Krieger- und Landwehrvereine ..................................................................................................... 56

50-Jahr-Feier 1863 .......................................................................................................................... 57

Siebzigster Gedenktag 1883 .......................................................................................................... 58

Jahrhundertfeier 1913 ..................................................................................................................... 60

Einzelschicksale ............................................................................................................................... 62

Der Beitrag der Frauen ................................................................................................................ 330

Schlusswort .................................................................................................................................... 334

Literatur .......................................................................................................................................... 335

Anhang ............................................................................................................................................ 341

„Krieges-Lied für die Jünglinge der Mark Westphalens bey dem Aufrufe ihres Königs zum heiligen Kampfe für Freiheit, Vaterland und Ehre“ ................................................. 341

„Auszug aus den Königlichen Vorschriften wegen Bildung freywilliger Jäger-Detachements.“ ........................................................................................................................ 342

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„Anerkenntnis der Opferfreudigkeit der Grafschaft Mark. Münster, 27. Dezember 1813“ .......................................................................................................................................... 344

Flugblatt des Militär-Gouvernements vom 6. April 1814 ................................................. 345

„Relation der Gefechte des 2ten oder die Dienste des Füsilier-Bataillons versehenen Bataillons vom 1. Westfälischen Landwehr-Inf.-Rgts. am 15. Juni 1815“ ..................... 346

„Gehorsamste Relation der in der Schlacht bei Ligny am 16. Juni 1815 vom 1. Bataillon des 1. Westphälischen Landwehr-Inf.-Regiments bestandenen Gefechte“ ................... 348

„Ganz gehorsamste Relation der in der Schlacht von Ligny am 16ten Juni 1815, von dem 2ten, oder die Dienste des Füsilier-Bat. versehenden Bataillons des 1sten Westfälischen Landwehr-Inf.-Regiments bestandenen Gefechte“ .................................. 350

„Relation von der am 15. u. 16. Juni zwischen den Preussen und den Franzosen vorgefallenen Schlacht in Betreff des 3ten Bataillons 1sten Westphälischen Landwehr-Infanterie-Regiments“ ............................................................................................................. 352

„Ganz gehorsamste Relation der in der Schlacht von Belle-Alliance am 18ten Juni 1815 von dem 1sten Westph. Landw.-Inf.-Rgt. bestandenen Gefechte“ ................................ 353

„Bericht des Capitäns und interimist. Batl.-Commandeurs v. Rappard, was das Füsilier-Batl. vom 1. Westphälischen Rgt. in der Schlacht von Belle-Alliance am 18. Juni that, und wie es sich benommen“ .................................................................................................. 354

„Ganz gehorsamste Relation von den vom 1ten Westphälischen Landwehr-Infanterie-Regiment und dessen Jägern am 2t und 3t July 1815 bestandenen Gefechte“.............. 356

„Proclamation des Feldmarschalls Fürsten Blüchers an die Armee des Niederrheins. (Jedem Bataillon vorzulesen.)“ ............................................................................................... 358

Zeitungsmeldung vom 23. Juni 1815 .................................................................................... 359

„Nachweisung, an welchen Gefechten das 1te Westphälische Landwehr-Inf.-Regiment seit 1812 Antheil genommen“ ............................................................................................... 360

Private Aufzeichnungen des Majors von Gillhausen, undatiert ....................................... 363

„Namentliche Liste der Offiziere des 1ten Westphälischen Landwehr-Inf. Regts., so im Laufe der Campagne 1815 vor dem Feinde geblieben oder blessirt worden“ ............... 365

„Den Tod fürs Vaterland starben im Laufe des Feldzuges“–Amtsblatt für die Provinz Westfalen, Nr. 34, veröffentlicht in Münster am 15. Mai 1816 ........................................ 366

Abkürzungen der Dienstgrade auf den Gedächtnistafeln für die Gefallenen ............... 368

„Namentliche Liste derjenigen Individuen des 1. Westphälischen Landwehr-Inf.-Regiments, welche sich in der Campagne besonders ausgezeichnet und dafür das eiserne Kreuz erhalten haben. – Dortmund, den 21. May 1816“ .................................... 369

Personenregister ............................................................................................................................ 372

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Vorwort

m „Morgenblatt für gebildete Leser“ erschien 1842 eine Rezension des im Jahr zuvor veröf-fentlichten Werkes „Die Zeiten des ersten Westphälischen Landwehrregiments“ von Friedrich

Harkort. Der Beitrag schließt mit den Worten „Ist es nicht der Mühe werth, die Schicksale jenes westphälischen Kontingents zu schreiben? Aber das müßte bald geschehen, so lange noch solche leben, die dabei waren.“ Dieser Wunsch blieb bis dato unerfüllt, so dass es zweihundert Jahre nach der Formierung des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments an der Zeit ist, dieser militärischen Einheit und seiner Geschichte während der Befreiungskriege 1813 bis 1815 endlich eine gebührende Dokumentation zu widmen. Schließlich waren es diese Westfalen, die am 15. Juni 1815 den ersten feindlichen Kontakt mit den Truppen des zurückgekehrten Kaisers Napoleon Bonaparte hatten und dabei Blutzoll entrichteten. Einen Tag später, in der Schlacht bei Ligny, konnte Feldmarschall Blücher seine Rettung aus ernster Gefahr ebenfalls dieser Einheit, seinen „Kerls wie aus Eisen“, verdanken. Deren interimistischer Kommandeur ließ sich dadurch zu der Behaup-tung verleiten, ohne ihn hätten die Preußen niemals Paris erreicht. Man darf dies mit ei-nem Augenzwinkern quittieren, aber Fakt ist, dass das 1. Westfälische Landwehr-Regiment auch maßgeblich an den letzten Kampfhandlungen vor Paris am 3. Juli 1815 beteiligt war und dabei wiederum Verluste zu verzeichnen hatte. An die Beschreibung der geschichtlichen Zusammenhänge und der militärischen Einsätze schließt sich eine Dokumentation zahlreicher Einzelschicksale namentlich bekannter Ak-teure in den nachfolgenden Jahren an. Diese Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit, dürfte aber alle maßgeblichen Personen einschließen. Einige der Männer hat-ten nach den Befreiungskriegen große Karrieren vor sich, und ihre Namen haben überre-gional Bekanntheit und Anerkennung erlangt. Andere verschwanden schnell im Dunkel der Geschichte, und es gab auch solche, die auf die schiefe Bahn gerieten. Sofern dennoch ein Name nicht die entsprechende Würdigung erfahren haben sollte, bittet der Autor um Nachsicht. Bei einer nominellen Regimentsstärke von 3.280 Mann konnten nicht alle ei-nen Platz in diesem Werk finden. Andererseits wurden auch einige Personen behandelt, die nicht direkt zu dem im Vorder-grund stehenden Regiment gehörten, sich aber zur gleichen Zeit als westfälische Freiwil-lige anderen preußischen Einheiten anschlossen, und so ähnliche Schicksale hatten. Den Frauen an der Seite all dieser Männer wurde ein besonderes Kapitel gewidmet, da die Versorgung der Verwundeten und Kranken zum großen Teil in ihren Händen lag. Die eigens dafür gegründeten „Frauen-Vereine“ erfassten schnell alle Provinzen des preußischen Königreichs. Das Archiv des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments ist leider nicht mehr vorhanden, jedoch konnten einige Tagebücher, Briefe und zeitgenössische Aufzeichnun-gen als Primärquellen herangezogen werden. Darin ist eine Fülle an Informationen enthal-ten, bis hin zu Angaben über den Speiseplan der Märkischen Krieger. So wird an einer Stelle Milchreis erwähnt, während in einem anderen Zusammenhang Gurkensalat aus-drücklich genannt ist.

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8 Die Auflistung der Protagonisten und Mitläufer orientiert sich an der alphabetischen Rei-henfolge ihrer Namen, ohne besondere Herausstellung der Offiziere und Adeligen, denn bei der Truppe der Grafschaft Mark galt schließlich das Motto „Alle für Einen, Jeder für Alle!“

Sockelinschrift auf dem Denkmal des

1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments in Wetter an der Ruhr

Der Autor bedankt sich auf diesem Wege bei allen Archiven, Vereinen, Institutionen und Privatpersonen, durch deren Hilfestellung das vorliegende Werk erst ermöglicht wurde.

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Einleitung

ach sieben Jahren Napoleonischer Unterdrückung erfolgte am 17. März 1813 Preu-ßens Kriegserklärung an Frankreich. König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) ließ

in Breslau den Aufruf „An Mein Volk“ veröffentlichen und legitimierte so die patriotische Bewegung gegen die Fremdherrschaft. Zeitgleich wurde auch die Verordnung über die Organisation der Landwehr in Umlauf gebracht, ausgearbeitet von Generalstabschef Ge-rhard von Scharnhorst (1755–1813). Der große Reformer konnte aber diesen Triumpf nicht mehr erleben, da er an den Folgen einer vernachlässigten Schusswunde gestorben war. Angehörige der Landwehr sollten zukünftig an einem an der Kopfbedeckung angebrach-ten Weißblechkreuz zu erkennen sein. Dieses Kreuz trug die Inschrift „Mit Gott für König und Vaterland“. Dieses Motto existierte schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts in der ähn-lichen Form „Pro deo, rege et patria“ (Für Gott, König und Vaterland) für preußische Land-milizen. Außerdem war schon am 23. Februar 1813 eine Verordnung zur preußischen National-kokarde ergangen. Das schwarz-weiße Emblem war von allen Männern ab dem zwanzig-sten Lebensjahr am Hut zu tragen. Dies galt ausdrücklich auch für das Zivilleben, wobei eine besondere Verflechtung mit dem Militärdienst bestand, denn Desertion oder Feigheit vor dem Feind verwirkten das Recht zum Tragen der Kokarde. Von einem Landwehr-mann namens Heinrich Grün1 aus Hattingen ist überliefert, dass ihm 1814 diese Schande widerfuhr, er aber 1815 vor den Wällen von Paris die Scharte auswetzte und zugleich eine besondere Belobigung erfuhr. Am 23. November 1813 wurde in Hamm in Westfalen die Aufstellung des ersten Land-wehr-Infanterie-Regiments beschlossen. Hamm war seit 1226 Hauptstadt der Grafschaft Mark, und so verwundert es nicht, dass dieses Regiment auch den Beinamen „ 1. Markani-sches“ erhielt. Die Grafschaft Mark entstand im 12. Jahrhundert. Sie umfasste im Wesentlichen das heu-tige Ruhrgebiet und Teile des Sauerlandes. Im 14. Jahrhundert erfolgt der Zusammen-schluss mit der Grafschaft Kleve, und 1666 kamen die vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter die Herrschaft des Kurfürsten von Brandenburg. 1701 wurde dieses Gebiet im Westen Deutschlands dann Teil des Königreichs Preußen. Diese Zugehörigkeit ging unter französischem Einfluss verloren, als 1806 das Ruhrdepartment dem neu ent-standenen Großherzogtum Berg zugeschlagen wurde. Nach dem Wiener Kongress wurde Westfalen 1815 als preußische Provinz neu gegründet. Die ehemalige Grafschaft Mark ging dabei im Regierungsbezirk Arnsberg auf. Doch zunächst nahm im November 1813 Preußen wieder formell Besitz von dem Gebiet zwischen Rhein und Weser. Es umfasste die Herrschaftsgebiete der ehemaligen Fürsten-tümer Minden, Münster, Paderborn und Ostfriesland, außerdem das Herzogtum Kleve, die Grafschaften Ravensberg, Lingen und Tecklenburg sowie Mark und schließlich die Stiftsgebiete in Herford, Essen und Werden.

1 Es wird sich um Heinrich Ernst Grün gehandelt haben. 1819 heiratete er in Hattingen Catharina Sybilla Oberste-Vortmann.

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10 Nach dem ersten westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiment wurde das zweite im Raum Minden-Ravensberg aufgestellt, das dritte wurde als das Ostfriesisch-Lingensche bezeich-net, das vierte kam aus dem Münsterland und das fünfte schließlich aus der Gegend um Paderborn. Weitere folgten im Laufe des Jahres 1815. Als Zivilgouverneur der neuen Provinz wurde am 14. November Friedrich Ludwig Wil-helm Philipp Freiherr von Vincke (1774–1844) eingesetzt. Sein militärischer Gegenpart war Generalmajor Levin Carl von Heister (1757–1816). 1815 wurde von Vincke dann erster Oberpräsident und von Heister als Generalleutnant erster kommandierender Gene-ral der neuen Provinz Westfalen. Die Verwaltungseinheit der Landesdirektion Dortmund wurde dem Freiherrn Gisbert Christian Friedrich von Romberg (1773–1859) übertragen. Er war zuvor preußischer Kammerherr und anschließend Präfekt des napoleonischen Ruhr-Departements gewesen. Als reichster Grundbesitzer der Region besaß er unter anderem Anteile an mehr als zwan-zig Bergwerken. Generalleutnant Friedrich Wilhelm von Bülow (1755–1816), Befehlshaber des III. Armee-korps, forderte 5000 Rekruten für sein Korps und rief zur Bildung von Landwehr und Landsturm auf, um die preußische Armee im Kampf gegen Napoleons weichende Trup-pen zu verstärken. Bei der Landwehr gab es das erste Aufgebot, welches die reguläre Ar-mee bei Kampfeinsätzen unterstützte. Das zweite Aufgebot war im Kriegsfall für den Garnisonsdienst und die Besatzung eingenommener Festungen vorgesehen. Der Land-sturm sollte nur zum Einsatz kommen, wenn der Feind die Heimat bedrohte. Festgelegte Gebiete mit rund 100.000 Einwohnern sollten Landwehr im Umfang eines Infanterie-Regiments und einer Kavallerie-Eskadron stellen. Ein Regiment bestand aus vier Bataillonen, mit einer Planstärke von jeweils 801 Mann (728 Landwehrmänner, 60 Unteroffiziere und 13 Spielleute), die von 19 Offizieren geführt wurden. Unter dem Batail-lonskommandeur rangierten vier Hauptleute als Kompanieführer und bis zu vierzehn Leutnante. Die Spielleute umfassten neben dem Bataillons-Tambour acht weitere Tromm-ler und vier Hornisten. Die Landwehr-Kavallerie operierte mit deutlich geringeren Zahlen. So zählte das erste westfälische Kavallerie-Regiment sechs Eskadronen mit jeweils 108 Reitern. Ein Landwehrmann musste zwischen 17 und 40 Jahre alt sein. An seine Tauglichkeit wur-den keine großen Ansprüche gestellt, die Körpergröße durfte allerdings fünf rheinische Fuß2 nicht unterschreiten. Zudem wurde der Gesundheitszustand von einem Arzt unter-sucht. Beispielsweise führten bei vielen Wehrpflichtigen aber auch bei einigen Freiwilligen festgestellte Leistenbrüche zur Ausmusterung. Auf Anweisung der Regierung wurden alle männlichen Einwohner in der genannten Al-tersklasse erfasst. Zum Teil sind die Erhebungsbögen noch in den Stadtarchiven erhalten. Zum Beispiel wurden in Langendreer, damals zugehörig zur Bürgermeisterei Witten, auf diese Weise einhundertdreizehn Männer erfasst. Wer sich nicht freiwillig meldete, wurde einer Auslosung unterworfen, um die erforderliche Zahl an Rekruten stellen zu können. In Dortmund lag der Sammelpunkt an der alten Femlinde, außerhalb der Stadtmauer, im Bereich des heutigen Hauptbahnhofes.

2 Entsprechend 157 cm.

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Offiziere wurden von den Kreisausschüssen gewählt und mussten von der Armeeführung bestätigt werden, wobei man altgediente preußische Offiziere und Feldwebel bevorzugte. Es wurden aber auch junge Männer aus der Oberschicht zu Leutnanten gemacht, die, zum Teil ohne militärische Erfahrung, die Verantwortung für ihre Einheiten übernehmen mussten. Dazu zählten in Dortmund Namen wie Buchholz, Hammacher, Hiltrop und Köppen. Im Hagener Bataillon waren es, neben anderen, zwei Söhne der bekannten Un-ternehmerfamilie Harkort. Im Übrigen haben die Erinnerungen Friedrich Harkorts an die nachfolgenden Ereignisse die Entstehung des vorliegenden Werkes maßgeblich beein-flusst. Schon im Februar 1813 hatte der preußische König auch Vorschriften für die Aufstellung freiwilliger Jäger-Detachements erlassen. Diese Einheiten wurden sowohl den regulären Fußtruppen als auch der Kavallerie beigegeben, um Aufgaben der leichten Truppen zu übernehmen. Das heißt, sie fungierten als Plänkler und Kundschafter, waren aber vom Garnisonsdienst und von Transport- und Arbeitskommandos ausgenommen. Durch ihre dunkelgrüne Bekleidung hoben sich die Jäger auch optisch von den Linientruppen ab. Aber auch durch ihre Herkunft bildeten sie eine spezielle Gruppierung. Es wurde schließ-lich erwartet, dass sich diese Freiwilligen mit eigenen Mitteln bekleideten, bewaffneten und „sich beritten machten“. Demnach musste in ihren Familien schon ein gewisser Wohlstand vorhanden sein. Die Jägereinheiten wurden nur zwei bis drei Monate lang von regulären Unteroffizieren und Offizieren kommandiert, danach sollten die Befehlsgeber aus den eigenen Reihen gewählt werden. Grundsätzlich stand auf diese Weise jedem der Weg zu einer militäri-schen Karriere offen. Kam jemand aus dem zivilen öffentlichen Dienst, so wurde seine Besoldung aufrechterhalten, und die Kollegen mussten bis zur Rückkehr die Dienstge-schäfte unentgeltlich übernehmen. Für jeden jungen Mann im Alter zwischen 17 und 24 Jahren war der Dienst in der regulä-ren Armee oder bei den Jägern zwingend vorgeschrieben; ansonsten drohte der Verlust der Bürgerrechte und des Gewerbescheins. Eine Befreiung war nur bei angeschlagener Gesundheit möglich, oder, sofern es sich um die Söhne von Witwen handelte, wenn keine älteren Brüder die Familie ernähren oder die Besitzung führen konnten. Das vorgeschrie-bene Mindestalter wurde prinzipiell beachtet, es gab allerdings auch noch jüngere Kriegs-teilnehmer. Zumindest musste die Konfirmation stattgefunden haben. Nach Harkort um-fassten 1813 die beiden märkischen Fußjäger-Detachements 282 Köpfe. Hinzu kamen 28 Jäger für das erste und weitere 20 für das zweite Pommersche Infanterie-Regiment. Bei der Kavallerie wurden 62 Mann in der märkischen Schwadron gezählt sowie 48, die das Blüchersche Husaren-Regiment verstärkten. Landesdirektor von Romberg und Ständedirektor von Bodelschwingh-Plettenberg wurden als Generalkommissare für den Aufbau der märkischen Landwehr ausgewählt. Beide er-hielten später gemeinsam mit von Vincke das Eiserne Kreuz am weiß-schwarzen Band, also die Ausführung für Zivilverdienste. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass von Romberg im Februar 1814 auch die Instrumente für die Musiker des Landwehrregimentes finanzierte. Es handelte sich um vier Klarinetten, zwei Flöten, ein Fagott, ein Serpent3 sowie jeweils zwei Hörner und

3 Historisches Blechblasinstrument in Schlangenform, entstanden gegen Ende des 16. Jahrhunderts.