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magazin       O       K       T       /       2       0       1       3 DIVSI Expertengruppe versammelt. Tagung in Berlin. BRAUCHT DEUTSCHLAND EINEN DIGITA LEN KODEX? Worum geht es? Wer soll adressiert werden? Wer begleitet das Projekt? DIVSI Veröffentlichungen Studien Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2012 Meinungsführer-Studie: Wer gestaltet das Internet?, 2012 Entscheider-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2013 Der Diskurs zur Netzneutralität, Bericht, 2013 Reden Roman Herzog: Internet und Menschenwürde, 2013 Olaf Scholz: Braucht das Internet Vertrauen?, 2013 Diskussionsbeiträge Dominic Völz, Timm Christian Janda: Thesen zur Netzpolitik – Ein Überblick, 2013 Christina Heckersbruch, Ayten Öksüz, Nicolai Walter, Jörg Becker, Guido Hertel: Vertrauen und Risiko in einer digitalen Welt, 2013 Göttrik Wewer: Digitale Agenda 20 13 - 2017 – Netzpolitik im neuen Deutschen Bundestag, 2013 Prof. Dr. Miriam Meckel Neue Studie vorgestellt: Fakten zur Netzneutralität 

DIVSI magazin - Ausgabe 3/2013

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DIVSI

Expertengruppe versammelt. Tagung in Berlin.

BRAUCHT DEUTSCHLAND EINEN DIGITALEN KODEX?Worum geht es? Wer soll adressiert werden? 

Wer begleitet das Projekt? 

DIVSI Veröffentlichungen

Studien

Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2012

Meinungsführer-Studie: Wer gestaltet das Internet?, 2012Entscheider-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet, 2013

Der Diskurs zur Netzneutralität, Bericht, 2013

Reden

Roman Herzog: Internet und Menschenwürde, 2013

Olaf Scholz: Braucht das Internet Vertrauen?, 2013

Diskussionsbeiträge

Dominic Völz, Timm Christian Janda: Thesen zur Netzpolitik – Ein Überblick, 2013

Christina Heckersbruch, Ayten Öksüz, Nicolai Walter, Jörg Becker,

Guido Hertel: Vertrauen und Risiko in einer digitalen Welt, 2013

Göttrik Wewer: Digitale Agenda 2013 - 2017 – Netzpolitik im neuen

Deutschen Bundestag, 2013

Prof. Dr. Miriam Meckel Neue Studie vorgestellt: Fakten zur Netzneutralität 

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bislang eher selten heraus. So haben wir denn im Gesprächauch lange das Für und Wider abgewogen, ob man diese

Haltung ändern sollte.

Das Ergebnis der Überlegungen finden Sie auf den Seiten4/5. Matthias Kammer besetzt dort mit deutlichen Worten eineklare Position im NSA-Skandal. Und deutet gleichzeitig Wegean, wie sich positive Lehren aus diesem unerhörten Vorgangziehen ließen. „Director’s Cut“ habe ich den Meinungsbeitrag imschönen Neu-Deutsch genannt. Ich bin sicher, dass sich dieserPremiere weitere Stücke anschließen werden.

Einer ganz anderen Thematik wünschte ich einen ähnlichenAufmerksamkeitswert wie den Schnüffeleien von NSA und denbritischen Kollegen. Doch der Diskurs zur Netzneutralität fristeteher ein Schattendasein. Eigentlich unverständlich, denn auchhier ist etwas im Busch, was alle Beteiligten der Netz-Weltberühren muss. Prof. Dr. Miriam Meckel hat bei der Vorstellungihrer Studie „Der Diskurs zur Netzneutralität“ sehr bedauert,dass diese Thematik bislang fast nur Experten beschäftige.

Die angesehene Kommunikationswissenschaftlerin, Mit-glied im DIVSI Beirat, fasst in der Studie den aktuellen Sach-stand zusammen – mit einem Blick über den deutschenTellerrand hinaus. Wir skizzieren die wesentlichen Fakten vonder Veranstaltung in Berlin (S. 6).

Passend zu dieser Studie zeichnet BITKOM-Haupt-geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder – auch er gehört demDIVSI Beirat an – die Perspektive der digitalen Wirtschaft imHinblick auf den Streitpunkt Netzneutralität auf. Er ist über-zeugt, dass präventive regulatorische Maßnahmen die Entwick-lung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen vereiteln können(S. 9).

Ich wünsche Ihnen informative Unterhaltung mit demneuen „DIVSI magazin“.

Jürgen SelonkeChefredakteurDIVSI magazin

Zugegeben – ich habe den neuen Internet-Auftritt von DI VSInoch nicht bis in seine letzten Feinheiten und Möglichkeitendurchdrungen. Er verbirgt bis heute ein paar Geheimnisse vormir. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass ich mich nach derbekannten SINUS-Einstufung bestenfalls zu den Digital Immi-grants zählen darf.

Ich erinnere dazu eine Szene, die mich nicht gerade frohgestimmt hat. DIVSI Beiratsmitglied Harald Lemke beäugteeinst meine technische Ausrüstung und setzte meine Kennt-nisse dazu in Relation: „Das ist, als ob man mit einem Porschezum Mist holen fährt.“

Wir reden t rotzdem noch miteinander. Und in Bezug auf denneuen Internet-Auftritt notiere ich gern Bedienerfreundlichkeit,Variantenreichtum sowie gesteigertes Informationsangebot alsPluspunkte. Über Ziele und Hintergründe des Relaunch infor-mieren die Macher und werfen dabei auch einen Blick in dieZukunft von Webseiten (S. 22).

Selten hat ein Projekt bereits in seiner Startphase für soviel Diskussionsstoff gesorgt, wie die mittlerweile bundesweitbekannte DIVSI Frage „Braucht Deutschland einen DigitalenKodex?“ Die Antwort steht unverändert aus; von durchformu-lierten, anerkannten und gültigen Spielregeln für die digitaleWelt ganz zu schweigen.

Hinter den Kulissen ist DIVSI im Team mit dem BerlinerThink Tank iRights.Lab nachhaltig aktiv, sich einer Lösung zunähern. Zehn Experten mit unterschiedlichen Schwerpunktenim beruflichen Wirken haben sich in dankenswerter Weisebereit erklärt, ihre Kenntnisse einzubringen, um die vielschich-tigen Probleme zu durchdringen. Wir stellen Ihnen diese Gruppevor und informieren gleichzeitig über grundlegende Ansätze zu

diesem wichtigen Thema (ab Seite 11).

Von seiner Art und generellen Einstellung her zählt DIVSIDirektor Matthias Kammer zu den zurückhaltenden im Kreis derKenner unserer digitalen Welt. Eigentlich präsentiert er lieberwertfrei Fakten oder diskutiert im Rahmen öffentlicher Veran-staltungen – dann auch gern kontrovers. Seine private Meinungdagegen lässt er als Verantwortlicher eines neutralen Instituts

INHALT4 HIER WARTET UNERLEDIGTE ARBEIT

DIVSI Direktor Matthias Kammer zum Skandalum die NSA-Affäre und ein Blick i n die Zukunft

6 NUR EIN FALL FÜR EXPERTEN?

Prof. Dr. Miriam Meckel präsentiert a ktuelle

Studie zur Netzneutralität. Joachim Haackskizziert die wesentlichen Fakten

9 NETZNEUTRALITÄT – DIE PERSPEKTIVE DER

DIGITALEN WIRTSCHAFT

Dr. Bernhard Rohleder warnt: Präventive regu-latorische Maßnahmen können die Entwicklungneuer Geschäftsmodelle und Innovationen ver-eiteln

11 BRAUCHT DEUTSCHLAND EINEN DIGITALEN

KODEX?

Dr. Dirk Graudenz informiert über den aktuellenStand der großen DIVSI Initiative

12 DIESE ZEHN EXPERTEN BEGLEITEN DAS

PROJEKT

Ein Überblick, wer und warum sein Wissen

einfließen lässt16 DIGITALER KODEX – WAS IST DAS EIGENTLICH?

Dr. Till Kreutzer liefert eine Begriffserklärungund schildert, welche Akteure angesprochenwerden

18 DER NEUE BUNDESTAG UND DIE NETZPOLITIK

Dr. Göttrik Wewer stellt fest, dass Einigkeit beiden Themen herrscht – nur über das WIE diffe-rieren die Meinungen

21 WIR WARTEN AUF IHREN BEITRAG!

Das DIVSI legt eine neue Schriftenreihe auf.Gesucht sind Themen zur Diskussion umVertrauen und Sicherheit im Internet

22 KOMPLEXE THEMEN - SCHNELL UND EINFACH!

Alexander Braun und Michael Schneider überden Relaunch des DIVSI Internet-Auftritts

24 DER MOBILE BODYGUARD FÜR DIE TASCHE

Smartphones sind Sicherheitsrisiko und Schutz-wall gleichzeitig. Autor Peter von Aspern, Headof Product Management bei TrendONE, umreißtihre Möglichkeiten

26 AKTUELLE BÜCHER

Ein Relaunch, ein Kodex und

der „Director’s Cut“

Web: www.divsi.deE-Mail: [email protected]

Anfragen DIVSI magazin:Michael SchneiderLeitung KommunikationTel.: + 49 40 226 369 895E-Mail: [email protected]: [email protected]

Wissenschaftliche Leitung:Joanna SchmölzTel.: + 49 40 226 369 896E-Mail: [email protected]

Wir haben unseren Verteiler für das DIVSI magazinaktualisiert und ergänzt. Bitte teilen Sie uns unterden o.a. E-Mail-Adressen mit, falls Sie künftig aufdas Magazin verzichten möchten.

Haben Sie Fragen oderwünschen weitereInformationen?

IMPRESSUM

Herausgeber:Deutsches Institut für Vertrauen undSicherheit im Internet (DIVSI)Matthias Kammer, DirektorMittelweg 14220148 Hamburg

Chefredaktion:Jürgen Selonke (V.i.S.d.P.)

Autoren:Peter von Aspern, Alexander Braun,Dr. Dirk Graudenz, Joachim Haack,Matthias Kammer, Dr. Till Kreutzer,Dr. Bernhard Rohleder, MichaelSchneider, Dr. Göttrik Wewer

Realisation:PubliKom KommunikationsberatungGmbH, Hamburg

Bildnachweis:CSM Stock, Google, Jana Pofalla

Verbreitete Auflage:ca. 7.500 ExemplareAbgabe kostenlos

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Jahr Schirmherr des DIVSI, hat diesenGedanken bereits bei seiner Amtsüber-nahme geäußert. Er sprach von einemDigitalen Kodex.

Unser Institut ist jetzt dabei, dieseIdee zu konkretisieren. Dabei sollen eineReihe grundsätzlicher Gedanken beant-wortet werden: Brauchen wir neuesoziale Regeln, die untereinander geltensollen? Lässt sich verbindlich festlegen,wie man künftig miteinander umgeht, umInternet-Missbrauch auszuschließen?Welche Verantwortung sollen Nutzer,Unternehmen und der Staat in der digita-len Welt künftig übernehmen? Sind neuesoziale Spielregeln fern von rechtlicherRegulierung in der Gesellschaft erforder-lich?

Ich erwarte von den politisch Verant-wortlichen der nächsten Jahre, dass auchsie sich endlich seriös diesem giganti-schen Fragenberg zumindest nähern.Und ich bin froh, dass wir einen Bundes-präsidenten haben, der hier deutlicheZeichen setzt und sich nicht mit lapidarenAntworten abspeisen lässt.

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Das bedeutet im Klartext: Auch die bis-lang als sicher geltenden https-Verbin-dungen, beispielsweise beim Online-Banking, können geknackt werden.

Nun mag es Menschen geben, dieGeheimdiensten das Schnüffeln erlaubenmöchten, weil dieses so erworbene Wis-sen zur Vorbeugung und Abwehr terroris-tischer Angriffe nützlich sein kann. Istdiesen Zeitgenossen eigentlich klar, dasses durchaus auch kriminelle Elementegibt, die solche Hintertüren öffnen kön-

nen, um verbrecherische Aktivitätendurchzuführen?

Ist es nicht beschämend für diegesamte deutsche Politik, wenn sich beieinem solchen Web-Tsunami der Präsi-dent unseres Landes mit dem Bundes-datenschutzbeauftragten treffen muss,weil Regierung und Opposition überfor-dert sind, die Bürger umfassend aufzu-klären – über die wahren Ausmaße desentstandenen Schadens und über Wege,die jetzt eingeschlagen werden müssten,um den Schaden zu begrenzen?

Joachim Gauck war Schirmherr desDIVSI, bevor er zum Bundespräsidentengewählt wurde. Er hat i n mehreren Inter-views geäußert, dass ihn die NSA-Affärebeunruhige. Es unterstreicht sein tiefes,geradliniges Streben nach Bewahrungund Ausbau der Freiheit und unser allerFreiheitsrechte, wenn er im Interesse sei-ner eigenen Information den eher unge-wöhnlichen Weg über den Datenschutz-beauftragten wählt. Womöglich hat ersich davon umfassendere sachlich-neu-trale Aufklärung versprochen als vonoffizieller Politikseite. Denn Peter Schaar,immerhin mit der Erfahrung von gut zehnJahren auf der Position des oberstenDatenschützers, hat mehrfach Kritik amVerhalten der politisch Verantwortlichengeäußert und ihnen Verschleierung vor-geworfen.

Beide sprechen mir mehr aus demHerzen als die Phalanx jener Politiker, fürdie alle Vorwürfe in diesem einmaligenSkandal ausgeräumt sind. Der Skandal

um NSA und den britischen GCHQ-Dienstmuss als unerledigte Arbeit in die neueLegislaturperiode übernommen werden.Denn ausgeräumt ist gar nichts.

Die Internet-Nutzer haben ein Rechtauf Aufklärung, welche Verschlüsse-lungstechniken sie überhaupt noch sinn-voll nutzen können. Wenn die Politikkeine vor Ausspähung sichere Softwareempfehlen kann, wächst die Gefahr einer

tiefgreifenden Vertrauenskrise bei derNutzung des Internets.

Anzeichen hierfür hat eine repräsen-tative DIVSI Umfrage, realisiert durch dasrenommierte SINUS-Institut, bereits er-geben. Denn das Sicherheitsgefühl derDeutschen im Internet hat sich durch denAbhörskandal verschlechtert. 39 Prozentder Befragten fühlen sich demnach beiihren Aktivitäten unsicherer als zuvor.

Auch die Wirtschaft müsste daraninteressiert sein, dass alle Fakten lücken-

los auf den Tisch kommen. Denn eineVertrauenskrise würde besonders jeneUnternehmen empfindlich treffen, derenGeschäftsprozesse maßgeblich auf demInternet basieren. Es ist für mich höchstverwunderlich, dass sich die Wirtschaftangesichts nicht auszuschließenderIndustriespionage derart ruhig verhält.

Dabei sollten in den Chefetagen dieAlarmglocken schrillen. Zum Zeitpunktunserer Befragung im Juni hatte bereitsfast jeder Fünfte (18 Prozent) sein Verhal-ten bei der Nutzung des Internets geän-dert. Vor allem im Umgang mit Online-Diensten wollte man sich künftig vorsich-tiger verhalten. Diese Werte liegen heutemit Sicherheit bei Weitem höher. Es ist ander Zeit, dass die staatlichen Institutionendiese Sorgen der Bürger endlich ernstnehmen und reagieren.

Oder ist der Staat hier mittlerweileschlicht überfordert? Hat er vielleicht diefalsche Arbeitsgrundlage? Anders gefragt:Taugt unser Grundgesetz überhaupt nochfür das digitale Zeitalter? Das Lorenz-von-Stein-Institut überprüft im DIVSIAuftrag gerade das Fundament unsererDemokratie unter diesem Gesichtspunkt.

Und was kann der einzelne Internet-Nutzer machen? Wir Mitspieler des digi-talen Zeitalters sollten trotz des weiterschwelenden Skandals das Lamentieren

beenden und nach vorn blicken: Wielassen sich bessere Schutzwälle errichten?

Ein erster Schritt wäre für mich, indiesem Zusammenhang nicht aus-schließlich den überstrapazierten Begriff„Datenschutz“ zu bemühen. Das Zielmuss höher gesteckt werden: Wir braucheneine Stärkung unserer Freiheitsrechte.

Und ich hoffe darauf, dass irgend-wann alle – staatliche Institutionen, dieWirtschaft, der private Nutzer – sich Leit-planken geben, innerhalb derer man sichim Internet bewegt. Alt-BundespräsidentProf. Dr. Roman Herzog, seit knapp einem

Von Matthias Kammer,Direktor des DIVSI

Hamburg – Wären PRISM, NSA und der gesamte Riesen-Skandal nur ein zeit-aktueller TV-Film aus der Welt des Inter-nets und der Geheimdienste, so würde ich beim jetzigen Sachstand abschalten.Warum? Ich mag Science-Fiction nicht.„Jetzt übertreiben sie aber“, würde ich sagen. „Da ist die Fantasie mit den Machern durchgegangen. So was ist im 

realen Leben undenkbar.“ 

Wir haben ein Recht auf Klarheit in der

Schnüffel-Affäre

HIER WARTETUNERLEDIGTEARBEIT

Leider ist die schlimme Schnüffel-Affäre kein Film. Vielmehr ein Live-Drama mit ungewissem Ausgang und unsallen als hilflosen Statisten. Eine tickendeZeitbombe, die längst weit größereDimensionen als ein reines Ausspähenerreicht hat. Ich sehe unser ureigenesPersönlichkeitsrecht bedroht.

Selten zuvor haben deutsche Politi-ker in einer Krisensituation – und genaudavon müssen wir reden – ein derartschwaches Bild abgegeben. Die Wahl istgelaufen. Vielleicht kommt es jetzt zueiner Wende in Richtung verbesserterAufklärung. Unklug wäre es, bei diesemerschreckenden Vorgang auf ein Verges-sen in der Öffentlichkeit zu hoffen.

Rufen wir uns die groteske Situationnoch einmal ins Gedächtnis:

Da wird uns Bürgern empfohlen,selbst mehr für den Schutz unserer

Daten zu tun. Da Ausspäh-Technik nuneinmal existiere, müssten Verschlüsse-lungstechnik oder Virenschutz größereAufmerksamkeit erhalten.

Tage später wird bekannt, dass dieGeheimdienste über solche Technikengelangweilt gähnen. Dass sie längstDatenübertragungen im Internet mitlesenkönnen, selbst wenn mit modernster

Technik verschlüsselt wurde. Denn dieNSA hat einschlägige Software-Firmenwomit und wodurch auch immer dazugebracht, für sie Hintertüren einzubauen.

Auch die bislang als sicher geltendenhttps-Verbindungen, beispielsweise beimOnline- Banking, können geknackt werden.

Taugt unser Grundgesetz überhauptnoch für das digitale Zeitalter?

STANDPUNKT

Matthias Kammer ,Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) 

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Hamburg/Berlin – Die Kommunikations-wissenschaftlerin Prof. Dr. Miriam Meckel hat im Berliner BASE_camp die Studie „Der Diskurs zur Netzneutralität“ vorge-stellt. Im Rahmen dieser Präsentation kritisierte sie, dass die Diskussion um Netzneutralität bislang nahezu aus-schließlich eine Debatte unter Experten geblieben ist.

Dabei räumte Meckel allerdings ein,dass die Einführung neuer DSL-Tarifedurch die Telekom – mit Volumengrenzen,aus welchen die eigenen Angebote und jener von Partnerunternehmen ausge-klammert werden – sowie der erste undder überarbeitete Entwurf einer Verord-nung zur Netzneutralität viel Beachtunggefunden haben. Gleichwohl stellt sie ins-gesamt in der Studie fest: „Sowohl aufSeite der Medien als auch der Politik istinsgesamt nur eine kleine Gruppe vonPersonen wirklich aktiv.“

Vor diesem Hintergrund appelliertesie an die breite Masse der Internet-Nut-zer, sich aktiv in diesen für die Gesell-schaft so wichtigen Meinungsbildungs-prozess einzubringen. Miriam Meckel,Mitglied des DIVSI Beirats: „Das Netzgeht uns alle an, weil immer größere Teiledes Lebens im Netz stattfinden“.

Als Bestätigung ihrer Kritik wertetedie Forscherin auch, wie groß auf dereinen Seite der mediale Protest auf dieAnkündigung der Deutschen Telekomwar, die Internet-Flatrates zu begrenzen,und wie gering in Relation dazu dieDurchdringung dieses Themas in derInternet-Gemeinde ist. „Das Thema spieltfür die Masse keine Rolle”, beklagteMeckel.

NUR EIN FALLFÜR EXPERTEN?

Der Diskurs zurNetzneutralität:Prof. Dr. Miriam Meckel,Mitglied im DIVSI Beirat,präsentiert aktuelle

Studie

Von Joachim HaackNETZNEUTRALITÄT Ein weiteres Indiz der geringen Bereit-schaft, sich für die Ausgestaltung undden Bestand des freien Internets einzu-setzen, sieht die Forscherin im Umgangmit dem NSA-Skandal. Es sei erstaunlich,wo bei dieser Thematik das ansonsten

große Empörungspotenzial der Bevölke-rung abgeblieben sei. Dabei würdenschließlich die Freiheitsrechte der Bürgererheblich tangiert. Meckel rechnet aller-dings damit, dass das Thema Vorrats-datenspeicherung wegen des NSA-Skan-dals künftig an Bedeutung gewinnenwird.

Die Studie „Der Diskurs zur Netzneu-tralität“, die von der Universität St. Gallendurchgeführt wurde, vergleicht denStatus des Netzneutralitäts-Diskurses inDeutschland, Frankreich, den USA aufEU-Ebene und in einigen anderen Ländernim Jahr 2012. Die Arbeit der Hochschulewurde vom Mobilfunk-Anbieter E-Plusunterstützt.

Miriam Meckel (*1967) ist Professorin für Corporate Commu-nication und geschäftsführende Direk-torin am Institut für Medien- und 

Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen sowie Beraterinfür Kommunikationsmanagement und Public Affairs. Sie ist Mitglied im DIVSI Beirat.

Netzneutralitätbedeutet eigentlichnur, dass alle Datenim Internet gleich-berechtigt über-tragen werden

sollen.

Insgesamt stellt die Studie fest: Einegenaue Betrachtung und Analyse desDiskurses zur Netzneutralität in Deutsch-land erlaubt es, sechs unterschiedlichenAkteursgruppen zu identifizieren, welchedurch ihre Beiträge die öffentlicheDebatte zum Thema prägen.

Im Einzelnen sind dies:

• Die Politik

• Die Aktivisten/Netzgemeinde: Hierlasse sich zweifelsohne ein gemein-sames Interesse am Gegenstand„Internet“ feststellen

• Die Medien/Content-Anbieter: DieGruppe der Content-Anbieter setztsich aus Online- und Offline-Medien,Rundfunk und zugehörigen Institu-tionen zusammen

• Die Internet-Industrie: Dazu rechnetdie Studie sowohl Vertreter der Infor-mationswirtschaft als auch Infra-struktur-Produzenten und InternetService Provider

• Die Wissenschaft

• Andere: Hierbei handelt es sich nichtum homogene Interessensgruppen.Vielmehr werden ihre Vertreter vonihrer jeweiligen Arbeitsweise, ihrenKommunikationswegen oder ihrerZugehörigkeit zu einer Berufsgruppegeeint.

Das eigentliche Problem umriss Prof.Meckel so: „Weltweit nimmt der Daten-verkehr zu. Um sicherzustellen, dass End-nutzer weiterhin die volle Geschwindig-keit ihres Internet-Anschlusses nützenund Anwendungen jeder Art verzöge-rungs- und störungsfrei nutzen können,muss entweder die Leistungsfähigkeitder Infrastruktur erhöht oder der Daten-verkehr gelenkt werden. Die Fragen

danach, welcher dieser zwei Wegebeschritten wird, wer darüber entschei-det und wie diese Wege im Detail auszu-sehen haben, bilden die Brennpunkte desDiskurses zur Netzneutralität.“

In Rahmen der Studie sollte auchgeklärt werden, was Netzneutralitätüberhaupt ist. Meckel machte im Laufeihres Vortrags deutlich, dass das Problem

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bereits mit der Definition des Begriffsbeginne: „Eine eindeutige und allgemeinanerkannte Definition des Begriffs ,Netz-neutralität’ gibt es nicht.“

Aus der Sicht des Endnutzersbezeichnet Netzneutralität den diskrimi-nierungsfreien Zugang zu Inhalten,Diensten und Anwendungen seiner Wahl.Aus der Sicht des Anbieters von Inhalten,Diensten oder Anwendungen geht es umdie diskriminierungsfreie Übermittlungder Information an den Endnutzer.

Die vielen unterschiedlichen, teil-weise interessengetriebenen Interpreta-tionen machten einen unvoreingenom-menen Diskurs unmöglich. Dabei be-deute Netzneutralität eigentlich nur, dassalle Daten im Internet gleichberechtigtübertragen werden sollen.

Die Studie macht weiter deutlich,dass Diskriminierung einzelner Nutzerund Anbieter im Allgemeinen verpönt sei.Doch bereits mit der Diskriminierungs-freiheit beginne das Dilemma der Interes-sensabwägung zwischen der ungehin-derten Internet-Nutzung und demGeschäftsmodell der Internet-Provider.

Dazu gehört auch die Frage, wie dieErweiterung der Netzinfrastruktur zufinanzieren ist, wenn allein die Kosten fürden Ausbau eines schnellen Glasfaser-

netzes in Deutschland 80 Milliarden Eurobetragen – und vor allem wer diese Inves-tition tätigen soll.

Joachim Haack (*1950) 

ist Geschäftsführender Gesellschafter der auf Medien, Institutionen, Finanzen,Logistik und Technologien fokussiertenKommunikationsberatung PubliKom inHamburg. Der gelernte Werber und Kommunikationsexperte begleitet die technologische und gesellschaftliche Entwicklung im Netz seit den Anfängender ersten Suchmaschinen im deutschenMarkt.

Endgültig scheiden würden sichdagegen die Geister an der Ungleich-behandlung von Daten durch die Einfüh-rung von Dienst- oder Qualitätsklassenund entsprechender Preisdifferenzierung.

Dienstklassen würden den freien,demokratischen und offenen Charakterdes Internets grundlegend verändern unddurch Anhebung der bislang tiefen Markt-eintrittsschranken Innovation durch jungeund kleine Unternehmen verhindern. Die-ses Szenario befürchten die Befürworter

von strengen Netzneutralitätsregeln.Es würde ein Zwei-Klassen-Internet

entstehen, in welchem die Ideen von ega-litärem Zugang zu Information und Teil-habe am sozialen Leben für jedermannnicht mehr verwirklicht werden könnten.Das sei – neben Zensur und Verletzungendes Fernmeldegeheimnisses – die großeAngst der Netzgemeinde.

Dieser Furcht wird entgegnet, dasNetz sei zum einen noch nie neutralgewesen, habe also immer Gewinner undVerlierer hervorgebracht. Außerdemwerde ein gewisses Netzwerk-Manage-ment ohnehin seit Jahren praktiziert, umdie steigende Datenmenge abzuwickelnund die Nutzung zeitsensibler Anwendun-gen störungsfrei zu gewährleisten.

Zusammenfassend stellt Prof. Miriam

Meckel in der Untersuchung fest, dasssich innerhalb der globalen Debatte zurNetzneutralität verschiedene Brenn-punkte identifizieren lassen, die eng mit-einander verknüpft sind. Diese fasst siein vier Konflikten zusammen:

1) RegulierungWie soll das Anliegen der Netzneu-tralität durchgesetzt werden? Soll derMarkt darüber entscheiden oder derStaat?

2) InvestitionenWie soll die nötige Erweiterung derNetzinfrastruktur finanziert werden?

3) Innovation

Wie soll das Internet zu Innovationund damit zu Wohlstand und Wirt-schaftswachstum beitragen?

4) GrundrechteWie können die verschiedenen tan-gierten Grundrechte durchgesetztwerden, ohne jene anderer zu beein-trächtigen?

Lernbeginn schon in derGrundschule:

Der Kampf gegenCyber-Mobbing 

Berlin – Um aktuelle Forschungsergebnisse,Präventionsmöglichkeiten und Rechtsfra-

gen ging es beim 1. Internationalen Cyber-Mobbing Kongress in Berlin. Über 120Experten aus dem In- und Ausland disku-tierten das mittlerweile weltweit existie-rende Problem.

Dabei waren sich die Fachleute einig, dassbereits Kinder im Grundschulalter lernenmüssten, mit den neuen Medien – ihrenMöglichkeiten und Risiken – umzugehen.Bei den Präventionsmaßnahmen sollte des-halb vor allem der Erwerb von Medienkom-

petenz stehen. Angesprochen wurdengleichzeitig auch die Eltern. Sie sollten ihrerVerantwortung gerecht werden und ihreKinder intensiver bei der Nutzung der„Neuen Medien“ begleiten. Uwe Leest, Vor-sitzender des Bündnisses gegen Cyber-Mobbing e.V., forderte, dass das Problemstärker sowohl in der Öffentlichkeit als auchin der Familie diskutiert werden müsse:„Sonst werden wir das Phänomen nichtnachhaltig bekämpfen können.“

Weiteres Ziel müsse es sein, auch die Politik zu sensibilisieren – für einen bewussterenUmgang mit dem Internet. In diesem Zu-sammenhang forderte er ein Gesetz gegenCyber-Mobbing. Leest: „ Davon versprechenwir uns nebe n dem präventiven Charakter

auch eine Abschreckung für die Täter.”

Das Bündnis gegen Cyber-Mobbing gibt esseit Juli 2011. Es klärt nicht nur über Cyber-Mobbing auf, sondern fördert die Medien-kompetenz in Schulen mittels Eltern-abenden oder Infoveranstaltungen undbietet Hilfe im Internet an:www.buendnis-gegen-cybermobbing.de

NEWS

Von Dr. Bernhard Rohleder

Berlin – Netzneutralität wird häufig als 

Sammelbegriff für eine möglichst um-fassende Gleichbehandlung von Inhalten und Diensten im Internet verwendet. Sie erscheint als politisch-soziales Ziel, und die Rhetorik ist entsprechend. Es ist die Rede von der Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet, die man zu verhindern habe.Von Diskriminierung, die man nicht zu-lassen dürfe. Und von gleichem Recht für alle, das man erkämpfen müsse.

Das soziale, vielleicht zudem wirt-schaftliche Ziel der „Gleichheit“ wirddabei auch von jenen ganz nach oben ge-rückt, die sich aus dem so genannten„Best Effort Internet“ – das sie für anderefordern – selbst längst verabschiedethaben. Für ihre Partei, i hre Organisation

oder auch ihr Medium mieten sie sichgarantierte Kapazitäten in IP-Netzen,sind direkt am Point of Presence ihresInternet-Dienstleisters oder haben gareigene Netze aufgebaut. Um VDSL undLTE machen sie einen großen Bogen.

Für all das bezahlen sie viel Geld.Eine Standleitung, wie man umgangs-sprachlich sagt, kostet in aller Regel ab500 Euro einmaliger Anschlussgebühr

NETZNEUTRALITÄT –

DIE PERSPEKTIVEDER DIGITALENWIRTSCHAFTPräventive regulatorische Maßnahmen können die Entwick-lung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen vereiteln

ZWISCHENRUF

und dann jeweils ab 500 Euro pro Monatfür den Dienst. Wer Netzneutralität soauslegt, dass es keinerlei Dienste-Diffe-renzierung geben darf, zwingt all jene, die

diese Differenzierung brauchen, in dasLuxussegment der IP-Netze.

Die wenigsten können sich das leisten.Wer meint, im Internet seien heute allegleich, übersieht die große Welt der IP-Netze und – selbstredend – die enormeDifferenzierung, die sich durch die unter-schiedlich leistungsfähigen Endgeräteergibt. Bei Licht betrachtet sehen wirheute eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im

Internet, wie sie extremer kaum seinkann. Und diejenigen, die sich einebesonders ausgeprägte Form der Netz-neutralität auf die Fahnen geschriebenhaben, bewegen sich oft in der Ober-schicht.

Was dabei außerdem verkannt wird:Die Differenzierung des Datenverkehrsdurch Traffic-Management ist eines derPrinzipien des gängigen Internet-Proto-

kolls. Maßnahmen wie Managed Servicessind in vielen Bereichen üblich und not-wendig, um die je nach Dienst unter-schiedlichen Erwartungen und Anforde-

rungen der Nutzer erfüllen zu können.Diese Maßnahmen werden umso wichti-ger, je stärker der Bedarf nach höherenund gesicherten Bandbreiten zunimmt.

Angesichts des rasant ansteigendenDatenverkehrs sind intelligent verwalteteNetze notwendig, um erstens Kapazitäts-engpässen vorzubeugen und zweitenseinem veränderten Nutzungsverhaltengerecht zu werden. In der Vergangenheit

wurde das Internet fast ausschließlich alsPlattform für Inhalte genutzt. NeuereInternetdienste, wie Videokonferenz-Angebote, dienen hingegen der Kommu-nikation in Echtzeit.

Solche Dienste verlangen nicht nureine hohe Bandbreite, sondern auchweitere Qualitätsparameter. Denn bei

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Bei Licht betrachtet, sehen wir heuteeine Zwei-Klassen-Gesellschaft im

Internet, wie sie extremer kaumsein kann.

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Hamburg – In der ersten Phase des Projekts „Braucht Deutschland einen Digitalen Kodex?“ geht es darum, die 

grundsätzliche Frage zu beantworten, ob ein Digitaler Kodex ein geeignetes Instrument ist, um die Spielregeln im Netz im Spannungsfeld der Netzteilneh-mer auszutarieren. Dabei stehen aktuell Fragen wie der sachliche Anwendungs-bereich (also beispielsweise Kommuni-kationsplattformen, Online-Händler oder Suchmaschinen), der inhaltliche Anwen-dungsbereich (etwa der Umgang mit persönlichen Daten, Cyber-Mobbing oder Urheberrecht) und die Adressaten eines Kodex (Wirtschaft/Plattformbetreiber,Nutzer oder der Staat) im Vordergrund.

Eine mehrfach tagende und hoch-karätig besetzte Expertengruppe unter-stützt das Projekt tatkräftig sowohl als

Resonanzraum für Thesen und Ergeb-nisse als auch in einer Rolle als Impuls-geber für die weitere inhaltliche Arbeitdes Projektteams. Die genannten Fragenwurden in der zweiten Sitzung diesesKreises am 10. September in Berlin aus-führlich diskutiert. Die Ergebnisse dieserRunde werden in der weiteren Ausgestal-tung der ersten Projektphase bis EndeMärz 2014 eine wic htige Rolle spielen.

In den Diskussionen der Experten hatinsbesondere die Rolle von Internet-Plattformen einen breiten Raum einge-nommen. Dieser Themenkreis wird ineiner weiteren Veranstaltung aufgegrif-fen. DIVSI lädt zur zweiten öffentlichenVeranstaltung des Projekts ein:

• Titel: „Facebook, WhatsApp, Google+:Wer macht die Regeln?“

• Termin: 7. November 2013, 18.00 Uhr

• Ort: Hamburg (Bucerius Law School,Hochschule für Rechtswissenschaft,Moot Court, Jungiusstraße 6)

Was macht die Aufgabe so schwierig?Die hohe Geschwindigkeit, mit der dasNetz seit rund 15 Jahren unser allerLeben verändert, führt dazu, dass sichverbindliche Verhaltensregeln für alle amNetz Beteiligten – Wirtschaft, Staat unddie einzelnen Nutzer im privaten undberuflichen Umfeld – noch nicht etablierthaben bzw. schnell wieder überholt sind.

Der Wandel ist umfassend und deutlich:Etablierte „analoge“ Institutionen werdenverdrängt (Beispiel Online-Handel), grund-sätzlich neue Verhaltens- und Lebens-weisen entstehen (z.B. das Phänomen„always online“) und das Netz erobertneue Bereiche, die bisher nur in geringemUmfang mit Kommunikationsinfrastruk-tur versehen waren (z.B. mobiler Zugriffmit Hilfe von Apps).

Hinzu kommt, dass man sich früherim (analogen) öffentlichen Raum traf, indem der Staat die Regeln setzt und für dieGültigkeit der Grundrechte einsteht. Heutekommuniziert man im digitalen Netz, beidem die Verhaltensweisen durch Geschäfts-bedingungen und Codes privatwirtschaft-licher Anbieter festgelegt werden.

Dr. Dirk Graudenz (*1965) ist freiberuflicher Unternehmens-berater zu strategischen Themen im

Schnittpunkt von Informationstechno-logie und öffentlichem Sektor sowie zu Fragen der IT-Governance und IT-Organisation. Sein besonderes Inte-resse gilt Design-Thinking-Ansätzenzur Ideenfindung und gesellschaft-lichen Entwicklungen im Kontext neuer Medien.

PROJEKT

BRAUCHTDEUTSCHLAND

EINEN DIGITALENKODEX?Diskutieren Sie mit: Info-Veranstaltung in Hamburg

Von Dr. Dirk Graudenz

einer laufenden Konferenz kommt es zumBeispiel darauf an, dass alle Redebei-träge ohne Verzögerung übermitteltwerden. Ähnliches gilt für die Tele-Medi-zin, Web-Videos, Musik-Streaming oderOnline-Gaming. Mit einem puristischenBest-Effort-Ansatz, der jegliche Differen-zierung ausschließt, könnten solcheDienste nur noch über extrem teureIP-Netze angeboten werden.

Andererseits können datenintensiveDienste wie Peer-to-Peer-Netzwerke

große Ressourcen belegen und bei beste-henden Kapazitätsgrenzen zu einer starkenBeeinträchtigung der Nutzungsqualitätanderer User führen. Dem kann man mitQualitätsdiensten entgegenwirken.

Manche Kritiker behaupten, Eingriffein die Datenübertragung im Sinne einesNetzwerkmanagements seien vermeid-bar: etwa, weil über das sogenannteOverprovisioning so viel Bandbreite zurVerfügung gestellt werden könne, dassdas Netzwerkmanagement im Sinneeines Lastenmanagements weitest-gehend entbehrlich werde. Zur Vermei-dung der punktuell auftretenden Eng-pass-Situationen müsste jedoch diegesamte Netzinfrastruktur hochgerüstet

werden. Ein solches extremes Overprovi-sioning wäre völlig unwirtschaftlich.Autobahnen sind ja auch nicht auf dieRush-Hour zur Ferienzeit ausgelegt.

Die Netzbetreiber sind sich einig,dass das Gebot eines offenen Internetsessenzieller Bestandteil eines freiheitlichdemokratischen Gemeinwesens ist, in

dem alle Verbraucher und gewerblichenKunden ihre jeweiligen Anbieter und

Dienste frei wählen können. Grundlagendieses offenen Internets sind Wettbewerbund Transparenz, leistungsfähige undintelligente Netze, innovative Geschäfts-modelle sowie ein stabiler Rechtsrahmen.

Best-Effort wird von den Netzbetrei-bern nicht infrage gestellt, sondern weiterermöglicht und fortentwickelt. Netzwerk-management-Maßnahmen sollten dabeitransparent, diskriminierungsfrei undnicht-exklusiv eingesetzt werden. Sosollten die Provider etwa ihre Kunden vorVertragsabschluss in standardisierterForm über netzneutralitätsrelevanteVertragsaspekte informieren.

Dazu gehören beispielsweise Daten-limits oder mögliche Einschränkungender Geschwindigkeiten. Verbraucher und

Geschäftskunden müssen gut informiertsein und dann frei über das jeweiligeAngebot entscheiden können.

Die Frage, ob Dienste differenziertbehandelt werden dürfen, sollte in ersterLinie aufgrund folgender Fragen ent-schieden werden: Sind für die Erbringungdes Dienstes bestimmte „Quality-of-Ser-vice“-Parameter erforderlich? Erfolgendie entsprechenden Priorisierungs-An-

gebote in wettbewerbskonformer, nicht-diskriminierender und transparenter Artund Weise gegenüber allen Nachfragernzu kommerziellen Bedingungen? Undführen sie weder bei Dienste-Anbieternnoch Netzbetreibern zu Wettbewerbsver-zerrungen?

In einem wettbewerbsintensivenBreitbandmarkt, in dem Offenheit undDiskriminierungsfreiheit gesichert sind,bedarf es keiner präventiven Regulierung.Inhalte-Anbieter und Endkunden sollen

eine höherwertige, über „Best Effort“liegende Qualität einkaufen können, umlegale Dienste jederzeit reibungslos ab-rufen zu können.

Präventive regulatorische Maßnah-men können hingegen die Entwicklungneuer Geschäftsmodelle und Innovatio-nen der ITK-Branche vereiteln. In vielen

Branchen (z.B. Medien & Unterhaltung,Tele-Medizin, erneuerbare Energien etc.)

entstehen innovative Anwendungen, dieauf einer gesicherten Qualität der Daten-übertragung basieren.

Die Netzbetreiber haben in den ver-gangenen 15 Jahren mehr als hundertMilliarden Euro in den Netzausbau inves-tiert. Damit haben sie die Vorausset-zungen geschaffen, Leistungen im so-genannten offenen Internet anbieten zukönnen, die vormals nur in IP-Netzendarstellbar waren – und dies zu unschlag-bar günstigen Preisen. Dieses Rad darfnicht zurückgedreht werden. Im Gegen-teil: Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu demin Deutschland flächendeckend Glas-faser-Anschlüsse verfügbar sind, wird eskaum mehr Engpässe geben.

An diesem Gigabit-Schlaraffenland

muss gearbeitet werden, der I nvestitions-bedarf liegt bei etwa 80 Milliarden Euro.Die aktuelle Debatte um die Netzneutra-lität wird dann ohnehin verstummen. Undso gilt bis dahin: „Ja“ zur Netzneutralität.Gleiches soll gleich, Ungleiches darfungleich behandelt werden. WillkürlicheDiskriminierungen müssen dauerhaftausgeschlossen bleiben.

Dr. Bernhard Rohleder (* 1965) ist Hauptgeschäftsführer des BITKOM.Er studierte Politikwissenschaft und promovierte an der FU Berlin zumDr. rer. pol.. Nach beruflichen Start-positionen kam er 1994 als Presse-sprecher und Assistent der Geschäfts-führung zum Fachverband Informa-tionstechnik im VDMA und ZVEI, Frank-furt/Main. Drei Jahre später übernahmRohleder dort die Position des Stell-vertretenden Geschäftsführers und kurz darauf jene des Geschäftsführers.1997 wurde er parallel zum General-sekretär des europäischen Spitzenver-

bands der IT-Branche, Eurobit, mit Sitz in Brüssel und Frankfurt berufen. Er fusionierte Eurobit im Jahr 2000 mit dem europäischen Verband der kom-munikationstechnischen Industrie zur neuen Spitzenorganisation Digital Europe und vertrat die deutsche Hightech-Branche anschließend imdortigen Vorstand. Rohleder ist Mit-glied im Beirat des DIVSI.

Die Netzbetreiber sind sich einig, dassdas Gebot eines offenen Internets essen-

zieller Bestandteil eines freiheitlichdemokratischen Gemeinwesens ist.

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Dr. Michael Littger leitet beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) das Themenfeld Digitale Wirtschaft,Telekommunikation und Medien. Zuvor war Littger in der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission in Brüssel sowie für die US-Kanzlei Mayer Brown LLP tätig. Seine Promotionsarbeit befasste sich mit Strategien der Co-Regulierung für Wirtschaft und Unternehmen. Littger ist Mitglied in Think Tanks zur Internet-Forschung, unter anderem demFeldafinger Kreis.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

Dr. Hans Hege ist Jurist und Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Er war bis August 2008 Vorsitzender der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang der Direktorenkonferenz der Landes-medienanstalten und ist seit 1. September 2008 Beauftragter für Plattformregulierung und Digitalen Zugang der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten sowie Mitglied der Kommission zur Ermittlung d er Konzentration im Medienbereich (KEK).Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

Prof. Dr. Rüdiger Grimm ist Professor für IT-Riskmanagement und Dekan des Fachbereichs Informatik an der Universität in Koblenz. Sein Schwerpunkt in Forschung und Lehre sind aktuelle Herausforderungen der IT-Sicherheit, zum Beispiel Usage Rights Management, E-Voting, E-Identification, E-Commerce und IT-Forensik. Neben der Gestaltung von Anwendungen entwickelt er IT-Sicherheitsmodelle. Er ist außerdem als wissenschaftlicher Berater und Ombudsmann für Gute Wissenschaftliche Praxis des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie (SIT) in Darmstadt tätig.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

Patrick von Braunmühl ist Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Selbstregulierung Informationswirtschaft (SRIW),dessen Ziel die Förderung von Datenschutz und Verbraucherschutz durch Instrumente der Selbst-regulierung ist. Gründungsmitglieder sind der ITK-Verband BITKOM sowie führende Unternehmender Internet-Branche. Bis Mai 2012 war von Braunmühl in Indien als Leiter des Projektes „Nach-haltiger Konsum und Verbraucherschutz“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusam-menarbeit (GIZ). Dabei beriet er die indische Regierung zu verbraucherpolitischen Themen und führte Pilotprojekte zum Aufbau IT-gestützter Verbraucherberatungs- und Schlichtungsstellendurch. Vor 2009 hat er unter anderem als Mitglied der Geschäftsleitung bei Cisco Deutschland, als stellvertretender Vorstand beim Bundesverband der Verbraucherzentralen sowie bei der Bertels-mann AG gearbeitet.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Was die digitale Revolution für unseren Gesellschaftsvertrag bedeutet und ob soziale Normenteilweise neu definiert werden müssen, ist eine der spannendsten Fragen unserer Zeit. Ich bin

gespannt, welche Antworten das Projekt ‚Digitaler Kodex‘ auf diese Fragen findet.“ 

„Eigentlich sind Datenschutz und Urheberrecht klar geregelt, für das Internet sind sogar aktuelle Novellierungen in Kraft getreten. De facto aber werden beide Rechte im Internet notorisch ignoriert oder jedenfalls anders behandelt als vom Recht vorgesehen. Es ist die 

Frage, ob die traditionelle Form der Rechtsetzung für die modernen Kommunikationsformenim Internet und mit mobilen Anwendungen noch ausreichend oder überhaupt angemessen ist.Welche anderen Formen verbindlicher Festlegung von Verhalten sind dann aber denkbar? Hier 

betreten wir Neuland. Das Zusammenspiel von ethischen Normen, guten Sitten, klarenRechtsansprüchen und innovativen Grenzüberschreitungen ist eine der spannendsten Heraus-

forderungen der modernen Gesellschaft. Hierzu ist interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Kommunikation zwischen Praktikern und Theoretikern der Medien, Politik, Wirtschaft und 

Forschung erforderlich.“ 

„Wir brauchen eine breite und fundierte Diskussion zu der Frage, wer im Netz welche Verant-wortung wofür trägt. Die digitale Lebenswirklichkeit ist überaus chancenreich, sie fordert uns 

aber auch einiges ab. Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam einen Rahmen für zeit-gemäße Zuständigkeiten, moderne Sicherheitsstrukturen sowie innovative Förderung im Netz erarbeiten. Auch die Medienregulierung muss sich dahingehend neu entwerfen. Als Regulierer 

liegt mir besonders daran, dass der Zugang zu Infrastrukturen und Inhalten allen gleicher-maßen offen steht.“ 

„Der Umgang mit digitalen Veränderungen gehört zu den zentralen Herausforderungen unse-rer Zeit. Sie erfordert eine Debatte über kluge Regulierungsstrategien – und damit auch über 

die geeigneten Regelungsinstrumente. Ein Kodex hat das Potenzial, relevante Fragen der Digitalisierung rasch aufzugreifen und daraus intelligente Lösungen zu entwickeln. Zudem

können sich eine hohe Dynamik bei der Regelfindung sowie eine stärkere Akzeptanz bei denAdressaten ergeben. Die Anforderungen an die Kodex-Architektur und ihre Umsetzung 

müssen dafür jedoch genau geprüft werden. Das Projekt von DIVSI und iRights.Lab schafft sehr gute Voraussetzungen, diese Zukunftsdebatte – aus unterschiedlichen Blickwinkeln – 

konstruktiv zu bestreiten.“ 

Nico Lumma ist freier Autor und Berater in Hamburg. Er bloggt seit vielen Jahren auf lumma.de. Er ist Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstandes. 2011 hat er den Verein D64 – Zentrumfür digitalen Fortschritt mitgegründet und ist dort als Co-Vorsitzender aktiv. Laut Wirtschaftswoche 19/2012 gehört er zu den 100 wichtigsten Internet-Köpfen in Deutschland. Er war in den unter-

schiedlichsten leitenden Positionen tätig, unter anderem als Director Social Media bei Scholz &Friends. Außerdem war er ständiger Sachverständiger der Enquete-Kommission „Verantwortung in der medialen Welt“ am Landtag Rheinland-Pfalz 2009/2010.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Die Digitalisierung der Gesellschaft sorgt für eine Neubestimmung unserer Positionen und unserer Werte als westliche Gesellschaft. Daher ist die Diskussion um einen Digitalen Kodex 

längst überfällig.“ 

DIESE ZEHN EXPERTENBEGLEITEN DAS PROJEKT

UNTERSTÜTZUNG

Ein Überblick, wer sein Wissen einfließen lässt und warum.

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Dr. Alexandra Manske lebt und arbeitet in Berlin, wo sie bis Mai 2013 amInstitut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin das Forschungsprojekt „Die Kultur- und Kreativwirtschaft als kreativer Zulieferer für die Automobilindustrie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geleitet hat. Seit mehr als zehn Jahren erforscht sie Arbeits- und Sozialverhält-nisse in der Kultur-Kreativwirtschaft. Ihre For-schungsschwerpunkte sind der Wandel der Arbeits-

gesellschaft und ihrer Ungleichheitskonfigurationen, urbane Kreativmilieus und Geschlechterforschung. Sie promovierte 2005 zu dem Thema „Prekarisierung auf hohem Niveau. Web Worker und die Ungleichheitsordnung von Arbeit“. In Kürze 

erscheint im transcript-Verlag ihr Buch „Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft“.Darum arbeitet sie in der Expertengruppe mit:

Thorsten Schilling ist seit Oktober 2000 Leiter des Fachbereichs Multimedia der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn und Berlin (bpb). Er ist Journalist und Chefredakteur des Magazins fluter, dem Jugend-magazin der bpb. Von 1982 bis 1986 studierte Schilling Philosophie/Marxismus-Leninismus in Leip-zig. Im Juli 19 89 wurde er aus politischen Gründen aus der DDR ausgewiesen. Danach war er unter anderem Pressesprecher des Magistrats Berlin (Ost), des Senators für Jugend und Familie in Berlin.Zudem war er Projektmanager für die Galerie Eigen+Art Berlin und organisierte für die documenta X den Hybrid Eigen + Workspace als temporäres Medienlabor. Schilling war 1998 Gründungsmitglied von mikro e.V. und bis 2000 Vorsitzender des Vereins zur Pflege der Medienkulturen in Berlin.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Ich finde die Themen, die bei der Diskussion um einen möglichen Digitalen Kodex diskutiert werden, wichtig und wert, sie in den verschiedensten Bereichen und Perspektiven zu dis-

kutieren. Spannend finde ich auch herauszufinden, ob meine doch ausgeprägte Skepsis,was die Möglichkeit der Erstellung eines solchen Kodex in den eher idyllischen Rahmenbedin-

gungen einer Expertenrunde angeht, im Laufe der Diskussion widerlegt werden kann.Wirksame Codices entstehen doch eher im Zuge von öffentlichem Streit, glaube ich.“ 

Prof. Dr. Wolfgang Schulz ist Direktor des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin und des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg. Er war sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission„Internet und digitale Gesellschaft“. Seit November 2011 hat er die Universitätsprofessur „Medienrecht und Öffentliches Recht einschließlich ihrer theoretischen Grundlagen“ an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg inne. Die Schwerpunkte seinerArbeit liegen bei Problemen der rechtlichen Regulierung von Medieninhalten und den Rechtsgrundlagen journa-listischer Arbeit; zudem forscht er im Bereich Internet-Governance und zu den Grundlagen der Kommunikationsfreiheiten. Dazu kommen Arbeiten zu Handlungsformen des Staates, etwa imRahmen von Konzepten „regulierter Selbstregulierung“ und international vergleichende Studien.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Gerade im Netz strukturiert nicht allein formales Recht das Verhalten, auch soziale Normenund der ‚Code‘, die Software-Architektur, sind bedeutsam. Wenn wir uns fragen, wie eine angemessene Regelungsstruktur für die digitale Gesellschaft aussieht, müssen wir das 

Zusammenspiel dieser Faktoren verstehen. Ausgangspunkt sollte dabei immer ein konkretes Problem sein, Regulierung ist kein Selbstzweck. Die Reaktion auf ein solches Problem kann

möglicherweise eine neue Kodifizierung – ein Digitaler Kodex – sein, vielleicht muss die Regelungsstruktur aber auch auf andere Weise optimiert werden.“ 

Dr. Sönke E. Schulz ist Jurist, wissenschaftlicher Assistent und Geschäftsführer des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wo er 2008 zum Thema „Änderungsfeste Grundrechte“ promoviert hat. Zudem ist er Habilitand bei Prof. Dr. Utz Schliesky,Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die öffentliche Verwaltung,Rechtsfragen des Cloud Computing sowie des technikgestützten Identitätsmanagements.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Angesichts der oft fehlenden Steuerungswirkungen des Rechts in der digitalen Welt – die Juristen durch neueste Entwicklungen beständig vor Augen geführt werden – erscheint eine 

intensivere Befassung mit außerrechtlichen Wirkungsmechanismen aus interdisziplinärer Perspektive zielführend. Damit setzt das Projekt Digitaler Kodex zur richtigen Zeit an der 

richtigen Stelle an – und kann auch für Rechtspolitik, Rechtswissenschaft und Rechtspraxis wertvolle Hinweise liefern.“ 

„Als Mitglied der Experten-Kommission Digitaler Kodex treiben mich aus soziologischer Perspektive folgende Fragenum: Wer hat welche Interessen im Netz? Wie könnten soziale Verkehrsregeln im digitalen Leben aussehen? Wie vermittelnsich Interessen mit Verantwortung und was heißt das: Verant-wortung übernehmen im digitalen, sozialen Regelgeflecht?“ 

Peter Schaar ist seit 2003 der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Er engagiert sich außerdem in der Deutschen Gesellschaft für Informati-onsfreiheit, der Europäischen Akademie für Datenschutz 

und Informationsfreiheit (EAID), in der Gesellschaft für Informatik und der Deutschen Gesellschaft für Informa-tionsfreiheit. Für sein Buch „Das Ende der Privatsphäre“ bekam er den Preis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.Darum arbeitet er in der Expertengruppe mit:

„Gesellschaftliche Wertvorstellungen brauchen Zeit, um sich herauszubilden. Die rasante technologische Entwicklung 

stellt Entscheider und Betroffene ständig vor neue Fragen,die sich vielfach nicht innerhalb eines gewachsenen Normen-systems beantworten lassen. Der insbesondere in Deutsch-

land unternommene Versuch, alle Eventualitäten im Detail zu regeln, ist zum Scheitern verurteilt. Deshalb brauchen wir 

einen Top-Down-Ansatz, der ausgehend von grundlegendenWertentscheidungen rechtliche Vorgaben und Ziele definiert,

die unter Mitwirkung aller Betroffenen konkretisiert werden.Die dabei entwickelten Vorgaben sollten für alle Beteiligten

verbindlich sein. Voraussetzung dafür ist ein stabiler gesetz-licher Rahmen, der auch Verfahrensregelungen und Durch-

setzungsmechanismen festlegt. Ein digitaler Kodex, der entwicklungsoffen den jeweiligen Stand beschreibt und Verhaltensrichtlinien gibt, kann hierfür hilfreich sein.“ 

Großbritannien wirdCeBIT-Partnerland

Hannover - Großbritannien wird im nächstenJahr Partnerland der CeBIT. In London wurdedie entsprechende Absichtserklärung mit demdeutschen Branchenverband BITKOM unddem britischen Ministerium für Handel undInvestitionen unterzeichnet.

„Die Partnerschaft dieser beiden Wirtschafts-nationen demonstriert europäische Stärke.Deutschland und Großbritannien sind nichtnur Heimat von Global Playern der IT-Branche, sie verfügen auch über sehr aktiveStartup-Szenen. Die künftig noch engere Zu-sammenarbeit birgt enormes Geschäftspoten-zial für beide Seiten“, sagte Oliver Frese,CeBIT-Vorstand der Deutschen Messe AG.

Nick Baird vom britischen Handelsministe-

rium erklärte: „Das Partnerland der CeBIT zusein, signalisiert die Bedeutung unserer Bezie-hung zu Deutschland. Großbritannien istDeutschlands größter Handelspartner. Undfür uns ist Deutschland der wichtigste Export-markt in Europa und zweitwichtigster welt-weit. Diese Zusammenarbeit ist ein weiteresBeispiel für das starke Band, welches unsereWirtschaften und auch die Länder verbindet.“

BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf er-gänzte: „Großbritannien ist nach Deutschlandder zweitgrößte Markt für I TK in Europa. Vondem erwarteten Austausch auf der CeBITwerden die Aussteller besonders profitierenkönnen. Gerade Mittelständler können mitwenig Aufwand wichtige internationale Kon-takte knüpfen.“

Hochrangige Regierungsmitglieder beiderLänder werden zum Deutsch-Britischen IT-Gipfel am 10. März 2014, dem Eröffnungstagder CeBIT, erwartet. Die Messe endet am14. März. Sie gilt als weltgrößtes Treffen der IT-Branche. Der „Big Data“ genannte IT-Trendzu einer immer umfangreicheren Datenverar-beitung soll sich wie ein roter Faden durch diegesamte CeBIT ziehen.

NEWS

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DIGITALER KODEX –WAS IST DAS EIGENTLICH?Gedanken zur Bestimmung eines Wortes und welche Akteure angesprochen werden.

BEGRIFFSERKLÄRUNG

Hinzu kommen drei Besonderheiten:

• Kodizes scheinen immer eine

„externe“ Beobachtungsinstanz mitsich zu bringen, die eine Kontrollfunk-tion übernimmt, beim Pressekodexzum Beispiel den Presserat.

• Nicht selten werden Kodizes von Re-präsentanten des jeweiligen Berufs-standes selbst ins Leben gerufen.Diese kontrollieren die Umsetzungihres eigenen Kodex im Zweifel wenigerstreng als ein Gremium, dessen Mit-glieder dem Berufsstand nicht ange-hören.

• Kodizes sollen eine weitergehendeProfessionalisierung vorantreiben,Orientierung ermöglichen, Reflexionanstoßen, öffentlich wahrnehmbareKorrekturen anmahnen und einSelbstbild der Profession etablieren.

Diese Auffassung des Kodex-Begriffspasst sehr gut zur Gegenwartsgesell-schaft. Sie zeichnet sich unter anderemdadurch aus, dass sich das meiste in ihrdurch organisatorisches Handeln voll-zieht. Die in Organisationen handelndenMenschen sind in der Regel auf eine rol-lenspezifische Aufgabenverantwortungausgerichtet, die ihnen durch die Organi-sation übertragen wird. Dies verhindertfreilich nicht, dass sie als Personenmoralisch verantwortlich sein können(und vielleicht auch wollen) und dass Auf-gabenverantwortung und moralischeVerantwortung in Widerspruch stehenkönnen.

Ein Kodex, der sich auf professionel-les Rollenhandeln bezieht, ist insofern eininteressantes Korrektiv zu den von Orga-nisationen formulierten Aufgabenverant-wortungen, die primär über Geschäfts-interessen definiert sind. Er appelliert anprofessionelle Akteure, in ihrem HandelnGesichtspunkte zu berücksichtigen, diegesellschaftlich oder moralisch als rele-vanterachtet werden. Denn diese Akteure– dazu zählen auch Plattform-Anbieter –haben großen Einfluss auf gesellschaft-liche Aspekte oder m oralische Güter.

Um welche Aspekte oder Güter essich bei Plattform-Anbietern handelt,wäre zu untersuchen. Ebenso, ob aus densich an individuelle Akteure richtendenVerhaltenskodizes Erkenntnisse abgelei-tet werden können, die sich auf Kodizes

Von Dr. Till Kreutzer

Hamburg/Berlin – Eine Untersuchung,

welche die Etablierung eines Digitalen Kodex anvisiert, muss natürlich den Grundbegriff „Kodex“ näher bestimmen.Alltagssprachlich verstehen wir unter einem Kodex eine Sammlung von Verhal-tensregeln, die für eine gesellschaftliche Gruppe oder die ganze Gesellschaft Geltung besitzt.

Allerdings ist ein solcher Begriff rechtunscharf, sodass sämtliche geschrie-benen oder ungeschriebenen Verhaltens-kataloge Kodizes genannt werden könnten.Wenn man sich jedoch Kodizes ansieht,die unter diesem Namen in Kraft sind,dann fällt auf, dass sie sich fast immerauf eine Berufsgruppe beziehen.

Kodizes wären demnach Verhaltens-kataloge der besonderen Art. Sie spitzenzentrale moralische Prinzipien und sozialeNormen mithilfe von Praxisregeln auf einBerufsfeld zu. Sie formulieren Grund-sätze des handwerklichen Könnens undsie geben in der Regel auch an, warumdiese Verhaltensregeln für diese Gruppeüberhaupt aufgestellt werden: wegen dergesellschaftlich bedeutsamen Funktioneines Berufsstandes.

Dr. Till Kreutzer (*1971) ist Partner beim iRights.Lab und der Rechtsanwaltskanzlei iRights.Law sowie Redaktionsleiter von iRights.info.2010 wurde er zum „ad personam“-Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission gewählt. Er ist zudemassoziiertes Mitglied des Forschungs-bereichs Medien- und Telekommunika-tionsrecht am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Uni Ham-burg sowie Mitglied des „Instituts für Rechtsfragen der Freien und OpenSource Software (ifrOSS)“.

für Organisationen bzw. die in Organisa-tionen – Plattformen – handelnden Ver-antwortlichen übertragen lassen.

Der vorgeschlagene „Kodex“-Begriffist durchaus kompatibel mit dem zentralenMoralbegriff moderner Gesellschaften:Verantwortung. Dieses Zuschreibungs-konzept für Handlungsfolgen (oder Auf-gaben) hat sich gegenüber anderenBegriffen, wie beispielsweise der Pflicht,durchgesetzt, weil es das Wissen um dieRelevanz von Handlungsmacht bereits

impliziert.Je größer die Handlungsmacht und je weitreichender die Einflussmöglich-keiten von jemandem sind, desto mehrVerantwortung trägt er für sein Handelnoder das Unterlassen von Handlungen.

Auf wen könnte sich einDigitaler Kodex beziehen?

Wenn man die vorgeschlagene Ver-wendung des Begriffs Kodex akzeptiert,folgt daraus, dass sich ein Digitaler Kodexin direkter Weise auf Organisationen bzw.auf die sie repräsentierenden Akteure be-zieht. Adressaten sind also theoretischzunächst einmal Träger professionellerRollen. Sofern er sich auf den Akteur

„zentrale Kommunikationsplattform“beziehen soll, müsste er sich auf dierelevanten, also gestaltungsmächtigstenRollenträger dieser Organisationen alsRegelungsadressaten beziehen.

Das bedeutet keineswegs, dass dieanderen Akteure bei der Erarbeitung,Implementierung und Umsetzung einesKodex keine Bedeutung haben. Sie werdensich jedoch als Regelungsadressaten ausEffizienzgesichtgründen kaum eignen.

Es wird deutlich, dass der Adressateines Digitalen Kodex – wenn man deneingebrachten Begriffsvorschlag probe-halber akzeptiert – kein politischerAkteur sein kann. Wollte man den Kodexso ausrichten, so müsste er beispiels-weise ein Kodex für medienpolitischeAkteure sein. Damit wäre das anvisierteRegulierungsfeld verfehlt. Gleichwohlaber kann es wünschenswert sein, dassdie Idee eines Digitalen Kodex aus dempolitischen Feld Unterstützung erhält.

Eine weitere entscheidende Fragebetrifft die Nutzer von Online-Plattformen:Können sie Adressaten eines DigitalenKodex sein? Die Antwort lautet im Zweifel:Nein. Ein Digitaler Kodex könnte Nutzer

nicht direkt adressieren, sondern nur in-direkt über den Weg eines Anbieter-Kodex.

Um dies zu begründen, muss mansich auf der Begriffsebene ansehen, wo-rauf der Plural „die Nutzer“ referiert.„Die Nutzer“ sind kein stabiles sozialesGebilde. Nutzer formieren sich von Fall zuFall in der aktiven Hinwendung zu undPartizipation an medialen Angeboten,auch an Plattform-Angeboten.

Wenn man Nutzer von zentralenPlattformen charakterisieren möchte,

dann scheint die aussichtsreichste Mög-lichkeit darin zu bestehen, zu beobach-ten, aus welchen Motiven sich Individuendiesem Angebotstyp zuwenden. Und esist wichtig, sich dabei klarzumachen,dass man die Motive von Individuen beob-achtet, aus denen erst, zum Beispiel durchClusteranalysen, statistische Gruppenkonstruiert werden.

Dass auf Plattformen wie Facebookdurchaus soziale Gruppen als Interessen-gemeinschaften entstehen können, liegtauf der Hand. Das ändert aber nichtsdaran, dass es eine homogene Gruppeder Kommunikationsplattform-Nutzerals existierendes soziales Gebilde nichtgibt. Ebenso wenig wie „ die Gesellschaft“an sich eine kohärente Gruppe ist, exis-tiert eine Netzgemeinde als stabiles

soziales Gebilde.Dieser Punkt ist für die generelle

Frage, inwieweit Nutzer (oder gar dieNetzgemeinde) als Adressaten einesDigitalen Kodex fungieren können, vonentscheidender Bedeutung. Im Unter-schied zu Nutzern sind die Anbieter vonzentralen Kommunikationsplattformenals stabile soziale Gebilde auszumachen:Zentrale Plattformen sind im Regelfallprivatwirtschaftliche Unternehmen, alsoOrganisationen, deren individuelle Akteureüber professionelle Rollen identifizierbarsind.

Einige dieser Rollenträger haben dieAufgabe, das Plattform-Angebot zu gestal-ten,andere repräsentieren die Organisa-tion: Sie sind die entscheidenden Stellen,an denen Verantwortungszuschreibungenfestgemacht werden können. Dadurchwird klar, dass ein Digitaler Kodex dieNutzer von Online-Angeboten nicht direktadressieren kann, wenn er Erfolg habenwill.

Die Absicht, dass Nutzer bestimmtesoziale Normen berücksichtigen, lässtsich kaum über generelle Appelle errei-chen. Es ist nicht verwunderlich, dass die

meisten Beeinflussungsversuche vonstaatlicher oder zivilgesellschaftlicherSeite auf medienpädagogische Maßnah-men und auf allgemeine Beratungsange-bote zielen – mit dem Ziel, die neuenGenerationen von vornherein für die Pro-bleme einer digitalen Lebenswelt zusensibilisieren.

Das muss für einen Digitalen Kodexaber keineswegs bedeuten, dass er Nutzernicht als Zielgruppe aufnehmen kann.Der Weg eines Kodex jedoch, der für Nutzeretwas erreichen oder Nutzer beeinflus-sen will, müsste über die Anbieter führen.

Wie die Ausgestaltung eines Digita-len Kodex, der sich primär auf Anbieterbezöge, aussehen könnte und wie nutzer-bezogene Regeln oder Schutzrechte darinausgestaltet werden könnten, wäre Gegen-stand weiterer Diskussionen – ebensowie die Fragen, wer einen Digitalen Kodexinstallieren könnte und ob für seine An-wendung praktikable Sanktionsmecha-nismen oder Anreizsysteme gefundenwerden könnten.

Der vorgeschlagene „Kodex“-Begriff istdurchaus kompatibel mit dem zentralen

Moralbegriff moderner Gesellschaften:Verantwortung.

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len wir, wenn die Welle uns nicht einfach überrollen soll, den Wandel politisch ge-stalten? Wie stellen wir uns eine ideale „Verfassung“ des Internets vor – neu-deutsch: dessen Governance, also den Zugang zum Netz für alle und dessen Infrastrukturen und Institutionen? Welche verbindlichen „Spielregeln“ wünschen wir uns bei der Nutzung des Netzes und für den Umgang miteinander dort? Und welche Modelle einer „digitalen Demo-kratie“ sind denkbar und praktikabel, die den politischen Betrieb, so wie wir ihn kennen, vitalisieren könnten? Wie kön-nen wir auch im Internet ein System der Checks and Balances installieren, das unkontrollierter Machtausübung ent-gegen wirkt? Das sind nur einige der Fragen, vor denen wir stehen.

Wenn die Antworten nicht Stückwerkbleiben sollen, braucht man eine Gesamt-

Von Dr. Göttrik Wewer

Berlin – Dass das Internet die Art und Weise, wie wir 

leben, arbeiten und wirtschaften,radikal verändert, ist inzwischen 

eine Binsenweisheit. Die digitale Revolution, die sämtliche Politikfelder umpflügt, erfordert eigentlich eine ganz-heitliche Antwort auf eine Vielzahl von Fragen: Wie wollen wir in Zukunft leben,arbeiten und wirtschaften? Und wie kön-nen wir die künftige Gesellschaft, die all-gemein als erstrebenswert angesehen wird, am besten erreichen und als Stand-ort wettbewerbsfähig bleiben? Wie wol-

DER NEUE BUNDESTAGUND DIE NETZPOLITIK

KONZEPTSUCHE

schau der Digitalisierung und der Verän-derungen unserer Lebenswelt, die sie mitsich bringt. Wenn die Maßnahmen, dieergriffen werden, um den Wandel zugestalten, ineinander greifen und sichnicht widersprechen sollen, dann brauchtman ein integriertes Gesamtkonzept fürdie Lösung der Probleme, die bewältigtwerden müssen, eine Agenda mit klarenPrioritäten.

Und wenn nicht jedes Ressort vorsich hin werkeln soll, ohne nach links undrechts zu gucken, dann braucht es jemanden, der die Umsetzung koordiniertund dafür sorgt, dass die A genda abgear-beitet wird. Das ist der Grund, weshalb ei-nige über einen „Internet-Minister“ in derneuen Bundesregierung nachdenken,womöglich direkt angesiedelt im Kanzler-amt, und über einen ständigen Ausschuss„Internet und digitale Gesellschaft“ imneuen Deutschen Bundestag.

Bisher verfügten weder das Parla-ment noch die Regierung über ein umfas-sendes und in sich stimmiges Konzeptzur Bewältigung und Gestaltung der digi-talen Revolution. Die Vielfalt der Themen,die zu bearbeiten sind, schien noch am

ehesten in den Beratungen, Beschlüssenund Maßnahmen des vom Bundesminis-terium für Wirtschaft und Technologieorganisierten IT-Gipfels auf; andere Häuserkümmerten sich vorrangig um Forschungund (Aus-)Bildung oder um das elektro-nische Regieren und Verwalten. Im IT-Planungsrat sind – gemeinsam mit denLändern und Kommunen – die Nationale

E-Government-Strategie (NEGS) und eine„Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutsch-land“ erarbeitet worden. Für eine DigitaleAgenda für die nächsten vier Jahre unddarüber hinaus bieten auch die vierBände, welche die Enquete-Kommission

„Internet und digitale Gesellschaft“ desDeutschen Bundestages vorgelegt hat,reichhaltiges Material. Hier werden prak-tisch alle Themen angesprochen, auf diees jetzt ankommt.

In die Wahlprogramme der Parteiensind davon, wie eine aktuelle Analysezeigt, nur Bruchstücke eingeflossen. DaNetzpolitik, obwohl so wichtig, nicht zu

Dr. Göttrik Wewer (*1954) ist Vice President E-Government bei der Deutsche Post Consult GmbH. Er war Staatssekretär im niedersächsi-schen Kultusministerium sowie imBundesministerium des Innern, danach Staatsrat für Bildung und W issenschaft bzw. für Inneres und Sport in Bremen,später Geschäftsführer der Nationalen

Anti-Doping-Agentur (NADA). Wewer ist Autor der j üngsten Broschüre aus der DIVSI-Schriftenreihe „Diskussions-beiträge“. Titel: „Digitale Agenda 2013-2017. Netzpolitik im neuen DeutschenBundestag“.

den Themen gehört, die die Bürgerbesonders umtreiben, kann man es denParteien nicht verdenken, dass sie nichtihr ganzes Programm aus der Perspek-tive der digitalen Revolution heraus ge-schrieben, sondern diesen speziellenThemen allenfalls zehn Prozent des Pro-gramms gewidmet haben.

Das gilt selbst für die Piraten, derenWahlprogramm 166 Seiten umfasst. Dasder Grünen ist mit 327 Seiten (inklusiveRegister) fast doppelt so dick. Die SPDbraucht knapp 120 Seiten, um das zusagen, was sie vorhat, die FDP 95 Seiten.CDU und CSU kommen zusammen mitknapp 80 Seiten (im DIN A 4-Format) aus.Selbst die dürfte kaum ein Wähler kom-plett gelesen haben.

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Bisher verfügten weder das Parlamentnoch die Regierung über ein umfassendes

und in sich stimmiges Konzept

Einigkeit herrscht bei den Themen –

nur über das WIE differieren die Meinungen

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Von Dr. Göttrik Wewer

Hamburg –Think Tanks wie das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) haben im Prinzip drei Instrumente, mit denen sie arbeiten können: 

• Sie können Projekte betreiben,Studien vergeben oder Umfragenveranstalten, um zu neuen Erkennt-nissen zu kommen.

• Sie können diese Erkenntnisse

dann in Veranstaltungen – Vorträge,Seminare, Workshops, Kongresse –öffentlich präsentieren und zurDiskussion stellen.

• Sie können diese Erkenntnissepublizieren – ob nun als eigenstän-dige Veröffentlichung, also als Buchoder Broschüre, oder als Beiträge inZeitungen, Zeitschriften (wie demDIVSI magazin) oder in Büchern vonanderen oder als Download auf dereigenen Homepage –, um auchMenschen zu erreichen, die von denVeranstaltungen nichts wussten odernicht teilnehmen konnten.

Ziel ist natürlich, auf diese Weisemöglichst viele Menschen zu erreichen,Beiträge zur öffentlichen Diskussion zuleisten oder auch Themen auf die Agendazu setzen, die wichtig, aber bisher ver-nachlässigt worden sind. Die Studien zuden verschiedenen Internet-Milieus inDeutschland, die deutlich gemachthaben, dass es ganz verschiedene Nut-zertypen gibt, die sich nicht einfach übereinen Kamm scheren lassen, oder das

Dialogprojekt „Digitaler Kodex“ sind Bei-spiele dafür, wie das DIVSI daran arbeitet,eigenständige Beiträge zur öffentlichenDiskussion zu leisten und damit diese vo-ranzutreiben.

Neue, manchmal überraschende Er-kenntnisse sind dafür die Grundlage.Wenn es nichts zu berichten gibt, brauchtman auch keine Veranstaltungen oderVeröffentlichungen. Andererseits nützenErkenntnisse wenig, die in der Schubladevermodern. Wenn sie die Diskussion be-fruchten sollen, dann muss man sie unterdie Leute bringen. „Tue Gutes und rede

drüber“, heißt bekanntlich eine alteLosung.

Aufwändige Projekte können sichüber Jahre hinziehen; Studien könnenmehrere hundert Seiten umfassen. Abernicht jeder hat die Zeit und die Lust, dickeBücher zu lesen, und nicht zu jedemThema muss über Monate geforscht wer-den.

Die Reihe „Diskussionsbeiträge“ sollhier die Lücke schließen zwischen demDIVSI magazin, das kurz und kompaktüber die Aktivitäten des Instituts berich-tet, und den größeren Studien und Pro- jekten, die eine längere Laufzei t haben:durch relativ knappe Abhandlungen, dieauch eilige Leser noch verarbeiten kön-nen, die alle um die drei Begriffe Ver-trauen, Sicherheit und Internet kreisen,die immer den Kenntnisstand zusam-menfassen, den es zum jeweiligen Themagibt, und die darüber hinaus Denkan-stöße für die öffentliche Debatte geben.Genau das nämlich sollen sie sein: Bei-träge, die zum Nachdenken anregen,auch zum Widerspruch.

Das DIVSI lädt dazu Autorinnen undAutoren ein, die einschlägig ausgewiesen

sind. Wie sie ihr Thema abhandeln, bleibtihnen dabei selbst überlassen. Insofernmüssen diese Beiträge auch nicht unbe-dingt der Position des DIVSI entsprechen,sondern sie sollen die Diskussion anre-gen. Je mehr sich aus unterschiedlicherPerspektive Gedanken darüber machen,wie Vertrauen und Sicherheit im Internetgefördert werden können, umso besser.Mit den ersten drei Heften ist ein Anfanggemacht, weitere sind in Arbeit.

Ein CIO für NRW

Düsseldorf – Ministerialdirigent HartmutBeuß wird „Beauftragter der Landesregierung

Nordrhein-Westfalen für Informationstechnik (CIO)“. Er tritt dieses Amt zum 1. November

an. Einem entsprechenden Vorschlag vonInnenminister Ralf Jäger hat die Landesregie-

rung jetzt zugestimmt. Jahrelange Diskus-sionen um die Schaffung dieser Position sinddamit beendet.

Der IT-Beauftragte wird sich künftig für einemoderne und sichere Verwaltung einsetzen.

Außerdem soll er Verfahren vereinfachen und

neue IT-Strategien entwickeln. „HartmutBeuß hat als langjähriger Abteilungsleiter im

Innenministerium große Erfahrung in der In-formationstechnik, der Verwaltungsmoderni-

sierung und der Landesorganisation“, erklärteInnenminister Jäger. „Mit ihm als CIO macht

NRW einen weiteren Schritt in eine fort-schrittliche Zukunft. Nur mit klaren Zielen

und einer gemeinsamen Strategie können wirdie Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung

weiter steigern. Es geht darum, Demokratie

weiter zu entwickeln, sie lebendig zu gestaltenund die Verwaltung bürgerfreundlicher zu

machen.“

Der CIO wird im Ministerium für Inneresund Kommunales angesiedelt. „Ich freue mich

auf die neue Herausforderung. Eine leistungs-fähige, zukunftsorientierte und bürgernahe

Verwaltung ist ohne moderne IT und Kom-

munikationskanäle nicht mehr vorstellbar“,erklärte Hartmut Beuß. „Dafür ist zentrale

Planung ebenso unverzichtbar wie die engeund vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den

Fachressorts und auch mit der kommunalenFamilie.“

NEWS

WIR WARTEN AUFIHREN BEITRAG!Das DIVSI legt eine neue Schriftenreihe auf. Gesucht sind

Themen zur Diskussion um Vertrauen und Sicherheit im Internet

AUTORENCHANCE

Netzpolitik steht also nicht unbedingtim Mittelpunkt der Wahlprogramme, aber

kein Wahlprogramm kommt heute nochdamit aus, nichts zu diesem neuen Poli-tikfeld zu sagen. Alle Parteien setzen sichalso mit der Digitalisierung der Gesell-schaft auseinander, das ist die positiveNachricht. Sie sind sich auch bei den The-men weitgehend einig, die jetzt ange-packt werden müssen, unterscheidensich aber teilweise erheblich darin, wiediese Themen angepackt werden sollen.Während praktisch alle Parteien die Netz-politik gesetzlich absichern wollen, willdie Union erst prüfen, ob das wirklichnotwendig ist, und verweist die FDP da-rauf, dass dieses Grundprinzip eigentlichschon anerkannt sei und dass es eineDiskriminierung von einzelnen Angebo-ten „innerhalb einer Dienstklasse“ nichtgeben dürfe. Während die Grünen die ein-

zige Partei sind, die sich intensiver Ge-danken zur Governance des Internetsmacht, beschwört die Union besondersdie wirtschaftlichen Potenziale. Der FDPgeht es vorrangig um Grundrechte unddie Freiheit der Bürger im Netz, der SPD

um eine bessere soziale Absicherung vonKreativen und Künstlern in der digitalenÖkonomie. Den Verbraucher- und Daten-schutz wollen alle stärken, das Urheber-recht alle neu regeln.

Wenn man die Wahlprogrammenebeneinander legt, dann hat man bereitsdie Konturen einer Digitalen Agenda fürdie kommende Legislaturperiode. Es gibt,wie gesagt, einen erstaunlich breiten

Konsens über die Themen, die zu bear-beiten sind, aber nicht immer Einigkeitüber die richtige Lösung. Während SPDund Grüne eine Breitbandversorgung perUniversaldienst anstreben, wollen CDU/CSU und FDP möglichst keine gesetzlicheVerpflichtung der Unternehmen. Die Kon-fliktlinien, die sich abzeichnen, verlaufenhäufig zwischen „schwarz-gelb“ einer-

seits und „rot-grün“ andererseits, aberauch innerhalb der bisherigen Koalitionist man sich längst nicht in allen Punkteneinig. So will die Union immer noch eineverfassungskonforme Vorratsdatenspei-cherung durchsetzen – aus inhaltlichenGründen, aber auch, um einer Vorgabe

der EU nachzukommen – was aber dieFDP nach wie vor strikt ablehnt.

Welche Wahlprogramme eine Chancehaben werden, in eine Koalitionsverein-barung, in die Regierungserklärung undin das Arbeitsprogramm der Bundesre-gierung einzufließen, hängt vom Ergebnisder Bundestagswahl ab. Diese drei Doku-mente werden zeigen, welchen Stellen-wert die neue Regierung der Netzpolitikeinräumt und ob es für die nächsten vierJahre so etwas wie eine Digitale Agendafür Deutschland – ähnlich wie die der EU-Kommission für Europa – geben wird. DieParteien, die in der Opposition verbleibenmüssen, werden dafür sorgen, dass allePunkte aus den Wahlprogrammen, die zuNetzpolitik gehören, auf die Tagesord-nung des Parlaments kommen werden.Die Mehrheit kann ihre Vorstellungenumsetzen, das kann die Minderheit nicht.Aber sie kann sich dafür einsetzen, dassauch die Themen nicht ausgespart wer-den, die der Regierung eher unangenehmsind. Insofern ist sicher: Alle Themen, diein den Wahlprogrammen angesprochenwerden, kommen auf den Tisch.

Den Verbraucher-und Datenschutz

wollen alle stärken,das Urheberrechtalle neu regeln.

Wird es für dienächsten vierJahre so etwas wie

eine Digitale Agendafür Deutschland

geben?

7/27/2019 DIVSI magazin - Ausgabe 3/2013

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scheiden bewusst selbst, ob ihre Daten andie Betreiber der Netzwerkplattformenübermittelt werden oder nicht.

Alexander Braun:  Spätestens seitden Enthüllungen rund um PRISM und dieNSA wird dies nicht nur von Verschwö-rungstheoretikern geschätzt und gefor-dert. Da für DIVSI Themen wie Daten-schutz und Privatsphäre im Zentrumstehen, kam für uns keine anderweitigeIntegration in Frage: Den Besuchern steht

es frei, DIVSI Inhalte in ihren sozialenNetzwerken zu teilen; ohne ihr Wissenwird jedoch nichts über sie mit diesenNetzwerken geteilt.

Michael Schneider:  Beispielsweisearbeiten wir mit Google-Analytics erst jetzt, nachdem sich der HamburgischeDatenschutzbeauftragte Prof. Dr. Johan-nes Caspar mit dem Anbieter über einerechtskonforme Nutzung des Statistik-Werkzeugs geeinigt hatte.

Alexander Braun:  Natürlich ist diekontinuierliche Optimierung Pflicht, unddazu brauchen wir Daten vieler User. Wasinteressiert sie? Was wird geklickt, wasnicht? Welche Stolpersteine lassen sichidentifizieren? Bei der Einbindung ent-sprechender Web-Analyse-Tools gilt je-doch das Gleiche wie bei der Einbindung

Michael Schneider: Durch eine über-legte Verschlagwortung und ein intelli-gent konzipiertes Content-Management-System finden User schnell, wonach siebei uns suchen. Inhaltlich verwandteArtikel oder Beiträge werden so alsweiterführende, vertiefende Informationofferiert. Alles ist sinnvoll verzahnt.

Alexander Braun: Die insgesamt ver-einfachte Funktionalität macht den Um-gang mit der Website selbsterklärend.

Darüber hinaus kann jetzt jede Studie mitihren einzelnen Teilaspekten von Besu-chern in ihren Blogs, via Facebook oderTwitter geteilt werden. Diese Aspektesind nun in ihrer granularen Aufbereitungdirekt adressierbar, Grafiken lassen sichextern direkt einbinden. Dies erhöht dieVerbreitung der Erkenntnisse von DIVSIweit über die eigene Website hinaus undmultipliziert die Anzahl der erreichbarenInteressenten.

Michael Schneider:  Das wurdebereits wenige Tage nach dem Going Livesichtbar. Die Besucher verweilen fastdoppelt so lange wie vorher auf der DI VSIWebsite. Auch die Nutzungsintensitätsteigt; es werden mehr Seiten aufgerufenund mehr Information heruntergeladenals vor dem Relaunch – ein Ergebnis desvon uns zugrunde gelegten Gestaltungs-leitsatzes „Form follows function“.

Alexander Braun:  Hier kommenmehrere Aspekte zusammen: Die klareStruktur, die Einführung großflächigenBildmaterials und Weißraums schafftWertigkeit und entspannt das Auge.

Weiterhin haben wir das Problem des ver-streuten Informationsangebots dadurchgelöst, dass wir zusätzlich zur einheitli-chen Verschlagwortung eine umfas-sende Linkstruktur angelegt haben. DemNutzer werden jeweils am Ende eines jeden Inhalts-Elementes Querverweise zuweiterführendem Material zum selbenThema strukturiert nach Inhalts-Typangezeigt. Der Zugang zu relevantenInhalten wird somit erleichtert.

Aber auch der Wandel der Nutzungs-

gewohnheiten spielt eine zentrale Rolle:Im Zuge der verstärkten Nutzung mobilerGeräte wie Tablets oder Smartphones istdie Optimierung der Darstellung für diese

Geräte Pflicht. Dies haben wir mit einemResponsive Design gelöst: die Darstel-lung der Website passt sich automatischan das zugreifende Gerät an, sei es Desk-top, Smartphone oder Tablet.

Michael Schneider:  Implementiertsind jetzt auch Möglichkeiten zur Interak-tion mit unseren Usern. Nur mussten wireine Antwort darauf finden, wie wir diesozialen Medien unter besonderer Be-rücksichtigung der Privacy-Aspekte inte-grieren. Durch die Integration von Twitter,Facebook, Google+ in die „Heise-2-Klick-Lösung“ bietet DIVSI das Instrumenta-rium der „Gefällt-Mir-Buttons“. User ent-

Alexander Braun (*1976) ist Gründer und Geschäftsführer der CREATIVE CONSTRUCTION HEROES GMBH in Berlin und ist seit 1999 in der Entwicklung von Internet-Projektenund Startups aktiv.

KOMPLEXE THEMEN –SCHNELL UND EINFACH!Relaunch des DIVSI Internet-Auftritts abgeschlossen

HOMEPAGE

Hamburg – Seit Ende August präsentiert sich das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet mit einem neuen Web-Auftritt. Benutzerfreundlich-keit und Ergebnisrelevanz – unter die-sem Motto stand der Relaunch der neuen Website. Zentrale Technologietreiber wie Mobile, Social Media und Datenanalyse standen auch hierbei im Zentrum und nahmen aufgrund ihrer Auswirkungen auf Datenschutz und Privatsphäre bei DIVSI einen besonderen Stellenwert ein.

Alexander Braun, Geschäftsführerder für den Relaunch verantwortlichenBerliner Agentur CREATIVE CONSTRUC-TION HEROES, und Michael Schneider,Leiter Kommunikation am DIVSI, erläu-tern die Neugestaltung und riskiereneinen Blick in die weitere Zukunft.

Michael Schneider (*1967) leitet seit Anfang 2013 den Bereich Kommunikation am DIVSI.

Michael Schneider: Wir wollten beider Neugestaltung des Webauftritts eineStruktur schaffen, in der jeder User auchbei erstmaliger Nutzung sowohl einenschnellen Überblick als auch zielgerichtetgenau die gewünschte Information erhält.Erste Rückmeldungen machen deutlich,dass dies gelungen ist und das DIVSI In-formationsangebot genutzt und geschätztwird.

Alexander Braun: Dabei ist die Nut-

zung jetzt wesentlich einfacher und effek-tiver. Bislang nur versteckt in PDFsvorhandene Informationen sind nun direktintegriert und werden gefunden – sowohlvon Besuchern als auch von Suchmaschi-nen. Die Fülle an interessanten und tief-gehenden DIVSI Informationen in Studienund Magazinen ist damit kundengerechtaufbereitet.

Von Alexander Braun und Michael Schneider

von Social-Media: Die Privatsphäre desNutzers ist zu wahren. Entsprechend ano-nymisiert haben wir daher Google-Analy-tics eingebunden.

Michael Schneider:  A propos Opti-mierung: Aus dem Rezeptionsverhaltender Menschen wissen wir, dass es beimContent unterschiedliche Präferenzengibt. Wo immer möglich, werden wir unsereBeiträge auch multimedial aufbereiten.Ziel ist eine Mediathek für User und spe-

ziell auch für Journalisten. Insgesamtwollen wir einen umfangreichen Contentzur Verfügung stellen: Print, Fotos, audio-visuelle Medien, Faktenübersichten undInfografiken.

Aber auch damit wird das Online-Angebot von DIVSI nicht abgeschlossensein. Allein mit Blick auf das Wachstumim globalen M2M-Markt haben wir nochviele spannende Themen vor uns. Mandenke nur an die Bereiche Messdaten-übertragung, Telematik oder Monito-ring/Überwachung.

Alexander Braun: Weitere Entwick-lungen, die DIVSI in erster Linie sicherhinsichtlich ihrer Implikationen für Daten-schutz und Privatsphäre beschäftigenwerden, sind vielleicht Wearable Techno-

logies und Kontextrelevanz über diegeografische und präferenzbezogene Ver-ortung eines jeden Nutzers. Ich denkehier an Google Glass, oder auch an denEinsatz von über Wifi kommunizierendenGeräten innerhalb des Körpers: Herz-schrittmacher, die auf diese Weisegewartet werden können oder Insulin-pumpen, die permanent den Bedarf mes-sen und automatisch regeln. Das sindtechnologische Entwicklungen, die schonheute in der Erprobung sind und enormesPotenzial haben, das Leben von Millionenvon Menschen zu verbessern. SpannendeAussichten.

Michael Schneider: Das birgt natür-lich auch Risiken: Wer hat Zugang zu alldiesen Informationen – meine Kranken-versicherung? Benötigt künftig jederMensch eine persönliche Firewall, umUnbefugten Zugang mit potenziell lebens-gefährlichen Konsequenzen via Body-Hacking zu vermeiden? Einfache Fragenfür komplexe Themen, mit denen wir unsam Institut auch zukünftig auseinander-setzen werden müssen!

7/27/2019 DIVSI magazin - Ausgabe 3/2013

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Von Peter von Aspern

Die Hauptgefahren für Smartphones sind schnell identifiziert: Zunächst 

einmal die größte Gefahr: Der Verlust desselbigen. Danach sind gemäß einer 

Umfrage von IDG Datenlecks durch Apps sowie Malware und Hacker zu nennen.

Fragt man nach den Hauptgefahrenfür die IT-Sicherheit in Unternehmen,nennen IT-Fachleute an erster Stellenatürlich die Mitarbeiter, doch danachfolgen bereits die Smartphones, die Mit-arbeiter mit ins Unternehmen bringen.Somit rückt das Thema Sicherheit beimSmartphone zunehmend in das Bewusst-sein der Nutzer.

Aus der PC-Ära wissen wir, dass mitsteigender Verbreitung auch das Gefah-

renpotenzial zunimmt. Viren und Trojanersind längst auch auf den mobilen Endge-räten angekommen. Somit wird mit demSiegeszug der Smartphones auch dasBewusstsein für einen verantwortungs-vollen Umgang mit den digi talen Alltags-begleitern Einzug finden müssen. Hierbeihandelt es sich um Lern- und Reifepro-zesse, die wir immer wieder parallel zur

Die Beispiele zeigen, dass dasThema Sicherheit und Smartphones vonzwei Seiten betrachtet werden muss.Beim Einsatz von Smartphones in Unter-

nehmen ist das Thema Sicherheit nichtzu unterschätzen. „Bring your own device“ist in vielen Branchen bereits alltäglich,und das Smartphone macht hier keineAusnahme. Hier sind Unternehmen in derPflicht, ihre IT-Infrastruktur anzupassenund klare Leitlinien für den Gebrauch zuetablieren.

Die positivere Seite am Sicherheits-aspekt sind die vielen neuen Dienste, dieden Alltag noch sicherer machen können.Dies bezieht sich, wie am Beispiel derVerifikation mittels Smartphone gezeigt,zum einen auf den IT-Bereich, zumanderen aber eben auch auf den realen,analogen Alltag. Hi er stehen wir erst amAnfang der Möglichkeiten.

Diffusion neuer Technologien beobachtenkönnen.

Diese Innovationen machen die Nut-zung von Smartphones sicherer:

Doch das Smartphone ist nicht nurein Sicherheitsrisiko, sondern es bietetauch Dienste, die zu einer höheren Sicher-heit im Alltag beitragen. Mobile Endge-räte können in Gefahrensituationen aufverschiedene Weise zu persönlichenBodyguards werden. Zum einen bietet dieOrtung via GPS, Cell-ID oder über dasTelefonsignal etwa nach einem Unfalloder Überfall die Möglichkeit, die Personrasch aufzufinden.

Zum anderen können auf den Gerä-ten persönliche Daten hinterlegt werden,

durch die Ärzte im Notfall über Allergienoder die medizinische Vorgeschichte desPatienten informiert werden. In beidenFällen erhöht das Handy als persönlicherBodyguard die Chance, gefährliche Situa-tionen zu überstehen. Auch Eltern stattenihre Kinder vermehrt mit mobilen End-geräten aus, um zu wissen, wo sie sichbefinden.

Peter von Aspern hat an der Universität H amburg Volks-wirtschaftslehre studiert. Bereits inseiner Diplomarbeit zum Thema „Mobile Datendienste“ hatte er erste Berüh-rungspunkte mit spannenden Aspektender Zukunft. Peter von Aspern war vor seiner Zeit bei TrendONE vier Jahre als Marktanalyst mit den SchwerpunktenMobile Commerce, Online-Handel und 

Retail tätig. Heute koordiniert er die Produktion der monatlichen Trend-reports und sorgt für optimierte Prozesse und Produktqualität. Seinweiterer Aufgabenbereich ist die Weiter-entwicklung der digitalen Produkte vonTrendONE.

Smartphones sind für viele von uns alsdigitaler Begleiter nicht mehr wegzudenken.Siespiegeln unsere digitale Identität und sind einhöchst persönlicher Gegenstand. Wir speichernunsere E-Mails, Passwörter, Kontakte, Notizenund Dokumente auf ihnen. Zudem gebenSmartphones durch ihren GPS-Chip und die

Kamera Auskunft über unseren Aufenthaltsortund weitere Parameter unserer Umgebung.Kurzum: Das Smartphone ist ein schützens-werter Gegenstand.

Anhänger alarmiert bei Verlust des Smartphones

Sensor ruft bei Unfällen Hilfe

Log-in per Smartphone verifizieren

Doppeltes System macht Smartphones

sicherer

Smartphone: Sicherheitsrisiko und Schutzwall gleichzeitig

DER MOBILEBODYGUARD

FÜR DIETASCHE

TECHNOLOGIE

7/27/2019 DIVSI magazin - Ausgabe 3/2013

http://slidepdf.com/reader/full/divsi-magazin-ausgabe-32013 14/14

schneller und wirkungsvoller kommunizieren. Dies alles bringt radikale Veränderungen: für den Journalismus, die politischeKommunikation zwischen Staat und Gesellschaft, die Parteien und die Beteiligung am politischen Prozess. Wissenschaftlerund Journalisten analysieren diesen Wandel und beleuchten Chancen und Risiken dieser neuen Herausforderungen.

Olzog Verlag, ISBN 978-3-7892-8215-7, Preis: 26,90 €

Freiheitsindex Deutschland 2012John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung

Herausgeberin: Ulrike AckermannMit dem Freiheitsindex Deutschland liegt ein Instrument vor, das jährlich die Wertschätzung derFreiheit in der Bundesrepublik Deutschland mit wissenschaftlichen Methoden zuverlässig und nach-prüfbar misst. Der Index will zu einer breiten Diskussion anregen: Wie viel Staat brauchen wirtatsächlich? Wie weit darf gesellschaftliche Kontrolle im Vergleich zur individuellen Selbstkontrollegehen? Was ist der Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums und dem Gemeinwesen zuträg-licher? Auf einer Skala, die sich von -50 bis +50 erstreckt, befindet sich der für 2012 ermittelteZahlenwert des Freiheitsindexes bei -0,7, das heißt: Freiheit i st damit gegenüber konkurrierendenWerten wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Sicherheit im Hintertreffen. Im Vergleich zum Vorjahr(-3,0) hat sich das Resultat jedoch geringfügig verbessert.

Verlag Humanities Online, ISBN 978-3-941743-37-3, Preis: 19,80 €

Big DataDie Revolution, die unser Leben verändern wird

Autoren: Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth CukierNoch nie gab es eine solche Menge an Daten und noch nie bot sich die Chance, durch Rechercheund Kombination in der Datenflut blitzschnell Zusammenhänge zu entschlüsseln. Big Data

bedeutet eine Revolution für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Es wird die Weise, wie wir überGesundheit, Erziehung, Innovation und vieles mehr denken, völlig umkrempeln. Und Vorhersagenmöglich machen, die bisher undenkbar waren. Die Autoren Viktor Mayer-Schönberger, Gründerder Software-Firma Ikarus mit Entwicklungsschwerpunkt in der Datensicherheit, und KennethCukier, Daten-Editor bei The Economist und einer der prominentesten Experten für Entwicklungenim Bereich Big Data, beschreiben, was Big Data ist, welche Möglichkeiten sich eröffnen – undverschweigen auch die dunkle Seite wie den drohenden Verlust der Privatsphäre nicht.

Redline Verlag, ISBN 978-3-86881-506-1, Preis: 24,99 €

Mich kriegt ihr nicht!Die wichtigsten Schritte zur digitalen Selbstverteidigung

Autoren: Steffan Heuer, Pernille TranbergDer Handel und Missbrauch mit unseren digitalen Spuren ist längst ein weltweites Mi lliardenge-schäft. Wir brauchen Hilfe. Das Buch »Mich kriegt ihr nicht!« ist eine Gebrauchsanweisung, wiewir unsere Online-Identität schützen und welche Werkzeuge wir benutzen sollten, um unsereIdentität im Netz gezielt einzusetzen – wie man das Internet nutzt und sich dabei nicht verliert.

Wie man Tracking-Cookies blockiert, „Like It“-Buttons ausschaltet und neugierige Apps neutra-lisiert – denn wichtiger als ein sogenannter „Service“, den uns profitorientierte Firmen „bieten“,ist unsere Privatsphäre. Das Buch mit vielen Praxis-Tipps zeigt, was wir tun müssen, um uner-kannt durchs Netz zu surfen und uns gegen unerwünschten Datenklau zu schützen.

Murmann Verlag, ISBN 978-3-86774-321-1 , Preis: 16,90 €

Politische Kommunikationsräume im InternetZum Verhältnis von Raum und Öffentlichkeit

Autorin: Ricarda DrüekeWelche Öffentlichkeiten gibt es im Internet? Auch imWorld Wide Web werden Fragen gesellschaftlicher undkultureller Teilhabe, Identität und Partizipation verhan-delt, wie sich insbesondere an Migrationsdebattenzeigt. Die Autorin, promovierte Kommunikationswis-senschaftlerin, entwickelt ein Modell politischer Kom-munikationsräume, um das Wirken von Öffentlich-keiten im Internet zu erfassen. Die Stärken der Verbin-dung von Öffentlichkeits- und Raumtheorien werden

auf der Basis eines weiten Politikbegriffs ausgespielt: Sie zeigen sich anhand derquantitativen und qualitativen Analyse einer Migrationsdebatte im Internet.

Transcript-Verlag, Reihe Critical Media Studies, ISBN 978-3-8376-2458-8,Preis: 32,80 €

Die Vernetzung der WeltEin Blick in unsere Zukunft

Autoren: Eric Schmidt, Jared CohenWelche Konsequenzen wird es haben, wenn inZukunft die überwiegende Mehrheit der Weltbevölke-

rung online ist? Was bedeutet das für die Politik, dieWirtschaft – und für uns selbst? Diese Fragen beant-wortet ein außergewöhnliches Autoren-Duo: EricSchmidt, der Mann, der Google zu einem Weltunter-nehmen gemacht hat, und Jared Cohen, ehemaligerBerater von Hillary Clinton und jetzt Chef von GooglesDenkfabrik. Sie führen uns die Chancen und Gefahren jener eng vernetzten Welt vor Augen, die die meisten

von uns noch erleben werden. Es ist die sehr konkrete Vision einer Zukunft, diebereits begonnen hat. Und ein engagiertes Plädoyer dafür, sie jetzt zu gestalten– weil Technologie der leitenden Hand des Menschen bedarf, um Positives zubewirken.Rowohlt, ISBN 978-3-498-06422-8, Preis: 24,95 €

Die Web-RevolutionDas Internet verändert Politik und Medien

Herausgeber: Michael Schröder

Das Internet hat Politik und Medien revolutioniert. Globalund in Echtzeit werden Informationen und Daten ausge-tauscht. Auch und gerade in Ländern mit geringerMedienfreiheit und ausgeprägter Zensur bietet das In-ternet neue Möglichkeiten zur politischen Beteiligungund zur Koordination der Opposition. Aber auch in west-lichen Ländern können Bürgerinitiativen und Protestbe-wegungen mit Hilfe sozialer Netzwerke im Internet

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