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DOKUMEN TATION JAHRES TAGUNG KULTUR UND KREATIV WIRT SCHAFT RUHR 2011

Dokumen tation Jahres tagung Kultur und Kreativ wirt ... · lem derjenige Designbegriff zu kurz gekommen sei, der allgemein als der „fal- sche“ gilt: Der von der schönen Oberfläche

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Dokumentation

Jahres tagung Kultur

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wirtschaft

ruhr2011

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VoRWoRtDie Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr fand 2011 zum drit-ten Mal, zum ersten Mal aber in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH statt. Die Fortführung des regionalen Branchentreffs über das Kulturhauptstadtjahr hinaus ist ein erster Aufschlag für die nachhal-tige Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr, deren Förderung ecce und wmr zukünftig gemeinsam weiter verfolgen werden. Eine fruchtbare Allianz mit neuen Akzenten, die auf Stärkung regionaler unternehmerischer Bedarfe ebenso setzt wie auf einen lebendigen Diskurs der Kreativwirtschaft – regional und unternehmensbezogen, aber auch branchenübergreifend und international.

Bei der Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr 2011 traten eta-blierte Unternehmen wie auch der kreative Nachwuchs auf die Bühne. Die Praxis-Workshops widmeten sich akuten Fragen zur Entwicklung von einzelnen Branchen und luden zur Diskussion ein. Bei einer „Matchmaking“-Veranstaltung fanden erste Annäherungen zwischen Studierenden und Unternehmen statt.

Die Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr will mehr als eine interne Fachveranstaltung sein – sie will auch die allgemeine Öffentlichkeit über Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Bedeutung für das Ruhrgebiet informieren. Mit der Verleihung des u_do-Preises für junge Kreative haben fünf nominierte Unternehmen einen Einblick in das vielfältige Spektrum der Kultur- und Kreativwirtschaft gegeben.

Für einen Überblick der regionalen Situation der Kultur- und Kreativwirt-schaft bedarf es belastbarer Daten. Mit dem Trendbarometer Kultur- und Kreativwirtschaft 2011, das von der International School of Management (ISM) Dortmund in Kooperation mit ecce konzipiert und durchgeführt wur-de, stellte Julia Frohne, Studiengangsleiterin an der ISM, Ansätze zur wissen-schaftlichen Erhebung der Branche vor – und lieferte erste spannende Ergeb-nisse. Diese zeigen eine positive konjunkturelle Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft und unternehmerseitig optimistische Prognosen, decken aber auch die Bedürfnisse auf: Unterstützung im Aufbau von Netzwerken, Beratung über Fördermaßnahmen – und Branchentagungen.

Vor allem aber muss das öffentliche Bewusstsein für die Kultur- und Kreativ-wirtschaft weiter wachsen und im Gespräch bleiben. Auch dazu sind Ver-anstaltungen wie die Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr von hoher Bedeutung für die kreativen Akteure und Talente der Metropole Ruhr.

Expo Shanghai, Deutscher Pavillon

Thomas Westphal und Dieter Gorny

Prof. Dieter Gorny Thomas Westphal

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Im Vorfeld der dritten Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr fand ein Matchmaking unter dem Titel „Student trifft Unternehmen – Unterneh-men trifft Student“ statt.

Die Idee dahinter bestand zum Einen darin, auf die Bedürfnisse der Kultur- und Kreativunternehmen einzugehen und einen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen Berufswelt und Studierenden zu leisten. Zum Anderen erleich-tert etwa das Schreiben einer Abschlussarbeit bei einem Unternehmen für Studierende den Zugang zur Praxis und bringt frische Ideen und Innovationen in die Unternehmen selbst. So schafft ein Matchmaking nicht nur für Studie-rende, sondern auch für die Unternehmen eine gewinnbringende Situation. Das Matchmaking im Rahmen der Jahrestagung Kultur- und Kreativwirt-schaft Ruhr 2011 wurde im Speed-Dating-Format unter Beteiligung von fünf interessierten Unternehmern aus der Kreativwirtschaft und ausgewählten Studierenden des Ruhrgebiets durchgeführt. Dabei wurde versucht, möglichst differenzierte Fakultäten und Studiengänge aus verschiedenen Hochschulen und Städten des Ruhrgebiets zu integrieren. Beteiligt waren Studierende aus folgenden Hochschulen und Fachbereichen / Studiengängen:

FH Dortmund, Fachbereich Design  Uni Duisburg-Essen, Studiengang Wirtschaftsinformatik Ruhr-Universität Bochum, Studiengang European Culture and Economy International School of Mana gement, Dortmund T U Dortmund, Lehrstuhl für Marketing TU Dortmund, Institut für Journalistik

MaTcHMakIng: „StuDent tRifft unteRnehmen – unteRnehmen tRifft StuDent“

Union gewerbehof Dortmund

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FüR nEUE WEgE DER InnovaTIonSBEoBacHTUng IM RUHRgEBIETWie kann die Kultur- und Kreativwirtschaft als ein Motor der Wirtschafts-entwicklung im Ruhrgebiet noch optimaler genutzt werden? Kaum eine Regi-on in Europa kann so viel kreatives Potenzial aufweisen, doch scheinen Un-ternehmen, Kommunen und kleinere Kreativakteure noch nicht ausreichend vernetzt und unzeitgemäße Arbeitsstrukturen vorherrschend. Hier knüpfte Dr. phil. Bastian Lange von der Humboldt Universität zu Ber-lin in seiner Keynote an und begann seinen Vortrag mit Beispielen für den rasanten gesellschaftlichen wie ökonomischen Wandel unserer Zeit. Wie können Erneuerungen und Innovationen intelligent auf der Digitalisierung und Globalisierung geschuldete Marktentwicklungen reagieren? Durchaus positive Zahlen des Kreativsektors in Nordrhein-Westfalen und dem Ruhrge-biet könnten manchen ein Anlass für ein einfaches „Weiter so!“ sein, doch sei es notwendig, sich viel mehr als zuvor Ideen und Konzepten zuzuwenden, die bislang ungenützt bleiben: „Wir müssen zunächst von den Innovationen lernen, die sich bereits unterhalb des Radars der Innovationsbeobachtung vollzogen haben. Darauf aufbauend können wir adäquate Märkte, ihre Macher und ihre Multiplikatoren stützen und geeignete Ableitungen für Städte und Regionen entwickeln.“ Diese nicht zuletzt den etablierten Unternehmen viel Kreativität abverlangende Aufgabe zu unterstützen, das könne ein Tätigkeitsfeld für regi-onale Wirtschaftsförderungen sein.

Im Folgenden stellte Bastian Lange fünf Trends und Treiber vor, die von höchster Relevanz für heutige Wirtschafts- und Stadtentwicklung sind:

WHaT’S nEXT? Die kReatiVWiRtSchaft aLS innoVationS tReiBeR in StaDt unD RegionkEynoTE BasTian LanGe

Neuformation der Wirtschaft durch immer höhere Anteile an immaterieller Arbeit bei gleichzeitig stetig steigenden Produktivitätsfortschritten und einem Mehr an postmateriellen Bedürfnissen

Demografischer Wandel als eine Chance u.a. zur intelligenten Umnutzung von Leerständen anstelle eines blinden Wachstumsglaubens

Akzeptanz der Folgen der Digitalisierung und somit einer kleinteiligeren und granularen Wirtschaftsstruktur, bei der Mikrobusiness, Free Agents (Solo-selbstständige) und Culturepreneure eine weitaus größere Rolle spielen und die Skalenvorteile von Großunternehmen erodieren

Neue Produktionsmöglichkeiten durch über die Digitalisierung erschlossene, aber nun in der stofflichen Welt angekommene Modelle wie Fabbing und Rapid-Prototyping

Nutzen kollaborativer Arbeitsformen sowie von traditionellem Gewerke und Manufaktur und deren mittlerweile globaler Kundenaggregation

Bastian Lange

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Dr. Gerhard Ernst gab zweierlei zu bedenken: Die Digitale Revolution und ihre Profiteure taugten nur bedingt als Vorbild, weil sie denjenigen gegenüber, die nicht daran teilhaben, einen sozialen Ausschuss praktiziere. „Darf eine Kommune so arbeiten? Dann müssten Beamte angelernt werden, mehr in Netzwerken zu denken und zu arbeiten.“ Gabor Lengyel hingegen sah es po-sitiv, „dass das Design-Denken sich in Europa etabliert hat“. Das Finetuning stimme aber noch nicht, allzu oft werde Partizipation als dekoratives Element benutzt. Auf eine Frage von Moderator Thomas Westphal hin äußerte Ga-bor Lengyel, er halte Crowdsourcing für etwas, das nur in begrenztem Maße funktioniere. Eine gewisse Geheimhaltung sei bei den meisten Operationen nun einmal unabdingbar. Darin, dennoch Möglichkeitsräume für eine gewis-se Experimentierkultur zu schaffen, sah Gerhard Ernst grundsätzlich einen guten Ansatz: „Indem das Ruhrgebiet die Durchlässigkeit zwischen den Sphä-ren verbessert, kann es ein gutes Vorbild für ganz NRW sein.“ Was man in der Dritten Welt beständig tue, auf Unabhängige zuzugehen und Kleinstkredite zu vergeben, müsse auch im eigenen Lande eine Option sein, fügte Gabor Lengyel hinzu. In seiner eigenen Firma Lengyel Design würden Freiberufler

neueS Denken tRifft aLte StRuktuRen? – DiSkuSSion

„nur in den Spitzen einspringen. Konsequenz aus dem vermehrten Aufkom-men frischer Ideen und Konzepte darf nicht einfach sein, die Energien junger Leute restlos auszusaugen.“

Einig war er sich mit Gerhard Ernst mit der Einschätzung, als Start-Up solle man sich am besten zu zweit oder dritt zusammen tun, und im Laufe der Jahre würde eine Festanstellung dann wieder eine Option: „Man kann sich nicht 30 Jahre selbst ausbeuten“, so Gabor Lengyel. Heinz-Herbert Dustmann, selbst im Hombruch-Forum für Unternehmer aktiv, sieht schon seit Jahren wie Betriebe durch Komplementäreigenschaften bereichert werden. Von Zeit zu Zeit regt er sogar Angestellte zur Selbstständigkeit an, um neue Impulse für sich und die – ihnen immer noch verbundene – Firma zu setzen. Thomas Westphal gab gegen Ende der Diskussion zu bedenken, der Transfer neuester Arbeitsweisen und -ethiken könne aufgrund der tradierten Wirtschaftsstruk-turen im Ruhrgebiet besonders schwer fallen – worauf Bastian Lange entgeg-nete, umso dringender müssten also Innovationsmilieus geschaffen werden.

Podium:   Heinz-Herbert Dustmann, Dula-Werke Dustmanngerhard Ernst, RaubachBastian Lange, Humboldt Universität zu Berlingabor Lengyel, Lengyel Design

Moderation: Thomas Westphal, wmr

Gabor Lengyel

Bastian Lange und Gabor Lengyel

Gerhard ernst und Bastian Lange

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PRaXIS-WoRkSHoPS „kREaTIv.WIRTScHaFTEn“: chancen unD RiSiken UnRUHIgE gEWäSSER FüR agEnTURLEISTUngEn?Unter dem Titel „Neue Agenturmodelle – Tanker oder kleine Schnellboote!“ stellte Robert Krause (This Gun Is For Hire) zunächst die Geschichte seiner Agentur und dann eine kurze Analyse der aktuellen Erwartungshaltungen zwischen Kunden und Dienstleister dar. Defizite auf Kundenseite sah Robert Krause in Punkten wie Ressourcen, Knowhow, Effizienz, Unternehmenskul-tur, Orientierung und Motivation sowie: „Gleichzeitig fahren alle viel auf Sicht.“ So wird This Gun Is For Hire zwar oft für Schulungen gebucht, kommt aber an viele interne Probleme der Kunden nicht heran. Gleichzeitig sei die reine Funktionsfähigkeit von Firmen mittlerweile wichtiger als noch vor einiger Zeit, als es verstärkt um Statussymbole und deren Präsentation ging. Es gibt mannigfaltige Bedürfnisse auf Seiten der Kunden, aber nur wenige einfache Lösungen, die eine Agentur heutzutage anbieten könnte.Welches Agenturmodell funktioniert also am besten? Internationale Netzwerke wie das von Saatchi & Saatchi, die viel aufkaufen, DDB Tribal, die klug und zeitig alte und neue Strukturen miteinander koppeln lernten – „Klassik und Di-gital“, wie Robert Krause sagte. Mit den beiden anderen Panelteilnehmern Andre Limmer von Dentsu Düsseldorf und Franz Przechowski von Unicblue Kommunikation war er sich einig: „Am besten ist eine Flotte von kleinen Schnellbooten mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Steter Wandel und immer an neuen Ideen dran zu sein ist gerade für Agenturen immens wichtig.“

IST DER kUnDE WIEDER könIg?Zum Panel „Vertrieb im Zeitalter des Prosumers - innovative Lösungen für Alleinstellung gefragt!“ hatte Prof. Hartmut Holzmüller von der Technischen Universität Dortmund eine Impulspräsentation vorbereit, die an seiner Stelle Bernd Fesel von ecce erläuterte und das Thema anschließend mit Ralph Bro-del von der I-Dear GmbH und Claudia Helming von DaWanda diskutierte. Das Geschäft wird interaktiver, die Kunden professioneller. Gleichzeitig fallen – nicht nur in der Musikindustrie – viele Teile der Versorgungskette ersatzlos weg und bringen den Kunden somit „näher an die Produkte“, von denen es wiederum zumindest theoretisch noch mehr, weltweit und immer neue gibt. Wie hält man also die mitgestaltenden Kunden bei der Stange, was erwar-ten die Prosumer von einem Vertrieb? Ralph Brodel betonte die Wichtigkeit von „soft skills“ und eine kundenfreundliche Umgebung, also vor allem den Servicecharakter. Aber er versuchte auch, zu hohem Anspruchsdenken nicht das Wort zu reden: „Niemand geht wegen Kleinigkeiten sofort woanders hin.“ Claudia Helming bemerkte, dass neben der Originalität des Angebotes ein gutes Timing schon bei der Entwicklung, aber auch im Alltagsgeschäft unab-dingbar sei. Bernd Fesel griff einen Aspekt aus Prof. Dr. Hartmut Holzmüllers Präsentation auf: dass oft die psychosozialen Aspekte eines Angebotes wich-tiger seien als die technischen. Immer wieder sei die Frage, wie die nächste Generation soziale Beziehungen neu organisieren könne. Insgesamt lebe man nach wie vor in einer „digitalen Höhle“. Einig waren sich alle Diskutanten darin, dass am Kunden orientierte Alleinstellungsmerkmale von enormer Wichtigkeit für den Erfolg neuer Vertriebsmodelle sind.

Podium:   Robert krause, This Gun is For Hireandré Limmer, Dentsu DüsseldorfFranz Przechowski Unicblue Kommunikation

Podium:   Ralph Brodel, I-DearBernd Fesel, ecceclaudia Helming, DaWanda

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nacHHaLTIgkEIT UnD ökoLogIE: DEkoRaTIon oDER kERnTHEMa?Den Workshop zum Thema „Nachhaltiges Design - der nächste Innovations-trend: Ist das marktfähig und für wen?“ moderierte Barbara Wendling. Marec Hase von Hase Bikes erklärte, dass bei ökologischen Produkten bislang vor al-lem derjenige Designbegriff zu kurz gekommen sei, der allgemein als der „fal-sche“ gilt: Der von der schönen Oberfläche. Viele Produkte seien zweckmäßig und guten Gewissens kaufbar, aber nur selten schön anzuschauen. Guido Röcken vom Designkiosk sah darin die Folgen eines neuen Begriffs von Qua-lität, der sich am Prozess, ökologischer Produktion und Vertrieb sowie den damit einhergehenden gesellschaftlichen Produktionsbedingungen orientiert. Naemi Reymann von Reymann Design bezeichnete das ständige Hinterfragen von Einzelprozessen – bis hin zur Thematik, welches Wasser benutzt werden solle – als eine Ursache der Betonung der Produktionsphase gegenüber der Gestaltung der Güter. „Passiert es nur aus Gründen der Hipness, dass sich auch große Konzerne gern nachhaltig geben?“, fragte Barbara Wendling, und Marec Hase entgegnete, er sehe da vor allem Kalkül am Werke. Guido Röcken fügte an, der Kern der Nachhaltigkeit, zum Beispiel der Recycling-Ansatz ohne den Verbrauch von neuen Ressourcen, würde von vielen Konzernen nicht verstanden oder zumindest nicht praktiziert. Ein Gast aus dem Publi-kum merkte an, Marktfähigkeit stehe in manchen Branchen immer noch in engem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung einer „Wegwerfmentali-tät“. Eine Folge des Megatrends, möglichst schnell möglichst neue Versionen eines Produktes auf den Markt zu bringen. Gabor Lengyel hielt entgegen, dass er aufgrund von Digitalisierung und verstärkter Dienstleistungsorientiertheit der Gesellschaft viel Raum sieht, die Produktion nicht nachhaltiger Güter noch weiter zurückzufahren.

Podium:   Marec Hase, Hase Bikesgabor Lengyel, Lengyel Designnaemi Reymann, Reymann Designguido Röcken, DesignkioskBarbara Wendling, Agentur Barbara Wendling Unperfekthaus, essen

Claudia Helming und Ralph Brodel

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TREnDBaRoMETER kuLtuR- unD kReatiV-WiRtSchaft 2011

Ein neues Instrument für mehr Daten und Fakten über die Kreativwirtschaft an der Ruhr ist das von der International School of Management Dortmund in Zusammenarbeit mit ecce erstellte Trendbarometer Kultur- und Kreativ-wirtschaft. Die ersten Ergebnisse wurden unter dem Titel „Be Creative! Herausforderungen und Trends für die Kultur- und Kreativwirtschaft“ von Projektleiterin Prof. Dr. Julia Frohne vorgestellt. Untersucht wurden die Attraktivität und das Zukunftspotential des Standorts, die konjunkturelle Entwicklung und Beschäftigungssituation innerhalb der Branche sowie der Einfluss aktueller Trends und die Weiterentwicklung der Unternehmen in der Kultur- und Kreativbranche.

STanDoRT RUHR: vIEL ZUkUnFTSPoTEnTIaL IM BaLLUngSZEnTRUM 58,2 % der Befragten wurden im Ruhrgebiet geboren, weitere 13,7 % in ande-ren Teilen von NRW und 22,6 % in anderen Bundesländern. 53 % arbeiten als Selbstständige, 29 % als Freiberufler, 17 % als Angestellte. Die Frage nach dem überwiegenden Anteil der Kunden beantworteten die Befragten zu 35,4 % mit „aus dem Ruhrgebiet“, 27,8 % mit „aus ganz NRW“ und 30,6 % mit „aus ganz Deutschland“. Kaum eine Rolle spielen die Niederlande (0,7 %) bzw. die Benelux-Staaten (0,7 %) oder das„sonstige Ausland“ (4,9 %). Hier könnte sich die Frage nach einer weiter gehenden Förderung von internationalem Aus-tausch stellen, so Julia Frohne. Für konkurrenzfähig gegenüber anderen Kul-tur- und Kreativmetropolen halten das Ruhrgebiet gut zwei Drittel, beinahe ebenso viele erachten das Zukunftspotential des Standortes als „gut“, weitere 22 % sogar als „sehr gut“; als „schlecht“ nur 0,6 %. Standortfaktoren für die Kreativakteure sind neben dem „Ballungszentrum“ (70,6 %) und der allgemei-nen geographischen Lage (65,6 %) vor allem günstige Mieten (52 %), gefolgt vom „Imagefaktor“ (23,2 %) und Förderungsmöglichkeiten (21,5 %).

PoSITIvE gEScHäFTSBILanZ DER kULTUR- UnD kREaTIvBRancHEEin Blick in das Innenleben der Kreativunternehmen: Bei 42,9 % war der Um-satz im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr konstant, bei 40,3 % sogar steigend. Erwartet wird für 2011 von 37,3 % eine Steigerung, von 30,5 % konstante Wer-te, während nur 11,9 % fallende Umsätze erwarten. Von denjenigen Unterneh-men, die 2010 eine Umsatzsteigerung zu verzeichnen hatten, gehen gar 53,8 % von einer weiteren Steigerung für 2011 aus. In puncto Beschäftigungszahlen planen für 2011 27,7 % der Befragten einen Zuwachs ein, nachdem bei 26,1 % ein solcher schon 2010 erfolgte. Mit 61,5 % blieb die Beschäftigungssituation allerdings in den meisten Kultur- und Kreativunternehmen konstant.

kREaTIvakTEURE aLS ZUkUnFTSFakToR DER REgIon Die größte eher positive Bedeutung für die Weiterentwicklung ihres Unter-nehmens wird nach Aussage der Kreativakteure die Digitalisierung haben (63,7 %), gefolgt vom „Schutz geistigen Eigentums“ mit 58,5 % und explizit Facebook mit 56,5 %. In diesen drei Punkten sehen einige Prozent aber auch negative Einflüsse. Neben weiteren SocialMedia Faktoren werden die Stadt-teilentwicklung (53 %) und „Staatliche Förderung“ (45,6 %) als wichtig für die weitere Entwicklung des Unternehmens genannt. Mehr Unterstützung erwar-ten sich die Kreativakteure vor allem in Bezug auf Netzwerkaufbau (80,3 %). In puncto Marketing und Werbung sehen sich 74,1 % als unterstützungsbe-dürftig, knapp gefolgt von dem Wunsch nach einem Abbau von Verwaltungs-regeln (67,3 %). Weitere Nennungen über 40 %: „Beratung über Fördermaß-nahmen“, „Rechtliche Unterstützung“, „Neue digitale Geschäftsmodelle “und „Branchentagungen“. Julia Frohne sieht insgesamt das Ruhrgebiet als Standort der Kultur- und Krea tivwirtschaft weiter an Bedeutung gewinnen, einherge-hend mit einem konjunkturellen Aufschwung in der Branche, der auch in Be-zug auf das Schaffen von Arbeitsplätzen positive Auswirkungen haben wird.

Julia Frohne

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U–Do 2011 PReiS füR innoVatiVe geSchäftSiDeenFünf junge Unternehmen standen auf der „Shortlist“ des Wettbewerbs für inno-vativeGeschäftsideen u_do 2011. Frederik Hümmeke von der Business Angels Agentur Ruhr e.V. schilderte in seiner Einleitungsrede die Einsicht, dass Kreati-vität jenseits gewohnter Mechanismen und Strukturen entsteht. In diesem Sin-ne soll der u_do helfen, das Neue und Überraschende zu entdecken.

Es präsentierten sich die Teilnehmer: Frauke Sahlender und Daniel Bahr (Punky & E.c.o.r.a) mit dem Projekt „Mit Oma fing alles an!“, Antonia Illich und Marc Grandmontagne mit der Kulturloge Ruhr, Natali Pilic mit ihren „Free Radicals“, Jiri M.R. Katter mit seiner Produktlinie „Katter_furnitures“ so-wie Dunja Berens, Katharina Hülscher und Christina Steuer mit „kistenwissen“.

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Wie erfährt man von so einem Wettbewerb?Natali Pilic: Dadurch, dass ich neben meinem Studium immer noch kellnere. Auch auf der Insel, auf der ich mit den Free Radicals lebe, kann man das halt nicht nur von Luft und Liebe. Beim Kellnern hat mir ein Bekannter von u_do erzählt, also habe ich mich beworben und mir einen Keks gefreut, als ich hörte, dass ich zu den letzten Fünf gehöre.

Berührungsängste gab es also offensichtlich nicht. Gab es denn vorher schon andere Wettbewerbe?Ja, einige. Den dritten Platz habe ich schon öfter belegt, beim Joseph Binder Award wurde ich immerhin nominiert, bei anderen nationalen Wettbewerben lobend erwähnt.

War das denn alles schon mit den Free Radicals?Nein, die Familie gibt es noch nicht so lange. Meine Diplomarbeit handelte schon von Geschenkartikeln, und außerdem finde ich Produkte gut, die man auch benutzen kann. Von den Radicals gibt es im Moment erst fünf. Denn wenn man klein anfängt, muss man sich ja erst einmal etwas beschränken. Aber es kann gut sein, dass welche nachkommen. Das ist ja mein Nachwuchs, na klar!

Die Produktion findet ja mittlerweile in Kooperation statt. Aber der Vertrieb ist selbst gemacht?Ja, das geht alles über mein Bett. Und die ersten Exemplare habe ich auch selbst gemacht. Zuerst selbst zu produzieren ist super, weil man merkt wo die Schwachstellen sind. Danach habe ich von mehreren Werkstätten Muster anfertigen lassen, und die Radicals von zweien sind richtig gut geworden. Mit denen werde ich jetzt zusammen arbeiten. Wichtig ist mir übrigens, dass meine Freunde immer Tipps gegeben und auch Ideen beigesteuert haben. Ich bin für jede positive wie negative Kritik, vor allem sogar für negative, immer dankbar. Denn nur dadurch wird man besser.

InTERvIEW PReiStRägeRin nataLi PiLic (fRee RaDicaLS):

natali Pilicshortlist-Teilnehmer des u_do mit Thomas Fink (Kölbl Kruse) und Dieter Gorny

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„Die Jahrestagung etabliert sich als ein Debattenort, der die verschiedenen Belange der Kreativwirtschaft nicht nur diskutiert, sondern auch wertvolle Impulse für die weitere Entwicklung dieser Branche im Ruhrgebiet gibt.“ Prof. Dieter Gorny, Direktor european centre for creative economy (ecce)

„Kreativität ist für den wirtschaftlichen Fortschritt eine bedeutende Schlüsselkom-petenz. Die Kreativwirtschaft Ruhr leistet für die Entwicklung und Gestaltung von Innovationen wichtige Beiträge und zwar nicht nur innerhalb der eigenen Branche, sondern auch zum Vorteil anderer Wirtschaftsbereiche. Unsere Aufgabe ist es, dieses kreative Potenzial noch stärker mit der Wirtschaft zusammenzubringen.“ Thomas Westphal, Geschäftsführer Wirtschaftsförderung metropoleruhr (wmr)

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Herausgeberecce | european centre for creative economyEmil-Moog-Platz 7 | 44137 DortmundTel +49 (0)231 22227500Fax +49 (0)231 [email protected]

ecce ist ein Institut der RUHR.2010 gmbHgeschäftsführer Prof. Dr. Oliver scheyttBrunnenstraße 845128 EssenTel +49 (0)201 888 [email protected]

Text und RedaktionJens Kobler und ecce

Bildnachweis Michael Krömer (Umschlagsseite, s. 20/21)annelie Rogoß (s. 1 unten)Tobias Vollmer (s. 2, s. 13 oben)Vladimir Wegener (s. 1 oben, s. 3-8, s. 10-11, s. 13 unten, s. 14/15, s. 16-17, s.18/19)

gestaltung und ProduktionOktober Kommunikationsdesign GmbH

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Die 3. Jahrestagung Kultur- und Kreativwirtschaft Ruhr 2011 fand am 20. Oktober 2011 im Dortmunder U – Zentrum für kunst und kreativität statt.

Projektleitung Bernd Fesel (ecce)Projektmanagement nadin Deventer (ecce), Viviane Trautvetter (wmr)organisation Torsten Görke expo shanghai, Deutscher Pavillon

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