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"Was gestern rechtens war, kann heute kein Unrecht sein." Hans Filbinger, der furchtbare Jurist Bild vom Protest gegen den Empfang der Landesregierung anläßlich des 90. Geburtstags von Filbinger am 16.9.2003 in Ludwigsburg Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger-Auftritt am 11. Oktober 2003 in Karlsruhe Oktober 2003

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"Was gestern rechtens war, kann heute kein Unrecht sein."

Hans Filbinger, der furchtbare Jurist

Bild vom Protest gegen den Empfang der Landesregierung anläßlich des

90. Geburtstags von Filbinger am 16.9.2003 in Ludwigsburg

Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger-Auftritt am 11. Oktober 2003

in Karlsruhe

Oktober 2003

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"Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren." Richard von Weizsäcker,

ehemaliger Bundespräsident in seiner Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg am 8. Mai 1985 im Bundestag

Die nachfolgende Dokumentation der Ereignisse um den Auftritt des furchtbaren Nazi-Marinerichters Hans Filbinger, der es bis zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg brachte, beim "Tag der Heimat" am 11. Oktober 2003 in Karlsruhe soll einen Beitrag dazu leisten, dass die unmenschlichen Handlungen der Täter nicht in Vergessenheit geraten, ebensowenig wie die Namen und Gesichter ihrer Opfer. Die ausgewählten Dokumente im Anhang dienen vor allem dem besseren Verständnis der historischen Zusammenhänge.

Impressum: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Kreisvereinigung Karlsruhe, Poststr. 8, 76137 Karlsruhe Unkostenbeitrag 2.-- Euro

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Inhalt Seite

27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt 4

1. Oktober 2003 Pressemitteilung der SPD 5

2. Oktober 2003 BNN-Bericht über SPD-Bedenken 6

4. Oktober 2003 Offener Brief des DGB an OB Heinz Fenrich 7

Pressemitteilung der VVN-Bund der Antifaschisten 8

7. Oktober 2003 Pressemitteilung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN 9

Bericht der Onlinezeitung ka-news 10

9. Oktober 2003 BNN-Bericht über Proteste 11

Bündnis-Presse-Erklärung mit Ankündigung eines Antifaschistischen Stadtrundgangs 12

Pressemitteilung des Stadtjugendausschusses 13

11. Oktober 2003 BNN-Berichte über anhaltenden Protest mit Kommentar (Stadtgespräch) 14

Werbeplakat zum "Tag der Heimat" 15 (mit Wappen der Stadt Karlsruhe)

Antifaschistischer Stadtrundgang:

• Silvia Schulze spricht zum Auftakt 16

• Jürgen Schuhladen-Krämer führt durch die Innenstadt 18

• Flugblatt der VVN-Bund der Antifaschisten 23 (verteilt während des Stadtrundgangs)

• VVN-BdA-Dokumentation über Filbinger 25 (Material vom Protest am 16.9.2003 in Ludwigsburg; ebenfalls während des Stadtrundgangs verteilt)

Pressemitteilung Stadtrat Harry Block 29

13. Oktober 2003 BNN-Bericht über Filbinger-Auftritt 30

18. Oktober 2003 BNN "Die Meinung der Leser" (Leserbriefe) 31

Anhang

1. Oktober 2003 BNN-Bericht über Personalwechsel Weikersheim 34

14. September 2003 Vortrag Wolfram Wette in Freiburg 35 "Was Unrecht war, kann nicht Recht sein!"

1. August 2003 Stuttgarter Zeitung über Filbinger's Sturz 1978 43

28. Oktober 2002 junge Welt - Bericht über schwarz-braune 44 Begegnungen im Karlsruher "Haus der Heimat"

6. Juni 2002 PANORAMA-Beitrag über Rechtsradikale in der CDU 45

Wir über uns Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) 48

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Badische Neueste Nachrichten, Ausgabe Nr. 224Samstag 27. / Sonntag 28. September 2003, Seite 27

Hans Filbinger sprichtbeim "Tag der Heimat"

jg. Der Bund der Vertriebenen und das Haus derHeimat haben den ehemaligen MinisterpräsidentenDr. Hans Filbinger als Redner bei dem von ihnenveranstalteten "Tag der Heimat" eingeladen.

Filbinger spricht zum Thema "Mit Menschen-rechten Europa vollenden". Der Tag der Heimatfindet am 11. Oktober, 14 Uhr, in der Schwarz-waldhalle statt. Schirmherr ist OberbürgermeisterHeinz Fenrich.

Vor dieser Veranstaltung ist Filbinger am gleichenTag um 12 Uhr zu Gast im Kultur- und Sportzen-trum für Hörgeschädigte in Daxlanden.

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Pressemitteilung

Mit Betroffenheit sieht die SPD Karlsruhe, dass dasHaus der Heimat einmal mehr zum politischen Unfrie-den in der Stadt beiträgt. „Die Einladung des ehemali-gen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg,Dr. Hans Filbinger, als Redner beim Tag der Heimatzu dem Thema „Mit Menschenrechten Europa vollen-den“ ist ein denkbar unglücklicher Schritt angesichtsder Tatsache, dass Filbinger bis heute mit keinemeinzigen Wort zur Annahme eigenen schuldhaftenVerhaltens als Richter im 3. Reich bereit war“, soHarald Denecken, der Kreisvorsitzende der KarlsruherSPD. Deshalb werden Partei und SPD-Fraktion an derVeranstaltung nicht teilnehmen. Für unpassend hältdie SPD die Übernahme der Schirmherrschaft durchOberbürgermeister Fenrich (CDU).

Karlsruhe, 01.10.03

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Badische Neueste Nachrichten, Ausgabe Nr. 228Donnerstag 2. / Freitag 3. Oktober 2003, Seite 17

SPD "betroffen" überEinladung an Filbinger

kudo. Die Karlsruher SPD kritisiert, dass das Hausder Heimat den ehemaligen baden-württembergischenMinisterpräsidenten Hans Filbinger zum "Tag derHeimat" als Festredner verpflichtet hat. "Mit Betrof-fenheit sieht die SPD, dass das Haus der Heimat ein-mal mehr zum politischen Unfrieden in der Stadt bei-trägt", schreiben die Sozialdemokraten in einer Pres-semitteilung.

Die Einladung an Filbinger sei ein "denkbar unglück-licher Schritt", zumal Filbinger bis heute nicht zur An-nahme eigenen schuldhaften Verhaltens als Richter imDritten Reich bereit war, so der SPD-Kreisvorsitzende Harald Denecken. Partei und SPD-Gemeinderatsfraktion werden deshalb an der Veran-staltung nicht teilnehmen. Für unpassend hält die SPDauch die Schirmherrschaft durch OberbürgermeisterFenrich.

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DGB-Bezirk Baden-WürttembergRegion MittelbadenSEB AG StuttgartBLZ: 600 101 11Kto.-Nr.: 1664864600

Per FAX an 133 - 10 19 DeutscherDeutscher

GewerkschaftsbundGewerkschaftsbundRegion Mittelbaden

DGB Region Mittelbaden, Ettlinger Straße 3a, 76137 Karlsruhe

Offener Brief an

HerrnOberbürgermeister Heinz FenrichRathaus der Stadt Karlsruhe

zur Kenntnisan regionale Presse- und MedienvertreterInnen

76137 KarlsruheEttlinger Straße 3a

Karin BinderRegionsvorsitzendeTelefon: 0721/ 9 31 21-0Telefax: 0721/ 9 31 21-30

e-mail: [email protected]@dgb.de

http://www.dgb.de

Ihre Zeichen: Ihre Nachricht vom: Unser Zeichen: Datum:

04.10.2003

Öffentlicher Auftritt von Hans Filbinger beim „Tag der Heimat“

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Fenrich,

wie wir über entsprechende Plakate und aus der Presse erfahren haben, soll derehemalige Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger auf einer Veranstaltung des Bun-des der Vertriebenen am 11.10.2003 in der Schwarzwaldhalle sprechen. Wir se-hen diesem Auftritt in Karlsruhe mit großen Bedenken entgegen.

Auch Sie wissen um die NS-Vergangenheit des Marinerichters a.D. Filbinger.Aus dem Munde eines solchen Mannes wird das Thema „Mit MenschenrechtenEuropa vollenden“ zu einer Farce und dessen Auftritt zu einer Zumutung für dieBürgerinnen und Bürger der Stadt Karlsruhe.

Der DGB und die Gewerkschaften bitten Sie dringend, Herrn Filbinger, der aufder Veranstaltung offensichtlich als Hauptredner auftreten soll, wieder auszula-den. Sollte dies nicht möglich sein, fordern wir Sie als Oberbürgermeister dieserStadt auf, die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung abzugeben.

Es wäre aus unserer Sicht ein fataler Rückschritt in der zuletzt doch konsequen-ten Politik dieser Stadt gegen Rechtsextremismus und Neonazis, die durch sol-che Auftritte wieder entsprechenden Nährboden bekämen.

Mit freundlichen Grüssen

Karin BinderRegionsvorsitzende

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Bankverbindung: Postbank Karlsruhe • Kto.Nr. 107303-752 (BLZ 66010075)Unsere Landesvereinigung ist vom Finanzamt Stuttgart als gemeinnützig anerkannt und berechtigt, entsprechende Spendenbescheinigungen auszustellen.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg e.V.Kreisvereinigung KarlsruhePresse-Information 4. Oktober 2003

Gegen Filbinger-Auftritt in Karlsruhe

Wer vom Faschismus nicht reden will, soll von Vertreibungen schweigen.

Für ein friedfertiges, antirassistisches Europa freier Menschen undsouveräner Staaten - ohne Nazi-Richter und Berufs-Vertriebene!

Ausgerechnet der furchtbare Jurist Hans Filbinger,der als Nazi-Marinerichter an Todesurteilen gegenDeserteure beteiligt war und einen Deserteur sogarnoch nach Kriegsende verurteilte, der deswegenvor 25 Jahren als Ministerpräsident zurücktretenmusste, soll am 11. Oktober, 14 Uhr, in derSchwarzwaldhalle in Karlsruhe auf Einladung desBundes der Vertriebenen und des Hauses der Hei-mat über das Thema "Mit Menschenrechten Europavollenden" sprechen. Schirmherr der Veranstaltungist Oberbürgermeister Heinz Fenrich.

Eine schlimmere Kombination von Redner undThematik ist schwer vorstellbar angesichts

• der gegen die Versöhnung gerichteten Forde-rung des Bundes der Vertriebenen nach einemMahnmal gegen Vertreibung in Berlin, derHauptstadt desjenigen Landes, von dem Fa-schismus und Krieg ausgingen,

• der sich häufenden Verletzung der Menschen-rechte durch Abschiebung von MigrantInnenund

• der europaweiten Proteste gegen Rüstung undKrieg.

Filbinger, dessen offizielle 90. Geburtstagsfeier inFreiburg gerade verhindert wurde und dessen em-pörende Ehrung durch die Landesregierung inLudwigsburg von starken öffentlichen Protestenbegleitet war, der Mann mit der braunen Vergan-genheit und dem penetrant guten Gewissen, alsHüter der Menschenrechte in Europa? Hier wirdder Bock zum Gärtner gemacht.

Die VVN-Bund der Antifaschisten hat vom Hausder Heimat die unverzügliche Ausladung des Red-ners gefordert und OB Fenrich gebeten, im Falleeines Filbinger-Auftritts seine Schirmherrschaftniederzulegen.

Das Haus der Heimat war bereits im Oktober letz-ten Jahres wegen Überlassung seiner Räumlich-

keiten an ultrarechte Referenten bei den "Karlsru-her Freitagsgesprächen" in die öffentliche Kritikgeraten, worauf der Karlsruher CDU-Chef diesevorläufig aussetzen ließ. Nahezu alle umstrittenenReferenten waren auch Gäste des rechtskonservati-ven Studienzentrums Weikersheim, dessen Grün-der und Inspirator der CDU-Ehrenvorsitzende Fil-binger ist. Soll mit dieser demonstrativen Einla-dung Filbingers nach Karlsruhe der Brückenschlagzwischen Konservativen, Vertriebenenverbänden,Rechtskonservativen, Ultrarechten und Ewiggestri-gen gefestigt werden?

Das Thema "Mit Menschenrechten Europa voll-enden" für die bundesweit veranstalteten Tage derHeimat wird vom Bund der Vertriebenen mit demZweck verbunden, die Länder der ehemaligen"Ostgebiete" bei den Beitrittsverhandlungen unterDruck zu setzen. Präsidentin Erika Steinbach for-derte am 09.12.2002 "Jeder Beitrittsstaat muss da-nach deutlich machen, dass er willens ist, als künf-tiges Mitglied der EU ..... Diskriminierungen vonMinderheiten zu beseitigen ..." Roland Koch er-klärte zum Tag der Heimat am 06.09.2003 in Ber-lin, dass die "Veränderung der Europäischen Unionnicht dazu geeignet ist, das Unrecht der Vertrei-bung vergessen zu lassen." Sie reden von der "Ver-treibung der Deutschen aus Ost-, Mittel- und Süd-osteuropa" und dem "Schicksal von Deutschen ausRussland" und sagen nichts über den dafür ursäch-lichen faschistischen Raubkrieg. Wie mit Minder-heitenrechten die Einmischung in die inneren An-gelegenheiten souveräner Staaten betrieben wird,dafür ist gerade die deutsche Außenpolitik bei un-seren europäischen Nachbarn berüchtigt und ge-fürchtet. Damit muß endlich Schluss sein.

Die VVN-Bund der Antifaschisten ruft alle Bürger-Innen auf, gegen den Filbinger-Auftritt in derSchwarzwaldhalle zu protestieren. Bitte beachtenSie weitere Informationen der demokratischen Or-ganisationen dazu.

VVN-Bund der AntifaschistenKreisvereinigung Karlsruhe

Silvia SchulzePoststraße 8

76137 KarlsruheTel. 0721-31690

Fax [email protected]

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Bündnis 90/Die GrünenKreisverband KarlsruheRegionalbüro Mittlerer Oberrhein

Sophienstr. 5876133 Karlsruhe

Tel. 0721/2031232Fax. 0721/2031234

[email protected]

www.gruene-karlsruhe.de

Bankverbindung:Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband KarlsruheKto. 8033441300, GLS Gemeinschaftsbank eG, BLZ 430 609 67

07. Oktober 2003

Pressemitteilung

Hans Filbinger beim "Tag der Heimat"

Mit Unverständnis nimmt der Kreisvorstand der Grünen zur Kenntnis, daß deroberste Repräsentant unserer Stadt, Herr Oberbürgermeister Heinz FenrichSchirmherr bei einer Veranstaltung mit Dr. Hans Filbinger ist.Dr. Hans Filbinger war während des Zweiten Weltkriegs als Marinerichter tätig. Indieser Funktion hatte er noch bis kurz vor Kriegsende an Todesurteilen gegenDeserteure mitgewirkt. Wegen der öffentlichen Diskussion über seine Rolle im DrittenReich sah er sich im Jahre 1978 gezwungen, von seinem Amt als Ministerpräsidentdes Landes Baden-Württemberg zurückzutreten.Bis heute hat Dr. Filbinger - soweit uns bekannt ist - kein Wort des Bedauernsgegenüber den Opfern seiner Militärjustiz geäußert. Unabhängig von seinerpersönlichen Schuld, über die wir nicht richten können, halten wir seine Haltung fürkritikwürdig.Ohne Einsicht in die eigene Verantwortung und ohne Mitgefühl für die Opfer hat erimmer wieder versucht, die eigene Verstrickung in die Unrechtsjustiz desNationalsozialismus zu rechtfertigen.Eine solche Verarbeitung der historischen Ereignisse kann kein Vorbild sein fürjüngere Generationen, die das damalige Geschehen nicht miterlebt haben. Wir sindder Auffassung, daß Dr. Filbinger seinen Auftritt in Karlsruhe absagen bzw. HeinzFenrich vom seiner Schirmherrschaft zurücktreten sollte.Eine Schirmherrschaft für eine Veranstaltung mit einem Akteur Filbinger wird demAnsehen der Stadt Karlsruhe schaden.

Für den Vorstand Michael Borner

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Umstrittener Auftritt

Geplante Filbinger-Rede sorgt für Protest

Karlsruhe - "Mit Menschenrechten Europa vollenden!" ist der Titel einer Veranstaltungzum Tag der Heimat am kommenden Samstag, 11. Oktober, in der Schwarzwaldhalle.Festredner ist auf Einladung des Bundes der Vertriebenen und des Hauses der Heimatder ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger. Dieser istwegen seiner Vergangenheit als Richter im Dritten Reich in der Öffentlichkeit umstritten.Schirmherr der Veranstaltung ist Oberbürgermeister Heinz Fenrich. In einer erstenReaktion haben verschiedene Organisationen nun die sofortige Ausladung Filbingersgefordert.

"Aus dem Munde eines solchen Mannes wird das Thema 'Mit Menschenrechten Europavollenden’ zu einer Farce und dessen Auftritt zu einer Zumutung für die Bürger derStadt Karlsruhe." äußerte sich etwa Karin Binder, Regionsvorsitzende des DeutschenGewerkschaftsbundes (DGB) Mittelbaden. In einem offenen Brief an OB Fenrich fordertsie die Ausladung des Festredners. Sollte dies nicht möglich sein, solle derOberbürgermeister wenigstens seine Schirmherrschaft für die Veranstaltung abgeben.

Ehrenmitgliedschaft für Filbinger

Ähnlich äußerte sich auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Eine"schlimmere Kombination von Redner und Thematik" sei schwer vorstellbar, so SilviaSchulze von der VVN-Kreisvereinigung Karlsruhe. Auch ihre Vereinigung will dieAusladung Filbingers erreichen. Eine Reaktion auf die Proteste gab es bislang aus demRathaus noch nicht.

Bevor Filbinger am Samstag um 15 Uhr in der Schwarzwaldhalle reden soll besucht erdas Gehörlosenzentrum in Daxlanden. In diesem Rahmen will der Stadt- undKreisverband der Hörgeschädigten Karlsruhe den Ministerpräsidenten a.D. zumEhrenmitglied ernennen. Filbinger habe während seiner Regierungszeit in den 70erJahren die Gründung des Zentrums möglich gemacht, begründeteKuratoriumsvorsitzender Günther Rüssel die Ehrung gegenüber ka-news. (sie)

Meldung vom Dienstag, 7. Oktober 2003 © ka-news 2003

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Badische Neueste Nachrichten, Ausgabe Nr. 233, Donnerstag 9. Oktober 2003

Protest an Filbingers Auftrittin Karlsruhe hält anRüssel verteidigt den Ex-Ministerpräsidentenals Redner beim „Tag der Heimat" am SamstagVon unserem RedaktionsmitgliedJürgen Gottmann

„Hans Filbinger hat sowohl als Innenministerals auch als Ministerpräsident viel für diesesLand getan, er war und ist darüber hinaus einengagierter und überzeugter Europäer", weistder Ehrenvorsitzende der Karlsruher CDU,Stadtrat Günther Rüssel, die Kritik an Filbingerals Redner beim „Tag der Heimat" am Samstagzurück. Weil Filbinger gerade für das „neue,große Europa" eingetreten sei, habe er HansFilbinger bereits vor über einem Jahr bei einemprivaten Treffen gefragt, ob er in Karlsruhe zumThema „Mit Menschenrechten Europa vollen-den" sprechen würde. Der vom Bund der Ver-triebenen und dem „Haus der Heimat" organi-sierte „Tag der Heimat" ist für Rüssel ein idea-les Forum für dieses Thema.

Die SPD, der DGB sowie auch die „Vereini-gung der Verfolgten des Naziregimes - Bundder Antifaschisten Karlsruhe" protestieren he f-tig gegen Filbinger als Redner beim „Tag derHeimat". Wie berichtet, verweisen sie auf „dieNS-Vergangenheit des Marinerichters a. D.Filbinger". Und jetzt solle ausgerechnet er überMenschenrechte in Europa sprechen. Die Grü-nen schließen sich dem Protest an. Filbingerhabe als Marinerichter noch bis kurz vorKriegsende an Todesurteilen gegen Deserteuremitgewirkt. Die Diskussion darüber habe 1978schließlich zu Hans Filbingers Rücktritt als Mi-nisterpräsident dieses Landes geführt.

Kritik von SPD, den Grünen und dem DGBrichtet sich auch gegen die Schirmherrschaftbeim „Tag der Heimat" durch Oberbürger-meister Heinz Fenrich. Das, so wird argumen-tiert, schade dem Ansehen der Stadt. Fenrichverweist gegenüber den BNN darauf, es sei in

Karlsruhe Tradition, dass der jeweilige Ober-bürgermeister die Schirmherrschaft beim „Tagder Heimat" übernehme. Auf die Auswahl derRedner habe er keinen Einfluss gehabt.

Günther Rüssel erinnert daran, dass - erstkürzlich anlässlich des 90. Geburtstags desehemaligen Ministerpräsidenten in Ludwigs-burg „Fakten über Filbinger" veröffentlichtwurden, nach denen „es kein Urteil von HansFilbinger gibt, durch das ein Mensch sein Lebenverloren hätte". Vielmehr habe Filbinger „untererheblichen Risiken mehreren Soldaten das Le-ben gerettet". Das ihm zur Last gelegte Urteilgegen einen Fahnenflüchtigen habe Filbingernicht gefällt, das Verfahren nicht initiiert, dieUntersuchung nicht geführt und die Verhand-lung nicht vorbereitet. Er sei „angewiesen wor-den", ein bereits gefälltes Urteil zu unterzeich-nen. Eine Befehlsverweigerung Filbingers hättedas Todesurteil nicht verhindert.

Die Kritik der SPD, wonach das „Haus derHeimat" als Miteinlader von Filbinger „erneutzum politischen Unfrieden in der Stadt beitra-ge", bezieht sich auf die dort neben vielen an-deren Aktivitäten stattgefundenen so genannten„Freitagsgespräche". Vor einem Jahr hatte dieSPD-Landtagsfraktion mitgeteilt, 13 Referentendieser Gespräche seien dem Verfassungsschutz„auch mit Erkenntnissen aus rechtsextremisti-schem Zusammenhang bekannt". Rüssel hatteals Kuratoriumsvorsitzender die Veranstalterder „Freitagsgespräche" veranlasst, diese Tref-fen zu stoppen. Polizei und Innenministeriumhätten Rüssel als Hausherrn jedoch zu keinerZeit mitgeteilt, dass gegen Referenten irgen-detwas vorliege.

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Gemeinsame Presse-Erklärung vom 9. Oktober 2003von Bündnis90/Die Grünen, DGB Region-Mittelbaden mit seinen Mitgliedsgewerkschaften, DKPKarlsruhe, Ex-Steffi, Friedensbündnis Karlsruhe, Jusos Karlsruhe, PDS Karlsruhe, rak, SJD – DieFalken, Soli, UNITED - Verein für eine Gesellschaft ohne Rassismus e.V., UStA der Uni Karlsru-he, VVN – Bund der Antifaschisten

Kein Auftritt von Hans Filbinger in Karlsruhe!

Ein furchtbarer NS-Jurist – Anwalt europäischer Menschenrechte?

In Achtung vor den Opfern der NS-Justiz verurtei-len die unterzeichneten Organisationen den geplan-ten Auftritt des ehemaligen NS-Marinerichters Fil-binger beim „Tag der Heimat“ am 11.Oktober 2003in der Schwarzwaldha lle.

Ausgerechnet der furchtbare Jurist Hans Filbinger,der als Marinerichter während der Nazizeit für To-desurteile verantwortlich zeichnete und der selbstnoch nach der Kapitulation des Dritten Reicheseinen Obergefreiten nach NS-Gesetzen zu sechsMonaten Gefängnis verurteilte, soll am 11. Okto-ber, 14:00 Uhr, in der Schwarzwaldhalle in Karls-ruhe auf Einladung des Bundes der Vertriebenenund des Hauses der Heimat über das Thema „MitMenschenrechten Europa vollenden“ sprechen.

Filbinger sagte zu den Vorwürfen, an Todesurteilenbeteiligt gewesen zu sein bzw. sie sogar verhängtzu haben: „Was damals Recht war, kann heute nichtUnrecht sein“. Eine solche Haltung lässt jede mo-ralische Distanzierung vom NS-Regime vermissen.Sie führte schließlich zum Rücktritt des uneinsich-tigen CDU-Politikers. Das Thema des Tages derHeimat wird aus dem Munde eines solchen Politi-kers zu einem Angriff auf die Menschenrechte un-serer europäischen Nachbarn und zu einer Zumu-tung für die Bürgerinnen und Bürger in Karlsruhe.

Weder die Kritik der SPD und der Grünen und auchnicht die Absagen ihrer Gemeinderatsfraktionen, ander Filbinger-Veranstaltung teilzunehmen, noch dieProteste des DGB Region-Mittelbaden und derVVN-Bund der Antifaschisten mit der Forderungnach Ausladung des Redners Filbinger wurden vomHaus der Heimat e. V. beachtet. Auch Oberbürger-meister Fenrich hat auf die Kritik an seiner Schirm-herrschaft und auf die Forderungen nach derenNiederlegung nicht reagiert.

Das Haus der Heimat trägt einmal mehr zum politi-schen Unfrieden in dieser Stadt bei. Bereits imOktober des letzten Jahres war es wegen der Über-lassung von Räumlichkeiten an ultrarechte Refe-

renten bei den „Karlsruher Freitagsgesprächen“ indie öffentliche Kritik geraten. Nahezu alle umstrit-tenen Referenten waren auch Gäste des rechtskon-servativen Studienzentrums Weikersheim, dessenGründer der CDU-Ehrenvorsitzende Filbinger ist.Diese Referenten waren bzw. sind Autoren in Pu-blikationen bzw. Mitglieder in Organisationen, dievom Verfassungsschutz seit längerem wegen ihrerrechtsextremistischen Bestrebungen beobachtetwerden.

Oberbürgermeister Fenrich und dem Haus der Hei-mat e.V. sind diese Tatsachen spätestens seit denRecherchen von MdL Stephan Braun (SPD) imletzten Jahr bekannt. Warum haben sie auf die For-derungen gegen den Filbinger-Auftritt nicht rea-giert?

Will das Haus der Heimat mit der Filbinger Einla-dung bewusst dazu beitragen, den politischenDruck auf unsere östlichen Nachbarländer zu erhö-hen, sich den Forderungen der Vertriebenen unterdem Vorwand von Menschenrechten zu beugen?

Will das Haus der Heimat mit der Filbinger-Einladung bewusst dazu beitragen, die Zusammen-arbeit zwischen Konservativen, Vertriebenenver-bänden, Rechtskonservativen, Ultrarechten undEwiggestrigen zu etablieren?

Mit der Verhinderung des Filbinger-Auftritts hättedie Stadt Karlsruhe ein Signal setzen können undmüssen, dass auch in unserer Stadt weder für Neo-nazis noch für unbelehrbare NS-Juristen Platz ist.

Wir laden aus diesem Anlass am 11.10.2003 zueinem Antifaschistischen Stadtrundgang durch dieKarlsruher Innenstadt ein. Treffpunkt ist um 13:30Uhr an der Tiefgaragenzufahrt des Dorint-Hotels,Hermann-Billing-Str./Ettlinger Str.. Der Rundgangbeginnt mit einem kurzen Einführungsbeitrag undwird von Jürgen Schuhladen-Krämer geführt. Erendet voraussichtlich gegen 15.30 Uhr am Karl-Friedrich-Denkmal am Schlossplatz.

Page 13: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

Presse-Erklärung des Stadtjugendausschuss e.V. Karlsruhe

Kein Auftritt von Hans Filbinger in Karlsruhe!Der Stadtjugendausschuss e.V. Karlsruhe hält den geplanten Auftritt des ehemaligenNS-Marinerichters Filbinger beim „Tag der Heimat“ am 11. Oktober 2003 in derSchwarzwaldhalle für ein falsches Zeichen, obwohl dieser als ehemaligerMinisterpräsident des Landes Baden-Württemberg zweifelsfrei Verdienste erworbenhat.

Ausgerechnet Hans Filbinger, der als Marinerichter während der Nazizeit für Todes-urteile verantwortlich zeichnete und der selbst noch nach der Kapitulation des DrittenReiches einen Obergefreiten nach NS-Gesetzen zu sechs Monaten Gefängnisverurteilte, soll am 11. Oktober in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe auf Einladungdes Bundes der Vertriebenen und des Hauses der Heimat über das Thema „MitMenschenrechten Europa vollenden“ sprechen.

Filbinger sagte zu den Vorwürfen, an Todesurteilen beteiligt gewesen zu sein bzw.sie sogar verhängt zu haben: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrechtsein“. Eine solche Haltung lässt jede moralische Distanzierung vom NS-Regimevermissen. Diese Uneinsichtigkeit führte schließlich zu seinem Rücktritt als Minister-präsident.

Das Thema des Tages der Heimat wird aus dem Munde eines solchen Politikers zueinem Angriff auf die Menschenrechte unserer europäischen Nachbarn und zu einerZumutung für die Bürgerinnen und Bürger in Karlsruhe.

Der Stadtjugendausschuss e.V. hat gesetzlich den Auftrag der politischen Bildung fürdie Jugend der Stadt hat und sieht sich einer verantwortungsvollen Aufarbeitungunserer Geschichte verpflichtet. Er sieht in der Verbindung des Themas mit derPerson Hans Filbinger ein falsches Zeichen und die weitere Infragestellung derGlaubwürdigkeit von politischen Verantwortungsträgern.

Der Stadtjugendausschuss e.V. lädt aus diesem Anlass am 11.10.2003 zu einemalternativen Stadtrundgang durch die Karlsruher Innenstadt ein. Der Rundgangbeginnt mit einem kurzen Einführungsbeitrag und wird danach von dem HistorikerJürgen Schuhladen-Krämer geführt. Treffpunkt am Festplatz um 13:30 Uhr,voraussichtliches Ende gegen 15.30 Uhr in der Kronenstraße.

Karlsruhe, den 09.10.03

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Badische Neueste NachrichtenNr. 235, Samstag, 11. / Sonntag,12. Oktober 2003, Seite 25

Trotz anhaltender Proteste

Filbinger spricht beimTag der Heimat

BNN - Beim „Tag der Heimat",heute ab 14 Uhr in der Schwarz-waldhalle, spricht der frühere Mi-nisterpräsident Hans Filbinger zumThema „Mit Menschenrechten Eu-ropa vollenden". Gegen diesenAuftritt Filbingers protestiert dieSPD, ebenso die Grünen und derDGB. Grüne und DGB bekräftigtengestern in einer weiteren Presse-mitteilung ihre Kritik an Filbinger,der als NS-Marinerichter Verant-wortung für ein Todesurteil über-nehmen müsse. Deshalb sei er alsRedner über Menschenrechte nichtgeeignet. Diesem neuerlichen Pro-test schließen sich unter anderemauch die Jusos, der Usta der Uni-versität, das FriedensbündnisKarlsruhe und der Stadtjugendaus-schuss an.

Alternativ zum „Tag oder Hei-mat" wird am heutigen Samstag zueinem „antifaschistischen Stadt-rundgang" durch die Innenstadteingeladen. Treffpunkt dazu ist um13.30 Uhr am Festplatz und zwaran der Tiefgaragenzufahrt des Do-rint-Hotels (Herman-Billing-Straße/ Ettlinger Straße).

S t a d t ges p r ä c h

Der Streit um FilbingerDie Veranstalter des heutigen „Tags der Heimat", bei dem

der ehemalige Ministerpräsident Hans Filbinger zum Thema„Mit Menschenrechten Europa vollenden" reden wird, fühlensich ebenso im Recht wie diejenigen, die seit Tagen heftigdagegen protestieren. Der Bund der Vertriebenen sowie das„Haus der Heimat" verweisen auf die Verdienste Filbingerssowohl um Baden-Württemberg als auch um Europa. DenVorwürfen gegen den früheren NS-Marinerichter Hans Filbin-ger, die zu dessen Rücktritt als Regierungschef führten, begeg-net man auch in Karlsruhe mit den von Filbinger anlässlichseines kürzlichen 90. Geburtstags wiederholt verbreiteten Ent-lastungsargumenten.

Dass dies die Gegner Filbingers nicht beeindruckt, war nichtanders zu erwarten. An den gestern erneut formulierten Protestder Grünen (die SPD hatte als erste Kritik geübt), des DGB,der Jusos, des Usta der Universität hängten sich einige Grup-pen aus dem ganz linken Spektrum an. Und auch der Stadtju-gendausschuss verurteilt die Einladung Filbingers. Er sieht sicheiner verantwortungsvollen Aufarbeitung unserer Geschichteverpflichtet.

Der Bund der Vertriebenen und das „Haus der Heimat" wol-len und können wohl aus Prinzip diesem politischen Drucknicht nachgeben. Als der Kuratoriums-Vorsitzende des „Hau-ses der Heimat", der CDU-Ehrenvorsitzende und StadtratGünther Rüssel, seinen Parteifreund Hans Filbinger als Rednergewann, ahnte er wohl nicht, dass es um die Geburtstagsfeiernfür Hans Filbinger heftige politische Auseinandersetzungengeben wird. Diese Proteste liegen noch in der Luft und erneu-ern sich anlässlich der Karlsruher Veranstaltung zum „Tag derHeimat" mit Hans Filbinger.

Ob Günther Rüssel auf die Einladung Filbingers als Rednerzum „Tag der Heimat" aus heutiger Sicht der Dinge verzichtethätte? Wohl kaum. Rüssel steht zu dem von ihm geschätztenehemaligen Ministerpräsidenten. Hans Filbinger als Rednerbeim „Tag der Heimat" nicht in Erwägung zu ziehen, wäre ihmnie in den Sinn gekommen. Ihn gar wieder auszuladen, erstrecht nicht. Rüssel trennt in der ihm eigenen pragmatischen Artund Weise den durch Vorwürfen belasteten NS-Marine-RichterFilbinger streng vom Nachkriegspolitiker, der wie es auch inder Presseerklärung des Stadtjugendausschusses heißt - sich alsMinisterpräsident dieses Landes zweifelsfrei Verdienste er-worben hat.

Dennoch sind die vorgetragenen Proteste durchaus ernst zunehmen. Wenn auch in Filbingers Entlastungsargumenten un-ter anderem der prominente Historiker Golo Mann zitiert wird:Die anhaltende öffentliche Diskussion über Filbingers Vergan-genheit als NS-Marinerichter hätte zum Nachdenken anhaltenmüssen. Zum Nachdenken darüber, ob Hans Filbinger als Red-ner beim Karlsruher „Tag der Heimat" am richtigen Platz ist.Zumal wenn es dabei um das sensible Thema Menschenrechtein Europa geht.

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Rede Silvia Schulze zum Auftaktdes Antifaschistischen Stadtrund-gangs - Protest gegen den Filbin-ger-Auftritt am "Tag der Heimat"am 11. Oktober 2003 in derSchwarzwaldhalle in Karlsruhe

Liebe Freundinnen und Freunde,

hinter uns beginnt um 14:00 Uhr der "Tagder Heimat".

Auf Einladung des Hauses der Heimat unddes Bundes der Vertriebenen und unter derSchirmherrschaft des OberbürgermeistersFenrich darf dort der der ehemalige Nazi-Richter Filbinger die Festrede zum Thema„Mit Menschenrechten Europa vollenden“halten.

Dieser furchtbare Jurist, der für mindestensvier Todesurteile verantwortlich ist und fürden „was damals Recht war, heute nichtUnrecht sein kann“ und das Thema Men-schenrechte:

Hier wird der Bock zum Gärtner ge-macht!

Ich will zu Filbingers Vergangenheit als NS-Richter, die ja öffentlich bekannt ist, nichtmehr viel sagen. Hier gib es Flugblätter indenen ist ausführlich berichtet.

Eingehen will ich auf drei Punkte die in denBNN in zwei Artikeln, am Donnerstag undheute angesprochen werden, und die michwütend machen.

• Filbingers angebliche Rehabilitation

• Filbinger, der große Europäer

• Filbinger's Verdienste für Baden-Württemberg

Es gibt 41 Filbinger-Akten, Urteile aus sei-ner Zeit als Marinerichter, das hat derSpiegel recherchiert. Die Daten sind ge-schütz, bis 30 Jahre nach seinem Tod.

Wenn Filbinger nichts mehr zu verbergenhat, warum verwehrt er dann die Aktenein-sicht?

Filbinger versucht aus sich einen Wider-standskämpfer zu machen. Angeblich hatteer Kontakte zum Stauffenberg-Kreis, nurdie Gestapo habe ihn nicht entdeckt.Überlebende des Freiburger Freundeskrei-ses können sich aber nicht daran erinnern,jemals etwas davon gehört zu haben.

Er will schon als Student wegen seiner re-gimefeindlichen Haltung Schwierigkeitenbekommen haben. Ein Kommilitone ausdieser Zeit (heute selbst CDU-Mitglied)kennt ihn aber als strammes Mitglied desFreiburger SA-Studentensturms.

Filbinger war ab 1933 Mitglied des NS-Studentenbundes, ab 1934 Mitglied der SAund ab 1937 Mitglied der NSDAP; 1943wurde er Marinestabsrichter. Für ihn wardie Befreiung von Faschismus und Krieg1945 „ein Unheil“.

Dieser Mann war nicht Sand, sondern Ölim Nazi-Getriebe. Er hat niemals undnichts bereut.

Zum Thema Europa. Darüber wird heuteviel diskutiert. Auch die SS hatte eine Vor-stellung von Europa und diese weitgehendverwirklicht. Auch das deutsche Kapital hateine Vorstellung von Europa. Und auch wirwissen, wie ein vereintes Europa aussehensoll.

Aber welche Vorstellungen hat Filbingervon Europa? Er war Funktionär der Pan-Europa-Union, dieser Organisation gehören80 Rechte Organisationen an und sie ar-beitet eng mit dem „Verein für dasDeutschtum im Ausland zusammen“.

Hier wird eine Politik des „Europas der Va-terländer unter deutscher Führung“ betrie-ben. Das ist eine völkische Konzeption.

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Filbinger und Menschenrechte, auf Einla-dung des Bundes der Vertriebenen und daszum "Tag der Heimat".Hier wird Stimmung gemacht, um unterdem Vorwand Menschenrechte zu verwirk-lichen, Minderheitenrechte für Deutsche zuetablieren. Minderheitenrechte in all ihrensogenannten angestammten Siedlungsge-bieten.

Hier auf der offiziellen Einladung sind sieaufgeführt diese Siedlungsgebiete, mitWappen, mit dabei das Wappen der StadtKarlsruhe.

Minderheitenrechte für Deutsche im Aus-land, das fordern sie. Aber was ist mit denRechten, die die Bundesrepublik den Men-schen gewähren, die keinen DeutschenPass haben.

Die läßt man am besten gar nicht erst rein,und die die es doch schaffen, die schmeißtman gleich wieder raus. Und die, die schonhier sind, die werden schon mal gejagt,geprügelt und auch ermordet.

Ein solches Europa wollen wir nicht. Wirstehen für ein friedliches und antirassi-stisches Europa. Für ein Europa freierMenschen und souveräner Staaten.

Filbinger und seine Verdienste für Baden-Württemberg, auch da habe ich eine ande-re Sicht. Dafür brauche ich keine Historikerzu befragen, die kenne ich aus eigenemErleben.

Zu den Landtagswahlen 1972, als FilbingerMinisterpräsident wurde, wird gesagt, dieCDU hätte es geschafft unter seiner Füh-rung die NPD aus dem Landtag zu werfen.Verschwiegen wird aber, daß die NPD –die vorher mit 9% der Stimmen im Landtagsaß – ihre Kandidatur zurückgezogen hatund zur Wahl der Filbinger-CDU aufgerufenhat.

Warum wohl? Anscheinend waren ihre po-litischen Vorstellungen bei Filbinger gutaufgehoben.Berufsverbote und Gesinnungsschnüffelei.Unter Filbinger wurden 70 000 Bewerbe-rInnen für den öffentlichen Dienst „über-prüft“ und ggf. der Arbeits- oder Ausbil-dungsplatz verwehrt.

Vergehen: Es genügte die Teilnahme aneiner Demonstration.

1977 erklärte Filbinger Schulen Hochschu-len und Gewerkschaften zu Brutstätten desTerrors und verleumdete Professoren,Schriftsteller, Theologen, Journalisten als„Handlanger und geistige Wegbereiter desTerrors“.

Da wurden gewählte Studentenvertretun-gen aufgelöst und ihre Gelder beschlag-nahmt. Demonstrantinnen und Demon-stranten waren für ihn „Pöbel“ und „Pack“und wurden mit massiven Polizeiaufgebo-ten bekämpft.

Das Verdienst Filbingers für Baden-Württemberg war aus meiner Sicht: eswurde auf einen strammen Rechtskursgetrimmt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir hätten erwartet, daß die Stadt Karlsru-he mit der Ausladung Filbingers ein Zei-chen setzt. Ein Signal, dass in Karlsruhekein Platz ist für Neonazis und auch nichtfür ehemalige Nazi-Richter.

Wir wollen mit diesem Antifaschisti-schen Stadtrundgang auf die brauneVergangenheit unser Stadt hinweisenund fordern zum wiederholten Mal gera-de vor dem Hintergrund dieser Vergan-genheit: Kein Platz für Nazis - nicht inKarlsruhe und nicht anderswo.

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Antifaschistischer Stadtrundgangals Protestzeichen im Anschlussan die Auftaktrede gegen Filbin-gers Auftritt am 11. Oktober 2003

Mit dem Antifaschistischen Stadtrundgang wur-de bezweckt, den Protest gegen den Filbinger-/Haus der Heimat - Auftritt sichtbar und hörbarin der Innenstadt zu machen. Vom Konzeptreicht der Stadtrundgang bis zum Anfang der1980er Jahre zurück, als sich federführendGünther Wimmer (SPD), Stadtjugendaus-schuss und VVN-BdA längst vor der spätererfolgten gründlichen stadtgeschichtlichen Auf-arbeitung intensiv mit der Geschichte währendder NS-Zeit in Karlsruhe beschäftigten. Damalswurden noch viele lebende Zeitzeugen berück-sichtigt. Dies bleibt zusammen mit den Doku-mentationen ein herausragendes Ergebnis bisheute, einsehbar im Reader: "Nie wieder. Einealternative Stadtrundfahrt auf den Spuren desDritten Reiches", Hrsg. Stadtjugendausschuss,Karlsruhe 1984, 2. Aufl. 1993. Einzelexemplaresind heute noch über den Stadtjugendaus-schuss verfügbar.

Der unterzeichnende „Rundgangführer“ wardamals nicht beteiligt, und setzt heute auchandere Akzente, die zum größeren Teil aufneueren stadtgeschichtlichen Erkenntnissenberuhen, jeweils abhängig vom Kontext desRundganges. Die an diesem Tag besuchtenStationen waren gebunden an den Ort des Be-ginns (Festplatz) und an die Absicht, den Anti-Filbinger-Protest wo möglich sichtbar zu artiku-lieren. Ein vollständiger Überblick zu allen Di-mensionen des Nationalsozialismus lag nicht inder Absicht. Ein Manuskript für diesen Antifa-schistischen Stadtrundgang lag nicht vor, fürdiese Dokumentation ist der Inhalt deshalbnachträglich niedergeschrieben, so wie die In-formationen und Bemerkungen gesprochenwurden, auf schriftliche Präzisierung in Aus-druck und Formulierung wird dabei verzichtet.An einigen Stellen wurden historische Fotosund Dokumente gezeigt.

• Ettlinger Straße 3a, DGB-HausDas Gewerkschaftshaus befand sich vor 1933nicht an der heutigen Stelle, jedoch um die Ek-ke in der Schützenstraße 14, bekannt als„Volkshaus“. Im öffentlichen Bewusstsein istder Nationalsozialismus vor allem wegen seinerHegemonialpläne mit den aggressiven An-griffskriegen und in erster Linie der industriell-systematischen Ermordung aller jüdischen

Menschen seines Einflussbereiches. Eher „ver-gessen“ wird, dass der Nationalsozialismuszeitgleich mit Erringung der totalen Macht inallen Gesellschaftsbereichen von Beginn anseine inneren Gegner verfolgt hat, das was dieNationalsozialisten die „marxistische Bewe-gung“ nannten, d.h. die organisierte kommuni-stische und sozialdemokratische Partei und dieArbeiterbewegung mit ihren Gewerkschaften.Sie wurden zuerst verboten, zerschlagen, dieAktivisten kamen in die KZs. In Karlsruhe er-folgte die Zerschlagung ebenso wie reichsweitam 2. Mai 1933, einen Tag nachdem die Ge-werkschaftsbewegung noch dem Aufruf zum„Tag der Arbeit“ mit einer Kundgebung mit80.000 Teilnehmenden auf dem Schlossplatzgefolgt war. SA-Verbände besetzten dasVolkshaus, sie kamen teils nicht von weit, ge-rade von der gegenüberliegenden Gaststätte„Felshof“, einem ihrer Lokale. Das Gewerk-schaftshaus wurde enteignet für die National-sozialistische Betriebsorganisation (NSBO).Der Angriff auf die organisierte Arbeiterschaftwar ganz im Sinne der Wirtschaftsverbände;der Nationalsozialismus war entgegen seinerPropaganda eine Klassengesellschaft – zugun-sten der Klasse der Besitzenden. Die Betriebewurden nach dem „Führerprinzip“ organisiert,das war nicht viel anders als vorher, wo der„Herr-im-Haus-Standpunkt“ sowieso vor-herrschte, nun aber blieben durch Koalitions-verbot die Einflussmöglichkeiten noch be-grenzter. Statistisch lässt sich ablesen, dassdie deutschen Arbeitnehmer im Vergleich zuanderen entwickelten Industrieländern imLohngefüge vergleichsweise stark zurückfielen– ein „Verdienst“ des NS-Systems für das Ka-pital. Durch Aufrüstung und Krieg machten dieGroßunternehmen einen außerordentlichenGewinn, der durch Einsatz von massenhaftenZwangsarbeitern häufig die Grundlage für diespätere „Erfolgsgeschichte“ in der Bundesre-publik Deutschland wurde.

Ettlinger Straße – Hermann-Billing-Straße –Ritterstraße

• Ritterstraße 28 / 30Das heute hübsch rosa angestrichene unddenkmalpflegerisch sanierte Haus war einst alsdas „Braune Haus“ im Volksmund bekannt,darauf weist auch das sichtbare blaue Email-schild zur Erinnerung hin. Hier befand sich dieNSDAP-Gauleitung für Baden. Im ZweitenWeltkrieg waren durch Kriegszerstörungen be-dingt auch zwei Abteilungen der GeheimenStaatspolizei, deren Leitstelle sich einmal in der

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heutigen Ebertstraße 26 (damals Reichsstraße)befunden hat, hier untergebracht. Der NS-Staatwar ein Polizeistaat (exekutive Maßnahmendurch Gestapo) und SS-Staat (KZ-Aufsicht,Reichssicherheitshauptamt). Die StapoleitstelleKarlsruhe unterhielt ein eigenes Gefängnis, dasehemalige Amtsgefängnis in Ettlingen, wohinsie ihre Häftlinge brachte; in ihren Gebäuden inKarlsruhe gab es Zellen nur für kurzzeitige Ein-lieferung. Im Gestapogefängnis gab es nach-weislich Folter, z. B. indem Häftlingen mit aufdem Rücken zusammengebundenen Händenüber einen Strick und Rolle am Dachbalkenaufgezogen wurden, so dass nur die Fußspitzeden Boden berührte, teilweise die ganze Nachtlang. Auf diese Weise, verbunden mit Schlä-gen, gab es Todesopfer; z. B. drei von der Wi-derstandsorganisation BSW (Brüderliche Zu-sammenarbeit) unter sowjetischen Kriegsge-fangenen und Zwangsarbeitern. Die BSW hattein ganz Süddeutschland ein illegales Netz auf-gebaut, darunter in Karlsruhe, Rastatt, Heidel-berg etc., das auf eine Erhebung unter denMillionen Zwangsdeportierten in das Reich inVerbindung mit deutschen AntifaschistInnenorientierte und dazu auch Waffen organisierthatte. Für diese, wie andere Morde wurden imNachkriegsdeutschland die ausführendenGestapo-Beamten gerichtlich nie belangt. Ent-weder konnte ihnen die Tötungsabsicht nichtnachgewiesen werden oder ihnen wurde Entla-stung zuteil, da sie auf höhere Weisungen ge-handelt hätten. Die Verfolgung der NS-Verbre-chen in der Bundesrepublik Deutschland ist mitwenigen Ausnahmen ein unrühmliches, aberbezeichnendes Kapitel.

Überquerung der Kriegsstraße

• Ritterstraße, Kriegsstraße /Bundesgerichtshof

Ginge man die Kriegsstraße weiter nach We-sten, stieße man auf die Reinhold-Frank-Straße(vorher Westendstraße), die ihren Namen nach1945 auf einen ermordeten Karlsruher Wider-standskämpfer zurückführt. Reinhold Frank warvor 1933 ein junger Stadtverordneter für diekatholische Zentrumspartei, er war Rechtsan-walt mit einer Kanzlei in dieser Straße, in dieserEigenschaft verteidigte er später vor demVolksgerichtshof teilweise erfolgreich Ange-klagte. Im Zusammenhang der Verschwörungvom 20. Juli 1944 gegen Adolf Hitler war er alsKontaktperson für Baden ausersehen, seinName war auf einer geheimen Liste vermerkt.Sofort wurde er deswegen am 21. Juli verhaf-tet, später angeklagt und erhängt. An ihn mit

einer Straße zu gedenken, ist mehr als ange-bracht. Immerhin war er auch nachweislich am20. Juli beteiligt, anders als Hans Filbinger, dersich erdreistet zu behaupten, ebenfalls beteiligtgewesen zu sein, nur habe man ihn nicht er-kannt; allein, keiner der damals Eingeweihtenkennt seine Beteiligung.

Die Stadt Karlsruhe benannte nach 1945 Stra-ßen nach den Strömungen des Widerstandes.

Die erwähnte Reinhold-Frank-Straße für den20.Juli-Widerstand.

An den sozialdemokratischen Widerstand wirdmit der Ludwig-Marum-Straße erinnert. Er warlangjähriger Karlsruher Kommunalpolitiker,Landtagsabgeordneter, badischer Minister,Reichstagsabgeordneter. Verhasst bei denNationalsozialisten war er durch rechtlicheMaßnahmen vor 1933 gegen sie und wegenseiner jüdischen Herkunft. 1933 in Schutzhaftgekommen, in einer propagandistischenSchaufahrt durch die Kaiserstraße zusammenmit anderen sozialdemokratischen Politikernverhöhnt, wurde er 1934 im KZ Kislau, unweitKarlsruhes ermordet.

An den kommunistischen Widerstand erinnertdie August-Dosenbach-Straße in der Rhein-strandsiedlung. Dosenbach war ein jungerMetallarbeiter, der nach 1933 in die Illegalitätging, für den Transport illegaler KPD-Druck-schriften aus dem Elsaß nach Karlsruhe ver-antwortlich war, unter anderem die hektogra-phierte „Trotzdem-Rote Fahne“. Im Oktober1933 lauerte ihm die Gestapo am Rhein beiKnielingen auf und erschoss ihn, „auf derFlucht“, wie sie behauptete.

Im Gegensatz zur zentralen Reinhold-Frank-Straße befindet sich die Ludwig-Marum-Straßeweniger zentral und die August-Dosenbach-straße ist sehr peripher gelegen. Sicherlichspiegelt sich darin die Hierarchisierung der Er-innerungskultur an den Widerstand in der Bun-desrepublik wider, die teilweise den kommuni-stischen Widerstand ausblendet bis negiert.

Angesichts des nahen Bundesgerichtshofesmuss an das andere Hohe Gericht in der Stadt,das Bundesverfassungsgericht, erinnert wer-den, das die KPD in Westdeutschland 1956verbot. Vor dem Bundesgerichtshof gab eszahlreiche Urteile gegen ehemalige Wider-standskämpfer aus der kommunistischen Be-wegung, denen von der rechten Adenauerre-gierung Leistungen nach dem Bundesentschä-digungsgesetz wieder aberkannt wurden, undals Kommunisten in der BRD erfuhren sie

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Mindestens7 Todesopferder SPD:Klumpp, Heinrich

Kullmann, Leo

Marum, Ludwig

Müller-Würtz, Heinrich

Reitze, Otto

Schulenburg, Gustav

Weick, Friedrich

abermals Unterdrückung. Überhaupt, Antifa-schismus als Weltanschauung und Verhal-tensweise wurde und wird denunziert und um-gedeutet. Von Reaktionären wie Filbinger, aberdarüber hinaus von konservativen Politikernund von freien und von öffentlich bezahltenIntellektuellen und Professoren. Wir bekennenuns als AntifaschistInnen.

Obwohl in der Stadtgeschichte der Nationalso-zialismus mittlerweile als weitgehend aufgear-beitet gelten kann, sind die Namen der Opfer,der Ermordeten und zu Tode gekommenenpolitischen Karlsruher Aktivisten von 1933 bis1945 eher unbekannt. Deswegen wurden dieNamen an dieser Stelle verlesen:

Daneben kamen wegen religiöser Verfolgungmindestens 4 Menschen, Bibelforscher (Zeu-

gen Jehovas) ums Leben. Die Zahl und Namenweiterer Opfer, insbesondere Homosexuelleoder unter denen, die die Nationalsozialistenals „Asoziale“ verfolgten, sind sogar bis heutenicht bekannt.

(Ein Teilnehmer des Stadtrundgangs machtdarauf aufmerksam, dass seit den 1990er Jah-ren im Stadtteil Oberreut, weitere Straßen nachzu Tode gekommene SPD- und Gewerk-schaftsaktivisten benannt sind.)

Ritterstraße – Friedrichsplatz

• FriedrichsplatzAn der nordwestlichen Ecke steht das moderneGebäude der Stadtbibliothek, daneben daskatholische Stadtgemeindezentrum; auf diesemAreal befand sich bis zum Abbruch der kriegs-zerstörten Ruine das badische Landtagsge-bäude. Die Rotunde erinnert an noch an diealte Architektur. Die totale Macht errang derFaschismus in Deutschland über die Stufen derMachtübergabe an Reichskanzler A. Hitler am30.1.1933, Notstandsgesetze und das Ermäch-tigungsgesetz auf Reichsebene am 6.3.1933,sowie (freiwilliger und zwangsweiser) Gleich-schaltung. Dieses Muster wurde in den Kom-munen und Ländern des föderal verfasstenStaates wiederholt. Durch den in der als De-mokratie geltenden Weimarer Republik (die siede facto seit 1930 nicht mehr war) gelungenenPapenschlag, d.h. der Ausschaltung der legiti-mierten Regierung und unter „Reichskontrolle“gestelltes Föderalglied Preußen 1932 ohnejede Gegenwehr der „Demokraten“, hatten dieNazis unmittelbar1933 im größten FlächenstaatDeutschlands, mit zweidrittel der Landmasse,eine solide Basis. Ausgehend davon wurde dieGestapo organisiert. Das badische Ermächti-gungsgesetz erging am 9. Juni 1933 mit glei-chem Muster wie reichsweit. Allein die übrigge-bliebenen Sozialdemokraten stimmten dage-gen. Katholisches Zentrum und die bürgerli-chen Parteien stimmten mit den Faschisten.Die kommunistischen Abgeordneten warenlängst im KZ. Festzuhalten bleibt, dass die bür-gerlichen Eliten die repräsentative Demokratieganz schnell aufgaben, weil sie mit dem natio-nalistischen Programm des Faschismus einegroße gemeinsame Schnittmenge teilten. Wiewenig gesichert die Lehren aus der NS-Geschichte durch das geltende Grundgesetzist, zeigt, wie die Verfassung, wenn immer sieden herrschenden Eliten in diesem Land imWege ist, verändert oder umgedeutet wird:Notstandsgesetze, Aufhebung des Grundrechts

Mindestens27 Todesopferder KPD:Bogdanski, Paul

Bönig, Hermann

Brieskorn, Ludwig

Doll, Franz

Dosenbach, August

Düringer, Josef

Eckstein, Georg

Güthle, Anna

Horn, Emil

Huber, Franz

Keck, Walter

Knobloch, Theodor

Lohner, Louis

Lubinski, Dagobert

Metzger, Friedrich

Rabold, Eugen

Rothfritz, Fritz

Rupp, Heinrich

Sälzler, Alfred

Sälzler, Olly

Schafstadler, Erich

Schneider, David

Schuler, Adolf *

Seitz, Karl *

Verwing, Peter

Weiß, Leopold

Zeiß, Heinrich

* Nach 1945 an Haft-folgen gestorben.

Ludwig Marum

"Ich werde mir aber dieFreiheit nicht erbetteln,und ich will auch nicht,daß Ihr oder andere ummeine Freiheit bettelt.Meine Freiheit könnensie mir nehmen, abernicht meine Würdeund meinen Stolz."

Ludwig Marum an seine Frauam 27.4.1933 aus demKarlsruher Gefängnis

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auf Asyl, Kippen des grundgesetzlichen Ver-bots eines Angriffskrieges durch deutsche Be-teiligung an weltweiten Kampfeinsätzen.„Wehrhaft“ wurde und wird das Grundgesetznicht nur von Politikern a la Filbinger allein ge-gen links ausgelegt. Filbingers WeikersheimerStudienzentrum hat immer wieder die Aufhe-bung demokratischer Einflussmöglichkeitenangedacht, weil die konservativen und reaktio-nären Kräfte letztlich eine Furcht vor eventuelleinmal nicht beeinflussbarer Wähler haben. Sokommt es zu Denkmustern wie Familienwahl-recht, Ständestaat, überhaupt der Denkweise,dass Demokratie wegen einer nicht überbrück-baren Kluft zwischen Menge und Elite einmaleinzuschränken oder aufzuheben sei. Die Ver-schärfung sozialer Gegensätze angesichts desneoliberalen Umbaus dürfte das heute beste-hende noch stabile Parteiensystem sicherlichkurz- bis mittelfristig deutlich verändern. Zu-mindest staatsautoritäre Muster sind nicht un-wahrscheinlich.

• Friedrichsplatz Nr. 1Hier befand sich das jüdische Bankhaus Straus& Co, eines von fünf Bank-Häusern in derStadt. Es wurde 1938 „arisiert“ wie alle nochnicht zwangsweise verkauften/aufgelösten jüdi-schen Geschäfte. Verbunden damit war einegigantische Vermögensverschiebung und Be-reicherung von Staat und privaten Kapitalbesit-zern. „Arisierte“ Geschäfte warben mit derÜbernahme werbewirksam in den Anzeigen-teilen der Zeitungen. Als Beispiel sei auf dasKaufhaus Knopf hingewiesen, das an die „ari-schen“ Gebrüder Hölscher ging - heute Kar-stadt. Das war kein Einzelfall.

Erbprinzenstraße – Rondellplatz

• Karl-Friedrich-Straße 16Im Hof befand sich die Synagoge der orthodo-xen jüdischen Gemeinde mit Gemeinde-räumen. Diese wurde in der Reichspogrom-nacht am 9. November 1938 ebenso angezün-det wie überall in Deutschland, anschließendabgerissen. Das Grundstück konnte der VerlagG. Braun dann günstig erwerben. Seit 1988erinnert eine Gedenktafel an das Geschehen.Um diese Gedenktafel hatte es seinerzeit eineAuseinandersetzung gegeben, weil der Texteiner ersten Tafel eine bis dahin noch typischebundesdeutsche Gedenkkultur widerspiegelte,die allgemein von „Gewalt“ sprach (und dabei„rechte und linke Gewalt“ im bundesdeutschenKontext suggerierte), der den Opfern des Fa-

schismus nachträglich noch die Würde nahm,weil die Täter unbenannt blieben. Durch dieseöffentliche Auseinandersetzung wurde die Tafelgegen die heutige ausgetauscht, die den inso-weit korrekten Inhalt hat, dass die Synagogedurch nationalsozialistischen Terror zerstörtwurde.

Markgrafenstraße

• Markgrafenstraße / KreuzstraßeAm Sockel der Hans-Thoma-Schule weist eineunscheinbare weiße Ölfarbenaufschrift unspek-takulär auf das Ende des Nationalsozialismushin: die Kriegsniederlage, die für DeutschlandMillionen Opfer forderte und Besatzung brach-te; für die überfallenen Länder aber noch weitgrößere Verluste bedeutete (was aber dortnicht ablesbar ist). Als Überbleibsel der Besat-zungszeit, vermutlich noch aus 1945/56 steht:„This area is off limits to all american and alliedpersonal“, verbotene Zone für US-Soldaten, daRotlichtviertel.

Das moderne Haus an der gegenüberliegendensüdlichen Straßenkreuzung ist mit einem Ver-brechen aus jüngster Zeit verbunden, das nichthistorisch-nationalsozialistisch ist, aber vermut-lich auf einer geistigen Verwandtschaft beruht.Der Neubau steht an der Stelle, an der 1994ein altes, heruntergekommenes Haus stand,das 1994 in Brand gesteckt wurde.

Dabei kamen 6 Menschen nichtdeutscher Her-kunft ums Leben, aus der Türkei, von denPhilippinen, aus dem Libanon. Die Mörder wur-den bis heute nicht gestellt. Der Brandanschlagscheint sich einzureihen in eine Serie, in derdamals in organisierten Pogromen von Neofa-schisten im Bunde mit „ordentlichen Bürgern“ inder Bundesrepublik Deutschland Anfang der1990er Jahre Jagd auf MigrantInnen gemachtwurde mit der Wirkung, dass das aufgrund derErfahrungen des Faschismus im Grundgesetzverankerte Asylrecht angetastet wurde.

Trotz des Verdachts eines neofaschistischenHintergrundes ist dieser aber nie beweisbargewesen. Nachweisbar aber bleibt das takti-sche Zusammenspiel der verantwortlichen Po-litik mit Pogrombrandstiftern, Beispiel Rostock-Lichtenhagen 1992, als bei der Menschenjagdder damalige Bundesinnenminister Seiters perHubschrauber einschwebte, nicht um den Op-fern beizustehen, sondern die MigrantInnenselbst als Ursache für die Jagd auf sie darzu-stellen. Das Ergebnis war die de-facto-Abschaf-fung des Grundgesetzartikels 16, Asylrecht.

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Markgrafenstraße – Adlerstraße – Kaiserstraße– Kronenstraße

• Mahnmal an der ehemaligenjüdischen Synagoge

An dieser Stelle stand die 1875 von JosefDurm, Staatsbaurat, in historistisch-renai-ssancehaftem Stil errichtete Synagoge der libe-ralen jüdischen Gemeinde. Eine Gedenktafelerinnert seit den 60er Jahren daran, ergänzt1988. Die Gebäude rechts und links, die einstzur Gemeinde gehörten, stehen noch aus die-ser Zeit, ansonsten ist auch hier von der ur-sprünglichen Bausubstanz nichts mehr vorhan-den. Die Synagoge wurde in der Reichspo-gromnacht am 9. November 1938 niederge-brannt, nicht ganz, weil angesichts eines da-hinter befindlichen Benzinlagers schneller ge-löscht wurde. Dennoch musste die jüdischeGemeinde die Ruine auf eigene Kosten abrei-ßen lassen. Am 10. November 1938 wurdendie erwachsenen jüdischen Männer Karlsruhes,500 etwa, über das Polizeipräsidium am Markt-platz nach dem KZ Dachau deportiert, wo siefür drei bis zwölf Wochen blieben. Danach ver-suchten auch diejenigen Eingeschüchterten,die es bis dahin noch nicht versucht hatten, zuemigrieren. Über 3.100 Juden lebten in Karls-ruhe 1933, mindestens 1002 wurden durch dieNationalsozialisten ermordet. Die Reichspo-gromnacht war einerseits durch die NSDAP-Gliederungen minutiös organisiert, nicht ver-gessen werden aber sollte, dass die antijüdi-sche Hetze auch forciert wurde, weil ein realesAttentat eines über die Abschiebung seinerEltern durch NS-Deutschland nach Polen ver-zweifelten jungen Mannes in Paris an einemdeutschen Diplomaten stattgefunden hatte.Nicht vergessen, weil Aufhetze durch Desin-formation in der Vergangenheit durch Herr-schende üblich war und bis heute immer wiederbenutzt wird.

Vom Polizeipräsidium am Marktplatz, ursprüng-lich als Bezirksamt errichtet, in dem heute nochein Polizeirevier untergebracht ist, wurden nichtnur jüdische Menschen deportiert. Hier war dererste Sitz der Gestapo, die teilweise mit demPersonal der politischen Polizei aus der Wei-marer Zeit gegen links aufgebaut wurde. ImMai 1940, vor der Deportation der Juden, wur-den hier Sinti und Roma, so genannte „Zigeu-ner“ von hier aus auf den Hohenasperg/Zucht-haus und dann ins besetzte Polen verbracht,später kamen sie ebenfalls in die Vernich-tungslager.

An der Stelle der ehemaligen jüdischen Syn-agoge endete der Antifaschistische Stadtrund-gang mit dem Verlesen der gemeinsamenPresse-/Protesterklärung des Karlsruher Bünd-nisses gegen den Auftritt von Hans Filbinger inKarlsruhe.

Jürgen Schuhladen-Krämer

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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg e.V.Kreisvereinigung Karlsruhe

Nazi-Richter Filbingerin Karlsruhe unerwünscht!Für ein friedfertiges, antirassistisches Europafreier Menschen und souveräner Staaten -ohne Nazi-Richter und Berufs-Vertriebene!

Die VVN-Bund der Antifaschisten, der DeutscheGewerkschaftsbund und andere demokratische Or-ganisationen haben vom Kuratoriumsvorsitzendendes Hauses der Heimat, Günther Rüssel, die Ausla-dung des Nazi-Marinerichters Hans Filbinger ver-langt und Oberbürgermeister Heinz Fenrich aufge-fordert, seine Schirmherrschaft für die heutige Ver-anstaltung in der Schwarzwaldhalle zum "Tag derHeimat" niederzulegen.

Filbinger war an Todesurteilen gegen Deserteurebeteiligt und hat einen Deserteur sogar noch nachKriegsende verurteilt. Deswegen musste er vor 25Jahren als Ministerpräsident zurücktreten.

Bock zum Gärtner gemachtFilbinger soll auf Einladung des Bundes der Ver-triebenen und des Hauses der Heimat in derSchwarzwaldhalle über das Thema "Mit Men-schenrechten Europa vollenden" sprechen.

Eine schlimmere Kombination von Redner undThematik ist schwer vorstellbar. Filbinger, derMann mit der braunen Vergangenheit und dem pe-netrant guten Gewissen, als Hüter der Mensche n-rechte in Europa? Eine Zumutung für unsere Stadt.

OB beschirmt Nazi-RichterHerr Fenrich, CDU, erweckt den Eindruck desHilflosen. Der OB übernehme immer die Schirm-herrschaft beim "Tag der Heimat" und einen Ein-fluss auf die Auswahl des Redners habe er nichtgehabt. Herr Rüssel, CDU, stellt eilfertig einenPersilschein aus. Niemand sei durch Filbinger zuTode gekommen, er habe vielmehr "unter erhebli-

chen Risiken mehreren Soldaten das Leben geret-tet".

Warum ist er denn dann als Ministerpräsident zu-rückgetreten?

Hinrichtung seines Opfersselbst geleitet1978 wurde nach der Veröffentlichung einesHochhuth-Stücks über den "furchtbaren Juristen"unter anderem nachgewiesen, dass er die Hinric h-tung des von ihm wegen "Fahnenflucht" angeklag-ten Matrosen Gröger selbst geleitet hatte.

Filbinger hatte sich völlig unglaubwürdig gemacht,weil er jeweils immer nur soviel zugab, wie Fallum Fall ans Licht der Öffentlichkeit kam.

Nichts und Niemanden bereutEr verteidigte sich mit dem furchtbaren Satz: "Wasdamals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein."Es wird noch furchtbarer. Seit einiger Zeit basteltFilbinger daran, aus seiner willfährigen und feigenTäterrolle einen unentdeckten Widerstandskämpferzu machen, der Verbindungen zum Widerstands-kreis des 20. Juli hatte.

Welche Verhöhnung aller derjenigen, die sich ge-gen die braune Pest gestellt haben, Kommunistenund Sozialdemokraten, Künstler und Schriftsteller,Professoren und Studenten, Christen und Militärs,Adlige und Demokraten, Menschen unterschied-lichster Herkunft und Weltanschauung, die sichnicht anpassten, sondern gegen die Hitlerfaschistenzur Wehr setzten und Verfolgten halfen, so gut siekonnten.

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Nicht Sand, sondern Ölim Nazi-GetriebeFilbinger’s NS-Karriere:

1933 Mitglied des NS-Studentenbundes1934 SA-Mitglied1937 NSdAP-Mitglied1943 NS-Militärjustiz, Marinestabsrichter.

Wie sah der "Widerstandskämpfer" das Ende, dasfür die Täter die Kapitulation und für die Opfer dieBefreiung war? In seinem Urteil vom 1. Juni 1945(!!!) gegen einen Oberleutnant, de n er als Deserteurverurteilte, spricht er "vom Unheil für uns alle".

Ultrarechte Referenten imHaus der HeimatHerr Rüssel muss sich als Kuratoriumsvorsitzenderdes Hauses der Heimat nach seinen Motiven fragenlassen, wenn er die Einladung Filbinger's verte i-digt. Das Haus war bereits im Oktober letzten Jah-res wegen Überlassung von Räumlichkeiten an ul-trarechte Referenten bei den "Karlsruher Freitags-gesprächen" in die öffentliche Kritik geraten. Na-hezu alle umstrittenen Referenten waren auch Gä-ste des rechtskonservativen Studienzentrums Wei-kersheim, dessen Gründer der CDU-Ehrenvor-sitzende Filbinger ist.

Neurechte DenkfabrikWeikersheimFilbinger hatte das Zentrum 1979 "für die ge istig-moralische Erneuerung der BundesrepublikDeutschland" und "gegen die geistige Knochener-weichung der CDU" gegründet. Die neurechteDenkfabrik fungiert als Scharnier zwischen rechts-konservativen und offen neofaschistischen Kräften.Einige Funktionäre des Studienzentrums, CDU-Mitglieder, sind sogar dem Verfassungsschutz auf-gefallen. Der frühere Geschäftsführer AlbrechtJebens war gleichzeitig Funktionär der "Gesell-schaft für Freie Publizistik", einer rechtsextremisti-schen Kulturvereinigung. Der frühere PräsidentProf. Klaus Hornung publiziert in rechtsextremenVerlagen. Der Referent Prof. Hans-HelmuthKnütter trat bei einem Treffen gewaltbereiter Neo-nazis auf.

Hier schließt sich der Kreis. Soll mit der EinladungFilbingers nach Karlsruhe der Brückenschlag zw i-schen Konservativen, Vertriebenenverbänden,Rechtskonservativen, Ultrarechten und Ewiggestri-gen gefestigt werden?

Welches Europa?Filbinger wurde von Herrn Rüssel eingeladen, be-richtet die BNN, weil er überzeugter Europäer undfür das "neue, große Europa" ist. Welches Europawill der CDU-Politiker Filbinger?

Filbinger war Funktionär der Paneuropa-Union, dermehr als 80 rechte Organisationen angehören unddie eng mit dem Verein für das Deutschtum imAusland zusammen arbeitet. Die Paneuropa-Unionverfolgt eine völkische Europakonzeption, ein "Eu-ropa der Vaterländer unter deutscher Führung."

EU-Ost-Erweiterung undMinderheitenrechteDas Thema "Mit Menschenrechten Europa voll-enden" für die bundesweit veranstalteten Tage derHeimat wird vom Bund der Vertriebenen mit demZweck verbunden, die Länder der ehemaligen"Ostgebiete" bei den Beitrittsverhandlungen unterDruck zu setzen. Präsidentin Erika Steinbach for-derte am 9.12.2002 "Jeder Beitrittsstaat muss da-nach deutlich machen, dass er willens ist, als künf-tiges Mitglied der EU ..... Diskriminie rungen vonMinderheiten zu beseitigen ..." Roland Koch er-klärte zum Tag der Heimat am 06.09.2003 in Ber-lin, dass die "Veränderung der Europäischen Unionnicht dazu geeignet ist, das Unrecht der Vertrei-bung vergessen zu la ssen." Sie reden von der "Ver-treibung der Deutschen aus Ost-, Mittel- und Sü d-osteuropa" und dem "Schicksal von Deutschen ausRussland" und sagen nichts über den dafür ursäch-lichen faschistischen Aggressionskrieg.

Wie mit Minderheitenrechten die Einmischung indie inneren Angelegenheiten souveräner Staatenbetrieben wird, dafür ist gerade die deutsche Au-ßenpolitik bei unseren europäischen Nachbarn be-rüchtigt und gefürchtet. Damit muss Schluss sein.

Geschichte nicht verdrängen!• Es wird kein Vertreibungs-Mahnmal in Berlin

gebraucht, der Hauptstadt des Reiches, vondem Krieg und Faschismus ausgingen.

• Was gebraucht wird, ist der Schutz für Immi-granten und Flüchtlinge, ebenso wie von denNazis verfolgte Deutsche Schutz brauchtenund bekommen haben.

• Was werden sollte, ist ein friedfertiges, anti-rassistisches Europa freier Menschen undsouveräner Staaten.

V.i.S.d.P.: Silvia Schulze, Poststraße 8, 76137 Karlsruhe, 11.10.2003

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Dieser Text des Schriftstellers Rolf Hoch-huth erschien am 17. Februar 1978 in der"Zeit". (Der letzte Teil der Äußerung wurdeHochhuth später gerichtlich untersagt.) Erstand am Anfang einer ganzen Reihe vonEnthüllungen, die schließlich ein halbesJahr später - am 7. August 1978 - zumRücktritt Filbingers führten.

Mangelnde ManneszuchtDer Fall des 24-jährigen ObergefreitenKurt Petzold, der von MarinestabsrichterDr. Filbinger am 29. Mai 1945 (also nachKriegsende!) zu einem halben Jahr Ge-fängnis verurteilt worden war, weil er sichgeweigert hatte einen Befehl auszuführen,war schon fünf Jahre früher bekannt ge-worden. Petzold hatte sich in angetrunke-nem Zustand das Hakenkreuzemblem vonder Uniformjacke gerissen und "Ihr Nazi-hunde, ihr seid schuld an diesem Krieg"ausgerufen. Damit habe er "ein hohesMaß von Gesinnungsverfall" gezeigt und"zersetzend und aufwiegelnd für die Man-neszucht gewirkt..." begründete Marine-stabsrichter Filbinger seinen Urteilsspruch.Kurt Petzold erinnerte sich laut Spiegel-Bericht (17/1972) noch daran, daß Filbin-ger vor der Verhandlung "unseren gelieb-ten Führer" gerühmt habe, der "das Va-terland wieder hochgebracht hat". Gegendiese Aussage setzte Filbinger eine Un-terlassungsklage durch.Filbinger bezeichnete das Urteil gegenPetzold später als "ausgesprochen mild",denn eigentlich hätte der Delinquent zumTode oder zumindest zu einer langjährigen

Gefängnisstafe verurteilt werden müssen.Der "Stern" berichtete über den Fall einesOberleutnants, der von MarinestabsrichterFilbinger noch am 1. Juni 1945 - also mehrals drei Wochen nach Kriegsende - wegenEntfernens von der Truppe zu 13 MonateGefängnis verurteilt worden war. Der Ver-urteilung folgte die Degradierung zum Ma-trosen. Filbinger begründete die härtereBestrafung des Oberleutnants damit, daßder sich nicht von der Truppe entfernt ha-be, um der Gefangenschaft zu entgehen:"Den Angeklagten haben viel weniger eh-renhafte Motive getrieben. Er sah voraus,daß nun das Unheil für uns alle unab-wendbar geworden sei, und versuchte, fürseine Person möglichst günstig wegzu-kommen."

Befreiung - "ein Unheil"?Für Filbinger, der bis heute von sich be-hauptet, von Anfang an ein Gegner Hitlersgewesen zu sein, war also das von Millio-nen Menschen herbeigesehnte Ende desKrieges ein "Unheil für uns alle". Filbingerselbst räumte in einem Schreiben vom 19.Juli 1945 an einen Vorgesetzten ein, seineUrteile nach "nationalsozialistischenGrundsätzen" zu fällen. In dem Schreibenheißt es: "Unter den Häftlingen geht einGerücht, die (alliierte Untersuchungs)-Kommission habe zugesagt, daß das jet-zige Gericht (unter Filbinger) durch einanderes ersetzt werde, das nicht nach 'na-tionalsozilistischen Grundsätzen' richte."

"Ist doch der amtierende Ministerpräsident dieses Landes, Dr. Filbinger, selbst alsHitlers Marinerichter, der sogar noch in britischer Gefangenschaft nach Hitlers Todeinen deutschen Matrosen mit Nazigesetzen verfolgt hat, ein so 'furchtbarer Jurist'gewesen, daß man vermuten muß - denn die Marinerichter waren schlauer als dievon Heer und Luftwaffe, sie vernichteten bei Kriegsende die Akten - er ist auf frei-em Fuß nur dank des Schweigens derer, die ihn kannten."

Hans Filbinger - mit 90 nichts dazu gelernt:

Ein furchtbarer Jurist -ein schrecklicher Ministerpräsident -eine geistig-moralische Katastrophe!

Protest gegen den Filbinger-Auftritt beim"Tag der Heimat" in Karlsruhe:

Antifaschistischer Stadtrundgangam 11. Oktober 2003 durch die Innenstadt

Treffpunkt 13:30 Uhr, Ettl.Str. / H.-Billing-Str.Zufahrt Dorint-Hotel

Sein Opfer: Walter Gröger,am 16. März 1945 hingerich-tet

Der Richter: "hohes Maßvon Gesinnungsverfall"

VVN - BdABaden-Württemberg

Vereinigung der Verfolgtendes Naziregimes -Bund der Antifaschistin-nen und Antifaschisten

Böblinger Str. 195, 70199 Stgt.(visdP D. Lachenmayer)

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Vier Todesurteile und ein"penetrant gutes Gewissen"Das Fernsehmagazin "Panorama" legteDokumente vor, nach denen Filbinger am9. April 1945 einen Matrosen wegen Fah-nenflucht im Felde und am 17. April einenweiteren wegen Fahnenflucht und Wehr-kraftzersetzung zum Tode verurteilt hatte.Da die Urteile in Abwesenheit erfolgt wa-ren, bezeichnete Filbinger sie als "reinePhantomurteile", die allein "der Abschrek-kung" gedient hätten. Filbinger, der biszuletzt behauptet hatte, kein einziges To-desurteil gefällt zu haben, mußte schließ-lich unter dem Druck der vorgelegten Be-weise und um bereits angekündigten ent-sprechenden Berichten in "Zeit" und"Spiegel" zuvorzukommen, einräumen,daß er am 16. Januar 1945 als Vertreterder Anklage die Todesstrafe für den 22-jährigen Matrosen Walter Gröger geforderthatte. Gröger waren Desertationsabsich-ten zur Last gelegt worden. Am 16. März1945, nur wenige Wochen vor der Befrei-ung, wurde die von Filbinger geforderteTodesstrafe an Walter Gröger vollstreckt.Filbinger hatte als Anklagevertreter selbstan der Erschießung teilgenommen. Dasvon ihm unterzeichnete Exekutionsproto-koll vermerkt: "Das Kommando Feuer er-folgte um 16.02 Uhr. Der Verurteilte starbum 16.04 Uhr. Die Leiche wurde durchdas Wachpersonal gesargt und zumZwecke der Bestattung abtransportiert."Daran habe er sich aber nicht mehr erin-nern können, beteuerte Filbinger. Bereitskurz nach Kriegsende habe er keine Erin-nerung mehr an diese Todesurteile ge-habt. Es sei schließlich eine "turbulenteZeit" damals gewesen.SPD-Oppositionsführer Erhard Eppler be-scheinigte Filbinger darauf ein "penetrantgutes Gewissen."Am 3. August 1978 gab das StuttgarterStaatsministerium ein "überraschend" be-kannt gewordenes viertes Todesurteil un-ter Filbingers Beteiligung bekannt, dasaber nachträglich in eine Freiheitsstrafeumgewandelt worden sei.

"Was gestern rechtens war,kann heute kein Unrechtsein!"Die VVN-Bund der Antifaschisten fordertedamals gemeinsam mit vielen anderenDemokraten den Rücktritt Filbingers. Tau-sende Baden-Württemberger setzten ihreUnterschrift unter die von der VVN-BdAinitiierte Unterschriftensammlung: "Filbin-ger muß zurücktreten". In zahlreichen Ak-tionen wurde dieser Forderung Nachdruckverliehen. Am 7. August 1978 war es end-

lich so weit: Der "furchtbare Jurist", derschließlich auch für seine Parteifreundeuntragbar geworden war, mußte als Mini-sterpräsdident zurücktreten.Der heute 90-jährige, der noch im Mai1978 von sich behauptet hatte, währenddes ganzen dritten Reiches seine "antina-zistische Gesinnung" nicht nur in sich ge-tragen, sondern auch sichtbar gelebt zuhaben" ist keineswegs der einzige undauch sicher nicht der furchtbarste NS-Jurist, der in Bundesrepublik Karriere ma-chen bzw. die unter Hitler begonnene Kar-riere fortsetzen konnte. In den Urteilen derrund 1000 NS-Kriegsgerichte stand mehrals 46.000 Mal: Verurteilt zum Tode we-gen "Zersetzung der Wehrkraft", "Fahnen-flucht" oder "Befehlsverweigerung". Über20.000 Urteile wurden vollstreckt, tausen-de Verurteilter kamen in den berüchtigen"Bewährungskompanien" um. Dennochragt Hans Filbinger allein schon durch sei-ne Stellung als Ministerpräsident Baden-Württembergs aus der langen Reihe willi-ger Erfüllungsgehilfen eines verbrecheri-schen Systems, die sich niemals für ihreTaten verantworten mußten und denenjegliches Unrechtsgefühl fehlt heraus. Biszum heutigen Tag fühlt sich Filbinger alszu Unrecht verfolgt. "Was gestern Rech-tens war, kann heute nicht Unrecht sein".Dieses Bekenntnis Hans Filbingers könnteals Motto über seinem gesamten politi-schen Handeln stehen.

"Widerstand" - in braunerUniform?Der am 15. September 1913 in Mannheimgeborene Hans Filbinger beansprucht fürsich bis zum heutigen Tag, dem Freibur-ger Freundeskreis um Reinhold Schneiderangehört zu haben, der Kontakte zu ver-schiedenen Widerstandsgruppen unter-halten hat. "Ich habe aus dieser Gesin-nung, die diesen Kreis beseelte, gehan-delt, unter Inkaufnahme der damit verbun-denen Risiken" wurde Filbinger nicht müdezu betonen. Sein offizieller Lebenslauf(www.hans-filbinger.de/hf-start.htm) ver-merkt über den "Widerständler" Filbinger:"Von den Verschwörern des 20. Juli 1944war Filbinger für eine Verwendung vorge-sehen. Diese Tatsache ist der Gestapoverborgen geblieben". Überlebende desFreiburger Freundeskreises konnten sichallerdings nicht daran erinnern, den Na-men Filbinger jemals im Zusammenhangmit ihrer Gruppe gehört zu haben. Dafürerinnert sich ein ehemaliger KommilitoneFilbingers sehr gut daran, daß Filbingerbereits als Student eine ganz andere Ge-sinnung gut sichtbar vor sich hergetragenhat. In einem an Filbinger gerichteten Of-fenen Brief schrieb der Freiburger Lehrer

"Ich kann nur hoffen, daß esdie Unwahrheit ist, als er dem

Spiegel gegenüber erklärte, erkönnen sich an diesen Fall

nicht erinnern. Denn, wenn esdie Wahrheit wäre, dass Fil-

binger das einzige Todesurteil,an dem er nach eigenen Anga-ben mitgewirkt hat und dessen

Vollstreckung er anzuordnenund zu überwachen hatte,

wenn es die Wahrheit wäre,dass ihm dieser Fall entfallenwäre, so wäre das schlimmerals eine Lüge. ..." (Erhard Epp-

ler am 8.5.1978)

"Ja, was damals unter der fa-schistischen Gewaltherrschaft

Rechtens war, kann heutenicht unrecht sein. Welche

barbarische Gesinnung sprichtaus dieser Feststellung. Es ist

eine Verhöhnung der wirkli-chen Widerstandskämpfer undjener Millionen, die ihrer Rassewegen in die Gaskammern ge-trieben und unter den Schüs-sen des Exekutionskomman-

dos elendiglich zugrunde gin-gen..." Willi Bleicher, ehemaligerBuchenwaldhäftling und langjäh-

riger Bezirksleiter der IG MetallBaden-Württemberg in einem

Offenen Brief zum Filbinger-Skandal.

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Dr. Helmut Bitzer, selbst CDU-Mitglied:"Sie behaupten, schon als Student wegenIhrer regimefeindlichen Haltung Schwie-rigkeiten bekommen zu haben. Ich hinge-gen sehe Sie noch heute vor mir, wie Siedamals in den Jahren 1935 - 37 in braunerUniform als Mitglied des Freiburger SA-Studentensturms auftraten..." (Aus einemOffenen Brief von Dr. Helmut Bitzer vom30.5.1978 (Stern Juni 1978).

"Landesvater" - mit Hilfe der NPD"Erst der Nationalsozialismus schuf diegeistigen Voraussetzungen für einen wirk -samen Neubau des deutschen Rechts. ...Das neue Strafrecht (wird) eine radikaleÄnderung des bisher Geltenden bewir-ken...Schädlinge am Volksganzen, derenoffenkundiger verbrecherischer Hang im-mer wieder strafbare Handlungen hervor-rufen wird, werden unschädlich gemachtwerden. ...", schrieb Hans Filbinger 1935im Organ der katholischen Jugendbewe-gung "Neudeutschland"Die Gelegenheit, weiträumig "Schädlingeam Volksganzen" zu bekämpfen, erhieltder "Widerständler" Filbinger bereits ab1960 als baden-württembergischer In-nenminister unter Ministerpräsident KurtGeorg Kiesinger. Zunächst in eine GroßenKoalition mit der SPD eingebunden, er-reichte die Filbinger-CDU bei der Land-tagswahl 1972, - Wahlkampfmotto: "Frei-heit statt Sozialismus" - mit Hilfe der NPDeine absolute Mehrheit von 52,9%. DieNPD, von 1969 bis 1972 mit 9% im Land-tag vertreten, hatte ihre Kandidatur zu-rückgezogen und zur Wahl der CDU auf-gerufen - wo sie ihr Anliegen offenbar gutaufgehoben sah. Schließlich hatte esschon zuvor häufige Abstimmungskoalitio-nen zwischen CDU und NPD im baden-württembergischen Landtag gegeben. Inden sechs Jahren seiner Alleinregierungsteuerte der Ex-Marinerichter, der seinImage als "Landesvater" aufbaute undpflegte, umgeben von einer Ministerriegebewährter ehemaliger NS-Kader, Baden-Württemberg auf hartem Rechtsaußen-kurs. Beim Gesinnungsschnüffeln und derrigiden Anwendung von Berufs- und Aus-bildungsverboten, ließ sich Filbinger auchvon seinem bayerischen AmtskollegenStrauß nicht übertreffen. So hatte der ba-den-württembergische Innenminister KarlSchieß 1973 die "karteimäßige" Überprü-fung sämtlicher Bewerber für den öffentli-chen Dienst verfügt - rund 10 000 politi-sche Überprüfungen pro Jahr. Für einAusbildungsverbot reichte die Teilnahmean Demonstrationen oder an Veranstal-tungen linker Gruppe bzw. eine Reise indie DDR. Allein zwischen 1973 und 1976

wurden mehr als 70 000 Bürgerinnen undBürger Baden-Württembergs "überprüft".Über unbequeme Journalisten wurdenDossiers angefertigt. Reakteure der imFilbinger-Wahlkreis erscheinenden bür-gerlich-liberalen "Badischen Zeitung" wur-den "einbestellt" und "ermahnt" künftig po-sitiver über die CDU zu berichten, dennschließlich müsse sich das Wahlergebnisauch in der Berichterstattung widerspie-geln: "Daß hier mehr als 60 Prozent dieCDU gewählt haben, muß doch in IhrerZeitung irgendwie zu spüren sein."

McCarthy vom NesenbachWährend die Filbinger-Regierung zurHetzjagd gegen alles linksverdächtigeblies, hielt sie ihre schützende Hand überNPD-Funktionäre. So konnte der frühereNPD-Landtagsabgeordnete Kossiek unge-niert an der Fachhochschule Nürtingen un-terrichten, blieb der NPD-Funktionär undHolocaust-Leugner Günter Deckert Lehrerund der frühere NPD-LandesvorsitzendeJürgen Schützinger Polizeibeamter.Vehement bekämpfte Filbinger die Ent-spannungspolitik der Sozialliberalen Bun-desregierung und baute freundschaftlicheKontakte zu geistesverwandten Regimen,wie Franco-Spanien, Salazar-Portugal,Südafrika und Chile auf. Während imMcCharthy-Stil Demokraten beschnüffeltund diszipliniert wurden, schrieben Filbin-gers Kultusminister Hahn und sein Innen-minister Karl Schieß ("Hakenkreuzkarle"nannte ihn der Länderspiegel) ungeniertBeiträge für das deutschsprachige italieni-sche Neofaschistenblatt "Oltre Confine".1973 verfügte Schieß anläßlich des Me-taller-Streiks 1973 per Erlaß die Ermittlungsogenannter Rädelsführer bei sogenann-ten wilden Streiks. Bei Betriebsbesichti-gungen galt Filbingers bevorzugtes Inter-esse der Frage, ob's im besuchten Betriebdenn "Rote Zellen" gäbe.

Auf TerroristenjagdAuf dem Höhepunkt der Terroristenhyste-rie im Sommer 1977 erklärte FilbingerSchulen, Hochschulen, Gewerkschaftenzu Brutstätten des Terrorismus und ver-leumdete Professoren, Schriftsteller,Theologen, Journalisten als "Handlangerund geistige Wegbereiter des Terrors".Gewählte Studentenvertretungen wurdenmittels eines neuen Landeshochschulge-setzes aufgelöst und studentische Gelderbeschlagnahmt. Wohl um politischem Ra-dikalismus und Terrorismus vorzubeugen,der wohl unweigerlich mit einem "zuviel"an Bildung verbunden ist, bemühte sichdie Regierung Filbinger, die Abiturenten-zahlen von ca. 20 Prozent eines Alters-jahrsgangs auf 18,5 Prozent zu senken.

... Es muß Schluß sein mit derverzerrten Darstellung unsererGesellschaft und den ver-leumderischen Angriffen aufunseren Staat. Es muß ein En-de haben mit der Nachsichtgegenüber den Befürworternvon Gewalt. Und es darf nichtsein, daß alle sittlichenGrundwerte, auf denen unserZusammenleben als Gemein-schaft beruht, pausenlos inFrage gestellt werden..." An-zeige der Landesregierung Stutt-garter Zeitung vom 2.12.1977

"...mit Erstaunen habe ich ge-lesen ..., daß Sie die 'kritischeTheorie' der FrankfurterSchule mit der Zunahme terro-ristischer Gewaltakte in einenursächlichen Zusammenhanggebracht haben. Da sie mitdieser Äußerung unter ande-ren auch mich, einen Hoch-schullehrer ihres Landes, zueinem geistigen Wegbereiterndes Terrorismus erklärt haben,halte ich es für meine Pflicht,Ihre Äußerungen nicht unwi-dersprochen hinzunehmenund gegen die in ihnen enthal-tene politische Verdächtigungzu protestieren." Aus einemBrief von Professor Wellmer anFilbinger, Frankfurter Rundschauv. 2.11.77)

"Die Dinge würden auf denKopf gestellt, wenn es nichterlaubt sein dürfte, nach dem -wie ich glaube - maßgebendenAnteil zu fragen, den die kriti-sche Theorie an der Entste-hung einer Mentalität und ander Entwicklung von Prädis-positionen hatte, durch dieEntwicklungen gefördert wur-den, die sich heute in der Formdes organisierten Terrors fürdie Gesellschaft wahrnehmbarmachen." (Filbinger an Prof.Weller 26.11.1977)

"Es geht darum, dieFreiheit gegen den

Sozialismuszu verteidigen"

Hans Filbinger

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Angeblich "tief besorgt" über die "leichtfer-tige Bedrohung der Sicherheitsinteressenunserer Bürger durch chilenische Extremi-sten und Bombenleger" verweigerte Fil-binger dem Chilenen Ramon San MartinCarrasco die Einreise nach Baden-Württemberg. Der Pinochetgegner, des-sen Haftstrafe nach einer generellen Vi-sumzusage der Bundesregierung in sofor-tige Ausweisung umgewandelt wordenwar, mußte deshalb noch weitere 7 Mo-nate auf die Ausreisegenehmigung im so-genannten Durchgangsgefängnis in Sant-iago verbringen.Umweltschützer, die sich gegen den Baudes Kernkraftwerks Wyhl (Filbinger:"Wenn Wyhl nicht gebaut wird, gehen1980 die Lichter aus") wehrten, wurdenvon Landesvater Filbinger als "Pöbel" und"Pack" beschimpft und mit massivsten Po-lizeieinsätzen bekämpft.

Stramm am rechten RandDie CDU ernannte Filbinger 1979, nachseinem erzwungenen Rücktritt, der so darfwohl vermutet werden, auch deshalb er-folgen mußte, um weiteren Enthüllungenvorzubeugen, zu ihrem Ehrenvorsitzen-den. Filbinger weiß ganz genau, wer fürdas Ende seiner Karriere verantwortlichist: Selbstverständlich die Stasi, die "ihreDesinformation an geneigte Medien in Ostund West lanciert" hat. Jetzt gibt's zwarkeine Stasi mehr, aber "geneigte Medien"allemal. Deshalb kämpft Filbinger weiter:"Für die geistig-moralische Erneuerungder Bundesrepublik Deutschland" und"gegen die geistige Knochenerweichungder CDU" gründete er 1979 "zusammenmit Freunden" das Studienzentrum Wei-kersheim. Die rechte Denkfabrik fungiertals Scharnier zwischen rechtskonservati-ven und offen neofaschistischen Kräften.Finanziert wird sie aus Spenden (aus derIndustrie) und (reichlich fließenden) staat-lichen Fördermitteln. 1993 wurde die ge-meinnützige Filbinger-Stiftung ins Lebengerufen, als deren einziger Stiftungszweckdie Förderung die Studienzentrums Wei-kersheim genannt wird. Funktionsträgerdes Studienzentrums sind Männer, derenAktivitäten sogar dem Verfassungsschutzaufgefallen sind. So wirkt als Geschäfts -führer des Studienzentrums das CDU-Mitglied Albrecht Jebens, der gleichzeitigFunktionsträger der "Gesellschaft für FreiePublizistik" ist, die wiederum in Verfas-sungsschutzberichten als "bedeutenderechtsextremistische Kulturvereinigung"erwähnt wird. Jebens ist jedoch nicht dieeinzige Verbindung der Weikersheimer insoffen rechtsextremistische Lager. Prof.Klaus Hornung, Präsident des Studien-zentrums, publiziert z.B. gerne im Grabert-Verlag, dessen Schwerpunkt laut Verfas-

sungsschutzbericht "Revisionistische Bü-cher und Publikationen" sind. Als Refe-renten gerne gesehen ist in Weikersheimz.B. auch CDU-Mitglied Prof. Hans-Helmuth Knütter. Er tritt als Referent beiNazitreffen auf.Filbinger selbst pflegt weitere Mitglied-schaften. So z.B. im "Ritterorden vom Hei-ligen Grab zu Jerusalem", das laut Sat-zung als Verteidiger der Rechte der katho-lischen Kirche im Heiligen Land wirkt undsomit die Katholische Kirche in Israel ver-tritt, wozu auch die Pflege von allerlei anti-semitische Ressentiments gehören. Esexistieren Verbindungen und Doppeltmit-gliedschaften zum berüchtigten Opus Dei-Orden, der auch als "katholische Mafia"bezeichnet wird. Ferner war FilbingerFunktionär der Paneuropa-Union, dermehr als 80 rechte Organisationen alskorporative Mitglieder angehören. Eng zu-sammen arbeitet die Paneuropa-Union mitder Verein für das Deutschtum im Aus-land, deutsch-südafrikanische Stiftungetc.) Die Paneuropa-Union verfolgt einePolitik des "Europas der Vaterländer unterdeutscher Führung."Durchaus freundschaftlich verbunden istFilbinger auch der rechten Psychosekte"Verein zur Förderung der psychologi-schen Menschenerkenntnis" (VPM), überdie Kontakte zur rechtsradikalen Moon-Sekte bestehen.

Einsicht wird nicht gewährtDie Schilderung der braunen Flecke aufder Weste des heutigen Jubilars und Eh-renvorsitzenden der baden-württembergi-schen CDU ist damit aber möglicherweisenoch nicht ganz am Ende: Bereits 1978recherchierte der "Spiegel" 41 Filbinger-Akten, vorwiegend Urteile aus der Zeitseiner Tätigkeit als Marinerichter, im Bun-desarchiv. Sie stehen unter dem Vorbehaltdes Datenschutzes bis 30 Jahre nach demTod der Betroffenen. Eine Bitte, diese Ak-ten schon vorher der Öffentlichkeit zu-gänglich zu machen ,beschied Hans Fil-binger lapidar: "Einsicht wird nicht ge-währt."

Kleine Schmankerl amRande:

Wert und teuer blieb Filbingerdem Land Baden-Württembergauch nach dem Rücktritt: Zum

65. Geburtstag beehrte sichdie Landesregierung Filbinger

auf einstimmigen Beschluß8000 DM aus dem "Vergnü-

gungsfonds" zum Geschenkzu machen. Als Dank für "her-

vorragende Verdienste wäh-rend seines zwölfjährigen Ei n-satzes als Ministerpräsident."

Als den "Verdiensten" desZwangsruheständlers ange-

messen dürfte wohl auch die440 Quadratmeter große Re-gierungsvilla "Solitude" gel-ten, die Filbinger noch Jahre

nach einem erzwungen Rück-tritt für einen Mietpreis von

2250 Mark überlassen wurde -inclusive Putzkostenpauschale

zwischen 3000 und 5000 DMim Jahr....

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http://www.karlsruhe.de/Gemeinderat/Gruene-Fraktion/aktuell/presse/031011pr.htm

11.10.2003

PRESSEMITTEILUNG

Stadtrat Harry Block:

Der ehemaligen Nazi-Marinerichter Dr. Hans Filbinger zu:„Mit Menschenrechten Europa vollenden“

Wieso übernimmt der OB unserer Stadt, Herr Fenrich, für diese Veranstaltungdie Schirmherrschaft?

Ausgerechnet der ehemalige Nazi-Marinerichter Dr. Hans Filbinger sprach in derSchwarzwaldhalle (Tag der Heimat) zum Thema Menschenrechte in Europa.Der Zynismus und Widersprüchlichkeit seines Auftretens wird besonders dadurchdeutlich, dass er die von ihm am Samstag angeprangerte „menschenverachtendePolitik des Nationalsozialismus“ als Marinerichter aktiv unterstützte. 16 Tage nachKriegsende, am 24. Mai 1945, verurteilte er einen 24jährigen Obergefreiten zu einemhalben Jahr Gefängnis. Später bezeichnete Filbinger das Urteil als „ausgesprochenmild“, denn eigentlich hätte der Delinquent zum Tode oder zumindest zu einerlangjährigen Gefängnisstrafe verurteilt werden müssen. Zwischen Januar und Mai1945 hatte Filbinger nachweislich an Todesurteilen von vier Soldaten mitgewirkt.Und genau dieser Mann fordert nun vor den Heimatvertriebenen für alleEuropäerinnen und Europäer „die unbedingte Achtung des menschlichen Lebens“.Und eben dieser Mann, mit seiner Vergangenheit, bemängelt an der vorgelegtenEuropa-Verfassung den „Bezug zu unserem Herrgott“. Wo war dieser Bezug bei denTodesurteilen?

Bemerkenswert waren noch Filbingers Ausführungen über Millionen unsererMitbürgerinnen – den Türkinnen und Türken. Er spricht der Türkei die Möglichkeit derMitgliedschaft in der EU ab, weil „der Islam … gegenüber dem Christentum nichttolerant“ sei und „die Türken keine Europäer“ seien …

Als Besucher der Veranstaltung, in der Herr Stadtrat Rüssel zur Völkerverständigungund Toleranz aufrief, fragt man sich am Ende: Warum durfte/musste der seinerVergangenheit gegenüber uneinsichtige Herr Dr. Filbinger, der wegen dieserVergangenheit zurücktreten musste, zu diesem hochsensiblen Thema in dieHauptstadt des Rechts unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters reden?

P.S.: Es war für mich als Gemeinderat verwunderlich, dass man eine kostenloseöffentliche Veranstaltung nur mit Security- und Polizeikontrolle betreten durfte, beider auch noch die Echtheit meines Gemeinderatsausweises angezweifelt wurde.

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Badische Neueste Nachrichten Nr. 236, Montag, 13. Oktober 2003, Seite 9

Filbinger: „Türken sind keine Europäer“Festrede zum Tag der Heimat / Demo in der Innenstadt / Rüssel: „Lasse mich nicht erpressen“

Von unserem RedaktionsmitgliedMeike Engel

„Wie armselig ist es, unbelehrbar zu sein.“Diesen Satz richtete Altministerpräsident HansFilbinger an die Adresse seiner politischen Geg-ner und zwar am Samstag im GehörlosenzentrumDaxlanden, wo er zum Ehrenmitglied ernanntwurde (siehe Seite 11). Dann brach er in RichtungSchwarzwaldhalle auf. Das Haus der Heimat undder Bund der Vertriebenen hatten den Altmini-sterpräsidenten als Festredner beim Tag der Heimatgewonnen.

Wer unbelehrbar ist, darüber gingen die Mei-nungen allerdings auseinander. In der Halle trugman farbenfrohe Trachten, vor der Halle farben-frohe Frisuren: Dort stand ein Häuflein Demon-stranten mit dem Plakat „Den deutschen Täternkein Vergeben, kein Vergessen". Gegen den Auf-tritt von Hans Filbinger protestierten auch rund50 Menschen bei einem „antifaschistischen Spa-ziergang“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds(DGB), der SPD und der Grünen. Die Gruppie-rungen hatten sich bereits vor einigen Tagen ve-hement gegen den Besuch Filbingers ausgespro-chen. Schwere Vorwürfe erhebt auch Grünen-Stadtrat Harry Block: „Im Jahr 1945 hat Filbingernachweislich an Todesurteilen von vier Sol-daten mitgewirkt“, schreibt er in einer Presse-mitteilung. Block hatte einige Schwierigkeiten,in die von zahlreichen Polizeibeamten und Secu-rity-Mitarbeitern abgesicherte Halle hi-neinzukommen, „und dann wurde auch noch dieEchtheit meines Gemeinderatsausweises ange-zweifelt“, empörte er sich.

„Der DGB soll erst mal seine Hausaufgabenmachen, und das sind fünf Millionen Arbeitslose“,wetterte der Kuratoriumsvorsitzende des Hausesder Heimat, Günther Rüssel, lautstark in seinerRede. Die Veranstaltung absagen? Das kam für

den CDU-Stadrat nicht in Frage: „Ein Rüssellässt sich nicht erpressen.“ Und der KarlsruherVorsitzende des Bundes der Vertriebenen, ErhardHlouschek, nahm Filbinger in Schutz: „Sovielich weiß, gibt es keinen konkreten Fall, bei demjemand durch Filbinger zu Tode gekommen ist“,sagte er. „Das hier ist das Harmloseste, was es gibt.Die Leute wollen eine kulturelle Veranstaltung.“

Und so blies die Schwaben-Blaskapelle Ra-statt den „Alte Kameraden-Marsch", zeigtenKinder einige Volkstänze und sangen die rund1 000 Zuschauer gemeinsam das Badnerlied,bevor Festredner Filbinger das Podium betrat. Inseiner Rede zum Thema „Mit MenschenrechtenEuropa vollenden“ hob Filbinger die Verdiensteder Heimatvertriebenen hervor. Sie hätten zuerstgesagt, dass Europa friedvoll werden müsse undhätten keine Rache oder Vergeltungsgedankengehabt. Freiheit und Frieden könnten in Europanur verwirklicht werden, wenn der „Bezug zuunserem Hergott“ in die europäische Verfassungmit hineingenommen würde. Er sprach sich fürdas geplante Vertriebenen-Mahnmal in Berlin aus.„Die Vertriebenen sind über den Verdacht er-haben, Nationalismus zu betreiben", sagte er.

Filbinger wehrte sich gegen den Wunsch derTürkei, der EU beizutreten. „Die Türken sindkeine Europäer und der Islam ist gegenüber demChristentum nicht tolerant", warnte er. „Wenn wirüber Glauben nicht nur reden, sondern ihn auchbekennen, dann können wir uns gegen islamistischeund asiatische Kulturen behaupten.“ Ob StadtratHarry Block mit einstimmte, als nach FilbingersVortrag alle die Nationalhymne sangen, geht ausseiner Pressemitteilung nicht hervor. Er fragt sichnur: „Warum musste der seiner Vergangenheit ge-genüber uneinsichtige Herr Dr. Filbinger zu die-sem hoch sensiblen Thema reden?“

Page 31: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

Leserzuschriften zumThema Filbinger

Die Seite „Meinung der Leser" ist Zuschriften vorbehalten, die sichauf lokale Karlsruher Themen beziehen. Deshalb können wir nurLeserbriefe veröffentlichen, die sich auf die Karlsruher Aspekte des„Tags der Heimat" mit Hans Filbinger beziehen. Lediglich kurzeHinweise auf die Gründe, die zum Rücktritt Filbingers als Minister-präsident geführt haben, sind als argumentative Untermauerung mög-lich. Die Redaktion behält sich wie grundsätzlichimmer, das Rechtvor, Leserbriefe zu kürzen.

Wir bitten um Verständnis dafür, dass es den Rahmen dieser lokalenLeserbriefseite sprengen würde, wenn an dieser Stelle eine umfassen-de Diskussion über Filbingers Rolle als ehemaliger NS-Marinerichtererfolgte. Im übrigen wurde darüber in den BNN mehrfach und aus-führlich, zuletzt anlässlich des erst vor kurzem gefeierten 90. Ge-burtstags des ehemaligen Ministerpräsidenten, berichtet.

Die Redaktion

Die Fehler nicht beianderen suchen

Wenn man mit den eigenen Problemen nicht fertig wird,sucht man nach Fehlern bei anderen. Da erklärt sich ProfessorDr. Hans Filbinger bereit, beim Tag der Heimat die Festredezu halten. Der Tag der Heimat ist, wie schon der Name sagt,ein Gedenktag an unsere Heimat in den ehemaligen deutschenOstgebieten und keine politische Veranstaltung. Jeder Menschauf der ganzen Welt hat eine Heimat, und wohl dem, der siebehalten darf.

Nun hat die Einladung an Herrn Dr. Filbinger die SPD, dieGrünen und zuletzt auch noch den DGB auf den Plan gerufen.Das ist mir sehr unverständlich. Herrn Professor Dr. Filbingerwird seine noch nicht bewiesene Haltung zu Kriegsende ange-kreidet.

Als wir Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach Kriegsen-de in die zerbombten deutschen Städte kamen, da haben wirnicht gejammert oder Ansprüche gestellt, sondern in die Hän-de gespuckt und mit der einheimischen Bevölkerung alleswieder aufgebaut. Es war zwar nicht immer einfach, aber wirhaben uns angepasst.

Die Sudetendeutschen, Pommern, Schlesier und Ostpreußenhaben in 58 Jahren nicht einmal demonstriert oder randaliertum Anerkennung oder Forderungen durchzusetzen. Mit fleißi-ger, rechtschaffener Arbeit haben wir mitgeholfen, dassDeutschland zu Ansehen und Wohlstand gekommen ist.

Das sollten sich unsere Jungpolitiker und Weltverbessererhinter die Ohren schreiben. Danke, Herr Oberbürgermeisterund Herr Rüssel, dass Sie nicht erpressbar sind.

Verena SchulzForchheimer Straße 5

Wir bitten die Einsender von Leserbriefen ihre Telefonnummer anzuge-ben. Es stellt sich immer wieder heraus, dass Rückfragen erforderlichwerden, die mit einem Telefonanruf geklärt werden können. Bei dieserGelegenheit weisen wir darauf hin, dass Leserbriefe kurz gehaltenwerden sollen, um möglichst vielen Lesern Gelegenheit zu geben, ihreMeinung zu äußern. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungvor. Leserbriefe spiegeln die Meinung der Einsender wider, die nicht mitder Ansicht der Redaktion übereinstimmen muss.

Die Redaktion

Hans Filbinger war nichtgut beraten

Schlecht beraten war Alt-Ministerpräsident Filbinger, wegeneiner solchen Veranstaltung nach Karlsruhe zu kommen. DieReaktionen in Freiburg hätten für ihn heilsam sein müssen,noch mehr die Begleitumstände, welche einst zu seinemRücktritt geführt hatten. Stadtrat Rüssel ließ sich hier voreinen schiefen Karren spannen, doch tut es wohl gut, nachDämmerpausen mal wieder ein erfrischendes Bad in der Men-ge zu nehmen. Eigenartig, dass solche Politiker die Zeit nichterkennen, da sie bereits das eigene Monument darstellen undsich selbst mit solchen Auftritten karikieren.

SPD, Grüne und DGB sind jedoch, trotz dieser Fakten, nichtaus dem Schneider. Einer solchen Veranstaltung wegen zudemonstrieren, das kommt Theaterdonner gleich, als gebe eskeine gewichtigeren Probleme. Irgendwo ist die Reaktion auchverständlich, immer wenn sich ein nationales Lüftchen regt, sozeigen sie Flagge. Es gab eben einst eine politische Strömung,die solchen oder ähnlichen politischen Strömungen auf drasti-sche, allerdings meist verwerfliche Art und Weise zeigte woes langgeht. Aber Nachkarten bringt wenig Sinn!

Werner BahmPosseltstraße 11

Rüssel erinnerte nur an diehalbe Wahrheit

Es ist unerträglich, zur Kenntnis nehmen zu müssen, dassein Mann bei uns in Karlsruhe zum Thema „Mit Menschen-rechten Europa vollenden" auf Einladung von Organisationen,die mit öffentlichen Geldern gefördert werden, sprechen darf,der das elementare Menschenrecht - das Recht auf Leben -mehrfach verletzt hat und dies danach nie bereut hat. Dassunser Oberbürgermeister bei einer solchen Veranstaltung auchnoch die Schirmherrschaft übernimmt, ist unfassbar!

Es ist nur die halbe Wahrheit, wenn Günther Rüssel zurEntlastung von Filbinger daran erinnert, dass „es kein Urteilvon Hans Filbinger gibt, durch das ein Mensch sein Lebenverloren hätte". Der andere Teil der Wahrheit ist, dass Filbin-ger an Todesurteilen und Hinrichtungen (z. B. des MatrosenWalter Gröger) beteiligt war und selbst Todesurteile gegenDeserteure und Kriegsdienstverweigerer gefällt hat. Dass dievon ihm Verurteilten durch Flucht und wegen des Kriegsendesam Leben geblieben sind, ist nicht Filbingers „Verdienst".

Ulli ThielAlberichstraße 9

Nur Kultur - mit Filbingerals Redner?

Im BNN-Bericht hieß es: „Der Karlsruher Vorsitzende desBundes der Vertriebenen, Erhard Hlouschek, nahm Filbingerin Schutz: „Soviel ich weiß, gibt es keinen konkreten Fall, beidem jemand durch Filbinger zu Tode gekommen ist", sagte er.„Das hier ist das Harmloseste, was es gibt. Die Leute wolleneine kulturelle Veranstaltung." Nur Kultur - aber mit Filbingerals Hauptredner zum Thema „Mit Menschenrechten Europavollenden?" So harmlos? Filbinger darf als Nazi-Richter, alsder furchtbare Jurist bezeichnet werden. Das ist gerichtsnoto-risch bekannt. Verharmlosung ist es dann, wenn Rüssel sagt,Filbinger habe unter erheblichen Risiken mehreren Soldatendas Leben gerettet. War das etwa der Grund für Filbingergewesen, als Ministerpräsident zurücktreten zu müssen?

Filbinger sagte den Gehörlosen im Gehörlosenzentrum Dax-landen: „Wie armselig ist es, unbelehrbar zu sein." Nein, um-gekehrt wird ein Schuh daraus - nicht wir, sondern er selbst istunbelehrbar, und mit ihm wohl auch Rüssel und Sahm!

Helmut WodaRedtenbacherstr.

BNN Samstag, 18. / Sonntag, 19. Oktober 2003 DIE MEINUNG DER LESER

Page 32: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

Mit Geschichtsbild nichtso einfach machen

Also: Herr Dr. Filbinger ist ein Nazi-Mörder, Deserteurewaren Widerstandskämpfer, alle Vertriebenen waren Nazisund schlußendlich: Herr Stadtrat Rüssel wird in die Ecke derUnbelehrbaren gestellt, weil er den Herrn Ex-Ministerpräsi-denten von Baden-Württemberg als Festredner eingeladen hat.Ach, Du heilige Einfalt! Machen es sich die nach 1940 gebo-renen einfach mit ihrem Geschichtsbild. Sie haben keineAhnung wie es in jener Zeit um die Psyche der Menschenbestellt war. Ob Filbingers Handlungsweise unmenschlichwar, muss er später vor Gott verantworten..

Die Heimatvertriebenen waren ebensolche „Nazis" wie ihredeutschen Landsleute in Berlin oder Karlsruhe. Sie waren diegleichen Antisemiten wie ihre Gesinnungsgenossen „imReich". Mit der Ausnahme, dass sie ihr gesamtes Hab undGut, ihre Heimat und zum Teil ihr Leben verloren haben. Alsobitte liebe „antifaschistische Spaziergänger": Lasst den Ver-triebenen ihr Brauchtum und gestattet ihnen, sich ihre Rednerselbst zu wählen. Oder sollte es mit Euerem Demokratiever-ständnis nicht weit her sein?

Rudolf HawigerEbertstraße 37

Proteste wurden vonVeranstaltern nicht beachtet

Filbingers Nazivergangenheit als „furchtbarer" Richter isthinreichend bekannt. Was aber die meisten jüngeren Karls-ruherinnen und Karlsruher vielleicht nicht wissen, ist wie Fil-binger als Ministerpräsident mit Andersdenkenden umging.Beispielsweise auf dem Höhepunkt der Terroristenhysterie imSommer 1977 unteranderem an den Hochschulen.

Doch weder die Kritik der SPD und der Grünen und auchnicht die Absagen ihrer Gemeinderatsfraktionen, an der Fil-binger-Veranstaltung teilzunehmen, noch die Proteste desDGB Region Mittelbaden und der VVN-Bund der Antifa-schisten mit der Forderung nach Ausladung des Redners Fil-binger wurden von den Veranstaltern beachtet.

Auch Oberbürgermeister Heinz Fenrich hat auf die Kritik anseiner Schirmherrschaft und auf die Forderungen nach derenNiederlegung nicht reagiert.

Das „Haus der Heimat" trägt als Mitveranstalter einmalmehr zum politischen Unfrieden in dieser Stadt bei. Bereits imOktober des letzten Jahres war es wegen der Überlassung vonRäumlichkeiten an ultrarechte Referenten bei den „KarlsruherFreitagsgesprächen" in die öffentliche Kritik geraten.

Hans Jürgen RettingSchillerstraße 26Eggenstein-Leopoldshafen

Rüssels Lob für Filbingerist unverständlich

Mir ist es völlig unverständlich, warum Rüssel Filbingers„beispielhafte mitmenschliche Aufgeschlossenheit" gelobt hat.Denn dessen Festrede zum Tag der Heimat in Karlsruhe hin-sichtlich Europäischer Verfassung war alles andere als „mit-menschlich".

Zunächst hatte er absurderweise behauptet: „Freiheit undFrieden könnten in Europa nur verwirklicht werden, wenn der„Bezug zu unserem Herrgott" in die Europäische Verfassungmit hineingenommen würde. Aber geschichtlich gesehen hatgerade der Bezug auf einen Gott zu größerer Unfreiheit undfurchtbarsten Kriegen beigetragen.

Und zur Begründung, sich gegen den Wunsch der Türkei zuwehren, der EU beizutreten, meint Filbinger: „ ... der Islam istgegenüber dem Christentum nicht tolerant." Dies mag zumin-dest bei bestimmten Richtungen des Islam zustimmen. Jedochwäre dann aber sicher genauso richtig festzustellen, dasszumindest bei bestimmten Richtungen des Christentums (ins-besondere Katholizismus) wegen des Absolutheitsanspruchsdas Christentum gegenüber dem Islam ebenso nicht tolerantist.

Reiner MoysichWehlauer Straße 34

BNN Samstag, 18. / Sonntag, 19. Oktober 2003 DIE MEINUNG DER LESER

Die Leserbriefe vonUlli Thiel undHelmut Woda

sind zum besserenVerständnis

weitergehenderArgumente zu

geschichtlichen undaktuellen Aspekten

militärischerBefehlsverweigerung

auf der nächsten Seiteim vollen Wortlaut

abgedruckt.

Page 33: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

Leserbrief Ulli Thiel

Es ist unerträglich, zur Kenntnis nehmen zumüssen, dass ein Mann bei uns in Karlsruhe zumThema „Mit Menschenrechten Europa vollenden"auf Einladung von Organisationen, die mit öf-fentlichen Geldern gefördert werden, sprechendarf, der das elementare Menschenrecht - dasRecht auf Leben - mehrfach verletzt hat und diesdanach nie bereut hat. (Filbinger: "Was damalsRecht war, kann heute nicht Unrecht sein.") Dassunser Oberbürgermeister bei einer solchen Veran-staltung auch noch die Schirmherrschaft über-nimmt, ist unfassbar.

Es ist nur die halbe Wahrheit, wenn GüntherRüssel zur Entlastung von Filbinger daran erin-nert, dass „es kein Urteil von Hans Filbinger gibt,durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte".Der andere Teil der Wahrheit ist, dass Filbingeran Todesurteilen und Hinrichtungen (z. B. desMatrosen Walter Gröger) beteiligt war und selbstTodesurteile gegen Deserteure und Kriegsdienst-verweigerer gefällt hat. Dass die von ihm Verur-teilten durch Flucht und wegen des Kriegsendesam Leben geblieben sind, ist nicht Filbingers„Verdienst". Fest steht auch - aufgrund histori-scher Recherchen - dass Filbinger in der Maschi-nerie der damaligen Marinejustiz durchaus eineaktive Rolle gespielt hat und als ein - gar nicht sokleines - Rädchen im militärischen Gewaltapparatdes NS-Regimes funktioniert hat.

Vergessen werden sollte auch nicht, um welcheMenschen es sich handelte, die von Filbinger undseinen Marinerichter-Kollegen verurteilt wurden:es waren Männer mit Zivilcourage, deren einziges„Verbrechen" darin bestand, dass sie sich nichtmehr an einem Krieg beteiligen wollten, von dender Deutsche Bundestag in seinem Beschluss zurRehabilitierung der Deserteure am 15. Mai 1997fast einstimmig feststellte: „Der Zweite Weltkriegwar ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vomnational-sozialistischen Deutschland verschulde-tes Verbrechen."

Erinnert werden sollte auch daran, dass der inKarlsruhe ansässige Bundesgerichtshof 1995 dieTätigkeit der Richter der NS-Militärjustiz als„terroristisch" und „verbrecherisch" einstufte. DerBGH bezeichnete diese Richter als „Blutrichter",die sich eigentlich „wegen Rechtsbeugung inTateinheit mit Kapitalverbrechen hätten verant-worten müssen".

Wer dennoch heute jemanden aus der Riegedieser „Blutrichter" zu einem Vortrag zur Men-schenrechtsthematik einlädt oder eine derartigeVeranstaltung mit ihm unterstützt, verhöhnt damitdas Andenken an die ca. 30.000 Deserteure undKriegsdienstverweigerer, die im Zweiten Welt-krieg von der NS-Militärjustiz zum Tode verur-teilt wurden.

Leserbrief Helmut Woda

In Ihrem Bericht heißt es: "Der Karlsruher Vor-sitzende des Bundes der Vertriebenen, ErhardHlouschek, nahm Filbinger in Schutz: «Soviel ichweiß, gibt es keinen konkreten Fall, bei dem je-mand durch Filbinger zu Tode gekommen ist»,sagte er. «Das hier ist das Harmloseste, was es gibt.Die Leute wollen eine kulturelle Veranstaltung.»".

Nur Kultur - aber mit Filbinger als Hauptrednerzum Thema "Mit Menschenrechten Europa vollen-den"? So harmlos?

Filbinger darf als Nazi-Richter, als der furchtba-re Jurist bezeichnet werden. Das ist gerichtsnoto-risch bekannt. Verharmlosung ist es dann, wennRüssel sagt, Filbinger habe unter erheblichen Risi-ken mehreren Soldaten das Leben gerettet. War dasetwa der Grund für Filbinger gewesen, als Mini-sterpräsident zurüc ktreten zu müssen?

Filbinger hat Deserteure zum Tode verurteilt, erhat lange nach Kriegsende eine 6-monatige Haft-strafe verhängt - immer noch nach Kriegsrecht.Wollte er damit dem Deserteur das Leben retten?

Filbinger bereut nicht sondern sagte: 'Was da-mals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein".

Das Recht auf Widerstand auch und gerade ge-gen Befehle, die gegen elementare Menschenrechteverstoßen, ist aber als Erkenntnis aus dem Fa-schismus zurecht im Grundgesetz verankert. Ver-harmlosung ist ein Virus, der rasch diese bittererkaufte Erkenntnis zerfrißt.

Wie sonst wäre es denn erklärlich, wenn einUlrich W. Sahm in den BNN vom 26.9.2003 inseinem Kommentar "Soldaten auf Abwegen"schreiben kann: " Die von israelischen Kampfpilo-ten öffentlich ausgesprochene Kritik an «illegalenBefehlen«», Angriffen auf «unschuldige Zivili-sten» ... zeugt von einem moralischen Verfall inder israelischen Armee."? Hat Sahm schon verges-sen, dass es gerade in einer Demokratie nicht nurdas Recht, sondern die Pflicht eines Jeden ist - auchvon Soldaten - in geeigneter Weise Widerstand zuleisten, wenn eine Regierung die Durchführungvon Befehlen mit erkennbaren Verstößen gegenMenschenrechte verlangt?

Filbinger sagte den Gehörlosen im Gehör-losenzentrum Daxlanden: „Wie armselig ist es,unbelehrbar zu sein.". Nein, umgekehrt wird einSchuh daraus - nicht wir sondern er selbst ist un-belehrbar, und mit ihm wohl auch Rüssel undSahm!

Page 34: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

Badische Neueste Nachrichten, Nr. 227Mittwoch, 1. Oktober 2003, Südwestecho, Seite 4

Studienkreis Weikersheim

Friedmann willDenkfabrik öffnenVon unserem Redaktionsmitglied Andreas Schanz

Stuttgart/Bühl. Der langjährige mittelbadische CDU-Bundes-tagsabgeordnete Bernhard Friedmann (71) hat die Leitung des Stu-dienzentrums Weikersheim übernommen. Der Nachfolger des ehe-maligen Hohenheimer Politikprofessors Klaus Hornung (76) will diekonservative Denkfabrik öffnen.

Ein halbes Jahrhundert war Friedmann berufstätig, zuletzt alsMitglied des Europäischen Rechnungshofs mit einer 70-Stunden-

Woche, wie er betont, und nur elfTage krank. Jetzt hätte sich derChristdemokrat aus der Obstbauge-meinde Ottersweier bei Bühl mehr umseine Schnapsrennerei kümmern kön-nen. „Die Mirabellen haben diesmalunheimlich hohe Öchsle-Grade ent-wickelt", schwärmt er. Doch imFrühjahr hat ihn der Ruf Hornungs,der wieder mehr schreiben will, unddes Weikersheim-Gründers HansFilbinger ereilt. Dies habe er seinempolitischen Werdegang zu verdanken,erklärte Friedmann gestern vor Jour-nalisten in Stuttgart. Denn als lang-

jähriger Präsident des EU-Rechnungshofs habe er alle europäischenRegierungs-, Parlaments- und Notenbankchefs kennen gelernt.

Am vergangenen Montag ist Friedmann bei einer außerordentli-chen Versammlung der 350 Mitglieder, zu denen laut Geschäftsfüh-rer Ronald Schrumpf auch Lothar Späth und Erwin Teufel gehören,in Weikersheim zum Präsidenten gewählt worden. Das Studienzen-trum kämpft seit Jahren gegen den Ruf, im Renaissanceschloss derTaubergemeinde reaktionären Kräften eine Heimat zu bieten. Bern-hard Friedmann („Ich bin kein Extremer") will der Einrichtung nunseinen ganz persönlichen Stempel aufdrücken. Bei den Veranstaltun-gen soll es stärker um wirtschaftliche Themen gehen. Zweimal jähr-lich sind in Stuttgart sogar „Weikersheimer Wirtschaftsgespräche"geplant - in Zusammenarbeit mit der Mittelstandsvereinigung derCDU/CSU, dem CDU-nahen Wirtschaftsrat, katholischen und evan-gelischen Unternehmern.

Dort möchte Friedmann aber auch Gewerkschafter einbeziehen.„Um sich ein Urteil bilden zu können", hebt er hervor, „muss manauch andere Meinungen hören." Schließlich sollen das Studienzen-trum, das sich bis auf einen Jahreszuschuss von 5 000 Euro durchdie Bundeszentrale für politische Bildung nur aus Beiträgen undSpenden finanziert, auch mehr Arbeitnehmer besuchen. Deswegenwerden die Tagungen auf das Wochenende verlegt.

Page 35: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

http://www.vvn-bda.de/freiburg/wette.pdf

Der Fall FilbingerVortrag vonProf. Dr. Wolfram Wettezu der Veranstaltung

„Was Unrecht war,kann nicht Recht sein!“am Sonntag, 14. September 2003, 19 Uhr,im Saal des Historischen Kaufhausesin Freiburg i. Br.(Stand: 11.9.03, Kurzfassung, 14.9.03)

Inhalt

1. Die Männer von Brettheim

2. Filbingers Brettheim-Rede von 1960

3. Der „furchtbare Jurist“:Hochhuth contra Filbinger 1978

4. Bekanntwerden weiterer Filbinger-Urteile

5. Die Verteidigung: „Was damals Recht war ...“

6. Rücktritt von Amt des Ministerpräsidenten

7. Reizfigur für die Linken

8. Woran scheiterte Filbinger 1978 wirklich?

9. Filbingers Kampf um politische Rehabilitierung

10. Erneut überprüft: Der Fall des Matrosen WalterGröger

11. Zusammenfassende Bewertung der Tätigkeit Fil-bingers als Marinerichter

12. NS-Militärjustiz und ihre Opfer im Meinungswan-del der Gesellschaft

13. Filbinger aus der Sicht von Opfern der NS-Militärjustiz

14. Schluss

AnmerkungenProf. Dr. Wolfram Wette, Am Moosrain 1, D-79183 Waldkirch-Kollnau,[email protected]

1. Die Männer von Brettheim

Kurz vor Kriegsende 1945 fand in dem ostwürttem-bergischen Dorf Brettheim – zwischen Rothenburg obder Tauber und Crailsheim gelegen - ein Verbrechenstatt, das ein bezeichnendes Licht auf den Charakter derEndphase des Weltkrieges wirft. Damals richtete sichder Terror der SS und der Wehrmacht gegen diekriegsmüden Teile der Bevölkerung des eigenen Lan-des, der Devise folgend: „Wer zurückweicht, wird er-schossen.“

Vier durch die Endsieg- und Durchhaltepropagandaaufgehetzte Jugendliche, Angehörige der Hitler-Jugend,

wollten die anrückenden US-amerikanischen Truppenmit Panzerfäusten bekämpfen. Der Brettheimer BauerHanselmann – ein Mann mit gesundem Menschenver-stand - befürchtete, dass die Amerikaner das ganze Dorfunter Beschuss nehmen würden, wenn ihnen Abwehr-feuer entgegenschlüge. Er nahm den uniformierten Ju-gendlichen daher die Panzerfäuste ab und warf sie kur-zerhand in einen Teich.

Daraufhin trat in Brettheim ein SS-Sturmbannführer[Major] namens Gottschalk in Aktion. Er stellte einStandgericht zusammen, das den Bauer Hanselmannwegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilte. Gott-schalk wünschte, aus welchem Grunde auch immer,dass der NSDAP-Ortsgruppenleiter sowie der Bürger-meister des Ortes das Todesurteil gegen den Bauer Han-selmann mit unterschreiben sollten. Diese weigertensich jedoch. Daraufhin stellte Gottschalk ein neuesStandgericht zusammen. Es verurteilte nun nicht nurden Bauern Hanselmann erneut zum Tode, sondernauch den Ortsgruppenleiter und den Bürgermeister. Alledrei wurden dann am Ortsrand von Brettheim, in derNähe des Friedhofs, an Lindenbäumen erhängt. DieHitler-Jungen und andere Einwohner des Ortes warenals Zuschauer anwesend. Man schrieb den 15. April1945. Vier Wochen später war der Krieg zuende.

In den 50er Jahren wurde der Fall Brettheim neu auf-gerollt mit dem Ziel, das Standgerichtsurteil von 1945für Unrecht zu erklären und die Mörder zu bestrafen. Ineinem Ansbacher Schwurgerichtsprozess von 1960, dereine 10jährige Prozessgeschichte zum Abschluss brin-gen sollte, waren angeklagt der SS-General Simon,besagter Sturmbannführer Gottschalk und ein Wehr-machtsmajor namens Otto, die an dem zweiten Standge-richtsverfahren beteiligt gewesen waren. Das Gerichtließ den ehemaligen Generalfeldmarschall Albert Kes-selring, einen verurteilten Kriegsverbrecher, als militär i-schen Sachverständigen aussagen. Wie nicht anders zuerwarten, erklärte er die Hinrichtungen für kriegsnot-wendig. Als juristischer Sachverständiger trat der Mar-burger Ordinarius für Strafrecht, Professor ErichSchwinge, auf, der 1940 den maßgeblichen Kommentarzum Militärstrafgesetz geschrieben hatte. Selbstver-ständlich unterstützte auch Schwinge, selbst ein ehema-liger NS-Kriegsrichter, durch sein Gutachten die Offi-ziere, die für die Morde von Brettheim verantwortlichwaren. Er bestätigte dem Gericht, dass „die Exekutionenvon Brettheim notwendig gewesen seien“; SS-GeneralSimon sei geradezu verpflichtet gewesen, „mit allerSchärfe seine Truppen vor jeder Wehrkraftzersetzungzu schützen“. Wie man sieht, hielt der ehemaligeKriegsrichter Schwinge also noch 1960 in vollem Um-fang an den Denkkategorien der NS-Justiz und des na-tionalsozialistischen Unrechtsstaates fest. Die Argu-mentationen der Sachverständigen fand damals Gehörnicht nur bei den Juristen des Schwurgerichts, sondernauch bei den Laien - ein Tatbestand, der eine besonderezeitgeschichtliche Betrachtung verdienen würde.Schließlich erklärte das Ansbacher Schwurgericht unterdem Vorsitz eines Richters, der übrigens schon 1927 der

Page 36: Dokumentation über den Protest gegen den Filbinger ...media.de.indymedia.org/media/2007/04/172866.pdfInhalt Seite 27. September 2003 BNN-Bericht mit Ankündigung Filbinger-Auftritt

NSDAP beigetreten war, das Standgerichtsurteil von1945 für Rechtens.

Als Historiker wird man dieses skandalös Urteil ein-zuordnen haben in den größeren Zusammenhang derNachkriegsgeschichte, in deren Verlauf die alten Eliten,ohne deren Mitwirkung der NS-Staat nicht hätte funk-tionieren können, wieder ihre tradierten Machtpositio-nen eingenommen hatten. Wie der Brettheim-Prozessbeweist, hatten sie auch in der Justiz ihre Definitionsho-heit zurückgewonnen.

2. Filbingers Brettheim-Rede von 1960

Warum erzähle ich diese Brettheimer Geschichte? Imgleichen Jahr 1960, als der Prozess seinen unsäglichenAbschluss fand, begab sich der damalige baden-württembergische Innenminister Dr. Hans Filbingernach Brettheim und hielt dort, am Grabe der Ermorde-ten, eine Gedenkrede. Der Kern seiner Ausführungenbestand darin, dass er die Erhängung der drei Bretthei-mer Bürger als „himmelschreiendes Unrecht“ bezeic h-nete.

Wie das? Welchen Reim sollen wir uns auf diesenVorgang machen? Während der Ex- General Kesselringund Kriegsrichter-Kollege Schwinge die Meinung ver-traten, dass die Brettheimer Exekutionen „notwendig“gewesen seien, um die Truppen vor „Wehrkraftzerset-zung zu schützen“, urteilte der christdemokratischeInnenminister Filbinger – von dessen Marinerichter-Vergangenheit die Öffentlichkeit damals noch nichtswusste -, völlig konträr, es habe sich um „himmel-schreiendes Unrecht“ gehandelt! Er hätte in Brettheim –wie er es später immer wieder tat und noch heute tut -auch Schwinge, Kesselring und Schwurgericht folgenund sagen können: Die Brettheimer Defätisten seienfeige Vaterlandsverräter gewesen, und nach geltendemRecht, nämlich nach den in der Endphase des Kriegesgegebenen Führerweisungen, habe das Standgerichtrechtens gehandelt. Innenminister Filbinger tat diesnicht. Vielmehr übte eine denkbar heftige Urteilsschel-te. Man fragt sich: War er zu der Erkenntnis gelangt undbereit, einzugestehen, dass die Standgerichte und ande-ren Militärgerichte in der Zeit des Nationalsozialismuseine reine Terrorjustiz praktiziert hatten, um abzu-schrecken und die Menschen zum sinnlosen Durchhal-ten in aussichtsloser Lage zu zwingen? War er infolgeeines solchen, ja immerhin denkbaren Erkenntnisschubsgar bereit, aus der ideellen Interessengemeinschaft derWehrmachtjuristen auszuscheren und sich in der Öf-fentlichkeit als Kritiker der NS-Militärjustiz zu „ou-ten“? Präsentierte sich da womöglich ein humaner, ge-läuterter, demokratischer Politiker, der sich aus denIrrungen der NS-Vergangenheit befreit hatte?

Im Wissen um die späteren Ereignisse wird man ei-ner solchen Interpretation eher skeptisch gegenüberste-hen. Wahrscheinlich wollte der CDU-Politiker Filbingerder Öffentlichkeit damals etwas anderes signalisieren.Er wollte, ohne es direkt auszusprechen, gleichsam ineiner Art prophylaktischer Verteidigung gegen einenoch gar nicht vorliegende Anklage, sagen: Die damali-

gen „Schweinereien“, auch das „himmelschreiendeUnrecht“ von Brettheim, gingen zu Lasten der SS. Die„saubere Wehrmacht“ und mit ihr die „saubere Militär-justiz“ dagegen hätten sich nichts zuschulde kommenlassen. Wie wir heute wissen, hat es noch Jahrzehntegedauert, bis die damals vorherrschende Vorstellungvon der sauberen Wehrmacht einem realistischeren Bildweichen musste. Und Filbinger wusste, dass die deut-sche Öffentlichkeit damals mit großer Bestürzung aufdas Brettheimer Urteil reagiert hatte.

Der Fall Brettheim übrigens war damit übrigens nochnicht zuende. Auch der später mit der Angelegenheitbefasste Bundesgerichtshof (BGH) revidierte dasStandgerichtsurteil von 1945 nicht, sondern erklärte es„höchstrichterlich“ noch einmal für rechtens. Die Hin-terbliebenen der Brettheimer Opfer, die – 15 Jahre nachKriegsende – auf die Einkehr der Vernunft und aufspäte Gerechtigkeit gehofft hatten, waren vollständigfassungslos – und sind es wohl noch heute.

3. Der „furchtbare Jurist“: Hochhuth contra Filbinger 1978

In Form einer gezielten Provokation entfachte derDramatiker Rolf Hochhuth im Jahre 1978 jene Ausein-andersetzung, die später als „Fall Filbinger“ in die Ge-schichte der großen Polit- Skandale der BundesrepublikDeutschland eingehen sollte. Hochhuth veröffentlichtein der Wochenzeitung „Die Zeit“ einen Vorabdruck ausseinem neuen Roman „Eine Liebe in Deutschland“.Darin bezeichnete er den amtierenden baden-württembergischen Ministerpräsidenten und früherenMarinerichter Dr. Filbinger als „Hitlers Marine-Richter,der sogar noch in britischer Gefangenschaft nach HitlersTod einen deutschen Matrosen mit Nazi- Gesetzen ver-folgt hat“, und charakterisierte ihn als „furchtbarenJuristen“. Des weiteren schrieb Hochhuth, er vermute,Filbinger sei „auf freiem Fuß nur dank des Schweigensderer, die ihn kannten“. Was im Klartext bedeutete:Eigentlich müsste er längst hinter Gittern sein.

Als Provokation wurde von Filbinger und Gleichge-sinnten insbesondere die Formulierung „furchtbarerJurist“ empfunden. Sie war von Hochhuth geschicktgewählt, weil sie nicht ohne weiteres justizabel war undweil sie das historische Thema, das damals ja ein neuesKapitel der nationalsozialistischen Vergangenheit auf-schlug, unmittelbar auf eine moralische Ebene hob.

Wie reagierte der solchermaßen Angegriffene? Min i-sterpräsident Filbinger erklärte am 5. Mai 1978 in Stutt-gart, gegen Hochhuth und „Die Zeit“ juristisch vorge-hen zu wollen. Das tat er auch. Er verklagte beide aufUnterlassung. Am 9. Mai 1979 kam es vor der 17. Zi-vilkammer des Stuttgarter Landgerichts zum Prozess.Filbinger verteidigte sich jedoch nicht vor Gericht, son-dern vor der Presse. Er präsentierte sich als Opfer undnicht als Täter. Über seine Einstellung zum nationalso-zialistischen Staat behauptete er: „Während des ganzenDritten Reiches habe ich meine antinazistische Gesin-nung nicht nur in mir getragen, sondern auch sichtbargelebt.“ Dieses Bekenntnis sollte nicht folgenlos ble i-

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ben. Wenig später entdeckte der „Spiegel“ einen Auf-satz Filbingers aus dem Jahre 1935, der keineswegs aufeine antinazistische Gesinnung schließen ließ. Filbingerhatte damals als 21jähriger Jurastudent in einer katholi-schen Studentenzeitschrift einen Artikel geschrieben, indem es nur so von Begriffen nationalsozialistischerProvenienz wimmelte. Von „Blutsgemeinschaft“,„Schädlingen am Volksganzen“ und „rassisch wertvol-len Teilen des deutschen Volkes“ war da die Rede. So-dann berichtete ein ehemaliger Kommilitone des Min i-sterpräsidenten dem Magazin „stern“, Filbinger sei von1935 bis 1937 in Freiburg als Mitglied des SA- Studen-tensturms in brauner Uniform aufgetreten. Tatsächlichwar Filbinger von 1933-1936 Mitglied des Nationalso-zialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB),von 1934 bis 1937 auch Mitglied der SA. Im Mai 1937trat er in die NSDAP ein. 1940 wurde er zur Wehrmachteingezogen, und von April 1943 bis 1945 diente er imdeutsch besetzten Norwegen in verschiedenen Positio-nen als Wehrmachtsjurist.

Am 23. Mai 1978 erließ das Stuttgarter Landgerichteine Einstweilige Verfügung, deren Inhalt von derHauptverhandlung am 13. Juni 1978 noch einmal bestä-tigt wurde. Hochhuth wurde untersagt, zu behaupten,Filbinger sei „auf freiem Fuß nur dank des Schweigensderer, die ihn kannten“. Dem Ministerpräsidenten be-scheinigte das Gericht, dass er als Marinerichter in demFall Petzold, auf den Hochhuth seine Polemik gestützthatte, und in dem erst jetzt bekannt gewordenen FallGröger (auf die noch eingehen werde) „im Rahmen desdamals geltenden Rechts“ gehandelt habe, also strafver-fahrensrechtlich nichts falsch gemacht habe. Kurt OlafPetzold war jener Marinesoldat, den Filbinger wegenantinazistischer Äußerungen und Widersetzung verur-teilt hatte, die er als „Gesinnungsverfall“ gewertet hatte.Gleichzeitig entschied das Gericht, dass der Schriftstel-ler die Formulierungen „Hitlers Marine-Richter“ und„furchtbarer Jurist“ weiterhin gebrauchen dürfe, weil essich um zulässige Werturteile handele. Hochhuth konntesich im Großen und Ganzen als Sieger fühlen. Filbingerseinerseits kündete trotzig an, er wolle in zwei Jahrenwieder kandidieren. Damit schien die ganze Angelegen-heit zunächst erledigt zu sein. Bergsteiger Hans Filbin-ger begab sich in die Sommerferien ins Engadin. Aberdie Rechercheure arbeiteten weiter.

4. Bekanntwerden weiterer Filbinger-Urteile

Seit Prozessbeginn hatte Filbinger zu seiner Verteid i-gung immer wieder betont: „Ich habe kein einzigesTodesurteil selbst gefällt.“ Vor dem Stuttgarter Landtaghatte er zudem erklärt, er habe als Marinerichter überallgeholfen, „wo irgendeine Aussicht auf Hilfe war“, unddabei Menschen gerettet oder vor harter Strafe bewahrt.Dabei habe er auch „Leib und Leben“ riskiert. Der Mi-nisterpräsident stilisierte sich also zum stillen Heldendes täglichen Widerstandes.

Filbinger selbst war am 5. Mai 1978 in einer Presse-konferenz mit dem Fall des Matrosen Walter Gröger andie Öffentlichkeit gegangen, nachdem er erfahren hatte,

dass Redakteure der „Zeit“ und des „Spiegel“ entspre-chende Berichte vorbereiteten. Es wurde Folgendesdeutlich: Filbinger hatte am Todesurteil gegen den De-serteur Gröger vom 16. Januar 1945 als Vertreter derAnklage mitgewirkt und er war „Leitender Offizier“ desExekutionskommandos, das den 22-jährigen Gröger imMärz 1945 erschoss. Acht Wochen später wartete dasARD-Magazin „Panorama“ mit zwei weiteren Todes-urteilen auf, die Filbinger in der Schlussphase des Krie-ges selbst gefällt hatte. Betroffen waren Deserteure, diesich erfolgreich nach Schweden hatten absetzen können.Filbinger sprach aufgrund dieses Tatbestandes von„Phantomurteilen“, womit er ausdrücken wollte, dassdie Todesurteile nicht vollstreckt werden konnten - wasja nichts an der Tatsache ändert, dass es sich um vonFilbinger gefällte Todesurteile handelte. Am 3. August1978 sah sich das baden-württembergische Staatsmini-sterium genötigt, ein viertes Todesurteil bekannt zugeben, an dem Filbinger mitgewirkt hatte. Bereits imJahre 1943 wurde ein Matrose wegen fortgesetztenPlünderns zum Tode verurteilt. Allerdings hatte Filbin-ger in diesem Fall, so das Staatsministerium, eine späte-re Begnadigung zu einer Freiheitsstrafe erreichen kön-nen. Die Echtheit der Dokumente, die im Verlaufe die-ser Monate ans Tageslicht kamen, hat Filbinger übri-gens nicht bestritten, wohl aber deren Bewertung in derÖffentlichkeit.

5. Die Verteidigung: „Was damals Recht war ...“

Im Zuge seiner Verteidigung sprach er gegenüberdrei Journalisten des „Spiegel“ den schwerwiegendenSatz aus, der hernach zum geflügelten Wort werdensollte: „Was damals Recht war, kann heute nicht Un-recht sein.“ Damit brachte er das Fass zum Überlaufen.Ließ dieser Satz doch jede moralische Distanzierungvon der NS-Zeit vermissen. Hier formulierte ein füh-render rechtskonservativer Politiker die Position einesplatten, amoralischen Rechtspositivismus (womit ge-meint ist: unkritisches und unreflektiertes Festhalten anNS- Gesetzen und „Führer“-Weisungen) und ebnetedamit die Unterschiede zwischen dem nationalsozialisti-schen Unrechtsstaat und dem demokratischen Rechts-staat umstandslos ein.

In großen Teilen der Öffentlichkeit wurde dieseVerteidigung Filbingers als ein Skandal empfunden.Auch seine Freunde in der CDU befürchteten nun, mitdieser Gleichsetzung drohe gleichsam der Schatten des„Dritten Reiches“ auf die eigene Partei zu fallen und dieDistanzierung der Konservativen von der NS-Zeit droheins Zwielicht zu geraten. Mit seinem Spruch „Was da-mals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“ hat sichHans Filbinger damals, 1978, de facto zum Sprachrohrjenes Teils der Kriegsgeneration gemacht, die auchJahrzehnte nach dem Kriegsende und der Befreiungvom nationalsozialistischen Unrechtssystem nicht in derLage waren, die erforderlichen moralischen und rechts-politischen Schlussfolgerungen aus den historischenEreignissen während der NS-Zeit zu ziehen. In der Öf-fentlichkeit sah man in ihm nun den Repräsentanten der

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„Ewiggestrigen“, der Unbußfertigen und Selbstgerech-ten. Man muss sich in diesem Zusammenhang auchvergegenwärtigen, dass Filbinger unter den mehr als3.000 Juristen, die vormals als Richter, Staatsanwälteoder Rechtsberater in der Wehrmacht Dienst getan hat-ten, derjenige war, der es in der zweiten deutschen De-mokratie am weitesten gebracht hatte. Nun, da er sichzudem in dieser brisanten rechtspolitischen Frage expo-niert hatte, avancierte er zum Sprecher einer – im polit i-schen Raum schweigenden – Mehrheit Gleichgesinnter,die es insbesondere unter den Juristen zuhauf gab.

Filbinger hat diese Rolle dann später ganz bewusstweitergespielt, wie man an der Wahl des Titels seinerautobiographischen Publikation aus dem Jahre 1987ablesen kann. Er lautet: „Die geschmähte Generation“.Er also, Filbinger, als Repräsentant einer ganzen Gene-ration, zumindest eines Kollektivs von gleichaltrigenund gleichgesinnten Zeitgenossen, die sich der Schmä-hungen der Linken, der Medienmeute und der Staatssi-cherheit der DDR zu erwehren hatten. Aber das istschon ein zeitlicher Vorgriff.

6. Rücktritt von Amt des Ministerpräsidenten

Mehr als fünf Monate lange war die deutsche Öffent-lichkeit damals, 1978, von der Affäre Filbinger gerade-zu elektrisiert. Der Angegriffene beteuerte immer wie-der, er habe keine Schuld auf sich geladen. Nie gab erzu erkennen, dass er seine Handlungen als Marineric h-ter bedauerte oder bereute. Der damalige Oppositions-führer im baden-württembergischen Landtag, ErhardEppler, traf wohl den Nagel auf den Kopf, als er dieBefindlichkeit seines Kontrahenten auf die Formelbrachte: Filbinger habe ein „pathologisch gutes Gewis-sen“. Der Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“schob nach: „und ein pathologisch schlechtes Gedächt-nis“.

Filbingers starrsinnige Rechtfertigungshaltung führtedazu, dass man sich auch in seiner Partei, der CDUBaden-Württemberg, ebenso in der Bundespartei, Ge-danken über die politische Zukunft des Spitzenmannesmachte. Hatte er doch in der Öffentlichkeit einen be-trächtlichen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten, der aufdie Partei überzugreifen drohte. Es wäre unrichtig, zuvermuten, die politische Opposition habe Filbingerpolitisch zu Fall gebracht. Es war seine eigene Partei,die in Baden-Württemberg traditionell die stärkste poli-tische Kraft war und die unter Filbingers Vorsitz sensa-tionelle Wahlerfolge errungen hatte. Als er merkte, dassseine eigene Partei ihm die Gefolgschaft versagte, tratHans Filbinger am 7. August 1978 vom Amt des Mini-sterpräsidenten zurück, das er 12 Jahre lang bekleidethatte. Von dem Machtverlust sichtlich erbittert, erklärteer: „Die ist die Folge einer Rufmordkampagne, die indieser Form bisher in der Bundesrepublik nicht vorhan-den war. Es ist mir schweres Unrecht angetan worden.Das wird sich erweisen, soweit es nicht bereits offenbargeworden ist.“

Hans Filbinger hat die schrittweise Aufklärung überseine Tätigkeit als Marinerichter demnach als Rufmord

und Hexenjagd empfunden. Er sprach von einer „Kam-pagne der extremen Linken“. Später kam noch das Ar-gument hinzu, auch die Staatssicherheit der DDR habeihre Hand im Spiel gehabt. Von der Vorstellung, un-schuldiges Opfer eines Kesseltreibens der politischenGegner geworden zu sein, ist Filbinger offensichtlichnoch heute erfüllt.

7. Reizfigur für die Linken

Man würde die politische Szenerie von damals ver-zerrt darstellen, wollte man verschweigen, dass diepolitisch eher links eingestellten Bürgerinnen und Bür-ger im Südwesten seinerzeit nicht ohne Schadenfreudebeobachteten, was Hochhuth mit seinem Wort vom„furchtbaren Juristen“ losgetreten hatte. Man muss sichvergegenwärtigen, dass Filbinger vor der Marinerichter-Affäre politisch fest im Sattel saß: Ein machtbewussterMann, in der Bevölkerung und in der eigenen Parteigeachtet, wegen seiner autoritären Rechthaberei gele-gentlich auch gefürchtet.

Für die Linken dagegen war dieser Politiker damalsdie Reizfigur schlechthin: Es galt als Verkörperung desautoritären Charakters, politisch als Verfechter einesstarken Staates und einer dazu gehörigen Law-and-Order-Politik. Den Wahlkampf von 1976 hatte Filbingerunter dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ geführtund mit dieser Parole massiv polarisiert. Er gehörte zuden glühenden Verfechtern des sogenannten Radika-lenerlasses, in einer – versteht sich - ausschließlichgegen links gerichteten Interpretation. Er bekämpfte mitgroßem Engagement eine Reform des Abtreibungspara-graphens 218. Ebenso kämpfte er gegen den Grundla-genvertrag mit der DDR und die Abkommen mit Polen,also gegen die Aussöhnung mit dem Osten. Er war dietreibende Kraft bei der Planung und Durchsetzung desAtomkraftwerks Wyhl am Oberrhein. Mit seiner Dro-hung, wenn Wyhl nicht gebaut werde, würden in Ba-den-Württemberg die Lichter ausgehen, sowie mit sei-nen Polizeieinsätzen brachte er selbst die Wähler seinereigenen Partei auf die Barrikaden. Aber das alles hattenicht gereicht, um Filbingers Popularität zu untergra-ben. Da kamen die Schatten der Vergangenheit geraderecht.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Wenn man dieKontroverse um Filbinger, wie geschehen, auch alseinen tiefgreifenden Generationenkonflikt interpretiert,so wird man gleichzeitig erkennen müssen, dass dienachgewachsenen Generationen, also die 1978 undspäter Geborenen, in der Regel nicht einmal mehr denNamen Filbinger kennen. Vielleicht war das auch dertiefere Grund dafür, dass die Stuttgarter Kultusministe-rin Annette Schavan im Jahre 2000 Hochhuths histori-schen Roman „Eine Liebe in Deutschland“ als Unter-richtsstoff absetzte. Das Buch war bis dahin als Pflicht-lektüre auf dem Lehrplan für das Abitur an allen beruf-lichen Gymnasien in Baden-Württemberg gestanden.Wollte man mit dieser Maßnahme erreichen, dass dieSchüler mit der Affäre um den „furchtbaren Juristen“erst gar nicht in Berührung kamen? Ich denke, gerade

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dieses Buch bietet eine Chance, der bleibenden Aufgabegerecht zu werden, über das düstere Kapitel der damali-gen Militärjustiz, ihrer Opfer und über den langen Wegder Aufarbeitung ihrer Geschichte aufzuklären.

8. Woran scheiterte Filbinger 1978 wirklich?

Es gesagt worden, Filbinger sei an seiner Nazi-Vergangenheit gescheitert. Deshalb habe sich die CDUgezwungen gesehen, ihn zu stürzen. Das ist so nichtrichtig. Sein Sturz muss anders gedeutet werden. Filbin-ger scheiterte nicht primär, weil ihm nachgewiesenwerden konnte, dass er als Ankläger die Todesstrafe fürden Matrosen Gröger gefordert hatte, auch nicht, weil erzwei Todesurteile gegen Deserteure gefällt hatte, ebensowenig, weil man ihm andere harte Urteile nachweisenkonnte (von denen im übrigen bis zum heutigen Tagenur ein Bruchteil bekannt ist). Er scheiterte daran, wieer mit diesen historischen Fakten in einer politisch sen-sibilisierten Öffentlichkeit umging.

In bin einer Meinung mit dem jungen Historiker undJournalisten Thomas Ramge, der gerade ein Buch überdie großen Polit-Skandale in Deutschland publiziert hatund darin auch die Affäre Filbinger behandelt. Erschreibt: „Filbinger scheiterte nicht an den Todesurtei-len, an denen er als junger Marinerichter beteiligt gewe-sen war. Er scheiterte an seiner Uneinsichtigkeit. Er logund verbog seine normale deutschnationale Existenz zuder eines heimlichen Widerstandskämpfers. Dies führtezu einer kollektiven Allergiereaktion.“ Hätte Filbingerim Frühjahr 1978 zugegeben: Ich habe damals ausAngst versagt, den – von ihm so titulierten - „linkenHexenjägern“ wäre ihr bestes Argument entrissen wor-den. Filbinger hat damals nicht erkannt, dass man einermoralischen Empörung nicht mit juristischen Entla-stungsdetails beikommen kann. Hätte er die Fakten aufden Tisch gelegt und Reue gezeigt, wäre der Fall ver-mutlich ausgestanden gewesen. Aber es scheint in derNatur dieses autoritären Machtpolitikers zu liegen,Fehler nicht eingestehen und Reue nicht empfinden zukönnen. Das mag man kritisieren. Es hatte auch seinGutes: So stieß die Affäre Filbinger eine breite gesell-schaftliche Beschäftigung mit dem Themen NS-Militärjustiz und ihren Opfern los, die – wenn manheute zurückblickt - in der Summe viel Positives be-wirkt hat.

Es ist gesagt worden, Filbinger habe für seine Unein-sichtigkeit mit dem Rücktritt vom Amte des Minister-präsidenten hinreichend „gebüßt“. Damit sei die Sachedoch erledigt – „Schwamm drüber!“ -, und man solledoch – bitte schön - auch seine unbestreitbaren polit i-schen Verdienste nicht vergessen. Hierzu ist zu sagen:Wenn Buße etwas mit Reue zu tun hat, so wird manschwerlich sagen können, er habe sie geleistet.

9. Filbingers Kampf um politische Rehabilitierung

Nach seinem erzwungenen Rücktritt als Ministerprä-sident kämpfte Filbinger unverdrossen um seine polit i-sche Rehabilitierung. Allen, die es hören wollten, prä-sentierte er sich als unschuldiges Opfer einer „gelenkten

Rufmordkampagne“, wobei er nicht davor zurüc k-schreckte, seinen Fall in einem Atemzug zu nennen mitdem von Papst Pius XII. und Winston Churchill. Umseiner Sicht der Dinge Gewicht zu verleihen, schrieb ersein – bereits erwähntes - Buch „Die geschmähte Gene-ration“. Einige freundliche Rezensenten, unter ihnenGolo Mann, äußerten Verständnis für seinen Groll. Fürdie Kritiker war der Fall Filbinger dagegen erledigt. DerRezensent des „Spiegel“ urteilte damals sichtlich resi-gniert: „In der Tonlage einer teils weinerlichen, teilsaggressiven Selbstrechtfertigung ist das Buch durchzo-gen von der Weigerung eines konservativen Herren-menschen, seine eigene Gnadenlosigkeit wahrzuneh-men.“

Jeden Kritiker und jede Kritikerin, die öffentlich be-haupteten, als Filbingers Händen klebe Blut, verklagteer regelmäßig oder ließ Richtigstellungen verbreiten.Ich will zwei Beispiele nennen. Vier Leserbriefschrei-ber, unter ihnen der Waldshuter DGB-KreisvorsitzendeManfred Dietenberger und der Juso-KreisvorsitzendeAlexis von Komorowski, attackierten Filbinger im Fe-bruar 1990 mit Formulierungen, die dieser als Beleid i-gung und üble Nachrede einstufte. Bei der WaldshuterStaatsanwaltschaft stellte er einen Strafantrag gegen dieLeserbriefschreiber. Die Staatsanwaltschaft prüfte denVorgang sorgfältig und stellte dann fest, die Behaup-tungen der Kritiker seien im Kern wahr und überschrit-ten nicht die Grenzen der Meinungsfreiheit.

Das zweite Beispiel kommt aus der Kleinstadt Wald-kirch. Dort wurden im Jahre 1995 - als eine etwas ande-re Erinnerung an das Kriegsendes 1945 - Deserteurs-Gedenkwochen veranstaltet. Ein Bericht der „BadischenZeitung“ über eine der Veranstaltungen erhielt auch denfolgenden Satz: In den letzten Tagen des Krieges sindTausende junger Männer dem „Durchhalteterror“ zumOpfer gefallen – „darunter auch die fünf Erschossenenvon Waldkirch und der 22jährige Matrose Gröger, dernach einem Urteil des Marinerichters Hans Filbinger am16. März 1945 in Oslo getötet wurde“. Daraufhin ließFilbinger seinen Rechtsanwalt Prof. Dr. Gerhard Ham-merstein per Leserbrief, den die „Badische Zeitung“veröffentlichte, antworten: „Filbinger sprach kein Ur-teil“, und weiter: „Es gibt kein Urteil von Hans Filbin-ger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte.Dies ist seit langer Zeit erwiesen.“

Mit verbalen Kunstgriffen dieser Art versucht Filbin-ger seit Beginn der Auseinandersetzungen, seine juristi-sche Rolle als Marinerichter zu minimieren und seinemoralische Verantwortung zu leugnen. „Alles längstwiderlegt!“ lautet denn auch das Echo von Repräsen-tanten der CDU. Durch diese Taktik ist es der Filbinger-Lobby immerhin gelungen, eine gewisse Verunsiche-rung hervorzurufen.

10. Erneut überprüft: Der Fall des Matrosen Walter Gröger

Da das Todesurteil gegen den Matrosen Walter Grö-ger seit 1978 im Mittelpunkt der Auseinandersetzungensteht, haben wir diesen Fall noch einmal exemplarisch

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aufgearbeitet. Dankenswerter Weise recherchierte derFreiburger Historiker Florian Rohdenburg M.A. imBundesarchiv, Zentralnachweisstelle Kornelimünsterbei Aachen, wo die Militärgerichtsakten aufbewahrtwerden. Sein Ergebnis deckt sich mit dem bisher Be-kannten, legt aber weitere Facetten des Falles frei. Eslautet – in meinen eigenen Worten formuliert – folgen-dermaßen:

Der Matrose Walter Gröger machte im Dezember1943 in Oslo den Versuch, dem Kriegsdienst zu entflie-hen. Wie seine damalige norwegische Freundin beric h-tet, hasste er den Krieg und wollte nicht mehr kämpfen.Er wurde verhaftet und kam vor ein Krieggericht. DerFall Gröger zog sich lange hin: von der Fahnenflucht imDezember 1943 bis zu seiner Hinrichtung am 16. März1945. Die zwischen diesen Daten liegenden 16 Monateverbrachte der Verurteilte in Wehrmachtgefängnissen,die von überlebenden Gefangenen als „wahre Hölle“charakterisiert werden. Die Akte Gröger ist umfang-reich, und die Einzelheiten der verfahrensrechtlichenAbläufe sind nur mit etlichem Aufwand nachzuvollzie-hen. Das kann hier nicht geleistet werden, soll es auchnicht, da man sich damit genau auf jene Ebene begebenwürde, auf der sich Filbinger und Co. stark fühlen. Ichfasse die Vorgänge folgendermaßen zusammen: Mar i-nestabsrichter Dr. Filbinger war mit dem Fall Grögernicht von Beginn an befasst, sondern erst in der letztenPhase. Zunächst, Anfang 1944, sollte der DeserteurGröger nur mit 8 Jahren Zuchthaus und Verlust derWehrwürdigkeit bestraft werden. Das akzeptierte derGerichtsherr, ein Admiral, jedoch nicht und verlangte -auf Vorschlag des begutachtenden Marinejuristen - einehöhere Strafe, nämlich die Todesstrafe. Hinsichtlich desTatbestandes der versuchten Desertion waren keineneue Erkenntnisse hinzu gekommen. Allerdings ließensich die Militärjuristen von einer anderen Geschichte,die mit der Desertion gar nichts zu tun hatte, negativbeeinflussen: Gröger hatte die Uniformjacke eines Ka-meraden mit Auszeichnungen aus dem Ostkrieg alsseine eigene ausgegeben. Als Dr. Filbinger in das Ver-fahren eintrat, lag die Forderung des Gerichtsherrn, dieTodesstrafe zu verhängen, bereits auf dem Tisch. Mari-nestabsrichter Dr. Filbinger führte sie aus und bean-tragte als Ankläger die Todesstrafe für Gröger. Diesewurde dann vom Vorsitzenden Richter, Marineober-stabsrichter Dr. Harms, auch verhängt und durch denOberbefehlshaber der Kriegsmarine bestätigt. Filbingergab dem Matrosen das Todesurteil und die Ablehnungeines Gnadenerweises bekannt, ließ sich von diesem dieBekanntmachung schriftlich bestätigen und beaufsic h-tigte hernach als „Leitender Offizier“ die vom Gerichts-herrn angeordnete Vollstreckung. Knapp zwei Stundennach der Bekanntgabe wurde der Verurteilte von einemExekutionskommando erschossen. Der Matrose WalterGröger war gerade 22 Jahre alt.

Bei der rückblickenden Betrachtung dieses Falles in-teressiert uns in erster Linie die Frage, ob Filbingerdamals anders hätte handeln können, wenn er denngewollt hätte. Die Antwort lautet: Im Prinzip ja! Aberdann hätte er eine Portion Zivilcourage zeigen müssen,

die ihm wesensfremd war. Er hätte dem Gerichtsherrnbeziehungsweise dessen juristischen Beratern sagenkönnen, er halte das erstinstanzliche Urteil nach wie vorfür ausreichend, und er hätte dieses Votum mit demunsoldatischen Charakterbild des Matrosen begründenkönnen. Eine abweichendes Votum dieser Art hätte ihmjedenfalls keine Nachteile eingebracht. Es ist nämlichbislang kein einziger Fall bekannt, dass ein Militärric h-ter oder –ankläger, der den Vorgaben seines Gerichts-herrn nicht folgte, persönlich gemaßregelt worden wäre.Entgegen späteren Behauptungen Filbingers gab esdiesen Handlungsspielraum sehr wohl. Aber er wurdevon dem Konformisten Filbinger weder gesucht nochgenutzt, weil er die Todesstrafe für diesen „hoffnungs-losen Schwächling“ – so hatte ihn sein direkter militäri-scher Vorgesetzter bezeichnet -, grundsätzlich für ric h-tig hielt. Gröger hatte eine ganze Latte von militärischenVorstrafen und schien für die kämpfende Volksgemein-schaft ohne Wert zu sein. Warum sollte Filbinger einensolchen Mann zu retten versuchen?

Einen späten Beleg für diese menschenverachtendeGrundeinstellung lieferte Dr. Hans Filbinger noch imJahre 1995. In dem bereits erwähnten Leserbrief, denFilbinger seinen Rechtsanwalt Hammerstein veröffent-lichen ließ, heißt es wörtlich: „Der Matrose G. war inNorwegen fahnenflüchtig geworden.“ Er bezeichneteden Matrosen Walter Gröger also auch noch 50 Jahrenach dessen Erschießung als „Matrosen G.“ – Ge Punkt!-, nannte nicht einmal seinen vollen Namen - als Sym-bol für den ganzen Menschen -, und verweigerte ihmdamit einmal mehr den Respekt. Seine Gewährsleutedagegen, Angehörige der bundesrepublikanischen Füh-rungselite, führte er mit Vornamen, Nachnamen undallen Titeln auf. Ich lese diese Sätze als ein Indiz für dieVerachtung, die Hans Filbinger damals für den Deser-teur Gröger hegte und offensichtlich noch heute hegt,für diesen kleinen Mann in Uniform, den Zwangsver-pflichteten, der nicht funktionierte, wie Hitlers Wehr-macht und die Militärrichter es wünschten. – Vor weni-gen Tagen (10.9.03) stellte Filbinger in Stuttgart einenehemaligen Wehrmachts-Oberleutnant namens GuidoForstmaier vor, der aussagte, nur dank des Einsatzesvon Filbinger sei „ein sicheres Todesurteil“ gegen ihnverhindert worden. Damit bestätigte er einmal mehr,dass es für einen Marinerichter Handlungsspielräumegegeben hat. Nun denn: Warum hat er es im Falle Grö-ger an diesem Einsatz fehlen lassen?

In dem erwähnten Leserbrief Filbinger/Hammersteinaus dem Jahre 1995 folgen zeitgeschichtliche Auslas-sungen über den Fall des Matrosen Walter Gröger, die –um es vornehm auszudrücken - mit den historischenFakten nichts zu tun haben. Ich zitiere: „Der Matrose G.war in Norwegen fahnenflüchtig geworden, nachdemdie Marine im Frühjahr 1945 die Rettungsaktion überdie Ostsee durchführte, bei der 2,5 Millionen Menschen,Männer, Frauen und Kinder, gerettet wurden. Fahnen-flucht gefährdete diese größte humane Rettungsaktionüber See der Geschichte, weshalb der Befehlshaber, derzugleich Gerichtsherr war, die Höchststrafe forderte.

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Jede Armee der Welt bedroht Fahnenflucht mit derHöchststrafe.“

Wie wir bereits wissen, desertierte der Matrose Grö-ger nicht im Frühjahr 1945, wie Filbinger behauptet,sondern bereits im Dezember 1943. Dessen Fahnen-flucht stand also mit den Evakuierungmaßnahmen überdie Ostsee in keinerlei Verbindung. Filbinger wollte mitseinem Hinweis auf die „größte humane Rettungsaktionder Geschichte“ die besondere Schändlichkeit der De-sertion dieses Marinesoldaten herausstellen und damitum Verständnis für das Todesurteil werben. Seine Tat-bestandsdarstellung ist jedoch wahrheitswidrig, und ichfrage mich, woher Filbinger den Mut nimmt, die Öf-fentlichkeit in dieser Weise irre zu führen.

Nächster Punkt: Filbinger/Hammerstein erklärten er-neut: „Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch dasein Mensch sein Leben verloren hätte.“ Mit dieser –formal betrachtet korrekten - Formulierung wird ab-sichtsvoll der Tatbestand verschleiert, dass Filbinger inseiner Rolle als Ankläger für Gröger die Todesstrafeforderte und so in der Maschinerie der damaligen Mari-nejustiz eine durchaus aktive Rolle spielte. Mit der ge-wählten Formulierung wird ebenfalls verschleiert, dassFilbinger zwei Todesurteile gegen flüchtige Deserteurefällte, die nur deshalb nicht vollstreckt werden konnten,weil die betreffenden Soldaten zu den wenigen Glückli-chen gehörten, die nicht gefasst wurden, sondern denenes gelang, sich dem Zugriff der Wehrmacht erfolgreichzu entziehen.

11. Zusammenfassende Bewertung der Tätigkeit Filbingers als Marinerichter

Filbinger war also an Todesurteilen beteiligt und erhat selbst Todesurteile gefällt. Er hat als ein – gar nichtso kleines – Rädchen in dem militärischen Gewaltappa-rat des NS-Regimes funktioniert. Er war kein Sand imGetriebe, sondern Öl. Er hat sich in der Rolle des Mili-tärrichters genau so verhalten, wie es die militärischeund politische Obrigkeit des NS- Staates von ihm er-wartete. Er hat sich auch das von der NS-Ideologie ge-prägte Soldatenbild zu eigen gemacht und selbst – auseiner Herrenmenschen-Mentalität heraus – dazu beige-tragen, dass schwächliche, unmilitärische Soldaten ausder kämpfenden Volksgemeinschaft „ausgemerzt“ wur-den. Zumindest wenn es um diese kleinen Leute in Un i-form ging, hat Filbinger als Marinerichter kein Bemü-hen und keine Zivilcourage gezeigt, hat nicht gerettet,sondern ganz konform NS-Unrecht gesprochen, wie esdamals von ihm verlangt wurde. Es ist auch nicht zuerkennen, dass er sich damit schwer getan hätte. Filbin-ger war ein „furchtbarer Jurist“ insoweit, als er ein ganznormaler NS- Militärrichter war. Bei seinem – von 1978bis heute geführten - Kampf gegen diese Charakterisie-rung hat er nicht nur Einsicht und Reue vermissen las-sen, sondern es auch mit der Wahrheit nicht genau ge-nommen. Man erkennt einen Machtpolitiker, der dieArgumente und Mittel einsetzt, wie er sie geradebraucht.

12. NS-Militärjustiz und ihre Opfer im Meinungswandel der Gesellschaft

Gestatten Sie mir nun noch einen Blick auf die weite-re Entwicklung: Angestoßen durch die Filbinger-Affäresowie eine Reihe anderer Ereignisse, auf die an dieserStelle nicht eingegangen werden kann, setzte in derdeutschen Gesellschaft seit den frühen 80er Jahren eineintensive Beschäftigung mit der Geschichte der NS-Militärjustiz und ihrer Opfer ein. Die wissenschaftlicheForschung schritt voran. Ich nenne hier nur die NamenManfred Messerschmidt, Fritz Wüllner, Jörg Friedrichund Ingo Müller. Gleichzeitig räumten Historiker –nicht zuletzt Freiburger Militärhistoriker - mit der Vor-stellung von einer „sauberen“ Wehrmacht auf undzeichneten das Bild einer Wehrmacht im Vernichtungs-krieg. Vielerorts entstanden Initiativen zur Ehrung vonDeserteuren der Wehrmacht. In der Gesellschaft zeic h-nete sich bereits in den 90er Jahren ab, dass nunmehreine deutliche Mehrheit bereit war, den DeserteurenRespekt und Anerkennung zu bezeugen. Als Konse-quenz dessen geriet die Militärjustiz immer mehr in dieKritik.

Der skizzierte Meinungswandel konnte auf die Justizund die Politik nicht ohne Einfluss bleiben. Einen erstenFanfarenstoß gab das Bundessozialgericht (BSG) imJahre 1991 von sich. Es sprach der Hinterbliebeneneines Deserteurs eine Opferentschädigung zu und be-zeichnete die Urteile der NS-Militärgerichte gegen De-serteure als „offensichtlich unrechtmäßig“ und die Tä-tigkeit der Militärrichter als „terroristisch“ und „verbre-cherisch“. 1995 folgte der Bundesgerichtshof (BGH)mit seiner „späten Beichte“, wie Justizkritiker OttoGritschneder formulierte. Der BGH bezeichnete die inder NS-Militärjustiz tätig gewesenen Richter als„Blutrichter“, die sich eigentlich „wegen Rechtsbeu-gung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen hätten ver-antworten müssen“. Die Kriegsrichter hätten die Todes-strafe missbraucht und sie hätten als „Terrorjustiz“ ge-handelt.

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich seit denspäten 80er Jahren mit der Materie, kam aber nicht vor-an, da die tonangebenden Kräfte in den konservativenParteien durchgängig erkennen ließen, dass die Deser-teursfrage für sie nicht verhandelbar war, weil sie ihrpolitisches Grundverständnis von militärischer Ordnungund damit auch von politischer Macht tangierte. Mit denStimmen der Mitglieder aller Fraktionen beschloss derBundestag im Mai 1998 das Gesetz zur Aufhebungnationalsozialistischer Unrechtsurteile. Dazu gehörtenauch die Urteile gegen Kriegsdienstverweigerer undWehrkraftzersetzer, somit auch das Standgerichtsurteilvom April 1945 gegen die mutigen Männer von Brett-heim. Das Gesetz stieß damals in der deutschen und derinternationalen Öffentlichkeit auf ein positives Echo.Der allgemeine Tenor lautete: Endlich, nach beschä-mend langen 53 Jahren seit Kriegsende, ist das NS-Unrecht auch formal beseitigt!

Das Gesetz hatte allerdings einen Haken. Denn eszählte nur den „Volksgerichtshof“ und Standgerichte

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auf, nicht aber die NS-Militärgerichte, welche die mei-sten Todesurteile gegen die Deserteure gefällt hatten.Deren Urteile blieben von der Unrechtserklärung aus-genommen. Es bedurfte des Regierungswechsel von1998 zu Rot-Grün und weiterer zweieinhalb Jahre, bisdie Rehabilitierung dann endlich am 17. Mai 2002 –nach zwölfjährigem parlamentarischem Ringen - zueinem Abschluss gebracht werden konnte. Der DeutscheBundestag beschloss mit den Stimmen von SPD, Grü-nen und PDS und gegen die von CDU/CSU und FDPdie pauschale Aufhebung der Urteile gegen Deserteureder Wehrmacht und deren moralische Rehabilitierung.

Auf dem Weg dorthin hatten sich die Richter, dieschon in der NS-Zeit in ihren Ämtern saßen, als einbestimmender Hemmschuh erwiesen. Es lässt sichnachvollziehen, dass die Vorstellung, die überlebendenDeserteure der Wehrmacht könnten durch die Organedes demokratischen Staates rehabilitiert werden, fürdiese Richter eine erhebliche Bedrohung darstellte.Denn das hätte ja bedeutet, dass ihre Todesurteile alsMord oder als Beihilfe zum Mord gewertet würden.

13. Filbinger aus der Sicht von Opfern der NS-Militärjustiz

Ich möchte Sie nun abschließend einladen, mit mirzusammen den „Fall Filbinger“ einmal mehr aus derPerspektive von Opfern der NS-Militärjustiz zu be-trachten. Etwa der von Ludwig Baumann, den ich dazueigens interviewt habe. Baumann ist der Sprecher derer,die damals als Deserteure und Wehrkraftzersetzer ver-urteilt wurden und von denen mehr als 15.000 hinge-richtet wurden. Er gehört zu den wenigen Deserteurender Wehrmacht, die heute noch leben, und er hat uner-müdlich und schließlich erfolgreich für die Rehabilitie-rung der Opfer der NS-Militärjustiz gekämpft. - Bau-mann sieht in Filbinger einen jener „Blutrichter“, diedamals über Leben oder Tod von einfachen Soldatenentschieden, die sich dem Vernichtungskrieg zu entzie-hen versuchten. - Er sieht in ihm einen von jenen Ric h-tern, für die Desertion „das schimpflichste Verbrechen“war, „das der deutsche Soldat begehen kann“, einschlimmeres Verbrechen sogar als Mord (so Kriegs-richter Lüder in seinem Todesurteil gegen Baumann). -Er sieht in ihm auch einen von den vielen Juristen derNS-Zeit, denen nach 1945 aus ihrer Tätigkeit als HitlersKriegsrichter keinerlei Nachteile erwuchsen; einenMann, dem es immer gelang, „oben“ zu bleiben, derunangefochten eine juristische und politische Karrieremachen konnte, dann zwar aus seinem hohen Amtstürzte, aber doch der unbußfertige Starrkopf blieb undder in diesem Starrsinn – irgendwie doch – auf die Op-fer noch heute bedrohlich wirkt. Die Opfer dieser Ter-rorjustiz sind dagegen ein Leben lang gedemütigt undkriminalisiert worden. - Für ihn sei es unglaublich undes bringe ihn um den Schlaf, sagt Baumann, wenn erdaran denke, dass Filbinger die Dreistigkeit hatte, zusagen, was damals Recht war, könne heute nicht Un-recht sein: Denn diese Sicht habe ja dazu geführt, dassdie Deserteure der Wehrmacht – auch die von Filbinger

verurteilten – noch bis zum Jahre 2002 als vorbestraftgalten. - Ludwig Baumann ist empört, dass ein solcherMann zu seinem 90. Geburtstag öffentlich geehrt undgewürdigt werden soll. Denn dadurch würde der endlicherreichte Stand der Geschichtsaufarbeitung doch gleic h-sam zurückgedreht und die Geschichte wieder umge-schrieben.

14. Schluss

Die Initiatoren haben diese Veranstaltung unter dasMotto gestellt: „Was Unrecht war, kann nicht Rechtsein!“ Diese Erkenntnis stellt in unserer Gesellschaftheute niemand in Zweifel. Hans Filbinger jedoch hat andem Flug der Zeit offensichtlich nicht teilzunehmenvermocht und ist bis zum heutigen Tage unbelehrbargeblieben. Und was ist mit der – eingangs zitierte -Brettheim-Rede aus dem Jahre 1960, in der Filbingervom „schreienden Unrecht“ gesprochen hatte, das demMännern von Brettheim widerfahren sei? Vor demHintergrund der auffallenden Kontinuitäten in seinerVita erscheint diese Rede als eine populistische Aktion,der kein wirklicher Meinungswandel zugrunde lag. Eswar ein Aufspringen auf den Zug der öffentlichen Ent-rüstung über das Urteil, und es war, wie erwähnt, derVersuch, der SS die Verantwortung für die „Dreckar-beit“ zuzuschieben.

Ich komme zum Schluss: Wir nehmen die Gelegen-heit des 90. Geburtstages von Hans Filbinger wahr, umüber die NS-Militärjustiz im allgemeinen aufzuklärenund über die Rolle des Marinerichters Filbinger im be-sonderen. Aber auch, um die Erinnerung an die Opferder NS-Militärjustiz wach zu halten, die Erinnerung anden Matrosen Walter Gröger und an die vielen Tausenddeutschen Soldaten, die sich dem Krieg verweigertenund dafür von willfährigen Nazi-Richtern von Staatswegen zum Tode verurteilt und dann hingerichtet wor-den sind.

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http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/473169

Vor 25 JahrenDer Sturz eines Landesvaters1978 trat Hans Filbinger zurück

Stuttgart - Hans Filbinger konnte die Schattender Vergangenheit nie abschütteln. Dasmusste der frühere baden-württembergischeMinisterpräsident in den vergangenen Tagenwieder schmerzhaft erfahren.

Seine Tätigkeit als Marinerichter während derNS-Zeit sorgt erneut für öffentliche Debatten,seit ein geplanter Empfang der Stadt Freiburgzu seinem bevorstehenden 90. Geburtstag imSeptember bekannt wurde. Vor 25 Jahren istder in Mannheim geborene CDU-Politikernach knapp 12 Jahren als Ministerpräsidentzurück getreten. Bis heute sieht er sich jedochals Opfer "einer politisch gesteuerten Ruf-mordkampagne". Von Schuld wollte er nieetwas wissen.

Auslöser war im Februar 1978 eine Veröffent-lichung des Schriftstellers Rolf Hochhuth inder Wochenzeitung "Die Zeit". Dadurch wirddie Mitwirkung Filbingers an Todesurteilen beiKriegsgerichtsverfahren bekannt. Mit einerKlage vor dem Stuttgarter Landgericht aufUnterlassung siegt der Ministerpräsident nurteilweise. Hochhuth darf weiterhin behaupten,Filbinger sei als "Hitlers Marinerichter" ein"furchtbarer Jurist" gewesen und habe "sogarnoch in britischer Gefangenschaft nach HitlersTod einen deutschen Soldaten mit Nazi-Gesetzen verfolgt." Nach und nach werdenvier Todesurteile bekannt, an denen Filbingermitgewirkt hatte, darunter der Fall des Matro-sen Walter Gröger. Das von Filbinger bean-tragte Todesurteil gegen Gröger wegen Fah-nenflucht wurde in Gegenwart des Marine-richters vollstreckt. Zwei weitere von ihm sobezeichnete "Phantomurteile" ergingen gegenDeserteure im sicheren Schweden. Ein vier-tes Todesurteil wurde auf sein Betreiben um-gehend in eine achtjährige Freiheitsstrafeumgewandelt.

Als der Regierungschef die nach und nachbekannt werdenden Fälle eingestehen muss,wird die öffentliche Kritik - auch aus den eige-

nen Reihen - zu stark. Am 7. August 1978 gibtder Unionspolitiker seinen Rücktritt vom Amtdes Ministerpräsidenten bekannt; seine Par-teiämter, unter anderem als stellvertretenderCDU-Bundesvorsitzender, übt er noch ge-raume Zeit aus. Bis heute ist er Ehrenvor-sitzender der Südwest-CDU.

Dass die Partei den umstrittenen Politiker niefallen ließ, hat Gründe. Denn er verkörperte inden siebziger Jahren das Bild vom idealen"Landesvater". Der Jurist war 1951 in dieCDU eingetreten und gehörte von 1960 bis1980 dem Landtag an. Er wurde zunächstInnenminister und 1966 Nachfolger von Mini-sterpräsident Kurt Georg Kiesinger (CDU), alsdieser zum Bundeskanzler gewählt wurde.

Mit Filbinger wich die CDU/FDP-Koalition inStuttgart einer Großen Koalition aus CDU undSPD. Als deren größte Leistung wird einegegen massive Widerstände durchgesetzteumfassende Kreis- und Verwaltungsreformangesehen. Damals wurde die Zahl der Land-kreise von 63 auf 35 verringert. Bei der an-schließenden Gemeindereform blieben vonehemals 3400 eigenständigen Kommunen1110 übrig.

Filbinger wurde drei Mal als Regierungschefbestätigt. 1972 errang er erstmals für dieSüdwest-CDU mit 52,9 Prozent die absoluteMehrheit. Vier Jahre später erreichte die CDUmit ihm ihren Zenit im Südwesten; sie kam auf56,7 Prozent der Stimmen. Heute lebt Filbin-ger in Freiburg.

Als die Landes-CDU vor gut einem Jahr ihr50-jähriges Bestehen feierte, räumte Filbingerin einem Rückblick durchaus Fehler in seinerRegierungszeit ein: "In der Frage des KKWWyhl lag ich falsch." Die Auseinandersetzungum das in Südbaden geplante, aber durchden Widerstand der örtlichen Bevölkerungletztlich verhinderte Atomkraftwerk gilt als dieGeburtsstunde der Ökologiebewegung und inder Folge der Partei Die Grünen.

dpa01.08.2003aktualisiert: 12.08.2003, 13:47 Uhr

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http://www.jungewelt.de/2002/10-28/014.php

junge Welt 28.10.2002 Martin Höxtermann

Schwarz-brauneBegegnungenRechte Umtriebe im Karlsruher»Haus der Heimat« setzen CDUunter Druck

Der Karlsruher CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsab-geordnete Ingo Wellenreuther gibt sich auch auf mehrmaligesNachfragen unwissend. »Ich weiß wirklich nicht, welche Red-ner zu welchem Zeitpunkt im Karlsruher Haus der Heimat refe-riert haben«, versicherte er am Freitag gegenüber jW. An»Spekulationen« wolle er sich nicht beteiligen. Doch einesweiß er mit Gewißheit: »Rot-Grün will mit dem Thema Rechts-extremismus politisch Kapital schlagen, und das ist inakzepta-bel«. Von einer »Rufmord-Schmutz-Kampagne der SPD«spricht sein Parteifreund Wolfgang Hanagarth, seines Zei-chens Geschäftsführer der CDU Nordstadt in Karlsruhe. Undkündigte rechtliche Schritte gegen die angeblich unwahrenBehauptungen der SPD an.

Den Zorn der Christdemokraten haben Vorwürfe der SPD-Landtagsfraktion erregt, nach der im »Haus der Heimat« re-gelmäßig Referenten zu Gast sind,die in der rechtsradikalen Szeneeinschlägig bekannt seien. Die »Be-gegnungs- und Bildungsstätte für alle in Karlsruhe wirkenden Landsmannschaften« wurde 1987 auf Initiativedes Vorsitzenden der örtlichen CDU-Gemeinderatsfraktion gegründet und soll »der Erhaltung und Pflege desKulturgutes der Vertreibungs- und Herkunftsgebiete der Deutschen im Südosten und Osten Europas« dienen.

Nach Erkenntnissen des SPD-Landstagsabgeordneten Günter Fischer waren die dort stattfindenden »Karls-ruher Freitagsgespräche« jedoch Begegnungen zwischen schwarzen und braunen Geistern. Berufen kann sichFischer auf eine Antwort, die das Stuttgarter Innenministerium auf eine entsprechende SPD-Anfrage gegebenhat und die sich auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stützt. Der Behörde zufolge kamen von insgesamt70 Referenten, die im »Haus der Heimat« sprachen, 13 Personen aus rechtsradikalen Zusammenhängen. DieNamen dieser 13 Redner werden von der CDU geheimgehalten – angeblich aus Datenschutzgründen. Für dieSPD ist das eine nicht nachvollziehbare Geheimniskrämerei, denn die Veranstaltungen waren öffentlich und imInternet angekündigt, sagte SPD-Landesfraktionssprecher Helmut Zorell. Die SPD kennt die Liste, darf sie abernicht veröffentlichen, weil sie auf einer nichtöffentlichen Sitzung des ständigen Ausschusses des StuttgarterLandtags genannt wurde.

Es sei Aufgabe des Innenministeriums, die Namen bekanntzugeben und damit zur Aufklärung beizutragen.Die SPD-Fraktion fordert Landesparteichef Erwin Teufel (CDU) auf, den »rechtsextremen Umtrieben seinerKarlsruher Funktionäre nicht länger tatenlos zuzusehen«. »Die Karlsruher CDU-Politiker, die jahrelang Treffenmit Rechtsextremen organisiert haben, müssen ihre Ämter niederlegen«, fordert Fischer. Gemeint sind der Vor-sitzende der CDU in Karlsruhe-Nordstadt, Andreas Gregor Wick, sowie Schriftführer Hanagarth. Letzterer wurde1999 als »Webmaster« des rechtskonservativen Studienzentrums Weikersheim abgelöst, weil er Links zurechtsradikalen Internetseiten eingerichtet haben soll. In Karlsruhe gestaltet Hanagarth inzwischen die Internet-seiten der CDU-Nordstadt, des Hauses der Heimat, des Bundes der Vertriebenen wie auch des früheren Mini-sterpräsidenten Hans Filbinger und gilt als Mitinitiator der Freitagsgespräche.

Einer der 13 Namen ist inzwischen durchgesickert und wird auch von der SPD bestätigt. Es ist Hans-UlrichKopp, ehemaliger Redakteur der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, Mitglied im völkisch-revanchisti-schen Witikobund und Alter Herr der rechtsextremen Münchner Burschenschaft »Danubia«, der 1993 und 1996im Haus der Heimat gesprochen haben soll. Beim »Haus der Heimat« wollte man keine Auskünfte erteilen undhängte auf jW-Nachfrage wortlos ein.

Referenten der "KarlsruherFreitagsgespräche" mit rechtsextre-mistischen / ultrarechten Hinter-grund kann man auf der Webseitevon MdL Braun (SPD) (s. Adresse amEnde der Spalte) nachlesen.

Dort heißt es:"...... Laut website der Karlsruher Frei-tagsgespräche vom 08.10.02 traten u.a.nachfolgend genannte Personen als Re-ferenten bei den Karlsruher Freitagsge-sprächen auf. Wir zeigen Ihnen auch inwelchen Organisationen und für welchePublikationen die hier aufgeführtenReferenten noch tätig sind oder warenund wie diese Organisationen und Pu-blikationen bewertet werden. Die Listeerhebt keinen Anspruch auf Vollstän-digkeit: Roland Bubik, Prof. Klaus Hor-nung, Albrecht Jebens, Heiner Kappel,Hans-Ulrich Kopp, Paul Latussek, Dr.Stephan Maninger, Alfred Mechters-heimer, Prof. Klaus Motschmann, Ed-mund Sawall, Caspar von Schrenk-Notzing, Wolfgang Strauss, Dr. FranzUhle-Wettler, Karlheinz Weißmann,Michael Wiesberg....."

http://www.stephan-braun-mdl.de/land/freitagsgespraeche-referenten.htm

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Quelle: http://www.ndrtv.de/panorama/data/rechtsradikale_in_der_cdu.rtf

PANORAMA Nr. 614 vom 6.6.2002

Vertuschen und verdrängenRechtsradikale in der CDU

AnmoderationAnja Reschke:

Den Aufstand der Demokraten hat Paul Spiegel, derVorsitzende des Zentralrats der Juden, gefordert.Viele haben Möllemanns inszenierten Tabu-Bruchlängst verurteilt. Tausende Bürger sind auf die Stra-ße gegangen. Auch die CDU polterte lautstark underbost über die FDP und Möllemanns Antisemit.„Ein Mann wie Herr Karsli hätte in der CDU keinenPlatz“, sprach Fraktionsvorsitzender Friedrich Merzund verschwand in seine gläserne CDU-Partei-zentrale. Wie war das noch gleich mit den Glashäu-sern? Genau – denn was sich in der CDU so anRadikalen, an Rechtsradikalen in ihren Reihen lei-stet, das haben Ariane Reimers und Volker Stein-hoff recherchiert. Namen und Daten vom braunenRand der CDU.

Kommentar:Schloss Weikersheim in Baden-Württemberg vorzwei Wochen. Prominente CDU-Mitglieder singendie Nationalhymne – zusammen mit Rechtsradika-len. Einige der hier Versammelten sind beides ineiner Person: CDU-Mitglied und rechtsradikal. EtwaAlbrecht Jebens, Vorstandsmitglied der rechtsex-tremen „Gesellschaft für Freie Publizistik“.

0-TonInterviewerin:„Herr Jebens, eine Frage an Sie: Sie sind Mitgliedder CDU?“

Dr. Albrecht Jebens:(CDU)„Ja.“

Interviewerin:„Und auf der anderen Seite sind Sie Funktionsträgerin der rechtsextremen Gesellschaft für Freie Publizi-stik – wie geht das zusammen?“

Dr. Albrecht Jebens:„Ich bin ein freier Mensch.“

Interviewerin:„Dann geht das zusammen?“

Dr. Albrecht Jebens:„Natürlich geht das zusammen.“

Kommentar:Den Verfassungsschützern ist dieser Verein bestensbekannt – durch Hetze gegen Juden und Verharm-

losung des Holocaust. In den Verfassungsschutzbe-richten gilt die Gesellschaft als „bedeutendsterechtsextremistische Kulturvereinigung“.

0-TonHelmut Rannacher:(Verfassungsschutz Baden-Württemberg)„Ich hätte bei der Gesellschaft für Freie Publizistikgar keinen Zweifel, dass es sich hier um eine deut-lich rechtsextremistische Organisation handelt. Werdort auftritt, muss sich dies anrechnen lassen, under muss es vor allem auch wissen, dass er sicheindeutig im rechtsextremistischen Milieu bewegt.“

Kommentar:Das Vorstandsmitglied dieser rechtsextremistischenOrganisation, CDU-Mann Albrecht Jebens, ist hier,bei der vornehmen Gesellschaft in Weikersheim,herzlich willkommen, umringt von prominenten Par-teifreunden. Mit dabei der hessische Ministerpräsi-dent Roland Koch – und auch ein Innenminister, dereigentlich Rechtsradikale bekämpfen sollte: JörgSchönbohm. Doch der will von den Aktivitäten sei-nes rechtsradikalen Parteifreundes nichts wissen.

0-TonJörg Schönbohm:(CDU, Innenminister Brandenburg)„Den Herrn Jeben, oder wie immer er heißt, kenneich nicht.“

Kommentar:Auch die CDU-Führung in Berlin gibt sich ahnungs-los. Den rechtsradikalen Albrecht Jebens kenneman nicht. Deshalb gebe es auch keinen Anlass, ihnaus der CDU rauszuwerfen.

0-TonLaurenz Meyer:(CDU-Generalsekretär)„Ich kenne die Fakten gar nicht, die Sie da anspre-chen, und kann deshalb auch gar nichts dazu sa-gen. Wie soll ich jemanden aus der Partei werfen,oder ich – die Kreisverbände – wie sollen die dasmachen, wenn sie die Fakten, von denen Sie dasprechen, überhaupt nicht kennen.“

Kommentar:Weitere Fakten, neue Namen. Dieser nur scheinbarhonorige Herr mit Professorentitel ist ebenfalls einCDU-Mitglied. Sein Name: Hans-Helmuth Knütter.Der CDU-Mann referiert auch gern auf weniger öf-fentlichen Veranstaltungen, etwa hier, in Hohenro-da, ein entlegenes Dorf in Hessen, beim Gipfeltref-fen der deutschen Naziszene. Filmaufnahmen sindbei diesen Treffen absolut unerwünscht

0-TonOrdner:„Also, das möchten wir doch nit.“

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Kommentar:Kein Wunder, denn hier treffen sich neben CDU-Mitgliedern wie Knütter auch führende NPD-Funktionäre, bekannte Auschwitz-Leugner und ge-waltbereite Neonazis. Eingeladen hat die „Gesell-schaft für Freie Publizistik“. Deren Hauptanliegen istbekannt.

0-TonHelmut Rannacher:(Verfassungsschutz Baden-Württemberg)„Das ist ein Thema, was sich über die ganzen Jahr-zehnte durchzieht, Verniedlichung, Verharmlosungsowohl des Themas Krieg und Kriegsschuld, alsauch Infragestellen der Vergasung von Millionenvon Juden.“

Kommentar:Wir versuchen in den Versammlungssaal zu kom-men. 350 Rechtsradikale sitzen hinter diesen Türen.

0-TonInterviewerin:„Keine Möglichkeit, da reinzugucken einmal?“

Ordner:„Es spricht gerade einer, der Professor Knütterspricht.“

Kommentar:Mit der Kamera keine Chance – aber wir gelangenan eine Tonaufnahme des Vortrags. CDU-MannKnütter lobt die schlagkräftigen jungen Kameradenund propagiert Gewalt mit Leidenschaft.

0-Ton (Tonbandmitschnitt)Prof. Hans-Helmuth Knütter:(CDU)„Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngeredas tun können, mit persönlichem, mit körperlichemEinsatz für die Durchsetzung der politischen Zieleeinsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. DieÄlteren können aber auch etwas tun. Man wird auchden hier Anwesenden aufgrund des Alters wohlkaum zumuten können, sich an Saalschlachten undStraßenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tunkönnen, ist natürlich: Geld sammeln, Aktionen er-möglichen.“

Kommentar:Saalschlachten und Straßenkämpfe? Der Aufruf zurgewaltsamen Durchsetzung von politischen Zielen?Dazu wollen wir den CDU-Professor befragen.

0-TonInterviewer:„Sie sind Mitglied der CDU. Was machen Sie hierund halten für einen Vortrag?“

Prof. Hans-Helmuth Knütter:„Wie kommen Sie dazu, mich hier einfach zu befra-gen?“

Kommentar:Der kamerascheue CDU-Mann ergreift die Flucht.Sein rechtsradikales Gedankengut, sein Engage-ment für Gewalt – über all das will man in der Berli-ner CDU-Zentrale noch nie etwas gehört haben.Wieder mal nur Ahnungslosigkeit.

0-TonLaurenz Meyer:(CDU-Generalsekretär)„Ich kenne den überhaupt nicht, der Name ist mirvöllig unbekannt. Also so wichtig scheint der wirklichnicht zu sein.“

Kommentar:Unbekannt sind der CDU-Spitze sicher auch dierechtsradikalen Aktivitäten dieses Mitgliedes: KlausHornung. Der Geschichtsprofessor publiziert gernund oft. Seine Aufsätze finden sich auch in Zeit-schriften und Büchern rechtsradikaler Verlage, soetwa im Verlagsimperium des rechtsextremen Gra-bert-Verlages. Dessen Themen sind dem Verfas-sungsschutz seit Jahren wohl bekannt.

0-TonHelmut Rannacher:(Verfassungsschutz Baden-Württemberg)„Das Thema Holocaust, Auschwitz-Lüge spielt na-türlich eine Rolle. Wir haben tendenziell auch ineiner Reihe von Werken rassistische Tendenzen,die hier immer wieder zu verfolgen sind. Also diegesamte Palette rechten, rechtsextremen Gedan-kenguts kommt hier immer wieder hoch.“

Kommentar:Dem CDU-Mann Klaus Hornung ist ganz offensicht-lich klar, für welchen Verlag er da schreibt. Erklä-rungsversuch:

0-TonProf. Dr. Klaus Hornung:(CDU)„Ja, ja, ich bin – also bei dem Grabert-Verlag mages viele Probleme geben. Und ich selber kann alsHistoriker nur sagen – mit Holocaust-Leugnung –das ist nicht mein Thema – das .....“

0-TonHelmut Rannacher:(Verfassungsschutz Baden-Württemberg)„Wir gehen schon davon aus, dass sich jemand, derin einem entsprechenden Verlag veröffentlicht, dereinen entsprechenden Vortrag hält bei einer Organi-sation, die im Verfassungsschutzbericht aufscheint,dass der sich im Klaren darüber ist, in welcher Ge-sellschaft er sich befindet.“

Kommentar:Professor Klaus Hornung tritt auch im Schloss Wei-kersheim auf, inmitten von vielen CDU-Größen,mimt den Biedermann. Er ist sogar der Präsidentdieses rechtskonservativen Treffens. Sein promi-

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nenter Stellvertreter: CDU-Innenminister Schön-bohm. Doch der will von den Aktivitäten seinesParteifreundes bei den Rechtsradikalen nichts wis-sen.

0-TonInterviewerin:„Ihr Mitvorsitzender, Klaus Hornung, publiziert inrechtsextremen Verlagen, macht auch Vorträge vorrechtsextremen Vereinigungen – kommt das nicht indie Quere Ihnen auch als Innenminister, als CDU-Innenminister?“

Jörg Schönbohm:(CDU, Innenminister Brandenburg)„Ich weiß nicht, ob es in rechtsextremistischen oderwelchen Bereichen Herr Hornung publiziert – er istein anerkannter Historiker, er hat eine Menge publi-ziert, auch zum Totalitarismus in unserer Zeit.“

Kommentar:Ahnungslosigkeit, aber auch Anerkennung für KlausHornung durch die CDU-Prominenz. Parteifreundeunter sich. Und die Parteiführung in Berlin?

0-TonLaurenz Meyer:(CDU-Generalsekretär)„Ich muss Ihnen ganz offen sagen, ich wollte auchsolche Personen, falls es sie denn gibt, keinesfallsaufwerten dadurch, dass sich etwa Landes- oderBundesvorstände gar damit beschäftigen.“

Kommentar:Beschäftigung gäbe es eigentlich genug, denn dievon PANORAMA recherchierten Personen sind nureinige von vielen rechtsradikalen CDU-Mitgliedern.Einer sitzt sogar für die Union im Bundestag: MartinHohmann. Er ist Referent bei verfassungsschutzbe-kannten Rechtsradikalen.

Oder Joachim Siegerist - nicht nur wegen Volksve r-hetzung verurteilt, sondern auch noch Chef desrechtsradikalen Vereins "Die deutschen Konservati-ven".

Oder Hannes Kaschkat - der Vertriebenenfunktionärder CSU publizierte im rechtsextremistischen Gra-bert-Verlag wie auch verschiedene Auschwitz-Leugner.

Burschentag auf der Wartburg in Thüringen vor zweiWochen. Auch hier tummeln sich Rechtsextremisten- unter anderem in der Burschenschaft Danubia ausMünchen, den bayerischen Verfassungsschützernbestens bekannt.

0-TonGünther Beckstein:(CSU, Innenminister Bayern)„Unter den Burschenschaften, wo es mehrere gibt,die rechte Demokraten sind, ist die Danubia eine,

die aus unserer Sicht eindeutig rechtsextremistischist. Und deswegen haben wir festgehalten, dass dieMitgliedschaft in der Verbindung der Danubier auchabgefragt wird, wenn jemand in den öffentlichenDienst in Bayern will.“

Kommentar:Seine Konsequenz: Berufsverbot für die Rechtsex-tremisten. Umso erstaunlicher, wer dieser Bur-schenschaft so alles angehört. Ihr Sprecher gibtAuskunft.

0-TonSascha Jung:(Burschenschaft Danubia)„Es ist halt so, dass zahlreiche Mitglieder der Akti-vitas – der alten Herren ohnehin – Mitglieder vonCDU und CSU sind oder Junge Union der CSU.Und das sind vor allem auch diejenigen, die in denletzten Jahren für die politische Arbeit meines Bun-des, die eine sehr ausgeprägte politische Arbeit ist,also immer wieder interessante Vorträge verant-wortlich sind.“

Kommentar:CSU-Mitglieder also als Extremisten. Der bayeri-sche Innenminister ist überrascht über die Aktivitä-ten seiner Parteifreunde.

0-TonGünther Beckstein:(CSU, Innenminister Bayern)„Es muss unter Umständen eine Partei auch Leuteausschließen, wenn es sich herausstellen sollte,dass Extremisten in der Partei sind. Aber darüberhabe ich keine Erkenntnis. Für mich ist dieses The-ma, ehrlich gesagt, bisher auch nicht aufgetaucht.“

Kommentar:Jahrzehntelang hat sich die Union offenbar nicht mitihren rechtsradikalen Mitgliedern beschäftigt, hateinfach weggesehen. Jetzt aber gibt sich der Gene-ralsekretär nachdenklich – zumindest vor unsererKamera.

0-TonLaurenz Meyer:(CDU-Generalsekretär)„Da muss ich Sie wirklich schon bitten, wenn Sie dawirklich was haben, vielleicht dass Sie uns das ein-fach mal schriftlich geben. Und dann werden wir unsda selbstverständlich mit beschäftigen.“

Bericht: Anton Maegerle, Ariane Reimers,Volker Steinhoff

Schnitt: Birgit Bossbach

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Wir über uns Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)

Die VVN wurde von den über-lebenden Verfolgten und Wider-standskämpfern gegen den Hitler-faschismus gegründet. Bei ihrem Gründungskongress im März 1947 formulierten sie ihre Aufga-ben so: "über alle Parteien, Be-kenntnisse und Abstammungen hinweg eine Vereinigung der Menschen zu schaffen, die war-nen, die aufpassen, die den Zei-gefinger heben, und die schrei-en, und die notfalls mit allen Mit-teln der Kraft, der Zahl und der Überzeugung, die sie verkör-pern, der Welt zeigen, wie not-wendig es ist, gegen den Nazis-mus zu kämpfen". Der Schwur der Überlebenden des Konzent-rationslagers Buchenwald "Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg" ist die ungebrochene Leit-linie all unserer Bestrebungen.

Die VVN wurde 1971 mit dem Namenszusatz "Bund der Antifa-schisten" für junge Menschen geöffnet, die sich diesen Grün-dungszielen verpflichtet sehen. Die VVN-BdA ist bundesweit or-ganisiert und hat weit über 10.000 Mitglieder.

Unseren wichtigsten ge-schichtlichen Auftrag sehen wir darin, durch Vermittlung der Fak-ten dazu beizutragen, dass die Verbrechen des deutschen Fa-schismus und die Namen und Schicksale der Opfer niemals vergessen werden, dass wieder gelernt wird, dass der Faschis-mus nicht über Nacht kam, son-dern mittels Sozial- und Demo-kratieabbau im Verein von Politik und Wirtschaft vorbereitet wurde und dass die rechtzeitige ge-meinsame Gegenwehr über poli-tische und weltanschauliche Grenzen hinweg geeignet gewe-sen wäre, eine solche Katastro-phe zu verhindern.

Der deutsche Widerstand ge-gen den Faschismus war mit der Zerschlagung der politischen Parteien der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften keines-

wegs beendet, er hielt während der ganzen 12 Jahre des "Tau-sendjährigen Reiches" an und reichte bis hinein in die Hölle der Konzentrationslager. In dem hier dokumentierten Stadtrundgang wird einiges darüber ausgesagt. Einer unserer früheren Kreisvor-sitzenden, Karl Wagner ( 1983), hat im KZ Dachau Widerstand gegen die SS geleistet und hun-derten von Häftlingen das Leben gerettet (s. Kasten). An solchen Vorbildern orientieren wir unsere Tätigkeit.

Die Kreisorganisation veran-staltet in jedem Jahr: • einen Vortrag mit Diskussion

anlässlich des Tags der Be-freiung am 8. Mai zusammen mit dem DGB,

• eine Aktion am 9. November, anlässlich der Pogromnacht 1938 gegen die jüdische Be-völkerung und

• eine Gedenkfeier für die Op-fer des Hitlerfaschismus am Totensonntag auf dem Haupt-friedhof.

Als weiteres Beispiel für Veran-staltungen sei der gemeinsam von VVN-BdA, ver.di und DGB getragene Brecht-Abend zum 60. Jahrestag der Bücherverbren-nung in Karlsruhe genannt.

Wir organisieren Fahrten zu Gedenkstätten und beteiligen uns am Friedensbündnis und am

Antifaschistischen Aktionsbünd-nis, das sich zum Ziel gesetzt hat, jedes Auftreten von Neona-zis in Karlsruhe zu unterbinden.

Wir leisten eigene Beiträge gegen die Rechtsentwicklung in unserer Stadt. Als Beispiel sei der erfolgreiche Protest gegen den Auftritt von Neonazis bei ei-ner Veranstaltung zur Landtags-wahl 2001 im Internationalen Be-gegnungszentrum (IBZ) genannt.

Die VVN-BdA hat dabei mit-geholfen, eine Jugendantifa zu gründen, die im Zusammenhang mit dem Protest von Jugendli-chen und Schülern gegen den Auschwitzleugner Deckert ent-stand. Deckert hatte 1994 als Karlsruher OB kandidiert (!). Die Jugendlichen wurden wegen ih-res Protests vom damaligen Ver-sammlungsleiter Heinz Fenrich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zugeführt und soll-ten angeklagt werden. Aufgrund öffentlicher Proteste konnte das verhindert werden.

Da die VVN-BdA seit Jahr-zehnten kontinuierlich tätig ist, hat sich in ihr ein erheblicher Wissensfundus angesammelt. So wird verständlich, dass die VVN-BdA, die beim Sturz des furchtbaren Juristen Filbinger 1978 als "Landesvater" eine Rol-le spielte, auch bei der Verhinde-rung seiner 90. Geburtstagsfeier in Freiburg, bei den Protesten in Ludwigsburg gegen dessen Eh-rung durch die Landesregierung und gegen seinen Auftritt in Karlsruhe maßgeblich beteiligt war.

Es gibt nur noch wenige Überle-bende des Naziterrors in unserer Organisation. Helfen Sie mit, in ihrem Sinn Frieden und De-mokratie zu verteidigen und den Nazismus mitsamt seinen Wurzeln zu beseitigen. Werden Sie Mitglied der VVN-Bund der Antifaschisten. Silvia Schulze Sprecherin der Kreisvereinigung Poststraße 8, 76137 Karlsruhe Tel. 0721 31690 Fax 385403 Email [email protected] Bundes- und Landesorganisation: http://www.vvn-bda.de/ http://www.vvn.telebus.de/

Karl Wagner als 70-Jähriger

Karls Lebensgefährtin Hilde hat über ihn ein Buch geschrieben: "Der Kapo der Kretiner", 1991, 230 S., Eigenverlag. "Dieses Buch ist dem Leben und Kampf Karl Wagners und seiner Kame-raden der illegalen Widerstands-organisation im KZ-Lager Dachau gewidmet, die mutig, klug und unerschrocken den Kampf gegendas barbarische KZ-Lager-System aufgenommen haben."