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DEPARTMENT INFORMATION Bachelorarbeit Bibliotheksmitarbeiter aus dem Autismus-Spektrum Bedeutung für das Arbeitsumfeld und Entwicklung von allgemeinen Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und Mitarbeiter vorgelegt von Sabrina Reincke Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement 1. Prüferin: Prof. Dr. Petra Düren 2. Prüferin: Frau Regine Lipka Hamburg, August 2014

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DEPARTMENT INFORMATION

Bachelorarbeit

Bibliotheksmitarbeiter aus dem Autismus-Spektrum –

Bedeutung für das Arbeitsumfeld und Entwicklung von allgemeinen

Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und Mitarbeiter

vorgelegt von

Sabrina Reincke

Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement

1. Prüferin: Prof. Dr. Petra Düren

2. Prüferin: Frau Regine Lipka Hamburg, August 2014

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"Seit ich in der Bibliothek arbeite, habe ich nicht mehr das Gefühl, „neben

dem Leben“ zu stehen – ich stehe jetzt IM Leben."

Aussage eines autistischen Bibliotheksmitarbeiters

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Abstract

Diese Arbeit befasst sich mit der Beschäftigung von Menschen aus dem

Autismus-Spektrum in Bibliotheken. Um ein Bewusstsein im Hinblick auf

die Bedeutung für das Arbeitsumfeld mit autistischen Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer zu schaffen, erfolgt eine Einführung in die Autismus-

Spektrum-Störung. Mithilfe von Beispielen für Menschen aus dem Autis-

mus-Spektrum, die Bibliotheken als geeignete Tätigkeitsfelder für sich se-

hen, wird auf die Relevanz der Thematik aufmerksam gemacht. Die Ent-

wicklung allgemeiner Handlungsempfehlungen soll Führungskräften und

Kollegen eine Orientierungsmöglichkeit für die Gestaltung des beruflichen

Miteinanders bieten.

Schlagworte

Autismus

Asperger-Syndrom

Bibliotheksmitarbeiter

Personalmanagement

Handlungsempfehlung

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Inhaltsverzeichnis

Abstract ................................................................................................................ iv

Anhangverzeichnis ............................................................................................ vii

Abbildungsverzeichnis ............................................................ …………………viii

Tabellenverzeichnis .......................................................................................... viii

Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................... ix

1. Einleitung ........................................................................................................ 10

2. Das autistische Spektrum .............................................................................. 12

2.1 Historischer Hintergrund ............................................................................. 12

2.2 Diagnosekriterien und Häufigkeit des autistischen Spektrums ................... 14

2.3 Bedeutung des Spektrums für diese Arbeit ................................................. 15

2.4 Leitsymptome ............................................................................................. 16

2.4.1 Sensorische Sensibilität und erhöhte Wahrnehmung ........................... 17

2.4.2 Routinen, stereotype und ritualisierte Verhaltensweisen ...................... 18

2.4.3 Spezialinteresse ................................................................................... 18

2.4.4 Sprachbesonderheiten ......................................................................... 19

2.4.5 Soziale Interaktion ................................................................................ 20

2.5 Fazit ............................................................................................................ 21

3. Bibliotheken und Autismus ........................................................................... 22

3.1 Sammlung von Literaturstellen mit Bibliotheksbezug .................................. 22

3.2 Beispiele für autistische Arbeitnehmer in Bibliotheken ............................... 24

3.3 Fazit ............................................................................................................ 27

4. Ergebnisse der Experteninterviews .............................................................. 28

4.1 Auswahl der Experten ................................................................................. 28

4.2 Ergebnisse der Befragungen ...................................................................... 29

4.2.1 Verantwortung seitens der Autisten ..................................................... 29

4.2.2 Eignung von Bibliotheken als Arbeitgeber ........................................... 31

4.2.3 Gewinn für den Arbeitgeber ................................................................. 33

4.2.4 Gewinn für autistische Arbeitnehmer ................................................... 34

4.2.5 Kommunikation und soziales Miteinander ............................................ 35

4.2.6 Probleme im Arbeitsalltag .................................................................... 37

4.2.7 Unterstützung durch einen Job Coach ................................................. 38

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4.2.8 Unterstützung durch einen Leitfaden ................................................... 40

4.3 Fazit ............................................................................................................ 41

5. Handlungsempfehlungen .............................................................................. 42

5.1 Generelle Hinweise .................................................................................... 42

5.2 Geeignete Tätigkeitsbereiche ..................................................................... 43

5.3 Ungeeignete Tätigkeitsbereiche ................................................................. 43

5.4 Leitfaden und Job Coach ............................................................................ 44

5.5 Kommunikation und soziale Interaktion ...................................................... 45

5.5.1 Autistischer Bewerber .......................................................................... 45

5.5.1 Autistische Mitarbeiter / Kollegen .......................................................... 46

5.6 Strukturierungshilfen ................................................................................... 47

5.7 Veränderungen ........................................................................................... 47

6. Schlussbetrachtung ....................................................................................... 49

Literaturverzeichnis ........................................................................................... 51

Anhang ................................................................................................................ 60

Eidesstattliche Erklärung .................................................................................. 98

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vii

Anhangverzeichnis

Anhang 1: Leitfaden zum Interview mit Dirk Müller-Remus .................................. 59

Anhang 2: Interview mit Dirk Müller-Remus ......................................................... 61

Anhang 3: Leitfaden zum Interview mit Hajo Seng ............................................... 66

Anhang 4: Interview mit Hajo Seng ...................................................................... 68

Anhang 5: Leitfaden zum Interview mit Christian Nolte ........................................ 73

Anhang 6: Interview mit Christian Nolte ............................................................... 75

Anhang 7: Leitfaden: Interview Wissenschaftliche Bibliothek ............................... 84

Anhang 8: Interview in der Wissenschaftlichen Bibliothek .................................... 86

Anhang 9: Fragebogen an den Bibliotheksmitarbeiter .......................................... 88

Anhang 10: Zusammenfassung: Fragebogen Bibliotheksmitarbeiter ................... 90

Anhang 11: Fragebogen an Prof. Dr. phil. Matthias Dalferth ................................ 92

Anhang 12: Zusammenfassung Fragebogen Prof. Dr. phil. Matthias Dalferth ..... 93

Anhang 13: Beispielplanung eines Tagesablaufs ................................................. 96

Anhang 14: Darstellung der Tagesplans als App ................................................. 97

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Leitsymptome des autistischen Spektrums………………………………...17

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Tiefgreifende Entwicklungsstörung/Autismus-Spektrum-Störung……….14

Tab. 2: Literaturstellen mit Bibliotheksbezug………………………………………..23

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ix

Abkürzungsverzeichnis

BBW Berufsbildungswerk

DSM-IV-TR Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

4, Text Revision

DSM-V Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 5

HFA High-Functional Autismus

ICD International Statistical Classification of Diseases and

Related Health Problems

i.S.d. in Sache der

ToM Theory of Mind

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1. Einleitung

Als die Softwarefirma SAP 2013 bekannt gab bis zum Jahr 2020 ein Pro-

zent ihrer Stellen mit Autisten zu besetzen, erhielt das Thema autistische

Beschäftigte mediale Aufmerksamkeit (vgl. Tauber 2013).

So lag der Blickwinkel weniger auf mögliche Einschränkungen die der Au-

tismus mit sich bringt, sondern auf den speziellen Fähigkeiten und Stär-

ken dieser Menschen. Die Asperger-Autistin Temple Grandin schrieb

hierzu bereits 2008: "society loses out if individuals with autism spectrum

disorders are not involved in the world of work [...]" (Grandin / Duffy 2008,

S. xi) und kritisierte hiermit das unterschätzte und wenig genutzte Poten-

tial vieler Autisten auf dem Arbeitsmarkt.

Durch die Einstellung von Autisten könnten auch Bibliotheken von diesen

Fähigkeiten profitieren. Zugleich vermögen Bibliotheken es, aufgrund ih-

rer vielfältigen Arbeitsfelder, geeignete Tätigkeitsbereiche für Autisten zu

bieten, so dass beide Seiten von dieser Beschäftigung profitieren könnten.

Es darf jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass Autismus gemäß der

Rechtsprechung i. S. d. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie eine Behinde-

rung darstellen kann, "die insbesondere auf physische, geistige oder psy-

chische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die

Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet." (Europäischer Gerichts-

hof 2006, S. I-6504).

Gemäß der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie sollen deshalb "geeignete

Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnah-

men, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten […]"

(Europäische Gemeinschaft 2000, Abs. 20).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Frage, wie das Ar-

beitsumfeld in Bibliotheken entsprechend der Bedürfnisse autistischer

Personen gestaltet werden kann, damit beide Seiten einen Mehrwert aus

dieser Beschäftigung ziehen. Hierfür muss nicht nur auf die Bedeutung

autistischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Arbeitsumfeld einer

Bibliothek eingegangen werden, sondern auch auf Folgen für das soziale

Miteinander.

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Es wird die Frage aufgegriffen inwiefern Bibliotheken überhaupt einen at-

traktiven Arbeitsplatz für Autisten bieten können und warum die Beschäf-

tigung von Autisten zugleich ein Gewinn für die Bibliothek darstellen

kann. Anhand von Handlungsempfehlungen erhalten Vorgesetzte und Kol-

legen autistischer Beschäftigter eine Hilfestellung für die tägliche Arbeit.

Um diese Fragen beantworten zu können, wird zunächst eine Einführung

in das Thema Autismus und autistisches Spektrum gegeben.

Anschließend wird auf den Aspekt autistischer Beschäftigten in Bibliothe-

ken eingegangen und dargestellt, warum dies bereits ein relevantes Thema

für Bibliotheken sein sollte. Anhand ausgewerteten Experteninterviews

werden die zuvor behandelten Themen aufgegriffen und mit Erkenntnis-

sen ergänzt, die letztendlich zu der Erstellung von Handlungsempfehlun-

gen führen. Die Schlussbetrachtung bietet einen abschließenden kriti-

schen Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen dieser Arbeit.

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2. Das autistische Spektrum

Für die Zusammenarbeit mit autistischen Beschäftigten ist ein grundsätz-

liches Verständnis bezüglich der autistischen Problematik nötig. Im Hin-

blick auf die Komplexität dieser Erkrankung ist an dieser Stelle jedoch

nur eine oberflächliche Einsicht möglich. Zunächst erfolgt ein genereller

Überblick um im Anschluss unter Punkt 2.3 den Bezug zu Bibliotheks-

mitarbeitern herzustellen und unter 2.4 auf Leitsymptome einzugehen.

2.1 Historischer Hintergrund

1911 wandte der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler erstmals den Begriff

"Autismus" an und bezeichnete hiermit "eine Kontaktstörung mit Rückzug

auf die eigene Vorstellungs- und Gedankenwelt als ein Grundsymptom der

Schizophrenie, mit Isolation von der Umwelt, charakterisiert durch extreme

Selbstbezogenheit, Insichgekehrtheit sowie durch psychotische Persönlich-

keitsstörungen mit fantastisch-traumhaftem, frei-assoziativem und affektiv-

impulsivem Denken und Sprechen" (Brockhaus 2014).

Diesen Ausdruck griff der Kinder- und Jugendpsychiater Leo Kanner 1943

in seinem, in den USA veröffentlichten, Artikel über Untersuchungen an

elf Kindern auf, die in unterschiedlich starker Ausprägung dieses autisti-

sche Verhalten aufwiesen. Ergänzt wurde dieses durch eine stark einge-

schränkte oder nicht vorhandene Fähigkeit zur verbalen und nonverbalen

Kommunikation, sowie obsessiven, stark einseitigen und von Routinen

geprägten Verhaltensweisen (vgl. Kanner 1943, S. 248 ff.). Ein Jahr später

verwendete Kanner erstmals den Begriff "early infantile autism" (vgl. Kan-

ner 1944, S. 1), der heute als "Frühkindlicher Autismus" oder synonym

auch als "Kanner-Syndrom" bekannt ist.

Ebenfalls veröffentlichte der österreichische Kinderarzt Hans Asperger

1944 seine Arbeit über "Die 'Autistischen Psychopathen' im Kindesalter".

In dieser berichtete er von Kindern und Erwachsenen, die autistische Ver-

haltensweisen in unterschiedlichen Ausprägungen, sowie Auffälligkeiten

in der sozialen Interaktion und im Sprachgebrauch, aufwiesen (vgl. Asper-

ger 1943, S. 113 ff.). Obwohl Kanner und Asperger ihre Arbeiten im glei-

chen zeitlichen Rahmen veröffentlichten, galten der Frühkindliche Autis-

mus und die "Autistischen Psychopathen im Kindesalter" als eigenständi-

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ge Erkrankungen. Dies war besonders dem Umstand geschuldet, dass As-

perger auf Deutsch veröffentlichte und seine Arbeit zunächst international

unbekannt blieb.

Erst durch eine 1981 erschienene Publikation der britischen Psychiaterin

Lorna Wing wurden Aspergers Erkenntnisse international bekannt. Wing

war es auch, die für die "Autistischen Psychopathen" die heutige Bezeich-

nung "Asperger-Syndrom" einführte (vgl. Neumärker 2010, S. 192).

Bereits in den 1970ern führten sie und die Psychiaterin Judith Gould eine

Studie an allen Kindern unter 15 Jahren in dem Londoner Stadtteil

Camberwell durch. Sie fanden heraus, dass einige die Symptome des

Frühkindlichen Autismus' aufwiesen, andere jedoch nicht alle Kriterien

erfüllten obwohl auch sie autistische Verhaltensweisen zeigten. Rückbli-

ckend wurde deutlich, dass diese Kinder die Kriterien des Asperger-

Syndroms erfüllten. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie waren

nach Wing jedoch (vgl. Wing 2002, S. 21):

Frühkindlicher Autismus und Asperger-Syndrom stellen Untergruppen

einer Störung dar, die die soziale Interaktion und Kommunikation be-

einträchtigt.

Diese Störung kann auf jedem Intelligenzniveau auftreten.

In manchen Fällen kommt es bei dieser Störung auch zu anderen psy-

chiatrischen Beeinträchtigungen oder Auswirkungen auf die körperli-

che Entwicklung.

Diese Erkenntnisse, sowie weiterführende Erfahrungen, führten dazu,

dass inzwischen die Bezeichnung "Autistisches Spektrum" verstärkt Er-

wähnung findet (vgl. Wing 2002, S. 21-23).

Vor dem Hintergrund, dass das Asperger-Syndrom erst 1981 international

bekannt wurde, erscheint es wenig verwunderlich, dass erst in der Folge-

zeit offizielle Diagnosekriterien hierfür aufgestellt wurden. Dies führt dazu,

dass erst die Kinder der letzten dreißig Jahre eine Diagnose bezüglich des

Asperger-Syndroms erhalten konnten und keine Aussage zur Häufigkeit in

den älteren Generationen getroffen werden kann.

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2.2 Diagnosekriterien und Häufigkeit des autistischen Spektrums

Nach der International Statistical Classification of Diseases and Related

Health Problems 10 (ICD-10) werden der Frühkindliche Autismus und das

Asperger-Syndrom, gemeinsam mit anderen Störungen, als Tiefgreifende

Entwicklungsstörung klassifiziert.

Tiefgreifende Entwicklungsstörung

(vgl. Dilling 2014, S. 343)

Autismus-Spektrum-Störung

(vgl. Wing 2002, S. 34-47)

Beeinträchtigungen in gegenseitigen

sozialen Interaktionen

Beeinträchtigungen in sozialen

Interaktionen

Beeinträchtigungen in gegenseitigen

Kommunikationsmustern

Beeinträchtigung der

Kommunikation

Eingeschränktes, stereotypes, sich

wiederholendes Repertoire von Inte-

ressen und Aktivitäten

Beeinträchtigung im Vorstel-

lungsvermögen, dadurch:

Repetitive stereotype Aktivitäten

Tab. 1: Vergleich Tiefgreifende Entwicklungsstörung/Autismus-Spektrum-Störung

Der Vergleich zwischen Tiefgreifender Entwicklungsstörung und Autis-

mus-Spektrum-Störung nach Wing zeigt eine wesentliche Übereinstim-

mung der drei Hauptkriterien. Auch in dem Diagnostic and Statistical Ma-

nual of Mental Disorders IV-TR (DSM-IV-TR) stellen die Beeinträchtigungen

in diesen Kategorien die Hauptkriterien für das Vorliegen einer Tiefgrei-

fenden Entwicklungsstörung dar (vgl. American Psychiatric Association

2003, S. 57-58). Dies verdeutlicht, dass der Frühkindliche Autismus und

das Asperger-Syndrom auch im Hinblick auf offizielle Diagnosekriterien

Untergruppen einer Störung darstellen und keine eigenständigen Krank-

heitsbilder sind.

Problematisch hinsichtlich der Diagnostik war, dass weder in der ICD-10,

noch in den DSM-IV-TR die Autismus-Spektrum-Störung als Diagnose

vorkam. So mussten die Diagnosekriterien für den Frühkindlichen Autis-

mus, das Asperger-Syndrom, oder eine der anderen Störungen auf die

Person zutreffen. Durch Autismus hervorgerufene Beeinträchtigungen

können sich im Laufe des Lebens jedoch in ihrer Ausprägung ändern (vgl.

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Boucher 2009, S. 99). Dies könne dazu führen, dass jemand zu einem

Zeitpunkt seines Lebens nicht alle Kriterien für eine Diagnose erfüllen

kann, zu einem anderen Zeitpunkt jedoch schon. Erst in den DSM-V wur-

den die Einteilungen in Frühkindlichen Autismus, Asperger-Syndrom und

andere Störungen aufgehoben, so dass hier von einer Autismus-

Spektrum-Störung mit unterschiedlichen Ausprägungen ausgegangen

wird (vgl. American Psychiatric Association 2013, S. 50-59).

Die heterogenen Diagnosekriterien1 seien nach dem Psychologen Tony At-

twood ein Hauptgrund dafür, weshalb nur unsichere Angaben über die

Häufigkeit von Autismus-Spektrums-Störungen gemacht werden können

(vgl. Attwood 2012, S. 58).

In einer Auswahl zur Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen wur-

den 0,62-0-70% weltweit als durchschnittliche Werte angegeben. Neuere

Studien würden jedoch auch auf eine Häufigkeit von 1-2% in der Gesamt-

bevölkerung hindeuten (vgl. Lai / Lomardo / Baron-Cohen 2014, S.2).

Nach Attwood bestehe die Möglichkeit, dass etwa 50% aller Kinder mit

dem Asperger-Syndrom die autistischen Merkmale soweit überspielen

können, dass sie undiagnostiziert bleiben und die Diagnose trotz Probleme

entweder nie erhalten, oder erst im Erwachsenenalter (vgl. Attwood 2012,

S. 58). Dies trägt dazu bei, weshalb zur Häufigkeit von Autismus-

Spektrum-Störungen nur ungenaue Aussagen getroffen werden können.

2.3 Bedeutung des Spektrums für diese Arbeit

Zwar werden mit den DSM-V die Bezeichnungen Frühkindlicher Autis-

mus, Asperger-Syndrom und weitere Tiefgreifende Entwicklungsstörungen

unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst, doch

muss herausgestellt werden, auf welche Spektrumsangehörigen sich die

Bedeutungen für das Arbeitsumfeld und die Handlungsempfehlungen in

dieser Arbeit beziehen.

Die autistischen Symptome sind innerhalb des Spektrums von niedriger

bis starker Ausprägung verortet, wobei der Frühkindliche Autismus die

1 Zur Diagnostik des Asperger-Syndroms wurden ab 1989 auch die Diagnosekriterien

nach Gillberg & Gillberg verwendet (vgl. Gillberg / Gillberg 1989)

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schwersten Ausprägungen aufweisen kann. Während bei diesem Intelli-

genzminderungen möglich sind, sind Menschen mit dem Asperger-

Syndrom nicht davon betroffen oder weisen einen überdurchschnittlich

hohen Intelligenzquoten auf (vgl. Biscaldi 2013, S. 15).

Auch fallen die Ausprägungen autistischer Merkmale bei dem Asperger-

Syndrom geringer aus, während Frühkindliche Autisten erheblich in ihrer

Kommunikation beeinträchtigt und auf intensive Unterstützung angewie-

sen sein können (vgl. Kamp-Becker / Bölte 2011, S. 28 ff.).

Aufgrund der möglichen schweren Einschränkungen in der selbstständi-

gen Lebensführung kann diese Arbeit nur Bezug auf die Menschen neh-

men, die sich innerhalb des autistischen Spektrums in einem Bereich be-

finden, der eine Berufstätigkeit ohne erheblichen Assistenzbedarf zulässt.

Hierbei wird es sich weniger um Frühkindliche Autisten, als mehr um

Menschen mit dem Asperger-Syndrom oder dem High-Functional Autis-

mus handeln, der häufig synonym Verwendung findet (vgl. Attwood 2012,

S. 57). Im weiteren Verlauf der Arbeit sind bei der Verwendung der Begrif-

fe Autismus oder autistisches Spektrum die Menschen gemeint, die leich-

tere autistische Ausprägungen aufweisen.

Im Hinblick auf die mitunter vielfältigen Leitsymptome wird nicht in dem

Umfang eingegangen, wie es nötig wäre um auch autistische Besonderhei-

ten von stark betroffenen Autisten abzudecken, sondern sind stets im Be-

zug auf Autisten zu sehen, die ohne erhebliche Einschränkungen oder

hohem Assistenzbedarf einem Beruf ausüben können.

2.4 Leitsymptome

"Es gibt durchaus Zeiten, in denen ich mich krank fühle; aber die meiste Zeit

fühle ich mich gesund. Daher stoße ich mich regelmäßig an einem Sprach-

gebrauch, der suggeriert, dass ich krank wäre, weil ich autistisch bin. Und

zwar zu jeder Zeit, weil ich ja auch zu jeder Zeit autistisch bin." (Seng 2013,

S. 89). Mit diesen Worten beschreibt Herr Seng ein Problem, das schnell

im Umgang mit autistischen Menschen entsteht. Was in den DSM und

ICD-10 als Diagnosekriterien angegeben wird, kann für den Menschen

selbst als etwas wahr genommen werden, dass ein Leben lang bereits zu

dieser Person gehörte und nicht als Symptome oder Zeichen einer Behin-

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derung verstanden wird. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Autisten, die

diese Eigenschaften aufgrund der Auswirkungen im Alltag oder Beruf als

negative Aspekte sehen. Besonders wegen dieser individuellen Wahrneh-

mung besteht nicht bei jedem Autisten der Bedarf nach einem Schwerbe-

hindertenausweis, so dass es mitunter autistische Beschäftige ohne die-

sen gibt (vgl. Schuster / Schuster 2013, S. 21-22).

Da Angehörige des autistischen Spektrums selbst entscheiden müssen,

wie sie zu den autistischen Eigenschaften stehen, ist die Verwendung von

Begriffen wie "Leitsymptome" oder auch "betroffene Menschen" in dieser

Arbeit wertneutral zu verstehen.

Die Abbildung verdeutlicht, dass Menschen im autistischen Spektrum

Leitsymptome aufweisen können, die als diagnostische Kriterien genutzt

werden. Hinter diesen Leitsymptomen steht jedoch stets der Mensch als

Individuum. So kann ein Autist starke Probleme in der sozialen Interakti-

on haben, während ein anderer sensorische Reize belastender empfindet

(vgl. autismus Deutschland e.V. 2013, S. 5).

2.4.1 Sensorische Sensibilität und erhöhte Wahrnehmung

Autisten nehmen ihre Umwelt in vielerlei Hinsicht genauer und detailrei-

cher wahr als nicht-autistische Menschen und können Informationen

schlechter filtern. Licht wirkt dadurch heller und Geräusche können

Abb. 1: Leitsymptome des autistischen Spektrums

Mensch

als

Individuum

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schmerzhaft laut sein, was besonders in Gesprächen dazu führt Hinter-

grundgeräusche schlecht ausblenden zu können. Hierdurch können Ge-

sprächspartner mitunter nicht verstanden werden.

Für viele Autisten stellen Berührungen eine besondere Herausforderung

dar, denn diese Reize können mit unangenehmen Gefühlen bis hin zu

Schmerzen verbunden sein. Wird ein Autist zu lange unangenehmen Rei-

zen ausgesetzt und strömen immer mehr Reize auf ihn ein, kann dies zu

einer Überlastung führen, die als Overload bezeichnet wird (vgl. Attwood

2012, S. 323-326). Die Sensibilität und erhöhte Wahrnehmung autisti-

scher Menschen stellt daher bei der Ausübung der Arbeit und der Bedeu-

tung für das Arbeitsumfeld einen wichtigen Aspekt dar.

2.4.2 Routinen, stereotype und ritualisierte Verhaltensweisen

Viele Autisten beschreiben, dass Gefühle wie Chaos oder Verwirrung in

ihrem Leben schon immer eine vorherrschende Rolle gespielt haben (vgl.

Steindal 2011, S. 26). Aufgrund der vielen Informationen und Sinnesein-

drücke mit denen ein Autist sich wegen seiner sensorischen Sensibilität

und erhöhten Wahrnehmung arrangieren muss, bieten gleichbleibende

Strukturen und ritualisierte Verhaltensweisen ein Schutz vor einer Über-

lastung (vgl. Caldwell 2004, S. 39). Mit anderen Worten: "Sie dominieren,

weil mit ihnen das Leben vorhersagbarer gestaltet werden kann. Es wird

eine Ordnung geschaffen, da Überraschungen, Chaos und Unsicherheit von

Menschen mit Asperger-Syndrom nur schwer ertragen werden können." (At-

twood 2012, S. 221). Die plötzliche Änderung von Routinen führt daher

bei dem Autisten zu einem Strukturverlust und nimmt ihm den Schutz.

Dadurch können schlimmstenfalls so viele Reize auf die betreffende Per-

son einstürzen, dass es zu einem Overload führt. Daher sollten Routinen

bei Autisten stets ernst genommen und nach Möglichkeit nicht geändert

werden.

2.4.3 Spezialinteresse

Das Spezialinteresse (es können auch mehrere sein) autistischer Men-

schen stellt einen hohen Stellenwert in ihrem Leben dar. Hierbei handelt

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es sich nicht um Hobbys, die in einem Rahmen wie bei nicht-autistischen

Menschen ausgeübt werden, sondern für autistische Menschen eine viel

größere Bedeutung aufweist. So verbringen sie überdurchschnittlich viel

Zeit mit ihrem Interesse, sammeln sämtliche Informationen dazu und ar-

chivieren diese (vgl. Attwood 2012, S. 220). Das Spezialinteresse nimmt,

ähnlich der Routinen, eine beruhigende und schutzbietende Funktion ein.

Dies kann soweit führen, dass sich die Gespräche mit anderen Menschen

nur um diese Themen drehen (vgl. Attwood 2012, S. 234 u. 238).

Hinsichtlich der Bedeutung am Arbeitsplatz heißt dies, dass ein Autist in

Gesprächen mit Kollegen dazu neigt, sehr intensiv über das jeweilige Spe-

zialinteresse zu reden. Da meist ein beträchtliches Wissen über das jewei-

lige Thema vorhanden ist, kann es weit über das Wissen und Interessen

von Kollegen hinaus gehen, so dass es sich um keinen Dialog zwecks Inte-

ressenaustauschs handeln könnte, sondern um einen Monolog seitens des

Autisten.

2.4.4 Sprachbesonderheiten

Auffälligkeiten im Sprachgebrauch werden auf unterschiedliche Weise

deutlich. Autisten können durch ihre direkte, ehrliche und auf andere

Menschen auch verletzend wirkende Ausdrucksweise auffallen. Menschen

aus dem autistischen Spektrum sind sich häufig jedoch nicht darüber im

Klaren, jemanden verbal zu verletzen(vgl. Vogeley 2012, S. 60-61).

Die Problematik, sich nicht vorstellen zu können einen anderen Menschen

mit dem Gesagten zu verletzen rührt daher, dass Autisten Defizite hin-

sichtlich der Theory of Mind haben. Diese "beschreibt die Fähigkeit, Ge-

danken, Überzeugungen, Wünsche und Absichten anderer Menschen zu er-

kennen und zu verstehen, um deren Verhalten einschätzen und um vorher-

sagen zu können, was sie als Nächstes tun werden. Fehlt diese ToM-

Fähigkeit, kann man sich nur schwer in andere hineinversetzen." (Attwood

2012, S. 143).

Für sie stellt ihre direkte Kommunikation damit ein Austausch sachlicher

Informationen dar und sollte idealerweise ihnen gegenüber auch so erfol-

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gen. Durch klare und direkte Aussagen kann sich ein Autist besser erklä-

ren, was an seiner Äußerung falsch war und kann daraus lernen.

Mit Ironie, versteckten Bedeutungen oder Andeutungen können Autisten

schlecht umgehen, da sie dazu neigen, das Gesagte wörtlich zu verstehen

(vgl. Attwood 2012, S. 147). Dies kann besonders im Rahmen der Berufs-

tätigkeit zu Missverständnisse führen, falls Vorgesetzte oder Kollegen iro-

nisch gemeinte Anweisungen geben und der autistische Beschäftigte dies

wörtlich versteht und ausführt.

2.4.5 Soziale Interaktion

Das soziale Miteinander stellt für Autisten eine besondere Herausforde-

rung dar. Im Gegensatz zu nicht-autistischen Menschen werden soziale

Regeln nicht intuitiv beherrscht, sondern müssen wie eine Fremdsprache

durch Erfahrungen im Umgang mit Anderen erlernt werden. Besteht die-

ses interne Lexikon aus sozialen Regeln nicht, kann es dazu führen, dass

andere Menschen im Gespräch unterbrochen werden, nur über das Spezi-

alinteresse gesprochen wird oder auch Dinge gesagt werden, die auf Nicht-

Autisten verletzend wirken können. Die Kommunikation wird zusätzlich

erschwert, da Menschen aus dem autistischen Spektrum Defizite in der

Interpretation von Gestik und Mimik haben. Auch in diesen Bereichen

können Autisten im Laufe ihres Lebens eine Art internes Lexikon anlegen.

So werden manche Autisten bewusst auf die Gesichtszüge des Gegen-

übers achten und das Gesehene mit Eindrücken aus früheren Erfahrun-

gen vergleichen. In Zweiergesprächen können Autisten auf diese Weise

beachtliche Erfolge erbringen und für Außenstehende "normal" wirken

(vgl. Attwood 2012, S. 72 u. 164).

Problematisch wird es, wenn ein Autist an Gesprächen mit mehr als einer

anderen Person teilnehmen soll. Die Betroffenen stehen dadurch gleichzei-

tig vor der Herausforderungen Reize aus der erhöhten Wahrnehmung zu

filtern, auf die Gestik und Mimik der Gesprächspartner zu achten und die

erhaltenen Eindrücke im Kopf zu übersetzen. Mitunter müssen auch sozi-

ale Regeln innerhalb eines Gesprächs eingehalten werden, so dass der au-

tistische Beteiligte schnell an seine Grenzen gerät (vgl. Vogeley 2012, S.

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55-56). Einige Menschen aus dem autistischen Spektrum haben das Lexi-

kon aus sozialen Regeln sowie Erfahrungen bezüglich der Bedeutung von

Mimik und Gestik so gut mit Informationen gefüllt, dass sie diese im sozi-

alen Miteinander abrufen können. Dadurch können sie sich für eine ge-

wisse Zeit an die Menschen in ihrer Umgebung anpassen und eine Rolle

spielen um nicht autistisch zu wirken. Dies kann so erfolgreich gesche-

hen, dass andere Menschen im ersten Moment nicht glauben, ihr Gegen-

über könnte autistisch sein (vgl. Attwood 2012, S. 35).

Mitunter besteht die Annahme, Autisten würden generell keinen Blickkon-

takt zu anderen Menschen herstellen. Dies trifft nicht auf alle autistischen

Menschen zu, sondern es besteht vielmehr ein Defizit in der richtigen An-

wendung desselben (vgl. Steindal 2011, S. 22). So kann es sein, dass der

autistische Beschäftigte in Gesprächen dazu neigt sein Gegenüber zu lan-

ge anzusehen und einen starrenden Blickkontakt ausübt.

2.5 Fazit

Die dargestellten Symptome, bzw. Beeinträchtigungen können sowohl für

den autistischen Beschäftigten als auch für sein Arbeitsumfeld ein hohes

Maß an gegenseitiger Toleranz erfordern. Die Auffälligkeiten in der sozia-

len Interaktion sind es häufig, die einen Autisten merkwürdig auf seine

Mitmenschen oder Kollegen wirken lassen. Gleichzeitig kann jedoch auch

die Zusammenarbeit mit gut angepassten Autisten zu Verwirrung führen,

wenn diese ihre Rolle aufgrund von Überlastung nicht mehr spielen kön-

nen und die autistischen Eigenschaften plötzlich offensichtlich erschei-

nen. Auch besteht das Risiko, dass gut angepasste Kollegen nicht mehr

als autistische Menschen wahr- oder ernst genommen werden könnten,

wodurch die Gefahr einer Überforderung steigt. Die Bedeutsamkeit des

Spezialinteresses kann dazu führen, dass ein autistischer Kollege sich am

liebsten darüber unterhalten möchte und an anderen Gesprächsthemen

kein Interesse zeigt. Dies kann sich besonders negativ auf das kollegiale

Miteinander auswirken. Es ist jedoch genau die Kombination aus ihren

Interessen und den aus ihrer speziellen Wahrnehmung resultierenden Fä-

higkeiten, die einen autistischen Menschen als wertvollen Angestellten

auszeichnen können.

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3. Bibliotheken und Autismus

Obwohl Menschen aus dem autistischen Spektrum über ein "ungewöhnli-

ches Leistungsprofil mit vielen positiven Eigenschaften und besonderen

Fähigkeiten" (Sünkel 2013, S. 331) verfügen und laut einer britischen

Studie 80 Prozent der befragten Asperger- und hochfunktionalen Autisten

einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen möchten (vgl.

Barnard et al. 2001, S. 23), beträgt die Arbeitslosenquote in Deutschland

allein für die Asperger- und hochfunktionalen Autisten 30 bis 50 Prozent

(vgl. Sünkel 2013, S. 332).

3.1 Sammlung von Literaturstellen mit Bibliotheksbezug

Im Folgenden werden Zitate aus der Literatur dargestellt um zu verdeutli-

chen, dass Bibliotheken als geeignete Berufsfelder für Menschen aus dem

autistischen Spektrum gesehen werden.

"Ein Interesse an Büchern und Katalogisierungssys-

tem könnte zum Beruf des Bibliothekars befähigen."

Attwood 2012,

S. 246

"Dazu gehört etwa der Beruf des Bibliothekars, dem

in einer Bibliothek eine ruhige Umgebung zur Verfü-

gung steht."

Attwood 2012,

S. 356

"Likewise, in a library, an employee with autism

may have difficulty functioning in an information re-

source position, but may excel at book sorting and

shelving."

Smith/Belcher et al

2000, S. 10

"For example, a person with autism and mild mental

retardation may be able to shelve books in a library

by call number, whereas a person with autism and

severe mental retardation may be limited to gluing

the call numbers onto the book spines.

The cognitive level of the worker must be taken into

account to ensure that tasks are appropriately chal-

lenging without being unrealistic."

Smith/Belcher et al

2000, S. 12

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In einer Tabelle mit der Übersicht für "Job that

would be a good fit for nonvisual thinkers with mo-

re verbal brains" wird der Beruf der Bibliothekarin,

bzw. des Bibliothekars aufgeführt.

vgl. Grandin/Duffy

2008, S. 89

Auf vier Seiten wird die Tätigkeit innerhalb einer

Bibliothek beschrieben um Autisten einen theoreti-

schen Einblick in dieses Berufsfeld

vgl. Grandin/Duffy

2008, S. 134-137

"'Der IT-Bereich ist ein großes Arbeitsgebiet für Autis-

ten", sagt Friedrich Nolte, Fachreferent im Bundes-

verband zur Förderung von Menschen mit Autismus.

Detailgenauigkeit, Akribie, ein hervorragendes Ge-

dächtnis und eine besondere Art, logisch zu denken,

seien häufige Eigenschaften von Autisten. Diese

können etwa auch in Bibliotheken, Archiven oder in

der Qualitätskontrolle eingesetzt werden.'"

Nennung der Bibliothek im Zusammenhang der

Einstellung von Autisten bei SAP

Tauber 2013, S. 11

Tab. 2: Literaturstellen mit Bibliotheksbezug

Zwar bestehen die zusammengestellten Textstellen mitunter von den glei-

chen Autoren, doch gehen diese unterschiedlich an die Möglichkeit einer

Beschäftigung innerhalb einer Bibliothek heran. Während bei Tauber das

Bibliothekswesen an sich angesprochen wird, wird bei Smith / Belcher

davon ausgegangen, dass autistische Beschäftigte vor allem Tätigkeiten im

Sortieren von Büchern ergreifen könnten. Im Vergleich dazu beschreiben

Grandin / Duffy und Attwood Berufe als Bibliothekarin oder Bibliothekar.

Zudem wird in einem Artikel über berufliche Erfahrungen bei Menschen

mit dem Asperger-Syndrom erwähnt, dass der Beruf des Bibliothekars ge-

eignet sei, da Menschen aus dem autistischen Spektrum gut im visuellen

Denken seien, gute technische Begabungen vorweisen könnten und gute

Fähigkeiten in der Informationsverarbeitung aufwiesen (vgl. Baldwin /

Costley / Warren 2014, S. 2).

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Auch wurde im Zuge der Einstellung von Autisten bei SAP über einen Au-

tisten berichtet, der zunächst Informationswissenschaften studierte, wäh-

rend der Berichterstattung die Masterarbeit im Bibliothekswesen schrieb

und anschließend seine Stärke im visuellen Denken nutzen möchte um in

der Erwachsenenbildung tätig zu sein. Zwar geht der Bericht nicht darauf

ein, inwiefern er diese Tätigkeiten in einer Bibliothek ausüben möchte,

doch sehe er selbst Bibliotheken und Bibliothekare als Informationsver-

mittler und hält sozialen Kontakt mit guter Vorbereitung und Gewöhnung

auch für Autisten für möglich (vgl. Lormis 2013).

Dies zeigt, dass die Vorstellung über geeignete Tätigkeiten für Autisten in

einer Bibliothek nicht auf einen Aufgabenbereich beschränkt ist und von

den individuellen Fähigkeiten und Interessen betreffender Personen ab-

hängt.

Innerhalb Deutschlands bieten zudem die Berufsbildungswerke

Oberlinhaus und Neckargemünd Ausbildungen als Fachangestellte für

Medien- und Informationsdienste an. Diese Ausbildungen können auch

von Autisten in Anspruch genommen werden und verdeutlichen, dass be-

reits das Ziel besteht, autistische Menschen in Bibliotheken zu vermitteln

und das Interesse an diesem Berufsfeld vorhanden ist (vgl. Berufsbil-

dungswerk Oberlinhaus 2013; Berufsbildungswerk Neckargemünd 2013).

3.2 Beispiele für autistische Arbeitnehmer in Bibliotheken

Im Zuge der vorliegenden Arbeit wurden Recherchen in zwei Internetforen

zum Thema Autismus durchgeführt. Es wurde geprüft, ob es Threads von

autistischen Forenmitgliedern gibt, die in Bibliotheken berufstätig sind,

oder einen Beruf innerhalb einer Bibliothek ausüben wollen.

Bei den Foren handelt es sich um http://aspies.de/forum/ und um

http://www.asperger-forum.de/.

Insgesamt konnten in den Foren 12 Forenmitglieder identifiziert werden,

die einen Beruf im Bibliothekswesen anstreben, dies bereits tun oder den

Beruf gewechselt haben. Innerhalb dieser 12 Personen war jede mögliche

Beschäftigungsart vertreten: Bibliothekarin, bzw. Bibliothekar, Tätigkeit

als FaMI und Bibliotheksassistent sowie ungelernte Tätigkeiten innerhalb

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der Bibliothek2. Ein Bibliotheksmitarbeiter, der für Zeitschriften und den

Zeitschriftenumlauf zuständig war, beschrieb zudem, dass er sich selbst

auch Tätigkeiten an der Auskunft zutrauen würde, dies jedoch seitens der

Kollegen nicht zugetraut wurde.

Auch international betrachtet arbeiten bereits Autisten in Bibliotheken.

In China wurde eine 21-jährige Autistin ungelernt in einer kleinen Biblio-

thek innerhalb des Gemeindezentrums beschäftigt. Die Mutter übernahm

die Rolle eines inoffiziellen Job Coachs. Es wird beschrieben, dass Kolle-

gen nicht wussten wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollten und sie ihr

dadurch auch keine Hilfe sein konnten. Die Beschäftigung war dennoch

für die Familie, die Tochter und die Bibliothek ein Gewinn (vgl. McCabe /

Wu 2009).

Ebenfalls in China erhielt ein 21-jähriger Autist eine Anstellung in der

Bibliothek von Shanghai. Laut Artikel arbeite er an vier Tagen die Woche

in der Bibliothek und stellt Bücher ein. Zu Beginn seiner Tätigkeit konnte

er sich nicht auf die Arbeit konzentrieren und ignorierte Nachfragen der

Nutzer. Da ihm die Abläufe seiner Arbeit mehrfach erklärt worden, wurde

er immer vertrauter damit, so dass er im weiteren Verlauf in der Lage war,

seiner Tätigkeit problemlos nachzugehen.

Insgesamt war eine positive Entwicklung sichtbar, so dass er seinen Ar-

beitsweg selbstständig bewältigt und auch die Pausen mit den Kollegen

verbringt. Um die Probleme autistischer Menschen hinsichtlich der Kom-

munikation und sozialen Interaktion zu berücksichtigen, wurde darauf

geachtet, dass die Tätigkeit gewisse soziale Kontakte enthielten, er jedoch

insgesamt wenig Kontakt zu Nutzern hatte (vgl. Ni 2013).

In den USA berichtet ein Asperger-Autist und Bibliothekar in seinem Blog

von seinen unterschiedlichen Erfahrungen während der Arbeit in einer

Bibliothek. Während er zunächst in der Katalogisierung tätig war, zielte es

später darauf ab, im Auskunftsdienst zu arbeiten (vgl. Aspie Aggie

Librarian 2011).

2 Da es sich um geschützte Forenbereiche handelte, erfolgen in der öffentlichen Version dieser Arbeit keine

Verweise.

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Adam Schwartz, Asperger-Autist, Comedian und berufstätig in einer Bibli-

othek in Winnipeg/Kanada veröffentlichte "Ten things I like about working

in a library". Die ersten und für diese Arbeit wichtigsten vier Punkte sind:

"1. Libraries are a place of order. Unlike the rest of the world which is cha-

os, libraries organize information by subject, author and year. There is no

reading between the lines for information like there is in the rest of life.

2. I feel like a computer expert when I am able to answer computer ques-

tions, like how do I book a computer. Where can I find a computer with mi-

crosoft word. (Although, there are some times that I can't figure out how to

fix the computer or format on microsoft word but these questions are few

and far between.)

3. Libraries are quiet and never give me sensory overload which sometimes

happens in unknown crowded places. Especially when I am very hungry or

tired.

4. There are always people to watch who never end up letting me down

with their off-the-wall antics. Therefore, it is a good place to learn about

human behaviour and what to do and what not to do in social interactions."

(Schwartz 2013)

Penelope Andrews, Asperger-Autistin und Masterstudentin an der Univer-

sity of Sheffield im Studiengang Digital Library Management, spricht sich

ebenfalls für Autisten in Bibliotheksberufen aus und beschreibt ihre Stär-

ken folgendermaßen:"'I'm more focused, intense and honest than a neuro-

typical person,' she said. 'I do things thoroughly and pay proper attention

to detail. I'm always switched on: even when I'm not at work, I'll go to

events that are relevant. Libraries are one of my autistic specialities and I

harness that at work.'" (Hill 2013).

In den USA wurden in der Bibliothek der Illinois Wesleyan University zwei

autistische Studentische Hilfskräfte beschäftigt. Als Tätigkeiten wurden

Scandienste durchgeführt und an der Auskunft gearbeitet. Es wurde da-

rauf geachtet, dass die beiden Studentischen Hilfskräfte Pause machen

und sich Ruhe gönnen konnten wenn dies nötig war. Obwohl deutlich

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wurde, dass besondere Rücksicht genommen werden musste, etwa durch

eine ruhige Arbeitsumgebung, deutliche Kommunikation und wenig Va-

rianz in den Aufgaben, habe man die Zusammenarbeit geschätzt und als

einen Gewinn betrachtet. Wichtig gewesen sei es, mit Geduld und dem

richtigen Weg der Unterstützung (vgl. Miner 2009) Die Erfahrung bezüg-

lich der Beschäftigung der beiden autistischen Hilfskräfte wurde in fol-

gender Absicht geschrieben: "We offer our experiences as an entry into this

conversation and as a voice of encouragement for employing people on the

autistic spectrum in libraries." (Miner 2009, S. 20).

3.3 Fazit

Dieses Kapitel hat gezeigt, dass Menschen aus dem autistischen Spekt-

rum bereits seit längerem ein relevantes Thema für Bibliotheken darstel-

len sollten. National wie international gibt es bereits Autisten, die in Bibli-

otheken arbeiten und einige von ihnen gehen so offen damit um, dass sie

in Blogs und Zeitungsartikeln über ihre Arbeit dort berichten. Nicht nur

lenken sie dadurch den Blick auf ihre Stärken und das Potential das Bib-

liotheken entgeht, wenn in erster Linie eine negative Vorstellung von Au-

tisten besteht. Auch wird deutlich, dass die Arbeitgeber die Beschäftigung

dieser Menschen als eine Bereicherung ansehen.

So warf Meg Miner am Ende ihres Artikels über die beiden Asperger-

Autisten in der Bibliothek der Illinois Wesleyan University die Frage auf:

"Why should we think differently of prospective employees’ potential be-

cause some have a diagnosis for their personality traits and others don’t?"

(Miner 2009, S. 20)

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4. Ergebnisse der Experteninterviews

Im Hinblick auf die in Kapitel zwei und drei dargestellten Aspekte des au-

tistischen Spektrums, und der Bedeutung von Bibliotheken als Arbeitge-

ber für diese Personengruppe, wurden Experteninterviews durchgeführt.

Diese dienten dazu, anhand von Leitfragen, empirische Daten im Rahmen

der qualitativen Forschung zu erheben. Gemeinsam mit den Inhalten der

vorangegangenen Kapitel bilden sie die Grundlage für die Entwicklung der

Handlungsempfehlungen.

4.1 Auswahl der Experten

Für die Auswahl als Experte musste ein bedeutender Bezug zu dem The-

ma Autismus und Berufstätigkeit vorliegen. Dies konnte durch die Be-

schäftigung autistischer Mitarbeiter, durch Erfahrung mit autistischen

Kollegen, der eigenen Zugehörigkeit zum autistischen Spektrum oder der

Beschäftigung mit dieser Thematik im eigenen berufsbezogenen Kontext

gegeben sein.

Da Angehörige des autistischen Spektrums unterschiedliche Ausprä-

gungsgrade, Stärken und Defizite aufweisen, wurde bei der Auswahl der

Experten darauf geachtet, unterschiedliche Blickwinkel betrachten zu

können und so möglicherweise für die Entwicklung der Handlungsemp-

fehlungen interessante Aspekte zu erhalten, die durch die dargestellten

Informationen in Kapitel zwei und drei keine Beachtung gefunden hätten.

Die anknüpfenden Ergebnisse basieren daher auf der Grundlage folgender

Experten:

Herr Dirk Müller-Remus ist der Gründer und Geschäftsführer des IT-

Unternehmens "Auticon". Dieses beschäftigt an diversen Standorten in

Deutschland Menschen aus dem autistischen Spektrum, die als Consul-

tants für zeitlich begrenzte Aufträge in andere Unternehmen vermittelt

werden. Als erstes deutsches Unternehmen dieser Art hat Auticon einen

allgemeinen Bekanntheitsgrad erzielt.

Herr Hajo Seng ist Gründer der Hamburger Genossenschaft "autWorker".

Diese besteht aus autistischen Mitgliedern und wurde mit dem Ziel ge-

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gründet, Bindeglied zwischen dem Arbeitsmarkt und autistischen Men-

schen zu sein. Herr Seng ist Asperger-Autist und arbeitet in der IT-

Abteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky in

Hamburg.

Herr Christian Nolte ist Geschäftsführer des IT-Unternehmens "Velian" in

Braunschweig. Dieses stellte vor drei Jahren den ersten autistischen Mit-

arbeiter ein. Außerdem sind ein Mitarbeiter mit Mutismus3 und seit kur-

zem ein zweiter Asperger-Autist bei Velian beschäftigt.

Herr Prof. Dr. phil. Matthias Dalferth ist Professor an der Fakultät Ange-

wandte Sozialwissenschaften der Hochschule Regensburg, Mitglied des

Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Autismus Deutschland

e.V. und Mitautor des Buches "Berufliche Teilhabe für Menschen aus dem

autistischen Spektrum". Mit ihm fand kein persönliches Gespräch, son-

dern die Beantwortung von Fragen in Form eines Fragebogens, statt.

Aus Gründen des Datenschutzes werden interviewte Mitarbeiter einer

deutschen, wissenschaftlichen Bibliothek nicht namentlich genannt. Die

Kollegen eines Asperger-Autisten wurden persönlich interviewt, ihrem au-

tistischen Kollegen wurde ein Fragebogen zugesandt.

4.2 Ergebnisse der Befragungen

Die Zusammenfassungen der einzelnen Interviews und Fragebögen kön-

nen in den Anhängen 2 – 13 eingesehen werden.

Zwecks Nutzung der erhaltenen Informationen zur Entwicklung der Hand-

lungsempfehlungen wurden Kategorien gebildet, die sich in den Interviews

und Fragebögen als relevant abzeichneten.

4.2.1 Verantwortung seitens der Autisten

Herr Dirk Müller-Remus

Autisten müssen zu ihrem Autisten-Sein stehen und offen damit umge-

hen. Ohne diesen offenen Umgang kann ein Arbeitgeber nicht wissen,

dass sein Mitarbeiter Autist ist und kann keine Hilfestellungen bieten, um

3 Mutismus ist eine Kommunikationsstörung bei der der Betroffene, je nach Ausprägungsgrad, überhaupt

nicht oder wenig spricht.

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Probleme bei der Arbeit oder im kollegialen Miteinander zu vermeiden oder

zu lösen. Idealerweise kann der autistische Mitarbeiter Hinweise geben,

welche Aspekte in der Kommunikation mit ihm beachtet werden sollten.

Autisten sollten sich nicht mehr über ihre Defizite definieren, sondern

sich auf ihre Stärken und ihr Potenzial konzentrieren.

Ein nicht offener Umgang mit der Thematik Autismus führt dazu, dass

der autistische Mitarbeiter sich zu sehr an die Arbeitsumgebung anpassen

will, was zu Überforderungen führen kann.

Herr Hajo Seng

Ein offener Umgang mit dem Autist-Sein, ist generell sinnvoll und der bes-

te Weg. Wenn jemand tatsächlich nicht sagen möchte, dass er Autist ist,

könnten Probleme auch ohne diese Bekanntmachung gelöst werden in-

dem nur die Probleme an sich angesprochen werden. Durch die Bekannt-

gabe, man sei Autist, kann jedoch auch der Schwerbehindertenbeauftrage

hinzugezogen werden und auch neutrale Personen, wie beispielsweise von

autWorker, könnten eine Vermittlungsrolle übernehmen.

Ein nicht offener Umgang mit der Thematik Autismus führt auch laut

Herrn Seng dazu, dass der autistische Mitarbeiter sich an die Arbeitsum-

gebung anpassen will, was zu Überforderungen führen kann.

Der offene Umgang stößt jedoch häufig auf Verwirrung, da einige Men-

schen nach wie vor die Vorstellung hätten, Autisten seien stark beein-

trächtigt. Daher überwiegt die Annahme, dass Autismus eine Behinderung

darstelle und es besteht die Sorge, dass Probleme am Arbeitsplatz bezüg-

lich autistischer Beschäftigter überwiegen könnten.

Autisten sollten sich generell mehr auf ihre Stärken und ihr Potential kon-

zentrieren. Da viele sich ihrer Stärken selbst nicht bewusst sind, wären

Fähigkeiten-Workshops von autWorker eine gute Möglichkeit um sich da-

rüber im Klaren zu werden.

Herr Christian Nolte

Ein Offener Umgang ist wichtig, um zu wissen wie man mit Menschen die-

ser unterschiedlichen Persönlichkeiten am besten kommuniziert.

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Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Der autistische Bibliotheksmitarbeiter empfindet einen offenen Umgang

mit dem Autismus als wichtig. Seine Kollegen sehen für Autisten die Ver-

antwortung darin, sich auf die Arbeit im Team einzulassen und die Bereit-

schaft mitzubringen, neue Gesichtspunkte im sozialen Miteinander lernen

zu wollen.

4.2.2 Eignung von Bibliotheken als Arbeitgeber

Herr Dirk Müller-Remus

Bibliotheken stellen geeignete Arbeitsplätze dar, weil sie Tätigkeiten mit

guter Strukturierung, reizarmer Umgebung, Regelabläufen und geringer

Hektik bieten können.

Als besonders geeignete Tätigkeitsfelder sieht er die Katalogisierung, die

Indexierung, das Klassifizieren, sowie Sortier- und Kopierarbeiten.

Wegen der ausgeprägten Fähigkeit zur Mustererkennung können auch

Tätigkeiten im Big Data-Bereich eine hohe Attraktivität aufweisen.

Ob eine Tätigkeit im Publikumsverkehr geeignet und möglich sei, komme

auf jeden Einzelnen Mitarbeiter an.

Herr Hajo Seng

Bibliotheken können einen geeigneten Arbeitsplatz darstellen, da vieles

ohne den Zeitdruck wie in anderen Berufe stattfinden könne. Auch beste-

hen in vielen Bibliotheken keine "Mitarbeitermonokulturen", so dass in

Bibliotheken bereits eine Unternehmenskultur mit unterschiedlichsten

Charakteren vorherrsche. Dies könne zu einer größeren Toleranz gegen-

über autistischen Mitarbeitern führen.

Als besonders geeignete Tätigkeiten nennt er Magazinarbeiten oder Aufga-

ben in der IT.

Arbeitsbereiche mit Führungsaufgaben oder im leitenden Projektmanage-

ment seien jedoch eher ungeeignet. Ob Tätigkeiten im Publikumsverkehr

möglich seien, müsste individuell geprüft werden. Prinzipiell wäre es

denkbar, dass Beschäftigungen an der Ausleihe und der Information

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mögliche Arbeitsbereiche darstellen. Besonders an der Information könnte

ein autistischer Mitarbeiter sein Expertenwissen einbringen.

Grundsätzlich seien wechselnde Tätigkeiten, besonders mit mehreren Auf-

gaben aus unterschiedlichen Themenbereichen weniger geeignet.

Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Bibliotheken seien generell als Arbeitsplatz für Autisten geeignet, da sie

eine ruhige Arbeitsumgebung bieten können. Zudem könnten Autisten

sich besonders gut auf Details konzentrieren und sich diese gut merken.

Auch liegen ihre Stärken im Sortieren, Registrieren und Archivieren.

Gut geeignet wären daher Tätigkeiten, die mit der Arbeit am Buch zu tun

haben. Etwa das Ziehen und Einstellen derselben. Auch Aufgaben, die mit

der Eingabe oder Verarbeitung von Informationen am Computer zu tun

haben, könnten besonders geeignet sein.

Direkten Publikumsverkehr hält Herr Prof. Dr. Dalferth für problematisch,

doch kommt die Eignung hierfür auf jeden individuell an. Sollte die Chan-

ce bestehen im indirekten Kontakt mit Nutzern zu stehen und Auskünfte

zu geben, beispielsweise per E-Mail, könnte dies eine bessere Tätigkeit

darstellen.

Herr Christian Nolte

Asperger-Autisten können im Rahmen informationstechnologischer Tätig-

keiten erfolgreich beschäftigt werden. Die Erfahrungen Herrn Noltes zei-

gen, dass auch Kundenkontakt möglich sein kann.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Bibliotheken seien als Arbeitsplatz für Autisten generell geeignet, da es

sich um ruhige und wenig hektische Arbeitsumgebungen handele. Insbe-

sondere Tätigkeiten mit Bezug zur Bestandspflege, wie die Arbeit in einem

Magazin und das Ziehen und Einstellen von Büchern, seien geeignet.

Tätigkeiten im Publikumsverkehr seien weniger geeignet.

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4.2.3 Gewinn für den Arbeitgeber

Herr Dirk Müller-Remus

Nach Herrn Müller-Remus verfügen viele Autisten über ausgeprägte Fä-

higkeiten zur Mustererkennung, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Detailer-

kennung und analytisch-logisches Denkvermögen. Zugleich zeichnet sie

eine sorgfältige, genaue, gewissenhafte und konzentrierte Arbeit aus.

Herr Hajo Seng

Autistische Mitarbeiter bringen frischen Wind in die Unternehmen und

sehen vieles aus anderen Blickwinkeln. Grundsätzliche, meist unter-

schwellige Probleme innerhalb von Geschäftsprozessen können durch die-

se neuen Blickwinkel erkannt und eingefahrene Strukturen oder Arbeits-

abläufe können verbessert werden. Überdies verwenden Autisten häufig

andere Problemlösungsstrategien, so dass auch Problem anders angegan-

gen werden könnten als zuvor.

Herr Christian Nolte

Im Team lernen alle ein neues Miteinander kennen und es entstehe ein

neues Bewusstsein für die Teamstrukturen. Nach seiner Erfahrung be-

deutete die Einstellung von Asperger-Autisten, hochmotivierte Arbeitneh-

mer zu haben, die ihre Meinung offen, direkt und ehrlich sagen. Auch se-

hen sie vieles aus anderen Blickwinkeln. Dies führe insgesamt dazu, dass

Arbeitsergebnisse und –prozesse optimiert werden könnten.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Laut dem autistischen Bibliotheksmitarbeiter entsprechen einige Tätigkei-

ten in einer Bibliothek dem Fähigkeitenprofil von Autisten. So werden

Fehler, wie falsch stehende Bücher, besonders gut registriert. Auch kön-

nen Bücher schnell gezogen und eingestellt werden.

Die Kollegen beschreiben zudem, dass sie mit ihrem autistischen Kollegen

jemanden erhalten haben, der seine Aufgaben zuverlässig, verantwor-

tungsvoll und korrekt ausführt. Auch würden ihm häufig Fehler auffallen.

Die Zusammenarbeit mit ihm wird als Bereicherung empfunden und er

wird als Kollege geschätzt.

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4.2.4 Gewinn für autistische Arbeitnehmer

Herr Dirk Müller-Remus

Da Herr Müller-Remus in Kontakt mit vielen langzeitarbeitslosen Autisten

gekommen ist, besteht der Gewinn für einen Autisten zunächst darin, ei-

ner Berufstätigkeit nachgehen zu können. Durch einen offenen und res-

pektvollen Umgang mit dem Autismus könnten Bibliotheken außerdem

ihren autistischen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten einem Beruf nach-

zugehen, ohne sich anpassen und verstellen zu müssen. Für viele Tätig-

keiten in einer Bibliothek sind Fähigkeiten nötig, die Menschen mit Au-

tismus häufig automatisch in sich tragen, etwa die Fähigkeit zur Detailer-

kennung.

Dies alles könnte bei den angestellten Autisten dazu beitragen, sich auf

die Stärken zu konzentrieren. Auch bestünde eine positive Auswirkung

auf das Selbstwertgefühl.

Herr Hajo Seng

Bibliotheken könnten Autisten einen Arbeitsplatz bieten, an dem sie ihre

Stärken und Interessen beruflich nutzen könnten.

Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Bibliotheken könnten Autisten einen Arbeitsplatz bieten, an dem sie ihre

Stärken und Interessen beruflich nutzen könnten.

Herr Christian Nolte

Herr Nolte erhielt bei seinen autistischen Mitarbeitern den Eindruck, dass

sie ihren beruflichen Platz bei Velian gefunden haben und das Gefühl er-

hielten, akzeptiert zu werden. Die berufliche Tätigkeit entspräche dem

Spezialinteresse, so dass die Mitarbeiter hochmotiviert seien. Die positiven

Entwicklungen werden besonders dadurch deutlich, dass sie selbstständi-

ger geworden seien, mehr Lebensfreude ausstrahlen und positive Entwick-

lungen im Privatleben zu verzeichnen hätten.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Die Kollegen beschreiben, sie hätten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut.

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Da sich ihr autistischer Kollege für die Zusammenarbeit den Umgang mit

Grußformen angeeignete hat, habe er einen Mehrwert aus der Beschäfti-

gung gezogen und profitiere von den sozialen Umgangsformen im Privatle-

ben. Auch vermuten sie, dass er aufgrund der Auseinandersetzung mit

unterschiedlichen Charakteren bei der Arbeit sicherer ist dies auch au-

ßerhalb der Arbeit zu meistern.

Der Kollege selbst beschreibt, die Beschäftigung in der Bibliothek hätte

dazu geführt, dass er wieder Struktur im Tagesablauf habe.

Dadurch könne er seine Freizeit besser nutzen und müsse sich nicht

mehr mit dem Gedanken beschäftigen, sich um einen Job bemühen zu

müssen. Insgesamt habe er an Selbstwertgefühl gewonnen und seine Ni-

sche gefunden.

Er beschreibt: "Seit ich in der Bibliothek arbeite, habe ich nicht mehr das

Gefühl, „neben dem Leben“ zu stehen – ich stehe jetzt IM Leben."

4.2.5 Kommunikation und soziales Miteinander

Herr Dirk Müller-Remus

Bei vielen Autisten seien Defizite im Einführungsvermögen erkennbar.

Auch hätten viele kein Interesse daran Pausen mit Kollegen zu verbringen

oder an Betriebsausflügen teilzunehmen.

Häufig bestehe das Problem, dass Autisten von sich aus dazu neigen, bei

Unklarheiten nicht nachzufragen oder bei Problemen nicht um Hilfe bit-

ten. Dies kann sich sowohl auf die Ausübung von Aufgaben, als auch auf

die soziale Interaktion auswirken und führe dazu, dass sie anfangen sich

zu verstellen und eine nicht-autistische Rolle zu spielen.

Daher sei es wichtig, auf den autistischen Kollegen direkt zuzugehen und

nachzufragen, ob alles in Ordnung sei oder Unterstützung benötigt werde.

Herr Hajo Seng

Da Autisten in ihrer Art häufig anders auf ihre Mitmenschen wirken,

müsse darauf geachtet werden, dass es nicht zu Mobbing oder mobbing-

ähnlichen Situationen komme. Wenn Probleme mit Kollegen oder Vorge-

setzten bestehen, sollten diese frühestmöglich gelöst werden.

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Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Herr Prof. Dr. Dalferth beschreibt, dass Autisten häufig Probleme damit

hätten, Gefühle anhand der Mimik und Gestik zu erkennen. Insgesamt

bestehe das Problem, dass Bedürfnisse oder Erwartungen von Kunden

und Kollegen schwer wahrgenommen werden.

Soziale Prozesse innerhalb des Arbeitsumfeldes seien ebenfalls schwer er-

kenn- und durchschaubar. Es bestehe das Risiko von sozialer Überforde-

rungen.

Herr Christian Nolte

Es habe sich schnell gezeigt, dass eine klare und direkte Ansprache wich-

tig sei. Bei bestehenden Problemen, oder wenn etwas stört, sei ein zeitna-

hes und direktes Feedback die richtige Vorgehensweise. Nach einmaligen

Hinweisen, wie etwas besser gemacht werden könnte, werde dies schnell

verinnerlicht. Ein Bewusstsein für die richtige Gesprächslautstärke sei

mitunter nicht vorhanden.

Autistische Mitarbeiter sollten als eigenständige Persönlichkeiten gesehen

und nach ihrer Meinung gefragt werden. Herr Nolte habe die Erfahrung

gemacht, dass es häufig nicht erkannt wird, wenn jemand gerade beschäf-

tigt sei und daher keine Zeit für Fragen habe. Auch bestehe die Möglich-

keit mit zu vielen Detailfragen bombardiert zu werden. Werden angekün-

digte Besprechungen nicht eingehalten führe dies zu Verunsicherungen.

Grundsätzlich eigne sich der Austausch über das Spezialinteresse des au-

tistischen Mitarbeiters, um ins Gespräch mit ihm zu gelangen.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Der autistische Mitarbeiter beschreibt den Kontakt zu seinen Kollegen als

unproblematisch und sagt aus, dass wenig Small-Talk bestehe.

Seine Kollegen erklärten, dass er zunächst viele soziale Floskeln lernen

musste und viele klärende Gespräche stattgefunden hätten. In diesen hät-

ten sie ihm erläutert, dass seine direkte Art verletzend auf andere wirken

könne und manche Formulierungen oder Dinge nicht so gesagt werden

könnten. Grundsätzlich mussten sich seine Kollegen daran gewöhnen,

dass er mit seinen direkten Äußerungen niemanden verletzen oder belei-

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digen möchte. Für ihn stellen diese sachliche Hinweise oder Bemerkungen

dar. Generell, besonders war dies während der Einarbeitungsphase nötig,

sei eine eindeutige und klare Wortwahl wichtig.

4.2.6 Probleme im Arbeitsalltag

Herr Dirk Müller-Remus

Herr Müller-Remus beschreibt, Autisten hätten häufig Probleme mit einer

eingeschränkten Flexibilität, Probleme bei kurzfristigen Änderungen und

generelle Kommunikationsprobleme. Auch könnten Reizüberflutungen ein

Problem darstellen, doch stelle die Gestaltung der Arbeitsumgebung

gleichzeitig einen untergeordneter Aspekt dar. Am wichtigsten sei es, dass

sich die autistischen Mitarbeiter von den Kollegen akzeptiert fühlten.

Herr Hajo Seng

Die Gestaltung des Arbeitsplatzes kann ein Problem darstellen, das jedoch

am einfachsten zu lösen sei. Zu beachten sind unterschiedliche Bedürf-

nisse der autistischen Mitarbeiter. Während der eine problemlos in Groß-

raumbüros arbeiten könne, sei für einen anderen bereits die Arbeit zu

zweit in einem Büro eine Belastung. Daher könne diesbezüglich keine all-

gemeine Empfehlung gegeben werden. Die Tendenz zu ruhigen und kon-

zentrationsfördernden Umgebungen sei jedoch vorhanden.

Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Grundsätzlich seien Veränderungen und Reizüberflutungen ein großes

Problem. Bezüglich des Arbeitsalltags sei für einen autistischen Mitarbei-

ter eine gleichbleibende Tagesgestaltung mit nur einer zu bearbeitenden

Aufgabe zeitgleich wichtig. Es sollte generell wenig Varianz in der Aufga-

benstellung vorhanden sein und auch der Arbeitsplatz solle wenige Ver-

änderungen aufweisen. Die Erwartung an ein gesteigertes Arbeitstempo

und Multitasking, sowie an die Entwicklung eigener Problemlösungsstra-

tegien könne einen autistischen Mitarbeiter überfordern. Auch die Arbeit

in Großraumbüros, die eigenständige Hierarchisierung von Aufgaben so-

wie Schwerpunktsetzungen seien schwer zu bewältigen. Arbeiten ohne

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klare Anweisungen durchführen zu müssen und Führungsaufgaben zu

übernehmen stellen weitere Probleme im Arbeitsalltag dar.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Der autistische Mitarbeiter beschreibt, dass er besonders zu Beginn der

Tätigkeit in der Bibliothek Problem mit Reizüberflutungen aufgrund Über-

forderung hatte und dies mitunter zum Abbruch der Tätigkeit an diesem

Tag führte. Dies habe sich inzwischen deutlich verbessert.

Seine Kollegen bestätigen dies und führten an, dass ihr Kollege vor allem

am Anfang für die Durchführung seiner Aufgaben eine klare Struktur ge-

braucht hätte, dies auch jetzt noch von Vorteil sei, er jedoch auch ohne

diese Struktur arbeiten könne. Außerdem wurde erwähnt, dass sie ihm

stets Aufgaben bereitstellen, so dass er gleich mit der Arbeit beginnen

kann wenn er in der Bibliothek eintrifft.

Herr Christian Nolte

Herr Nolte machte die Erfahrung, dass zu viele Aufgaben zeitgleich für

seine autistischen Mitarbeiter überfordernd sein können, insbesondere

wenn die Struktur fehlt. Der Blick sollte darauf gerichtet sein, ob zu viele

Aufgaben gleichzeitig angefangen werden und dadurch die Übersicht ver-

loren gehe. Bei Aufgaben, deren Bearbeitung nicht erfolgreich verläuft

kann der Misserfolg gleichbedeutend mit einer Niederlage sein. Dies könn-

te auch zu der Furcht führen, seine Vorgesetzten oder Kollegen zu enttäu-

schen. Die Erstellung von Tages- und Wochenplänen kann notwendig

sein, ebenso die Einplanung fester Pausenzeiten.

4.2.7 Unterstützung durch einen Job Coach

Herr Dirk Müller-Remus

Da bei Auticon die Mitarbeiter für zeitliche begrenzte Aufträge an andere

Unternehmen vermittelt werden, stellen die Job Coachs dort ein unver-

zichtbares Bindeglied zwischen autistischem Mitarbeiter und Unterneh-

men dar. Herr Müller-Remus ist jedoch der Meinung, dass ein Job Coach

grundsätzlich zur Verfügung stehen sollte. Dies sollte ein externer Coach

und kein Kollege sein, da ansonsten das Risiko bestünde, dass das Autis-

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ten-Sein in Vergessenheit gerät oder der autistische Kollege doch nicht

genügend Unterstützung erfährt.

Herr Hajo Seng

Ein externer Job Coach könne hauptsächlich in der Einstiegsphase von

Vorteil sein. Im weiteren Verlauf wäre es von Vorteil jemanden aus dem

direkten Arbeitsumfeld, etwa einen Kollege, jemanden vom Personalrat

oder den Schwerbehindertenbeauftragten, als Ansprechpartner zur Seite

zu stellen.

Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Ein Job Coach sei hilfreich bis unverzichtbar. Die Häufigkeit und Intensi-

tät der Betreuung durch den Coach müsse anhand individuellen Bedarfs

geprüft werden. Grundsätzlich sei ein externer Coach sinnvoll wenn eine

intensive Betreuung nötig ist. Besteht dieser Bedarf nicht, oder nicht

mehr, habe sich der Einsatz eines vorbereiteten Kollegen als Mentor als

erfolgsversprechend erwiesen.

Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Der autistische Mitarbeiter hätte sich einen Job Coach in der Anfangszeit

seiner Beschäftigung als hilfreich vorstellen können. Probleme im Bezug

auf die Arbeit wurden mit der Autismustherapeutin besprochen. Inzwi-

schen sei diese Art von Unterstützung für ihn nicht mehr notwendig.

Seine Kollegen sind der Meinung, dass ein Job Coach nicht hilfreich gewe-

sen wäre. Zu Beginn der Zusammenarbeit wurden sie von der Therapeutin

über die autismusspezifischen Besonderheiten aufgeklärt. Weitere Unter-

stützung sei nicht nötig gewesen, da beide Seiten sich aneinander gewöh-

nen und aufeinander zugehen mussten.

Herr Christian Nolte

Velian verfügt zwar über einen Kommunikations- und Strategiecoach, der

das Unternehmen in grundsätzlichen Fragen berät, dieser ist jedoch nicht

mit einem Job Coach für autistische Mitarbeiter vergleichbar. Als der erste

autistische Mitarbeiter vor drei Jahren bei Velian anfing, hatte er zwar sei-

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tens seiner betreuenden Einrichtung eine begleitende Person, diese war

jedoch schnell nicht mehr nötig, so dass gar keine Betreuung mehr be-

stand. Dies führte dazu, dass Herr Nolte stets der direkte Ansprechpart-

ner für seinen Mitarbeiter war, was viel Zeit in Anspruch nahm. Eine Per-

son, die zur Entlastung hätte beitragen können, wäre sinnvoll gewesen.

Bei dem zweiten autistischen Mitarbeiter ist eine Betreuung anwesend

und gibt ihm Sicherheit. Insgesamt betrachtet würde Herr Nolte eine An-

sprechperson, die das Team entlastet, als hilfreich einschätzen.

4.2.8 Unterstützung durch einen Leitfaden

Herr Dirk Müller-Remus

Während des Interviews führte Herr Müller-Remus an, dass viele autisti-

sche Mitarbeiter Probleme bezüglich der Wahl von Anreden und Gruß-

formen in E-Mails hätten und diesbezüglich Unterstützung bräuchten.

Erst durch diese Aussage entwickelte sich im Nachhinein die Überlegung,

ob Bibliotheken autistischen Mitarbeitern mit einem Leitfaden eine Unter-

stützung in bestimmten sozialen Bereichen bieten könnten. Daher wurde

Herrn Müller-Remus die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Leitfadens

nicht gestellt.

Herr Hajo Seng

Herr Seng sieht die Entwicklung eines Leitfadens als sinnvoll und ist der

Ansicht, dass so etwas bisher noch nicht vorhanden sei.

Mögliche Inhalte für den Leitfaden könnten die Anreden in E-Mails und

eine Orientierung über den Umfang eigener Kompetenzen und Entschei-

dungsfreiheiten darstellen. Auch eine Orientierungshilfe, wie man sich

gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen verhalten soll,

wäre hilfreich.

Herr Prof. Dr. Matthias Dalferth

Grundsätzlich hält Herr Prof. Dr. Dalferth den Einsatz eines Leitfadens für

denkbar. Das Problem bestehe jedoch darin, dass ein solcher nicht alle

notwendigen Aspekte bezüglich des sozialen Miteinanders abdecken kön-

ne und nur eine begrenzte Hilfsmöglichkeit biete.

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Mitarbeiter einer wissenschaftliche Bibliothek

Die Kollegen des autistischen Mitarbeiters hätten einen Leitfaden nicht für

hilfreich erachtet. Im Gegensatz dazu hätte sich ihr Kollege einen Leitfa-

den gewünscht, da er insbesondere mit ungeschriebenen sozialen Regeln

manchmal Probleme habe und ihm diesbezüglich eine Orientierung hätte

geboten werden können.

Herr Christian Nolte

Ein Leitfaden sowohl für den autistischen Mitarbeiter, als auch für die

Kollegen wäre sinnvoll. Der Leitfaden könnte Hinweise für das Telefonge-

spräch oder das Verfassen von E-Mails enthalten. Im Nachhinein habe

Herr Nolte festgestellt, dass er seinen Mitarbeitern wenig von dem mitge-

geben habe, was er als direkte Ansprechperson für die autistischen Mitar-

beiter gelernt hat. Daher würde ein Leitfaden für alle anderen Mitarbeiter

sinnvoll sein, damit auch die Kollegen wissen worauf sie achten müssen

und wie sie sich in bestimmten Fällen verhalten sollen.

4.3 Fazit

Die Experteninterviews und Fragebögen verdeutlichen eine gewisse Homo-

genität der Menschen innerhalb des Spektrums, da sich aufgrund der

Aussagen acht Kernkategorien im Hinblick auf die Berufstätigkeit von Au-

tisten ableiten ließen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund bedeutend,

als dass die Befragten zwar alle einen Bezug zum Thema Autismus auf-

wiesen, dieser aber unterschiedlicher Natur war und vom beruflichen

Kontext, zu autistischen Angestellten bis zum eigenen Autismus reichte.

Innerhalb der identifizierten Kategorien deckten sich einige Aussagen mit

den Aussagen anderer Befragter, während es zu einigen Aspekten unter-

schiedliche Meinungen gab. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die

Entwicklung und Anwendung von Handlungsempfehlungen Grenzen auf-

weist und stets der persönliche Austausch mit dem autistischen Beschäf-

tigten gesucht werden muss.

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5. Handlungsempfehlungen

Die dargestellten Handlungsempfehlungen können aufgrund der Vielsei-

tigkeit von Stärken, Defiziten und Interessen autistischer Personen nur

eine generelle Orientierung im Umgang mit autistischen Bibliotheksmitar-

beitern bieten. Grundsätzlich gilt, dass der Austausch mit der betreffen-

den Mitarbeiterinnen oder dem betreffenden Mitarbeiter gesucht werden

und gemeinsam geprüft werden sollte, welche Bedürfnisse bestehen und

was im Miteinander hilfreich sein kann.

5.1 Generelle Hinweise

Ein Autist sollte niemals belogen werden, da er mit Unehrlichkeit nicht

umgehen kann und selbst stets ehrlich sein wird.

Manche Autisten haben bereits zu Schulzeiten Erfahrungen mit Mobbing

gemacht und dieses auch in späteren Berufen erfahren. Die Erfahrungen

hinterlassen ein geringes Selbstwertgefühl, das erst langsam aufgebaut

werden muss. Wird beobachtet, dass ein autistischer Mitarbeiter in mob-

bingähnliche Situationen verwickelt wird, ist die unverzügliche Unterstüt-

zung durch andere Kollegen oder Vorgesetzten geboten, da Autisten sich

in der Regel nicht selbst aus solchen Situationen befreien können.

Falls der autistische Mitarbeiter aufgrund von Missverständnissen (Ironie,

Doppeldeutigkeiten, Sprichwörtern) eine Aufgabe falsch durchführt, sollte

sich niemand über ihn lustig machen oder ihn mit Vorwürfen konfrontie-

ren. Stattdessen sollte der Person sachlich erklärt werden, was falsch ver-

standen wurde und wie es gemeint war.

Es ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter die Tätigkeit in der besten

Absicht und in aller Gründlichkeit durchgeführt hat und Fehler nicht be-

absichtigt waren. Vorwürfe und Scherze wegen Missverständnissen kön-

nen dem Selbstwertgefühl einen schweren Schaden zufügen und die

Furcht vor neuen Fehlern verstärken.

Es bietet sich generell an, mit dem autistischen Beschäftigen festzuhalten

worin die Stärken und Defizite sowie mögliche Lösungen liegen. Eine Ori-

entierung hierfür, bietet die Broschüre "Autistische Menschen am Ar-

beitsplatz" von autWorker (vgl. AutWorker 2014).

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5.2 Geeignete Tätigkeitsbereiche

Bibliotheken können für Autisten an unterschiedlichsten Stellen geeignete

Tätigkeiten bieten. Die klassischen Aufgaben sind in der Arbeit mit Bü-

chern und anderen Medien zu verorten. Hierzu zählt das Ziehen und Ein-

stellen von Büchern, Regalkontrollen, Buchbearbeitungen und der Zeit-

schriftenumlauf. Da Autisten gerne Sammeln, Katalogisieren, Indexieren

oder Klassifizieren eignet sich auch die Akquisition als möglicher Arbeits-

bereich um Medien zu bestellen und die formale wie inhaltliche Erschlie-

ßung durchzuführen. Bei der Bestellung von Medien sollte jedoch darauf

geachtet werden, dass Listen mit Medien zur Verfügung stehen, die be-

stellt werden sollen. Ansonsten könnte die selbstständige Auswahl von zu

bestellenden Medien zu einer Überforderung führen.

Auch die Beschäftigung mit Tabellen, Daten und Statistiken könnten Tä-

tigkeitsfehlder für Autisten darstellen.

Weiterhin haben viele Autisten mitunter die Neigung zu Tätigkeiten im IT-

Bereich. Insbesondere seit Bibliotheken sich immer mehr den informati-

onstechnologischen Herausforderungen stellen müssen, könnten Autisten

in diesen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden. Zu nennen sei die Ar-

beit mit Bibliothekskatalogen, Datenbanken, Bibliothekssystemen oder

der Website. Aufgrund der Fähigkeit zur Mustererkennen könnten zukünf-

tige Big Data-Projekte, beispielsweise im Zuge der Langzeitarchivierung,

gute Tätigkeitsbereiche für Autisten darstellen.

5.3 Ungeeignete Tätigkeitsbereiche

Ob ein Tätigkeitsbereich für einen Autisten ungeeignet ist, sollte im direk-

ten Austausch mit dem Autisten, ggf. nach Probearbeiten, besprochen

werden.

Prinzipiell sollten Führungsaufgaben, Aufgaben bei denen der autistische

Mitarbeiter selbstständige Entscheidungen über Arbeitsprozesse treffen

muss oder eine leitende Rolle im Projektmanagement innehat mit Abstand

betrachtet werden.

Tätigkeiten im Publikumsverkehr könnten für Menschen aus dem autisti-

schen Spektrum ungeeignet sein, da sie mitunter zu sozialen Überforde-

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rungen führen. Individuell könnte jedoch auch die Vorliebe zum Kunden-

kontakt bestehen, da autistische Arbeitnehmer über ein reichhaltiges

Wissen bezüglich ihrer Arbeit verfügen werden und bei Literaturrecher-

chen helfen könnten. Sofern Auskunftstätigkeiten nicht für den autisti-

schen Mitarbeiter geeignet sind, könnte auch an der Ausleihe gearbeitet

werden, wenn dies getrennt von der Auskunft stattfindet.

Wird der Mitarbeiter im direkten Publikumsverkehr eingesetzt, sollte da-

rauf geachtet werden zwischendurch Pausen vorzugeben oder andere Tä-

tigkeiten ohne Publikumsverkehr als Ausgleich zu bieten.

Sofern die Bibliothek Nutzeranfragen per E-Mail beantwortet, könnte auch

dies von autistischen Mitarbeitern durchgeführt werden, da die Anforde-

rungen an soziale Kompetenzen nicht so hoch sind wie im direkten Kon-

takt. Ob Chat-Beratungen sinnvoll sind gilt individuell zu prüfen.

5.4 Leitfaden und Job Coach

Ein Job Coach sollte, je nach individuellem Austausch mit dem Mitarbei-

ter, insbesondere bei einer Neubeschäftigung als Ansprechperson zur Sei-

te stehen. Sofern der Betreuungsaufwand zu Beginn noch sehr hoch ist,

oder auch im weiteren Verlauf eine regelmäßige Betreuung nötig ist, bietet

sich ein externer Coach an.

Grundsätzlich bietet die Vorbereitung einer Kollegin oder eines Kollegen

auf die Aufgabe als interner Coach, bzw. Mentor zwei positive Aspekte.

Zum einen ist dieser Mentor direkt in die Abläufe der Bibliothek involviert

und kann dem autistischen Kollegen umso mehr "Insiderinformationen"

zukommen lassen. Zum anderen hat der autistische Mitarbeiter einen di-

rekten Ansprechpartner im Team und kann so besser in bibliotheksinter-

ne Themen eingebunden und integriert werden, als es mit einem externen

Coach der Fall wäre.

Die Erstellung eines Leitfadens mit Hilfestellungen zu Grußformen in E-

Mails, Verabschiedungen in Telefonaten, Unternehmenskulturellen Be-

sonderheiten, die sonst nirgendwo festgehalten werden und Ansprech-

partner für unterschiedliche Themengebiete ist grundsätzlich sinnvoll.

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Hilfreich wäre auch eine Übersicht über die eigenen Kompetenzen und

Grenzen zu erstellen. Hier muss jedoch geprüft werden, welche Tätigkeiten

der Mitarbeiter ausführt und ob sich diese Frage überhaupt stellt.

Falls es sich bei der Bibliothek um eine große Bibliothek mit unterschied-

lichen Abteilungen handelt, kann geprüft werden ob in dem Leitfaden Ori-

entierungen zum Umgang mit unterschiedlichen Personengruppen, bei-

spielsweise Professoren oder Nutzern, gegeben werden kann.

Empfehlenswert ist die Erstellung eines Leitfadens als Orientierung für die

anderen Kollegen. Sofern noch keine Berührungspunkte mit einem Autis-

ten bestanden, kann dieser Leitfaden hilfreich sein um grundsätzliche

Fragen oder Befürchtungen zu klären. Mögliche Inhalte sind unter Punkt

5.1. genannten Generellen Hinweise und die Ausführungen unter Punkt

5.5 Kommunikation und soziale Interaktion.

5.5 Kommunikation und soziale Interaktion

Die meisten Autisten haben kein gutes Gefühl für soziale Regeln. Daher

wissen sie nicht welche Erwartungen an sie gestellt werden, wie sie sich in

einem Gespräch verhalten sollen und wie man ein wechselseitiges Ge-

spräch führt. Es kann sein, dass ein autistischer Beschäftigter kaum

spricht, sobald es um das Spezialinteresse geht aber in einen Monolog fällt

und nicht merkt, dass dieser nicht gewünscht ist.

Generell ist eine klare, direkte und eindeutige Kommunikation mit Autis-

ten zu empfehlen.

Da viele Autisten anderen nicht zur Last fallen und unangenehm auffallen

wollen, kann es sein, dass Probleme nicht angesprochen werden. Daher

sollte besonders zu Beginn der Tätigkeit darauf geachtet werden, ob der

Mitarbeiter Unterstützung benötigt.

5.5.1 Autistischer Bewerber

Bewirbt sich eine Person aus dem autistischen Spektrum um eine Anstel-

lung, oder erzählt während eines Vorstellungsgesprächs, er sei Autist,

sollte offen und möglichst ohne Vorbehalte, Erwartungen oder Befürch-

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tungen damit umgegangen werden. Bewerberinnen und Bewerber, die

keinen autistischen Eindruck erwecken sollten ernst genommen und die

Diagnose nicht angezweifelt werden.

Es sollte ein Austausch darüber stattfinden, was der Autismus für die be-

treffende Person bedeutet, welche Probleme (siehe Kapitel zwei) besonders

relevant sind und wo die Stärken gesehen werden.

Wird der vorliegende Autismus bereits in der Bewerbung erwähnt, gilt es

den Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung zu dem Vorstel-

lungsgespräch hinzuzuziehen. Hat der Bewerber eine betreuende Person,

sollte diese auf Wunsch des Bewerbers ebenfalls bei dem Vorstellungsge-

spräch anwesend sein.

5.5.1 Autistische Mitarbeiter / Kollegen

Autisten führen nicht gerne Small-Talk. Für sie stellt dies uninteressante

Informationen da und sie wissen mitunter nicht, wie sie auf Grundlage

dieser Themen ein Gespräch führen sollen. Um mit einem Autisten in

Kontakt zu kommen eignet sich ein Gespräch über das Spezialinteresse,

doch sollte man darauf vorbereitet sein, dass dies in einen Monolog des

Kollegen übergehen und man selbst nicht genügend Wissen darüber vor-

weisen kann.

Häufig besteht in Bibliotheken die Mentalität Pausen mit Kollegen zu ver-

bringen. Sofern der autistische Kollege seine Pausen alleine verbringen

möchte, ist dies kein Zeichen von Ablehnung. Pausen stellen für Autisten

unstrukturierte Zeiten dar, in denen sie sich vielleicht eigene Routinen

geschaffen haben um diese Zeit als Erholung zu nutzen. Gemeinsames

Essen mit Kollegen stellt den autistischen Kollegen vor die Herausforde-

rung nicht zu wissen, welche sozialen Erwartungen herrschen. Grund-

sätzlich zeigt es dem autistischen Kollegen jedoch, dass er im Team ge-

schätzt wird und Interesse an seiner Gesellschaft besteht wenn dennoch

hin und wieder gefragt wird, ob die Pause gemeinsam verbracht werden

soll. Idealerweise wird in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass es ver-

standen wird, wenn das Angebot nicht angenommen wird.

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Finden Aktivitäten außerhalb der normalen Arbeitssituation statt, bei-

spielsweise eine Weihnachtsfeier, kann Menschen aus dem autistischen

Spektrum entweder freigestellt werden, ob sie kommen möchten, oder es

sollte ihnen Hilfe bezüglich der sozialen Erwartungen angeboten werden.

Allein die Frage nach der richtigen Kleidung, wie lange man da bleiben

muss und wie man mit unbekannten Kollegen umgeht kann einen Autis-

ten ohne Hilfestellung überfordern. Grundsätzlich ist es zu empfehlen,

dass während solcher Veranstaltungen ein vertrauter Kollege Begleit-,

oder zumindest als Ansprechperson, zur Seite steht.

Viele Autisten verfügen über eine sehr klare visuelle Vorstellungskraft. Da

sie vieles wörtlich verstehen, können manche Sprichwörter oder Redensar-

ten auch so aufgefasst und zu negativen bildlichen Vorstellungen führen.

So kann es passieren, dass ein Autist blankes Entsetzen verspürt, wenn

ein Kollege ihm mitteilt, ihm würde wegen Kopfschmerzen der Kopf plat-

zen. In solchen Momenten ist ein sensibler Umgang mit den autistischen

Kollegen geboten um das Bewusstsein zu vermitteln, dass alles in Ord-

nung ist.

5.6 Strukturierungshilfen

Autistische Mitarbeiter sollten besonders zu Beginn der Tätigkeit nicht mit

ihren Aufgaben alleine gelassen werden. Für einige Autisten ist die dauer-

hafte Erstellung von Tages- und Wochenplänen hilfreich. Andere brau-

chen diese überhaupt nicht.

Anhang 14 und 15 geben Beispiele wie ein Tagesplan Mithilfe eines Onli-

ne-Systems aussehen kann. In diesem Fall kann der Plan online erstellt

und für den jeweiligen Tag auf eine App übertragen werden. Dies hätte

den Vorteil, dass der autistische Mitarbeiter mittels Smartphone oder

Tablet stets über Benachrichtigungen darin erinnert wird, wenn Pausen

gemacht werden sollen oder ein Tätigkeitenwechsel ansteht.

5.7 Veränderungen

Schon die kleinste Veränderung kann bei Autisten zu großer Angst führen

und im schlimmsten Fall für diesen Tag zu Arbeitsausfällen. Es gibt zwar

Autisten die mit Veränderungen gut umgehen können, doch sollte dies

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nicht vorausgesetzt werden. Daher sollte bei anstehenden Veränderungen

so früh wie möglich eine Information an den autistischen Mitarbeiter her-

ausgehen. Auf einer sachlich-informativen Ebene sollten ihm die zu erwar-

tenden Veränderungen erläutert werden. Sofern es Veränderungen sind,

die Mithilfe visueller Darstellungen erläutert werden können, stellt dies

bei Autisten einen guten Zugangsweg dar.

Falls nicht schon solche Maßnahmen durchgeführt werden, stellt die Be-

schäftigung eines autistischen Mitarbeiters einen optimalen Zeitpunkt dar

um die grundsätzliche Einführung von Change-Management in der Biblio-

thek anzugehen.

Fallen plötzliche, nicht vorhersehbare Veränderungen im Tagesablauf an,

sollte es ernst genommen werden, wenn der autistische Mitarbeiter sich

kurzzeitig zurücknehmen und erholen muss. Je nach individueller Aus-

prägung, kann eine Veränderung dazu führen, dass die Struktur und Si-

cherheit soweit zusammenbricht, dass es zu einer Reizüberflutung führt.

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6. Schlussbetrachtung

Die vorliegende Arbeit zeigt, dass Menschen aus dem autistischen Spekt-

rum gemeinsame Grundproblematiken aufweisen die letzten Endes zu ei-

ner solchen Diagnose geführt haben. Zugleich wird jedoch deutlich, dass

jeder Mensch in diesem Spektrum ein Individuum mit unterschiedlich

starken Ausprägungen der autistischen Besonderheiten darstellt.

Dies bezieht sich nicht nur auf bestehende Defizite, sondern auch auf In-

teressen und Stärken und nahm auch Einfluss auf die Entwicklung der

Handlungsempfehlungen.

Mit den dargestellten Handlungsempfehlungen wurde versucht weit mög-

lichst allgemeinen Bedürfnissen und Anforderungen zu entsprechen, um

Führungskräfte, Kollegen und autistischen Mitarbeitern einer Bibliothek

das Miteinander zu erleichtern.

Die Anforderungen an die Entwicklung von Handlungsempfehlungen, die

"allgemeine Bedürfnisse und Anforderungen" für den Umgang mit Men-

schen innerhalb eines Spektrums erfüllen können, sind es jedoch, die die-

sen Empfehlungen die eigenen Grenzen setzen.

Jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter wird daher vor die Verantwor-

tung gestellt, die Empfehlungen nicht als allgemeingültig zu sehen, son-

dern als Orientierung für das berufliche und soziale Miteinander mit ei-

nem autistischen Beschäftigten. Da es sich bei jedem autistischen Men-

schen um ein Individuum handelt, führt dies dazu, dass die hier entwi-

ckelten Handlungsempfehlungen vielleicht eine optimale Hilfe für den

Umgang mit dem einem bieten können, im Umgang mit einem anderen

jedoch stark an den jeweiligen Menschen angepasst werden müssen.

Dies stellt den Bereich dar, in dem die Autisten selbst für sich eintreten

und offen mit den Vorgesetzten oder Kollegen über ihre Defizite, aber auch

über Stärken und mögliche Hilfestellungen in den Austausch treten müs-

sen. Hinsichtlich autistischer Beschäftigter in Bibliotheken hätte dies be-

reits zu früheren Zeiten Sinn gemacht. Die im dritten Kapitel dargestellten

Ergebnisse bezüglich autistischer Mitarbeiter in Bibliotheken zeigen, dass

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das Thema nicht erst relevant wird. Die Relevanz ist bereits da, denn es

arbeiten schon jetzt Autisten in Bibliotheken.

Zudem werden Bibliotheken in der Literatur, von anderen Autisten oder

von BBWs als geeignete Berufsfelder empfohlen.

Die Handlungsempfehlungen zeigen zwar, dass bei der Beschäftigung mit

Menschen aus dem autistischen Spektrum auf diverse Aspekte geachtet

werden muss. Gleichzeitig wurde in den Experteninterviews und den vor-

gestellten Beschäftigten in Kapitel drei deutlich, dass trotz aller Probleme

und Anstrengungen das berufliche Miteinander mit einem Autisten als

bereichernde Erfahrung gesehen wird.

Autisten verfügen über andere Problemlösungsstrategien. Sie nehmen ihre

Arbeitsumgebung auf eine andere Art wahr und sehen mit einem neuen

Blickwinkel auf die Dinge als nicht-autistische Beschäftigte.

Besonders in unserem heutigen Zeitalter, mit ständig wandelnden infor-

mationstechnologischen Entwicklungen und veränderten Nutzererwartun-

gen, stehen Bibliotheken immer wieder vor der Herausforderung, andere

Blickwinkel einzunehmen und neue Wege zu gehen.

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Anhang 1: Leitfaden zum Interview mit Dirk Müller-Remus

1. Gab es nach der Gründung von Auticon und durch die Zusammenarbeit

mit Menschen aus dem autistischen Spektrum bestimmte Ereignisse,

Probleme oder positive Begebenheiten, die Sie überrascht haben und wo-

mit Sie nicht gerechnet hätten?

2. Auf der Website von Auticon werden Stärken autistischer Menschen

genannt, die sich viele Arbeitgeber bei ihren Mitarbeitern wünschen wür-

den.

Worin sehen Sie die größten Probleme im Arbeitsalltag, die einen Autisten

in der Auslebung dieser Stärken negativ beeinflussen und bei der Arbeit

einschränken?

3. Wie haben Sie das Thema der räumlichen Gestaltung, z.B. im Hinblick auf

eine reizarme Umgebung, an den unterschiedlichen Auticon-Standorten

gelöst?

Gibt es beispielsweise interne Richtlinien, etwa zur Helligkeit des Lichts?

Im Folgenden beziehe ich mich auf ein Arbeitsumfeld mit Nicht-

Autistischen Vorgesetzten und Kollegen, etwa in einer Bibliothek.

1. Welche Empfehlungen haben Sie generell im Hinblick auf die räumliche

Gestaltung des Arbeitsumfeldes für Menschen im autistischen Spektrum?

Insbesondere, wenn sich mehrere Menschen einen Arbeitsbereich, bzw.

ein Büro teilen müssen.

2. Wie schätzen Sie die Offenheit und Bereitschaft von Arbeitgebern bezüg-

lich der Beschäftigung autistischer Mitarbeiter in Unterneh-

men/öffentlichen Einrichtungen ein?

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3. Insbesondere in Internetforen wird häufig erwähnt, viele Betroffene wür-

den ihren Arbeitgeber aus Furcht vor Vorurteilen nicht über ihre Autis-

mus-Diagnose aufklären.

Halten Sie einen offenen Umgang mit dieser Thematik am Arbeitsplatz

grundsätzlich für wichtig? Warum / Warum nicht?

4. Die Genossenschaft autWorker bietet unter anderem Mitarbeiterfortbil-

dungen an, um über das autistische Spektrum aufzuklären.

Wie bedeutsam halten Sie solch eine Fortbildung für Unterneh-

men/öffentliche Einrichtungen, insbesondere wenn es dort bereits einen

autistischen Mitarbeiter gibt?

5. Inwiefern halten Sie den Austausch über Stärken und Defizite zwischen

Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ggf. auch unter Kollegen, für wichtig?

6. Bei Auticon gibt es Job-Coachs als Bindeglied zwischen den Consultants

und Kunden.

Würden Sie in einem Unternehmen/einer öffentlichen Einrichtung einen

Kollegen, der in Form eines Autismusbegleiters als Ansprechperson zur

Verfügung stehen kann, als sinnvoll einschätzen? Warum / Warum nicht?

7. Was könnte einem Arbeitnehmer aus dem autistischen Spektrum, der

nicht in einem geschützten und auf Autisten ausgerichteten Umfeld arbei-

tet, noch helfen?

8. Haben Sie noch weitere Anregungen, die in den bisherigen Fragen keine

Berücksichtigung fanden?

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Anhang 2: Interview mit Dirk Müller-Remus

Anhand von Leitfragen wurde Dirk Müller-Remus, Gründer des IT-

Unternehmens "Auticon", interviewt.

"Auticon" beschäftigt Menschen aus dem autistischen Spektrum, vermittelt

sie als Consultants für zeitlich begrenzte Aufträge in andere Unternehmen

und hat als erstes deutsches Unternehmen dieser Art hohen Bekanntheits-

grad in der Branche erzielt.

Herr Müller-Remus berichtet, er und seine Frau, durch einen autistischen

Sohn mit persönlichem Bezug zum Autismus, hätten 2008 das erste Mal

die Idee ein Unternehmen wie Auticon zu gründen.

Nach Kontaktaufnahme mit Thorkil Sonne, Gründer des Unternehmens

Specialisterne in Dänemark4, fuhr Herr Müller-Remus ab 2009 mehrmals

zwecks Erfahrungsaustauschs nach Dänemark.

Die Initialzündung für die Gründung Auticons war jedoch das Treffen ei-

ner Selbsthilfegruppe in 2010, bei dem zwanzig bis fünfundzwanzig Autis-

ten von ihrem beruflichen Werdegang erzählten und deutlich wurde: Ob-

wohl diese gute Ausbildungen vorweisen konnten, waren sie dennoch ar-

beitslos.

In der Folgezeit lernte Herr Müller-Remus viele Autisten kennen, so auch

Sebastian Dern, Mitglied in der Selbsthilfeorganisation Aspies e.V.. Dieser

unterstützte ihn unter autistischen Gesichtspunkten bei der Gestaltung

des Auticon-Konzepts. Ergänzend hatte auch der Kontakt zur Freien Uni-

versität Berlin5 einen unterstützenden Charakter. Dies führte dazu, dass

Herr Müller-Remus 2011 die Arbeit mit Auticon beginnen konnte.

Während seiner Zusammenarbeit mit Autisten merkte er, dass die in der

Literatur beschriebenen Stärken autistischer Menschen auch auf die Rea-

lität zutrafen. Einige würden die Erwartungen sogar noch "übererfüllen"

und Stärken aufweisen, die "viel schillernder und noch viel vielfältiger"

4 Specialisterne ist ein in Dänemark gegründetes IT-Unternehmen mit autistischen Beschäftigten. Es gilt als

Vorreiter für dieses Unternehmensmodell und verfügt über internationale Standorte (vgl. Specialisterne 2014) 5 Diese bietet unter anderem eine Autismus-Sprechstunde an

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und stärker ausgeprägt waren, als man es erwarten würde. Als mögliche

Stärken nennt Herr Müller-Remus die ausgeprägte Fähigkeit zur Muster-

erkennung, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Detailerkennung und ein ana-

lytisch-logisches Denkvermögen. Zudem würden Autisten sorgfältig, ge-

nau, gewissenhaft und konzentriert arbeiten. Mögliche Probleme sind eine

eingeschränkte Flexibilität, Probleme bei einer kurzfristigen Änderung von

Tagesordnungspunkten und Reizüberflutungen. In der sozialen Interakti-

on wurden grundsätzliche Kommunikationsprobleme und Defizite im Ein-

führungsvermögen angeführt.

Durch die Zusammenarbeit mit Autisten bildete sich bei Herrn Müller-

Remus schnell das Bewusstsein, dass es nicht "DIE Autisten gibt und

auch nicht DIE Asperger-Autisten und auch nicht DIE hochbegabten Au-

tisten, sondern es ist wirklich von Mensch zu Mensch ganz und gar unter-

schiedlich ausgeprägt". Dies führt dazu, dass jeder Autist als ein Indivi-

duum verstanden werden und mit jedem Autisten ein individueller Weg

gegangen werden muss.

Im Hinblick auf Auticon erzählt Herr Müller-Remus, dass 95 Prozent der

dort beschäftigen zuvor langzeitarbeitslos waren. Aufgrund dessen und,

weil das Leben vieler Autisten häufig von negativem Feedback geprägt

war, bestünde bei vielen ein geringes Selbstwertgefühl. Daher ist es zu-

nächst Aufgabe, den autistischen Mitarbeitern das Bewusstsein zu vermit-

teln, dass sie akzeptiert werden wie sie sind und nicht versuchen müssen

wie ein Nicht-Autist zu funktionieren.

Die Gestaltung der Arbeitsumgebung sieht Herr Müller-Remus als einen

untergeordneten Aspekt. Zwar sollte, um das Problem der Reizüberflutung

zu verringern, die Arbeitsumgebung optisch, akustisch und geruchsmäßig

möglichst reizarm gestaltet sein, doch hat Herr Müller-Remus folgende

Erfahrung gemacht: Da die autistischen Mitarbeiter bei Auticon für zeit-

lich begrenzte Aufträge an externe Unternehmen vermittelt werden, müs-

sen sie sich häufig mit Arbeitsumgebungen arrangieren, die nicht immer

reizarm sind. Dies stellte bisher noch keinen Grund dar, warum ein Con-

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sultant die Tätigkeit in einem solchen Unternehmen nicht durchführen

konnte.

Wichtiger sei es, dass sich die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz aufge-

nommen fühlen und das soziale Miteinander stimmt.

Herr Müller-Remus führt an, dass die ihm bekannten Auftraggeber ve-

rantwortungsvoll und sensibel mit diesem Thema umgingen und es akzep-

tiert wird, wenn der autistische Mitarbeiter kein Interesse an gemeinsa-

men Pausen oder Betriebsausflügen hat.

Hinsichtlich der allgemeinen Offenheit und Bereitschaft von Arbeitgebern,

Menschen aus dem autistischen Spektrum zu beschäftigen sieht Herr

Müller-Remus die Verantwortung diesbezüglich nicht nur bei den Arbeit-

gebern, sondern auch bei den Autisten selbst.

Viele Autisten haben in ihrer beruflichen Laufbahn versucht sich anzu-

passen und die autistischen Eigenschaften zu verstecken.

Deshalb sei es in der Verantwortung der Autisten, offen mit dem Autist-

Sein umzugehen und dies dem Vorgesetzten mitzuteilen.

Nur indem ein Vorgesetzter weiß, dass sein Mitarbeiter Autist ist, besteht

überhaupt die Chance auf Probleme einzugehen.

In vielen Fällen weiß ein Arbeitgeber oder Vorgesetzter nur wenig über Au-

tismus, besonders das autistische Spektrum ist häufig eine Unbekannte.

Deshalb sollte ein autistischer Mitarbeiter nicht nur offen mit dem Autis-

mus umgehen, sondern auch auf Bedürfnisse und Lösungsmöglichkeiten

eingehen (bspw. klare, direkte Ansprache, reizarme Umgebung).

Indem das Gegenüber des autistischen Mitarbeiters weiß, worum es geht,

kann es sich darauf einstellen und sich bei Bedarf weiter über dieses

Thema informieren.

Herr Müller-Remus spricht sich jedoch nicht nur für einen offenen Um-

gang mit dem Autismus aus, sondern beschreibt, dass die Autisten sich

mehr auf ihre Stärken konzentrieren sollten.

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Das Problem hierbei sei, dass viele Autisten nicht wüssten worin ihre

Stärken liegen. Auch sei vielen nicht klar, dass ihre ausgeprägten Spezial-

interessen eine Leidenschaft darstellen, die als berufliche Stärke genutzt

werden kann, so dass das Bewusstsein dafür geschaffen werden muss.

Dies könne durch Fähigkeiten-Workshops geschehen wie sie von der Ge-

nossenschaft autWorker angeboten werden.

Im Bezug auf Mitarbeiterfortbildungen zum Thema Autismus sieht Herr

Müller-Remus das Problem, dass dies als Pflichtveranstaltung aufgefasst

werden könnte und Desinteresse seitens der Mitarbeiter besteht.

Hinzu kommt, dass solch eine Fortbildung nur grundlegendes Wissen

über Autismus vermitteln kann.

In der Zusammenarbeit hilft dies jedoch nur wenig, da der autistische

Mitarbeiter seine individuellen Stärken, Schwächen und Probleme hat.

Deshalb sei es erfolgsversprechender im direkten Austausch miteinander

zu sein und aus der täglichen Zusammenarbeit zu lernen.

Um den Austausch zu fördern, können Job Coachs sinnvoll sein.

Diese hält Herr Müller-Remus nach seinen Erfahrungen mittlerweile sogar

für unverzichtbar.

Nach Möglichkeit sollte Kollegen dies nicht übernehmen, sondern externe

Coachs. Bei Kollegen bestünde das Risiko, dass die Funktion des Coachs

im Laufe der Zeit untergeht und auch vergessen wird, dass der Mitarbeiter

Autist ist. Ein externer Coach hingegen ist für alle präsent, kann für alle

Seiten als Ansprechpartner fungieren und stärkt so das Bewusstsein, ei-

nen autistischen Mitarbeiter zu haben.

Mögliche Themen, bei denen ein Coach dem autistischen Mitarbeiter bera-

tend zur Seite stehen könnte, wäre Unterstützung bei der Formulierung

von Anreden, bzw. Grußformen in E-Mails.

Hier haben laut Herrn Müller-Remus viele Autisten ein Problem über die

Entscheidung der richtigen Wortwahl. So sei häufig nicht klar, ob bei-

spielsweise "Sehr geehrter", "Hallo", "Lieber" oder eine andere Anrede rich-

tig ist.

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Sowohl für den Job Coach, als auch für Kollegen und Vorgesetzte des au-

tistischen Mitarbeiters gilt jedoch zu beachten, dass Autisten dazu neigen

wenig zu fragen, so dass davon ausgegangen wird, dass alles okay sei.

Dies sei jedoch nicht immer der Fall und müsse den beteiligten Personen

bewusst gemacht werden.

Es sollte auf den autistischen Kollegen zugegangen und direkt nachgefragt

werden, ob alles in Ordnung ist oder Klärungsbedarf besteht.

Insbesondere bei Unsicherheiten oder Dingen, die Probleme bereiten und

die der autistische Mitarbeiter nicht von selbst anspricht, besteht das Ri-

siko, dass der Betroffene versucht sich möglichst anzupassen und normal

erscheinen will. Dies kann jedoch dazu führen, dass, aus dem Gesichts-

punkt von Kollegen und Vorgesetzten, ein plötzlicher Zusammenbruch des

betroffenen Mitarbeiters vorkommt mit dem niemand gerechnet hat.

Bibliotheken seien laut Herrn Müller-Remus geeignete Arbeitsplätze für

Autisten, da hier die Möglichkeit besteht gut strukturiert, reizarm, mit Re-

gelabläufen und geringer Hektik die Aufgaben durchführen zu können.

Für Autisten geeignete Tätigkeiten seien in der Katalogisierung oder der

Indexierung zu finden. Auch Tätigkeiten, die aus Sortieren, Klassifizieren

und Kopieren bestehen seien für einen Autisten geeignet und entsprächen

genau seinem Fähigkeiten- und Interessenprofil.

Ob die Tätigkeit im Publikumsverkehr möglich ist, kommt nach Herrn

Müller-Remus auf jeden Einzelnen an.

Im Zusammenhang mit der zukünftigen Entwicklung von Auticon führte

Herr Müller-Remus an, dass aufgrund der ausgeprägten Mustererken-

nung auch Projekte im Big Data-Bereich für Autisten eine hohe Attraktivi-

tät darstellen.

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Anhang 3: Leitfaden zum Interview mit Hajo Seng

1. Wie schätzen Sie die Offenheit und Bereitschaft von Arbeitgebern bezüg-

lich der Beschäftigung autistischer Mitarbeiter in Unternehmen / öffentli-

chen Einrichtungen ein?

2. Insbesondere in Internetforen wird häufig erwähnt, viele Betroffene wür-

den ihren Arbeitgeber aus Furcht vor Vorurteilen nicht über ihre Autis-

mus-Diagnose aufklären.

Halten einen offenen Umgang mit dieser Thematik am Arbeitsplatz grund-

sätzlich für wichtig? Warum / Warum nicht?

3. autWorker bietet unter anderem Fähigkeitenworkshops für Autisten an.

Inwiefern kann so ein Workshop gerade im Hinblick auf die Berufstätigkeit

wichtig sein?

4. Inwiefern halten Sie den Austausch über Stärken und Defizite zwischen

Arbeitgeber und autistischem Arbeitnehmer, ggf. auch unter Kollegen, für

wichtig?

5. Worin sehen Sie die größten Probleme im Arbeitsalltag, die einen Autisten

in der Auslebung seiner Stärken negativ beeinflussen und bei der Arbeit

einschränken?

6. Welche Empfehlungen haben Sie für die räumliche Gestaltung des Ar-

beitsumfeldes für Menschen im autistischen Spektrum?

Insbesondere, wenn sich mehrere Menschen einen Arbeitsbereich, z.B. ein

Büro, teilen müssen.

7. Es gibt ebenfalls Mitarbeiterfortbildungen um über das autistische Spekt-

rum aufzuklären.

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Ist es empfehlenswert, dass insbesondere neurotypische Mitarbeiter aus

Unternehmen/öffentliche Einrichtungen, die autistische Mitarbeiter be-

schäftigen, an solchen Fortbildungen teilnehmen?

9. Wodurch zeichnet sich eine Bibliothek als einen geeigneten Arbeitsplatz

für Menschen aus dem autistischen Spektrum aus?

Gibt es Ihrer Meinung nach Tätigkeiten in einer Bibliothek, die für Autis-

ten besser geeignet sind als andere? Wenn ja, welche und warum?

10. Bei Auticon gibt es Job-Coaches als Bindeglied zwischen den Consultants

und Kunden.

Würdest du in einem Unternehmen/einer öffentlichen Einrichtung einen

Kollegen, oder eine externe Person, als Autismusbegleiter, als sinnvoll ein-

schätzen? Warum / Warum nicht?

11. Inwiefern schätzen Sie die Erstellung eines Leitfadens mit den wichtigsten

(sozialen) Regeln, die im jeweiligen Unternehmen herrschen, als sinnvoll

ein?

12. Haben Sie weitere Anregungen, die in den bisherigen Fragen keine

Berücksichtigung fanden?

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Anhang 4: Interview mit Hajo Seng

Anhand eines Leitfadens fand das Interview mit dem Gründer der Hambur-

ger Genossenschaft autWorker statt. AutWorker besteht aus autistischen

Mitgliedern und wurde mit dem Ziel gegründet, Bindeglied zwischen dem

Arbeitsmarkt und autistischen Menschen zu sein. Herr Seng, selbst Asper-

ger-Autist, ist in der IT-Abteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Carl

von Ossietzky in Hamburg tätig.

Herr Seng schätzt die Offenheit und Bereitschaft von Arbeitgebern bezüg-

lich der Einstellung von autistischen Mitarbeitern so ein, dass bei der Er-

wähnung von Autismus zunächst an eine Behinderung gedacht wird.

Auch bestehen die unterschiedlichsten Vorstellungen über Autismus, so-

wohl im negativen wie positiv Sinne.

Bei vielen nicht-autistischen Menschen überwiegt die Vorstellung, Autis-

mus würde stets so eine starke Behinderung bedeuten, dass Betroffene

kaum zu einem selbstständigen Leben fähig seien. So passt es nicht in die

Vorstellung, wenn ein Autist dann doch viel "normaler" wirkt.

Hinsichtlich der Beschäftigung von Autisten besteht die Sorge, dies könne

mit generellen Problemen am Arbeitsplatz und Schwierigkeiten im Team

verbunden sein.

Seiner Erfahrung nach gibt es in Unternehmen, die autistischen Mitarbei-

tern gegenüber offen sind, häufig an der entscheidenden Personalposition

jemand, der bereits durch eigene Kinder oder Bekannte in Berührung mit

dem Thema Autismus gekommen ist. So fallen in diesen Fällen die Berüh-

rungsängste hinsichtlich dieser Thematik geringer aus.

Insbesondere wegen den häufig einseitigen Vorstellungen über Autismus

hält Herr Seng einen offenen Umgang diesbezüglich für wichtig.

Mitunter sprechen autistische Mitarbeiter aus Sorge vor Vorurteilen un-

gerne mit Vorgesetzten oder Kollegen über Probleme, die aus dem Autis-

mus resultieren. Daher sieht Herr Seng auch die Möglichkeit, individuelle

Probleme anzusprechen, ohne sofort den vorliegenden Autismus zu er-

wähnen.

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Vielmehr könnte dem Vorgesetzten zunächst vermittelt werden welche

Probleme (bspw. in der Arbeitsumgebung) bestehen. So könnte eine Ver-

besserung dieser Situation angestrebt werden, ohne zwangsläufig den Au-

tismus erwähnen zu müssen.

Herr Seng beschreibt, dass in den von autWorker angebotenen Fähigkei-

ten-Workshops für Autisten immer wieder festgestellt wird, viele Autisten

hätten kein Bewusstsein für ihre Stärken und das eigene Potenzial.

Insbesondere durch negative Erfahrungen neigen sie dazu, den Autismus

in erster Linie selbst als Behinderung zu sehen.

So wird in den Fähigkeiten-Workshops versucht den Betroffenen ein Be-

wusstsein für die eigenen Stärken zu vermitteln. Dies kann sich auch po-

sitiv auf die Berufstätigkeit auswirken.

Generell empfiehlt Herr Seng, besonders vor dem Hintergrund Vorgesetz-

ten von der Autismus-Diagnose zu erzählen, die "eigenen Potenziale in den

Vordergrund" zu stellen. Auch sei ein eigener, offener Umgang im Bezug

auf die eigenen Stärken und Schwächen eine Möglichkeit, um zugleich

einen offenen Umgang im Arbeitsumfeld zu fördern.

Hierdurch würde vermieden, dass der Betroffene zu sehr versucht sich an

seine Umgebung anzupassen und etwas darzustellen, das er gar nicht ist.

Probleme am Arbeitsplatz stellen für jeden Menschen einen Stressfaktor

dar. Für Autisten sei dies jedoch besonders belastend, so dass stets eine

Lösung der Probleme angestrebt werden sollte.

Kann der autistische Mitarbeiter im Gespräch mit seinem Vorgesetzten

keine Lösung herbeiführen, besteht die Möglichkeit eine neutrale Person

hinzu zuziehen. Grundsätzliche Ansprechpartner wären zunächst der Per-

sonalrat und Schwerbehindertenbeauftragte. Doch insbesondere jemand

mit Kenntnis über Autismus, etwa jemand von autWorker, könnte auch

einbezogen werden um die Relevanz für die betreffende Person zu verdeut-

lichen und zwischen beiden Seiten zu vermitteln. So könnte erklärt wer-

den, dass für einen Autisten die Arbeit in einem Großraumbüro weitaus

belastender sein kann als für Nicht-Autisten.

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Als eines der größten Probleme vieler Autisten, die bei der Ausübung der

Stärken und Durchführung der Arbeit hinderlich sein können, führt Herr

Seng die generell falsche Berufswahl an. So hat er im Rahmen seiner Tä-

tigkeit bei autWorker die Erfahrung gemacht, dass es durchaus Autisten

mit Führungsaufgaben oder im Projektmanagement gibt und hält diese

Tätigkeiten, sofern Kerntätigkeit, mitunter für ungeeignet. Auch der Wa-

reneinkauf und die Verhandlung von Preisen werden als suboptimale Tä-

tigkeitsfelder verstanden.

Da Bibliotheken über vielfältige Tätigkeitsbereiche verfügen empfiehlt er,

sich darüber zu informieren und auszuprobieren welcher Bereich am

ehesten dem Fähigkeitenprofil entspricht. So besteht insbesondere die Un-

terscheidung von Tätigkeiten mit und ohne Publikumsverkehr.

Tätigkeiten an der Ausleihe oder an der Information könnten seiner Mei-

nung nach auch für Autisten geeignete Arbeitsbereiche sein. Insbesondere

an der Information könnte ein Autist sein spezielles Fachwissen einbrin-

gen.

Als geeignete Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr seien bspw. Magazinar-

beiten oder Tätigkeiten im IT-Bereich zu nennen.

Wenig geeignet hingegen seien wechselnde Tätigkeiten, insbesondere wenn

diese während des Tages variieren. Als Beispiel sei die Tätigkeit des Fach-

referenten genannt, die nicht nur aus der Medienauswahl, sondern meist

auch aus dem Auskunftsdienst und weiteren Aufgaben besteht. Besser sei

ein Tätigkeitsbereich in dem die Aufgaben unter ein Thema fallen.

Als ein weiteres wichtiges Problemfeld wird das soziale Umfeld, der gene-

relle Umgang mit Kollegen oder das Vorliegen von Mobbing angeführt.

Hier müsse man frühzeitig eingreifen um eine Lösung für beide Seiten er-

reichen zu können. Umso fortgeschrittener die Probleme im sozialen Mit-

einander seien, desto schwieriger sei es, den Konflikt aufzulösen.

Auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes sei ein wichtiges Thema das Prob-

leme birgt. Hier führt Herr Seng an, dass Autisten sehr unterschiedliche

Bedürfnisse diesbezüglich haben können.

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Der Eine kann ohne Probleme in einem Großraumbüro arbeiten, während

jemand anders es nicht erträgt sich mit einer anderen Person ein Büro zu

teilen.

Für Herrn Seng selbst hat sich eine Konstellation zu Zweit oder zu Dritt

bewährt, sofern es sich um Kollegen handelt, die ihrer Tätigkeit im ruhi-

gen Rahmen nachgehen.

Bezüglich der räumlichen Gestaltung kann daher keine grundsätzliche

Empfehlung gegeben werden. Es besteht jedoch die Tendenz zu ruhigen

und konzentrationsfördernden Umgebungen.

Grundsätzlich sieht er die Gestaltung des Arbeitsplatzes als ein Problem-

feld, das am besten behandelt werden kann.

Um Vorgesetzte und Mitarbeiter über das autistische Spektrum und die

Bedeutung bezüglich autistischen Mitarbeitern zu informieren, erachtet

Herr Seng Mitarbeiterfortbildungen in Unternehmen als sinnvoll, die sich

dem Thema autistischer Fähigkeiten annehmen wollen und eine generelle

Einführung erhalten möchte.

Sofern es jedoch um einen konkreten Mitarbeiter vor Ort geht, wäre es er-

folgsversprechender im individuellen Austausch mit dem Mitarbeiter zu

sein. Um diesen Austausch zu unterstützen, kann ein Job Coach seiner

Meinung nach sinnvoll sein, besonders in der Einstiegsphase in Form ei-

nes externen Coachs. Im weiteren Verlauf wäre es der beste Weg, wenn

jemand aus dem direkten Arbeitsumfeld (Kollege, Personalrat, Schwerbe-

hindertenbeauftragte) als Ansprechpartner eingesetzt werden könnte.

Die Erstellung eines Leitfadens mit den ungeschriebenen sozialen Regeln

in der jeweiligen Unternehmenskultur, hält Herr Seng für sinnvoll.

Als mögliche Inhalte führt er Anreden in E-Mails an. Auch eine Orientie-

rung über den Umfang eigener Kompetenzen und Entscheidungsfreiheit

sei ein möglicher Inhalt.

Generell wäre eine Orientierung hilfreich, wie man sich gegenüber be-

stimmten Personen oder Personengruppen verhält.

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Zwar gibt es durchaus Mitarbeiterseminare die die generelle Kommunika-

tion im Publikumsverkehr zum Inhalt haben, doch ist dies sehr grund-

sätzlich und deckt nicht alle Problemfelder eines autistischen Mitarbeiters

ab.

Laut Herrn Seng können Bibliotheken aus zwei Aspekten heraus ein ge-

eigneter Arbeitsplatz für Autisten sein.

Zum Einen gibt es Bereiche in denen weniger unter Zeitdruck gearbeitet

werden muss, als in anderen Berufen.

Zum Anderen besteht seiner Ansicht nach in Bibliotheken meist keine

"Mitarbeitermonokultur", so dass eine stärkere Toleranz mit den unter-

schiedlichsten Menschen und deren Charakteren vorherrscht.

Er führt an, dass es sich bei seinem Arbeitgeber um ein harmonisches

Miteinander handelt. Doch habe er auch erfahren, dass dies nicht in allen

Universitätsbibliotheken so sei.

In anderen Berufsbereichen herrsche häufiger ein hoher Zeitdruck und

eine "Mitarbeitermonokultur", so dass ein Mensch, der sich aufgrund sei-

nes Autismus' von der Gesellschaft abhebt, dort stärkeren Problemen

ausgesetzt sein kann.

Bei seinem Vorstellungsgespräch in der Staats- und Universitätsbibliothek

Hamburg gab Herr Seng seinen Autismus an. In einem Mitarbeiterge-

spräch erhielt er später das Feedback, es hätte die Annahme bestanden,

dass Herr Seng durch seine andere Art etwas frischen Wind in die Abtei-

lung bringen würde. Dies bestätigte sich und sei nach Herrn Sengs Erfah-

rung ein Aspekt, über den Arbeitgeber sich nicht im Klaren seien, wenn es

um autistische Mitarbeiter geht. Autisten gehen häufig anders an Proble-

me heran, haben andere Problemlösungsstrategien. So kann durch die

Beschäftigung autistischer Mitarbeiter ein anderer Blick auf die Dinge er-

folgen. Grundsätzliche, meist unterschwellige Probleme werden deutlich

und bestimmte Strukturen oder Arbeitsabläufe können verbessert werden.

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Anhang 5: Leitfaden zum Interview mit Christian Nolte

1. Laut Artikel in der IHK Zeitung machen Herr Schmidt und Herr Dismer

die Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung.

Wie sind Sie auf die beiden aufmerksam geworden? Haben beide sich z.B.

bei Ihnen beworben?

2. Wussten Sie vor der Einstellung über die möglichen Stärken und Proble-

me, insbesondere beim Asperger-Autismus, Bescheid? Was führte zu der

Entscheidung der Einstellung?

3. Wurde das restliche Team bei dieser Entscheidung einbezogen, z.B. nach

Erfahrungen oder Befürchtungen gefragt?

4. Welche Stärken und positiven Aspekte bildeten sich in der Zusammenar-

beit insbesondere mit Herrn Schmidt heraus?

5. In dem Artikel wird erwähnt, dass es lange Zeit Zweifel an einer funktio-

nierenden Zusammenarbeit gegeben habe. Welche Probleme sind generell

aufgetreten? Gab es Probleme mit denen Sie in grundsätzlich oder in ihrer

Intensität nicht gerechnet haben?

6. Gab es bestimmte räumliche Anpassungen um den Arbeitsplatz möglichst

reiz- und ablenkungsfrei zu gestalten?

7. Wie wurden die anderen Mitarbeiter einbezogen, so dass nun doch eine

gute Arbeitsatmosphäre entstehen konnte?

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8. Hatten Sie einen begleitenden Job-Coach der zu Beginn, oder auch jetzt

noch, bei der Einarbeitung und der Klärung von Fragen und Problemen

zur Seite stand/steht?

9. Haben Sie sich zu Beginn, oder ggf. im Laufe der Zusammenarbeit, mit

Herrn Schmidt darüber ausgetauscht, was ihm Probleme bereitet und wie

man diese lösen könnte?

10. Wurde eine Art Leitfaden erstellt, in denen wichtige Absprachen oder

Orientierungsmöglichkeiten für das (soziale) Miteinander gesammelt

wurden, so dass sich Herr Schmidt daran orientieren konnte?

Wenn nein: Hätten Sie solch einen Leitfaden im Nachhinein für sinnvoll

gehalten?

11. Haben Sie noch weitere Anregungen, die in den bisherigen Fragen keine

Berücksichtigung fanden?

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Anhang 6: Interview mit Christian Nolte

Interviewt wurde Christian Nolte, Geschäftsführer des IT-Unternehmens

"Velian". Dieses stellte vor drei Jahren den ersten Asperger-Autisten ein.

Seit kurzem wird ein zweiter Asperger-Autist eingearbeitet. Auch gehört ein

Mitarbeiter mit Mutismus in das Velian-Team.

Das IT-Unternehmen Velian beschäftigt zwei Mitarbeiter mit dem Asper-

ger-Syndrom (Herr Schmidt, Herr Timmer) und einen Mitarbeiter mit Mu-

tismus (Herr Dismer).

Die jeweiligen betreuenden Institutionen (Lavie6, Lebenshilfe7 und Ausbil-

dungsverbund8) stellten den Kontakt zu Herrn Nolte her und erkundigten

sich nach der Bereitschaft zwecks Praktikums und eventueller Berufsaus-

bildung im Softwarebereich. Bevor Herr Schmidt bei Velian anfing, be-

standen für Herrn Nolte noch keine Berührungspunkte zum Autismus

und daher keinerlei Kenntnisse darüber. Durch die Lavie bekam Herr Nol-

te eine Übersicht mit möglichen Einschränkungen bezüglich des Asperger-

Syndroms (bspw. fehlender Blickkontakt, ablenkende Umgebungsgeräu-

sche) zur Verfügung gestellt.

Herr Schmidt befindet sich ab September 2014 im dritten und letzten

Ausbildungsjahr. Als dieser sich vor drei Jahren vorstellte, war auch seine

zuständige Betreuerin der Lavie anwesend. Entgegen des Informations-

schreibens konnte Herr Schmidt während des Vorstellungsgesprächs

schnell einen Draht zu Herrn Nolte aufbauen, was wahrscheinlich dem

Umstand geschuldet war, dass Herr Schmidt ein gemeinsames Gesprächs-

thema mit Herrn Nolte hatte und sich über sein Spezialinteresse austau-

schen konnte (IT/Computer, etc.). Blickkontakt war ihm möglich und

auch lautere Umgebungsgeräusche waren für Herrn Schmidt zu Händeln.

Er begann zunächst mit einem Probearbeiten. Diese wurde anschließend

in ein Praktikum umgewandelt und ein Jahr lang als Vorbereitung auf die

Berufsausbildung genutzt.

6 vgl. Lavie 2005

7 vgl. Lebenshilfe 2014

8 vgl. Ausbildungsverbund 2012

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Kurz vor Beginn der Ausbildung nahm Herr Schmidt am Berufsschulun-

terricht teil um herauszufinden, wie es sich mit den akustischen Reizen

und dem Kontakt zu Mitschülern verhält.

Seit Beginn der Berufsschule wird Herr Schmidt nicht mehr durch die La-

vie betreut.

Herr Nolte berichtet, Herr Schmidt habe zuvor bereits in einer Behinder-

tenwerkstatt gearbeitet, dort jedoch kaum Berührungspunkte mit Compu-

tern gehabt. Die IT-Fähigkeiten, die für die berufliche Tätigkeit bei Velian

notwendig sind, habe er sich autodidaktisch beigebracht.

In der ersten Woche bei Velian war die Betreuerin von Herrn Schmidt un-

terstützend anwesend. Bereits ab der Folgewoche war diese jedoch nicht

mehr nötig. Durch die Lavie wurde Herrn Nolte nahegelegt für Herrn

Schmidt vorab einen Wochenplan zu erstellen, so dass dieser immer

wusste, was auf ihn zukommt und er sich in seinem Tagesablauf sicher

fühlte. Auch wurden zwei Pausen zu festen Zeiten eingeplant.

Die Orientierung durch diesen Plan war für Herrn Schmidt zunächst von

Vorteil. Als diese Planung zwischenzeitlich aus organisatorischen Gründen

nicht erstellt werden konnte, wurde jedoch deutlich, dass Herr Schmidt

auch ohne diesen zurechtkam. Insbesondere fiel auf, dass die festgelegten

Pausen nicht mehr eingehalten wurden, da Herr Schmidt merkte, dass

diese nicht nötig waren.

Heute arbeitet Herr Schmidt ohne Wochenplan und macht, wie die ande-

ren Kollegen auch, zu selbstbestimmten Zeiten Pause.

Unabhängig von der Wochenplanung stehen für Herrn Schmidt Aufgaben

im System bereit und er konnte sich schnell einarbeiten.

Herr Nolte beschreibt, dass bezüglich der Bearbeitung von Aufgaben ins-

besondere die Strukturierung durch Checklisten hilfreich war, da Aufga-

ben oder Arbeitsvorgänge kontrolliert und abgehakt werden konnten.

Ohne diese Strukturierung traten bei Herrn Schmidt schneller Probleme

bei der Bearbeitung der Aufgaben auf, da die nötige Übersicht verloren

ging. Auch falle auf, dass Herr Schmidt bei mehreren Aufgaben dazu neigt

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eine Aufgabe zu bearbeiten und sich bei Bearbeitungsschwierigkeiten ei-

ner anderen Aufgabe widme. Dies ginge soweit, bis mehrere angefangene

Aufgaben zu einer Überforderung führen. Daher ging seitens Herrn Nolte

die Empfehlung aus, nicht mehr als zwei Aufgaben gleichzeitig zu bearbei-

ten.

Herr Nolte betont jedoch, dass dies bei allen anderen Mitarbeitern auch

der Fall sei, nur, dass es bei diesen später, also bspw. bei mehr zeitglei-

chen Aufgaben eintreten würde. Für Herrn Nolte hat sich dadurch der

persönliche Mehrwert ergeben zu lernen, wie er Aufgaben, auch im Hin-

blick auf die anderen Kollegen, strukturieren muss.

Ein Problem besonders zur Anfangszeit war, dass Herr Schmidt mit vielen

Detail-Zwischenfragen zu Herrn Nolte ging und kein Gespür dafür hatte,

wenn dieser in anderen Dingen vertieft war und keine Zeit hatte. Dies

führte dazu, dass Herr Nolte später zu ihm kommen wollte. Wenn dies

dann nicht erfolgte, führte es bei Herrn Schmidt zu Irritation. Inzwischen

habe Herr Schmidt gelernt Anzeichen zu erkennen, wenn Herr Nolte gera-

de nicht ansprechbar sei.

Besonders zu schätzen wusste Herr Nolte von Beginn an die offene und

direkte Art seitens Herrn Schmidt. Findet dieser fachlich etwas nicht gut,

wird dies direkt von ihm angesprochen, ohne ein "Blatt vor den Mund" zu

nehmen. Im Umgang mit Kollegen ist er jedoch zurückhaltender.

Nach einiger Zeit übergab Herr Nolte auch Aufgaben im direkten Kunden-

kontakt an Herrn Schmidt. Dies fand zunächst bei ausgewählten Kunden

und mit der Information statt, dass Herr Schmidt Asperger-Autist sei und

aufgrund dessen selbst schwer merkt, wenn er zu viel spricht. Die Kunden

sollten ihn daher unterbrechen wenn er etwas zu umfangreich erklärte.

Hier führt Herr Nolte an, dass man sich selbst erst daran gewöhnen müs-

se jemanden zu unterbrechen, doch dies sei im Umgang mit Herrn

Schmidt wichtig und richtig.

Inzwischen führt Herr Schmidt Kundengespräche selbstständig per E-Mail

und am Telefon. Telefonisch ist eine monotone Intonation erkennbar.

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Hinsichtlich der Formulierung der E-Mails musste er die richtige Mi-

schung zwischen Freundlichkeit und Sachlichkeit lernen. Dies sei ihm

mittlerweile so gut gelungen, dass die E-Mails als Vorbild für andere ge-

nutzt werden könnten.

Im Bezug auf die Telefonate fiel auf, dass Herrn Schmidt die Verabschie-

dungsfloskeln zunächst nicht lagen und er darauf hingewiesen werden

musste das Telefonat mit einer Verabschiedung zu beenden.

Grundsätzlich sei es so, dass man Herrn Schmidt einmal auf etwas hin-

weisen muss, er dies verinnerlicht und es anwendet.

Herr Nolte beschreibt, dass Herr Schmidt zu wenig nach seiner eigenen

Meinung gefragt wurde. In Gesprächen mit der Lavie wurde zwar darüber

gesprochen, was gut für ihn sei, doch niemand habe ihn direkt gefragt

was er davon halte. Für Herrn Nolte sei es daher eine Selbstverständlich-

keit ihn direkt anzusprechen und nach seiner Meinung zu fragen.

Bezüglich der Integration von Herrn Schmidt ins Velian-Team beschreibt

Herr Nolte, das dieser in Teambuilding-Maßnahmen einbezogen wurde.

Die anderen Mitarbeiter waren seiner Einstellung gegenüber offen, er

wurde ins Team integriert und es wurde darauf geachtet ihn, soweit wie

möglich, wie alle anderen auch zu behandeln. Zudem verfügt die Velian

über einen Kommunikations- und Strategiecoach der bei Bedarf das Team

coacht (dies nicht nur im Hinblick auf autistische Mitarbeiter).

Dennoch war bezüglich der Anfangszeit deutlich, dass es für das ganze

Team mit Anstrengung und Belastung verbunden war. Teilweise wurden

Kollegen durch den Abbau von Nervosität (Bein wippen) abgelenkt. Auch

haben sich die Teamstrukturen etwas geändert. Zudem hat Herr Schmidt

kein Gespür für die Lautstärke seiner Stimme und neigte zu lautem spre-

chen, wodurch andere sich abgelenkt fühlten.

Herr Nolte empfahl den Mitarbeitern (auch heute noch) Herrn Schmidt bei

Problemen direkt Feedback zu geben und klar zu sagen, was nicht in

Ordnung ist oder was einen ablenkt. Dies sei für einige jedoch immer

noch schwer.

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Im Nachhinein merkt Herr Nolte, dass er den übrigen Mitarbeitern wenig

von dem mitgegeben hat, was er im Umgang mit Herrn Schmidt gelernt

hat und diese daher in vielen Dingen nicht die Art von Ansprechpartner

sein konnten wie er.

Zusätzlich zu Herrn Schmidt befindet sich Herr Timmer als zweiter Asper-

ger-Autist in der Vorbereitungsphase zu einer Berufsausbildung und ar-

beitet einmal wöchentlich bei Velian. Bei Herrn Timmer seien die Probleme

ausgeprägter wenn der Tagesplan nicht ganz klar ist und auch Aufgaben

müssen detaillierter erklärt werden. Auch sei bei ihm stets eine Betreuung

anwesend. Da bei Velian sowieso gerade das Thema besteht, wie man Auf-

gaben im Team besser erklären kann, um nicht für weitere Fragen verfüg-

bar sein zu müssen, bietet sich jedoch durch Herrn Timmer die Möglich-

keit, bessere Formulierungswege für alle zu finden.

Wie auch bei Herrn Schmidt, bekommt Herr Timmer seine Aufgaben vorab

ins System gestellt und kann sich daran orientieren. Für Herrn Timmer ist

es ein großes Problem wenn er Aufgaben nicht lösen kann. Dies sei für ihn

wie eine schwere Niederlage und er fürchtet, die Kollegen dadurch zu ent-

täuschen.

Mit dem Umzug und der Gewöhnung an die neuen Räumlichkeiten hatte

Herr Timmer jedoch keine Probleme.

Herr Dismer ist mutistischer Mitarbeiter, wodurch die verbale Kommuni-

kation mit ihm erschwert ist. Er hat ohne Vorbereitungszeit oder Prakti-

kum seine Ausbildung bei der Velian absolviert und ist dort nun festange-

stellt.

Auch im Umgang mit ihm sind klare Worte die beste Zugangsmöglichkeit.

Im Laufe der Jahre wurde Herr Dismer zunehmend aufgeschlossener.

Herr Dismer hat etwa 3-4 Monate vor Herrn Schmidt bei Velian angefan-

gen. Herr Nolte berichtet von dem Versuch, Herrn Schmidt und Herrn

Dismer zusammenzusetzen, so dass jemand der viel redet mit jemandem

der kaum spricht im direkten Kontakt ist und beide aufeinander zugehen

müssen.

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Dies habe sehr gut funktioniert.

Es sei generell eine Überlegung wert, ob es für Menschen mit Behinderung

sinnvoll wäre, mehr als einen behinderten Mitarbeiter zu haben. So wür-

den diejenigen das Gefühl erhalten, nicht als einzige Beeinträchtigte im

Unternehmen zu arbeiten. Hier müsse man jedoch bedenken, dass dies

einen erhöhten Betreuungsaufwand bedeutet.

Im Juli 2014 zog die Velian in neue Räumlichkeiten.

Es war bereits seit längerem bekannt, dass ein Umzug geplant sei. Der

Umzug an sich fand sehr spontan statt und musste innerhalb weniger

Wochen durchgeführt werden.

Als klar war, dass neue Räume gefunden wurden, wurden diese gefilmt

und fotografiert und in einer Infoveranstaltung den Mitarbeitern präsen-

tiert. Diese konnten anhand der Fotos die zukünftigen Räume sehen und

ihre Wünsche bezüglich der Gestaltung und Einrichtung äußern. Diese

fanden bei der Planung Berücksichtigung.

Als weitere Unterstützung bezüglich des Informationsflusses wurden den

Mitarbeitern Work in Progress-Fotos zur Verfügung gestellt. So konnte je-

der sehen wie der Stand der Dinge in den neuen Räumlichkeiten war.

Zudem erstellten die Mitarbeiter zu Beginn einen detaillierten Plan, wer

wo sitzt und auch die Anordnung der Tische sei momentan ähnlich der

vorherigen. All dies habe sicherlich hinsichtlich der Gewöhnung an die

neuen Räume geholfen.

Herr Schmidt war wegen seines Berufsschulunterrichts nicht bei dem

Umzug anwesend, so dass er direkt in den neuen Räumen arbeiten konn-

te. Bevor die eigentliche Arbeit wieder begann, kam er einmal vorbei um

sich die neue Arbeitsumgebung anzusehen. Auch Herr Timmer hat sich

die Räume nach dem Umzug und bevor er regulär arbeiten musste, ein-

mal angesehen. Insgesamt gab es aufgrund des Umzugs und der damit

verbundenen Veränderungen keine Probleme.

Bezüglich der Unterstützung während der Arbeit, würde Herr Nolte inzwi-

schen zwei Formen von Leitfaden sinnvoll finden.

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Einerseits wäre es eine Hilfe für den autistischen Mitarbeiter einen Leitfa-

den als Orientierung zu haben. Da Herr Nolte jedoch das Bewusstsein er-

halten hat, dass er zwar die Bezugsperson für Herrn Schmidt und Herrn

Timmer ist, die anderen Kollegen jedoch nicht immer wissen, wie sie sich

verhalten sollen, hält er es ebenso für sinnvoll den anderen Mitarbeitern

ein Leitfaden mit Hinweisen zu geben.

Grundsätzlich hat Herr Nolte hat seitens der Lavie, der Lebenshilfe und

dem Ausbildungsbund durchweg positive Rückmeldungen bekommen, da

Herr Schmidt, Herr Dismer und Herr Timmer eine Chance bei der Velian

bekommen haben und dies für die drei zu einer positiven Entwicklung

beigetragen habe. So ist Herr Schmidt insgesamt viel selbstständiger und

vor allem lebensfroher geworden und die positiven Auswirkungen ziehen

sich bis ins Privatleben hinein.

Insgesamt gab es für alle Beteiligten Zeiten, die sehr fordernd waren.

Dennoch, oder gerade deshalb, haben alle viel gelernt und es war für alle

eine bereichernde Erfahrung und ist es noch.

Herr Nolte möchte daher auch zukünftig Menschen eine Chance geben,

deren Potential bisher nicht erkannt wurde und dieses bei Velian nutzen,

denn sie

können auch sehr gute Entlastungen an vielen Stellen bieten.

Herr Nolte kann die Beschäftigung von Menschen mit dem Asperger-

Syndrom nur empfehlen. Er bereut nichts, doch sollte man wissen worauf

man sich einlässt und, dass dies einen erhöhten Betreuungsaufwand be-

deuten könnte.

Auch betont er, dass seine beiden autistischen Mitarbeiter keinen reprä-

sentativen Durchschnitt darstellen würden. So könnte es natürlich auch

sein, dass die Zusammenarbeit mit anderen Autisten nicht funktioniere.

Herr Nolte führt auch an, dass der Arbeitsplatz insbesondere wegen des

Bezugs zu IT-Themen geeignet sei. Daher kann Herr Schmidt sein Spezial-

interesse als Gesprächsthemen nutzen und in Gesprächen mitreden. Bei

anderen Arbeitsplätzen sei dies eventuell nicht in diesem Umfang möglich.

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Wichtig ist für Herrn Nolte eine positive Grundeinstellung. Sofern die

Zweifel an einer erfolgreichen Zusammenarbeit zu groß seien und dadurch

dem betreffenden Mitarbeiter vieles nicht zugetraut wird, führe dies zu

einem weniger erfolgreichen Arbeitsverhältnis. Er hält es für besser, auf

ein Ziel hinzuarbeiten, etwa die Tatsache, dass Herr Schmidt nun auch im

Kundenkontakt ist. Dies hätten ihm viele nicht zugetraut.

Auch hält Herr Nolte es für wichtig jeden Menschen als eigenstände Per-

son wahrzunehmen.

Für Herrn Nolte gilt: "Man muss die richtigen Leute für die richtigen Be-

reiche, aber auch passend zum Team finden."

Rückblickend betrachtet stellte Herr Nolte fest, dass es für Unternehmen

schwer sei einen Überblick über mögliche Unterstützung bei der Beschäf-

tigung schwerbehinderter Mitarbeiter zu erhalten.

So hätte beispielsweise jemand, der während der Arbeitszeiten der betref-

fenden Kollegen zwecks Ansprechpartner und Betreuung zur Verfügung

gestanden hätte, eine Entlastung bieten können.

Dies sei laut Herrn Nolte besonders im Hinblick auf andere Unternehmen

ein wichtiger Punkt, da dies eine Entlastung darstellen kann, wodurch

vielleicht mehr Unternehmen den Versuch starten würden jemanden mit

Autismus zu beschäftigen.

Im Allgemeinen sieht Herr Nolte noch viel Potential in der Beschäftigung

autistischer Mitarbeiter. Auch könnte er sich vorstellen, dass die Vernet-

zung von Unternehmen mit solchen Beschäftigten zwecks Erfahrungsaus-

tauschs sinnvoll und interessant sein könnte.

Zu Beginn des Interviews wurde deutlich, dass Herr Nolte bezüglich des

Asperger-Syndroms nicht die Bezeichnung Krankheit oder Behinderung

wählte, sondern dies als Persönlichkeit beschrieb.

Herr Nolte sieht dies so, da sich einerseits für betreffende Personen durch

die Autismus-Diagnose nichts daran ändert wer und wie sie sind.

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So sieht er in der Diagnostik zwar den Sinn zu wissen, dass eine Person

autistisch ist, dies jedoch nicht wie Krankheiten heilbar ist. Daher sei das

Wissen um den Autismus vor allem deshalb wichtig, weil man dadurch

weiß, dass betreffende Personen mitunter anders behandelt werden müs-

sen.

Am wichtigsten wäre es jedoch, wenn man wüsste was anders im Umgang

mit diesen Personen gehandhabt werden sollte und, dass mit diesem

Thema bereits in der Schule begonnen werden würde.

Denn besonders Auswirkungen früheren Mobbings könnten dazu führen

dass Menschen auch im Erwachsenenalter Probleme mit bestimmten Din-

gen haben und schnelles Schubladendenken einsetzt und gesagt würde,

dass bestimmte Probleme durch den Autismus kämen, obwohl es auf frü-

heren Erfahrungen basiert.

Herr Nolte nutzt für die Erklärung, was ein Asperger-Autist ist mitunter

die Bezeichnung "Mensch mit Spezialbegabung" weil sie ein spezielles In-

teressengebiet haben indem sie hochmotiviert auftreten können.

Dafür bestehen vielleicht Schwächen im Zwischenmenschlichen Bereich,

aber das sollte aus seiner Sicht kein Hinderungsgrund bezüglich einer

Einstellung sein.

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Anhang 7: Leitfaden für das Interview in einer Wissenschaftlichen Bibliothek

1. Ist dies der erste Autist, mit dem Sie zusammen arbeiten?

2. Was schätzen Sie an ihm, sowohl auf beruflicher, als auch auf kollegialer

Ebene besonders?

3. Welche Probleme ergaben sich aufgrund seines Asperger-Autismus zu

Beginn seiner Tätigkeit und/oder ergeben sich auch heute noch?

4. Wie wurden/werden diese Probleme angegangen und gelöst. Falls sie

nicht vollständig gelöst werden konnten/können, wie wird damit weiter

umgegangen?

5. Angenommen, es würde ein weiterer autistischer Mitarbeiter eingestellt

werden.

Was würden Sie von Beginn an anders machen?

6. Das Berliner Unternehmen Auticon stellt ausschließlich autistische

Mitarbeiter ein, die häufig auch bei Kunden vor Ort tätig werden müssen.

Als Ansprechpartner für den autistischen Mitarbeiter und dem Kunden

stellt Auticon Job-Coaches zur Verfügung. Dieser Coach soll u.a. das ge-

genseitige Verständnis fördern oder Ideen einbringen, wie das Arbeitsum-

feld für den autistischen Mitarbeiter besser gestaltet werden könnte.

7. Inwiefern halten Sie die Möglichkeit eines speziellen Coaches, vielleicht

nur zu Beginn der Tätigkeit, als eine hilfreiche Unterstützung?

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(Dieser Coach könnte entweder jemand aus dem Kollegium / Personalrat

oder eine externe Person sein)

8. Halten Sie die Erstellung eines Leitfadens, mit den wichtigsten (sozialen)

meist ungeschriebenen Regeln, die in der Bibliothek herrschen, für sinn-

voll?

Wenn ja: Zu welchen Themen hätten Sie einen solchen Leitfaden erstellt?

10. Gibt es noch etwas, dass Sie im Hinblick auf Ihre Erfahrungen mit einem

autistischen Kollegen erwähnen möchte und ich mit meinen Fragen noch

nicht berücksichtigt habe?

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Anhang 8: Interview in einer Wissenschaftlichen Bibliothek Befragt wurde das Magazin-Kollegium des autistischen Mitarbeiters (s. An-

hang 10).

Die Befragten arbeiten seit mehr als fünf Jahren mit ihrem Kollegen zu-

sammen. Für alle war es die erste Zusammenarbeit mit einem Autisten,

daher wurde das Team zu Beginn durch die Therapeutin über die Beson-

derheiten aufgeklärt.

Zu Beginn der Tätigkeit bestanden die Probleme vor allem im sozialen Mit-

einander. Beide Seiten mussten sich aneinander gewöhnen und aufeinan-

der zugehen.

Es war ein hohes Maß an Toleranz sowie die gegenseitige Bereitschaft und

Offenheit für diese Zusammenarbeit von Nöten. Während ihr autistischer

Kollege lernen musste im Team zu arbeiten, Kenntnisse über die gängigen

sozialen Floskeln und Grußformen erwerben musste, bestand für die Be-

fragten das Problem darin mit seiner sehr direkten Art umgehen zu kön-

nen, in der ein Verständnis über soziale Höflichkeit fehlte.

So mussten sie verinnerlichen, dass negative, kritisierende oder auch ver-

letzend wirkende Äußerungen nicht als solche gemeint sind, sondern einer

sachlichen, nicht wertenden Äußerung gleichkommen.

Die Beteiligten haben viel miteinander gesprochen um sich aufeinander

einlassen zu können. Dies hat ihren autistischen Kollegen zu Beginn auf-

grund der sozialen Überforderung an seine Grenzen gehen lassen, so dass

er die Arbeit manchmal für diesen Tag abbrechen musste.

Bei der Einarbeitung in seine Tätigkeiten war es nötig eine eindeutige

Wortwahl zu verwenden und Struktur zu schaffen indem vermittelt wurde,

was seine Aufgabe ist und was er machen soll.

Ohne vorgegebene Struktur fällt dem Kollegen die Arbeit schwer.

Die Befragten geben an, ihm Aufgaben für den Arbeitstag vorzubereiten

um Struktur zu schaffen. Inzwischen kann er jedoch auch selbstständig

arbeiten und genießt das Vertrauen seiner Kollegen.

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Ein Job Coach oder Leitfaden mit Regeln hätte ihrer Meinung nach nicht

geholfen.

Hinsichtlich der fachlichen Zusammenarbeit schätzen sie, dass er seine

Aufgaben stets zuverlässig, verantwortungsvoll und korrekt ausführt.

Überdies ist er schnell und er hat ein Talent dafür, Fehler zu entdecken,

etwa falsch stehende Bücher.

Tätigkeiten an der Ausleihe oder Auskunft einer Bibliothek wären für ihn

ungeeignet. Das Magazin bietet ihm die Möglichkeit eines gut strukturier-

ten Raumes. Die Signaturen und Regalbeschriftungen geben Orientierung

und es handelt sich um eine reizarme Umgebung.

Im privaten Miteinander beschreiben sie ihn als sehr gebildet und mit ei-

nem hohen Wissensschatz, breitem Interessenspektrum und stark ausge-

prägter Ironie. Sie schätzen ihn als Kollegen.

Mit der Zeit wurde gegenseitiges Vertrauen aufgebaut, auch wird die Zu-

sammenarbeit als Bereicherung für alle Beteiligten verstanden.

Es wurde zudem die Vermutung geäußert, dass sich ihr Kollege nun, da er

sich bei der Arbeit mit unterschiedlichen Charakteren auseinandersetzen

musste, auch im Umgang mit Menschen außerhalb der Arbeit neue Kom-

petenzen erlernt hätte.

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Anhang 9: Fragebogen an den Mitarbeiter einer Wissenschaftlichen Bibliothek 1. Seit wann arbeiten Sie bereits in der Bibliothek und welche Aufgaben

führen Sie dort aus?

2. Gibt es bei der Ausübung Ihrer Aufgaben, oder im sozialen Miteinander

unter Kollegen etwas, dass Ihnen besonders leicht oder schwer fällt?

Wenn ja, was?

3. Sofern Reizüberflutungen ein Problem für Sie sind: Wie gehen Sie bei

der Arbeit damit um?

4. Nur ein kleiner Anteil der Menschen aus dem autistischen Spektrum

ist auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig. Was bedeutet Ihnen die Tätigkeit

in der Bibliothek?

5. Denken Sie, dass Bibliotheken generell geeignete Arbeitsplätze für Au-

tisten sein können? Wenn ja: Warum? Wenn nein: Warum nicht?

6. Das Berliner Unternehmen Auticon stellt ausschließlich autistische

Mitarbeiter ein, die häufig auch bei Kunden vor Ort tätig werden müs-

sen. Als Ansprechpartner für den autistischen Mitarbeiter und dem

Kunden stellt Auticon Job Coachs zur Verfügung. Dieser Coach soll

u.a. das gegenseitige Verständnis fördern oder Ideen einbringen, wie

das Arbeitsumfeld für den autistischen Mitarbeiter besser gestaltet

werden könnte.

Inwiefern halten Sie die Möglichkeit eines speziellen Coachs, vielleicht

nur zu Beginn der Tätigkeit, als eine hilfreiche Unterstützung?

(Dieser Coach könnte entweder jemand aus dem Kollegium / Personal-

rat oder eine externe Person sein)

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7. Indem Sie sowohl in einer Fernsehsendung, als auch in einem Zei-

tungsbericht, über sich und den Autismus gesprochen haben, zeigen

Sie einen offenen Umgang damit.

Denken Sie, dass es wichtig ist am Arbeitsplatz offen damit umzugehen

und die direkten Kollegen über den Autismus zu informieren?

Wenn ja: Warum? Wenn nein: Warum nicht?

8. Hätten Sie sich einen Leitfaden, mit den wichtigsten (sozialen) meist

ungeschriebenen Regeln, die in der Bibliothek herrschen, gewünscht

und für sinnvoll gehalten?

Wenn ja: Zu welchen Punkten hätten Sie sich diese Orientierung ge-

wünscht?

9. Gibt es noch etwas, dass Sie im Hinblick auf Ihre Berufstätigkeit und

der Arbeit in der Bibliothek erzählen möchten und ich mit meinen Fra-

gen noch nicht berücksichtigt habe?

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Anhang 10: Zusammenfassung des Fragebogens an einen Biblio-

theksmitarbeiter

Arbeitsplatz: Wissenschaftliche Bibliothek in Deutschland, Mitarbeiter mit

Asperger-Syndrom

Der Befragte arbeitet seit 2008 in dem Magazin einer wissenschaftlichen

Bibliothek. Zu seinen Tätigkeiten gehört das Ziehen und Einstellen von

Büchern. Hierbei ist kein direkter Publikumskontakt gegeben.

Er beschreibt, dass ihm das Zurechtfinden innerhalb des Magazins leicht

fällt. Ebenfalls sei es leicht, die zu ziehenden Bücher, und später die

Rückstellplätze, zu finden. Falsch stehende Medien fallen ihm auf und

werden korrigiert.

Die Kollegen wussten zu Beginn seiner Tätigkeit über den Autismus Be-

scheid. Generell hält er einen offenen Umgang mit dem Autismus, auch im

Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Kollegen, für wichtig.

Der Kontakt mit den Kollegen ist unproblematisch. Es gibt jedoch wenig

Small-Talk.

Der Befragte hält Bibliotheken generell für geeignete Arbeitsplätze für Au-

tisten, da sie eine ruhige und wenig hektische Arbeitsumgebung bieten.

Zudem gehören Tätigkeiten wie die Bestandspflege zu Aufgaben, die dem

Fähigkeitenprofil vieler Autisten entsprechen. Tätigkeiten, die mit direk-

tem Publikumskontakt (Ausleihe, Aufsicht oder Information) zu tun ha-

ben, hält er für problematisch.

Als der Befragte die Tätigkeit in der Bibliothek aufnahm kam es häufiger

vor, dass die Arbeit durch Reizüberflutungen für diesen Tag abgebrochen

werden musste. Da das Magazin eine ruhige und reizarme Arbeitsumge-

bung darstellt sind Reizüberflutungen inzwischen selten geworden. Wenn

es doch einmal dazu kommt, wird dies den Kollegen mitgeteilt und der Be-

fragte kann sich für einige Minuten zurückziehen.

Zu Beginn der Tätigkeit hätten ein Job Coach und ein Leitfaden mit sozia-

len Regeln (insbesondere "ungeschrieben") eine gute Unterstützung sein

können. Da diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung standen, besprach

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der Befragte seine Anliegen hinsichtlich der Arbeit mit seiner damaligen

Autismustherapeutin. Inzwischen "läuft alles wie von selbst".

Seit der Befragte die Tätigkeit in der Bibliothek ausübt hat sich sein

Selbstwertgefühl verbessert und er hat Struktur im Tagesablauf erhalten.

Er beschreibt: "Seit ich in der Bibliothek arbeite, habe ich nicht mehr das

Gefühl, „neben dem Leben“ zu stehen – ich stehe jetzt IM Leben.".

Durch die Berufstätigkeit kann er in seiner Freizeit besser seinen Interes-

sen und Projekten nachgehen, da er zuvor stets die Belastung spürte sich

darum kümmern zu müssen eine Anstellung zu erhalten.

Er hat seine Nische gefunden.

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Anhang 11: Fragebogen an Prof. Dr. phil. Matthias Dalferth

1. Aus Zeitungsartikeln bezüglich der Einstellung von Autisten bei SAP

ging hervor, dass Sie auch Archive und Bibliotheken als geeigneten Ar-

beitsplatz für Autisten sehen.

Warum können insbesondere Bibliotheken einen geeigneten Arbeits-

platz darstellen?

2. In Bibliotheken gibt es unterschiedliche Tätigkeiten, die auch mit Pub-

likumsverkehr, bzw. dem direkten Austausch mit Bibliotheksbesu-

chern, verbunden sind.

Halten Sie diese Tätigkeiten für einen Autisten grundsätzlich für unge-

eignet, oder kann man dies nicht pauschalisieren, so dass individuell

entschieden werden muss, ob es eine geeignete Tätigkeit darstellt?

Könnte etwa der Auskunftsdienst eine geeignete Tätigkeit sein, weil der

autistische Mitarbeiter dort sein Expertenwissen einbringen könnte?

3. Worin sehen Sie die größten Probleme im Arbeitsalltag, die einen Autis-

ten in der Auslebung seiner Stärken negativ beeinflussen und bei der

Arbeit einschränken?

4. Bei Auticon gibt es Job Coaches als Bindeglied zwischen den Consul-

tants und Kunden. Würden Sie im Hinblick auf die Tätigkeit in einer

Bibliothek, solch einen Coach als Ansprechpartner und Bindeglied zwi-

schen autistischem Mitarbeiter und den übrigen Kollegen als sinnvoll

einschätzen?

Wenn ja: Sollte dies Ihrer Meinung nach ein Kollege (z.B. aus dem Per-

sonalrat) sein, oder besser eine externe Person?

5. Inwiefern schätzen Sie die Erstellung eines Leitfadens mit den wichtigs-

ten (sozialen) meist ungeschriebenen Regeln, die im jeweiligen Unter-

nehmen herrschen, als sinnvoll ein?

Gibt es "klassische" ungeschriebene Regeln, die einem Autisten schwer

fallen und die in diesem Leitfaden erscheinen sollten (beispielsweise die

Anrede unterschiedlicher Kollegen im E-Mailkontakt?)

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Anhang 12: Zusammenfassung des Fragebogens an Prof. Dr. phil. Matthias Dalferth

Professor an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der Hochschu-

le Regensburg, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverban-

des Autismus Deutschland e.V. und Mitautor des Buches "Berufliche Teil-

habe für Menschen aus dem autistischen Spektrum".

Herr Prof. Dr. Dalferth sieht Bibliotheken aus unterschiedlichen Gründen

als geeignete Arbeitsplätze für Autisten. Zunächst bieten Bibliotheken

aufgrund der Lärmempfindlichkeit vieler Autisten die Möglichkeit einer

ruhigen Arbeitsumgebung.

Bezüglich des Fähigkeitenprofils vieler Autisten bezieht er sich auf die

Monotropismus-Hypothese, die unter anderem besagt, Autisten könnten

sich besonders gut auf Details konzentrieren und sich diese gut merken.

Auch führt er den "Systemizing"-Faktor an, der von den Stärken autisti-

scher Menschen unter anderem im Sortieren, Registrieren oder Archivie-

ren handelt. Durch diese Stärken könnten autistische Mitarbeiter in einer

Bibliothek zu ziehende Bücher schnell finden und einstellen.

Auch könnten sie gut Informationen am Computer bearbeiten.

Er führt an, dass einige Autisten im Privatleben eher "Lexika oder Publika-

tionen mit systematischer Gliederung als Prosa" lesen würden.9

Tätigkeiten mit direktem Austausch im Publikumsverkehr könnten bei

unterschiedlichen Anfragen eventuell zu dem Gefühl sozialer Überforde-

rung führen, so dass Herr Prof. Dr. Dalferth diesen Tätigkeitenbereich als

weniger geeignet ansieht. Es muss jedoch individuell geprüft werden, ob

eine Eignung besteht oder nicht.

Sofern die Möglichkeit besteht Nutzeranfragen per E-Mail zu beantworten,

könnte dies eine geeignete Tätigkeit sein, da kein persönlicher Nutzerkon-

takt nötig ist und der Mitarbeiter selbst über die zeitliche Beantwortung

und den Inhalt der E-Mail entscheiden kann.

9 Anm. des Autors.: Diese Interessen decken sich mit den beschriebenen Stärken des "Systemizing"-Faktors

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Generell ist es wichtig eine gleichbleibende Tageslaufgestaltung mit nur

einer Aufgabe zeitgleich zur Erledigung zu geben und wenig Varianz in die

Aufgabenstellung zu bringen. Auch der Arbeitsplatz sollte möglichst

gleichbleibend gestaltet sein.

Den Einsatz eines externen Job Coachs beurteilt Herr Prof. Dr. Dalferth

als hilfreich bis unverzichtbar. Je nach persönlichem Bedarf muss geprüft

werden wie lange und wie intensiv die Unterstützung durch einen exter-

nen Coach nötig ist. Gute Erfahrungen wurden zudem damit gesammelt,

im weiteren Verlauf einen motivierten und auf diese Tätigkeit vorbereite-

ten Kollegen als Mentor einzusetzen.

Einen Leitfaden mit allgemein bekannten, jedoch ungeschriebenen Regeln,

zu erstellen und dem autistischen Mitarbeiter als Orientierung zur Verfü-

gung zu stellen, sieht Herr Prof. Dr. Dalferth als eine weitere Unterstüt-

zungsmöglichkeit. Das Problem hierin sei jedoch, dass ein Leitfaden nie

die komplexen Anforderungen an das Alltagsgeschehen widerspiegeln

könne und stets unvollständig sein wird.

Deshalb sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden den Job Coach,

bzw. kollegialen Mentor, gemessen an den persönlichen Bedarf des autis-

tischen Mitarbeiters, einzusetzen um Fragen und Unverständliches ver-

ständlich zu vermitteln.

Folgende Faktoren sieht Herr Prof. Dr. Dalferth als potentielle Probleme,

die einen Autisten bei der Ausführung seiner Arbeit einschränken oder

negativ beeinflussen könnten:

Im sozialen Kontext

Durchschauen sozialer Prozesse im Betrieb

Wahrnehmung der Erwartungen

Bedürfnisse von Kunden bzw. Mitarbeitern

Erkennen von gefühlsmäßigen Äußerungen in Mimik und Gestik

Probleme bei der Bearbeitung von Aufgaben

Druck zur Steigerung des Arbeitstempos

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Erwartungen an Multitasking

Erwartung an die Entwicklung eigener Problemlösungsstrategien

Arbeit in Großraumbüros

Eigenständige Hierarchisierung der Aufgaben

Eigene Schwerpunktsetzung

Arbeiten ohne klare Anweisungen, ohne Plan

Tätigkeit als Vorgesetzter

Weitere mögliche Probleme

Reizüberflutung

Ertragen von Veränderungen (Tagesablauf, Personal, Arbeitsaufgaben,

Umstände…)

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Anhang 13: Beispielplanung eines Tagesablaufs

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Anhang 14: Darstellung der Tagesplans als App

Quelle Anhang 14 u. 15 : (Eigene Darstellung des Ausdrucks eines Tages-

plans und der Darstellung auf der App (vgl. Autiplan 2014)

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, die vorliegende Arbeit selbstständig ohne fremde Hilfe ver-

fasst und keine anderen Quellen und Hilfsmittel als die angegebenen be-

nutzt zu haben. Die aus anderen Werken wörtlich entnommenen Stellen

oder dem Sinn nach entlehnten Passagen sind durch Quellenangabe

kenntlich gemacht.

Ort, Datum Unterschrift