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Dortmunder Beiträge zur Sozialforschung · Prof. Dr. Gerhard Naegele TU Dortmund FB 12 Dortmund, Deutschland Prof. Dr. Monika Reichert ... on auf Erkenntnistheorie, Methoden, wissenschaftliche

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Dortmunder Beiträgezur Sozialforschung

Herausgegeben vonE. Hilf, Dortmund, DeutschlandH. Hirsch-Kreinsen, Darmstadt, DeutschlandR. Hitzler, Dortmund, DeutschlandJ. Howaldt, Dortmund, DeutschlandG. Naegele, Dortmund, DeutschlandM. Reichert, Dortmund, Deutschland

Herausgegeben vonEllen HilfLandesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund, Deutschland

Prof. Dr. Hartmut Hirsch-KreinsenDarmstadt, Deutschland

Prof. Dr. Ronald HitzlerDortmund, Deutschland

Prof. Dr. Jürgen HowaldtTU Dortmund SozialforschungsstelleDortmund, Deutschland

Prof. Dr. Gerhard NaegeleTU Dortmund FB 12Dortmund, Deutschland

Prof. Dr. Monika ReichertTU Dortmund Forschungsges.

f. GerontologieDortmund, Deutschland

Vor dem Hintergrund sich verschärfender sozialer Risiken und demografi scher Herausforderungen sowie einer beschleunigten Veränderungsdynamik in Wirt-schaft , Gesellschaft und Kultur wächst ganz off ensichtlich das Bewusstsein eines nur eingeschränkten Problemlösungspotenzials etablierter Steuerungs- und Prob-lemlösungsroutinen.Je weiter Gesellschaft , Wirtschaft , Kultur, die natürliche Umwelt, die Arbeits- und Lebenswelt von technischen Innovationen durchdrungen und in hohem Tempo umgestaltet werden, umso mehr gewinnen soziale Innovationen an Bedeutung und öff entlicher Aufmerksamkeit. Mit dem verstärkten Fokus auf soziale Innovationen tritt aber die mit den Sozialwissenschaft en verbundene Refl exions- und Gestal-tungskompetenz stärker in den Vordergrund.Zu einer der aktuell wie künft ig zentralen gesellschaft lichen Gestaltungsaufgaben gehört der demografi sche Wandel. Seine Auswirkungen sind vielschichtig. Neben der Bevölkerungsstruktur betreff en die Veränderungen den Arbeitsmarkt, die kommunale Infrastruktur, die Gesundheitsversorgung und das soziale Zusam-menleben in der Gesellschaft .Die Dortmunder Beiträge zur Sozialforschung versammeln wissenschaft liche Pu-blikationen, die sich mit den damit verbundenen Fragen auseinandersetzen. Die Herausgeber/innen repräsentieren mit der Sozialforschungsstelle Dortmund und der Dortmunder sozialen Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund zwei traditionsreiche Einrichtungen und Standorte sozialwissenschaft licher For-schung in Deutschland. Sie bilden zugleich einen wichtigen Bestandteil der an der TU Dortmund vertretenen Sozialwissenschaft en.

Milena Jostmeier • Arno GeorgHeike Jacobsen (Hrsg.)

Sozialen Wandelgestalten

Zum gesellschaftlichen Innovationspotenzial von Arbeits- und Organisationsforschung

HerausgeberMilena JostmeierArno Georg

Dortmund, Deutschland

Heike JacobsenCottbus, Deutschland

ISBN 978-3-531-19297-0 ISBN 978-3-531-19298-7 (eBook)DOI 10.1007/978-3-531-19298-7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio-nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufb ar.

Springer VS© Springer Fachmedien Wiesbaden 2014Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Layout: Renate Griffi ths, Sozialforschungsstelle Dortmund, Technische Universität Dortmund

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de

Dieses Buch entstand im Zusammenhang der Abschlussarbeiten der Sozialforschungs-stelle Dortmund/ TU Dortmund im Metaprojekt MANTRA (Förderkennzeichen: 01FM08045). In Kooperation mit dem Fraunhofer IPK in Berlin begleitete die Sozial-forschungsstelle den Förderschwerpunkt „Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements“ im Programm „Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln. Inno-vationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

DLR

Inhaltsverzeichnis

Arbeits- und Organisationsforschung im Verbund aus Wissenschaft und Wirtschaft: Praxis ko-evolutionärer Wissensproduktion für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ........................................ 9Milena Jostmeier, Arno Georg, Heike Jacobsen I Forschung und Politik: Deutsche und europäische Perspektiven Wie viel Innovation erlaubt das deutsche Wissenschaftssystem? Systemübergänge, institutionelle Settings und die Wissenschaftsgovernance ................................................................................. 33Dagmar Simon Welche Anforderungen stellt die europäische Entwicklung? - Arbeitsweise und intendierte Wirkung von „Eurofound“ (Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen) ................................... 45Erika Mezger, Barbara Schmidt-Abbey Die EU auf dem Weg zur ‚Innovationsunion’: Berufliche Bildung als Schlüsselfaktor .................................................................................................. 59Alexandra Dehmel Wissenschaftlich-technologische Leistungsminderung Deutschlands – Thesen zu Fehlentwicklungen im deutschen Wissenschaftssystem .............. 77Manfred Moldaschl Kooperation zwischen Staat und Wissenschaft bei arbeitspolitischen Herausforderungen ........................................................................................... 93Kai Seiler, Emanuel Beerheide Blick zurück nach vorn –Kompetenzerfolge aus einem dynamischen Wissenschaft-Praxis-Dialog .. 109Gabi Schilling, Wolfgang Nettelstroth

6 Inhaltsverzeichnis

Gemeinsam kreativ: Ertragreiche Kooperation zwischen Betriebs- und Sozialpartnern mit der Wissenschaft ............................................................ 125Christiane Flüter-Hoffmann, Sibylle Kössler II Forschung und Wissenschaft:Fragen und

Neuorientierungen zur Bewältigung gesellschaftlicher Zukunftsfelder

Arbeitswissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit Gesundheit und Innovation ............................................................................ 141Ralph Bruder Die Interdisziplinarität von Arbeitswissenschaft(en) und ihre überfällige Weiterentwicklung ...................................................................... 151Gerd Peter Hat die Arbeit eine Zukunft? ......................................................................... 167Alfred Nordmann Responsive Universitäten der Riskanz – Über die Funktion des Nichtbestellten ................................................................................................. 177Stephan A. Jansen Zwischen Lobbying und Lifestyle? Wissenschaft berät die Politik ............ 187Lars Schatilow III Forschung und Wirtschaft: Wissens-Ko-Produktion als

Win-win-Situation? Kooperation von Forschung und Praxis als Lernherausforderung ........... 201 Joachim Ludwig Aktionsforschung in schwierigen Zeiten ....................................................... 213Werner Fricke IT-basierte, gemeinschaftsgestützte Innovationsentwicklung für Softwareunternehmen .................................................................................... 237Ivo Blohm, Jan Marco Leimeister, Helmut Krcmar

Inhaltsverzeichnis 7

Modellversuche zur Innovation beruflicher Bildung und ihre wissenschaftliche Begleitung .......................................................................... 251Dorothea Schemme Kundeneinbindung in der Praxis (AKINET - Aktive Kundeneinbindung in Innovationsnetzwerke) ............................................. 269Andreas Kain, Matthias Gürtler, Udo Lindemann, Rafael Kirschner Systemisch orientierte Interventionsforschung als innovative Methode gestaltungsorientierter Arbeitsforschung ..................................................... 279Rüdiger Klatt, Kurt-Georg Ciesinger, Henrik Cohnen, Silke Steinberg Künstlerisches, erfahrungsgeleitetes, spielerisches Management von Innovationsarbeit ............................................................................................ 289Stephanie Porschen, Peter Maurer Theatrale Organisationsforschung im Spiegel der Praxis ........................... 303Manfred Jansen, Wolfgang Arens-Fischer, Jutta Bloem,Benjamin Häring, Guido Grunwald, Eva Renvert, Bernd Ruping IV Forschung und Gesellschaft: (Wie) kann Forschung zur

Bewältigung gesellschaftlicher Probleme beitragen? Soziale Innovation – Eine Herausforderung und Chance für Wissenschaft und Gesellschaft ....................................................................... 321Jürgen Howaldt, Michael Schwarz Anmerkungen zur Zukunft arbeitsorientierter Forschungspolitik. Erfahrungen und Perspektiven. .................................................................... 341Irene Raehlmann Forschung für wen? Arbeitssoziologie zwischen Beobachtung, Co-Management und Gesellschaftskritik ........................................................... 353Nicole Mayer-Ahuja Strategien zur Innovationsfähigkeit – Kernelemente und offene Fragen .. 363Olaf Katenkamp, Arno Georg

8 Inhaltsverzeichnis

Betriebsräte und Mitarbeiter in Innovationsprozessen– Ausgewählte Ergebnisse aus dem Projekt BMInno .................................. 385 Erko Martins, Tina Breyer, Friedemann W. Nerdinger Zum Umgang mit Vielfalt in Organisationen – Innovationsprozesse jenseits traditionellen Managements ......................... 397Edelgard Kutzner Gesundheitsförderung als Mittel und Ziel betrieblicher Innovationspolitik in KMU ............................................................................ 415Guido Becke, Miriam Behrens, Peter Bleses, Sandra Schmidt Strukturelle Divergenzen anwendungsbezogener Wissenschaft Eine Einzelfallstudie zu Paradoxien der Aktionsforschung in Verbundprojekten .......................................................................................... 427Olaf Kranz Internationales Monitoring von F&E-Programmen im Bereich der Personal-, Organisations- und Kompetenzentwicklung .............................. 443Sven Trantow, Anja Richert, Frank Hees, Sabina Jeschke Angaben zu den AutorInnen .......................................................................... 459

Arbeits- und Organisationsforschung im Verbund aus Wissenschaft und Wirtschaft: Praxis ko-evolutionärer Wissensproduktion für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen Milena Jostmeier, Arno Georg, Heike Jacobsen

Zur Einführung in den Band Die Kooperation unterschiedlicher Akteure birgt enormes Innovationspotenzial: Auf der Ebene der Organisation steht die Öffnung des Innovationsprozesses – nach innen und zur Gesellschaft hin – im Zentrum neuer Innovationsstrategien. Die Projekte im Förderschwerpunkt „Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung haben auf-gezeigt, von welchem Nutzen diese Öffnung für Organisationen sein kann, wenn Unternehmensbereiche etwa nicht-linear, d.h. quer zu Hierarchie- und Funkti-onsebenen Informationen und Wissen austauschen – systematisch organisiert oder eigenmotiviert durch einzelne Beschäftigte. Daneben gewinnt die Öffnung zur Gesellschaft hin, d.h. die Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg, wenn z.B. das Wissen von Kunden oder Zulieferern für den Innovationsprozess aufgeschlossen wird, innovationsstrategisch rapide an Bedeutung.

Das Innovationspotenzial, das sich aus der Vernetzung heterogener Partner ergibt, steht zunehmend auch im Fokus staatlicher Innovationspolitik. So ist in Deutschland etwa mit der „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ ein inno-vationspolitisches Gesamtkonzept initiiert worden, das mit beispielsweise der Förderinitiative „Forschungscampus – Öffentlich-private Partnerschaft für Inno-vationen“ oder dem Spitzencluster-Wettbewerb in jeweils unterschiedlichen Formen und Ausrichtungen auf der Kooperation von Wissenschaft und Wirt-schaft fußt. Unmittelbares Ziel dieser Strategie ist wissenschaftlich-technologischer Fortschritt. Mittelbar erwartet sich die Bundesregierung Wachs-tum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit. Die Kooperation heterogener Partner induziert gesellschaftlichen Wandel.

Die Kooperation von Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesell-schaft gewinnt für nationale und internationale Innovationssysteme zunehmend an Bedeutung (vgl. Polt et al. 2010, BMBF 2012, Blättel-Mink/Ebner 2008). Die

M. Jostmeier et al. (Hrsg.), Sozialen Wandel gestalten, Dortmunder Beiträge zur Sozialforschung,DOI 10.1007/978-3-531-19298-7_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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Hightech-Strategie 2020 für Deutschland versucht, dieses Potenzial zu nutzen, indem sie wissenschaftliche und andere gesellschaftliche Akteure in Forschung und Entwicklung zusammenführt. Wissenschaft und Forschung werden enger an die Verwertung der von ihnen produzierten Ergebnisse gekoppelt. Auch die Europäische Union verfolgt mit ihrem neuen integrierten Forschungs- und Ent-wicklungsprogramm Horizont 2020 dieses Ziel verstärkt. Auch dort wird ein umfassendes Konzept der Innovation verfolgt, das nicht nur technologische Neu-entwicklungen fokussiert, sondern es werden ebenso soziale Innovationen, die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und auch der öffentliche Sektor werden in den Blick genommen. Zudem werden alle wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Akteure sowie die Regionen als für Innovationsprozesse relevant angesprochen (s. Europäische Kommission 2011).

Was bedeutet diese innovationspolitische Zielsetzung für die Wissenschaft? Befindet sich das Wissenschaftssystem in einem grundlegenden Wandel? Die Wissenschaftsforschung hat lange darüber diskutiert, ob und in welchem Aus-maß sich ein Wandel der Wissensproduktion vom klassisch akademischen Mo-dus zu einem zweiten, eher inter- und transdisziplinären Modus der Wissenspro-duktion vollzieht. Auf der einen Seite wurde ein sehr weit reichender institutio-neller Wandel des Wissenschaftssystems konstatiert, der die Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft auflöse (u.a. Nowotny et al. 2001). Auf der ande-ren Seite bezweifelte man, dass es sich um wirklich neue Entwicklungen hande-le. Formen der Wissensproduktion in Anwendungskontexten hätten schon immer neben der klassischen Wissenschaft friedlich ko-existiert und führten nicht zu einer Auflösung bestehender Institutionen (u.a. Knie/Simon 2006, Weingart 2001, Hirsch-Kreinsen 2003). Bis heute bestehen jenseits solcher systemischen Fragen Unstimmigkeiten und es gibt wenig empirisch differenzierte Einsichten darüber, wie sich solche mehr oder weniger neuen Formen der Wissensprodukti-on auf Erkenntnistheorie, Methoden, wissenschaftliche Arbeit und deren Ergeb-nisse auswirken (vgl. u.a. Carrier 2004, Nordmann 2010, Hessels/van Lente 2010). Solche wären aber nötig, einerseits um fundierte Antworten auf Befürch-tungen zu geben, die etwa eine unzulässige Inanspruchnahme durch gesellschaft-liche Partialinteressen zum Gegenstand haben, und um andererseits das wissen-schaftliche und gesellschaftliche (Innovations-)Potenzial dieser Zusammenarbeit besser einschätzen und ggf. besser nutzen bzw. erweitern zu können, welches allerorten postuliert wird.

Unser Anliegen mit diesem Buch ist es daher, für das Feld der Arbeits- und Organisationsforschung Schlaglichter auf die wissenschaftliche Arbeit im Aus-tausch mit und an den Schnittstellen zu Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu werfen und nach den Effekten dieser Arbeit zu fragen – auf Seiten der Wissen-schaft und auf Seiten der jeweiligen Anwendungskontexte in Unternehmen und

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Verbänden, bei den Sozialpartnern und auf den unterschiedlichen politischen Ebenen. Die Beiträge dieses Bandes beziehen sich auf unterschiedliche Diskus-sionen: in der Wissenschaftsforschung wird über (neue) Formen der Wissenspro-

duktion und die Governance der Wissenschaft gesprochen (u.a. Grande et al. 2013, Jansen 2010),

in der gesellschaftstheoretischen Innovationsforschung wird Innovation als Element sozialen Wandels diskutiert und soziale Innovation als bisher ver-nachlässigtes Thema neu aufgegriffen (u.a. Howaldt/Jacobsen 2010, Ho-waldt/Schwarz 2011, Beck/Kropp 2011) und

in der Auseinandersetzung über das Selbstverständnis der (Sozial-) Wissenschaften stehen die methodischen und inhaltlichen Ansprüche an und Erfahrungen mit Veränderungen initiierendem Forschungshandeln im Mit-telpunkt (u.a. Burawoy 2005, Carrier/Nordmann 2010, Bräuti-gam/Gerybadze 2011).

Grundlage der Herausgabe dieses Bandes war die Durchführung eines Metapro-jektes für den bereits genannten BMBF-Förderschwerpunkt. Aufgabe des Meta-projektes war es zum einen, die Arbeit der Projekte und Fokusgruppen zu beglei-ten, die Kommunikation innerhalb des Förderschwerpunkts und mit externen ExpertInnen zu unterstützen, Inhalte zu synthetisieren und die Sichtbarkeit der Forschungs- und Entwicklungsarbeit in den relevanten Fachöffentlichkeiten zu erhöhen. Ziel war, die Nutzung der entwickelten Gestaltungsmodelle und -konzepte in Unternehmen und Organisationen unmittelbar oder mittelbar über die Einbindung von Verbänden und Transferorganisationen zu fördern. Der For-schungsaspekt unserer Arbeit an der Sozialforschungsstelle Dortmund lag dabei neben der Synthese der in den Projektverbünden bearbeiteten Inhalte auf der Analyse von Strukturen und Prozessen der Forschung in Verbünden aus hetero-genen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Partnern (Jacob-sen/Georg/Jostmeier 2010, Jostmeier 2012).

Das hier beleuchtete Feld der innovationsorientierten Arbeits- und Organi-sationsforschung scheint uns sowohl für beteiligte WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen, für fördernde Instanzen aus Politik und Verwaltung als auch für Wissenschafts- und Innovationsforschung aus drei Gründen von besonderem Interesse:

1) Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Sozial-, Wirtschafts- und In-genieurwissenschaften: Hier forschen und entwickeln neben SoziologInnen, PsychologInnen und PädagogInnen WirtschaftswissenschaftlerInnen mit Ingeni-eurwissenschaftlerInnen in Verbünden und Fokusgruppen (Gruppen thematisch

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nahe beieinander liegender Verbünde) gemeinsam mit dem Ziel, in Organisatio-nen und Netzwerken etwas zu bewegen, Veränderung anzustoßen und gleichzei-tig auf ihrem Fachgebiet jeweils wissenschaftliche Erträge zu erzielen. Hier entsteht die Frage, wie diese Zusammenarbeit in der Projektrealität angelegt ist, welche Rollen- oder Arbeitsteilung es gegebenenfalls zwischen den Partnern gibt und welchen Mehrwert/welche Effekte diese Zusammenarbeit der Disziplinen im Sinne von Interdisziplinarität wissenschaftlich und praktisch generiert. Fallbei-spiele aus Projekten des Förderschwerpunkts mit unterschiedlichem disziplinä-rem Zuschnitt sollen dies illustrieren. Es wird deutlich, dass Sozialwissenschaft-lerInnen ebenso wie IngenieurInnen Innovationsprozesse aktiv mitgestalten. Die oftmals von außen zugeschriebene Aufgabe des Akzeptanzbeschaffens oder bloßen Rahmenanalyse durch die Sozialwissenschaften einerseits bzw. der Be-schränkung auf scheinbar kontextfreie Einführung technischer Neuerungen im Fall der Ingenieurwissenschaften andererseits erweist sich als nicht hinreichende Beschreibung der Projektarbeiten. Der Anspruch vieler WissenschaftlerInnen ist es, im Dialog mit Beteiligten innerhalb und außerhalb von Betrieben und Orga-nisationen nach neuen Gestaltungslösungen zu suchen. Die unterschiedlichen disziplinären Konstellationen in den Verbundvorhaben des Förderschwerpunkts zeigen, welche Allianzen in Forschung und Entwicklung dazu eingegangen wer-den.

2) Innovative Lösungen auf Basis der Traditionen gestaltungsorientierter Arbeitsforschung: Viele Verbundvorhaben des Förderschwerpunkts sehen sich in der Tradition des Vorgängerprogramms „Humanisierung des Arbeitslebens“ (zur Geschichte s. Ernst 2009). Hier kann auf eine reiche Erfahrung aus ganz unter-schiedlichen transdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsformen zurückge-blickt werden. Interessant ist zum einen der Gestaltungsanspruch, mit dem die WissenschaftlerInnen in diese Projekte gehen. Welches erkenntnistheoretische und forschungspraktische Selbstverständnis bringen die WissenschaftlerInnen mit? Wie schlagen sich diese im Forschungsdesign nieder? Wie kann es gelin-gen, praktischen Anwendungsnutzen in den Betrieben zu erzeugen und gleichzei-tig wissenschaftlich anschlussfähige Erträge in den jeweiligen Disziplinen zu erzielen? Die Beiträge aus den Verbundvorhaben zeigen, welche Inhalte in den Projekten bearbeitet und in welche wissenschaftlichen Diskussionen sie einge-ordnet wurden.

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3) Die politischen Arenen des Untersuchungsfeldes, denen die Wissen-schaftlerInnen auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene in Auseinanderset-zung mit Interessenvertretern und Sozialpartnern in ihrer Arbeit unmittelbar begegnen. Arbeit und Organisation sind komplexe soziale und von Konflikten charakterisierte Gebilde. Die WissenschaftlerInnen haben in Unternehmen oft mit Vertretern unterschiedlicher Interessen zu tun. Gewerkschaften, Verbände und arbeitgebernahe Institutionen sind an den Verbundvorhaben des Förder-schwerpunkts beteiligt. Hier stellt sich die Frage, wie arbeitspolitische Belange einerseits die wissenschaftliche Arbeit beeinflussen und welche Rückwirkung andererseits von der Arbeit der WissenschaftlerInnen in den Betrieben sowie von den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit ausgehen. Kann es dem/r Wis-senschaftlerIn gelingen, neutrale BeobachterIn oder BegleiterIn arbeits- oder mikropolitisch relevanter Prozesse zu bleiben, oder muss sie/er sich politisch positionieren? In welcher Weise reflektieren die beteiligten WissenschaftlerIn-nen diesen Umstand und wie tragen sie ihm in ihrem Forschungsdesign Rech-nung? Welchen gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen stehen Arbeits- und OrganisationsforscherInnen in dieser Hinsicht gegenüber? Und welche Er-wartungen tragen Politik und Gesellschaft an sie heran?

Der Förderschwerpunkt als Feld inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit Am Förderschwerpunkt haben sich in 43 Verbundvorhaben mit 166 Teilvorha-ben insgesamt über 400 Einrichtungen beteiligt. Davon sind 163 Unternehmen, 110 wissenschaftliche Einrichtungen, 53 Organisationsberatungen, 36 Intermedi-äre, das sind in erster Linie Sozialpartner, Bildungseinrichtungen, Krankenkas-sen etc., und 13 Unternehmensnetzwerke. 64 Prozent der wissenschaftlichen Einrichtungen sind Universitäten, 36 Prozent Forschungs- und Beratungsinstitu-te, 4 Prozent Lehrstühle an Fachhochschulen und 6 Prozent assoziierte Universi-täten im Ausland (vgl. Georg et al. 2012). Entsprechend der Anforderung der Förderbekanntmachung an „Multidisziplinäre Forschungsansätze und ‚ganzheit-liche‘ Lösungen unter Einbeziehung der entsprechenden Fachdisziplinen“ (BMBF 2007a) beteiligten sich diverse Disziplinen: Nach den mit 29 Prozent am häufigsten vertretenen Wirtschaftswissenschaften incl. der Betriebswirtschafts-lehre waren 17 Prozent sozialwissenschaftliche Lehrstühle an Hochschulen bzw. Forschungsinstitute aktiv. Spezifisch arbeits- und organisationssoziologisch ausgerichtete Lehrstühle bzw. Forschungsinstitute stellen zwölf dieser Partner. Daneben sind die Wirtschaftsinformatik mit 15 Prozent, die Pädagogik und Be-rufsbildung mit 10 Prozent, die Psychologie mit 4 Prozent und die Arbeitswis-senschaft mit 3 Prozent vertreten (vgl. Georg et al. 2012).

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Strategien ko-evolutionärer Wissensproduktion: eine Skizze Es zeigt sich, dass es unterschiedliche Herangehensweisen in den Verbünden gibt, das Anforderungs-Dreieck von disziplinärem Erkenntnisfortschritt, Gestal-tung und Verbreitung einzulösen (Jostmeier 2012). Die Rollenverständnisse bzw. die faktischen Rollenauslegungen der beteiligten WissenschaftlerInnen können auch in diesen stark anwendungsorientierten Projekten variieren. Der förderpoli-tische Rahmen lässt grundsätzlich offen, wie die Gestaltung erzielt wird bzw. welcher Partner sie übernimmt. Es kristallisieren sich drei idealtypische Wege heraus, „ko-evolutionäre Wissensproduktion“ (Nowotny/Scott/Gibbons 2001; Howaldt/Kopp/Flocken 2001; Nowotny 2010) unter Berücksichtigung aller drei Zielkategorien im Projektdesign anzulegen: a) Parallelisierung von Reflexion und Gestaltung b) Sequenzialisierung von Reflexion und Gestaltung und c) Kon-vergenz von Reflexion und Gestaltung. Abb. 1: Parallelisierung von Reflexion und Gestaltung

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Quelle: Jostmeier 2012, 163 Zu a) Parallelisierung von Reflexion und Gestaltung: Es zeichnet sich ein typi-sches Forschungsdesign (s. Abb. 1) ab, in dessen Rahmen die theoretische Re-flexion des empirischen Ausschnitts von der Gestaltung – als Intervention in diese Zusammenhänge – getrennt wird. Dabei kann Intervention hier in Abgren-zung zu einer reflektierenden, beschreibenden Situationsanalyse des empirischen Kontexts als das intendiert, unmittelbar verändernde und kontrollierte Eingreifen in organisationale bzw. soziale Zusammenhänge verstanden werden. Dass Sozi-alforschung auch ohne einen direkt intervenierenden Anspruch Irritationen aus-lösen oder Handlungen im Untersuchungskontext beeinflussen kann, soll an dieser Stelle für die vereinfachende modellhafte Darstellung vernachlässigt wer-den.

Die Rolle der Wissenschaft ist in diesem Forschungsdesign rein abbildend bzw. reflektierend. Das entspricht der wissenschaftsphilosophischen Kategorie des ‚representing‘ bei Ian Hacking (1996). Die förderpolitische Gestaltungsan-forderung wird von den übrigen Verbundpartnern, also bspw. Organisationsbera-tungen übernommen. Sie ist hier weder notwendige Voraussetzung noch Mittel für die wissenschaftliche Analyse. Dies bedeutet nicht, dass im Prozess der Wis-senskombination bzw. -integration nicht auch der wissenschaftliche Part einen Lernfortschritt erzielen kann, den er für seine (weitere) wissenschaftliche Arbeit nutzen kann1. Für eine idealtypisch deduktiv angelegte Reflexion würde für dieses Projektdesign gelten:

Im Projektstadium 1 geht der wissenschaftliche Verbundpartner von einer

wissenschaftlichen Theorie aus und leitet von ihr seine Forschungsfrage(n) ab.

Im Projektstadium 2 untersucht er diese Fragen im empirischen Kontext. Im Projektstadium 3 nutzt er die empirische Untersuchung, um die Theorie

weiterzuentwickeln. Umgekehrt würde der wissenschaftliche Partner bei einer induktiven Abbildung seinen empirischen Gegenstand untersuchen, um davon theoretische Erklärungen für die empirischen Zusammenhänge abzuleiten.

1 Peter Galison spricht von einer Tauschzone des Wissens (“trading zone”) als “an inter-mediate domain in which procedures could be coordinated locally even where broader meanings clashed” (Galison 1997: 46).

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Abb. 2: Sequenzialisierung von Reflexion und Gestaltung

Quelle: Jostmeier 2012, 165

Zu b) Sequenzialisierung von Reflexion und Gestaltung Daneben zeichnet sich ein weiteres Projektdesign (s. Abb. 2) ab, mit dem die Anforderungen von theo-retisch eingeordneter Reflexion empirischer Zusammenhänge einerseits und praktischer Gestaltung andererseits zu erfüllen versucht werden. Die Rolle der Wissenschaft ist hier sowohl reflektierend als auch gestaltend/intervenierend. Das variiert entlang der Variable Zeit, also im Projektverlauf. Für eine idealtypisch deduktive Herangehensweise wird hier im

ersten Projektstadium wieder von der Theorie ausgegangen, von der aus die

WissenschaftlerInnen dann allein oder zusammen mit weiteren Verbund-partnern Forschungsfragen ableiten.

Im nächsten Projektstadium werden die aufgestellten Hypothesen im empi-rischen Kontext geprüft.

Dann folgt auf der Basis der empirischen Analysen die Entwicklung und Erprobung von Gestaltungsmodellen, also eine Intervention.

Arbeits- und Organisationsforschung im Verbund 17

Und schließlich reflektiert der/die WissenschaftlerIn einerseits die Umset-zungserfahrungen und verbessert auf Basis der Erfahrungen den Gestal-tungsansatz, und zieht andererseits theoretische Folgerungen aus den empi-rischen Analysen.

Für das sequenzielle Projektdesign wäre es grundsätzlich möglich, wissenschaft-lichen Erkenntnisfortschritt auch ohne Gestaltung zu gewinnen. Das wären im Feld der Arbeits- und Innovationsforschung im Förderschwerpunkt etwa Studien, die abbilden, welche Innovationsstrategien in Unternehmen verschiedener Bran-chen oder Größen bereits – eben ohne Intervention – eingesetzt werden, welche Voraussetzungen auf den verschiedenen Ebenen von Individuum, Organisation, Netzwerk und Gesellschaft gegeben sein müssen, um veränderungsfähig zu sein oder zu werden. Im Unterschied zum parallelen Forschungsdesign übernimmt die Wissenschaft hier aber auch die Gestaltungsaufgabe, ohne dass sie für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess unbedingt notwendig wäre.

Abb. 3: Konvergenz von Reflexion und Gestaltung

Quelle: Jostmeier 2012, 166

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Zu c) Konvergenz von Reflexion und Gestaltung: Ein drittes, wesentlich von den erstgenannten Varianten abweichendes Forschungsdesign (s. Abb. 3) entspräche der Kategorie, die Alfred Nordmann (2006, 2010) als technowissenschaftliche Epistemik beschreibt: Theoretische Abbildung ist auch im Prinzip nicht mehr von der Intervention getrennt, wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt wird nur durch empirische Intervention gewonnen. D.h., dass WissenschaftlerInnen ihren Gegenstand manipulieren, dass sie Experimente an oder mit ihm vollziehen, dass sie im Fall der Arbeitsforschung bspw. Abläufe in der Arbeitsorganisation eines Unternehmens verändern, um die Wirkung dieser Veränderung zu verstehen. Was passiert etwa mit Krankenständen, wenn Arbeitszeiten von Beschäftigten verändert werden? Oder was kommt dabei heraus, wenn sich SachbearbeiterIn-nen mit ManagerInnen auf einer neu eingerichteten Kommunikationsplattform darüber austauschen, wie der Kundenkontakt verbessert und erweitert werden könnte?

Der Ausgangspunkt letztgenannter Strategie ist ein konkretes lebensweltli-ches Problem, das die WissenschaftlerInnen im Projekt zu lösen versuchen. Im oder mit dem Anwendungskontext entwickeln und erproben WissenschaftlerIn-nen Lösungsmodelle. Die Erfahrungen mit der Entwicklung und Anwendung dieser Modelle werden reflektiert, sodass sie in ähnlichen oder anderen Zusam-menhängen weiter verwendet werden können. Im untersuchten Förderschwer-punkt fallen in diese Kategorie vor allem – aber nicht ausschließlich – Projekte, die einen Aktions- oder Handlungsforschungsansatz wählen (vgl. Lewin 1948; Fricke in diesem Band; Becke/Senghaas-Knobloch 2010; Pfeiffer/Schütt/Wühr 2011). Die Idee dieses Ansatzes liegt darin, die Grenzen zwischen Forschungs-subjekt und -objekt aufzuheben und mit dem ehemals nur beforschten Gegen-stand in einen gleichberechtigten Dialog zu treten. Das heißt auch, dass Forsche-rInnen teilhaben am interessierenden Geschehen, es ‚zur eigenen Sache‘ machen. Im Unterschied zum parallelen oder sequenziellen Projektdesign kommt dieser Forschungsansatz nicht ohne die Intervention aus. Denn nur über die intervenie-rende Aktion wird wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt gewonnen. Im För-derschwerpunkt wurde dieser Ansatz bspw. in der Fokusgruppe Netzwerk- und Technologiemanagement eingesetzt und reflektiert (vgl. Jacobsen/Schallock 2010). Die Verbünde untersuchen über Learning-by-doing-Strategien, wie Netz-werke bspw. zwischen kleinen und mittleren Unternehmen innovationsförderlich aufgebaut und erhalten werden können. Oder es wird erprobt, welche Rolle web 2.0-Technologien dabei spielen können. Dieses Wissen wird dann so aufbereitet, dass es anderen zur Demonstration, als mittel- oder unmittelbare Handlungsan-leitung für den Aufbau oder das Managen solcher Netzwerke dienen kann.

Arbeits- und Organisationsforschung im Verbund 19

Ko-Evolution durch Kooperation In der Gegenüberstellung dieser drei Forschungsstrategien kann man hier resü-mierend festhalten, dass wissenschaftliche und wirtschaftliche oder gesellschaft-liche Ko-Evolution in F&E-Verbünden auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden kann. Es zeigt sich, dass es in solchen Projekten grundsätzlich möglich ist, auf disziplinären Erkenntnisfortschritt zielende theoretische Abbildung empi-rischer Zusammenhänge und deren Gestaltung voneinander zu trennen. Das passiert, in dem die förderpolitisch abgesteckten Anforderungen durch unter-schiedliche Verbundpartner übernommen werden, also arbeitsteilig, oder pro-zessual, d.h. die wissenschaftlichen Analysen werden im Projektverlauf von der Gestaltungsanforderung getrennt. Die theoretische Abbildung empirischer Zu-sammenhänge muss nicht zwangsläufig mit der Intervention in diese Zusam-menhänge konvergieren, wenn ko-evolutionäre Wissensproduktion das Ziel ist.

Nichts gesagt ist an dieser Stelle über die Qualität der Interaktion zwischen den Verbundpartnern innerhalb der unterschiedlichen Modelle, also etwa dar-über, welche Implikationen die unterschiedlichen Projektarchitekturen z.B. für die Arbeit der WissenschaftlerInnen in den Anwendungskontexten haben. Offen bleibt auch, welche Effekte die unterschiedliche Ausgestaltung der Forschungs- und Entwicklungsprozesse bei den Partnern jeweils mit sich bringen, welche Erträge sie jeweils aus der Zusammenarbeit ziehen können (vgl. Jostmeier et al. 2012), d.h. ob die Projektstrategien auch zu Ko-Evolution, verstanden als mehr-seitigem Lernfortschritt, führen. Dieser Band möchte u.a. anhand von Fallbei-spielen erste Antworten auf diese Fragen geben. Arbeits- und Organisationsforschung als politische Arbeit?

Mit der verstärkten Fokussierung auf die Frage der Innovationsfähigkeit und ihrer Forschungstradition bietet die Arbeitsforschung Ansatzpunkte, um in der internationalen Innovationsforschung neue Akzente zu setzen. Die Programme ließen sich bereits früh von der Idee eines umfassenden Innovationsverständnis-ses leiten und haben in ihren Analysen der komplexen Zusammenhänge zwi-schen sozialen und technologischen Innovationsprozessen in Unternehmen wich-tige Anstöße für ein umfassendes Innovationsverständnis geleistet. Sie haben ihr Augenmerk auf die soziale und „menschliche Seite der Innovation“ gelenkt, die zentrale Bedeutung menschlicher Arbeit im Innovationsgeschehen herausgear-beitet. Durch die Integration von Technik-, Organisations- und Personalentwick-lung hat die Arbeitsforschung sich als ein wesentlicher Treiber technischer und sozialer Innovationen etabliert (vgl. Jacobsen u.a. 2011).

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Schon vor der „Entdeckung“ des ‚Mode 2‘ agierte die deutsche Arbeitsfor-schung transdisziplinär und gestaltungsorientiert, indem sie Aspekte des Wan-dels in Zusammenarbeit mit der betrieblichen Praxis untersuchte und die Ergeb-nisse im Diskurs der Praxis validierte. Arbeits- und Organisationsforschung sehen in weiten Teilen die Beschäftigten nicht als ‚Gegenstand‘ der wissen-schaftlichen Betrachtung, sondern als Akteure des Forschungs- wie des Umset-zungsprozesses. Ziel ist die Schaffung effizienter und innovativer Arbeitsformen ohne Gefährdung des Arbeitsvermögens und der Reproduktionsfähigkeit menschlicher Arbeit.

Dem liegt ein Verständnis zugrunde, nach dem ökonomische Wettbewerbs-fähigkeit und soziale Entwicklung im stetigen (konflikthaften) Interessenaus-gleich entsteht und gesellschaftliche Teilhabe aller Bevölkerungsschichten zent-rale Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften ist.

Diese Prämisse hat sowohl methodische Auswirkungen auf Analyse- und Bewertungsverfahren von Arbeit als auch prozessuale: So sind verstärkt subjekt-orientierte Zugänge weiterzuentwickeln, und der gesamte Forschungs- und Ent-wicklungsprozess ist von vornherein weitestgehend beteiligungsorientiert zu planen, um die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und Kreativität in dyna-mischen, vernetzten Arbeitsformen zwischen unterschiedlichen gesellschaftli-chen Akteuren und Institutionen zu erreichen.

Dazu sind soziale Innovationen intensiver als bisher zu erforschen, um die Umsetzung von Innovationen in der sozioökonomischen Wirklichkeit zu sichern. Denn in Zeiten quasi-permanenter betrieblicher Restrukturierungsprozesse und einer „Industrie 4.0“ sind soziale Innovationen unabdingbar zur Gestaltung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung und ,guter Arbeit‘. Diese Orientierung auf die Organisation der Arbeit in Unternehmen und auf die Situation der Be-schäftigten stellt in der internationalen Innovationsdebatte nach wie vor ein zent-rales Merkmal der deutschen Arbeitsforschung dar.

Das Beispiel des Förderschwerpunkts „Innovationsstrategien jenseits tradi-tionellen Managements“ macht deutlich: SozialwissenschaftlerInnen beteiligen sich an anwendungsorientierter oder transdisziplinärer Forschung. Sie handeln als ‚AgentInnen‘ im Auftrag der Politik und im Interesse der Wirtschaft. Sie beteiligen sich an gesellschaftlichen Innovationsprozessen, reflektieren und ge-stalten Gesellschaft gleichzeitig (vgl. Jostmeier u.a. 2012; Beck/Kropp 2011). Dieser Sachverhalt bedeutet nicht zwangsläufig eine gesellschaftliche Instrumen-talisierung der Sozialwissenschaften, sondern kann auch als emanzipatorisches ‚Einmischen‘ in gesellschaftliche Handlungszusammenhänge gedeutet werden, das Macht- und Herrschaftsverhältnisse mit dem Anspruch nach mehr Selbstbe-stimmung und Partizipation aufdeckt – und verändert. Eine handlungstheoretisch orientierte Soziologie, die im Weberschen Sinne soziales Handeln „deutend

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verstehen“ will (vgl. Weber 1976 [1922]: 1), vollzieht hier also eine doppelte Bewegung: Sie handelt selbst und versucht, ihr eigenes soziales Handeln in der sozialen Situation des Projektkontextes „in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich (zu) erklären“ (ebd.).

Es obliegt den sich an gesellschaftlichen Innovationsprozessen beteiligen-den (Sozial-) WissenschaftlerInnen, ihre Rolle und die Wirkungen ihres Han-delns zu reflektieren. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie in diesen For-schungs- und Entwicklungsprozessen wissenschaftliche Geltung erreichen kön-nen und einer Instrumentalisierung entgehen. Damit dies gelingt, muss For-schungs- und Innovationspolitik auch im Rahmen anwendungsorientierter For-schung und Entwicklung systematisch Reflexionsräume schaffen und schützen. Innovationsförderung geht nicht auf in der Anwendung bestehender Erkenntnis, in Gestaltung und Beratung, sondern muss berücksichtigen, dass Innovation wesentlich abhängig ist, von einer zumindest phasenweise distanzierten, ergeb-nisoffenen und de-kontextualisierenden Abstraktionsarbeit.

Zum Aufbau des Buches Der Band zeigt am Beispiel des Förderschwerpunkts, welches gesellschaftliche Innovationspotenzial Arbeits- und Organisationsforschung an den Schnittstellen zu Politik und Wirtschaft erzeugt und welchen Herausforderungen die unter-schiedlichen Akteure in der Zusammenarbeit gegenüberstehen. Anhand von Beispielen aus dem Förderschwerpunkt und weiteren Beiträgen sollen die wis-senschaftlichen und gesellschaftlichen Erträge, aber auch strukturell bedingte Divergenzen dieser problemorientierten Forschung reflektiert und konstruktiv bearbeitet werden. Die HerausgeberInnen haben die Verbundprojekte eingela-den, sich an diesem Sammelband zu beteiligen. Außerdem ist es gelungen, wei-tere in den Themenfeldern besonders ausgewiesene WissenschaftlerInnen, die nicht im Förderschwerpunkt aktiv waren, als AutorInnen zu gewinnen.

Der Aufbau des Bandes folgt der Bezugnahme von Forschung auf die Fel-der Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

I Forschung und Politik: Deutsche und europäische Perspektiven Wie viel Innovation erlaubt das deutsche Wissenschaftssystem? ist die Leitfrage des Beitrags von Dagmar Simon, in dem zentrale Problemlagen des institutionel-len Settings und der Governance der Wissenschaft vor dem Hintergrund der Reformprozesse der deutschen Wissenschaft dargestellt werden. Sie sieht das derzeitige Referenz- und Reputationssystem der Wissenschaft für die Innovati-onsfähigkeit kritisch, weil es Grenzziehungen zwischen Hochschulen, außeruni-

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versitären Forschungseinrichtungen und Wirtschaft stabilisiert und Verständi-gungsprozesse in den Fachgemeinschaften erschwert.

Erika Mezger und Barbara Schmidt-Abbey entwerfen vor dem Hintergrund der Entstehung und Entwicklung der europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen die Vision einer veränderten Rolle von Euro-found als Wissensvermittlerin und –moderatorin und eines Paradigmenwechsels von der ‘systemischen Wissensgenerierung‘ erster Ordnung zur ‚systemischen Praxis‘ zweiter Ordnung.

Innovationen werden häufig mit Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und „High-Potentials“ in Verbindung gebracht. Alexandra Dehmel betont dage-gen mit Befunden einer Studie des European Centre for the Development of Vocational Training (Cedefop) zum Thema „Adult Learning in the Workplace“, dass es ein europäisches Interesse sein muss, mehr Augenmerk auf die berufliche Bildung in Unternehmen zu legen, um die Grundlagen von Innovationsfähigkeit zu sichern.

In vier Thesen legt Manfred Moldaschl seine kritische Bilanz zu Fehlent-wicklungen im deutschen Wissenschaftssystem vor. Viele wissenschaftliche Empfehlungen über Voraussetzungen von Innovationsfähigkeit werden danach im eigenen (Wissenschafts-)System nicht ausreichend beachtet, und es mangelt an Selbstanwendung – mit Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit wissenschaft-licher Empfehlungen.

Als Arbeitswissenschaftler an einem nordrhein-westfälischen Landesinstitut beschreiben Kai Seiler und Emanuel Beerheide, welche Strategien bei zuneh-mender Komplexität der Arbeitswelt zielführend sein können, um trotz divergie-render Handlungslogiken von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft eine nutzen-bringende Wissenschaftsförderung und (Politik-)Beratung zu erreichen.

Aus einem IG-Metall-Verbundprojekt „Kompetenz und Innovation“ berich-ten Gabi Schilling und Wolfgang Nettelstroth über die Vorzüge einer dialogi-schen Gestaltung der Beziehung zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie zeigen, wie die Entwicklung eines wertebasierten Innovationsverständnisses auch die Innovationsfähigkeit von Unternehmen nachhaltig stärkt.

Zu einem ähnlichen Befund kommen Christiane Flüter-Hoffmann und Si-bylle Kössler auf der Basis der breiten Empirie des Instituts der Wirtschaft (IW) hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Arbeitswissenschaft und Organisati-onsforschung einerseits und den Sozial- und Betriebspartnern andererseits bei der Antwort auf die Frage, wie Innovationsstrategien gemeinsam gestaltet wer-den können – trotz unterschiedlicher Motive.

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II Forschung und Wissenschaft: Fragen und Neuorientierungen zur Be-wältigung gesellschaftlicher Zukunftsfelder

Dass Leistungs-Optimierung und die Berücksichtigung von Gesundheitsaspekten keineswegs einen Widerspruch darstellen, stellt Ralph Bruder als internationalen state of the art und charakterisierendes Merkmal arbeitswissenschaftlicher For-schung und Anwendung vor. Dabei benennt er Themenfelder der zukünftigen arbeitswissenschaftlichen Forschung und weist besonders auf die Grenzen der Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit hin.

Ausgehend vom Humanisierungsprogramm der 1970er Jahre und einem kri-tischen Blick auf den „arbeitswissenschaftlichen Kompromiss“ der 1980er Jahre plädiert Gerd Peter dafür, dass die Arbeitswissenschaften ein neues, zeitgemäßes Verständnis von Interdisziplinarität herausbilden müssen, um ihr Potential an Wissen und Erfahrungen in den Unternehmen zukünftig innovativ zur Anwen-dung bringen zu können.

Sehr grundsätzlich fragt Alfred Nordmann danach, ob Arbeit eine Zukunft hat. Die bestehende Forschungslandschaft werde nicht mehr von den klassischen theoretischen Wissenschaften dominiert, sondern von „Technowissenschaften“, die (technische) Innovation hervorbringen. Arbeit gehöre damit nicht mehr zum „Inventar einer zu verstehenden Welt“.

Skeptisch ist Stephan A. Jansen in Bezug auf die richtige Ausrichtung von Universitäten in Zeiten der „Normalität der Katastrophe“. Wenn auch die besten Universitäten hinsichtlich ihrer personellen wie disziplinären Organisation nicht ausreichen, um permanente globale Desaster zu bewältigen, dann muss die neue „responsive“ Universität eine Universität der Zwischen-Lösungen sein, interdis-ziplinär bis „disziplinlos.

Auch Lars Schatilow sieht, wie Jansen Mängel im Wissenschaftsbetrieb, insbesondere wo WissenschaftlerInnen zunehmend als „Informationsdienstleis-ter“ arbeiten. Pointiert beschreibt er die aktuellen Bedingungen in der Politikbe-ratung „zwischen Lobbying und Lifestyle“.

III Forschung und Wirtschaft: Wissens-Ko-Produktion als Win-win-

Situation? Methodische Reflexion sozialwissenschaftlicher Verbundforschung war immer wieder auch Gegenstand der Förderung im Rahmen des Programms „Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“ (BMBF 2007b). Ein Schwerpunkt zum Thema „Zukunftsfähige Arbeitsforschung“ ermöglichte die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansätzen kooperativer Forschung.

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Der Beitrag von Joachim Ludwig stellt ein im Rahmen dieses Förder-schwerpunkts fortentwickeltes Verfahren zur Integration wissenschaftlicher und betrieblicher Handlungsorientierungen und Fragestellungen vor. Das gemeinsa-me Forschungs- und Entwicklungsvorhaben als „Lernender Forschungszusam-menhang“ stellt den Respekt vor den je unterschiedlichen Handlungsbedingun-gen einerseits und das immer wieder zu bestätigende gemeinsame Interesse an wechselseitigen Lernanregungen in den Vordergrund.

Aktionsforschung ist, so Werner Fricke, gelebte Demokratie, gleichberech-tigte Dialoge sind ein zentrales Kennzeichen demokratischer Prozesse. Dass und wie aus einem in diesem Sinne offenen Dialog, beispielsweise zwischen Wissen-schaft und Wirtschaft, innovative Lernprozesse entstehen können, expliziert der Autor auf der Basis zahlreicher eigener Erfahrungen.

Gemeinschaftsgestützte Innovationsentwicklung wird von Ivo Blohm, Jan Marco Leimeister und Helmut Krcmar exemplarisch für Softwareunternehmen vorgestellt. Die im internationalen Vergleich suboptimale Innovationstätigkeit deutscher Softwareunternehmen konnte durch neue Methoden zur Einrichtung von Innovation Communities und ihrer Begleitung verbessert werden.

Auf der Grundlage von Modellversuchen zur beruflichen Bildung spricht sich Dorothea Schemme für eine zielgenauere universitäre Ausbildung derjeni-gen WissenschaftlerInnen aus, die sich als BegleitforscherInnen zwischen Wis-senschaft, Politik und Praxis bewegen wollen: Um in transdisziplinären Kontex-ten Innovationspotentiale nutzen zu können, ist v.a. die virtuose Beherrschung von Theorie-Praxis-Kommunikation erforderlich.

Aus ihrem Projekt präsentieren Andreas Kain, Matthias Gürtler, Udo Lin-demann und Rafael Kirschner ein Instrument zur Kundeneinbindung in Innova-tionsprozesse zur Produktentwicklung. Hier werden insbesondere die Prozesse der „Outside-In-Innovation“ adressiert und deren Potentiale und Herausforde-rungen dargestellt.

Wie und warum systemisch orientierte Interventionsforschung eine Berei-cherung der Methodologie anwendungsbezogener Forschung ist, legen Rüdiger Klatt, Kurt-Georg Ciesinger, Henrik Cohnen und Silke Steinberg aufgrund ihrer Arbeiten zu diskontinuierlichen Erwerbsverläufen an Hand von 15 Thesen dar.

Die Organisation von Innovationsarbeit muss Partner mit je eigenen fachli-chen Hintergründen, Perspektiven und Zielen zusammenbringen, um Win-win-Situationen zu realisieren. Stephanie Porschen und Peter Maurer beschreiben, wie es auf künstlerische, ehrfahrungsgeleitete und spielerische Weise gelingt, ein „Management des Informellen“ zu organisieren.

Einen in der Zusammenschau der Beiträge eher ungewöhnlichen Ansatz präsentieren Manfred Jansen, Wolfgang Arens-Fischer, Jutta Bloem, Benjamin Häring, Guido Grunwald, Eva Renvert und Bernd Ruping mit der theatralen

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Organisationsforschung. Ihr methodisch-instrumentelles Vorgehen wird darge-stellt, um seine Eignung als Referenzrahmen und praktisches Analyseinstrumen-tarium für innovationsorientierte Managementprozesse deutlich zu machen.

IV Forschung und Gesellschaft: (Wie) kann Forschung zur Bewältigung

gesellschaftlicher Probleme beitragen?

Soziale Innovation ist als ein gleichgewichtiger Innovationstypus neben techni-schen Innovationen und als konstitutiv für soziale Transformationsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit anzusehen, so die Kernthese von Jürgen Howaldt und Michael Schwarz. Neben der Klärung, was eine Innovation zur sozialen Innova-tion macht, erläutern die Autoren die Bedeutung akteurs- und sektorübergreifen-der Innovationsnetzwerke für soziale Innovationen und welche Herausforderun-gen und Chancen sich daraus ergeben.

Ihre Anmerkungen zur Zukunft arbeitsorientierter Forschungspolitik be-ginnt Irene Raehlmann mit einem Rückblick auf den sozio-ökonomischen und politischen Kontext des Programms Humanisierung des Arbeitslebens (HdA), um anschließend die aktuellen, komplexer gewordenen, Umweltverhältnisse zu charakterisieren. Der zwischenzeitlich eingetretenen „inhaltlichen Entleerung“ der Förderprogramme ist zukünftig verstärkt durch Abklärung der spezifischen Interessen, Motive und Ziele der Akteure in intensiven Aushandlungsprozessen als Voraussetzung für kollektives Handeln zu begegnen.

Diese Fragen arbeitsorientierter Forschungspolitik nimmt Nicole Mayer-Ahuja auf und wägt ab, in welchem Verhältnis ArbeitssoziologInnen zu den untersuchten Arbeitenden im „betrieblichen Kraftfeld“ stehen können: beobach-ten, mitgestalten oder in Frage stellen. Bei eher zurückhaltenden Erwartungen an die Durchsetzungskraft der Arbeitsforschung sieht sie es gleichwohl als Aufga-be, Markierungen zu setzen für Wege in eine andere Arbeitswelt.

Arno Georg und Olaf Katenkamp, Mitarbeiter des den Förderschwerpunkt begleitenden Metaprojektes, widmen sich den Kernelementen von Innovations-fähigkeit. Neben der Frage einer „neuen Natur“ von Innovationen werden Ideal-typen des Innovationsmanagements vorgestellt und die Bedeutung des Förder-schwerpunkts für die Weiterentwicklung von „Innovationsfähigkeit“ gewürdigt.

Das Projekt BMInno untersuchte, im obigen Sinn gestaltend, die Frage nach den Bedingungen, unter denen MitarbeiterInnen bereit sind, innovative Verhal-tensweisen zu zeigen. Aus der Erprobung von Sanierungs- oder Innovationsver-einbarungen leiten Erko Martins, Tina Breyer und Friedemann W. Nerdinger Hinweise für zukünftige Weiterbildung für Betriebsräte und die Strukturierung gemeinsamer betrieblicher „Veränderungsprojekte“ ab.

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Wie mit Vielfalt in Organisationen umgegangen werden kann, beschreibt Edelgard Kutzner, indem sie keine „Gebrauchsanweisung“, sondern Grundregeln formuliert, bei deren Umsetzung Vielfalt von den Beteiligten als Herausforde-rung und Chance wahrgenommen werden kann. Als zentraler Erfolgsfaktor gilt ihr die Konzeptionierung eines Diversity-Managements als Teil einer umfassen-den Unternehmensstrategie.

Welches Innovationspotenzial die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) besitzt, zeigen Guido Becke, Miriam Behrens, Peter Bleses und Sandra Schmidt, nicht ohne auf die Probleme ihrer Akzeptanz und Umsetzung, vor allem in KMU, hinzuweisen. Als erfolgversprechende Vorgehensweise wird das „Hu-ckepack-Verfahren“ vorgestellt, das die BGF nachhaltig in Unternehmensorgani-sation und -kultur integrieren kann.

Strukturelle Divergenzen anwendungsbezogener Wissenschaft thematisiert Olaf Kranz anhand der Ergebnisse einer Einzelfallstudie zu Paradoxien der Akti-onsforschung in Verbundprojekten. Sein Beitrag zeigt Widersprüche wissen-schaftlicher Praxis hinsichtlich der Erwartungen durch Politik und Wirtschaft an Wissenschaft sowie Paradoxien von Wissenschaftspraxis durch die Orientierung an diesen Erwartungen auf.

Zur Entwicklung von einer „Economy of Scale“ zur „Innovation Economy“ wollen Sven Trantow, Anja Richert, Frank Hees und Sabina Jeschke mit ihrem Internationalen Monitoring (IMO) einen Beitrag leisten. Das Monitoring reflek-tiert bisherige BMBF-Programmergebnisse im internationalen Kontext, identifi-ziert Erkenntnislücken und leitet zukünftige Forschungs- und Handlungsbedarfe ab, um eine strategische Weiterentwicklung des F&E-Programms zu unterstüt-zen.

Die HerausgeberInnen wollen mit diesem Band die ko-evolutionären Effek-te der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, die Wege zu wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt und zur Nutzung des erarbei-teten Wissens (nicht nur) im betrieblichen Alltag präsentieren. Urteilen Sie selbst!

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