Grundlagen der Immunologie

Dr. Thomas Seehaus

Der englische Arzt Edward Jennerinfiziert einen gesunden Achtjährigen mit harmlosen Kuhpocken, um ihn vorden gefährlichen Pocken zu schützen.

Literatur

Staines et al., Immunologisches Grundwissen, Spektrum/Fischer, Heidelberg 1999

http://de.wikibooks.org/wiki/Medizinische_Mikrobiologie:_Immunologie

http://de.wikipedia.org/wiki/Immunsystem

http://de.wikipedia.org/wiki/Immunologie

http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Immunologie

Themen:

1 Bedeutung des Immunsystems 2 Angeborene und adaptive Immunabwehr 3 Ablauf einer Immunreaktion 4 Bestandteile des Immunsystems 4.1 Mechanische Barrieren 4.2 Zelluläre Bestandteile 4.2.1 Granulozyten 4.2.2 Makrophagen 4.2.3 T-Lymphozyten 4.2.4 B-Lymphozyten 4.3 Humorale Bestandteile 4.3.1 Antikörper 4.3.2 Komplementsystem 4.3.3 Interleukine 5 Reifung und Alterung des Immunsystems 6 Störungen und Erkrankungen des Immunsystems 6.1 Immundefekte 6.2 Überschießende Immunantwort 6.3 Krebserkrankungen des Immunsystems 6.4 Sonstige Schwachpunkte des Immunsystems 7 Einflüsse auf das Immunsystem 7.1 Allgemeine Stärkung des Immunsystems 7.2 Impfung 7.3 Immunsuppression 7.4 Das Immunsystem schädigende Faktoren 8 Evolutionäre Betrachtungsweise

Was ist Immunologie?

Immunologie ist

● die Lehre der biologischen und biochemischen Grundlagen – der Abwehr von:

– Krankheitserregern (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten)– biologischen Toxinen und Umweltgiften– in den Körper gelangte fremde Substanzen

– aber auch von Störungen und Fehlfunktionen dieser Abwehrmechanismen

● ein Teilgebiet der Biologie, Forschungsgegenstand ist das Immunsystem

● Wegen der zentrale Rolle des Immunsystems bei einer Vielzahl von Erkrankungen ist die Immunologie in der Medizin für das Verständnis, die Prävention, die Diagnostik, und die Therapie von Krankheiten von großer Bedeutung

Geschichte der Immunologie

Thucydides (430 v. Chr.) stellte während einer Seuche in Athen fest, dass nur Menschen für die Versorgung der Erkrankten in Frage kamen, welche die Krankheit selbst bereits durchgestanden und überlebt hatten.

China (100 v. Chr.): gezielte Übertragung der Pocken auf gesunde Menschen zum Zweck der Vorbeugung.

– Weite Verbreitung erlangte dieses Verfahren, bei dem Eiter von leicht Erkrankten mit einer Nadel auf Gesunde übertragen wurde, unter der Bezeichnung "Variolation" seit dem 15. Jhdt. vor allem in China, Indien und der Türkei.

– Durch die Ehefrau des britischen Botschafters in Konstantinopel, die ihren Sohn auf diese Weise impfen ließ, gelangte die Variolation ab etwa 1722 nach England und verbreitete sich in den folgenden Jahren auch im Rest Europas.

Edward Jenner

machte die Beobachtung, dass mit harmlosen Kuhpocken infizierte Melkerinnen bei Pockenepidemien verschont blieben oder nur milde Verlaufsformen zeigten

Nach intensiver Beobachtung dieses Phänomens impfte er am 14. Mai 1796 einen gesunden achtjährigen Jungen mit Gewebsflüssigkeit aus der Pustel einer mit Kuhpocken infizierten Milchmagd. Nachdem der Junge den leichten Verlauf der Kuhpocken überstanden hatte, infizierte ihn Jenner mit echten Pocken. Auch diese Infektion überstand der Junge ohne schwerwiegende Symptome.

Im Vergleich zur Variolation bot Jenners Verfahren einige entscheidende Vorteile: Die mit Kuhpocken geimpften Personen wiesen nicht die für Pocken typischen Pusteln und die daraus resultierenden Narben auf, es gab keinen tödlichen Verlauf der Impfung und die geimpften Personen stellten selbst kein Ansteckungsrisiko dar. Edward Jenner gilt deshalb heute als Begründer der Immunologie.

Was ist das Immunsystem?

● lateinisch immunis = frei, verschont, unberührt

● Abwehrsystem der Lebewesen, das Gefahren für den Körper abwenden soll:

– neutralisiert körperfremde „Eindringlinge“ aus der Umwelt– vernichtet Zellen, die es als fehlerhaft erkennt

● Das Immunsystem als Begriff bezeichnet das Zusammenspiel eines komplexen Netzwerkes, an dem mehrere Organe, Zelltypen und chemische Moleküle beteiligt sind

● Alle Lebewesen verfügen über Schutzfunktionen

● selbst einfache Organismen besitzen schon eine „angeborene Immunabwehr“, die entwicklungsgeschichtlich weitgehend unverändert blieb

● Wirbeltiere entwickelten zusätzlich eine komplexe, anpassungsfähige „adaptive Immunabwehr“, die sie noch effektiver schützt

Körper und Umwelt:„Innen“ und „Außen“

1 Hirnbläschen 2 Chorda dorsalis (Rückensaite) 3 Neuralrohr, Rückenmark 4 Schwanzflosse 5 After 6 Verdauungskanal, Kiemendarm 7 Blutsystem (Hinweisstrich auf Darmvene) 8 Porus abdominalis 9 Peribranchialraum10 Kiemenspalte

11 Kiembogen12 Schlund13 Mundcirren14 Mundöffnung15 Eierstock oder Hoden16 Lichtrezeptor17 Nerven18 Bauchfalte19 Leberblindsack

Regenwurm (Lumbricus terrestris)

Lanzettfischen (Amphioxus sp.)

Ziele und Aufgaben des Immunsystems

● Angriffsziele des Immunsystems– Physikalisch-chemisch: z. B. Proteine, Pollen (extern)– Parasiten (extern und intern)– erkrankte Zellen: Tumorzellen, virusinfizierte Zelle,

Stoffwechsel defekte Zellen (intern)

● Aufgaben des Immunsystems:– Unterscheidung „körpereigen – fremd“

– z. B. Erkennung von Parasiten– Beseitigung von Parasiten– Unterscheidung „gesund - krank“

– Erkennung erkrankter / entarteter Zellen– Beseitigung erkrankter/entarteter Zellen

Angeborene Abwehr - physikalische und chemische Barrieren

Flimmerepithel des Respirationstraktes

Phagozytierende Zellen der Alveolen

Abbildungen aus Staines et al. Immunologisches Grundwissen

Angeborene und adaptive Abwehr – zelluläre und humorale Bestandteile

angeboren adaptivaus: Spektrum der Wissenschaft, 08/2005, S. 69

Zellen der angeborenen Abwehr● Makrophagen: Sie umschließen

eingedrungene Krankheitserreger und verdauen sie. Ihre Vorläufer, die Monozyten, kreisen im Blut und verwandelnsich beim Eintreffen an der Infektionsstelle in Makrophagen.

● Mastzellen: Sie setzen Histamine und andere entzündungsfördernde Substanzen frei.

● Granulozyten: Die drei Zelltypen dieser Gruppe – Neutrophile, Eosinophile und Basophile – schütten teils Giftstoffe oder entzündungsfördernde Substanzen aus, können aber auch wie Makrophagen als Fresszellen wirken.

Zellen der angeborenen Abwehr

● Dendritische Zellen: Sie präsentieren den Mitgliedern des adaptiven Systems Antigene (Proteinbruchstücke von Krankheitserregern oder auch Krebszellen) und regen diese so zur Vermehrung und zum gezielten Angriff gegen Träger der betreffenden Antigene an.

● Natürliche Killerzellen: Sie zerstören von Krankheitserregern befallene, aber auch entartete körpereigene Zellen.

Angeborene Resistenz -Phagozytierende Zellen im Körper

Angeborene Resistenz -Wanderung durch Gefäßwand

Molekulare AdapterBeispiel: Antikörper - Antigen

● Antikörper: Protein mit Adapterfunktion

● Bindungsstelle:– Erkennung– passende Struktur– spezifische Antigene

● Effektor:– bewirkt Reaktion– Erkennung durch spezifischen

Rezeptor– Aktivierung der Phagozytose– Aktivierung des

Komplementsystems

Molekulare AdapterEpitope

● Epitope: Oberflächenstrukturen

● Verschiedene Antigene besitzen verschiedene Epitope

● Antigen kann mehrere Epitope besitzen

● verschiedene Epitope werden von verschiedenen spezifischen Rezeptoren mit gleicher Effektorfunktion erkannt

● Kopplung Erkennung an bestimmte Reaktion

Bakterienalarm in der Zelle

aus: Spektrum der Wissenschaft, 08/2005, S. 71

Wächter mit verteilten Aufgaben

aus: Spektrum der Wissenschaft, 08/2005, S. 73

Angeborene Resistenz -Opsonierung

● Bindung über molekulare Adapter

● Nicht markierte Bakterien: geringe Affinität über Rezeptoren des Phagozyten

● Markierung mit Komplement oder Antikörpern: höhere Affinität

● Markierung mit beiden Adaptern: höchste Affinität

● Adapterwirkung: Kopplung Erkennung an Reaktion

Angeborene Resistenz -extrazelluläre Abtötung

– Lymphozyt lagert sich an Tumorzelle an– Schädigung der Zellmembran – Enstehende Vakuolen zeigen Beginn der Apoptose an– Ähnlich bei Zerstörung von Parasiten und

virusinfizierten Zellen

Apoptose:programmierterZelltod

Angeborene Abwehr und Krebs:normale Wundheilung

Spektrum der Wissenschaft 04/2008

Angeborene Abwehr und Krebs:missbrauchte Wundheilung

Spektrum der Wissenschaft 04/2008