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dtv Reihe Hanser

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dtvReihe Hanser

Die kleine Eule, der kleine Koalabär, die kleine Krähe,

das Kätzchen, das kleine Eichhörnchen, das kleine

Nashorn, das Häschen und das kleine Faultier wissen,

worauf es im Leben ankommt: wahre Weisheit. Jeder

versucht das Richtige zu tun. Doch das ist nicht so

einfach...

>Die kleine Eule und der Weg ins Leben< wurde 1994 mit

dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.

Janwillem van de Wetering, geboren 1931 in Rotterdam,

lebt in Amerika und schreibt Kriminalromane und

Bücher über den Zen-Buddhismus. >Die kleine Eule und

der Weg ins Leben< war sein erstes Kinderbuch. Es

beschreibt den Grundgedanken des Zen so, daß schon

Kinder im Vorlesealter ihn verstehen können. Die

Geschichte der kleinen Eule kann als eine Einführung in

den Zen-Buddhismus gelesen werden oder als Tierfabel,ganz wie man will.

Jutta Bauer, geboren 1955, studierte an der Hamburger

Fachhochschule und begann nach ihrem Abschluß,

Kinderbücher zu illustrieren. Sie lebt mit ihrem Sohn

Jaspar in Hamburg.

Janwillem van de Wetering

Die kleine Euleund der Weg ins Leben

Mit Bildernvon Jutta Bauer

Aus dem Englischenvon Michael Krüger

Deutscher Taschenbuch Verlag

Ungekürzte Ausgabe

November 1999

2. Auflage Januar 2004

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

München

© 1978 Janwillem van de Wetering

Titel der Originalausgabe: >Little Owl<

(Houghton Mifflin Company, Boston)

© der deutschsprachigen Ausgabe:

1994 Carl Hanser Verlag, München Wien

Umschlagbild: © Jutta Bauer

Gesamtherstellung: Kösel, Kempten

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany- • ISBN 3-423-62006-4

S WAR EINMAL vor gar nicht allzu langer

Zeit, da hörte die kleine Eule zu, was

ihre Mutter zu erzählen hatte. Eigentlich hatte sie gar

keine Lust, ihr zuzuhören, weil so viel anderes zu tun

war, aber da sie eine einigermaßen gut erzogene kleine

Eule war, so hörte sie eben zu.

»Kleine Eule«, sagte Mutter Eule.

»Ja, Mutter«, sagte die kleine Eule.

»Hör mir mal zu.«

»Ja, Mutter.«

»Weißt du, kleine Eule«, fragte Mutter Eule, »was im

Leben das wichtigste ist?«

Die kleine Eule dachte nach.

Ihre Mutter sah sie mit ihren großen runden Augen

sehr ernst an.

»Wahre Weisheit«, quietschte die kleine Eule.

»So ist es«, sagte die Mutter, hob einen Flügel und

wedelte damit auf und ab. »Wahre Weisheit. Sehr gut.

Wir Eulen sind weise, wir kennen die großen Wahr-

heiten. «

»So ist es«, sagte die kleine Eule im Brustton tiefster

Überzeugung.Ihre Mutter rutschte noch näher an sie heran und

senkte den Kopf, so daß sie der kleinen Eule ins Ohr

flüstern konnte.

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»Wir Eulen«, flüsterte sie, »wissen nicht nur, wie

man Dinge macht, wir finden auch heraus, warum man

sie macht.«

»Warum?« quietschte die kleine Eule.

»So ist es«, sagte Mutter Eule und nickte, »warum!«

Die kleine Eule trollte sich. Sie flog auch ein wenig

herum, wobei sie immer zu sich selber sprach.

»Warum«, sagte sie. »Wir Eulen finden heraus,

warum wir etwas tun. Wir sind weise. Wir denken viel

nach. Wir wollen Antworten wissen. Und die erzählen

wir dann allen anderen Tieren, damit sie auch weise

werden — wie wir Eulen.«

Die kleine Eule sah zur Erde. Da erblickte sie ein

Wildschwein. Es stand genau unter ihr auf einer Lich-

tung im Wald. Die kleine Eule flog nach unten und

setzte sich dem Wildschwein direkt vor die Nase.

Das Wildschwein blickte auf: »Hau ab!« sagte es mit

tiefer Stimme.

»Was machst du hier?« fragte die kleine Eule.

»Ich suche nach Würmern«, sagte das Wildschwein.

»Und jetzt verschwinde, du nervst!«

»Weißt du, wie man Würmer findet?« fragte die

kleine Eule.

»Blöde Frage«, sagte das Wildschwein. »Mein ganzes

Leben mache ich nichts anderes, als mit der Schnauze

im Boden zu wühlen. Aber warum erzähle ich dir das?

Verschwinde!«

»Weißt du auch, warum du nach Würmern gräbst?«

fragte die kleine Eule.

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Das Wildschwein schnaubte ungeduldig.»Ja«, knurrte es, »weil ich Hunger habe. Und jetzt

hau ab!«»Nein«, sagte die kleine Eule, »erst muß ich dir et-

was sehr Wichtiges sagen. Etwas, was du noch nichtweißt. Was ich aber weiß, weil ich eine Eule bin.«

»S000?« fragte das Wildschwein und ließ seine mäch-tigen gelben Hauer sehen.

»Ja«, sagte die kleine Eule selbstbewußt und hüpftevon einem Bein aufs andere. »Du gräbst nach Wür-mern, weil du am Leben bleiben willst, oder? Du willstdich ernähren. Das ist ganz in Ordnung. Denn duwillst ja noch lange am Leben bleiben. Und je länger dulebst, je mehr Möglichkeiten wirst du haben, wirklicheAntworten zu finden — über dein Leben, verstehst du?Warum du zum .Beispiel auf der Welt bist ...«

Mehr konnte die kleine Eule nicht sagen, denn jetztholte das Wildschwein einmal tief Luft und trampelteeinfach über sie weg. Und die kleine Eule blieb auf demRücken liegend zurück.

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Als Mutter Eule die kleine Eule fand, lag sie noch im-mer auf dem Rücken. Ihr Flügel tat weh, und sieweinte. Da brachte die Mutter sie nach Hause und legtesie in ihr Bett.

»Mutter«, sagte die kleine Eule, nachdem sie eineWeile im Bett gelegen hatte.

»Ja, mein Schatz?«»Mir ist so fad, ich mag nicht mehr im Bett bleiben.«»Nur noch ein paar Tage, mein Herz.«»Puh!« stöhnte die kleine Eule.»Halb so schlimm, mein Herz. Hör zu, ich werde

dir eine Geschichte erzählen.«

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S WAR EINMAL vor gar nicht allzu

langer Zeit, da hörte der kleine Koala-

bär zu, was seine Mutter zu erzählen hatte. Eigentlich

hatte er gar keine Lust, ihr zuzuhören, weil so viel an-

deres zu tun war, aber da er ein einigermaßen gut er-

zogener kleiner Koalabär war, so hörte er eben zu.

»Koalabärchen«, sagte Mutter Koalabär.

»Ja, Mutter«, sagte der kleine Koalabär.

»Hör mir mal zu.«

»Ja, Mutter.«

»Weißt du, Koalabärchen, was im Leben das wich-

tigste ist?«

Der kleine Koalabär dachte lange nach. Denken war

nicht gerade seine Lieblingsbeschäftigung. Seine Mut-

ter schaute ihn an, und er dachte und dachte, sein pelzi-

ges kleines Gesicht wurde schmaler und schmaler, seine

Öhrchen richteten sich auf, und drei tiefe Fältchen bil-

deten sich auf seiner Stirn. Er dachte und dachte.

»Nun?« fragte Mutter Koalabär.

»Die wichtigste Sache im Leben ist, daß man es gut

meint«, antwortete der kleine Koalabär.

»Bravo«, sagte seine Mutter. »Auf die wahren Ab-

sichten kommt es an — es immer gut zu meinen, alle

anderen Tiere zu lieben und ihnen zu helfen. Vergiß es

nie!«

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Mutter Koalabär kletterte noch etwas höher den Euka-lyptusbaum hinauf, und der kleine Koalabär rutschteein Stück weiter auf seinem Ast und mümmelte Blätter.Die Sonne schien, die Wolken zogen über ihn hinweg,und er konnte hören, wie hinter dem Wald die großenWellen des Meeres sich am Ufer brachen.

»Ich meine es gut, o ja, ich meine es gut!« sang derkleine Koalabär beim Essen vor sich hin. Er schautehinab, wo die Känguruhs am Fuße des Baumes herum-hüpften und nach Gras suchten, und er schaute nachoben, wo die großen schwarzen Vögel flogen und ihrrauhes Horr-horr-horr krächzten, und er rief ihnen zu:»Ich habe euch alle gern!«

Aber sie hörten ihm gar nicht zu. Also begann er, umauf sich aufmerksam zu machen, ziemlich laut zu singen.

Es Cehe cbl'e^eb^, die C,iebe^

die Liiiiiefoe •

•n- »Es lebe die Liebe, die Liebe, die Liiiiebe!« sang der

kleine Koalabär.

Und als die Vögel immer noch nicht zuhörten, da

stellte er sich auf die Hinterbeine, winkte ihnen mit den

Vordertatzen zu und sang so laut er konnte: »Ich liebe

euch!« — und dann fiel er den langen Weg von seinem

Ast bis hinunter auf den Boden. Bums!

»Oje!« sagte Mutter Koalabär und kletterte nach un-

ten

»Oje!« sagte Vater Koalabär und kletterte ihr nach.

Vater und Mutter schafften den kleinen Koalabär in die

Baumkrone und fragten, was ihm fehle, aber er zeigte

nur immer auf seinen Kopf und weinte.

Da machte ihm die Mutter ein schönes weiches Nest

aus Eukalyptusblättern und legte ihn sanft hinein.

Nach ein paar Tagen war der Schmerz fast vergan-

gen. Jetzt hätte der kleine Koalabär so gerne mit den

anderen kleinen Koalabären gespielt, aber die Mutter

schüttelte den Kopf.

»Nein, mein Herz.«

»Bitte, Mutter!« bettelte der kleine Koalabär.

»Nein, du mußt noch ein paar Tage im Bett bleiben«,

sagte die Mutter. »Aber ich erzähle dir auch eine

Geschichte. «

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s WAR EINMAL vor gar nicht allzu langer

Zeit, da hörte die kleine Krähe zu, was

ihre Mutter zu erzählen hatte. Eigentlich hatte sie gar

keine Lust, ihr zuzuhören, weil so viel anderes zu tun

war, aber da sie eine einigermaßen gut erzogene kleine

Krähe war, so hörte sie eben zu.

»Kleine Krähe«, sagte Mutter Krähe.

»Ja, Mutter«, sagte die kleine Krähe.

»Hör mir mal zu.«

»Ja, Mutter.«

»Weißt du, kleine Krähe«, fragte die Mutter, »was im

Leben das wichtigste ist?«

Die kleine Krähe war auf einen Schlag sehr verwirrt.

Wie oft hatten ihr Vater und all ihre Onkel ihr erzählt,

daß Krähen kluge Vögel seien. Keiner konnte eine

Krähe fangen. Eine Krähe wußte immer einen Ausweg

— aus jedem Schlamassel, sogar wenn man ihr schwie-

rige Fragen stellte. Und das war eine schwierige Frage!

Die kleine Krähe ließ sich nieder, plusterte sich auf,

legte sich die Flügel über die Ohren, schaute zur Erde

und ließ ihren Schnabel dreimal auf- und zuschnappen.

»Richtiges Reden«, krächzte die kleine Krähe

schließlich. »Wir Krähen reden viel. Doch das ist nicht

alles. Wir reden auch ordentlich.«

»Jawohl, jawohl, jawohl«, sagte Mutter Krähe lang-

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sam. »Ordentliches Reden. Wir wissen, was wir zu sa-

gen haben und wie wir es sagen.«

»Genau«, sagte die kleine Krähe, stieß sich von ih-

rem Ast ab und flog davon.

Wie die kleine Krähe so dahinflog, sah sie unter sich

einen Bauernhof mit drei Schweinen in einem Pferch.

Sie ließ sich auf einen Zaunpfahl hinabsinken und fal-

tete ihre Flügel zusammen.

»Hallo, Freunde!« krähte die kleine Krähe den

Schweinen zu.

»Grüß dich, Kumpel!« grunzte ein Schwein zurück.

»Schöner Tag heute«, sagte die kleine Krähe.

»Geht so«, grunzte das Schwein. »Den ganzen Mor-

gen hat es übel geregnet, und es wird gleich wieder an-

fangen. Ein einziger Glitsch hier im Pferch. Aber uns

Schweinen ist das egal, wir rutschen drin herum, bis

alles aussieht wie ein einziger Saustall. Hab ich nicht

recht, Kameraden?«

Das Schwein fraß weiter, während es redete, und

schmatzte und schmadderte und sabberte ganz fürch-

terlich dabei.

»Mußt du eigentlich so reden?« fragte die kleine

Krähe. »Du spritzt mich ja ganz voll.«

Das Schwein starrte die kleine Krähe mit offener

Schnauze an, und die anderen Schweine taten es ihm

nach.

»Grunzsch? Grunzsch?« fragte das Schwein, und eine

halbe zerdetschte Kartoffel fiel ihm aus der Schnauze.

»Du solltest achtgeben, wie du redest«, sagte die

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kleine Krähe und schlug mit den Flügeln nach denSchweinen. »Ordentliches Reden ist sehr wichtig.Denk nach, bevor du die Schnauze aufmachst, unddann sprich ordentlich. Ich weiß, was ich sage, weil icheine Krähe bin, aber ich möchte, daß es alle wissen —auch ihr!«

»Schnuff!« sagte das Schwein.»Doch, wirklich«, sagte die kleine Krähe ernsthaft,

flog von ihrem Zaunpfahl herunter und hüpfte unterein Brett, weil es zu regnen begonnen hatte, und zwarsehr stark.

»Wenn du lernst, richtig zu sprechen«, fuhr diekleine Krähe fort, »dann wirst du viel glücklicher sein.Kommt her, ich will es euch erklären. Hört mir mal allegut zu.«

Aber es regnete immer stärker, und die Schweineschauten besorgt drein. Das Wasser gurgelte von denWiesen herab direkt in den Pferch, und die kleinenSchweine mußten bereits schwimmen.

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»Also«, fing die kleine Krähe wieder an, »wenn ihr

lernt, erst zu denken und dann zu sprechen, dann ...«

Aber das Schwein konnte sie gar nicht mehr verste-

hen, weil dicke Regentropfen um sie herum aufplatsch-

ten und zerspritzten.

»Hilfe, Hilfe!« rief nun das Schwein. »Wir müssen

sofort von hier weg! Vielleicht weiß Fräulein Klug-

schwätzer zufällig, wie wir hier rauskommen, na?«

»Ach, nichts einfacher als das«, sagte die kleine

Krähe. »Du mußt einfach wegfliegen. Aber was ich

noch sagen wollte ...«

Das Schwein blinzelte ängstlich um sich und ver-

suchte zu schwimmen, und auch die anderen großen

Schweine schwammen schon. Zusammen drückten sie

gegen die Einzäunung, bis die Pfähle nachgaben und sie

ungehindert zum nächsten trockenen Stück Land pad-

deln konnten. Auf die kleine Krähe aber war ein Brett

gefallen, Wasser hatte ihr Gefieder schwer gemacht,

und Luft bekam sie auch nicht mehr. Mit letzter Kraft

rettete sie sich auf ein Stück Einzäunung, das im Wasser

trieb.

Als Mutter Krähe die kleine Krähe fand, rief sie den Va-

ter herbei, und zusammen brachten sie die kleine Krähe

nach Hause. Sie fühlte sich sehr schlecht. Sie wollte nur

noch schlafen, und nach einer Woche konnte sie sich

immer noch nicht bewegen.

»Wann bin ich denn wieder gesund?« fragte sie.

Die Mutter schaute sie an und streichelte ihr Köpf-

chen. »In einigen Tagen, mein Herz.«

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»Oh!« sagte die kleine Krähe.»Mach dir nichts draus«, sagte die Mutter. »Inzwi-

schen erzähle ich dir eine Geschichte.«

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S WAR EINMAL vor gar nicht allzu langer

Zeit, da hörte ein Kätzchen zu, was

seine Mutter zu erzählen hatte. Eigentlich hatte es gar

keine Lust, ihr zuzuhören, weil so viel anderes zu tun

war, aber da es ein einigermaßen gut erzogenes kleines

Kätzchen war, so hörte es eben zu.

»Kätzchen«, sagte die Katzenmutter.

»Ja, Mutter«, sagte das Kätzchen.

»Hör mir mal zu.«

»Ja, Mutter.«

»Kätzchen«, fragte die Katzenmutter, »weißt du,

was im Leben das wichtigste ist?«

Das Kätzchen dachte über eine Antwort nach. Und

während es nachdachte, krabbelte es unters Sofa und

legte sich auf den Rücken. Es bewegte sich fort, indem

es seine Krallen in den Sofastoff schlug. So kam es, auf

dem Rücken rutschend, ziemlich schnell vorwärts.

»Kätzchen!« rief Mutter Katze, wobei sie die Augen

zu Schlitzen zusammenkniff und den Schwanz heftig

bewegte.

»Ja, Mutter«, antwortete das Kätzchen. »Ich weiß

die Antwort. Das wichtigste im Leben ist, die Dinge

richtig zu machen. Hast du gesehen, wie ich auf dem

Rücken gerutscht bin? Habe ich das nicht toll ge-

macht?«

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