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Eckart Dege: Korea. Eine landeskundliche Einführung. Kiel 1992

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Eckart Dege: Korea. Eine landeskundliche Einführung. Kiel 1992____©Copyright Dr. Eckart Dege, Kiel. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Alle Rechte vorbehalten. Zeichnungen: Doris Busch (Seite 19, 91 und 97) Günther Leschewsky (Seite 13, 61, 67-69, 71, 83, 86-87, 103-105 und 113). 1. Auflage 1992. ISBN 3-928465-01-5

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Eckart Dege

Eine landeskundliche Einführung

Kiel 1992

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0 Copyright Dr. Eckart Dege, Kiel.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Alle Rechte vorbehalten.

Zeichnungen: Doris Busch (Seite 19, 91 und 97) Günther Leschewsky (Seite 13, 61, 67-69, 71, 83, 86-87, 103-105 und 1 13)

1. Auflage 1992

ISBN 3-928465-01-5

Vertrieb: Verein zur Förderung regionalwissenschaftlicher Analysen e.V. Postfach 4363, 2300 Kiel 1

Preis: 19,80 DM

Dieser Band ist auch durch Überweisung von 21,80 DM (incl. Verpackung und Porto) auf das Konto des Vereins für regionalwissenschaftliche Analysen (Konto Nr. 184 11-209 beim Postgiroamt Hamburg, BLZ 200 100 20) erhältlich.

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INHALTSVERZEICHNIS 3

Inhaltsverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die koreanische Halbinsel 7

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lage und Ausdehnung 7

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physisch-geographische Großgliederung 8

. . . . . . . . Feucht-heiße Sommer . trocken-kalte Winter . das Klima Koreas 16 Jahresgang der Witterung 16 Klimaregionen 17

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Großregionen Koreas 21

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Historisch-kulturelle Einheit . politische Teilung 27

Südkorea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die politische Entwicklung 35

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung und Siedlung 38

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bevölkemngsentwicklung 42

. . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge der Wirtschaftsentwicklung und -politik 47

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur und Entwicklung der Landwirtschaft 62

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Südkoreas Industrieregionen 78

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohnen in Korea 84

Seoul . Entwicklung und Struktur der südkoreanischen Hauptstadt . . . . . . . 93

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Nordkorea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Die politische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Verwaltung und Siedlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Gmndzüge der Wirtschaftsentwicklung und -politik . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Stniktur und Entwicklung der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Bodenschätze. Energie und Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Statistischer Vergleich Nordkorea . Südkorea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Literaturauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Geographischer Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

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Vorwort

Seit H. LAUTENSACHS großer Landes- kunde gilt Korea als ein Modellfall landeskundlicher Bearbeitung. In der Tat bietet sich dieses Land, das als Halbinsel einerseits eine gewisse Isolation bedingt und zum anderen eine Kulturbrücke bil- det, zur Herausarbeitung regelhafter Züge seiner natürlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Struktur an, zumal es von einem ethnisch und kulturell homo- genen Volk bewohnt wird, das fest in der Tradition einer Jahrtausende alten Geschichte verwurzelt ist.

Seine Lage als Brückenglied zwischen dem ostasiatischen Festlandsblock und dem inselasiatischen Bereich teilte Korea jedoch auch die tragische Rolle zu, im Laufe seiner Geschichte wiederholt zum Schauplatz militärischer Auseinanderset- zungen zwischen diesen beiden Räumen Ostasiens zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam diese geopolitische

Situation eine neue, jetzt weltweite Dimension. Die Kluft zwischen den beiden großen Machtblöcken der Welt lief seither mitten durch Korea und teilte das Land und sein Volk in einer Schärfe, wie an kaum einem anderen Punkt der Erde.

Diese auch heute noch nicht überwunde- ne politische, ökonomische und speziell ideologische Spaltung macht eine ausge- wogene landeskundliche Bearbeitung des gesamten Landes äußerst schwierig. So gibt es kaum einen neueren Bericht über Korea, der nicht - gewollt oder ungewollt - mehr oder weniger stark ideologisch zur einen oder anderen Seite tendiert.

Hinzu kommt ein starker Kontrast zwi- schen beiden Teilen des Landes hinsicht- lich des Informationsflusses. Während aus dem Norden nur spärliches Daten- material heraussickert, wird der Bearbei-

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ter im Süden mit einer wahren Flut von Daten, Statistiken, Entwicklungsplänen, Kartenunterlagen usw. überschüttet. Im Norden ist ein ausländischer Besucher in seiner Bewegungsfreiheit stark einge- schränkt und bei der Geschlossenheit der nordkoreanischen Gesellschaft praktisch von jedem Kontakt zur Bevölkerung abgeschnitten. Im Süden dagegen kann er sich ungehindert bewegen und mit prak- tisch allen Bewvölkerungsschichten einen offenen Meinungsaustausch suchen, eine

Gelegenheit zum Kennenlernen der ökonomischen, sozialen und kulturellen Eigenarten und Gesetzmäßigkeiten des Landes. Diese Gelegenheit konnte der Verfasser seit 197 1 auf zahlreichen Forschungsreisen sowie während einer zweijährigen Gastdozentur in Südkorea (1974-76) immer wieder mit Dankbarkeit wahrnehmen, während ihm der Norden trotz sechsmaligen Besuchs weitgehend verschlossen blieb.

Wielen, im Juni 1992 Eckart Dege

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LAGE UND AUSDEHNUNG 7

Die koreanische Halbinsel

Lage und Ausdehnung

Vom Tumen-Bogen im äußersten Zipfel der Provinz Hamgybng-pukto in 43" 01 ' N bis zu der kleinen Felsinsel Mara-do südlich von Cheju-do in 33" 06' N er- streckt sich die Halbinsel Korea über annähernd 10 Breitengrade und weist damit eine Nord-Süd-Erstreckung von 1100 km auf. Mit ihren vorgelagerten Inseln umfaßt sie 221 325 km2. Zwischen den Mündungen der Grenzflüsse Yalu (kor. Amnok-kang) in 124" 11' E und Tumen (kor. Tuman-gang) in 130" 42' E ist sie auf 1 041 km breiter Front mit d e m as ia t i schen Fes t landsblock verbunden (1 025. km Grenze zur Volksrepublik China und 16 km Grenze zu Rußland). Daher erscheint es geographisch gerechtfertigt, den Norden Nordkoreas noch zum asiatischen

Festlandsblock zu rechnen und den Beginn der eigentlichen Halbinsel erst an der 216 km breiten Einschnürung zwi- schen Westkoreagolf (Sbhan-man) und Ostkoreagolf (Tonghan-man) anzusetzen. Im Südosten nähert sich die koreanische Halbinsel dem japanischen Inselbogen, von diesem nur durch die 206 km breite Korea- und Tsushima-Straße getrennt.

Der koreanischen Halbinsel kommt damit als Landbrücke eine Mittlerfunktion zwischen dem ostasiatischen Festlands- block und den westpazifischen Inselbögen zu. Diese Brückenstellung zwischen dem kontinental geprägten Festland und den maritim geprägten Inselbögen manife- stiert sich nicht nur im geologischen Aufbau und der morphologischen Aus- prägung der Halbinsel, in ihrem Klima und Pflanzenkleid, sondern ebenso deut- lich in ihrer kulturellen und historischen Entwicklung.

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8 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

Physisch-geographische

Großgliederung

Das geologische Fundament Koreas bil- den konsolidierte Kmstenteiie, die der Nordchina-Korea-Plattform zugeordnet werden, einem präkambrischen Kraton, der sich von der Inneren Mongolei bis nach Korea erstreckt. Bereits im jüngeren Präkambrium wurde dieser Kraton durch eine Reihe von Senkungszonen, die, SW-NE streichend, bis nach Korea reich- ten, in einzelne Massive gegliedert (Abb. 1). Während die Massive aus prä- kambrischen grauen Gneisen bestehen, enthalten die Senkungszonen zwischen ihnen mächtige Pakete jüngerer Sedimen- te, die in verschiedenen Gebirgsbildungs- phasen intensiv gefaltet und dabei teil- weise metamorph umgeformt wurden.

Abb. 1 Tektonische Gliederung Koreas

Ch'dngjin-Massiv Hyesan-Iwbn-Faltungszone P'ydngbuk-(Nangnim)-Massiv P'ydngnam-Faltungszone KyOnggi-Massiv Okch'dn-(T'aehaek-san)-Faltungszone Kybngsang-Trog in der Okch'dn-Faltungszone Ydngnam-(Sobaek-san)-Massiv eigentliches Kybngsang-(Naktong-gang)-Becken

In Korea trennen drei derartige Faltungs- Zonen vier präkambrische Massive von- einander: im Nordosten die Hyesan- Iwbn-Faltungszone das Ch'6ngjin-Massif vom P'ybngbuk-Massiv, im Süden Nord- koreas die P'yongnam-Faltungszone dieses vom Kyonggi-Massiv, und in Süd- korea die von Mokp'o im Südwesten nach Nordosten bis in den Norden der Provinz Ch'ungch'ong-pukto reichende Okch'on-Faltungszone das Kydnggi- Massiv vom Y6ngnam- (oder Sobaek-) Massiv. Während die alten Massive Abtragungsgebiete blieben, drang das Meer im Kambrium in die Senkungzonen zwischen ihnen ein und überlagerte ihre präkambrischen metamorphen Sedimente diskordant mit marinen Ablagerungen, darunter mächtigen Paketen dunkelgrauer Massenkalke, die als Choson-Formation zusammengefaßt werden. Hierbei erwei- terte sich der Sedimentationsraum der Okch'6n - Faltungszone bis an die Ost-

Entwuf l E. DEGE nach METALLOGENIC MAP OF KOREA 1:I 000 000

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10 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

küste, so daß sich eine Okch'on-Paläo- synklinalzone mit metamorphen präkam- brischen Schiefem im Südwesten und eine Okch'on-Neosynklinalzone mit nichtmetamorphen Sedimenten im Nord- osten unterscheiden lassen. In letzterer traten Scheelitvererzungen in kambri- schen Kalksteinen auf, die mit dem Sangdong-Lager eine der größten Wolfram-Lagerstätten der Welt bilden. Darüber hinaus liefern die mächtigen Massenkalkablageningen der Chosen- Formation den Rohstoff für eine Zement- industrie, die sowohl in Nord- als auch in Südkorea nicht nur den inländischen Bedarf deckt, sondern auch für den Export produziert.

Auf den Rückzug des Meeres im Ordovi- zium folgt eine gewaltige Schichtlücke, die bis in das Karbon hineinreicht. Erst im Oberkarbon und in der Trias kam es erneut zu mächtigen Ablagerungen in den Senkungszonen, die als P'yongan-Forma- tion zusammengefaßt werden. Als laku- strische bis terrestrische Sedimente enthalten sie in ihrem oberen Teil bis zu 2 m mächtige Steinkohlenflöze, die in S ü d k o r e a i n d e r m i t t l e r e n T'aebaek-Kette und in Nordkorea im Taedong-gang- und im Ch'ongch'on- gang-Becken abgebaut werden. Die P'yongnam-Formation wird durch die Songnim-Epirogenese abgeschlossen, die vor allem die P'yongnam-Faltungszone erfaßt hat, aber auch in der Okch'on-Zone nachzuweisen ist. Darauf folgen diskordant terrestrische Ablage-

rungen, Sandsteine, Schiefer und Konglo- merate der oberen Trias und des Jura, die als Taedong-Formation zusammen- gefaßt werden. Sie enthalten ebenfalls, allerdings geringmächtigere, Steinkohlen- flöze.

Im Jura wurde die lange Sedimentations- phase, die sich während des gesamten Paläozoikums und des unteren Mesozoi- kums durch relativ ungestörte Sedimenta- tion auf einem stabilen Krustenstück der kontinentalen Eurasischen Platte ausge- zeichnet hatte, durch eine kräftige Gebirgsbildung abgeschlossen. Diese bis in die Unterkreide anhaltende, in Korea als Taebo-Orogenese bezeichnete Ge- birgsbildungsphase eröffnete ein neues Kapitel in der geologischen Entwicklung Koreas, das jetzt durch plattentektonische Vorgänge an der Grenze zwischen der Eurasischen und der Pazifischen Platte gesteuert wurde.

Längs einer SW-NE verlaufenden Sub- duktionszone tauchte die ozeanische Pazifische Platte unter die kontinentale Eurasische Platte ab, um in der Astheno- sphäre unter dem Kontinentalrand aufge- schmolzen zu werden. Dabei entstanden Magmen, die in die kontinentale Kruste eindrangen und hier als Granite erstarr- ten. Die jurassisch bis frühkretazischen Granite werden als Taebo-Granite zusam- mengefaßt, während eine zweite Granit- serie, die von der höheren Unterkreide bis zum Eozän intrudierte, als "junge" Granite oder nach den Fundamentsteinen

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GEOLOGIE UND OBERFLÄCHENFORMEN 1 1

des Pulguksa-Tempels bei Kyongju als Pulguksa-Granite bezeichnet werden.

Durch die Taebo-Orogenese wurden nicht nur die Granite in die alten Massive und jüngeren Faltungszonen intmdiert, wo sie die ursprünglichen Gesteine weitflächig verdrängten und damit vielfach zu einem beherrschenden Land- schaftselement wurden, sondern auch die Sedimente der Faltungszonen intensiv gefaltet und bmchtektonisch verformt. Die Faltenachsen und Stömngen strei- chen in der s.g. "sinischen" Richtung SW-NE.

Gleichzeitig bildete sich im Südosten Koreas ein großes Sedimentationsbecken, das über Tsushima bis in den Südwesten Japans reichte. In diesem Becken lagerten sich im Laufe der Kreide bis zu 10 000 m mächtige klastische Sedimente lakustrischer und fluviatiler Entstehung mit Einschaltungen von Laven und vulka- nischen Lockermassen ab, die als Ky6ng- sang-Formationzusammengefaßt werden. Sie füllen heute große Teile des weitge- spannten Naktong-gang-Beckens sowie einen schmalen Trog am Südostrand der Okch'on-Faltungszone. Das Eindringen der Pulguksa-Granite, das sich wahr- scheinlich bis in das Alttertiär fortsetzte, war von einem weitverbreiteten interme- diären bis basischen Vulkanismus beglei- tet, nicht jedoch von größeren orogeneti- schen Bewegungen.

Erst zu Ende der Pulguksa-Intmsionen kam es mit der Yonil-Stömng noch ein- mal zu einer Bruchtektonik mit SSW- NNE verlaufenden Stömngen, die u.a. den Yongsan-gang-Graben zwischen Pusan und P'ohang, den Ch'ugaryong- Graben zwischen Seoul und Wonsan sowie den Kilchu-Myongch'on-Graben im Nordosten Koreas entstehen ließen. Lediglich in diesen Grabenbrüchen sowie im Tuman-Bogen im äußersten Nordosten sind tertiäre Sedimente verbreitet, soweit sie nicht von jüngeren vulkanischen Ergüssen überdeckt sind. Die in ihnen eingelagerten miozänen Braunkohlenflöze werden in Nordkorea im Kilchu-Myong- ch'6n-Graben sowie im Tuman-Bogen abgebaut.

Die mit der Yonil-Störung einhergehende Fördemng basaltischer Ergüsse setzte sich als Teil des Zirkum-Japanmeer- Vulkanismus bis in das Quartär fort. Während sich der quartäre Vulkanismus in Südkorea fast ausschließlich auf die beiden Vulkaninseln Ullüng-do (140 km östlich Koreas im Japanischen Meer gele- gen) und Cheju-do mit dem 1950 m hohen Vulkankegel des Halla-san be- schränkte, sind quartäre basaltische Deckenergüsse im Nordosten Koreas weit verbreitet. Sie überdecken hier nicht nur ein 22 000 km2 großes Gebiet um den Paektu-san, den 2744 m hohen Vulkan- kegel an der Grenze zu China, sondern füllen auch den Ch'ugaryong- und den Kilchu-Myongch'on-Graben weitgehend aus.

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12 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

Die große Verbreitung von Graniten und verwandten vulkanischen Ablagemngen in Korea fern vom Plattenrand wird mit der Tatsache erklärt, daß sich in der mittleren Kreide der mittelozeanische Kula-Pazifik-Rücken der Subduktions- Zone am Rande der Eurasischen Platte näherte. Da die Lithosphäre in der Nähe des mittelozeanischen Rückens sehr heiß ist, tauchte sie sehr flach unter die kontinentale Platte ab und erzeugte damit in dieser eine ungewöhnlich breite Zone magmatischer Aktivität. In der jüngeren Kreide tauchte schließlich der Kula- Pazifik-Rücken selbst unter die Eurasi- sche Platte ab und führte mit seiner Wärme zu einer Schwächung der konti- nentalen Platte, die dadurch im Bereich des Japanischen Meeres aufriß. Aus dem Erdmantel in diese Risse eindringende Basalte führten im Japanischen Meer zu einer lokalen Spreizung des Meeresbo- dens, wodurch der frühere Rand der kon- tinentalen Platte im Laufe des Tertiärs als japanischer Inselbogen in seine heutige Lage geschoben wurde.

Auf der Westseite des sich erweiternden Japanischen Meeres führten die gleichen Kräfte zu einer Aufwölbung des neuen Plattenrandes und damit zu einer Kip- pung der koreanischen Halbinsel in Form

einer steil aus dem Japanischen Meer ansteigenden und flach zum Gelben Meer hin abfallenden Pultscholle. ihre von der in 1500 - 1600 m gipfelnden T'aebaek- Kette gebildete Stirn verläuft, leicht nach Osten vorgewölbt, generell N-S in der s.g. "koreanischen" Richtung und bildet damit einen deutlichen Winkel zu den alten Massiven und Faltungszonen, deren Faltenachsen und Stömngen der "sini- schen" Richtung SW-NE folgen.

Durch diese in Korea als T'aebaek- Orogenese bezeichnete Kippung der Scholle wurde die Erosion stark belebt, und sowohl die zum Gelben Meer hin ab- fließenden Pultflüsse, als auch die kurzen, zum Japanischen Meer hin ent- wässernden Stirnflüsse haben die Pult- fläche seither tiefgreifend zertalt und in einzelne Gebirgszüge aufgelöst.

Obwohl die Pultflüsse als antezedente Flüsse in ihrem Lauf kaum eine Einpas- sung in die geologische Struktur des Untergmndes zeigen, wurde ihre erodie- rende Tätigkeit doch stark vom Gesteins- untergmnd gesteuert. Dadurch entstanden im Bereich weniger widerstandsfähiger Gesteine weite, zum Gelben Meer bzw. zur Südküste hin geöffnete Beckenland- schaften, die unmerklich in die von den

Abb. 2 Orographische Übersichtskarte Entrv~clf: E. DEGE

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14 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

Flüssen aufgebauten Schwemmlandebe- nen überleiten.

Diese Beckenlandschaften werden im Bereich härterer Gesteine durch Gebirgs- züge voneinander getrennt, die feder- förmig in der T'aebaek-Kette und ihrer nördlichen Fortsetzung, der Nangnim- Kette, wurzeln und in der alten sinischen Richtung SW-NE verlaufen (Abb. 2). So ziehen sich von der T'aebaek-Kette drei größere parallel verlaufende Bergketten in südwestlicher Richtung bis zur West- bzw. Südküste hin, die Kwangju-Kette, die in dem die Hauptstadt Seoul umge- benden Bergland ausläuft, die Charybng- Kette, die die Grenze zwischen den Provinzen Kybnggi-do und Ch'ung- ch'bng-pukto und für einige subtropische Gewächse, wie Bambus, die Nordgrenze bildet, und die Sobaek-Kette, die das Becken des Naktong-gang und damit die beiden Kybngsang-Provinzen umschließt.

Während der Hauptkamm der Sobaek- Kette am 1058 m hohen Songni-san nach Süden umschwenkt, um nahe der Süd- küste im Chiri-san mit 1915 m seine höchste Erhebung zu erreichen, setzt sich die Norybng-Kette nach Südwesten fort und trennt das Schwemmland der Naju- Ebene von der großen Naepo-Honam- Ebene. Diese wird wiederum durch die Ch'arybng-Kette von der Kybnggi-Ebene getrennt, die sich um die Mittelkoreani- sche Bucht schlingt und nördlich des an-~mjin-Ästuars in Nordkorea ihre Fortsetzung in der Ybnbaek-Ebene fin-

det. Nördlich der Mittelkoreanischen Bucht werden die Beckenlandschaften und Schwemmlandebenen Süd- und Mit- telkoreas durch die Mydrak-Kette abge- schlossen, die im Kap Changsan-got der Provinz Hwanghae-namdo ausläuft.

Die Pultfläche Nordkoreas wird durch Gebirgszüge gegliedert, die in der Nangnim-Kette wurzeln und ebenfalls parallel zueinander nach Südwesten ziehen, die Kangnam-, Chdgyurybng-, Myohyang- und Ongjin-Kette. Zwischen ihnen haben die Pultflüsse eine Reihe von Becken ausgeräumt, die in die Schwemmlandebenen der Westküste, die Sinüiju-, die Anju-Pakch'dn- und die P'ybngyang-Ebene überleiten.

Im Nordosten Koreas bildet die Hamgydng-Kette, die im Turyu-san und im Kwanmo-bong Höhen über 2300 m bzw. 2500 m erreicht, den steilen Abfall einer weiteren Pultscholle, der Man- dschurischen Scholle, zur Japanmeer- küste. Im Verschneidungsbereich zwi- schen Koreanischer und Mandschurischer Scholle erhielt sich ein durchschnittlich 1100 m hohes, wenig zerschnittenes Hochland, das weitgehend von den Basaltergüssen des Paektu-san überdeckte Kaema-Plateau.

Auch im kleinräumigen Maßstab führte die starke Erosion und die durch Klima und Gesteinsstruktur gesteuerte Verwit- terung zu einer erstaunlichen Relief- energie. Das Bergland, das gut drei

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GEOLOGIE UND OBERFLÄCHENFORMEN 15

Viertel der Landesfläche einnimmt, weist auch bei geringer absoluter Höhe überaus steile Hänge auf; die rückschreitende Erosion reicht in den Kerbtälem bis an die Wasserscheiden hinauf und hat die Bergrücken vielfach zu messerscharfen Graten zugeschnitten. In den weitverbrei- teten Granitgebieten weisen die Berg- hänge allerdings eher eine prallgewölbte, runde Form auf. Unter dem Einfluß win- terlicher Spaltenfröste und sommerlicher Durchtränkung vergmst der Granit sehr rasch. Sommerliche Starkregen spülen das Verwittemngsmaterial von steileren Hängen rasch ab, so daß auch relativ niedrige Berge völlig glatte, fast unge- gliederte und häufig über 500 m steil ansteigende Felspanzerhänge aufweisen. In den massigen Granitkegeln sind vielfach durch Dmckentlastung oberflä- chenparallele Klüfte ausgebildet, die zur Abschuppung großer Gesteinsschalen und damit zur Entstehung eindmckvoller Glockenberge, wie des 836 m hohen Paekundae, der die Bergkulisse im Nordosten Seouls beherrscht, führen.

An sanfter geneigten Hängen wird der vergmsende Granit nicht direkt abge- spült; hier bilden sich über tiefgründig verwittertem Granit die in Mittel- und Nordkorea weit verbreiteten gelben Grusböden, im stärker subtropisch geprägten Klima des Südens auch graniti- sche Roterdeböden.

Aufgrund der unterschiedlichen, von den Böschungswinkeln gesteuerten Erosions-

vorgänge sind die Täler, besonders in ihren mittleren und unteren Abschnitten, vielfach zweistufig ausgebildet. Beider- seits des weiten Flußbettes, das während der abflußarmen winterlichen Zeit von weiten Geröll- und Sandflächen einge- nommen wird, erstreckt sich jenseits eines Deiches oder eines natürlichen, Trockenfelder tragenden Dammufers eine häufig mehrere Kilometer breite, von N a ß r e i s f e l d e r n e i n g e n o m m e n e Schwemmlandebene, die mit scharfer Grenze an ein niedriges Hügelland stößt. Dieses Hügelland besteht aus tiefgründig verwittertem Gestein und ist durch zahl- reiche Erosionsrisse, in denen, wenn sie breit genug ausgebildet sind, die Reis- felder fingerförmig in das ansonsten von Trockenfeldem überzogene Hügelland eingreifen, in einzelne Kuppen aufgelöst. Es steigt pedimentförmig leicht zu den Rahmenhöhen hin an, die sich häufig erst in mehreren Kilometern Entfernung vom Hauptfluß mit einem ausgeprägten Hang- knick und steilen Felskulissen über das Tal erheben.

Am Unterlauf der zum Gelben Meer hin abfließenden Pultflüsse treten die Rahmenhöhen immer weiter zurück und sinken in ihrer Höhe auf das Niveau des Hügellandes ab, das hier, von zahlrei- chen Nebenflüssen zertalt, die Wasser- scheiden bildet, bis die Flüsse in die mehr oder weniger breiten Alluvialebe- nen der Westküste eintreten, um dann in tiefen Trichtermündungen dem Gelben Meer zuzufließen.

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16 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

Mit ihren fmchtbaren Böden und der Möglichkeit zur Anlage von Bewässe- mngseinrichtungen stellen die sich trich- terförmig zu den Küsten hin öffnenden und schließlich vielfach zu einem Alluvialsaum zusammentretenden Schwemmlandebenen an den Unterläufen des Taedong-gang, des Han-gang, des KiIm-gang und des Ytingsan-gang als dichtbesiedelte Reiskammem die kulturel- le Vorderseite Koreas dar. Demgegen- über bildeten das stark zerklüftete östliche Bergland und die mit dichten Wäldern überzogenen Hochplateaus des Nordostens die kulturelle Rückseite des Landes, weitgehend unbesiedelte, nur sporadisch im primitiven Brandrodungs- feldbau genutzte Räume, in die erst zu Beginn dieses Jahrhunderts unter dem wachsenden Bevölkemngsdmck die Pio- niergrenze vorgeschoben wurde.

Feucht-heiße Sommer - trocken-kalte Winter - das Klima Koreas

Jahresgang der Witterung

Das Klima Koreas wird durch die jahres- zeitliche Umkehr des Bodenluftdmckge- falles zwischen dem nordostasiatischen Festland und dem Nordwestpazifik und die damit verbundene Nord-Süd-Wande- rung der Polarfront geprägt.

Im Winter, wenn die Polarfront südlich Koreas liegt, bringt der vom sibirischen Kältehoch gesteuerte Wintermonsun ex- trem kalte und trockene Festlandsluft nach Korea, die die Januar-Mittelternpe- raturen in Chunggangjin im äußersten Norden Koreas auf -21 , I 0 C und in Seoul immer noch auf -4,6" C absinken I&. Lediglich die Süd- und Südostküste weist infolge der niedrigeren Breitenlage, ihrer Abschirmung gegen die kalten Nordwinde durch die Sobaek-Kette und der Erwärmung durch den vom Kuroshio abzweigenden Tsushirna-Strom deutlich höhere Wintertemperaturen auf (Januar- mittel in Pusan +2.0°C). Mit 226 Tagen ist hier die frostfreie Periode durch- schnittlich 56 Tage länger als irn Norden Südkoreas (Seoul 170 frostfreie Tage). Dieser Unterschied erlaubt zwar auch an der Südküste Koreas noch keine zweite Reisemte, wie an der Sjidostküste der

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japanischen Insel Shikoku, reicht jedoch aus, um im Süden Koreas eine zweite Ernte auf den Reisfeldem in Form von Wintergerste und Winterweizen zu er- möglichen. Neben dieser Doppelnutning der Naßfelder durch Wintergetreideanbau ermöglichen die höheren Wintertempera- turen und das frühere Einsetzen der Vegetationsperiode an der Südküste auch eine Doppelnutning durch einen sehr ertragreichen Frühgemüseanbau.

Während des Frühjahrs (April bis Mai) wird der Wittemngsverlauf bei Abbau des sibirischen Kältehochs bereits zeit- weilig von den nördlichsten Ausläufetn außertropischer Zyklonen geprägt, deren Zugbahnen sich mit der Polarfront Korea nähern. Mit dem Heranrücken der Polar- front setzt Ende Juni dann die früh- sommerliche Regenzeit ein, der "Pflau- menregen" Japans, in Korea "Changma " genannt. Dieser ersten sommerlichen Regenzeit, geht eine Periode von etwa 14 Tagen verstärkter Schauertätigkeit voraus, deren Eintreten für das Über- fluten der Reisfelder und damit für ein termingerechtes Umsetzen der Reispflan- Zen von größter Bedeutung ist. Die Ergiebigkeit der sommerlichen Nieder- schläge unterliegt jedoch starken Schwankungen. So reichen die Nieder- schläge z.B. in Jahren, in denen die Polarfront (und mit ihr die Zugbahnen der regenbringenden außertropischen Zyklonen) aufgmnd einer besonders kräftigen Ausbildung des Nordpazifischen Hochs Korea zu rasch passiert, für die

Bewässerung der Reisfelder nicht aus. Deshalb kommt dem Ausbau der Anlagen für künstliche Bewässerung große Bedeu- tung zu.

Mit der weiteren Nordverlagening der Polarfront, die Nordkorea im August das (einzige) Niederschlagsmaximum bringt, wird in Südkorea die frühsommerliche Regenzeit Ende JuliJAnfang August durch eine Periode deutlich geringerer Niederschlagsintensität abgelöst. Süd- korea steht jetzt unter dem Einfluß des vom Nordpazifischen (Bonin-) Hoch und Mandschurischen Hitzetief gesteuerten Sommermonsuns, der dem Land mit maritim-tropischen Luftmassen während des August zwar hohe Temperaturen (August-Mitteltemperatur in Seoul 25,5" C) und eine hohe Luftfeuchtigkeit, jedoch deutlich geringere Niederschläge bringt.

Mit der Rückkehr der Polarfront wird die stabile sommerliche Hochdmcklage wie- der durch wandernde Zyklonen abgelöst. Dieser Umschwung bezeichnet in Korea den Beginn der spätsommerlichen Regenzeit (zweite Augusthälfte). Diese Regenperiode, in Korea "Nüt Changnla " genannt, hält im Durchschnitt etwa 25 Tage an und bringt dem Land ein deut- liches zweites sommerliches Nieder- schlagsmaximum.

Neben den außertropischen Zyklonen werden, besonders im Spätsommer, auch tropische Zyklonen in Korea wetter-

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wirksam. Als Taifune bringen sie, vor allem dem Süden des Landes, verheeren- de Starkregen, die regelmäßig große Überschwemmungen und zerstörerische Hangrutschungen auslösen.

Mitte September hat sich die Polarfront jedoch so weit nach Süden verlagert, daß das sich allmählich über Sibirien wieder aufbauende Kältehoch auch in Korea an Einfluß gewinnen kann, was dem Land einen kurzen sonnigen Herbst bringt, der Anfang bis Mitte November mit der Ver- stärkung der winterlichen monsunalen Nord-Süd-Strömung in den langen kalten Winter übergeht.

Klimaregionen

Der größte Teil Nordkoreas sowie der Norden Südkoreas (mit den Provinzen Kyanggi-do und Kangwon-do) hat ein kühlgemäßigtes Klima mit trockenen, kalten Wintern und feucht-heißen Som- mern (Dwa nach der Klassifikation von

Köppen, siehe Abb. 3). Die natürliche Vegetation, ein artenreicher sornmergrii- ner Laubwald, hat hier weitgehend dem Kulturland weichen müssen oder wurde durch Sekundärwald ersetzt. Die hohen Sommertemperaturen und ein ausgepräg- tes Sommermaximum der Niederschläge lassen hier, sobald es die orographischen Verhältnisse erlauben, den Naßreisanbau in den Vordergrund treten. Die niedrigen Wintertemperaturen verlängern die Vege- tationsperiode f i r Wintergetreide jedoch schon so stark, daß sie mit der für den sommerlichen Naßreisanbau kollidiert. Deshalb ist hier der Wintergetreideanbau auf die Trockenfelder beschränkt, die Naßreisfelder liegen während des Win- ters brach.

Erst mit dem Übergang zum warmge- mäßigten Klimabereich des südlichen Korea, dessen Nordgrenze durch die -3" - Isotherme des kältesten Monats (Januar) definiert wird, wird auch eine Doppel- nutzung der Naßfelder durch winterlichen Gersten- und Weizenanbau möglich.

Abb. 3 Klimaregionen Koreas P

CID = Mitteltemperatur des kältesten Monats: -3" C wlf = Niederschlag des niederschlagsärmsten Monats 10 % des niederschlagsreichsten Monats a/h = Mitteltemperatur des wärmsten Monats: 22" C (1) = 4 Monate mit Mitteltemperaturen unter I " C (2) = mittlere Minimumtemperatur des kältesten Monats: -3" C

Enfwu@ E. DEGE und C. K. KIM, nach der Klassrfikation von KUPPEN

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20 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

Dieses Klimagebiet untergliedert sich noch einmal in ein Gebiet mit schwächer ausgeprägtem Winterminimum der Nie- derschläge (Cfa) im Südwesten (Prov. Ch6lla-namdo), an der Südküste und an der südlichen und mittleren Ostküste sowie mit deutlicher ausgeprägtem winterlichem Niederschlagsminimum (Cwa) an der mittleren Westküste und im Naktong-gang-Becken. Die größere Trockenheit des von Gebirgen abge- schirmten Naktong-gang-Beckens begün- stigt neben dem Anbau von bespelzter Wintergerste besonders den Winter- weizenanbau, während im feuchteren und wintermilderen Südwesten Nacktgerste als Wintergetreide vorherrscht. An der Südküste und auf Cheju-do sinken die Januar-Mitteltemperaturen nicht mehr unter den Gefrierpunkt und die mittleren Minimaltemperaturen nicht mehr unter -3" C ab. Damit kann in der natürlichen Vegetation der sommergrüne Laubwald durch subtropische, immergrüne Planzen- formationen abgelöst werden. Von der Landwirtschaft wird die winterliche Klimagunst der Südküste und der Insel Cheju-do seit etwa 1970 durch eine Spezialisierung auf winterlichen Fein- gemüseanbau (in saisonal aufgestellten, ungeheizten Gewächshäusern aus Vinyl- folie) ausgenutzt. Auf Cheju-do ist zusätzlich der plantagenmäßige Anbau kälteempfindlicher Zitrusfrüchte (speziell Mandarinen) stark ausgeweitet worden.

Im Norden Nordkoreas werden die Win- ter so lang, daß auch auf den Trocken- feldern keine Winterung mehr möglich ist. In diesem Gebiet, das klimatisch durch mindestens 4 Wintermonate mit Mitteltemperaturen unter 1" C zu defi- nieren ist, beschränkt sich der Anbau deshalb auf eine sommerliche Naßreis- ernte (besonders im Westen der Prov. P'yongan-pukto) bzw. auf eine sommer- liche Trockenfeldernte (Mais, Kartoffeln, Buchweizen, Kolbenhirse oder Kauliang).

Im äußersten Nordosten und auf dem Kaema-Plateau sinken auch die Sornrner- temperaturen bereits so weit ab (unter 22" C im Mittel des wärmsten Monats), daß diese Gebiete dem Klimatyp Dwb zugerechnet werden müssen, einem borealen Schnee-Waldklima mit extrem kalten Wintern und kühlen Sommern. Dieses Klimagebiet, das in den höheren Lagen der T'aebaek-Kette weit nach Südkorea hineinreichen dürfte, wird oberhalb des sommergrünen Laubwaldes von einem vorwiegenden Nadelwald ein- genommen. Dieses Bergland wurde bis in die 60er Jahre hinein ackerbaulich nur inselhaft in ungeregeltem Brandrodungs- feldbau genutzt. Erst in jüngerer Zeit zeichnen sich hier Ansätze zu einer den klimatischen Verhältnissen dieser som- merkühlen Höhenstufe angepaßten Spezi- alisierung (2.B. auf Tabak und sommer- lichen Gemüsebau) ab.

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Die Großregionen Koreas

Die Kammerung Koreas in einzelne geo- graphische Teilräume (siehe Abb. 4) spiegelt sich in der 1418 vorgenommenen Gliederung des Landes in acht Provinzen wider. Hierbei wurde die Grenzziehung so geschickt den natürlichen Leitlinien angepaßt, daß sie - von Teilungen einzel- ner Provinzen abgesehen - bis heute Bestand hat.

Die Kernlandschaft Koreas bildet seit Beginn der Koryö-Dynastie (918) die Provinz Kybnggi-do. In der Mitte der dichtbesiedelten fruchtbaren Westküsten- ebene gelegen, stellt sie das natürliche Zentrum des Landes dar. Diese zentrale Stellung wurde durch die Lage der Hauptstadt, Kaesbng während der Koryi3- Dynastie und Seoul seit Beginn der Chos6n-Dynastie, nocn unterstrichen. Seoul wurde als neue Hauptstadt 1396 in einem intramontanen Becken knapp nörd- lich des Han-Unterlaufes errichtet. Dieses Becken entsprach genau den geomantischen Vorstellungen von einer idealen Landschaft, und die umgebenden Berge bildeten einen natürlichen, durch einen Mauerring noch verstärkten Schutz- wall um Hanyang, wie Seoul ursprüng- lich genannt wurde. Das gebirgige Relief der Stadt setzt ihrer modernen Entwick- lung zwar Grenzen, die nur durch aufwendige Tunnelbauten überwunden werden können, trägt aber unbestritten

auch zum landschaftlichen Reiz dieser Metropole bei.

Der Han-gang bildet die Hauptschlagader der Provinz Kybnggi-do. Oberhalb Seouls noch ein Gebirgsfluß, heute in zahlreichen Dämmen aufgestaut, die der Wasserregulierung und Energiegewin- nung dienen, tritt der Han-gang unterhalb Seouls in seine Schwemmlandebene, die Kimp'o-Ebene, ein. Sie bildet einen der Kernräume des koreanischen Reisanbaus. Reis aus der Kimp'o-Ebene galt schon lange in den Haushalten der Hauptstadt als beste Qualität, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Agrarstruktur Kybnggi-dos durch relativ wohlhabende Bauern geprägt wird. Ihre traditionellen mittelkoreanischen Winkelgehöfte sind nur ein äußeres Zeichen des Wohlstandes dieser Provinz. Neben dem Reisanbau wird ein lukrativer, ganz auf die haupt- städtischen Märkte ausgerichteter Gemü- seanbau betrieben. Hierbei werden heute modernste Methoden, wie z.B. die Anzucht der Pflanzen unter Vinylfolie, angewandt, um die Vegetationszeit zu verlängern. An den Küsten Ky6nggi- dos, dort, wo sich im Bereich des heuti- gen Inch'bn und der vorgelagerten Insel Kanghwa-do Land und Meer verzahnen, sorgte eine blühende Fischerei, heute weitgehend auf die moderne Hafenstadt Inch'On konzentriert, für die Frischfisch- Versorgung der Hauptstadt.

Nach Südosten und Nordwesten schließt sich an diese Kernregion jeweils eine

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Übergang~re~ion an, Ch'ungch'bng-do im Südosten und Hwanghae-do im Nord- westen. Hierbei handelt es sich um Hügel- und niedrige Bergländer, deren Agrarstruktur stärker durch Trocken- feldbau geprägt wird: roter Pfeffer, Sojabohnen, Sesam, aber auch hochwer- tige Sonderkulturen, wie Tabak und Ginseng. Der Anbau der Ginsengwurzel, jenes seit Jahrhunderten in Ostasien hochgeschätzten Heil- und Stärkungs- mittels, hat hier seine traditionellen Zentren: das Becken von Kümsan in der Prov. Ch'ungch'bng-namdo und das Hügelland der Prov. Hwanghae-namdo mit Kaes6ng als Vermarktungszentrum. Aber auch abseits der Ginsenganbau- gebiete wurde die Agrarstruktur durch Ausweitung des Sonderkulturanbaus und die Erschließung bislang ungenutzten Hügellandes für den Obstbau beträchtlich verbessert.

Abb. 4 Die Großregionen Koreas

K-rnregion Oberzentrum

Ubergongsregion Regionalzentrum

B Beckenregion sonst. Stadt

Jenseits dieser beiden Übergangsregionen finden wir große Beckenlandschaften, die - durch Gebirge von der Kemregion getrennt - auf eigene Zentren ausgerichtet sind: im Südosten im Becken des Nak- tong-gang die Prov. Ky6ngsang-do mit ihreni Zentrum Taegu und im Nord- westen die Prov. P'yongan-do mit den Becken des Taedong-gang und des Ch'6ngch'bn-gang und ihrer traditionel- len Ausrichtung auf P'yongyang. Beide Landschaften bildeten einmal die Kem- räume Koreas, der Nordwesten als Koguryo. dem ältesten der Drei König- reiche, mit P'ybngyang als Hauptstadt, und der Südosten als Shilla, dem es 668 zum ersten Mal gelang, die gesamte koreanische Halbinsel unter seiner Herr- schaft zu vereinigen. Während des verei- nigten Shilla-Reiches entwickelte sich seine Hauptstadt Ky6ngju nach Ch'ang- an, der Hauptstadt des chinesischen

[ I Peripherregion 0 4 Einfollstor

- orimore Achse rn . m i m i sekundore Achse

Ennvurf: E. DEGE

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T'ang-Reiches, und Konstantinopel zur drittgrößten Stadt der damaligen Welt. Die mächtigen Grabhügel der Shilla- Könige, der Sockel eines astronomischen Observatoriums und der Eiskeller des Palastes sind heute so ziemlich die einzi- gen Überreste dieser einst blühenden Metropole, in jüngster Zeit durch die gewaltige Expansion der Tourismusindu- strie, die an diese Kulturschätze an- knüpft, fast erdrückt.

Das weitgespannte Naktong-gang-Becken wird von einem Hügelland eingenom- men, in dem ein stark tradionsbewußtes Bauerntum durch sorgfältige Bewässe- rung der Hänge und durch Ausnutzung der Möglichkeit, im winterlichen Ger- stenanbau eine zweite Ernte m erzielen, ein relativ gesichertes Auskommen findet. Intensive Seidenraupenzucht bildet hier einen bäuerlichen Nebenerwerb.

Im nordkoreanischen P'yongan-do konnte der Reisanbau durch große Bewässe- rungsprojekte und Einpolderungen an der Wattenküste des Gelben Meeres stark ausgeweitet werden. Er ist, wie sämtliche Bereiche des Wirtschaftslebens in der Demokratischen Volksrepublik Korea, voll kollektiviert. Nach Norden zu, in der Prov. P'yongan-pukto, wird das Land gebirgiger. Hier übernimmt der Maisanbau die Rolle des Reisbaus als Lebensgrundlage.

Im äußersten Nordwesten P'yongan-dos und im äußersten Südosten Kyongsang-

dos finden wir schließlich die beiden traditionellen Einfallstore Koreas: Üiju und später Sinüiju als koreanischer Brückenkopf des Übergangs nach China sowie Tongnae und später Pusan als Eingangshafen von Japan aus. Zwischen diesen beiden Endpunkten spannt sich jener alte Verkehrsweg, der als Verbin- dung zwischen Inselasien und Festland- asien die koreanische Halbinsel diagonal durchzieht; und auf diesem Verkehrsweg reihen sich die genannten Regionen in nahezu perfekter Symmetrie zur Kern- region auf.

Abseits dieser Diagonalachse liegen zwei Per ipherräume: die fruchtbaren Schwemmlandebenen Cholla-dos im Süd- westen und die hohen Bergländer KangwEln-dos und Hamgyong-dos im Nordosten. Beide Peripherräume wurden erst in japanischer Zeit wirtschaftlich richtig erschlossen, der Südwesten als agrarer Überschußraum und der Nord- osten als Zentrum einer auf örtlichen Bodenschätzen und Wasserkräften basie- renden Schwerindustrie.

In den Schwemmlandebenen Chblla-dos wurden durch großangelegte Bewässe- rungsprojekte, die Eindeichung der Flüsse und die Anlage ausgedehnter Polder an der Wattenküste die wichtig- sten Reiskammern Koreas geschaffen, allen voran die Honam- und Yongsan- Ebene. Hierbei bedienten sich die Japa- ner der koreanischen Großgrundbesitzer, um die Reiserträge zur Versorgung Ja-

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pans abzuziehen. Dadurch wurden die sozialen Gegensätze in dieser vom Klima bevorzugten und deshalb äußerst dicht besiedelten Region noch verschärft. Diese Gegensätze wurden auch durch die Befreiung und die Bodenreform nicht völlig überwunden. Und auch die auf eine Steigerung der Produktion abzielen- den Agrarstrukturmaßnahmen der jüng- sten Zeit kommen in der Regel nur den größeren Betrieben zugute, die über so viel Land verfügen, da!! sie über die Selbstversorgung hinaus für den Markt produzieren können. Dadurch fallt die Masse der lediglich Subsistenzlandwirt- schaft betreibenden Zwergbauern wirt- schaftlich noch stärker zurück.

Der zweite Peripherraum Koreas, das zu Beginn dieses Jahrhunderts noch weitge- hend unerschlossene Bergland Kangwon- dos und Hamgybng-dos, bildete traditio- nell einen Rückzugsraum für Räuber, Mönche und landlos gewordene Bauern. Letztere drangen, besonders seit mit der Bevölkerungsverdichtung und der Ver- schärfung der sozialen Gegensätze im Südwesten zahlreiche Bauern ihr Land verloren, immer tiefer in die Wälder ein und schufen sich hier mit ungeregelten Brandrodungen an steilsten Hängen eine neue, kaum über das Minimum hinaus- reichende Existenz. Mais, Hirse und Kartoffeln bildeten die Hauptanbaufrüch- te. Die Entwicklung an dieser Pionier- grenze konnte geradezu als Barometer für die gesamtwirtschaftliche Entwick- lung Koreas betrachtet werden. So

dehnten sich in Südkorea die Brandro- dungen an immer höheren und steileren Hängen noch bis in die frühen 60er Jahre hinein aus. Erst dann schlug hier mit dem einsetzenden Wirtschaftsaufschwung das Barometer um. Seither hat eine star- ke Abwanderung die Höhengrenze des Anbaus um mehrere hundert Meter her- unter gehen lassen. Gleichzeitig nahmen die verbliebenen Bauern eine den klimati- schen Gegebenheiten dieser Höhenstufe und den Marktverhältnissen angepaßte Spezialisierung vor: Sommerrettich, der nur im kühlen Berglandklima gedeiht, und Tabak wurden zu den wichtigsten Anbaufrüchten. Zum Auslöser dieser Entwicklung wurde der Bau der Ostkü- stenautobahn, durch die erst eine Vermarktung dieser neuen Sonderkultu- ren ermöglicht wurde. Darüber hinaus brachte die Autobahn dieser Region aber auch noch auf einem anderen Gebiet einen gewaltigen Aufschwung: Sie wurde plötzlich zum bevorzugten Freizeitgebiet der hauptstädtischen Bevölkerung. Baden arn Strand von Kyongp'odae, Skilaufen am Taegwallybng-Paß oder Bergwandern im Sbrak-san sind zum beliebten Freizeit- sport der neuen Mittelschicht geworden.

Damit übernimmt diese Region, und hier speziell der S6rak-san, die Funktion des Kümgang-san, jenes berühmten, seit der Teilung des Landes für Südkoreaner nicht mehr zugänglichen Diamantengebir- ges. Für Nordkorea bildet der Kümgang- san, in jüngster Zeit durch die erste Autobahn Nordkoreas mit P'y6ngyang

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verbunden, immer noch das beliebteste Erholungsgebiet. Zwar sind die berühm- ten Tempel und Einsiedeleien weitgehend verschwunden, doch der Reiz der wild- zerklüfteten Gebirgslandschaft ist geblieben.

Der Nordosten Koreas, Hamgyong-do, wurde in japanischer Zeit systematisch zu einem Zentrum der Schwerindustrie aus- gebaut. Er bildete damit einen Teil des die Mandschurei mit umfassenden fest- landasiatischen kolonialen Ergämngs- raumes, der die Industrie des japanischen Mutterlandes mit industriellen Grundstof- fen beliefern sollte. Standortentscheiden- de Faktoren waren hierbei das Vorhan- densein einer lokalen Rohstoff- und Energiebasis, eine Bahnverbindung mit der Mandschurei und ein Hafen zum Export der industriellen Rohstoffe nach Japan. Das Eisen- und Stahlkombinat von Ch'bngjin bildet ein gutes Beispiel für derartige Standortverknüpfungen. Es verarbeitet die reichen Magnetiterze von Musan am Oberlauf des Tuman-gang. Die Erze werden direkt bei der Grube aufbereitet und dann mit der Bahn bzw. heute durch eine 100 km lange Rohrlei- tung an die Ostküste geschafft. Hier werden sie in Ch'bngjin, das über einen guten Naturhafen verfügt, zu Eisen und Stahl verhüttet. Kokskohle wurde, da die heimische Kohle nicht verkokbar war, über eine direkte Bahnlinie aus der Mandschurei bezogen.

Einen weiteren Standortfaktor für das nordostkoreanische Industriegebiet bilden die Wasserkräfte des Kaema-Hochlandes, die ebenfalls bereits von den Japanem ausgebaut wurden. So wird das Wasser dreier Nebenflüsse des Amnok-kang durch Druckstollen, die ganze Ketten von Turbinen antreiben, über den Steilabfall zur Ostküste abgeleitet. Und im 94 m hohen Sup'ung-Damm wird schließlich der Grenzfluß Amnok-kang selbst auf mehrere hundert Kilometer aufgestaut. Die so erzeugte hydroelektrische Energie bildete bereits in japanischer Zeit die Grundlage der Buntmetallverhüttung und der Stickstoffgewinnung aus der Luft, wie sie z.B. in der Doppelstadt Ham- hüng-Hüngnam an der mittleren Ostküste konzentriert sind.

Abseits der punkthaften Bergbaustandorte und der Wasserkraftwerke ist der Nord- osten Koreas und hier speziell das Kaema-Hochland auch heute noch weit- gehend bewaldet und bildet damit die Gmndlage einer ausgedehnten Forstwirt- schaft. Die geschlagenen Stämme werden mit Kleinbahnen zu den Flüssen transpor- tiert, um dann jeden Sommer auf dem Amnok-kang zum Meer geflößt zu wer- den. Die Landwirtschaft hat hier im gebirgigen Nordosten ihren Pioniercha- rakter bis heute behalten. Nur inselhaft dringt Sommerweizenanbau auf das Kaema-Hochland vor, und die Viehzucht ist noch auf den Tuman-Bogen im äußersten Nordosten beschränkt.

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Historisch-kulturelle

Einheit - politische Teilung

Die Brückenstellung, die Korea zwischen dem zentral-festländischen und dem peri- pher-inselastischen Bereich Ostasiens einnimmt, spiegelt sich auch deutlich in seiner kulturellen und politischen Ent- wicklung wider. Einerseits gelangten über Korea seit mehr als zweitausend Jahren chinesische Kultureinflüsse auf die japanischen Inseln, wodurch sich trotz der kulturellen Eigenständigkeiten Koreas und Japans in Ostasien ein deutlich von der chinesischen Kultur geprägten Kul- turerdteil entwickeln konnte, andererseits erlitt es im Laufe seiner mehrtausendjäh- rigen Geschichte wiederholt das Schick- sal, zum Schauplatz militärischer Ausein- andersetzungen zwischen festlandasiati- schen und inselasiatischen Kräften zu werden. Umso erstaunlicher ist es, daß es dem koreanischen Volk gelang, als eines der wenigen Randvölker des expan- dierenden chinesischen Reiches seine kulturelle und nationale Identität bis auf den heutigen Tag zu behaupten.

Bereits Artefakte neolithischer Fischer- bevölkerung, die die Küsten und Flußläu- fe Koreas seit dem 4. vorchristlichen Jahrtausend bewohnten, deuten mit Paral- lelen zur Kammkeramik Sibiriens und

der Mandschurei auf einen kulturellen Zusammenhang mit dem nordöstlichen asiatischen Festland hin. Bodenfunde neolithischer ackerbautreibender Bewoh- ner des Inlandes weisen nordchinesische Formenelemente auf, die sich über die Landbrücke Koreas bis nach Japan aus- dehnten, wo sie in der frühen Yayoi- Kultur ihr Gegenstück finden. Ebenso wie die frühe materielle Kultur weisen auch die rassischen Merkmale und die religiöse Vorstellungswelt der Koreaner auf gemeinsame Ursprünge mit sibiri- schen und zentralasiatischen Völker- schaften hin. So zeigt der 1279 in den "Überlieferungen der Drei Reiche" (Sarnguk Yusa) aufgezeichnete Grün- dungsmythos, nach dem Korea im Jahre 2333 V . Chr. von Tan'gun, einem aus der Vereinigung eines Himmelsprinzen mit einer in eine Prinzessin verwandelten Bärin hervorgegangenen König, gegrün- det wurde, deutliche schamanistische Züge. Noch heute ist der Schamanismus, obwohl von der offiziellen Kulturpolitik als Aberglaube abgetan, in der Vorstel- lungswelt der ländlichen Bevölkerung tief verwurzelt.

Die ersten koreanischen Staaten, die sich als die Drei Reiche Kogury6, Paekche und Shilla um Christi Geburt aus losen Stammesverbänden entwickelten, standen noch stark unter dem Einfluß Chinas, das während der Han-Dynastie im von ihm besetzten Norden Koreas eine blühende chinesische Kolonialkultur entwickelte. Von besonderer Bedeutung war die Über-

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nahme des Chinesischen als Schriftspra- che für Bildung und Verwaltung. Die chinesische Schrift stellt bis heute die Schrift der gebildeten Schicht dar. Zwar werden in Südkorea seit 1971 alle Regie- rungspublikationen in koreanischer Schrift abgefaßt, doch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften erscheinen weiterhin in einer Mischung aus koreanischer und chinesischer Schrift, und in der Bildungs- politik der Landes reißt die Diskussion über den Unterricht chinesischer Schrift- zeichen nicht ab. Dagegen hat Nordkorea gleich nach der Gründung des Staates die Verwendung chinesischer Schriftzeichen untersagt. Das chinesische Verwaltungs- System, das bereits während der Drei Reiche Eingang nach Korea gefunden hatte und zu Beginn der Kory6-Dynastie (935-1392) streng gegliedert wurde, bildet trotz der immensen ideologischen Gegensätze in beiden koreanischen Staa- ten noch immer die Gmndlage extrem zentralisierter Verwaltungssysteme. Auch im Bildungswesen macht sich trotz des seit drei Generationen wirksamen abend- ländischen Einflusses das chinesische System, das die Ausbildung tüchtiger und loyaler Venvaltungsbeamter zum Ziel hatte, noch stark bemerkbar. Noch heute werden die Vermittlung eines möglichst umfangreichen Wissens, das dem Schüler das Bestehen altchinesischer Staats- p ~ f u n g e n nicht unähnlicher Aufnahme- prüfungen in die nächsthöhere Schulstufe ermöglicht, und die Erziehung zu sozia- ler Anpassung stärker betont als die Entwicklung der Persönlichkeit.

Im religiösen Bereich überlagerte der Buddhismus, der bereits zur Zeit der Drei Reiche aus China nach Korea gelangt war, allmählich den schamani- stischen Volksglauben, aus dem er einzelne Elemente aufgriff, während der Schamanismus seinerseits Elemente des Taoismus übernahm. Der Buddhismus, der während der KorybDynastie als Staatsreligion in Korea zu höchster Blüte gelangte, bildet trotz seiner Zurück- drängung während der darauffolgenden Chosen-Dynastie auch heute noch die größte Glaubensgemeinschaft in Korea. Zur Gmndlage des politischen und sozialen Lebens entwickelte sich jedoch der Neo-Konfuzianismus, der zu Beginn der Chosbn-Dynastie (1392-1910) aus China übernommen wurde. Seine ethi- schen Regeln beeinflussen auch heute noch weitgehend die Wertvorstellungen und Verhaltensmuster des koreanischen Volkes. Die Forderung der ergebenen Liebe der Kinder zu ihren Eltern bildet die Gmndlage der Großfamilienstruktur, die zwar als Wohn- und Wirtschaftsein- heit mit den modernen Umwälzungen rasch verschwindet, ihre Rolle als Kontrollinstrument und - bei dem Fehlen einer öffentlichen Sozialversicherung - wichtige Funktion als soziale Sicherung jedoch zumindest in Südkorea weiterhin behält. Unter dem Einfluß konfuziani- scher Tugenden, wie des Gehorsams des Jüngeren gegenüber dem Älteren, der Loyalität gegenüber dem Herrschenden und der Treue unter Freunden ist das Sozialgefüge auch heute noch stark

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HISTORISCHE ENTWICKLUNG 29

vertikal organisiert. Ein in konfuziani- scher Ethik erzogener Koreaner ist sich seiner Stellung in der sozialen Hierarchie voll bewußt und nimmt die Demütigun- gen von oben widerspruchslos hin, um sie genauso selbstverständlich nach unten weiterzugeben. Seine Loyalität be- schränkt sich gewöhnlich auf einen inneren Kreis, der aus seiner Familie, seinen Freunden und seinen Vorgesetzten besteht. Innerhalb dieses Kreises zeigt er in der Regel ein äußerst höfliches und freundliches Verhalten, mit dem er zu harmonischen sozialen Beziehungen innerhalb dieses inneren Kreises beizu- tragen bemüht ist. In einer agrarisch orientierten, stabilen Gesellschaft traten unter diesen Bedingungen kaum größere Spannungen auf. Mit dem Übergang zu einer mobilen, urbanisierten Gesellschaft kommt der einzelne jedoch immer häufi- ger in vielfachen Kontakt mit Menschen, die nicht seinem inneren Kreis angehören und denen er sich deshalb durch die konfuzianische Ethik nicht verpflichtet fühlt. ihnen gegenüber tritt er bestenfalls undifferenziert, häufig jedoch äußerst egoistisch auf. Verständnis für soziale Belange ist unter diesen Umständen wenig entwickelt, und eine Demokratie nach abendländischer Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen konnte in Korea bis heute nicht recht Fuß fassen. Andererseits hat die konfuzianische Ethik, in der sich jeder seine Stellung in der sozialen Hierarchie voll bewußt ist, das koreanische Volk bislang trotz der starken sozialen Gegensätze und der

ständigen Demütigungen, die der einzel- ne täglich erleben muß, vor größeren sozialen Auseinandersetzungen bewahrt.

Trotz der starken Beeinflussung durch China gelang es Korea, seit das Shilla- Reich im Jahre 661 das Land erstmals politisch einte und kurz darauf die chinesische Besatzungsmacht im Norden zurückdrängte, seine politische Einheit über drei Dynastien (Vereinigte Shilla- Dynastie 661-935, Koryd-Dynastie 935- 1392, Chosdn-Dynastie 1392-1910) zu erhalten und eine eigenständige Kultur zu entwickeln, die wiederholt zu hoher Blüte gelangte. Die koreanischen Könige erkannten zwar bis zur Ausrufung des koreanischen Kaiserreiches im Jahre 1897 die Oberhoheit des chinesischen Kaiserhauses durch den jährlichen Austausch von Gesandtschaften formell an, konnten in der Praxis das Land jedoch weitgehend unabhängig regieren.

Ihre erste Hochblüte erlebte die koreani- sche Kultur zur Zeit des Vereinigten Shilla-Reiches (661-935). Seine Haupt- stadt KyGngju, heute eine verträumte Landstadt in der Provinz Kydngsang- pukto, entwickelte sich, nach dem Vorbild Ch'ang-ans, der Hauptstadt Tang-Chinas, angelegt, zu einer der bedeutendsten Metropolen der damaligen Zeit. Die künstlerischen Leistungen seiner Handwerker, der Gold-, Silber- und Bronzeschmiede, der Papiermacher und Seidenweber, der Töpfer und Lack- warenhersteller sind z.T. bis heute nicht

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wieder erreicht worden. Eine zweite Blütezeit fiel in die ersten zwei Jahrhunderte der Chosen-Dynastie (1392- 1910). Der Druck mit beweglichen Metallettern kam, lange vor Gutenberg, in allgemeinen Gebrauch, astronomische und meteorologische Geräte wurden entwickelt, Kalender aufgestellt und eine neue Venvaltungsgliederung geschaffen, die mit ihrer Einteilung in acht Provin- zen, deren Grenzen feinfühlig der geographischen Kammerung des Landes angepaßt sind, seit 141 8 fast unverändert erhalten blieb. Unter der Herrschaft des vierten Yi-Königs Sej6ng (1418-50) wurde eine eigene koreanische Schrift geschaffen, um dem Volk das Erlernen der schwierigen chinesischen Schrift- zeichen zu ersparen. Diese Schrift, Han'gül (in Nordkorea Chosan munja) genannt, besteht aus einfachen Buch- staben, von denen jeweils zwei oder drei zu einem Silbenzeichen zusammengesetzt werden. Obwohl (oder gerade weil) sie eine der einfachsten Schriften der Welt darstellt, blieb sie die Schrift des einfachen Volkes, von der gebildeten Schicht verachtet, und fand erst nach 1945 in Nordkorea anstelle der chinesi- schen Schrift und in Südkorea neben ihr allgemeine Verbreitung.

Die kulturelle Entwicklung Koreas wurde wiederholt durch den Einfall fremder Völkerschaften, die die koreanische Landbrücke als militärisches Auharsch- gebiet benutzten, jäh unterbrochen. Die erste, fast ein Jahrhundert währende

Periode der Fremdherrschaft erlebte Korea im 13. Jahrhundert, als sich die Mongolen, die bereits den chinesischen Kaiserthron besetzt hatten, in ihrem vergeblichen Versuch, Japan zu erobern, auf der koreanischen Halbinsel festliefen. Noch verheerendere Folgen sollte die japanische Hideyoshi-Invasion haben, die 1592 bei dem Versuch, China über Korea zu erobern, in das Land einbrach und erst nach sieben Jahren heftiger Kämpfe, bei denen die Koreaner unter ihrem Admiral Yi Sun-sin die ersten gepanzerten Schiffe der Welt einsetzten, zurückgeschlagen werden konnte. Bevor sich Korea von den verheerenden Verwii- stungen der Hideyoshi-Invasion erholt hatte, drangen 1627 und 1636 von Norden die Mandschu ein und zwangen die Koreaner, ihre Gefolgschaft zur alten chinesischen Ming-Dynastie aufzugeben und der neuen Ch'ing-Dynastie der Mandschu Tribut zu zollen.

Seither schloß sich das Land hermetisch gegen die Außenwelt ab. Die einzigen offiziellen Kontakte erfolgten über die jährlichen Gesandtschaften an den Hof der Mandschu-Kaiser in Peking und einen mengenmäßig eng begrenzten Han- del mit Japan, der über den Daimyo von Tsushima abgewickelt wurde. Infolge dieser Abschließungspolitik verfiel die soziale und kulturelle Entwicklung Koreas vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in eine tragische Stagnation. Krampfhaftes Festhalten an den Lehren konfuzianischer Klassiker und die bedin-

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HISTORISCHE ENTWICKLUNG 3 1

gungslose Übernahme chinesischer Traditionen ließen keinen Raum für Innovationen. Entwicklungsanstöße von außen, wie das Christentum und abend- ländische Philosophie, mit denen Mit- glieder der koreanischen Gesandtschaft am chinesischen Hof in Berühmng gekommen waren, wurden als "Westliche Lehre" grausam unterdrückt, und alle Versuche westlicher Mächte, das Land gewaltsam zu öffnen, wurden zurückge- schlagen. So wurde Korea, nach zwei Jahrhunderten sozialer und wirtschaft- licher Stagnation und mit einer in Fraktionskämpfen zerrissenen Regierung innerlich geschwächt, zu Ende des 19. Jahrhunderts schließlich zum Spielball der neu erstarkten Großmächte Ostasiens. Aus den erbitterten Auseinandersetzun- gen ging Japan, das bereits 1876 die Öffnung Koreas erzwungen hatte, nach seinem Sieg über China (1894-95) und über Rußland (1904-05) schließlich als Sieger hervor.

Zwar zeichneten sich Ende des 19. Jahr- hunderts unter dem Einfluß des nach der Öffnung des Landes einströmenden west- lichen Gedankengutes Versuche zu einer geistigen und sozialen Erneuemng ab, doch waren diese Kräfte noch zu schwach, um das Schicksal Koreas ab- wenden zu können. Nachdem japanische Geschäftsleute seit der Öffnung des Landes immer stärkeren Einfluß auf das koreanische Wirtschaftsleben genommen hatten, wurde Korea 1905 zum japani- schen Protektorat und 1910 nach der

erzwungenen Abdankung des letzten Kaisers von Japan annektiert. Damit begannen 36 Jahre japanischer Kolo- nialherrschaft, während der Korea, von Tokyo aus als Generalgouvernement verwaltet, zum kolonialen Ergänzungs- raum Japans und zum militärischen Aufmarschgebiet für seine Großmacht- pläne ausgebaut wurde. Mit der Entwick- lung Koreas nach modernen planerischen Gesichtspunkten, dem Aufbau einer neuzeitlichen Infrastmktur, großen Landerschließungsprojekten und dem Ausbau der Minerallagerstätten und Wasserkraftresewen vollbrachten die Japaner beachtenswerte landeskulturelle und wirtschaftliche Leistungen, die Korea praktisch vom Mittelalter in die Neuzeit führten und eine nicht zu verleugnende Basis für die moderne Entwicklung dar- stellen. Dabei darf jedoch nicht über- sehen werden, daß die gesamte Entwick- lung an den Bedürfnissen des japanischen Mutterlandes orientiert war und letztlich einer kolonialen Ausbeutung Koreas diente. Noch tiefere, bis heute noch nicht voll verheilte Wunden hinterließ jedoch die nationale und kulturelle Unterdrük- kung des koreanischen Volkes durch die Japaner, denen es letztlich nicht gelang, die Koreaner für ihre Pläne von der großjapanischen Völkergemeinschaft zu gewinnen. Obwohl Schulunterricht nur in japanischer Sprache gestattet wurde, die Benutzung der koreanischen Schrift ver- boten war, und die Koreaner schließlich gezwungen wurden, ihre eigenen Namen zugunsten japanischer aufzugeben, blieb

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32 DIE KOREANISCHE HALBINSEL

die koreanische Kultur im Untergrund und im Exil lebendig.

Obgleich die alliierten Staatschefs auf der Kairoer Konferenz 1943 erklärt hatten, Korea "solle zu gegebener Zeit frei und unabhängig werden", brachte die Kapitu- lation Japans den Koreanern nicht die erhoffte Selbständigkeit in nationaler Einheit. Die getrennte Ausfüllung des von Japan hinterlassenen Machtvakuums durch sowjetische Truppen nördlich des 38. Breitengrades und durch amerikani- sche Truppen südlich davon führte zur politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Teilung des Landes. Der Versuch der von der Sowjetunion mit schwerem Kriegsgerät ausgerüsteten Nordkoreaner, die nationale Frage mit militärischen Mitteln zu lösen, führte zum Korea-Krieg (1950-53), in den auf südkoreanischer Seite massive UN-Kon- tingente, in erster Linie US-amerikani- sche Verbände, und auf nordkoreanischer Seite starke chinesische Freiwilligen- verbände eingriffen. Die Folge dieses mit äußerster Härte geführten Ringens waren verheerende Zerstörungen auf der gesam- ten koreanischen Halbinsel und neben der anhaltenden territorialen eine tiefe ideologische Spaltung der koreanischen Nation, deren beide Teile sich seither haßerfüllt gegenüberstehen. Um so überraschender war deshalb die Aufnah- me eines Dialoges zwischen beiden Seiten, der nach vorbereitenden Geheim- verhandlungen zwischen dem südkoreani- schen Geheimdienstchef Lee Hu-rak und

der nordkoreanischen Führung im Juli 1972 zustande kam und das erklärte Ziel hatte, eine friedliche Wiedervereinigung herbeizuführen. Dieser Dialog wurde auf zwei Ebenen, der politischen im Nord- Süd-Koordinierungskomitee und der hu- manitären in Verhandlungen der beiden Rot-Kreuz-Gesellschaften aufgenommen. Südkorea schlug den Weg kleiner Einzel- schritte zur Wiedervereinigung vor, während Nordkorea auf einer sofortigen VJiedervereinigung nach vorherigem bedingungslosen Abzug der in Südkorea stationierten, 40 000 Mann starken US-Streitkräfte bestand, was einer militärischen Kapitulation Südkoreas gleichgekommen wäre. Unüberbrückbare ideologische Gegensätze und immer wieder aufflammende Zwischenfalle an der Demarkationslinie ließen diese und auch spätere Versuche einer politischen Lösung des Korea-Problems scheitern. Erst die politische Isolation und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die Nordkorea durch den Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion und Osteuropa geraten war, ließ P'yongyang von einigen seiner bisherigen Vorbedin- gungen abrücken und einen erneuten Dialog mit der südkoreanischen Führung, diesmal auf Ministerpräsidenten-Ebene, suchen. Bereits in der fünften Verhand- lungsrunde führten diese Gespräche im Dezember 1991 zum Abschluß eines Versöhnungs-, Nichtangriffs- und Kooperationsvertrages zwischen beiden koreanischen Staaten. Noch handelt es sich dabei allerdings um ~Absichtserklä-

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rungen; noch gibt es weder Postverbin- dungen noch direkten Güter- oder gar Personenverkehr zwischen beiden Teilen Koreas und noch sind Millionen koreani- scher Familien getrennt, ohne auch nur den geringsten Kontakt zu ihren Angehö- rigen zu haben. Ein ernster Stolperstein auf dem Weg zu einer innerkoreanischen Vertrauensbildung, wie auch für die Normalisierung der Beziehungen Nord- koreas zu Japan und den USA, konnte noch zu Ende des Jahres 1991 mit einer gemeinsamen Erklärung über eine atom- waffenfreie Zone auf der koreanischen Halbinsel, in der sich auch Nordkorea verpflichtete, seine Atomforschungsanla- gen internationaler Kontrolle zu unter- stellen, ausgeräumt werden. Damit wurde auch der Weg für joint ventures zwischen beiden Landesteilen geebnet, einer indu-

striellen Zusammenarbeit, in die Nord- korea seine Arbeitskräfte und Rohstoffe und die südkoreanische Industrie ihr know how und Kapital einbringt.

Wie eine koreanische Wiedervereinigung, die von beiden Seiten als das höchste Ziel ihrer Politik dargestellt wird, allerdings einmal aussehen wird, ist zur Zeit noch schwer abzusehen. Nordkorea lehnt verständlicherweise eine Wieder- vereinigung nach deutschem Vorbild ab, und auch Südkorea scheint nicht diesen Weg gehen zu wollen, da es eine Über- nahme Nordkoreas wirtschaftlich kaum verkraften würde. Andererseits würde eine Öffnung der bislang hermetisch abgeschlossenen Grenze wahrscheinlich den Zusammenbruch des nordkoreani- schen Systems zur Folge haben.

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Südkorea

Die politische

Entwicklung

Die Verfassung der am 15. August 1948 ausgemfenen Republik Korea, die Ele- mente der amerikanischen Präsidial- verfassung, des britischen Parlamen- tarismus und der Weimarer Verfassung in sich vereinte, basierte auf westlichen demokratischen Prinzipien. Syngman Rhee, 1948 von der Nationalversamm- lung mit überwältigender Mehrheit zum ersten Präsidenten Südkoreas gewählt, setzte sich jedoch im Laufe seiner bis 1960 dauernden Regiemngszeit immer häufiger über die Verfassung hinweg; Kormption, Einschüchtemng und Unter- drückung der Opposition wurden m alltäglichen Mitteln einer immer autokratischer regierenden Exekutive. Daneben gelang es der Regiemng Rhee nicht, die wirtschaftlichen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Massive Wahlfalschungen lösten schließ- lich am 19. April 1960 landesweite Studentendemonstrationen aus, unter deren Dmck Syngman Rhee zum Rück- tritt gezwungen wurde.

Die neue Regiemng mit dem Führer der Demokratischen Partei, Chang Myon, als

Ministerpräsident erwies sich als unfähig, die politische Ordnung wieder herzustel- len. Die von ihr praktizierte völlige demokratische Freiheit in allen Bereichen des politischen Lebens führte zur Auf- spaltung in eine Unzahl rivalisierender Gmppen und schließlich zu fast vollstän- diger Anarchie. Eine Lösung der bren- nenden Probleme konnte gar nicht erst in Angriff genommen werden.

Da nach Meinung des Militärs das in demokratischer Selbstverwaltung ungeübte koreanische Volk noch nicht reif für eine Demokratie westlichen Musters war, übernahm am 16. Mai 196 1 eine Gmppe junger Offiziere unter Park Chung-hee in einem unblutigen Putsch die Staatsgewalt, um in einer "administrativen Demokratie" bessere wirtschaftliche, soziale und politische Lebensverhältnisse zu schaffen und die Fähigkeit zur Selbstverwaltung schritt- weise zu entwickeln. Aus der Militärre- giemng ging im Dezember 1963 nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung und allgemeinen Wahlen eine neue Zivilregie- mng hervor, der Park Chung-hee als Präsident mit weitreichenden Rechten vorstand. Gegen starken innenpolitischen Widerstand setzte er 1964 die Normali- siemng der Beziehungen zu Japan durch und legte damit den politischen Gmnd- stein für den wirtschaftlichen Auf-

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schwung Südkoreas. ihm gelang es zwar, mit generalstabsmäßiger Planung Süd- korea aus seiner langen wirtschaftlichen Stagnation herauszuführen und mit dem Aufbau einer leistungsfähigen, export- orientierten Industrie und einer erstaun- lichen Modernisierung des Agrarsektors das "koreanische Wirtschaftswunder" einzuleiten, doch die sozialen Fragen blieben weiterhin ungelöst, und von einer Verwirklichung demokratischer Prinzi- pien entfernte sich die Regierung Park immer mehr.

Die Unterdrückung der parlamentari- schen und außerparlamentarischen Opposition durch Verhängung des Kriegsrechts (1 964 und 1972), Erlaß von Notverordnungen und Repressionen durch den immer mächtiger werdenden Geheimdienst gipfelten im Oktober 1972 in der Verkündung der "Oktober-Wieder- belebungs-Reformen ". Auf der Grund- lage dieser "Reformen" ließ Park eine neue Verfassung ausarbeiten, die er im November in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit (da Opposition gegen die neue Verfassung unter dem Kriegsrecht nicht zugelassen war) absegnen ließ. Diese "Yushin "- (= Wie- derbelebungs-) Verfassung räumte ihm in einer "Demokratie koreanischen Stils" praktisch uneingeschränkte Machtbefug- nisse und die Möglichkeit unbegrenzter Wiederwahl ein. Park Chung-hee regier- te nunmehr als unumschränkter Allein- herrscher; sein gefährlichster Gegen- spieler, Kim Dae-jung, der als Kandidat

der oppositionellen Neuen Demokrati- schen Partei bei den letzten Präsident- schaftswahlen 1971 noch 44% der Stim- men auf sich hatte vereinigen können, wurde unter Hausarrest gestellt.

Überhit~un~serscheinun~en der koreani- schen Wirtschaft mit starkem Inflations- druck und zunehmenden sozialen Span- nungen führten Ende 1978 in eine Krise, die sich im folgenden Jahr unter dem Eindruck zahlreicher Firmenzusammen- brüche im Gefolge des zweiten Ölpreis- schocks dramatisch zuspitzte und in tagelangen Massenprotesten und Aus- schreitungen der Studenten und Arbeiter gegen die Regierung gipfelte. In dieser Situation fiel Park Chung-hee am 26. Oktober 1979 einem Mordanschlag sei- nes Geheimdienstchefs zum Opfer, der die brutale Repressionstrategie Parks zur Lösung der Krise nicht mittragen wollte.

Während Südkorea nach dem Tode Park Chung-hees unter seinem Interims- Präsidenten Chae Kyu-ha auf eine vorsichtigeDemokratisierungzuzusteuern schien, kam es innerhalb der Streitkräfte zu einem Machtkampf, den eine Gruppe jüngerer Offiziere unter der Führung des Generalmajors Chun Doo-hwan für sich entschied. Am 17. Mai 1980 führte eine erneute krisenhafte Zuspitzung der innen- politischen Situation zum Putsch durch diese Offiziersgruppe. Mit der blutigen Niederschlagung eines Volksaufstandes in der südwestkoreanischen Großstadt Kwangju und der Auflösung jeglicher

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parlamentarischer Opposition fanden die Liberalisierungsbestrebungen ein jähes Ende.

Im Herbst 1980 wurde eine neue Verfas- sung ausgearbeitet, die Elemente des präsidialen und des parlamentarischen Systems miteinander verband. Der Präsi- dent sollte, wie unter der alten "Yushin "- Verfassung zwar wieder durch ein Wahl- männergremium indirekt gewählt wer- den, seine Amtszeit blieb jetzt jedoch auf eine einzige 7-jährige Wahlperiode beschränkt. Im Frühjahr 1981 wurde Chun Doo-hwan nach der neuen Verfas- sung zum Präsidenten der "Fünften Republik" gewählt. Obwohl er die Linie seines Vorgängers Park Chung-hee fortsetzte, zeigte sein Regierungsstil doch einige positive Veränderungen: er erwies sich als flexibler und in der innenpoliti- schen Auseinandersetzung stärker auf Aussöhnung bedacht. In der Wirtschafts- politik gelang es ihm, nach einer Phase der Konsolidierung wieder an die Wachstumserfolge der Ära Park anzu- knüpfen. Trotzdem gelang es ihm nicht, die Popularität zu gewinnen, die Park Chung-hee trotz seiner repressiven Politik gegenüber seinen politischen Gegnern in weiten Kreisen der Bevölke- rung zweifellos besaß.

Als er im Juni 1987 seinen alten Vertrauten Ex-General Roh Tae-woo als designierten Nachfolger vorstellte, wurde das Land erneut von einer Welle heftiger Proteste geschüttelt, an denen sich jetzt

nicht nur Studenten, sondern erstmals auch große Teile des neuen Mittelstandes beteiligten. Vor dem Hintergrund dieser Protestwelle, die alle Hoffnungen des koreanischen Volkes, im kommenden Jahr sein Land anläßlich der Olympi- schen Somrnerspiele in Seoul der Welt als aufblühende Industrienation vorzustellen, zunichte zu machen drohte, beugte sich Chun den Forderungen der Opposition und kündete am 1. Juli 1987 auf Anraten Rohs eine umfassende Demokratisierung an. Ihr Kernpunkt, eine Verfassungsänderung, die für den Dezember 1987 eine Direktwahl des Präsidenten vorsah, wurde von der Bevölkerung mit überwiegender Mehrheit angenommen. An diesem historischen Wendepunkt fiel jedoch die oppositionel- le Demokratische Wiedervereinigungs- partei, deren Führer Kim Dae-Jung und Kim Young-sam sich nicht auf einen Präsidentschaftskandidaten einigen konnten, wieder in das alte Leiden koreanischer Parteien, der Fraktionsbil- dung und Zersplitterung, zurück. Damit verspielte die Opposition wieder einmal ihre historische Chance, nach langer Diktatur einen demokratischen Neuan- fang einzuleiten. Aus den Präsident- schaftswahlen ging Roh Tae-woo als eindeutiger Sieger hervor; seine Amtszeit ist allerdings nach der neuen Verfassung auf eine einzige 5-jährige Periode beschränkt.

Nachdem die Studenten und der neue Mittelstand im Vorfeld der Olympischen

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Spiele die Demokratisiemng des politi- schen Systems erstritten hatten, erkämpf- ten sich die Arbeiter nach den Olympi- schen Spielen in lang anhaltenden und teilweise sehr heftig geführten Streiks ihren Anteil am "koreanischen Wirt- schaftswundern, der ihnen all zu lange vorenthalten worden war. Die erstrittenen durchschnittlichen jährlichen Lohnsteige- rungen von über 20 % überstiegen aller- dings die Produktivitätssteigeningen bei weitem, so daß die südkoreanische Indu- strie ihren wichstigsten komparativen Vorteil, niedrige Löhne, mehr und mehr einbüßte.

Außenpolitisch verfolgte Rho Tae-woo eine erfolgreiche aktive "Nordpolitik ", die Aufnahme wirtschaftlicher und diplomatischer Beziehungen zu den sozialistischen Ländern Osteuropas und Asiens. Diese Entwicklung gipfelte im September 1990 in der (mit einem Mil- liardenkredit an Moskau "erkauftenn) diplomatischen Anerkennung durch die Sowjetunion, die nicht nur den Weg für Südkoreas Aufnahme in die Vereinten Nationen (September 1991) ebnete, sondern der südkoreanischen Industrie auch wichtige Absatzmärkte und Roh- stoffquellen erschloß. Lediglich die Aufnahme voller diplomatischer Bezie- hungen mit der Volksrepublik China steht, trotz immer enger werdender wirtschaftlicher Kontakte, noch aus.

Verwaltung und Siedlung

Die Verwaltung des Landes ist in extre- mem Maße zentralisiert, regionale oder lokale Selbstverwaltung war weitgehend unbekannt. Sämtliche Beamte bis hinun- ter zu den Dorfchefs wurden jeweils von der vorgesetzten Verwaltungsbehörde ernannt und waren nur dieser weisungs- gebunden. Dieses einem Strudel ver- gleichbare Verwaltungssystem neigte dazu, alle aktiven Elemente der Gesell- schaft mit extrem zentripetaler politischer Dynamik nach oben in Richtung auf das Zentrum der Macht anzuziehen (G. HEN- DERSON 1968, 5) und war damit dem klassischen chinesischen Verwaltungs- System nicht unähnlich, nach dem Korea eineinhalb Jahrtausende regiert wurde. Im März und Juni 1991 fanden, entspre- chend dem Demokratisierungsverspre- chen, das Präsident Roh Tae-woo vor seinem Amtsantritt gegeben hatte, in Südkorea erstmals Wahlen auf lokaler und regionaler Ebene statt.

Die 99 273,70 km2 große Republik Korea ist in 9 Provinzen und 6 Städte mit Sonderstatus (Seoul, Pusan, Taegu, Inch'dn, Kwangju und Taejdn) eingeteilt. Während der Bürgermeister der Stadt Seoul direkt dem Premierminister unter- stellt ist, unterstehen die Bürgermeister der übrigen 5 Städte mit Sonderstatus ebenso wie die Gouverneure der 9 Pro- vinzen dem Innenminister. Die 9 Provin-

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Zen sind wiederum in 137 Landbezirke (gun) und 67 bezirksfreie Städte (shi) mit jeweils über 5 0 000 Einwohnern unter- gliedert (Abb. 5). Jeder Landbezirk verfügt über durchschnittlich 9 Kreise (myon) und evtl. eine kreisfreie Land- stadt (üp) mit 2 0 000 bis 5 0 000 Ein- wohnern.

Der von allen Dörfern des Kreises zu Fuß erreichbare Sitz der Kreisverwaltung bildet in den meisten Fällen auch den zentralen Ort unterster Stufe für die Versorgung des agraren Umlandes mit zahlreichen, auf kurz- und mittelfristigen Bedarf spezialisierten Geschäften und periodischen Märkten. Die Kreise sind wiederum in Gemeinden (n) unterglie- dert, deren ehrenamtlich tätigen Leiter aus der ansässigen Bevölkerung von der Kreisverwaltung ernannt werden. Als unterste Verwaltungseinheit fungieren schließlich die dem Gemeindechef unter- stellten Nachbarschaften (pan). Eine Gemeinde kann mehrere natürliche Dörfer (purak) umfassen, die nicht unbedingt mit der kleinsten Verwaltungs- einheit der Nachbarschaften identisch sein müssen.

Koreanische Dörfer bilden in der Regel engbebaute Haufendörfer, in denen die einzelnen Gehöfte von hohen, kleine Wirtschaftshöfe umschließenden Lehm- mauem umgeben und nur durch schmale Gassen voneinander getrennt sind, die sich deutlich gegen die siedlungsfreie Feldmark absetzen. Die Größe der Dör-

fer wird von der Verfügbarkeit bebau- baren Landes in Fußwegentfernung bestimmt und kann von kleinen Weilern mit nur 3 bis 4 Gehöften im Berg- und Hügelland bis zu Dörfern mit weit über 100 Gehöften in den fruchtbaren Reis- ebenen reichen. Im höheren Bergland, in dem der Anteil landwirtschaftlich nutz- barer Fläche unter 10 % absinkt, treten aufgrund ehemaligen Brandrodungs- feldbaus neben Weilern auch Streu- siedlungen auf. Die Landstädte (lip) bilden mit 20 000 bis 5 0 000 Einwohnern als zentrale Orte zweiter Ordnung die Mittelpunkte eines größeren agrarischen Umlandes mit einem spezialisierten Angebot auch für den langfristigen Bedarf, Einrichtungen zur ärztlichen Versorgung, Busbahnhöfen als Knoten- punkten im Lokalverkehr, Gasthäusern, Kinos, Banken und administrativen Einrichtungen, wie der Bezirksverwal- tung, der Bewässerungsgesellschaft usw. Das städtische Gepräge beschränkt sich in diesen Orten jedoch zumeist noch auf die asphaltierte Hauptstraße, an der die genannten zentralen Einrichtungen neben- einander liegen. Neben den 6 Städten mit Sonderstatus gibt es 67 bezirksfreie Städte (shi) in Korea mit mehr als 50 000 Einwohnern. Ihre größenmäßige und regionale Verteilung ist äußerst ungleich- gewichtig. Seoul, dessen Einwohnerzahl zwischen 1955 und 1990 von 1,575 Mio. auf 10,628 Mio. emporschnellte, übt mit 32,8 % der gesamten städtischen Bevöl- kerung des Landes und einer extremen Konzentration von Verwaltungs-, Wirt-

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VERWALTUNG UND SIEDLUNG 41

schafts- und Kulturfunktionen ein erdrük- kendes Übergewicht über die anderen Städte aus. Lediglich im äußersten Süd- osten konnte sich Pusan, von den Japa- nem als Einfallstor nach Korea ausge- baut, zu einem zweiten Zentmm ent- wickeln, das - Seoul zwar deutlich untergeordnet - nicht nur den größten Hafen des Landes und das Zentrum der neuen von P'ohang über Ulsan und Masan bis Ybsu an der Südostküste aufgereihten Industriestandorte bildet, sondern mit 3,798 Mio. Einwohnern auch den natürlichen Mittelpunkt eines weiten, den gesamten Südosten umfas- senden Hinterlandes darstellt. Die Stadt Taegu, mit 2,229 Mio. Einwohnern die drittgrößte Stadt Koreas und das Zentrum eines großen agrarischen Umlandes im Becken des Naktong-gang, ist in ihrer Funktion Pusan deutlich untergeordnet. Ähnliche Funktionen als regionale Zentren üben Kwangju, mit 1,145 Mio. Einwohnern an 5. Stelle in der Rangord- nung südkoreanischer Städte, und Taejbn, mit 1,062 Mio. Einwohnern an 6. Stelle, aus, Kwangju für den Süd- westen und Taejbn für die mittlere Westküste mit ihren ausgedehnten Reisebenen. Inch'bn, mit 1,8 18 Mio. Einwohnern auf dem 4. Platz, über- nimmt, nur 3 0 k m westlich Seouls gelegen, nach dem 1974 abgeschlossenen Ausbau der Hafenanlagen wieder die Funktion als Hafen für die Hauptstadt- region, nachdem diese vorübergehend an h s a n übergegangen war. Außerdem bil- det es mit einer Großraffinerie, einem

Stahlwerk und zahlreichen anderen Indu- striebetrieben einen wichtigen Eckpfeiler im allmählich zusammenwachsenden Industriedreieck der Hauptstadtregion.

Städte mittlerer Größenordnung fehlen in Korea weitgehend; abgesehen von den bereits aufgezählten Städten, sowie den rasch wachsenden Seouler Satelliten- städten Puch'bn (668 000 Ew.), Suwbn (645 000 Ew.), Sbngnam (541 000 Ew.), Anyang (481 000 Ew.), Kwangmybng (329 000 Ew.) und Ansan (252 000 Ew.), den zwei Provinzhauptstädten Chbnju (517 000 Ew.) und Ch'bngju (497 000 Ew.) und einigen neuen Industriestandorten an der Südostküste, wie Ulsan (683 000 Ew.), Masan (497 000 Ew.) und P'ohang (319 000 Ew.), überschreitet von den übrigen 53 Städten nur noch in Chinju (258 000 Ew.) und Mokp'o (253 000 Ew.) die Einwohnerzahl knapp eine Viertelmillion.

Von den 73 Städten des Landes liegen 17 im Binnenland, 56 in Küstennähe; davon üben 23 Hafenfunktionen aus. Von ihnen weisen neben Inch'bn besonders Ch'ang- wbn, Ulsan und P'ohang an der Süd- und Südostküste als Standorte neuer, Roh- stoffe importierender und Fertigwaren exportierender Industrien in den letzten Jahren eine stürmische Entwicklung auf. Im Binnenland entwickelte sich Kumi, ein neuer Industriepark nordwestlich Taegus, inzwischen zu einer Großstadt von 206 000 Ew.

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Bevölkerungsentwicklung

Mit einem sprunghaften Anstieg der Geburtenhäufigkeit nach Ende des Koreakrieges (auf 4211000 Ew. 1960) und gleichzeitigem Rückgang der Sterb- lichkeit (die durchschnittliche Lebens- erwartung stieg von 1934 bis 1989 von 34 Jahre auf 71 Jahre an) stieg die Bevölkerung Südkoreas von 2 1,s Mio. im Jahr 1955 auf 43,s Mio. im Jahre 1990. 1960-6 1 erreichte der Geburten- überschuß mit 30 11000 Ew. einen der höchsten Werte der Welt. Da ein derartiger Bevölkerungszuwachs alle Be- mühungen, die Ernährung sicherzustellen und einen wirtschaftlichen Aufschwung einzuleiten, in Frage stellt, startete die Regierung mit ihrem ersten Fünf- jahresplan (1962-67) eine intensive Fami- lienplanungskampagne. Diesem Pro- gramm war ein ungeahnter Erfolg beschieden; mit einem Rückgang der Geburtenhäufigkeit auf 15,611000 Ew. (1990) konnte der Geburtenüberschuß auf 9,811000 Ew. beschränkt werden. In der Familienplanung stehen sich in Korea zwei konfuzianische Traditionen gegen- über: Einmal ist der Wunsch nach einem Sohn vielfach der Grund für großen Kinderreichtum, da nur Söhne die Familienlinie fortführen und die Ahnen- verehrung für ihre verstorbenen Eltern vornehmen können. Zum anderen bildet in der konfuzianisch geschichteten Gesellschaft der Besuch einer guten

Schule oder Universität die einzige Möglichkeit gesellschaftlichen Aufstiegs, der sich besser bei geringerer Kinderzahl verwirklichen Iäßt. In die gleiche Richtung wirkt eine Heraufsetzung des Heiratsalters, die sich durch die dreijährige Wehrpflicht für die Männer und längere Ausbildung sowie bessere Berufsmöglichkeiten für Frauen ein- stellte.

1955 lebten noch drei Viertel (75,s %) der südkoreanischen Bevölkerung auf dem Lande. Inzwischen hat jedoch eine von der Industrialisierung ausgelöste Binnenwanderung gewaltigen Ausmaßes dazu geführt, daß heute (1990) fast drei Viertel (74,4 %) der Bevölkerung in Städten über 50 000 Einwohnem leben. Ziel der Landflucht waren in erster Linie die Großstädte mit über einer Viertel- million Einwohnem, allen voran Seoul mit seinen Satellitenstädten Puch'bn, Suwbn, Sbngnam, Anyang, Kwang- mybng und Ansan, aber auch Pusan, Taegu, Inch'bn, Kwangju, Taejbn, U1- san, Chbnju, Ch'bngju, Masan, Ch'ang- w6n, P'ohang, Chinju und Mokp'o, die 1990 zusammen bereits über 83 % der städtischen Bevölkerung umfaßten. Dagegen stagnierten die Mittel- und Kleinstädte, wodurch der Gegensatz zwischen großstädtischem und ländlichem Lebensstandard noch verschärft wurde. Während die Großstädte (shi) mit jährlichen Zuwachsraten von 4,8 % (1960-66) bzw. 7,2 % (1966-70) einen rasch anschwellenden Bevölkerungszu-

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strom aufwiesen, blieben die Wachstums- raten der Landstädte (@), die von jähr- lich 2,5 % (1960-66) auf 1,5 % (1966- 70) zurückgingen, deutlich hinter dem natürlichen Bevölkemngswachstum zu- nick. Besonders kraß zeigt sich jedoch die Abwandemng auf dem flachen Lande: Von den 139 Landbezirken (gun) Südkoreas wiesen zwischen 1960 und 1966 119 relative Wandemngsverluste auf, zwischen 1966 und 1970 erhöhte sich ihre Zahl sogar noch auf 130. Nur 9 Landbezirke (im direkten Umland der Metropole Seoul und im expandierenden Bergbaugebiet der T'aebaek-Kette) zeig- ten noch Wandemngsgewinne. In 119 der 139 Landbezirke ging die Bevölkemngs- zahl zwischen 1966 und 1970 nicht nur relativ, sondern sogar absolut zurück (H.S. LEE 1973). Mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der sich rasch entwickelnden Industrie und im gleich- falls expandierenden Dienstleistungs- Sektor entstand ein Ventil für den traditionellen Bevölkemngsdmck in ländlichen Gebieten. Die Abwandemng des größten Teils der Kinder bäuerlicher Familien direkt nach dem Schulabschluß bzw. nach dem Militärdienst schafft gemeinsam mit anderen Faktoren in vielen landwirtschaftlichen Betrieben die Voraussetzung zum Übergang von der traditionellen Subsistenzwirtschaft zu einer modernen Marktwirtschaft. Neben der Abwandemng einzelner Familienmit- glieder nimmt seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre auch die Abwandemng ganzer Familien, besonders aus den landwirt-

schaftlichen Notstandsgebieten des Berg- landes, rasch an Umfang zu (E. DEGE 1985). Dadurch weist die Zahl landwirt- schaftlicher Haushaltungen seit 1967 (2,587 Mio.) auch absolut eine nickläufi- ge Tendenz auf (1990: 1,767 Mio.).

Mit einer Bevölkemngsdichte von durch- schnittlich 438 Ew./km2 gehört Süd- korea, von einigen Stadtstaaten abge- sehen, zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Erde (zum Vergleich: Nie- derlande 363 Ew./km2). Berücksichtigt man, daß in Südkorea nur 21,2 % der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar sind, aber noch 15,3 % der Bevölkemng von der Landwirtschaft leben, so weist Südkorea mit 316 Ew./km2 LN eine landwirtschaftliche Bevölkemngsdichte auf, die nur in wenigen Teilen der Welt (Java und Bangladesh) übertroffen wird.

In der Bevölkemngsverteilung ist weiter- hin die durch die natürlichen Gegensätze bedingte Asymmetrie zwischen der West- und Ostküste vorherrschend (siehe Tab. 1 und Abb. 6). Die ländliche Bevölke- rungsdichte nimmt von 300 Ew./km2 in den dicht besiedelten Schwemmlandebe- nen der Westküste auf 79 Ew./km2 im dünn besiedelten höheren Bergland an der Ostküste ab (Stand 1980). Zwischen beiden Räumen vermittelt ein weites niedriges Berg- und Hügelland mit 146 Ew./km, das die Sobaek-Kette und das obere Naktong-gang-Becken umfaßt, sowie ein stärker von Flußebenen durch- setztes Hügelland mit 224 Ew./km2, das

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'SCHAFTSENTWICKLUNG UND -POLITIK 47

Grundzüge der

Wirtschaftsentwicklung

und -politik

Obwohl der Süden Koreas vor der Tei- lung als die Kornkammer des Landes galt, die den industrialisierten Norden und Japan mit Nahmngsmittein versorg- te, war Südkorea nach der Teilung infol- ge rasch wachsender Bevölkemng und des Zustroms von fast 2 Mio. Flüchtlin- gen, rückläufiger Erträge und unzurei- chender Verteilungsmechanismen nicht mehr in der Lage, sich selbst mit Grund- nahrungsmitteln zu versorgen. Hinzu kam, daß ein Großteil der, verglichen mit dem Norden des Landes, bescheide- nen Industriekapazität im Koreakrieg zerstört worden war; 85 % der metall- erzeugenden Industrie, 80 % der Maschi- nenbauindustrie und jeweils 65 % der chemischen Industrie und Textilindustrie lagen in Schutt und Asche. Deshalb war Südkorea nach dem Waffenstillstand in starkem Maße auf ausländische (beson- ders amerikanische) Hilfe angewiesen. Zwischen 1945 und 1970 erhielt Süd- korea insgesamt 4,4 Milliarden US$ an Hiifsiiefemngen, in den Jahren 1956 bis 1958 erreichte die Auslandshilfe mit jährlich 300 Mio. $ ihren Höhepunkt. Da die vom Ausland gewährte Hilfe jedoch zu einem überwiegenden Teil aus ameri- kanischem Überschußgetreide und Kon-

sumgütern bestand, gelang es nicht, sie im erforderlichen Umfang zur Entwick- lung der eigenen Wirtschaft einzusetzen; die importierten Konsumgüter und Nah- rungsmittel bildeten im Gegenteil ernste Konkurrenten für die einheimische Land- wirtschaft und Industrie und lösten in der südkoreanischen Mittel- und Oberschicht einen Konsumrausch aus, der die ständig defizitäre Zahlungsbilanz schwer belaste- te. Während Südkorea lediglich Rohstof- fe, wie Wolfram, Eisenerz, Fisch, Rohseide und Kohle in geringem Umfang exportierte, mußten Gmndnahmngsmittei wie Weizen, wichtige Rohstoffe wie Baumwolle und praktisch alle Fertigwa- ren importiert werden. 1957 und 1958 überstiegen die Importe die Exporte um das Zwanzigfache und 80 % der Importe mußten mit ausländischen Hilfszahlungen finanziert werden. Als die Auslandshilfe an Korea nach 1957 allmählich reduziert wurde, fiel die Wachstumsrate der süd- koreanischen Wirtschaft von 7,7 % im Jahre 1957 über 5,2 % (1958), 3,9 % (1959) auf 1,9 % im Jahre 1960 zurück.

Der Beitrag der verarbeitenden Industrie zum Bruttosozialprodukt stagnierte bei etwa 10 %, nachdem die in den 50er Jah- ren erfolgte Industriaiisiemng, die sich als binnenmarktorientierte Importsubsti- tutions-Industrialisierung fast ausschließ- lich auf den Bereich der Konsumgüter- industrie beschränkt hatte, an die Grenze eines aufgmnd des niedrigen Pro-Kopf- Einkommens (1960: 81 $) zu engen Binnenmarktes gestoßen war.

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In dieser Situation führte der Militär- putsch des Jahres 1961, der eine Gmppe junger Offiziere unter der Fühmng Park Chung-hees an die Macht brachte, mit der Abkehr von der bisherigen Förde- rung der Importsubstitution und Hinwen- dung zu einer aktiven Exportindustriali- siemng zu einer gmndsätzlichen Umori- entierung der Wirtschaftspolitik.

Hierbei stützte sich die Exportindustriali- siemng auf den einzigen Aktivposten, über den Südkorea für seine Entwicklung verfügte, seine zahlreichen Arbeitskräfte, von denen 1960 noch gut 60 % in der Landwirtschaft tätig, dort aber aufgmnd der unzureichenden Landausstattung kaum ausgelastet waren. Im Gegensatz zu anderen Entwicklungsländern mit ver- gleichbaren Ausgangspositionen verfüg- ten die Arbeitskräfte in Korea aufgmnd der konfuzianischen Bildungstraditiondes Landes über ein ausgesprochen hohes Bildungsniveau (schon 1960 lag die Anal- phabetenquote für Erwachsene bei nur 29 %), das sich in eine vergleichsweise hohe Qualifikation und Lernfähigkeit der Arbeitskräfte und damit in eine hohe Arbeitsproduktivität umsetzen ließ. Darüber ninaus gelang es den koreani- schen Unternehmern, die traditionell auf die Familie ausgerichtete Loyalität ihrer Arbeitskräfte auf ihre Unternehmen zu konzentrieren und dadurch gewerkschaft- liche Einflüsse gering und die Arbeitslöh- ne für lange Zeit niedrig zu halten. Diese international komparativen Vorteile, die letztlich in der konfuzianischen Kultur-

tradition wurzeln, legten den Gmndstein für Südkoreas Aufstieg zur jungen Indu- strienation.

Mit dem Übergang zur Exportindustriali- siemng wurde die Industrie zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Hatte der industrielle Sektor 1960 erst zu 10 % mni Bmttosozialprodukt des Landes bei- getragen, so erhöhte sich sein Anteil bei durchschnittlichenjährlichen Wachstums- raten von 16 % bis 1982 auf 35 %; 1974 übertraf er erstmals den mit jährlich 2,4 % sehr viel langsamer wachsenden landwirtschaftlichen Sektor. Das rasche Wachstum des industriellen Sektors basierte jedoch nur bis zum Jahre 1973 auf der leichtindustriellen Konsumgüter- industrie. Seitdem stagniert die Leicht- industrie bei einem Anteil von 14 % am Bruttosozialprodukt, während die Schwerindustrie im weiteren Industriali- siemngsprozess die Fühmngsrolle über- nahm.

An den Außenhandelsstatistiken Süd- koreas Iäßt sich deutlich ablesen, wie sich Leichtindustrie und Schwerindustrie einerseits sowie Importsubstitutions- Industrialisierung und Exportindustriali- siemng andererseits fast modellhaft gegenseitig bedingten und in sechs Schritten die heutige Industriestmktur des Landes entstehen ließen (siehe Abb. 7):

1) Die Industriaiisiemng Südkoreas begann nach Ende des Koreakrieges (1 953) als Importsubstitutions-Industriali-

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2) Bereits Ende der 50er Jahre wurden jedoch für diesen Typ der Industnalisie- rung die Grenzen eines zu engen Binnen- marktes sichtbar, der unter den gegebenen Umständen eine weitere Indu- strialisierung nicht zuließ. Erst die Hinwendung der Leichtindustrie auf den Export ermöglichte ab 1962 ein erneutes industrielles Wachstum - Exportindu- strialisierung der leichten Phase (EI,). Textilien, Bekleidung, Perücken und Sperrholz waren typische Produkte, mit denen Südkorea in dieser Phase auf den Weltmarkt drängte. In diesen relativ kapitalextensiven, aber sehr arbeitsinten- siven Produktionen konnte Südkorea seinen einzigen komparativen Vorteil, seine qualifizierten, niedrig entlohnten Arbeitskräfte, voll ausspielen; Südkorea wurde zum Paradebeispiel eines Niedrig- lohnlandes. Bereits 1966 überstieg der Anteil leichtindustrieller Konsumgüter, der 1962 lediglich 12 % des Gesarntex- Portes betragen hatte, die 50 % - Marke (Abb. 8-2). Damit wurde die leichtindu- strielle Konsumgüterindustrie, und hier speziell die Textilindustrie, zur zug- starken Lokomotive des Gesamtexports, der sich mit jährlichen Steigerungsraten von 37 % (1962-1981) in einem bislang

von keinem anderen Land erreichten Tempo ausweitete.

Das rasche Wachstum der leichtindustri- ellen Exportindustrialisierung zog, einsetzend mit dem Jahre 1966, einen wachsenden Import von Investitions- gütem, Rohstoffen und industriellen Zwischengütem nach sich. Bereits 1968 erreichte der Investitionsgüterirnport 36 % des Gesamtimportes, während der Import von Rohstoffen und Zwischen- gütem für die Exportveredelung bis 1973 auf 37 % des Gesamtimportes anschwoll (Abb. 8-1).

3) Die hohe Importbelastung im Bereich industrieller Zwischengüter legte es nahe, die wichtigsten Zwischengüter (speziell chemische Grundstoffe, Stahl und Zement) im Lande selbst zu produzieren. Damit trat Südkorea in seine zweite Industrialisierungsphaseein, die 1973 mit dem Aufbau einer Importsubstitutions- Industrie im Bereich industrieller Zwischenprodukte begann - Importsub- stitutions-Industrialisierung der Phase schwerindustrieller Zwischenprodukte (ISI,). Dadurch konnte, trotz einer rasch wachsenden Nachfrage, der Import von

Abb. 8 Daten zur Wirtschaftsentwicklung Südkoreas E n r w u ~ E. DEGE nach KOREA S T A ~ S ~ C A L YEARBOOK

und MAJOR STATISnCS OF KOREAN ECONOMY

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industriellen Zwischenprodukten zugun- sten von Rohstoffen, die die Importbilanz wertmäßig weniger belasteten, einge- schränkt werden. Zu diesen Rohstoffen ist auch das Rohöl zu zählen, das nicht nur den wichtigsten Energieträger, sondern auch den Grundstoff für die meisten chemischen Zwischenprodukte darstellt. Es muß von Südkorea zu 100 % importiert werden und belastete, besonders nach den beiden Ölpreis- schocks Anfang der 80er Jahre seine jährliche Importbilanz mit bis zu 25 % (1990 noch mit 9 %).

4) Da die Kapazitäten der neuen schwer- industriellen Zwischengüterindustrien

-schon bald die Binnennachfrage über- stiegen und Südkorea mit seinen leicht- industriellen Konsumgüterexporten in den Abnehmerländern auf immer höhere Im- portbarrieren stieß, wurde die Export- palette auf schwerindustrielle Produkte, wie chemische Grundstoffe, Zement, Stahl und Stahlprodukte (besonders Schiffe) ausgeweitet - Exportindustriali- sierung der Phase schwerindustrieller Zwischenprodukte (EI2). Die gerade angelaufenen Exporte dieser neuen Industriebranchen gerieten jedoch schon bald unter den Druck der weltweiten Rezession, die zu Ende der 70er Jahre nicht nur Südkoreas Schwerindustrie, sondern auch seine traditionelle Leichtindustrie traf, zumal das Land in diesem arbeitsintensiven Industriebereich mit Reallöhnen, die seit 1976 schneller stiegen als die Arbeitsproduktivität, seine

international komparativen Vorteile immer mehr einbüßte. Die Folge war eine Stagnation der Industrialisierung, die zusammen mit einer Mißemte 1980 zum ersten Mal in der südkoreanischen Nachkriegsgeschichte das Bruttosozial- produkt absinken ließ (Abb. 8-3); gleich- zeitig beendeten politische Unruhen die Ära Park Chung-hee.

5) Die neue Regierung unter Chun Doo- whan leitete 1982 eine Konsolidierungs- phase der südkoreanischen Wirtschaft ein, in der der Aufbau einer Investitions- güterindustrie in den Vordergrund trat. Diese Importsubstitutions-Industriali- sierung der Investitionsgüter-Phase (ISI,) konzentrierte sich allerdings nicht so sehr auf den klassischen Maschinen- bau, sondern auf Elektrogeräte, Elektro- nik und Automobilbau, für den der Bin- nenmarkt eine große Nachfrage aufwies.

6) Mit der Wiederbelebung der Wirt- schaft, speziell in den USA, stellte sich diese Investitionsgüter-Industrie direkt auf den Exportmarkt um - Exportindu- strialisierung der Investitionsgüter- Phase (EI,). Automobilbau und elektro- nische Industrie (Unterhaltungselektronik und Personalcomputer) gehören heute zu den am schnellsten wachsenden Export- branchen der südkoreanischen Industrie.

Exportindustrialisierung und Import- substitutions-Industrialisierung, die sich seit den 60er Jahren in Südkorea in einer logischen Abfolge gegenseitig bedingten

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und stützten, führten durch die Eigen- produktion änfanglich importierter Zwischengüter sukzessive zu einer immer stärkeren Vertiefung der Industriestruk- tur. So führten z.B. Herstellung und Export von Bekleidung nicht nur zum Aufbau der gesamten Palette der vorgela- gerten Textilbranchen, sondern gaben durch ihren Bedarf an Kunstfasern auch wesentliche Impulse für die Entwicklung der chemischen und petrochemischen Industrie, die ihrerseits mit ihren Produkten die Exportpalette erweiterten. Im Gegensatz zu ursprünglich reinen Primärgüterökonomien, deren Industriali- sierung wie in Kanada oder Schweden über die Weiterverarbeitung ihrer Urprodukte, also über Vorwärtskopp- lungseffekte, erfolgte, erreichte die südkoreanische Industrie ihre heutige Tiefe und Verknüpfung ausgehend von leichtindustrieller Verarbeitungsindustrie über sukzessive Rückwärtskopplungs- effekte (U. MENZEL 1983, 100).

Überblickt man rückschauend die wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas während der letzten 30 Jahre, so drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf, wie ein derartig armes Entwicklungsland in so kurzer Zeit die Ressourcen mobilisieren konnte, die notwendig waren, die rasche Industrialisierung zu finanzieren. Die vielfach gehörte Antwort: "durch internationale Verschul- dung" ist jedoch zu einfach, um das Phänomen der südkoreanischen Wirt- schaftsentwicklung zu erklären. Südkorea

nimmt zwar mit 40 Mrd. $ Auslandsver- schuldung (1983) nach Mexiko, Brasilien und Argentinien den vierten Platz auf der internationalen Liste der Schuldnerländer ein, unterscheidet sich jedoch von vielen anderen Schuldnerländern durch seine Rückzahlungsfähigkeit: mißt man die Auslandsverschuldung am Bruttoinlands- produkt, so liegt Südkorea mit 54 % erst an 11. Stelle, am Exportvolumen mit 132 % an 16. und am Schuldendienst mit 19 % an 15. Stelle der Schuldnerliste (B.B. AQHEVLI U. J . MARQUEZ-RUARTE 1985). Rasch anwachsende Exporte, die seit 1986 Südkorea erstmalig eine positive Handelsbilanz s icherten, versetzten das Land darüber hinaus in die Lage, seine Auslandsverschuldung, die 1985 mit 46 , s Mrd. $ ihren Höchststand erreicht hatte, sukzessive wieder abzubauen (auf 29,4 Mrd. $ Ende 1989). Südkorea scheint es also gelungen zu sein, seine Kapitalimporte produktiv ein- zusetzen und damit gleichzeitig die in- terne Kapitalakkunlulation anzukurbeln.

In der ersten Industrialisierungsphase waren Wachstum und Investitionen gering. Sie erreichten gerade 10 % des Bruttosozialproduktes und wurden zu 70 % mit ausländischen Hilfsgeldern (besonders aus den USA) finanziert. Da kaum Anreize zu Kapitalbildung bestan- den, war die inländische Ersparnis unerheblich. Erst als zu Beginn der 60er Jahre unter dem Druck einer allmih- lichen Reduzierung der Auslandshilfe durch Heraiifsetzung der Zinssätze auf

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ein realistisches Niveau Anreize geschaf- fen wurden, stieg die inländische Sparquote, die 1962 lediglich 3 % des Bruttosozialproduktes betragen hatte, rasch an, um schon 15 Jahre später 26 % zu erreichen. Parallel dazu ging, gemes- sen an der inländischen Ersparnis, die Bedeutung des Kapitalimports zurück. Lediglich als die beiden Ölpreisschocks 1974 und 1979 den Trend steigender inländischer Ersparnis jäh unterbrachen, nahm Südkorea erneut massiv ausländi- sches Kapital auf, um sein hohes Investi- tionsniveau halten zu können. Diese Kapitalmflüsse bestanden zu etwa gleichen Teilen aus öffentlichen und kommerziellen Anleihen. Von den lang- fristigen Anleihen stammten 1959-1979 etwa 19 % von der Weltbank, 28 % aus den USA und 17 % aus Japan; bei den ausländischen Direktinvestitionen, die mit knapp 6 % des gesamten Kapitalzuflusses in Südkorea allerdings nur eine unter- geordnete Rolle spielen, führen japani- sche Firmen mit 51 % vor US-ameri- kanischen mit 25 % (1962-1981). Das starke Engagement der USA und Japans in der südkoreanischen Wirtschaft zeigt nicht nur das Vertrauen, das diese Länder der südkoreanischen Entwicklung entgegenbringen, sondern dokumentiert auch ihr starkes ökonomisches und politisches Interesse an einer stabilen südkoreanischen Wirtschaft.

Das südkoreanische Wirtschaftswachstum wurde also aus verschiedenen Quellen gespeist, aus Kapitalimporten und aus

inländischer Ersparnis, wobei letztere nur dadurch so rasch ansteigen konnte, daß die Industrie infolge niedriger Löhne in starkem Maße reinvestieren konnte. Niedrige Löhne setzten jedoch Nahrungs- mittelpreise voraus, die durch staatliche Preispolitik mesonders für Reis) ebenfalls niedrig gehalten wurden. Hierin liegt der Beitrag des südkoreanischen Agrarsektors für den industriellen Aufstieg des Landes.

Mit Wachstumsraten von 3,8 % im Durchschnitt der Jahre 1962 bis 1973 (Abb. 8-6) blieb die Entwicklung der Landwirtschaft so stark hinter der stürmischen Entwicklung der Industrie, die im gleichen Zeitraum jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 18,2 % verzeichnen konnte, zurück, daß eine starke Disparität zwischen industri- ellem und landwirtschaftlichem Einkom- men entstand. Die Einkommensdisparität - 1967 lag das Einkommen einer Bauern- familie im Durchschnitt um 40 % unter dem einer städtischen Arbeiterfamilie (siehe Abb. 9) - schuf ernste soziale Probleme; außerdem konnte die Land- bevölkerung, die 1972 immer noch 45,4 % der Gesamtbevölkerung bildete, nicht in größerem Umfang Konsumgüter, auf deren Absatz die Industrie angewie- sen war, abnehmen oder die Investitionen vornehmen, die zur Selbstversorgung des Landes mit Grundnahrungsmitteln erfor- derlich waren. Darüber hinaus führten die krassen Unterschiede zwischen land- wirtschaftlichem und industriellem Ein-

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Selbsthilfe und Kooperation der seit langem resignierenden Landbevölkemng ein neues Selbstbewußtsein zu geben sowie das verlorengegangene Gemein- schaftsgefühl im Dorf wieder zu erwek- ken und damit die geistige Gmndlage für eine umfassende Erneuemng der Agrar- stmktur zu legen. Unter dem grün-gelben Banner der Saemaül-Bewegung, das mit dem Symbol einer keimenden Pflanze zur zweiten Nationalflagge geworden ist, schaffte es die Landwirtschaft in weitge- hender Selbsthilfe durch Verbessemng der Produktionsbasis, den Ausbau der ländlichen Infrastruktur sowie durch Einfühmng neuer Produktionstechniken und ertragreicher Sonderkulturen nicht nur, die Nahmngsmittelproduktion be- trächtlich zu steigern, sondern auch die Einkommen landwirtschaftlicherFamilien so stark anzuheben, daß sie seit 1974 nicht mehr hinter die städtischer Arbeiterfamilien zurückfielen.

Gesteuert wurde der beispiellose, in Korea gerne als "Wunder am Han" bezeichnete Wirtschaftsaufschwungdurch eine eigentümliche Verschmelzung von Elementen der freien Marktwirtschaft mit solchen zentraler Planwirtschaft. In diesem "gelenkten Kapitalismus" setzte ein direkt dem Vize-Premierminister unterstellter Wirtschaftsplanungsrat die Planziele fest und schuf die politischen Voraussetzungen für ihre Erfüllung. Hierbei wurden Steuer- und Zollgesetzge- bung, Finanzpolitik und Preisfestsetzun- gen zu effektiven Steuerungselementen;

Infrastmktur und Schlüsselindustrien wurden z.T. direkt von der Regierung aufgebaut. Die Planungsziele werden seit 1962 in jeweils aufeinanderfolgenden fünfjährigen Wirtschaftsplänen formu- liert; langfristige und speziell auch regionale Entwicklungsperspektiven werden seit 1972 in zehnjährigen Landes- entwicklungsplänen festgelegt, auf die die Maßnahmen der Fünfjahrespläne abge- stimmt werden.

Der erste Fünfjahresplan (1962-66) legte neben dem Aufbau einer eigenen Kon- sumgüterindustrie, die den Kapitalabfluß für Konsumgüter weitgehend einschrän- ken sollte, besonderes Gewicht auf den Ausbau der Infrastmktur des Landes, um ein günstiges Investitionsklima zu schaf- fen. Fast ein Drittel der Gesamtinvestitio- nen des ersten Fünfjahresplanes floß in den Ausbau von Energiegewinnungsanla- gen, Straßen, Eisenbahnen und Häfen. So konnte allein zwischen 1960 und 1965 mit dem Bau fünf neuer Großkraftwerke die Elektrizitätsgewinnungskapazität mehr als verdoppelt werden (von 367 MW auf 769 MW); ab 1964 stand elek- trische Energie unbegrenzt zur Verfü- gung. Seither konnte die Energiewirt- schaft mit dem industriellen Wachstum Schritt halten; ihre Kapazität wurde bis 1990 auf 21 021 MW gesteigert. Von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung wurde schließlich der 1968 begonnene Bau eines das ganze Land erschließenden Autobahnnetzes. Mit einer Gesamtlänge von 1 551 km (1990) sidd die neuen

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WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG UND -POLITIK 59

Autobahnen zu Achsen der landwirt- schaftlichen und industriellen Entwick- lung des Landes geworden (Abb. 10).

Im zweiten Fünfjahresplan (1967-71) wurde die bereits begonnene Entwicklung einer exportorientierten Leichtindustrie vorangetrieben. Dadurch nahm die Indu- strialisiemng ein ungeahntes Tempo an, und Südkorea entwickelte sich dank niedriger Löhne zu einem der führenden Exporteure für Textilien, Sperrholz und andere arbeitsintensive Produkte. Bereits 1969 wurde das ursprüngliche Planziel für den Export (0,7 Mrd. $) überschrit- ten; 1990 erreichte das Exportvolumen 65 Mrd. $.

Im Zentmm des dritten und vierten Fünfjahresplanes stand der Aufbau einer eigenen Schwerindustrie, um durch Importsubstitution die inländische Wertschöpfung zu erhöhen und gleich- zeitig die Palette des Exportangebotes zu erweitern. Darüber hinaus bemühte sich der dritte Fünfjahresplan (1 972-76) durch verstärkte Förderung des Agrarsektors die aufgetretenen intersektoralen Disparitäten abzubauen und damit zu einer ausgewogeneren Wirtschaftsent- wicklung überzuleiten, während der vierte Fünfjahresplan (1 977-8 1) unter dem Eindruck der Ölkrise besonders der Entwicklung alternativer Energiequellen (speziell der Kernenergie) ein größeres Gewicht einräumte. Stammten 1977 noch 90,5 % der gesamten Elektrizitätserzeu- gung (26,6 Mrd. Kwh) ais Wärmekraft-

werken, die mit importiertem Öl und Kohle geheizt wurden, so ging ihr Anteil bis 1990 an der auf 107,7 Mrd. Kwh gesteigerten Elektrizitätserzeugung auf 45,O % zurück; 5,9 % wurden 1990 in Wasserkraftwerken und bereits 49,l % in den neun bislang in Betrieb genommenen Kernkraftwerken erzeugt.

Der fünfte Fünfjahresplan (1982-86) stand schließlich ganz unter dem Vorzeichen einer Konsoiidiemng der neugeschaffenen Industriestruktur. Eine stärkere Betonung marktwirtschaftlicher Kräfte, ein Abbau des Protektionismus, eine Liberalisierung der Kapitalmärkte und eine aktive Mittelstandspolitik zur Ankurbelung der Binnenmarktnachfrage trugen dazu bei, die einseitige Export- orientiemng der südkoreanischen Wirt- schaft abzuschwächen.

Diese Politik wirtschaftlicher Liberali- sierung wird vom sechsten, 1987 ange- laufenen Fünfjahresplan fortgesetzt. ihr Ziel ist es, die koreanische Industrie durch Steigerungder Wettbewerbsintensi- tät auch im Bereich höherwertiger Investitionsgüter international wett- bewerbsfähig zu machen. Hierbei werden die Automobilindustrie und die elektro- nische Industrie als Schlüsselindustrien besonders gefördert, wobei speziell im Bereich der Hochtechnologie verstärkte Investitionen in Forschung und Entwick- lung vorgesehen sind.

Bei der Umsetzung ihrer ehrgeizigen

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Wirtschaftspläne konnte sich die Regierung anfänglich nur auf die wenigen Unternehmerpersönlichkeiten stützen, die das Land zu Beginn der Industriaiisie~ng besaß. Begünstigt durch zinsgünstige Kredite, Steuewer- günstigungen und Importsubventionen bauten diese "Unternehmer der ersten Stunde" (H.W. MAULL U. I.M. MAULL 1987, 83) eine Reihe von Familienunter- nehmen ("Chaebdl') auf, die heute nicht nur Südkoreas Industrie beherrschen, sondern sich auch respektable vordere Plätze in der Rangliste internationaler Großkonzerne erobern konnten. Ein typischer "Chaebdl" bildet heute ein Imperium zahlreicher, in verschiedenen Branchen tätiger Firmen, an dessen Spitze ein patriarchalicher Konzernchef steht, der sein Unternehmen, vielfach unterstützt von einer Reihe enger Verwandter, in konfuzianischer Tradition wie eine Großfamilie führt. So herrscht z.B. der Präsident der Hyundai-Gruppe, Chung Ju-yung, der sich vom Maurer zum Konzernchef hochgearbeitet hat, heute über ein Imperium von 27 Firmen, die in so verschiedenen Geschäftsberei- chen wie Zementindustrie, Hoch- und Tiefbau, Schiffsbau und -reparatur, Maschinen- und Anlagenbau, Automobil- bau, Möbelindustrie und Mikrochippro-

duktion bereits 1985 einen Umsatz erwirtschafteten, der den des deutschen Krupp-Konzerns um mehr als das Dop- pelte (123,s %) übertraf (FORTUNE INTERNATIONAL 1986). Mit einem Ak- tienbesitz im Nennwert von 45,9 Mio. $ gilt Chung Ju-yung heute als der dritt- reichste Mann Südkoreas; neben seinem Nainen finden sich aber auch die seiner drei Brüder und drei Söhne, alle in führenden Positionen des Hyundai- Konzerns tätig, auf der Liste der 100 größten Einkommenssteuer-Zahler des Landes.

Mit der erfolgreichen Durchführung der ersten fünf Fünfjahrespläne gelang es Südkorea nicht nur, sein Bruttosozialpro- dukt zwischen 1962 und 1990 (inflations- bereinigt) mehr als zu verzehnfachen und damit das Pro-Kopf-Einkommen von 87 $ auf 5 569 $ zu steigern, sondern darüber hinaus mit dem raschen Ausbau der Industrie, deren Wertschöpfung 1975 und deren Arbeitskräftebesatz 1986 erstmalig die der Landwirtschaft über- stiegen, in nur einer Generation den Übergang von einem rückständigen Agrarland zu einem modernen Industrie- staat zu vollziehen.

Dabei darf jedoch nicht übersehen wer-

Abb. 10 Das Verkehrsnetz Koreas Entwurf: E. DEGE

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den, daß die rasche Industrialisierung zu einem bedeutenden Teil mit der Ausbeu- tung der Arbeiterschaft erkauft wurde. Noch heute arbeitet ein südkoreanischer Industriearbeiter mit durchschnittlich 54 Stunden in der Woche etwa eineinhalb mal so lange und erhält dafür (mit z.B. 6 $ Stundenlohn in der Stahlindustrie im Vergleich zu 16 $ in Japan und 20 $ in den USA) nicht einmal die Hälfte des Lohnes seiner Kollegen in westlichen Industrieländem. Darüber hinaus ist ihm bislang eine freie gewerkschaftliche Organisation weitgehend verwehrt. Des- halb war es nicht verwunderlich, daß die südkoreanische Arbeiterschaft im Som- mer 1987, nachdem die Studenten gerade im Vorfeld der Olympischen Spiele eine Demokratisiemng des politischen Sy- stems erkämpft hatten, die Gunst der Stunde nutzte, ihrerseits höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und größere Rechte zu fordern. Da dieser erste landesweite Streik in der Geschichte der jungen südkoreanischen Industrie gerade in eine Phase fieberhafter Exportsteige- mngen fiel, zeigten sich die Großkonzer- ne relativ rasch kompromißbereit. Ihre Zugeständnisse an die Arbeiterschaft, die sich in den folgenden Jahren in langan- haltenden Arbeitskämpfen weitere kräfti- ge Lohnerhöhungen erstritt, schmälerten zwar die komparativen Vorteile der südkoreanischen Industrie, bildeten andererseits jedoch einen längst fälligen Schritt auf Südkoreas Weg vom Billig- lohnland zur entwickelten Industrie- nation.

~ -

Struktur und

Entwicklung der

Landwirtschaft

Die in den 60er Jahren einsetzende, rasch an Umfang gewinnende Industrialisierung und die von ihr ausgelöste Verstädterung führte auch im agraren Bereich zu tief- greifenden Verändemngen. Soziale und wirtschaftliche Umschichtungen der Agrarbevölkerung ließen in Verbindung mit einer Neubewertung physisch-geo- graphischer und ökonomischer Standort- faktoren neue Agrarräume entstehen. Diese neuen Raumstmkturen verwischen jedoch nicht den traditionellen Formen- wandel zwischen West- und Ostküste, Schwemmlandebene und Bergland, son- dem akzentuieren ihn teilweise noch und erfüllen ihn mit neuen Inhalten.

Obwohl der Anteil der landwirtschaftli- chen Bevölkemng an der Gesamtbevölke- mng stark zurückging (von 61,9 % im Jahre 1955 auf 15,3 % im Jahre 1990) bildete die Landwirtschaft noch immer für einen bedeutenden Teil der südkorea- nischen Bevölkemng die Lebensgrund- lage. Da die starke Binnenwandemng bislang in der Regel nur einzelne Familienmitglieder erfaßte, konnte sich in der Besitzgrößenstmktur noch keine durchgreifende Verbessemng einstellen (siehe Tab. 2).

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LANDWIRTSCHAFT 63

Tab. 2 Südkorea - Betriebsgrößenstruktur der Landwirtschaft 1955 - 1989

1955 1989

landwirtschaftliche Nutzfläche (ha) landwirtschaftliche Betriebe

davon mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von (in %)

landwirtschaftliche Nutzfläche pro Betrieb (ha) 0,89

Quelle: KOREA S T A ~ S ~ C A L YEARBOOK 1962 und 1990

Bei der starken Einschränkung der land- wirtschaftlichen Nutzfläche durch die gebirgige Natur des Landes (auf 21,2 % der Landesfläche) und der dichten land- wirtschaftlichen Bevölkerung sind die Betriebsgrößen in der südkoreanischen Landwirtschaft sehr klein. Im Durch- schnitt stehen einem Betrieb nur 1,22 ha landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfü- gung. Nur 1,7 % der Betriebe bewirt- schaften mehr als 3 ha, fast zwei Drittel (61,8 %) jedoch weniger als 1 ha und mehr als ein Viertel (27,8 %) weniger als 0 , s ha. Trotz der Intensität korea- nischer Landnutning sind diese Betriebe als Submarginalbetriebe anzusehen, die nicht in der Lage sind, die Familie zu

ernähren. So überschreiten die Lebenshaltungskosten bei fast allen Betrieben unter 0 ,5ha die land- wirtschaftlichen Einnahmen. Sie sind deshalb auf Zuerwerb angewiesen, der in dieser Betriebsgrößenklasse 1974 über 40 % der Gesamteinnahmen ausmachte (MAF: Farm Household Economy Survey). Bei weitgehendem Fehlen nicht- landwirtschaftlicher Arbeitsstätten bilden landwirtschaftlicher Tagelohn und ländliche Heimarbeit, wie die Herstellung von Strohseilen, Strohsäcken, Matten und Körben, die Haupteinnahmequellen. Auch in dem einen Drittel der süd- koreanischen Betriebe, in denen die Nutzfläche 1 ha übersteigt, bildet die

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Landwirtschaft eher eine Lebensform als ein wirtschaftliches Unternehmen. Die Betriebe liefern zwar landwirtschaftliche Produkte an den Markt, doch ist ihr Ziel weitgehend auf Subsistenzwirtschaft ausgerichtet; der überwiegende Teil (1974: 66 %) ihrer landwirtschaftlichen Einnahmen besteht aus dem Wert der im eigenen Haushalt verbrauchten Lebens- mittel. 49 % der Lebenshaltungskosten werden mit Geld bestritten, jedoch lediglich 15,8 % der Lebensmittel und gar nur 4 ,3 % der Grundnahrungsmittel werden hinzugekauft. Trotz weitgehender Selbstversorgung trifft volle Subsistenz- wirtschaft für die koreanische Landwirt- schaft jedoch nur bedingt zu, da sich viele landwirtschaftliche Familien gezwungen sehen, ihre höherwertigen Produkte zu verkaufen und sich selbst von geringenvertigen zu ernähren. So gelangten 1974 z.B. 45,2 % der Reis- ernte, die dank der Hochpreispolitik der Regierung - abgesehen von Sonderkultu- ren - die höchsten Flächenerlöse bringt, auf den Markt, während von der als geringenvertig erachteten Gerste nur 28,4 % vermarktet wurden. Daraus resultieren große quantitative und qualitative Unterschiede in der Ernährung der ländlichen und städtischen Bevölke- rung (E. DEGE 1982).

In den letzten Jahren hat eine Reihe von Faktoren dazu geführt, daß es zahlrei- chen mittleren und größeren Betrieben gelungen ist, von der traditionellen Subsistenzwirtschaft zur Marktwirtschaft

überzugehen. Einmal führte die Abwan- demng der jüngeren Familienmitglieder zu einem merklichen Rückgang der Familiengröße auf dem Lande (von 6,3 Personen 1964 auf 3,8 Personen 1990) und setzte damit Nahrungsmittel für den Markt frei. Zum anderen gelang es durch das Zusammenwirken einer Reihe agrar- technischer Innovationen, die Hektar- erträge, besonders im Reisanbau, beträchtlich zu steigern. So tmg die Ausdehnung der Bewässerungssysteme von 54,6 % der Reisanbaufläche im Jahre 1961 auf 73,4 % im Jahre 1990 wesentlich dazu bei, das Risiko, mit dem der Reisanbau durch die große Variabili- tät der sommerlichen Niederschläge von jeher behaftet war, weitgehend zu überwinden. Darüber hinaus führte der nach Aufbau einer eigenen Kunstdünger- industrie rasch zunehmende Einsatz von Kunstdünger, der 1958-62 mit 7 3 kg NPK/ha erst die Hälfte des japanischen Kunstdüngerverbrauchs erreicht hatte, heute (1990) jedoch 473 k g h a beträgt, zu einer direkten Steigemng der Erträge von den infolge des Ausgangsgesteins und ständiger Auslaugung relativ nähr- stoffarmen Böden.

Schließlich gelang es der staatlichen Versuchsstation in Suwon, in Zusammen- arbeit mit dem International Rice Research Institute durch Kreuzung tropischer (Indica) mit einheimischen (Japonica) Reissorten, neue, auf verstärkte St ickstoffdüngung gut ansprechende, hochtragende Hybridreis-

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mittelt ein weites, zur Küste hin niedriger werdendes und stärker mit Flußebenen durchsetztes Hügelland (siehe Abb. 12-3). Neben dem westlichen Vorland der T'aebaek- und Sobaek-Kette nimmt es vor alleii Dingen das weite Becken des Naktong-gang im Südosten des Landes ein. Mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Reis- und Trockenfeldern bildete das Hügelland überwiegend einen auf landwirtschaftliche Selbstversorgung ausgerichteten Agrarraum mit weitgehend konsolidiertenSubsistenzwirtschaften von denen inzwischen zahlreiche Betriebe durch Einführung von Sonderkulturen (s. U.) ebenfalls zur marktorientierten Produktion übergegangen sind.

Dieser durch die sozioökonomischen Wandlungen im Gefolge der Industriali- sierung noch akzentuierte hypsometrische Formenwandel zwischen dem Tiefland der West- und Südküste und dem Berg- land im Nordosten wird von einem planetarischen Wandel überlagert, der, von H. LAUTENSACH meisterhaft be- schrieben, auch noch heute Gültigkeit hat (siehe Abb. 13). Mit von Süd nach Nord abnehmenden Temperaturen und kürzer werdender Vegetationsperiode finden eine Reihe von Kulturpflanzen in Korea ihre nördliche Verbreitungsgrenze; die subtropisch vielfältigen Anbaumöglich- keiten an der Südküste werden zuneh- mend eingeschränkt. So findet der im Südwesten des Landes verbreitete Abbau der kälteempfindlichen Nacktgerste als Wintergetreide auf trockengelegten

Naßfeldem nur bis zur Linie Chinju- Taech'6n (etwa -3" Januarisotherme) statt, während Winterweizen und bespelzte Wintergerste auf Naßfeldem noch bis zur Linie P'ytingt'aek-Mukho (etwa -4" Januarisotherme) und auf Trockenfeldem noch weiter nördlich angebaut werden können.

Von dieser klimatisch bedingten Grenze bildet besonders die Nordgrenze des Wintergetreideanbaus auf Naßfeldem eine wichtige agrarlandschaftliche Scheidelinie. Während im Süden des Landes die im Sommer zum Anbau von Reis genutzten Naßfelder durch den Anbau von Wintergerste doppelt genutzt werden können, liegen sie in den beiden nördlichen Provinzen Südkoreas, Ky6ng- gi-do und Kangwtin-do während des Winters brach, da sich hier die Erntezeit der Wintergerste mit der Umsetzzeit für Reis um ein bis zwei Wochen über- schneidet.

Neben dem hypsometrischen und planeta- rischen Wandel trägt die Innovation von Sonderkulturen als prägendes Element zur regionalen Gliederung der südkorea- nischen Agrarlandschaft bei. Die mit steigendem Lebensstandard verstärkte Nachfrage nach Sonderkulturen und der Übergang zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe zum marktorientien Anbau ließen zusammen mit dem raschen Aus- bau des Verkehrsnetzes diese Entwick- lung in den letzten zwei Jahrzehnten eine besondere Dynamik gewinnen. S o spezia-

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lisierte sich z. B. die Kimhae-Ebene im Mündungsdelta des Naktong-gang auf den winterlichen Feingemüseanbau in Gewächshäusern aus Bambusgestänge und Vinylfolien. Diese Entwicklung setzte erst ein, als 1970 mit dem Bau der Autobahn Seoul-Pusan die Möglichkeit des raschen Transports der empfindlichen Produkte (Gurken, Tomaten, Salat) an die Seouler Märkte enstand. Dadurch verlagerte sich der Anbaugiirtel für winterliches Feingeniiise schlagartig vom Umland der Hauptstadt, in dem die Gewächshäuser künstlich beheizt werden müssen, an die gut 400 km entfernte, klimatisch begünstigte Si'idküste. Mit dem weiteren Ausbau des Straßennetzes hat sich diese Innovation inzwischen ausgebreitet. Zentren winterlichen Geniüseanbaus unter Vinylfolie liegen heute im Südosten des Landes irn Tal des Naktong-gang, im Südwesten zwischen Kwangju und Najii und so weit nördlich wie Taejbn, Ch'bnan und Suwbn, hier mit sorgfältiger nächtlicher Abdeckung der Gewächshäuser mit Strohmatten. Ausgehend von1 traditionellen Apfelanbau im Umland der Stadt Taegu bildeten sich im Hügelland zahlreiche neue Obstbau- gebiete, in denen der Anbau von Äpfeln, Birnen und Pfirsichen in Obstplantagen, die das bislang nur recht extensiv genutzte Hügelland überziehen, zum führenden Produktionszweig geworden ist, so bei Yesan und Nonsan iri der Provinz Ch'ungch'bng-nanido, bei P'ybngt'aek und Ich'bn in der Provinz Kybnggi-do sowie bei Chbnju in Chblla-

pukto. Der Innovationsanstoß zu dieser marktorientierten Spezialisierung ging in den meisten Fällen auch vom Bau der neuen Autobahnen, die als leistungsfahi- ge Transportwege zu den städtischen Absatzmärkten Leitlinien landwirtschaft- licher Spezialisierung wurden.

Weitere, regional bedeutsame Sonderkul- turen bilden der Anbau der Ginsengwur- zel, einer traditionellen ostasiatischen Heilpflanze, im Gebiet von Kümsan und auf der Insel Kanghwa im Mündungs- trichter des Han-gang, der Tabak-Anbau in der Provinz Ch'ungch'6ng-pukto mit Sint'anjin als großem Verarbeitungszen- trum und der Anbau von Maulbeerbü- schen zur Seidenraupenzucht im Hügelland des oberen Naktong-gang- Beckens.

Trotz der Steigerung der Hektarerträge ini Reisanbau gelang es Südkorea nicht, sein u r s p ~ n g i i c h definiertes Ziel, von Getreideimporten unabhängig zu werden, zu erreichen; der Importanteil stieg im Gegenteil ständig an und hat heute gut die Hälfte des Getreidebedarfs erreicht (siehe S . 66). Die Ursache hierfür liegt nicht so sehr in einer zu raschen Bevöl- kerungszunahme - die südkoreanische Landwirtschaft gewann im Wettlauf mit dem Bevölkerungswachsturn einen siche- ren Vorsprung -, sondern in einem mit steigendem Lebensstandard rasch zuneh- menden Pro-Kopf-Verbrauch und einer Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Neben Reis als Grundnahrungsmittel

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werden heute in sehr viel stärkerem Maße westliche Backwaren, Fleisch, Gemüse und Obst verzehrt, als noch vor einer Generation. Weizen fur Backwaren und sonstiges Getreide als Viehfutter lassen sich günstiger importieren, während die knappen Bodenressourcen des Landes verstärkt zum Anbau lukrati- ver Sonderkulturen genutzt werden. Dadurch ging der Anteil des Getreides am gesamten Produktionswert der Land- wirtschaft zwischen 1961 und 1990 von 74,O % auf 41,9 % zurück, während der des Gemüses im gleichen Zeitraum von 11,6 % auf 16,8 % und der des Obstes von 1,8 % auf 6,7 % stieg.

Während der Anbau von Reis als hoch- wertigem Gmndnahmngsmittei durch den Ausbau der Bewässemngsaniagen noch ausgeweitet werden konnte (auf 5 1,6 % der Anbaufläche 1990, vgl. Tab. 3), wurde der sonstige Getreideanbau, speziell der Wintergerstenanbau, stark eingeschränkt (von 29,8 % der Anbauflä- che 1970 auf 8,2 % im Jahre 1990); dadurch ging der traditionell hohe Ausnutzungsgradderlandwirtschaftlichen Nutzfläche Südkoreas, der in erster Linie auf der Doppelnutzung der Reisfelder in den südlichen Provinzen durch einen zusätzlichen Wintergerstenanbau bemhte, stark zurück. Ebenfalls rückläufig ist der Anbau von Kartoffeln, besonders der Süßkartoffel, die als "Reis des armen Mannes" galt, während der Anbau von Hülsenfrüchten, speziell Sojabohnen, die in der früher weitgehend vegetarischen

Ernährung den wichtigsten Eiweißliefe- ranten bildeten, seinen Umfang behaup- ten konnte. Stark ausgeweitet wurde der Gemüseanbau (von 6,4 % der Anbauflä- che 1970 auf 11,5 % im Jahre 1990). Die wichtigsten Gemüsearten sind China- kohl, Rettich, roter Pfeffer und Knob- lauch, die Hauptbestandteile des "Kimch'i", des zum Fermentieren in große Tonkrüge eingelegten Gemüses, das bei keiner koreanischen Malzeit fehlen darf.

Durch geschickte Ausnutzung der regio- nal unterschiedlichen Klirnaverhältnisse und den weitverbreiteten Einsatz folien- überspannter Gewächshäuser ist die südkoreanische Landwirtschaft heute in der Lage, diese Gernüsearten, aber auch zahlreiche neu in Korea eingeführte Feingemüsearten ganzjährig in großen Mengen an die städtischen Märkte zu liefern.

Stark ausgeweitet wurde auch der Obst- bau, der 1970 erst 1,9 %, heute (1990) aber bereits 5,5 % der Anbaufläche ein- nimmt. Äpfel, Pfirsiche, Tafeltrauben, Birnen und Persimonen sind die wichtig- sten, speziell im Hügelland in bäuerli- chen Betrieben plantagenmaßig angebau- ten Obstarten (s. 0.). Hinzu kommt der auf die Insel Cheju-do beschränkte Mandarinenanbau, der mit einer Ver- zehnfachung der Anbaufläche im letzten Jahrzehnt eine besonders stürmische Ausweitung erfuhr und heute nur noch vom Apfelanbau übertroffen wird.

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Obwohl die Viehhaltung unter dem Einfluß veränderter Ernährungsgewohn- heiten rasch an Umfang zunahm (Steige- rung ihres Anteils am gesamten Produk- tionswert der Landwirtschaft von 9,4 % im Jahre 1961 auf 27,2 % im Jahre 1990), spielt sie im Vergleich zur Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel immer noch eine untergeordnete Rolle. Milchviehhaltung war im traditionellen Korea praktisch unbekannt, mit der teil- weisen Übernahme westlicher Konsumge- wohnheiten durch städtische Bevölke- rungsschichten erfahrt sie jedoch seit einigen Jahren einen raschen Auf- schwung. Neben den großen Milchfar- men städtischer Unternehmer gewinnt in letzter Zeit die Milchviehhaltung auch als Form landwirtschaftlicher Spezialisierung in bäuerlichen Betrieben an Bedeutung. Da sie jedoch ganz auf die städtischen Absatzniärkte ausgerichtet ist, beschränkt sie sich vorwiegend auf das direkte Umland der städtischen Ballungszentren. Spezielle Fleischrindhaltung entwickelte sich, ursprünglich ebenfalls in der Form großer Rinderfarmen kapitalkräftiger Unternehmer, vorwiegend in peripheren Räumen, als oberes Stockwerk landwirt- schaftlicher Nutzung auf der Insel Cheju- d o sowie im Bergland der Provinz Kang- w6n-do. Hier hat die Fleischrindhaltung als Form landwirtschaftlicher Spezialisie- rung auch verstärkt Eingang in bäuerli- che Betriebe gefunden. Sonst wird Rindvieh von den bäuerlichen Betrieben fast nur als Zugvieh gehalten. Vorerst bildet noch die Schweinehaltung, die von

durchschnittlich jeder dritten Familie auf dem Lande nebenher betrieben wird, die Hauptgrundlage der Fleischversorgung, die trotz einer Steigemng von 13 g/Tag und Person im Jahre 1966 auf 40 g ini Jahre 1989 (9 g Rindfleisch und 31 g Schweinefleisch) im Vergleich zu west- lichen Industriestaaten (z.B. USA 200 q/Tag) immer noch äußerst gering ist.

Deshalb ist, ähnlich wie in Japan, der Ernährungsraum des koreanischen Volkes nicht auf die relativ geringe landwirt- schaftliche Nutzfläche beschränkt, sondern dehnt sich über die reich geglie- derten Küstengewässer auf die unigeben- den Meeresgebiete aus. Durch das Zusammentreffen des warmen, salzrei- chen Kuroshio-Stromes und des nordko- reanischen Kaltstromes bieten die koreanischen Küstengewässer äußerst günstige Voraussetzungen für ein reiches Fischleben, in dem sowohl tropische Warmwasserfische wie Sardinen, Makre- len und Haarschwanz als auch Kalt- wassertiere wie Alaskapollack, Hering, Dorsch, Plattfischarten und Krabben nebeneinander auftreten (siehe Abb. 13). Die Küsten- und küstennahe Fischerei, die sich zur Zeit im Übergang von1 nebenberuflichen Fischfang mit kleinen hölzernen Ruder- und Segelbooten auf hauptberufliche Fischerei mit größeren, motorgetriebenen Fahrzeugen und damit in einem Konzentrationsprozeß auf die größeren Fischereihäfen Mokp'o, In- ch'i3n, Sokch'o, P'ohang und Pusan befindet, trägt immer noch zu 54,7 %

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LANDWIRTSCHAFT 77

zum Wert der Fischereiproduktion Süd- koreas bei, die heute (1990) mit 3,2 Mio. t bereits den Vorkriegsstand des gesamten Landes übertroffen hat. Neben der küstennahen Fischerei entwickelte sich in den letzten zwei Jahrzehnten auch die südhuieaiischt: Hochslefisciierei zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig. Heute (1990) arbeiten bereits 783 süd- koreanische Fischereifahrzeuge von zahlreichen Stützpunkten im Pazifischen, Indischen und Atlantischen Ozean aus auf allen bedeutenden Fischgründen der Welt. Neben dem Fang von Alaskapol- lack durch Trawler im Nordpazifik ist die südkoreanische Hochseefischerei be- sonders auf den arbeitsintensiven Thun- fischfang mit Langleinen und die Bonit- fischerei spezialisiert. Der größte Teil der Fänge, der 1990 bereits 28,6 % der südkoreanischen Fischereiproduktion erbrachte, wird in eigenen Fabrikschiffen aufbereitet und direkt exportiert. Zu einem weiteren wichtigen Exportgeschäft, besonders mit Japan, entwickelten sich die Marinkulturen im Flachwasserbereich der zahlreichen Buchten und Sunde. Der Wert der sich auf 773 000 t (1990) be-

laufenden Produktion trägt 15,3 % zur Gesarntproduktionder Fischereiwirtschaft bei. Hauptprodukte sind Seetang (miyLlk) mit 42 % der Gesamtproduktion der Marinkulturen, Speisalgen (kim) mit 15 % und Speiseaustern (kul) mit 34 % sowie Speisemuscheln mit 1 1 %. Seit 1962 vollzieht sich im Bereich der Marinkulturen, die mit zwei Dritteln der Produktion ihren Schwerpunkt an den Küsten der südwestlichen Provinz Cholla- namdo haben, ein Übergang von der traditionellen Sammelwirtschaft zu sorg- fältig gepflegten Kulturen nach japani- schem Vorbild mit künstlicher Keim- annicht usw. Da die Marinkulturen nur in einem eng begrenzten Temperatur- bereich gedeihen, müssen die Netze und Seile, an denen sie wachsen, laufend verstellt werden, um sie in entsprechend temperierten Wasserschichten zu halten; daher sind sie sehr arbeitsintensiv; andererseits erfordern sie nur einen geringen Kapitaleinsatz und bilden für die Küstenbewohner als winterlicher Teilerwerbszweig eine ideale Ergänzung ihrer landwirtschaftlichen Einnahmen.

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Südkoreas

Industrieregionen

Die einzelnen Industrialisierungsschritte (siehe S. 48 ff.) führten mit ihren unter- schiedlichen Standortansprüchen zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung des süd- koreanischen Wirtschaftsraumes.

Da der erste Industrialisierungsschritt als Importsubstitutions-Industrialisierung im Bereich der Konsumgüter ganz auf den Binnenmarkt ausgerichtet war, konzen- trierte e r sich ausgesprochen marktorien- tiert auf die drei großen Bevölkemngs- Zentren Seoul, Pusan und Taegu. Diese Standorte wurden auch beibehalten, als sich die Leichtindustrie in der zweiten Stufe dem Export zuwandte und dadurch eine rasche Ausweitung erfuhr. So waren noch 1970 in den drei großen Bevölke- rungszentren 60,4 % aller Industrie- arbeiter des Landes beschäftigt, die 57,4 % der gesamten Industrieproduktion herstellten. Auf lokaler Ebene erfolgte mit dem Wachstum der Städte und dem steigenden Flächenanspmch der Industrie allerdings schon in der zweiten Industria- lisierungsstufe eine Verlagerung in spezi- ell ausgewiesene Industriezonen jenseits der Stadtgrenzen. So schob sich vom Seouler Industrievorort Ydngdüngp'o (Nahrungsmittelindustrie, pharmazeuti- sche Industrie, Textilindustrie) eine geschlossene Industriegasse iiber Puch'dn

und mip'yong (Fahrzeugbau, Elektroin- dustrie) nach Westen bis zur 3 0 km entfernten Hafenstadt Inch'on mit seiner importorientierten Schwer- und export- orientierten Leichtindustrie vor. Eine zweite Industriegasse erstreckte sich längs der nach Süden führenden Straßen und Bahnlinie von Seoul über Anyang (Automobilmontage, Elektroindustrie), Suw6n und Osan bis nach P'yongt'aek. Dieses in Korea als Industrieregion Kydngin bezeichnete Industriedreieck, das an seinen Landseiten Seoul - Inch'on und Seoul - P'yongt'aek vorwiegend durch absatzorientierte Leichtindustrie geprägt wird, sollte an seiner Seeseite zwischen Inch'on und der 1974 durch einen 2 km langen Deich abgeschlos- senen Asan-Bucht bei P'yongt'aek durch einen Schenkel mit importorientierter Schwerindustrie (chemische und metall- erzeugende Grundstoffindustrie) ergänzt werden. Durch eine weitere Ballung der Industrie in der Hauptstadtregion, die 1970 bereits 43 % der gesamten Indu- strieproduktion Südkoreas lieferte (H.S. LEE 1975), wäre die monoregionale Entwicklung des Landes noch verstärkt worden.

Inzwischen ist jedoch mit Südkoreas Eintreten in die zweite Phase der Industrialisierung längs der Südostküste ein dynamisch wachsender Gegenpol zum Industriedreieck der Hauptstadtregion entstanden. Für die hier errichteten Schwerindustrien gelten andere Standort- bedingungen; sie verarbeiten Rohstoffe

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zu industriellen Zwischenprodukten, und da Südkorea über diese Rohstoffe nicht verfügt, sondern sie importieren muß, waren hafenorientierte Standorte an der Südostküste, d.h. möglichst nah an den internationalen Schiffahrtsrouten, nur logisch. Diese Standortentscheidungen bestätigten sich umso mehr, als Südkorea in der nächsten Industriaiisiemngsstufe begann, schwerindustrielleZwischengüter zu exportieren.

Der Industriegürtel der Südostküste beginnt im Norden mit dem integrierten Stahlwerk von P'ohang, das heute aus australischen, indischen und südamerika- nischen Erzen, die es mit Kokskohle aus Australien, Kanada und den USA verhüt- tet, jährlich 9 Mio. t Stahl herstellt, von dem ein Drittel exportiert wird (vor- nehmlich in die USA und nach Japan).

Nur 6 0 km weiter südlich errichtete der Hyundai-Konzern 197 1-74 an der Außen- küste von Ulsan eine Werft, die inzwi- schen zur größten Werft der Welt ausge- baut wurde und bis Ende 1984 bereits 271 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 7 Mio. BRT ausgeliefert hat. Mit an- nähernd 4 0 000 Beschäftigten hat diese Werft wesentlich dazu beigetragen, daß sich Südkorea innerhalb nur eines Jahrzehntes aus dem Nichts heraus zur zweitgrößten Schiffsbaunation der Welt (nach Japan) entwickelte. Inzwischen hat diese Werft ihre Tätigkeit auch auf andere Sparten des Stahlbaus (Anlagen- bau, Hochbau) ausgeweitet. Ebenfalls in

Ulsan baut der gleiche Konzern im größten Automobilwerk des Landes neben Lastkraftwagen und Bussen auch seine kleinen Personenwagen der Modelle Pony und Excel, die seit 1985 wesentlich dazu beitmgen, Südkoreas Automobilindustrie neben der elektro- nischen Industrie zu der am schnellsten wachsenden Exportbranche werden zu lassen. S o wurde Hyundais Pony, der seit 1985 nach Kanada exportiert wird, auf Anhieb zum meistgekauften Import- wagen auf dem kanadischen Markt. Einen ähnlichen Erfolg erlebte ein Jahr später sein Nachfolgemodell, der Excel, auf dem US-amerikanischen Markt. Der Hyundai-Konzern, der mit 6 0 % der Produktion den koreanischen Automarkt beherrscht, und seine Konkurrenten Daewoo und Kia produzierten 1990 zu- sammen 1,32 Mio. Fahrzeuge, von de- nen der überwiegende Teil (für 3 ,3 Mrd. $) in den Export ging. Damit ist Süd- korea auf den 10. Platz in der Liste der Autoproduzenten vorgerückt (nach Japan, den Vereinigten Staaten, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, der früheren Sowjetunion und Großbritannien).

Darüber hinaus ist Ulsan, dessen Einwohnerzahl zwischen 1970 und 1990 von 157 000 auf 683 0000 anschwoll, der Standort einer vielfältigen petro- chemischen Grundstoffindustrie, die einer 1970-72 errichteten Großraffinerie nachgeschaltet ist.

Nur wenige Kilometer südlich wird die

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Region Ulsan durch den Industrieschwer- punkt Onsan ergänzt, in dem neben einer weiteren Raffinerie besonders Betriebe der Buntmetallverhüttung (Kupfer-, Blei-, Zink- und Aluminiumhütten) konzentriert sind. Zwei ölgeheizte Wärmekraftwerke und vier Kernkraftwerke (drei in Kori und eines in Wolsbng) versorgen diese neue Industrieregion mit Energie. Industrielles Brauchwasser steht aus einer Reihe neuer Talsperren und besonders aus dem Naktong-gang, dessen Abfluß durch einen Vielzweckdamm oberhalb von Andong und einen Mündungsdamm reguliert werden kann, in ausreichendem Maße zur Verfügung.

Jenseits von h s a n , das als zweitgrößte Stadt Koreas (1990: 3,8 Mio. Ew.) und wichtigster Hafen an allen Industriali- sierungsphasen beteiligt war und deshalb eine sehr gemischte Industriestruktur, darunter das größte Sperrholzwerk der Welt, aufweist, setzt sich der neue Industriegürtel an der Südküste mit der Insel Kbje-do fort, auf der in Okp'o vom Daewoo-Konzern die zweite Großwerft Südkoreas errichtet wurde. Gegenüber an der Festlandsküste entstand mit Masan und Ch'angwbn ein Zentrum des Maschi- nenbaus (einschließlich einer nicht unbedeutenden Rüstungsgüter-Industrie) und in der westlich anschließenden Industrieregion Chinsa das Traktoren- werk Sach'bn, aus dem die Mechanisie- rung des südkoreanischen Agrarsektors gespeist wurde.

Den westlichen Abschluß dieses küsten- nahen Industriegürtels bildet die Industrieregion um die Kwangyang-Bucht bei Ybsu mit einer 1969 errichteten Großraffinerie und einem zweiten Zentrum der petrochemischen Industrie. Der hier 1977 in Betrieb genommene Düngemittelkomplex der Namhae Chemi- cal Co., der neben Anlagen für die Produktion von Phosphorsäure und Kom- plexdünger das größte Harnstoffwerk der Welt enthält, ließ Südkorea zu einem bedeutenden Diammonium- und Kom- plexdüngerexporteur werden.

Am Nordufer dieser Bucht wurde 1987 auf einer 1 485 ha großen, dem Meer abgewonnenen Fläche von der staatseige- nen P'ohang Iron and Steel Co. Südko- reas zweites integriertes Stahlwerk in Betrieb genommen. Seine Kapazität wurde in zwei Ausbaustufen (1988 und 1990) von 2,7 Mio. t auf 8 , l Mio. t gesteigert; damit rückte Südkorea mit einer Stahlerzeugung von 23,l Mio. t (1990), die allerdings immer noch nicht ausreicht, den Inlandsbedarf zu decken, in der Liste der stahlproduzierenden Länder auf den 6. Platz (nach der So- wjetunion, Japan, den Vereinigten Staa- ten, China und der Bundesrepublik) vor. Eine weitere, im F ~ h j a h r 1991 begonne- ne Ausbaustufe wird die Kapazität des Stahlwerkes Kwangyang, das mit fünf Liegeplätzen für Schiffe bis zu 250 000 BRT über die größten Hafenanlagen des Landes verfügt, auf 11,4 Mio. t steigern.

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Von der Regel, daß die Schwerindustrie Südkoreas hafenorientiert ist, weicht lediglich die Zementindustrie ab, da sie als einzige ihren Rohstoff in ausreichen- der Menge im Lande findet. Sie nimmt deshalb rohstofforientierte Standorte ein, wie die Kalksteinvorkornrnen der T'ae- baek-Kette (Chech'on, Tanyang und Yongwol) und der Ostküste (Pukp'yong und Sarnch'ok). Mit seinen zehn Zement- werken, die 1990 30,5 Mio. t produzier- ten, ist Südkorea nach China, Japan und Indien inzwischen zum viertgrößten Ze- mentproduzenten Asiens geworden; ein beträchtlicher Teil wird exportiert, vornehmlich in Länder der Arabischen Halbinsel.

Mit Südkoreas Eintreten in die dritte Industrialisierungsphase gewannen be- sonders für den Bereich der technologie- intensiven elektronischen Industrie neue Standortfaktoren an Gewicht. Dieser Industriezweig ist sehr forschungsinten- siv. So investieren die südkoreanischen Mikrochip-Hersteller durchschnittlich 8,6 % ihres Umsatzes (im Vergleich zu 1,5 % in Taiwan) in Forschung und Entwicklung und waren dadurch in der Lage, bereits 1984, ein Jahr nach Auf- nahme der 64 K D-RAM-Chipproduktion den hochintegrierten 256 K D-RAM-Chip auf den Markt zu bringen, ein Jahr vor Taiwan und nur wenige Monate nach Japan. Während sich Südkorea damit einen sicheren 3. Platz in der Liste Mikrochip produzierender Länder (nach Japan und den USA) erobern und die

elektronische Industrie 1987 erstmalig die Textilindustrie von ihrem traditionellen Platz als Südkoreas Exportführer ver- drängen konnte, arbeiteten die For- schungsabteilungen der südkoreanischen Mikrochip-Hersteller bereits an der Entwicklung höchstintegrierter Speicher- bausteine für die nächsten Computerge- nerationen, den 4 mega D-RAM-Chip (Produktionsbeginn 1989) und den 16 mega D-RAM-Chip (1992). Aufgrund dieser engen Verbindung zur Forschung, die eine gute Kommunikation, auch im internationalen Bereich voraussetzt, sucht die elektronische Industrie die Nähe zur Metropole Seoul, wie die Standortent- scheidungen des Branchenführers Sam- sung für sein Halbleiter-Werk in Ich'6n und sein jüngstes Werk für die Chippro- duktion in Yongin, beides Standorte im Ballungsraum Seoul, demonstrieren.

Um die Hauptstadtregion nun nicht erneut zum alleinigen Entwicklungspol werden zu lassen, beschloß die Regie- rung, in Anlehnung an das japanische Technopolis-Konzept in Taed6k auf einer Fläche von 40 km2 einen Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsschwer- punkt für die technologieintensive Industrie zu gründen. Diese genau im Zentrum des Landes nördlich von Taej6n gelegene Technopolis soll nach ihrer Fertigstellung neben privaten 12 staat- liche Forschungseinrichtungen, darunter das angesehene Korea Advanced Institute of Science and Technology, beherbergen und damit zu einem Anziehungspunkt für

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die technologieintensive Industrie wer- den. Taej6n wird als "Mutterstadt" die Funktion des Oberzentrums für diese auf 50 000 Ew. angelegte Technopolis über- nehmen. Der Bau einer zweiten, Ende 1987 eröffneten Autobahnverbindung zwischen Sem1 und Taej6n sowie eines neuen internationalen Großflughafens sollen diese Technopolis national wie international optimal in das Kommuni- kationsnetz einbinden.

Die wirtschaftliche Öffnung Chinas führ- te 1988 zu einer Revision des Zweiten Landesentwicklungsplanes (1 982-199 1) und des laufenden Sechsten Fünfjahres- planes (1987-1991), in der der wirt- schaftlichen Erschließung der Westküste als natürlicher Gegenküste zu den Öko- nomischen Sonderzonen im Osten Chiiias größeres Gewicht eingeräumt wurde. Ne- ben der Ausweisung oder Erweiterung von Industrieparks (Sihwa-Kunsan, Tae- bul, Hanam, Chönju-Iri-Chbngju sowie

ein High-Tech-Industriepark bei Kwang- ju) sieht die Planung vor allen Dingen einen Ausbau der infrastmktur dieser Westküstenregion vor (Ausbau der Häfen von Kunsan und Mokp'o, Anlage eines Flughafens bei Mokp'o, Erweitemng der Honam-Bahnlinie auf zwei Gleise, Bau einer Westküstenautobahn von Inch'6n über Tangjin und Kunsan nach Mokp'o). Darüber hinaus sind an der Westküste einige Elektrizitätswerke geplant, die mit importierter chinesischer Kohle gefeuert werden sollen.

Damit Iäßt die regionale Differenzierung der südkoreanischen Industrie erkennen, daß die Vertiefung und Verknüpfung der Industriestruktur dazu beigetragen hat, die zu Beginn der Industrialisierung aufgetretenen regionalen Disparitäten weitgehend wieder abzubauen und eine ausgewogenere Raumentwicklung einzu- leiten.

Abb. 14 Bodenschätze - Energie - Industrie Entwue E. DEGE

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Wohnen in Korea

Als Agrarland entwickelte Korea eine Wohnform, die den klimatischen Bedin- gungen des Landes, den Bedürfnissen der Landwirtschaft und der konfuzianisch geprägten Gesellschaftsordnung optimal angepaßt war. Sie findet ihren Ausdruck in Grundriß und Bauweise der koreani- schen Gehöfte und bestimmt heute noch selbst die Architektur der Wohnhochhäu- ser in den Millionenstädten.

In der Bauweise koreanischer Gehöfte herrschen zwei Grundtypen vor. In den südlichen Provinzen bildet der Grundriß der Bauernhäuser ein längliches von der Traufseite erschlossenes Rechteck, in dem sich zwei oder drei zumeist winzige Wohnräume neben der in einer Giebelsei- te gelegenen Küche aufreihen. Während die Küche etwas in den Boden eingesenkt ist, liegen die Fußböden der Wohnräume etwa kniehoch über dem Boden. So kann der heiße Rauch von der Feuerstelle der Küche, in die zwei bis drei mächtige Kochkessel eingelassen sind, in gemau- erter, Zügen unter den Fußböden hin- durchgeführt werden, um dann einen halben bis einen Meter außerhalb des Hauses durch einen einzelstehenden Schornstein zu entweichen. Während die Fußböden der Wohnräume durch diese traditionelle koreanische Bodenheizung (ondol) angenehm warm gehalten wer- den, kann die Luft in den Zimmern

während der strengen Wintermonate recht kalt werden, da die Wände, Fach- werk mit Füllungen aus lehmverschmier- tem Bambusflechtwerk, recht dünn sind, und auch die mit Reispapier beklebten Türen, die über einer fußhohen Schwelle ansetzen und in Schulterhöhe abschlies- sen, sehr schlecht isolieren.

Aus diesem Grund spielt sich das Leben in koreanischen Häusern auf dem mit geöltem Papier beklebten, peinlich sauber gehaltenen Fußboden ab. Man sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, wobei es die Gastfreundschaft gebietet, dem Gast den wsrmsten Platz des Bodens an- zubieten. Zum Essen wird ein niedriges Tischchen hereingereicht, das mit seinen einklappbaren Beinchen wie ein Tablett in der Küche verstaut werden kann, wenn es nicht benutzt wird. Zum Schla- fen werden mit Baumwolle gefüllte Steppdecken einem Wandschrank ent- nommen, eine als Matratze und eine als Decke. Als Kopfkissen dienen stoffbe- spannte Holzkästen oder Kissen, die mit Reisspelz hart ausgestopft sind.

Die Möbliemng beschränkt sich in der Regel auf ein etwa 30 cm hohes Schreib- tischchen in dem Zimmer, das die schul- pflichtigen Kinder zum Studium benutzen. Lediglich in den Häusern wohlhabenderer Bauern finden sich schöne messingbeschlagene Truhen und Schränkchen oder Möbel mit schwarzen oder roten Lackfronten, die sorgfältig mit Perlmutt-Einlegearbeiten verziert sind.

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WOHNEN I N KOREA 85

Als moderne Elemente kommen Nähma- schine, Kühlschrank und Fernsehgerät hinzu.

Im Sommer verlagert sich das Leben auf die vor den Wohnzimmern langezogene, mit überdachte Veranda (rnaru), deren geölter Holzboden im gleichen Niveau wie die Fußböden der Wohnzimmer etwa kniehoch über dem Boden angebracht ist. Unter diesem Verandaboden werden die Schuhe abgestellt, wenn man das Haus betritt. In den Gehöften wohlhabenderer Bauern setzt sich die Veranda vielfach anstelle eines Zimmers quer durch das Haus bis an die Rückwand fort und wird so zu einer Wohndiele (raech '(ing) envei- tert.

Das Dach, ein flaches Walmdach, war traditionell mit Reisstroh gedeckt, das spätestens alle zwei Jahre erneuert werden mußte. Nur wohlhabende Bauern konnten sich ein Ziegeldach leisten, das dann den charakteristischen konkaven Schwung der First- und Walmlinien zeigte. Im Rahmen der 1971 initiierten Saemaül- (Neues Dorf) Bewegung wurden die meisten Reisstrohdächer durch Dächer aus bunt gestrichenen Asbestzementplatten ersetzt. Dieses umstrittene ländliche "face lifting" war eine der Voraussetzungen für die Einführung der neuen hochtragenden Hybridreissorten, deren kurzes Stroh sich nicht zum Dachdecken eignet. Es hatte jedoch den Nachteil, da8 die neuen "SaernaUI-Dächer" bei weitem nicht so

gut gegen Hitze und Kälte isolieren, wie die traditionellen Strohdächer.

In der Provinz Kybnggi-do und im nördlich anschließenden Nordkorea bilden die Bauernhäuser Winkel, deren einer Schenkel Küche, Vorratskammer und Wohnzimmer für Frau und Kinder (anbang) enthält, während sich im anderen Schenkel jenseits der quer durch das ganze Haus ziehenden Wohndiele (taech'Llng) ein Zimmer für den ältesten Sohn und seine Familie (kLlnnLlnbang) befindet (siehe Abb. 15). Die Wohndiele erlaubt den Blick bis unter das Dach auf den sorgfältig geglätteten Firstbalken, in dem Datum und Stunde seiner feierlichen Anbringung eingeschnitten sind. Im Som- mer dient die zur Veranda hin offene Wohndiele als Mittelpunkt des Hauses, während im Winter die Familie im anbang zusammenkommt. Diesem Win- kel des inneren Wohnhauses (anch 'ae) ist meistens noch ein äußeres Torhaus (paldiatch'ae) vorgesetzt, das eine mit einem hölzernen Tor verschlossene Durchfahrt enthält. Auf der einen Seite der Durchfahrt liegen ein Stall für den Zugochsen und ein Speicher, auf der anderen Seite ein Zimmer für den Knecht (mbsUmbang) und ein Zimmer für den Hausherrn und seine Gäste (sarangbang).

Durch diese Anordnung ist die Familie im traditionellen koreanischen Haus völlig gegen die Außenwelt abgeschirmt; Kontakte von außen reichen nur bis in das Torhaus und beschränken sich auf

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den Hausherrn und den Knecht. Männli- che Gäste hatten im traditionellen Korea keinen Zutritt in die Privatsphäre der Familie und wurden deshalb ebenfalls im Torhaus untergebracht. Der Winkel des Wohnhauses und das Torhaus schließen einen kleinen Innenhof ein, der mit sei- nem Brunnen mit zum Wohnbereich der Familie gehört. Seine offene Seite wird durch eine hohe Mauer aus Lehmziegeln oder durch einen rechtwinklig angesetz- ten Flügel des Torhauses abgeschlossen. Diese Form des mittelkoreanischen Ge- höftes bietet mit seiner Funktionstren- nung der Familie auf einem Minimum an Grundfläche ein Maximum an Privat- sphäre.

Koreanische Dörfer bilden in der Regel engbebaute Haufendörfer, in denen die einzelnen Gehöfte nur durch schmale Gassen voneinander getrennt sind. Bevor- zugte Siedlungslage ist der Südfuß des Hügellandes am Rande der siedlungsfrei- en Reisebene, während des Winters gut besonnt und durch die hinter dem Dorf ansteigenden Hügel gegen die eisigen Nordwinde geschützt. Lediglich im Bergland des Ostens und Nordens finden sich, bedingt durch die Knappheit an bebaubarem Boden, auch Einzelhöfe, vielfach an den Leitlinien des Reliefs (Bachläufen oder Talflanken) aufgereiht.

Abgesehen von einem Gemischtwarenla- den, evtl. einem Frisör, einer Schank- wirtschaft und einer Reismühle in den größeren Dörfern, gibt es in koreani-

schen Dörfern weder Geschäfte noch Handwerker. Diese konzentrieren sich, häufig in erstaunlicher Zahl und Bran- chendifferenzierung, in den zentralen Orten unterer Stufe, die das Land mit einem dichten Netz überziehen. In diesen Orten werden, in der Regel alle fünf Tage, auf einem speziellen, abseits der Durchgangsstraße gelegenen Platz entwe- der unter freiem Himmel oder in festen Ständen ländliche Märkte abgehalten, zu denen die Landbevölkerung grüppchen- weise, aber nach Geschlechtern getrennt, aus allen umliegenden Dörfern zusam- menströmt. Diese periodischen Märkte mit ihrem verblüffend reichhaltigen und vielseitigen Angebot reichen normaler- weise zur Versorgung der Landbevölke- rung mit Artikeln des kurz- und mittel- fristigen Bedarfs, Lebensmitteln, Textilien, Schuhen, Haushaltswaren und landwirtschaftlichen Geräten, aus; lediglich für längerfristige Anschaf- fungen, wie Nähmaschinen oder Fernseh- geräte, wird die nächstgelegene Bezirks- stadt aufgesucht.

Ähnlich wie der ländliche Handel, sind auch die Schulen an wenigen Punkten konzentriert. So Iäßt sich jeden Morgen beobachten, wie die Kinder aus allen Dörfern der Umgebung in kleinen Trupps durch die taunassen, im Morgen- dunst dampfenden oder im Winter über die im Licht der fahlen Morgensonne noch steinhart gefrorenen Reisfelder den Mittelpunktschulen zustreben, am Rande eines großen staubigen Schulhofs weit

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hingestreckten, weiß getünchten Gebäu- den. Sind die Grund- und Mittelschulen in der Regel von allen Dörfern aus zu Fuß erreichbar, so müssen die Schüler der höheren Schulen zumeist mit dem Lokalbus in die nächstgelegene Bezirks- stadt fahren.

In den traditionellen koreanischen Städten wich die Wohnform nicht wesentlich von der des Landes ab, nur daß sich hier die Häuser noch enger drängten, als in den Dörfern. Das Meer der einstöckigen und auch in den Städten zumeist strohgedeck- ten Wohnhäuser überragten lediglich die Stadttore, die Sitze der Bezirks- und Provinzgouverneure, dieKonfuzius-Schu- len und in der Hauptstadt die königlichen

Palastanlagen mit ihren mächtigen dunk- len Ziegeldächern. Neuere Bauformen wurden erst zu Beginn der japanischen Kolonialzeit in Korea eingeführt. Zeugnisse dieser Epoche, Häuser im japanischen oder europäisierenden Stil, sind hier und dort noch zu finden. Im großen und ganzen lehnt sich das heutige städische Wohnhaus aber immer noch an die Grundform des koreanischen Gehöf- tes an. Charakterisch sind weiterhin die hohe Mauer, die das Einzelhaus umgibt und immer noch einen, wenn auch viel- fach auf wenige Quadratmeter ge- schrumpften Innenhof umschließt. Beibe- halten wurde auch die Gliederung des Wohnbereichs in Zimmer mit der tradi- tionellen Fußbodenheizung und eine

Tab. 4 Daten zur Wohnsituation in Südkorea

Republik Korea Seoul

1970 1980 1990 1970 1980 1990

Haushaltungen (in Tausend) 5 857 7 993 1 1 364 1 095 1 844 2 820 Wohnungen (in Tausend) 4415 5353 7374 607 980 1 463 Wohnungsbelegung (in %) 132,7 149,3 154,l 180,2 188,l 192,8 Von den Wohnungen sind in:

Einfamilienhäusern (%) 94,l 86,9 66,3 84,9 69,8 46,l Reihenhäusern (%) - 3,O 6,8 - 7.0 12,4 Mietshäusern (%) 3,3 ... 1,7 5,7 ... 3,6 Apartmenthäusern (%) 0,8 7,O 22,7 3.9 18,8 35,3 sonst. Unterkünften (%) 1,8 3,1 2,5 5,5 4,4 2,6

Quelle: P o P u L A n o N AND HOUSING CENSUS 1970, 1980 und 1990

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ungeheizte Diele mit Holzfußboden, die der großen Veranda des Bauernhauses entspricht und durch verglaste Schiebe- türen zum Innenhof hin geöffnet werden kann. Diese Zweiteilung des Hauses erlaubt weiterhin die jahreszeitliche Ver- lagerung des Wohnmittelpunktes vom geheizten Fußboden des Wohnzimmers in die gut durchlüftete, kühle Diele.

Eine mit der Industrialisierung rasch voranschreitende Urbanisiemng führte nicht nur zu einem raschen Wachstum der Städte, sondern auch zu einer starken Überbelegung des Wohnungsbestandes.

Noch 1990 lebten 48 % der Seouler Haushaltungen zur Untermiete. Seit den 60er Jahren werden städtische Einfami- lienhäuser deshalb oft mit Tiefparterre gebaut, die laut Bauplan eine Garage und Wohnräume für Hauspersonal enthält, in Wirklichkeit aber als Gewerberaum und Wohnungen vermietet dem Hausbesitzer hilft, seinen Abtrag zu zahlen. Selbst in sozial gehobenen Wohnvierteln hört man deshalb hinter so manchem Garagentor das Ratschen von Strickautomaten oder entdeckt hier kleine Läden.

Erst in den 70er Jahren fand mit den

Abb. 16 Eigentumswohnung in einem 15-stöckigen Apartmenthaus in Seoul P Typ 31 "Honey", 1983 in Kaepo am südöstlichen Stadtrand von Seoul errichtet. Kaufpreis: 32,6 Mio. Won (= 1 12 000 DM)

Dieser Komplex (Kaepo Woosong Apart Town), einer von vielen gleichartigen Hochhaussiedlungen, enthält in zehn 15-stöckigen Wohnhochhäusem 210 Wohnungen des Typs 31 "Honey" (84,8 m2), 330 Wohnungen des Typs 45 "Sweet" (127,6 m2), 90 Wohnungen des Typs 55 "Elegance" (158,5 m2) und 60 Wohnungen des Typs 65 "Royal" (190,O m2).

1 = Eingang (1.7 m2) 2 = Diele (25,2 m2) 3 = Küche mit EOecke (9.0 m2) 4 = Wohnzimmer (anbang, 16.6 m2) 5 = Zimmer (1 1,8 m2) 6 = Zimmer (9,2 m2) 7 = Bad und WC (4.8 m2) 8 = Vorratsraum (4,s m2) 9 = Abstellraum (1,O m2) 10 = Müllschlucker (1,O m2)

E n r w u ~ E. DEGE nach einem Prospekt der FA. WOOSONG

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koreanischen Haus noch die Zweiteilung in Zimmer mit Fußbodenheizung und eine große Diele mit Schiebetüren zum Balkon erhalten (siehe Abb. 16). In diese Diele haben vielfach westliche Möbel in Form einer mächtigen Polstergarnitur Einzug gehalten. Geändert hat sich auch die Küche; sie schließt jetzt in gleicher Fußbodenhöhe und ohne Trennwand an die Diele an und übernimmt die Funktion einer Dinette-Küche. Der frühere Innen-

hof wird durch einen nach außen vergla- sten Balkon vor der Küchenfront ersetzt. Hier werden heute all die groben Hausar- beiten erledigt, die früher im Innenhof verrichtet wurden, und hier stehen jetzt auch die großen tönernen Kimch 'i-Töpfe. Damit hat sich das Erscheinungsbild der koreanischen Städte zwar "verwestlicht", die traditionelle koreanische Wohnkultur blieb jedoch weitgehend erhalten.

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Seoul

EntwicMung und Struktur der sükoreanischen Hauptstadt

Ihre Entstehung verdankt die Stadt Seoul der ostasiatischen Tradition, daß jede Herrscherdynastie ihre neue Hauptstadt wählte. So stand 1392 nach dem Sturz des alten Königshauses und der Grün- dung einer neuen Herrscherdynastie durch einen Angehörigen der Familie Yi, die Korea 518 Jahre lang, bis 1910, regieren sollte, abermals die Verlegung der Hauptstadt an. Die Wahl eines geeig- neten Standortes wurde mit großer Sorg- falt vorgenommen, da nach konfuziani- scher Tradition in erster Linie eine möglichst harmonische Einpassung des menschlichen Lebensraumes in die natür- liche Umwelt über das Glück ihrer Bewohner entscheidet. Hierbei galt es - wie auch heute noch teilweise bei der Wahl von Bauplätzen oder Begräbnisstät- ten - die aus der Yin-Yang-Philosophie des Taoismus abgeleiteten Regeln der Geomantie genauestenc zu beachten.

Nach zweijähriger Suche durch die besten Geomanten ihrer Zeit wurde in den südlichen Ausläufern der Kwangju- Kette ein Platz gefunden, der so sehr den geomantischen Vorstellungen entsprach, daß ein Stadtplan des frühen 19. Jahr- hunderts fast genau das geomantische Idealbild widerspiegelt (siehe Abb. 17):

ein intramontanes Becken arn Südhang des Pugak-san, dem letzten Ausläufer der wie ein von Norden kommender Drache auf- und absteigenden Kwangju-Kette, nach Osten begrenzt durch den Bergrücken des Nakta-san und nach Westen durch den Rücken des Inwang- san. Nach Süden wird dieses Becken d ~ r c h den isoliert aufragenden Nam-san gegen die überschwemmungsgefährdete Niederung des Han-Flusses abgegrenzt. Entwässert wird es durch den Ch'Zinggye-ch'on, einen Bach, der am Fuß des Pugak-san entspringt und im Zentrum des Beckens nach Osten umbiegt, um über den Ch'lingnyang- ch'6n dem Han zuzufließen. Jenseits des Han-Tales schließt der heute die südliche Stadtgrenze bildende, 629 m aufragende Kwanak-san den Siedlungsraum Seouls nach Süden ab.

Dieser Platz bot nicht nur ideale topographischeVoraussetzungen, sondern lag auch nahe der dicht besiedelten, intensiv landwirtschaftlich genutzten Westküste im Zentrum des Reiches an einem durch die Leitlinien der Gebirgs- Struktur vorgezeichneten Schnittpunkt der wichtigsten Femverkehrswege. Hier kreuzte sich die von Japan im Südosten nach China im Nordwesten führende Route mit der von den agraren Über- schußgebieten im Südwesten zur dünn- besiedelten, aber an Bodenschätzen reichen Nordostküste führenden Route.

Das gesamte vom Ch'onggye-ch'6n ent-

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wässerte Becken wurde 1396 unter Aus- nutzung der umgebenden Bergzüge mit einem 23 km langen Mauerring umge- ben, in den 8 Stadttore eingelassen wurden. Große Teile des Mauerrings sowie eine Reihe der alten Stadttore sind noch heute erhalten.

Innerhalb dieses Mauerrings wurde in chinesischer Stadtbautradition im Rechteckschema die neue Hauptstadt Hansong (= Festung am Han) errichtet. Im nördlichen Teil des Beckens, am Fuß des Pugak-san, entstanden die Regie- rungs- und Wohnpaläste der Chosbn- Dynastie, umgeben von den Wohnungen der adeligen Beamtenschicht. Mit festen Mauern und Ziegeldächern hoben sich ihre Häuser deutlich von den strohge- deckten, aus Lehmziegeln errichteten Häusern der bürgerlichen Schicht ab, die als Handwerker und Händler vorwiegend im südlichen Teil der Stadt wohnten. Seoul wies damit eine funktionale und soziale Zweiteilung auf, die sich fast unverändert bis zum Ende des vergange- nen Jahrhunderts erhalten hat (siehe Abb. 18): In der Nordhälfte Regierungsfunk- tionen und die Wohnviertel der gehobe- nen zldelsschicht, in der Südhälfte die Wohnungen und Werkstätten der Hand- werker und Händler.

An der Kontaktzone zwischen beiden Stadtteilen längs der großen Ost-West- Achse der Chong-no (= Glockenstraße) entstand ein langgestrecktes Geschäfts- viertel, das im Zentrum, an der Kreu- zung mit der Narndaemun-ro (= Südtor- straße) rund um die hier aufgestellte Stadtglocke ganz auf die Belieferung des Hofes mit hochwertigen Gütern speziali- siert war. Nach Süden grenzte ein Vergnügungsviertel an, in dem sich die Adeligen von bürgerlichen Kisaeng- Mädchen unterhalten ließen, - Vorläufer des heutigen Mugyo-dong, das noch die gleiche Funktion ausübt, nur daß die Kunden heute Geschäftsleute aus dem nach Süden verschobenen Central Business District sind. Mit den Märkten dicht innerhalb der beiden Haupttore, den Kontaktpunkten zwischen der landwirt- schaftlichen und der städtischen Bevölkerung, zeichneten sich auch bereits die Standorte der heutigen großen Südtor- und Osttor-Märkte ab.

Als Hauptstadt eines nach außen abge- schlossenen, selbstgenügsamen Agrarlan- des war die Funktion Seouls weitgehend auf Venvaltungsfunktionen beschränkt. Diese Funktionen reichten allerdings über ein streng hierarchisch gegliedertes Venvaltungssystem bis in die entlegen-

Abb. 17 Seoul: Stadtplan aus dem Jahre 1824 b Author: KIM C H ~ N G H O , hötzener Druckstock heute irn Museum der Korea-Universität

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nach 500 Jahren hatte die städtische Bebauung noch nicht den ursprünglichen Mauerring gesprengt.

Erst als die Japaner mit der gewaltsamen Öffnung Koreas 1876, über ihren Sieg im Chinesisch-Japanischen Krieg 1895 und im Russisch-Japanischen Krieg 1905 bis hin zur formalen Annexion 1910, in Korea politisch und ökonomisch immer mehr an Einfluß gewannen, wandelte sich auch die Funktion Seouls. Neben der Verwaltungsfunktion - Seoul, jetzt Keijö genannt, wurde Sitz des japanischen Generalgouverneurs - wurde Seoul zum wichtigsten Knotenpunkt des von Japan errichteten Verkehrsnetzes, zum Zentrum des Handels mit der neuen Außenbesit- zung und bald auch zum bedeutendsten Standort der von Japan zur Versorgung Koreas mit den wichtigsten Konsumgü- tern aufgebauten Leichtindustrie.

Diese Änderungen der traditionellen Wirtschaftsstruktur hinterließen tief- greifende Spuren in der funktionalen Struktur Seouls. Von besonderer Bedeu- tung war die 1908 erfolgte Fertigstellung der koreanischen Stammbahn Pusan - Seoiil - Harbin, durch die Japan über die Eisenbahnfahre Pusan - Shimonoseki Anschluß an die Transsibirische Eisen- bahn und damit an das europäisch- asiatische Bahnnetz gewann. Diese Bahnlinie querte bei Seoul den Han-Fluß und führte dicht westlich der alten Stadtmauer vorbei. Hier wurde 500 m vor dem Südtor der Seouler Hauptbahn-

hof errichtet, in "kräftigem deutschen Baustil", wie es in einer offiziellen Geschichte der Stadt heißt.

Längs der Bahnanlagen entstand, sich nach Süden bis zur Han-Brücke hinzie- hend, außerhalb der ummauerten Altstadt eine rein japanische Vorstadt. Diese wurde durch ein ausgedehntes japani- sches Kasernengelände in Yongsan am Südwesthang des Nam-san ergänzt - heu- te als Hauptquartiere der koreanischen und der 8. US-amerikanischen Armee genutzt. Nahe der Eisenbahnbrücke über den Han entwickelte sich rund um ein großes Bahnausbesserungswerk ein erstes Industrieviertel mit Mühlenbetrieben, Brauereien, Seifen-, Gummischuh- und Papierfabriken, Seidenhaspeleien, Elek- trizitätswerk und verschiedenen Repara- turwerkstätten.

Japanische Geschäftsleute drangen jedoch auch in die Altstadt ein und verdrängten die wirtschaftlich schwachen Schichten der koreanischen Bevölkerung aus dem Südteil der Stadt, während sie in die gehobenen Wohnviertel im Norden nur in Ausnahmefällen Eingang fanden. Sie errichteten im Südteil der Altstadt nicht nur ihre Wohnungen und Geschäfte, son- dem auch zahlreiche kleine Manufaktu- ren. Dadurch änderte sich die bisherige soziale Zweiteilung der Stadt in eine vorwiegend ethnische Zweiteilung (siehe Abb. 19).

Die ursprünglich nur mit einstöckigen

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Koreanerläden gesäumte Ost-West-Achse der Chong-no wurde mit typischen zwei- stöckigen Japanerläden (unten Geschäft, oben Wohnung des Geschäftsinhabers) durchsetzt. Unter dem Einfluß des Bahnhofsbaus und der Entstehung der japanischen Vorstadt in Yongsan verla- gerte sich das Zentrum des Geschäftsle- bens jedoch von der zentralen Chong-no längs der Namdaemun-ro stärker in Richtung auf den neuen Hauptbahnhof. Beiderseits dieser Straße entstand in den 20er und 30er Jahren mit japanischen Banken, Kaufhäusern und der Hauptpost in europäisierendem Stil die City Seouls, der heutige Central Business District. Gebäude, wie die heutige Staatsbank, haben sich als Zeugen dieser Entwick- lungsepoche erhalten. Gleichzeitig errichteten die Japaner eindrucksvolle Verwaltungsgebäude, wie das Rathaus oder den Regierungssitz des Generalgou- verneurs (das heutige Nationalmuseum), ein klotziges Granitgebäude in amerikani- scher Neo-Renaissance, das sie demon- strativ vor den alten koreanischen Königspalast setzten.

Vor den alten Stadttoren entstanden koreanische Vorstädte. So schob sich die Stadtentwicklung vor dem Westtor in Richtung auf den Pekingpaß und vor dem Osttor in Richtung auf Ch'ongnyang-ni, den späteren Standort des Ostbahnhofs vor. Diese, sich in das ehemals ver- sumpfte Schwemmland des Ch'onggye- ch'on nach Osten vorschiebende Ent- wicklungsachse wurde gleichzeitig der

Standort zahlreicher kleiner Industriebe- triebe und Manufakturen, wodurch dieses Gebiet eine Mischhnktion erhielt, die es bis heute bewahrt hat. Dieser von der japanischen Kolonialverwaltung eingelei- tete Funktionswandel führte zu einem starken Bevölkerungsnistrom. Zählte Swul 191 1 erst 278 000 Ew., darunter 13 % Japaner, so schwoll die Einwoh- nerzahl bis 1933 auf 395 000, darunter 28 % Japaner, und bis 1938 auf eine Dreiviertel Million an. Die Entwicklung sprang jetzt auch auf das südliche Han- Ufer über, wo beiderseits der Bahnlinie mit Yongdüngp'o eine neue Industrie- vorstadt mit großen Ziegeleien, Baumwoiispi~ereien, Brauereien und Eisenwerken entstand. 1942 überstieg die Einwohnerzahl Seouls erstmals eine Million.

Während die Stadtentwicklung in der ersten Hälfte der japanischen Kolonial- epoche relativ ungeordnet verlief, wurden Mitte der 30er Jahre erstmals moderne Stadtplanungsinstrumente eingesetzt. Nach der ersten Stadtplanungsverordnung des Jahres 1934, die die Ausstattung der Grundstückemit technischer Infrastruktur zum Ziel hatte, wurden zwischen 1937 und 1944 zehn neue Wohngebiete mit insgesamt 16 km2 am Stadtrand erschlos- sen. 1936 folgte ein Straßenausbauplan und 1939 der erste Flächennutzungsplan für Swul. Dieser Plan nahm für das Zieljahr 1965 eine Einwohnerzahl von 1 , l Mio. an. Obwohl dieses Ziel schon 1942, drei Jahre nach Festsetzung des

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Planes, überschritten wurde, gelang es der japanischen Stadtverwaltung, mit dem Siedlungsausbau, der Erweiterung des Straßenbahmetzes sowie der Elektri- zitäts- und Wasserversorgung mit der Bevölkemngsentwicklung Schritt zu halten.

Erst nach dem Abzug der Japaner im Jahre 1945 führten ein unkontrollierbarer Bevölkerungszustrom, weitflächige Zerstörungen durch viermaligen Front- wechsel während des Koreakrieges sowie chaotische politische und ökonomische Verhältnisse zu einem Auseinanderklaf- fen zwischen Bevölkerungszahl und städtischer Infrastruktur. Nachdem die Einwohnerzahl Seouls während des Koreakrieges auf 650 000 zurückgegan- gen war, erreichte sie 1953 wieder 1 Mio., 1959 2 Mio., 1967 4 Mio., 1972 6 Mio., 1980 8 Mio. und 1990 schließ- lich 10,6 Mio. Diese mit explosionsar- tiger Dynamik verlaufende Metropolisie- rung Seouls beruhte zu über 70 % auf dem Zuzug ehemals landwirtschaftlicher Bevölkerung. Seoul war mit großem Abstand das erstrangige Ziel sämtlicher Binnenwanderungen des Landes. Allein zwischen 1966 und 1970 konzentrierten sich auf Seoul, das nur über 0,6 % der Gesamtfläche des Landes verfügt, 76 % der Bevölkerungsmnahme des Landes.

Hierbei war die sich ständig verstärkende demographische Primacy Seouls unver- kennbar eine Folge der funktionalen Primacy, der traditionellen Konzentration

politischer und kultureller Funktionen und der bereits in japanischer Zeit herausgebildeten Ballung ökonomischer Funktionen in der Metropole. Als in den 60er Jahren dann der industriaiisierungs- Prozess Südkoreas in Schwung kam, war es besonders die ökonomische Primacy und hier speziell Seouls Bedeutung als Industriestandort, die zum entscheidenden Faktor für die rasche Metropolisierung wurde. 1966, als in Seoul erst knapp 13 % der Gesamtbevölkerung des Landes lebten, waren hier bereits 39 % aller industriellen Arbeitsplätze des Landes konzentriert. Das durchschnittliche Pro- Kopf-Einkommen lag 88 % über dem Landesdurchschnitt. Hinzu kam die Anziehungskraft der Annehmlichkeiten des städtischen Lebens, auch wenn die meist mittellosen Zuwanderer kaum daran partizipieren konnten. Außerdem wirkte sich Seouls traditionelle Stellung als Universitätsstadt wie ein Magnet auf die Elite des Landes aus. Wer nicht an einer der 37 Universitäten der Stadt studiert hatte, konnte kaum damit rechnen, später in eine gehobene Position in Verwaltung oder Wirtschaft aufzu- rücken. So studierten annähernd zwei Drittel sämtlicher Studenten des Landes in Seoul.

Diese unkontrollierbare Zuwandemng erzeugte gewaltige soziale und infra- strukturelle Probleme. So konnte der Wohnungsbau mit der Bevölkerungsex- plosion bei weitem nicht Schritt halten. 1975 verfügten 42 % der Seouler Famili-

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en über keine eigene Wohnung, sondern mußten zur Untermiete wohnen. Diese Wohnungsnot konnte trotz des gewaltigen Baubooms bisher nicht abgebaut werden. Für ein Viertel der Seouler Bevölkerung wurde 1975 der Wohnraum mit weniger als 3 m2 pro Person angegeben. Die Folge ist eine extreme Bevölkerungsbal- lung. Mit 605 km2 ist die Fläche der inzwischen auf 10,6 Mio. Einwohner angewachsenen Stadt im Vergleich zu anderen Weltstädten sehr klein (Hamburg mit nur 1,6 Mio. Einwohnern verfügt über ein Stadtgebiet von 755 km2). Das Stadtgebiet von Seoul schließt steile, unbebaubare Granitberge und noch land- wirtschaftlich genutzte Flächen mit ein, so daß nur 45 % städtisch überbaut sind, davon 70 % mit Wohngebäuden (1985). Mit 17 557 Ew./km2 (1990) ist die Bevölkerungsdichte entsprechend hoch; ältere Stadtviertel am Rande der City weisen Bevölkerungskonzentrationen von bis zu über 100 000 Ew./km2 auf, d.h. etwa einen Einwohner auf je 9 m2. Diese extreme Bevölkerungsdichte ist umso erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, daß noch 1970, als die Stadt bereits 5,5 Mio. Einwohner zählte, 96 % des Woh- nungsbestandes aus kleinen, ebenerdigen Einfamilienhäusern bestand, die nach der Tradition ländlicher Bauweise noch win-

zige Innenhöfe mit einschließen (siehe Abb. 20-2).

Eine typische Erscheinung dieser Hyper- urbanisierung der 60er Jahre war das Emporschießen von Slums, ungeordneten Vierteln illegal an steilen Berghängen oderüberschwemmungsgefährdeten Fluß- ufern errichteter Behausungen, in Korea "P'anjach'dn" genannt (siehe Abb. 20-1). Die Zahl der P'anjajibs, der Woh- nungen in P'anjach'dns, betrug 1953 8 000 Einheiten, 1961 bereits 88 000 und 1970 schließlich 188 000, bzw. ein Drit- tel des gesamten Wohnungsbestandes. Seit Mitte der 60er Jahre versuchte die Stadtverwaltung, derartige P'anjach'dns zu sanieren, indem sie ihre Bewohner in Wohnblocks umsiedelte, die an der glei- chen Stelle errichtet wurden. Da man mit dieser Methode der Slumsanierung die Probleme jedoch nicht beseitigt, sondern mit der Zerreißung sozialer Bande nur neue schafft - in den P'anjach '8ns wohn- ten zumeist Einwanderer aus den glei- chen Heimatprovinzen eng zusammen -, ging die Stadtverwaltung Anfang der 70er Jahre dazu über, den P'anjachf8n- Bewohnern durch Überschreibung der Grundstücke und Erschließung mit städti- scher Infrastruktur Anreize zu eigener Verbesserung der Wohnsituation zu

Abb. 20 Siedlungstypen in Seoul P

0 f 0O m

Entwufl E. DEGE nach der Stadtkarte I : ] 200

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1960 und 1970 noch zu. Erst seit 1970 setzt auch hier, zumindest nördlich des Han, eine allmähliche Ausdünnung ein. Trotzdem gehören diese Stadtviertel am Rande der Altstadt noch immer zu den am dichtesten besiedelten Stadtteilen. Besonders dynamisch verlief jedoch die Bevölkerungsentwicklung in den Vororten, besonders im Osten und Süden der Stadt. Allein zwischen 1970 und 1985 fanden mehr als 3 Mio. Menschen in den neu erschlossenen Wohngebieten südlich des Han eine Wohnung. Diese D e z e n t r a l i s i e r u n g l i e ß d e n Bevölkemngsanteil Seouls südlich des Han von 17 % im Jahre 1960 auf 46 % im Jahre 1985 ansteigen. Seoul, ur- sprünglich in einem intramontanen Becken abseits des Flusses gegründet, wurde damit zu einer Stadt beiderseits des Han.

Mit der Entwicklung zur Nuclearfarnilie, der Emanzipation der Frau und dem spürbaren Mangel an Hauspersonal wurde eine für Korea völlig neue Wohnform immer beliebter, das Eigen- tum-Apartment im Hochhaus mit allen Annehmlichkeiten des modernen Lebens, wie Zentralheizung, Aufzug, Müllschluk- ker und der Möglichkeit, die Tür einbruchsicher abzuschließen (siehe Abb. 20-3). Dadurch nahm in Seoul der Anteil der Apartrnentwohnungen, der 1970 lediglich 4 % betrug, rasch zu. 1990 belief e r sich bereits auf 35 % aller Wohnungen. Besonders beiderseits des Han entstanden mit den Stadtteilen

Ytiilido, Panp'o, Ytingdong und Chamsil ausgedehnte reine Apartmentgebiete mit z.T. recht luxuriösen Wohnungen in bis zu 15 Stock hohen Blocks.

Trotz der rasanten Bautätigkeit ist die Wohnungsnot in Seoul immer noch ge- waltig. 1990 betrug die durchschnittliche Wohnungsbelegung 193 %, d.h. in einer Wohnung lebten im Durchschnitt knapp zwei Haushalte, bzw. jeder zweite Haus- halt verfügte über keine eigene Woh- nung, sondern mußte zur Untermiete wohnen. In den stark verdichteten Wohnvierteln des alten Randbereichs liegt die Belegungsrate noch weit darüber, hier erreicht sie in einzelnen Stadtvierteln über 600 %. Erstaunlicher- weise erreicht sie aber auch in den neu erschlossenen Wohngebieten des gehobe- nen Mittelstandes am östlichen und südli- chen Stadtrand noch überdurchschnitt- liche Werte. Vielfach haben sich die neuen Hausbesitzer mit dem Kauf der Häuser finanziell übernommen und ver- suchen nun, durch Untervermietung die Abzahlung zu erleichtern. Das ist aller- dings eher bei Einfamilienhäusern als bei Apartmentwohnungen möglich, deshalb beschränkt sich diese Erscheinung auf Stadtviertel mit Einfamilienhausbebau- ung.

Wichtigster Arbeitgeber und unumstritte- nes Zentmm ist heute der Central Business District, der ein kleines Dreieck irn Südwesten der Altstadt einnimmt. Auf diesen kleinen Raum konzentrieren sich

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fast alle Hauptverwaltungen der großen Industrie- und Handelskonzeme des Landes, zahlreiche Banken, große Kauf- häuser und internationale Hotels. Als letzte entstanden das 42-stöckige Lotte- Hotel und daneben ein Kaufhaus des glei- chen Konzerns mit 14 Verkaufsetagen. Man ging jedoch nicht nur in die Höhe, sondem auch unter die Erde. Die meisten Straßen dieses Viertels sind heute mit Untergrundarcaden untertunnelt, in denen sich Geschäft an Geschäft reiht mit Waren des gehobenen Bedarfs, wie Gold- und Silberarbeiten, Seide, Antiquitäten, Uhren und hochwertigen Kameras. Die einzelnen Arcaden gehen nahtlos ineinan- der über und haben direkte Zugänge zu den U-Bahnstationen sowie den Tiefge- schossen der großen Kauthäuser und Hotels.

Der Osteil des Central Business Districts wird von dem Vergnügungsviertel Mybng-dong eingenommen, das in enger funktionaler Verkniipfung mit dem Büro- und Geschäftsviertel steht, aber nicht nur Lokale und Restaurants enthält, sondern auch Spezialgeschäfte für den gehobenen Bedarf, wie Boutiken, modische Schuh- geschäfte, Geschäfte mit teurer importier- ter Unterhaltungselektronik usw. - für die Geschäftsleute und Office Girls das bevorzugte Viertel für einen Schaufen- ster- und Einkaufsbummel.

Nach Nordwesten schließt sich an den Central Business District die traditionelle Regiemngsachse an. Sie führt auf das

Capitol zu, das 1916-26 von den Japa- nern in eindrucksvoller amerikanischer Neo-Renaissance als Sitz des General- gouverneuers erbaut wurde, nach der Befreiung die südkoreanischen Regierung beherbergte und heute als Nationalmuse- um dient. Ursprünglich an beiden Seiten von Ministerien und Botschaften gesäumt hat sich die Funktion dieser ehemaligen Regierungsachse mit der Verlegung der Regierung und dem Bau des mächtigen Sejong-Kulturzentrums inzwischen stär- ker in Richtung auf ein Kulturzentrum gewandelt.

Nach Norden grenzt der Central Business District an die Chong-no, die alte Einkaufsstraße des Chodn-zeitlichen Seoul. Sie bildet auch heute noch, sich bis zum Osttor hinziehend, eine der wichtigsten Einkaufsstraßen der Stadt, mit ausgeprägter Konzentration bestimm- ter Branchen auf einzelne Abschnitte - Juweliere, Geschäfte für traditionelle Frauenkleidung, Buchhandlungen, Devo- tionalienläden, orientalische Apotheken USW.

Ähnlich nach Branchen geordnet sind die Geschäftsviertel, die sich südlich der Chong-no beiderseits des Ch'onggye- ch'bn bis zum Osttor hinziehen, nur daß hier die einzelnen Geschäfte nicht linien- haft aufgereiht sind, sondem ganze Bau- blocks flächenhaft einnehmen, nur durch schmale, z.T. überdachte Passagen er- schlossen. Direkt an den Central Busi- ness District anschließend .folgen nach

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Osten Viertel mit Schreibwaren, durch- setzt mit Druckereien, dann Büromöbeln, danach mit Wohnmöbeln und weiter mit Einbauküchen,Sanitärmaterial, sonstigem Baumaterial, Handwerkszeug, Autoer- satzteilen, Elektronik (in einer lange- steckten, von Wohnblocks gekrönten Markthalle), dahinter Elektrogeräte und dann Nähmaschinen und schließlich die traditionellen Osttormärkte, in denen neben Lebensmitteln in erster Linie Stoffe und fertige Kleidung angeboten werden. So enthielt eine von mir kartierte Markthalle im Osttorviertel im Erdgeschoß neben 3 15 fliegenden Händ- lern 725 feste Verkaufsstände, von denen 107 Lebensmittel der verschiedensten Art und 574 Kleidung oder Stoffe anboten. Im ersten Stock dieser Markthalle wurden 757 Stände gezählt, davon allein 483 Tuchläden. 180 Stände waren auf den Verkauf farbenfroher Seidenstoffe für die koreanische Nationaltracht spezialisiert.

Nach einer Liste des Gewerbeaufsichts- amtes gab es 1981 in Seoul insgesamt 267 derartiger Markthallen, die zumeist in Aktiengesellschaften organisiert sind. Zusätzlich enthielt die Liste 13 Kauf- häuser und Shopping Center sowie 125 Arcaden und Untergrundarcaden, die in ähnlicher Weise feste Verkaufsstände an individuelle Händler vermieten. So sum- mierte sich die Zahl der festen Verkaufs- stände in derartigen Einrichtungen 198 1 auf 60 500, nicht gerechnet all die flie- genden Händler und die stationären

Geschäfte außerhalb der Märkte, über die keine Statistik vorliegt. Ein erster Versuch, durch Lokalisierung über die Adresse und Vergleich mit der Wohnbe- völkerung zu einer regionalen Differen- zierung der Zentren zu gelangen, zeigte deutlich die überragende Stellung der Seouler City. Während durchschnittlich 132 Einwohner auf einen Marktstand entfielen, fanden wir hier - bei Verdrän- gung der Wohnbevölkerung und Massie- rung von Märkten - in einzelnen Stadttei- len nur 3 Einwohner pro Marktstand. Neben der City zeichneten sich jedoch noch eine Reihe neuer Zentren durch überdurchschnittlichen Besatz mit diesen Versorgungseinrichtungen des tertiären Sektors aus.

Zwei dieser Zentren haben inzwischen durch gezielte Verlegung von Teilfunkti- onen echte Entlastungsfunktionen für die City übernommen: Yi3ngdüngp'o mit der vorgelagerten Han-Insel Yi3üid0, wohin Teile der nationalen Regierung (wie z.B. das Parlament) und der Presse umgezo- gen sind und das ebenfalls südlich des Han liegende Stadtviertel Yi3ngdong. Hierhin wurden zahlreiche städtische Dienststellen, wie z.B. die KFZ-Zulas- sungsstelle, sowie die Venvaltungsbüros vieler privater und halbprivater Firmen umgesiedelt. Darüber hinaus wurden hier die früher über die gesamte City verteilten Fernbusbahnhöfe der einzelnen Busgesellschaften in einem mächtigen 1 1- stöckigen Fernbusbahnhof zusammenge- faßt, der im Tiefgeschoß über einen U-

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Bahnanschluß verfügt und dessen drei Bussteigebenen über eigene Rampen direkt an das Autobahnnetz angeschlossen sind. Flächen- und verkehrsintensive Institutionen, wie die Großmärkte für Fischerei- und Agrarprodukte, aber auch die Nationaluniversität, wurden an den Stadtrand verlagert. Dadurch in der City freiwerdende Flächen wurden in Parks umgewandelt, historisch bedeutende Gebäude, wie das ehemalige Capitol, erhielten neue Funktionen.

Mit der Errichtung von Entlastungszen- tren, denen wiedemm Stadtteilzentren zugeordnet sind, wandelte sich die traditionell monozentrische Struktur Seouls zu einer polyzentrischen Struktur. Diese mit dem Stadtentwicklungsplan des Jahres 1971 eingeleitete Entwicklung, die auf einer Kombination der Konzeptionen des Hamburger Achsenmodells und des South Hampshire-Modells bemht (siehe Abb. 22), setzte eine radikale Neuord- nung des innerstädtischen Verkehrsnetzes voraus. Zusätzlich zu 14 vom Zentrum ausstrahlenden Radialstraßen wurden 3 Ringstraßen völlig neu angelegt. Im Zuge dieses Straßenausbaus mußten die Berge, die das Becken der Altstadt umgeben, an vielen Stellen mit Tunnels überwunden werden. Allein der Nam-san, der die Altstadt nach Süden abschließt, wurde in drei verschiedenen Richtungen durchtun- nelt. Von besonderer Bedeutung für die Anbindung der neuen Stadtteile südlich des Han war jedoch die Errichtung zahl- reicher neuer Straßenbrücken über den

hier 1 bis 1,5 km breiten Fluß. Allein in den letzten zwei Jahrzehnten erhöhte der Neubau von 12 Brücken die Gesamtzahl der Straßenbrücken über den Han im Stadtgebiet auf 16. Damit stellt der Han heute praktisch kein Verkehrshindernis mehr dar.

Trotz dieses großzügigen Straßenausbaus konnte das chronische Verkehrschaos, das den Verkehr, zumindest in der Innen- stadt, tagtäglich an den Rand des Zusam- menbruchs bringt, bislang nicht abgebaut werden, da der Ausbau des Straßennetzes mit einer ungeahnten privaten Motorisie- rung zusammenfiel; 1985 waren in Seoul neben 130 000 LKW, 44 000 Autobussen und 37 000 Taxen bereits 256 000 priva- te PKW zugelassen, bis 1990 hatte sich die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge schon auf 1,2 Mio. (darunter 824 000 private PKW) erhöht. Da Busse (1985 täglich 7,7 Mio. Fahrgäste) und Taxen (täglich 2,6 Mio. Fahrgäste) an die Gren- ze ihrer Aufnahmefähigkeit gekommen sind, kommt dem Ausbau des kombinier- ten U- und S-Bahnnetzes, das schon 1985 täglich 1,5 Mio. Fahrgäste beförderte, besondere Bedeutung zu. 1974 wurde der erste Abschnitt, der als S-Bahn die Städte Suw6n und Inch'6n an Seoul anbindet und als U-Bahn die Innenstadt von West nach Ost quert, in Betrieb genommen. 1985 konnten drei weitere U-Bahnlinien eröffnet werden, zwei große Diagonalli- nien und eine Ringbahn, die die neuen Entlastungszentren im Süden der Stadt miteinander und mit der City verbindet.

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Für die 90er Jahre sind 4 weitere Linien geplant, die die äußeren Vororte im We- sten und Osten, die Satellitenstadt Si3ng- nam und den internationalen Flughafen Kimp'o an die City anbinden sollen.

Ziel all dieser stadtplanerischen Bemü- hungen ist es, Seoul zu einer Metropole umzugestalten, die über ihre Funktion als ökonomisches und kulturelles Zentrum des eigenen Landes hinaus in der Lage ist, einen gesicherten Platz im Netz internationaler Metropolen einzunehmen, über die der weltumspannende Austausch von Rohstoffen und Kapital, Industriegü- tern und Informationen abläuft. Auf eine sichere Einbindung in dieses welturnspan- nende Netz ist Südkorea als rohstoff- und kapitalarmes junges Industrieland wie kaum ein anderes angewiesen.

Deshalb bedeutete die Entscheidung des Internationalen Olympischen Commitees, die Olympischen Sommerspiele 1988 an Seoul zu vergeben. eine von der Bevöl- kerung begeistert aufgenommene inter- nationale Anerkennung, gleichsam die Eintrittskarte in den Club der inter- nationalen Metropolen. Diese Anerken- nung spornte die Stadtplaner und mit ihnen die gesamte Bevölkerung an, die

Umgestaltung ihrer Hauptstadt schon vorfristig zum olympischen Jahr 1988 abzuschließen.

Sichtbarer Ausdruck dieser 3 , l Mrd. $ teuren Bemühungen ist neben den hyper- modernen Sportstätten, die bereits während der Asienspiele 1986 ihre Bewährungsprobe bestanden, die Umge- staltung des Han-Flusses und seiner Uferzonen in ein 36 km langes Park- und Sportgelände, das die ganze Stadt von Ost nach West durchzieht. Bot der Han bislang, besonders während der abfluß- armen Wintermonate, wenn große Schot- terflächen trockenfielen, eher das Bild einer gewaltigen Kloake, so stellt er sich heute, nachdem der Wasserstand durch mehrere Wehre stabilisiert wurde, als eine weite innerstädtische, parkgesäumte Wasserfläche dar, auf der Segelboote kreuzen und Fahrgastschiffe verkehren. Die Abwässer der Stadt, die bislang zu 87,2 % ungeklärt dem Han zuflossen, werden heute durch zwei große, unter neuen Uferautobahnen verborgene Ring- leitungen abgefangen und durch vier neue Klärwerke geleitet, die mit einer Tages- kapazität von 3 Mio. t in der Lage sind, sämtliche in der Stadt anfallenden Ab- wässer aufzubereiten.

Abb. 23 Seoul - Flächennutzung E n t w u ~ E. DEGE

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Nordkorea

Die politische

Entwicklung

Als die sowjetischen Tmppen nach der Kapitulation Japans im August 1945 in Nordkorea einrückten, um entsprechend der alliierten Übereinkunft das Gebiet nördlich des 38. Breitengrades zu beset- zen, fanden sie bereits eine große Zahl politischer Gmppierungen vor, die sich bemühten, die von den Japanern aufgege- bene Regiemngsgewalt zu übernehmen. Neben den aus dem Untergmnd auftau- chenden Gmppen, den Nationalisten um Cho Man-sik, die bei weitem über die breiteste Basis verfügten, und den Alt- kommunisten unter Pak Hon-yong, bean- spruchten auch Gmppiemngen von Exilkoreanern das Recht zur Bildung einer neuen Regierung, darunter in Nordkorea besonders Gmppen koreani- scher Kommunisten, die aus China (die sogenannte Yenan-Gruppe um Kim Tu- pong) und der Sowjetunion (damnter die sogenannte Kapsan-Fraktion Kim II- sungs) zurückkehrten. Von ihnen ent- wickelte sich die Gmppe um Kim 11-sung mit sowjetischer Unterstützung und systematischer Ausschaltung der nationa- listischen und rivalisierenden kommuni- stischen Kräfte rasch zur stärksten

politischen Kraft in Nordkorea. Seit den letzten großen Säubemngen innerhalb der 1946 gegründeten Partei der Arbeit Koreas (PdAK), mit denen in den Jahren 1956 bis 1958 die letzten Anhänger der Yenan-Gmppe ausgeschaltet wurden, ist Kim 11-sungs Position in Partei und Staat unangefochten.

Kim 11-sung wurde 1912 als Sohn eines Lehrers in Man'gyongdae bei P'yong- yang geboren und wanderte mit 14 Jahren, wie viele Koreaner in der damaligen Zeit, mit seinen Eltern in die Mandschurei aus, wo er als Mittelschüler zum ersten Mal mit kommunistischem Gedankengut in Berühmng kam. 1931 trat er in die KPCh ein (J.S. KIM 1971, 35). Nach dem japanischen Überfall auf die Mandschurei schloß er sich der von der KPCh organisierten antijapanischen Befreiungsarmee an, in der er das Kommando über eine kleine Guerillaein- heit erhielt. Bis zur Zerschlagung der antijapanischen Befreiungsarmee in den Jahren 1939140 führte er militärisch recht unbedeutende Guerillaoperationen irn mandschurisch-koreanischen Grenzgebiet durch. Anschließend flüchtete er in die Sowjetunion, wo er von der chinesischen zur sowjetischen KP übertrat und im Militärinstitut von Chabarowsk ausgebil- det wurde. 1945 kehrte er als Major der Roten Armee nach Korea zurück.

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Aus dieser nur durch wenige, verwegen retuschierte Fotos belegten Biographie wurde in mythologischer Verklärung eine Legende um Leben und Wirken Kim II- sungs aufgebaut, der als "verehrter und geliebter Führer", als die "große Sonne der Nation" und als "wohltätiger Vater des koreanischen Volkes, das er an seine grenzenlos breite und warme Brust ge- drückt hat", verehrt wird. Im Personen- kult um Kim 11-sung, dessen Erscheinen als die "größte Freude, Glorie und das höchste Glück für unser Volk in seiner fünftausendjährigen Geschichte" gefeiert wird, verbinden sich mit der Einbezie- hung seiner Vorfahren, die bis zurück zur Hideyoshi-Invasion ausnahmslos "leidenschaftl iche anti japanische patriotische Kämpfer" gewesen sein sollen, Elemente der auf konfuzianischer Staats- und Familienlehre basierenden dynastischen Tradition mit buddhistischen Erleuchtungsthesen und christlichem Er- löserglauben (H. SICHROVSKY 1973, 4). In diesem Zusammenhang erscheint die Etabiiemng Kim ChElng-ils, seines ältesten Sohnes aus erster Ehe, zum "geliebten Führer" und designierten Nachfolger, mit deren Absegnung durch den 6. Parteitag der PdAK (1980) Kim 11-sung sich anschickte, die erste Familiendynastie der kommunistischen Weltbewegung zu gründen, nur logisch.

Innenpolitisch bereitete Kim 11-sung gleich nach seiner Rückkehr durch die Gründung einer kommunistisch be- herrschten Massenorganisation, der

Nationaldemokratischen Front, die Übernahme der Regiemngsgewait vor. Im November 1946 wurden auf lokaler Ebene Volkskomitees gewählt, die zu 97 % aus Vertretern der Nationaldemo- kratischen Front bestanden. Im darauf- folgenden Jahr trat in P'yongyang eine Versammlung der Volkskomitees zusam- men und wählte eine Nordkoreanische Volksversammlung, die nach Ausarbei- tung einer sozialistischen Verfassung am 9.9.1948 die Demokratische Volksrepu- blik Korea (Chos6n minju chuu'i inmin konghwaguk) mit Kim 11-sung als Pre- mierminister ausrief. Schon vor der Gründung des nordkoreanischen Teil- Staates hatte das Nordkoreanische Provi- sorische Volkskomitee umfassende sozialistische Reformen (Bodenreform, Verstaatlichung der Grundindustrien usw.) eingeleitet, die die alte Feudal- stmktur mit einem Schlag beseitigten und dem neuen Regime in den Volksmassen starke Sympathien eintrug, zumal das Volk, das seit Jahrhunderten gewohnt war, von einer autoritären Fühmng reglementiert zu werden, die ihm unbekannten demokratischen Freiheiten westlicher Prägung nicht sonderlich vermißte.

Außenpolitisch vollzog die nordkoreani- sche Führung eine Reihe erstaunlicher Richtungsänderungen. In den ersten Jahren seiner Herrschaft erwies sich Kim 11-sung, nicht zuletzt aufgmnd der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit, als ein so treuer Verbündeter der Sowjet-

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union, daß Fachleute des US-Außenrni- nisteriums Nordkorea bereits auf dem Wege sahen, eine Teilrepublik der UdSSR m werden (U.S. DEPARTMENT OF STATE 1961, 120). Nach Stalins Tod und dem ideologischen Bmch zwischen Moskau und Peking konnte Kim 11-sung eine unabhängigere ideologische Linie vertreten, eine Politik, die er unter dem Begriff "Chuch 'e " msammenfaßte (I.S. KIM 1975). Seither entwickelte sich der Begriff Chuch'e, der "politische Unab- hängigkeit, wirtschaftliche Selbstän- digkeit und nationale Selbstverteidigung" beinhaltet, als eine "revolutionäre Doktrinen, die ein "schöpferisches Bei- spiel der Anwendung des Marxismus- Leninismus auf nationale Realitäten" darstellt, zum Kerngedanken der nordko- reanischen Staatsideologie. Anfangs vermied Kim 11-sung trotz der für ihn befremdlichen, von Chmschtschow eingeleiteten Politik der Entstaiinisiemng und friedlichen Koexistenz jedoch einen offenen Bmch mit der Sowjetunion, weil er zur Durchführung seiner ehrgeizigen Wirtschaftspläne weiterhin auf die Hilfe der Sowjetunion angewiesen war. Erst Moskaus Neutralität im chinesisch-indi- schen Grenzkonflikt und das sowjetische Einlenken in der Kuba-Krise veranlaßten ihn, sich zu Beginn der 60er Jahre offen auf die Seite Chinas zu stellen, da er befürchtete, bei einer neuerlichen militärischen Auseinandersetzung mit Südkorea von der Sowjetunion im Stich gelassen zu werden. Die Sowjetunion antwortete mit wirtschaftlichen Pressio-

nen. Von China nur ideologisch aber nicht wirtschaftlich unterstützt, mußte Nordkorea die für 1967 geplante Erfül- lung seines Siebenjahresplanes um drei Jahre verschieben. Erst die Ablösung Chruschtschows durch Breschnew brach- te eine erneute Annähemng Nordkoreas an die Sowjetunion und die Wiederauf- nahme der sowjetischen Wirtschaftshilfe. Gleichzeitig verschlechterten sich die Beziehungen zu China, das territoriale Forderungen im Grenzgebiet am Paektu- San stellte und Nordkorea im September 1967 hier ein Grenzgefecht lieferte. Seither versucht Nordkorea unter Beto- nung seiner Chuch 'e-Ideologie einen Weg aktiver Unabhängigkeit von sowjetisch- wirtschaftlichen und chinesisch-militäri- schen Pressionen zu gehen. Dabei bemüht es sich, durch aktive Unterstüt- zung nationaler Befreiungsbewegungen in aller Welt durch Ausbilder und Waffen- liefemngen eine einflußreiche Position in der Gruppe der blockfreien Staaten zu gewinnen, in die es auf der Außenmini- sterkonferenz dieser Gmppe 1975 in Lima aufgenommen worden war. Diese Bemühungen erlitten jedoch durch die Verstrickung nordkoreanischer Diploma- ten und Militärberater in illegale Transaktionen und das Attentat des nordkoreanischen Geheimdienstes auf einesüdkoreanischeRegiemngsdelegation in der burmesischen Hauptstadt Rangun (1983) empfindliche Rückschläge. Auch innerhalb des sozialistischen Lagers geriet Nordkorea in den 80er Jahren immer stärker in die Isolation. Chinas

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Öffnung irn Rahmen der "Vier Moderni- siemngen" und die neue Politik der Sowjetunion unter Gorbatschow liefen an Nordkorea vorbei. Zwar erhielt Nordko- rea den Auftrag, die kommunistischen Weltjugendspiele 1989 auszurichten, doch in seinen Bemühungen, einen Boykott der olympischen Spiele in Seoul zu organisieren wurde es (mit Ausnahme von Kuba) von sämtlichen Staaten des sozialistischen Lagers im Stich gelassen.

Der sowjetische Entschluß, Rohstoffe (speziell Erdöl) und Industrieausrü- stungen ab 1991 nur noch zu Weltmarkt- preisen und gegen harte Währung an Nordkorea zu liefern, brachten schließ- lich die nordkoreanische Wirtschaft in extreme Schwierigkeiten, zumal jetzt auch China nicht bereit ist, die Ausfalle zu ersetzen. Es folgte 1992 sogar dem sowjetischen Vorbild und verwies anson- sten auf die Erfolge seiner Sonderwirt- schaftszonen. Erste Anzeichen einer vorsichtigen Öffnung sind die Folge: Vereinbarung eines joint venture mit dem südkoreanischen Daewoo-Konzern zur exportorientierten Konsumgüterproduk- tion in Namp'o und Beteiligung an der vom UNDP koordinierten Planung einer internationalen Sonderwirtschaftszone im Tuman-Delta, an der außer Nordkorea China, Rußland, die Mongolei, Südkorea und Japan beteiligt sind.

Verwaltung und Siedlung

Die neue, 1972 verkündete Verfassung Nordkoreas räumt Kim 11-sung als Staats- präsidenten eine praktisch unbegrenzte Machtfülle ein. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Präsidiums der Ober- sten Volksversammlung, der höchsten legislativen Körperschaft, leitet die Sitzungen des Staatsrates, der obersten exekutiven Körperschaft, und verfügt als Vorsitzender der Nationalen Verteidi- gungskommission und Oberkommandie- render der Streitkräfte über die oberste militärische Befehlsgewalt (diese Funktion übertrug er Ende 1991 an sei- nen Sohn Kim Ch6ng-il). Neben dieser ungewöhnlichen Machtkonzentration in der Hand des Präsidenten wird die Herr- schaft Kim 11-sungs durch die enge Verknüpfung von Staats- und Partei- apparat garantiert. Bei den Wahlen zur Obersten Volksversammlung, einem Parlament mit einer Kammer, dem der Präsident zumindest theoretisch Rechen- schaft schuldig ist, werden nur Kandida- ten der Partei der Arbei Koreas aufge- stellt, der Kim 11-sung als Vorsitzender des Politbüros vorsteht. Neben dieser autokratischen Machtkonzentration auf die Person des Präsidenten sorgt eine extrem zentralistisch ausgerichtete Verwaltung für die Durchsetzung der politischen und wirtschaftlichen Ziele der Zentralregierung. Mit den Organen der Verwaltung, der Partei und Massenorga-

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VERWALTUNG UND SIEDLUNG 119

nisationen beherrscht sie wie in keinem anderen kommunistischen Staat das Leben der Menschen. Ehe und Familie, Kindererziehung und Ausbildung, Arbeit und Freizeit, Wissenschaft und Kultur sind den Normen und Regeln des Regimes unterworfen. Disziplin und Sauberkeit, Unterordnung und Arbeits- wille sind die höchsten Ziele der Erziehung, die in Nordkorea als eine der wichtigsten Staatsaufgaben betrachtet wird. Sie beginnt mit dem 44. oder 72. Lebenstag eines Kindes in der Kinder- krippe, die dem Wohnblock oder der Arbeitsstätte der Mutter zugeordnet ist, und setzt sich über den Kindergarten und die eltjährige Grundschule, die bis zum 17. Lebensjahr obligatorisch ist, fort. Nach dem Verlassen der Schule bestimmt die zuständige Organisation den weiteren Weg des Schulabgängers gemäß seinen Qualifikationen und den Anforderungen des ökonomischen Staatsplanes (H.KuR- NITZKY 1972, 100). Entweder geht er in die Landwirtschaft oder in die Industrie, um als Facharbeiter ausgebildet zu werden, von wo aus er später bei entsprechender Qualifikation noch eine Universität oder Hochschule besuchen kann; oder er geht direkt auf die Hochschule, falls er nicht erst seine drei- bis vierjährige Militärzeit abolvieren muß. Die größte Universität des Landes, die Kim 11-sung-Universität, wurde 1946 an einem von Kim 11-sung persönlich ausgewählten Platz in P'yongyang errich- tet. "Das Ziel dieser Universität ist es, hervorragende Kader der Nation auszu-

bilden, die über ein hohes Maß wissen- schaftlicher Fähigkeiten und politischen Bewußtseins verfügen und in der Lage sind, hingebungsvoll für die Errichtung unserer Nation zu kämpfen" (I.S. U M , nach: Korea 1976, H. 10). An ihr studie- ren zur Zeit in 12 Fakultäten mit 80 hervorragend ausgestatteten Instituten und über 2 000 Lehrkräften 40 000 Stu- denten. Neben Schule und Hochschule spielen auch zahlreiche große Massenor- ganisationen eine wichtige Rolle in der Volkserziehung. Das beginnt mit der Pionierorganisation, in der alle Kinder vom 8. bis 14. Lebensjahr zusammenge- faßt sind, und setzt sich über die Jugend- organisation fort zu den Gewerkschaften, der Frauenorganisation oder Zirkeln zum Studium der Werke Kim 11-sungs. In den Massenorganisationen, für die die Linie der Partei Gesetz ist, das nicht zu kriti- sieren, sondern zu erfullen ist, sollen die Mitglieder lernen, die ihnen gestellten Aufgaben freiwillig und mit Begeisterung zu erfüllen. Gleichzeitig sollen sie die Prinzipien der Kritik und Selbstkritik lernen, so daß jeder einzelne sich ständig vor dem Kollektiv verantworten muß (H. KURNITZKY 1972, 102). Die traditionell hierarchisch geschichtete Sozialstruktur wurde durch eine neue Parteihierarchie ersetzt, die in ihren äußeren Erschei- nungsformen viele Elemente der traditio- nellen Gliederung übernommen hat. So akzeptiert die Bevölkerung, in konfuzia- nischer Tradition zu ehrerbietiger Zu- rückhaltung gegenüber höhergestellten Persönlichkeiten erzogen, z. B. die Kluft,

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mit denen sich die Parteifunktionäre, die sich nur in staatseigenen gardinenverhan- genen Limousinen bewegen, in speziellen Diplomatenläden einkaufen und im Theater und Stadion ihre eigenen Eingänge benutzen, vom normalen Volk distanzieren. Auch für das Phänomen des übersteigerten Personenkults um Kim Il- sung scheint der Schlüssel im Nachleben dieser jahrtausendalten Tugenden der konfuzianischen Ethik zu liegen.

Verwaltungsmäßig blieb auch in Nord- korea die traditionelle Gliederung in Provinzen, Regiemngsbezirke, Kreise und Gemeinden bestehen. Neben den 9 Provinzen (do) gibt es eine Stadt mit Sonderstatus (t'ukpy6lsi), die Hauptstadt P'ybngyang, einen Distrikt mit Sonder- Status (chigu), das Gebiet der im Korea- krieg an Nordkorea gefallenen Stadt Kae- song und zwei direkt verwaltete Städte (chikhwalsi), Harnhüng und Ch'bngjin.

Für 1990 wurde die Bevölkemng des 122 762 km2 großen Staatsgebietes auf 21 770 000 Ew. geschätzt. Mit 177 Ew./km2 ist Nordkorea sehr viel dünner besiedelt als Südkorea. Die ländliche Bevölkemng konzentriert sich vomehm- lich auf den westlichen Küstenstreifen mit den Provinzen Hwanghae-namdo und Hwanghae-pukto sowie P'yongan-namdo und P'ybngan-pukto, die Bevölkemngs- dichten zwischen 124 und 184 Ew./km2 erreichen; dagegen weisen die Ostküsten- provinzen Kangwbn-do, Hamgybng- namdo und Hamgyong-pukto mit ihrem

sehr viel schmaleren landwirtschaftlich nutzbaren Küstenstreifen nur Bevölke- rungsdichten von 69 bis 97 Ew./km2 auf. Die beiden nördlichen Berglandprovinzen Ryanggangdo und Chagang-do, in denen die landwirtschaftliche Nutzung auf kleine Rodungsinseln beschränkt und der Reisanbau aus klimatischen Gründen praktisch ausgeschlossen ist, sind mit 49 bzw. 31 Ew./krn2 äußerst dünn besiedelt. Da der Norden Koreas bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine Pioniergrenze bildete, finden sich städtische Siedlungen aus vorjapanischer Zeit nur in der westlichen Küstenebene: P'yongyang mit seinem Hafen Namp'o sowie Kaesong als Zentren der Verwaltung und des Han- dels. An der Ostküste hatte lediglich der Hafen Wbnsan, von Seoul durch die Ch'ugaryong-Furche bequem zu errei- chen, eine gewisse Bedeutung. In japanischer Zeit trat dann mit der Erschließung der Bodenschätze und Wasserkraftreserven und der Industria- lisierung, die sich in erster Linie auf den Norden des Landes konzentrierten, eine Verstädtemng des westlichen und ganz besonders des östlichen Küstenstreifens ein, die in erster Linie durch gewaltige Wandemngsströme aus den überbevöl- kerten Agrarräumen des Südens gespeist wurde. Nach den Bevölkemngsverlusten des Koreakrieges und der Flucht von 2 Mio. Menschen in den Süden setzte sich die Verstädtemng mit der Forcie- rung des industriellen Aufbaus fort. 1985 lebten bereits 64 % der nordkoreanischen Bevölkemng in Städten, vop denen 13

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VERWALTUNG UND SIEDLUNG 121

Einwohnerzahlen von mehr als 100 000 erreichten: P'yongyang mit 1,7 Mio., Harnhiing-Hüngnam mit 775 000, Ch'ongjin und Wonsan mit jeweils etwa 500 000, Kimch'aek, Sanwon und Kaesong mit Einwohnerzahlen zwischen 150 000 und 300 000.

Im Gegensatz zu Südkorea leiden die nordkoreanischen Städte jedoch nicht an den Problemen einer unkontrollierten Verstädtemng, da die Bevölkemngsbewe- gung streng kontrolliert den jeweiligen ökonomischen Bedürfnissen angepaßt wird. Beim Wiederaufbau der nordkorea- nischen Städte nach den verheerenden Zerstömngen durch amerikanische Bombardiemng während des Koreakrie- ges, einem Wiederaufbau, der mit starker Hilfe befreundeter sozialistischer Staaten, damnter auch der DDR, durchgeführt wurde, veränderte sich ihr Aussehen gmndlegend. Heute weisen nur noch wenige Stadtviertel die für südkoreani- sche Städte so charakteristische dichte Bebauung mit einstöckigen Einfamilien- häusern auf. Mit großen achtgeschossigen Wohnblocks in der gleichen geschoßferti- gen Tafelbauweise, die sich kilometer- lang an neuen, baumgesäumten Pracht- straßen hinziehen, unterscheiden sich die nordkoreanischen Städte wenig von den neuen Stadtteilen Ostberlins, Moskaus oder Nowosibirsks. Erst in einer zweiten, zu Beginn der 80er Jahre eingeleiteten Phase der Stadtentwicklung erhielt P'yongyang seine heutige eindmcksvolle Kulisse mit breit hingelagerten Palästen,

wie dem Studienpalast des Volkes mit seinen im koreanischen Stil geschwunge- nen Dächern am Ufer des Taedong-gang, revolutionären Denkmälern, wie dem 170 m hohen, von einer lodernden Fackel gekrönten Chuch'e-Turm am gegenüberliegenden Flußufer, und den am westlichen Horizont über das Grün der Parks aufragenden Hochhäusern der neuen Wohnviertel am Pot'ong-gang.

Die Bühne zwischen diesen eindmcks- vollen Kulissen, breite Aufmarsch- straßen, wie die Süngni- (= Sieges-) Straße, die Yonggwang- (= Ruhmes-) Straße oder auch die neue Chollima- Straße, erscheint an normalen Tagen allerdings eigentümlich menschenleer, da die Bevölkemng pausenlos in die Produk- tion eingespannt ist und der Individual- verkehr sich auf die staatseigenen Funktionärslimousinen beschränkt; private Kraftfahrzeuge sind in Nordkorea nicht zugelassen, Fahrräder aus P'yong- yang verbannt. Lediglich an Feiertagen, wie Kim 11-sungs Geburtstag am 15. April, oder zu Staatsbesuchen füllt sich die Bühne mit Marschkolonnen und tau- senden in ihren Brigaden singenden und tanzenden Menschen.

Auch die Stmktur der Dörfer hat sich stark gewandelt. Die alten strohgedeckten Lehmhäuser sind vielerorts kleinen weiß verputzten Steingebäuden mit roten Ziegeldächern gewichen. Durch den Bau großer, mehrstöckiger Schulgebäude und der Einrichtung von Kinderkrippen,

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Krankenstationen, Kulturhäusem und Kinos wird versucht, das traditionelle und auch heute noch lange nicht besei- tigte Gefalle zwischen Stadt und Land abzubauen. Dabei werden ähnlich wie in Südkorea Musterdörfer errichtet, die jedem ausländischen Besucher vorgeführt werden; dabei ist es hier, im Gegensatz zu Südkorea, jedoch praktisch unmög- lich, abzuschätzen, inwieweit derartige Musterdörfer auch nur entfernt als ty- pisch anzusehen sind.

Grundzüge der

Wirtschaftsentwicklung

und -politik

Bei der Teilung des Landes übernahm Nordkorea mit zwei Dritteln der beste- henden Industriekapazität, 90 % der ausgebauten Wasserkräfte und praktisch allen bedeutenden Kohlen-, Eisen- und sonstigen Minerallagerstätten den über- wiegenden Teil des wirtschaftlichen Erbes der japanischen Kolonialherrschaft, das trotz teilweiser Demontagen durch die abziehenden Japaner und dem anfang- lichen Mangel an einheimischen techni- schen Führungskräften eine gute Basis für die angestrebte Industriaiisierung bildete. Der Koreakrieg brachte mit

seinen verheerenden Zerstörungen jedoch einen gewaltigen Rückschlag. Bei Kriegs- ende 1953 war die Industrieproduktion Nordkoreas auf 64 % des Vorkriegsstan- des gesunken. Die Erzeugung elektri- scher Energie war von 5,9 Mio. kWh im Jahre 1949 auf 1 Mio. kWh zurückge- gangen, die Kohlefördemng von 4 Mio. t auf 700 000 t, die Stahlerzeugung von 144 000 t auf 3 600 t, die Zementpro- duktion von 500 000 t auf 26 000 t, die Kunstdüngerindustrie, die 1949 400 000 t produziert hatte, war völlig zerstört. Darüber hinaus waren von der landwirt- schaftlichen Nutzfläche 370 000 ha, das sind annähernd 20 %, verwüstet; die Getreideproduktion war auf 88 % des Vorkriegsstandes abgesunken.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau, der als Nahziel die Wiederherstellung des Vorkriegsstandes in allen Wirtschaftsbe- reichen zum Ziel hatte, begann mit dem Dreijahresplan 1954-56, der dank gewal- tiger Arbeitsleitsungen und massiver Wirtschaftshilfe durch die befreundeten sozialistischen Staaten, insbesondere die UdSSR und die VR China, sehr erfolg- reich abgeschlossen werden konnte. 1956 hatte die Industrieproduktion den Vor- kriegsstand nicht nur wieder erreicht, sondern beträchtlich übertroffen (siehe Tab. 5). 1956 legte Kim 11-sung einen neune Wirtschaftsplan vor, der in einem fünfjährigen Zeitraum die Grundlagen der sozialistischen Industrialisierung des Landes legen und die Probleme der Ernährung, Bekleidung und Wohnung für

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WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG UND -POLITIK 123

Tab. 5 Nordkorea - ausgewählte Plan- und Produktionsziffern

1946 1953 1956 1961 1965 (1967) 1970

Elektrizität Mio. kWh 3 934 1017 5 120 10 418 13 260 17 000 16 500

Kohle 1 000 t 1 270 708 3 908 7 500 14 900 24 000 27 500

Stahl 1 0 0 0 1 122 365 536 1 080 1 700 2 200

Zement 1 0 0 0 1 156 195 2263 2 6 1 0 4300 4000

Kunstdiinger l 0 0 0 t 4 4 190 682 853 1 700 1 500

Textilien Mio. qm 103 27 597 187 318 500 400

Getreide 1000 t 1610 I 9 7 0 2 523 4 830 4 526 6 700 5 735

Meeresprod. l 0 0 0 t 269 216 365 600 790 1 200 800

Elektrizität

Kohle

Stahl

Zement

Kunstdünger

Textilien

Getreide

Meeresprod.

Mio. kWh

l 0 0 0 t

1 0 0 0 t

l 0 0 0 t

l 0 0 0 t

Mio. qm

l 0 0 0 t

1 0 0 0 1

Quelle: nach Y.S. KIM 1971. R.S. SHIN 1969, J . SURET-CANAE 1972 und H. MARTZKI 1991

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das gesamte Volk lösen sollte (I.S. KIM, Selected Works, Vol. 11, 1971, 104). Dieser Fünfjahresplan (1957-196 1) war so erfolgreich, daß er bereits ein Jahr vorher, Ende 1960, erfüllt war. In den vier Jahren zwischen 1957 und 1960 wurde die Industrieproduktion nach offiziellen Angaben um 350 % gesteigert. Dieser enorme Wirtschaftsaufbau wurde im Gegensatz zur vorhergegangenen Planperiode weitgehend mit eigener Kraft verwirklicht. Der Anteil ausländischer Wirtschaftshilfe an den Staatseinnahmen, der 1957 noch 12,2 % betragen hatte, fiel 1958 auf 4,5 % und 1960 auf 2,6 % (R.S. SHINN 1969, 299). Der Schlüssel zum Erfolg lag in einer ungewöhnlichen Steigerung der Arbeitsleistungen der Werktätigen, die durch die im Dezember 1956 von Kim 11-sung initiierte "Ch'tillima-Bewegung" erreicht wurde, der Zusammenfassung der Arbeiter in sogenannten " Ch 'dllima-Brigaden", die im sozialistischen Wettbewerb um die vorzeitige Erfüllung der hochgesteckten Planziele wetteifern sollen. Bei der Wahl des " C i a , eines legendären Pferdes, das tausend ri (400 km) mit einem Sprung zurücklegt, wurde Kim II- sung augenscheinlich von der Idee Mao Tse-tungs vom "großen Sprung vor- wärts" inspiriert. Ein weiterer Faktor zur erfolgreichen Durchführung des Fünfjah- resplans war zweifellos die im Juni 1958 durchgeführte Dezentralisierung der Leichtindustrie, die eine effektivere Ausnutzung der örtlichen Ressourcen und der weiblichen Arbeitskräfte ermöglichte

und mit der Verlagerung von Verant- wortlichkeiten auf örtliche Organe Mängel der Planung und Verschwendung von Rohstoffen weitgehend ausschaltete. Ende 1960 stammten bereits 33,9 % der industriellenBruttoproduktionaus lokalen Betrieben gegenüber 13,3 % im Jahre 1957.

Nach der erfolgreichen, vorfristigen Erfüllung des Fünfjahresplans wurden die wirtschaftlichen Ziele des neuen, auf sieben Jahre angelegten Wirtschaftsplanes noch höher gesteckt. Dieser Sieben- jahresplan (1 96 1 - 1967) sollte eine "groß- maßstäbige Modernisierung des industri- ellen und landwirtschaftlichen Sektors" herbeiführen. Dabei erkannte er die Mängel in der Versorgung der Bevölke- rung mit Konsumgütern und Lebensmit- teln an und betonte deshalb in einem ersten Planungsabschnitt (1961-63) die Entwicklung der Leichtindustrie und der Landwirtschaft, während im zweiten Planungsabschnitt (1964-67) stärkeres Gewicht auf die Entwicklung der Schwerindustrie gelegt werden sollte.

Wirtschaftliche Pressionen der Sowjet- union als Antwort auf Kim 11-sungs ideologische Hinwendung zu China brachten den Plan jedoch fast zum Schei- tern. 1965, zwei Jahre vor Planablauf, waren die Produktionsziffern der wich- tigsten Industriezweige noch so weit von den Planzielen entfernt (siehe Tab. 5), daß sich die nordkoreanische Führung entschließen mußte, den Plan um drei

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WIRTSCHAFTSENWICKLUNG UND -POLITIK 125

Jahre (bis 1970) zu verlängern. In den drei zusätzlichen Planjahren stand unter dem Slogan "Chuch 'e " die militärische Aufrüstung neben der Entwicklung der Schwerindustrie im Vordergrund, da sich Nordkorea bei einer erneuten militäri- schen Konfrontation mit Südkorea nicht mehr auf die Sowjetunion verlassen konnte. Nach der Wiederaufnahme der sowjetischen Wirtschaftshilfe konnte Kim 11-sung auf dem 5. Parteitag der PdAK im November 1970 den erfolgreichen Abschluß des Siebenjahresplanes als "politischen Triumph des Kim Il-sung- Nationalismus" feiern. Die industrielle Bruttoproduktion soll zwischen 1956 und 1970 auf das 1 l,6-fache, die Erzeugung von Produktionsmitteln auf das 13,2- fache und die Produktion von Konsum- gütern auf das 9,3-fache gesteigert worden sein; demnach lag die jährliche Wachstumsrate der industriellen Produktion im Durchschnitt des gesamten Planungszeitraums bei über 19 % (I.S. KIM 1971, 46).

Gleichzeitig wurden die Ziele eines neuen, auf sechs Jahren angelegten Wirtschaftplanes (1971 -76) verkündet, der die "materiellen und technischen Grundlagen des Sozialismus weiter festigen und die Werktätigen von schwerer körperlicher Arbeit befreien soll". Er sah bei einer jährlichen Wachstumsrate von 14 % eine Steigerung der industriellen Bruttoproduktion um 120 %, der Produktionsmittelerzeugung um 130 % und der Konsumgüterproduk-

tion um 100 % vor und forderte von allen Wirtschaftszweigen eine sorgfältige Beachtung des " Chuch 'e-Prinzips".

Als die nordkoreanische Führung jedoch erkennen mußte, daß sie die gesteckten Ziele nicht erreichen konnte, weil die Wirtschaft trotz immer neuer Arbeits- kampagnen infolge Arbeitskräftemangels und rückständiger Produktionsmethoden an der Grenze ihrer Leistungsfahigkeit angelangt war, die südkoreanische Wirt- schaft andererseits mit der von Park Chung-hee eingeleiteten Industrialisie- rung mit ausländischen Investitionen und Kooperationen nicht nur die nordkoreani- sche Wirtschaft einholte, sondern weit überrundete (BSP 1978: Südkorea 42,5 Mrd. $ = 1 160 $/Ew. - Nordkorea 12,5 Mrd. $ = 730 $/Ew.), wich sie selbst plötzlich von ihrem zur obersten Maxime erhobenen Gmndsatz des "Chuch 'e " ab. Dabei kam ihr die Rohstoffkrise mit dem Anschnellen der Preise für fast alle mineralischen Rohstoffe zugute. Im Vertrauen auf die gestiegenen Devisen- erlöse aus seinen Erzexporten kaufte Nordkorea in großem Umfang moderne Technologien und ganze Industrieausrü- stungen, bevorzugt in kapitalistischen Ländern, in Japan, der Bundesrepublik, Frankreich und Schweden, ein, um seine Industrie zu modernisieren.

Der plötzliche Verfall der Erzpreise nach der Rohstoffkrise und die Anhebung der Preise für sowjetisches Erdöl an den Weltmarktpreis fihrten 1975 schließlich

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zum außenwirtschaftlichen Bankrott Nordkoreas, das seither im Außenhandel praktisch nur noch Bargeschäfte tätigen kam. Auf die Tatsache, daß Nordkorea unter diesen Bedingungen das Planziel der "großen technischen Revolution" nicht erreichen konnte, deutete der nach einer zweijährigen "Korrekturphase" angelaufene 2. Siebenjahresplan (1978- 1984) hin, der erneut unter dem Zeichen der technischen Modernisierung stand. Der geplante Übergang zu einem intensi- ven Wirtschaftswachstum setzt jedoch die Einführung moderner Produktionstechno- logien voraus, für deren Import Nord- korea die Devisen fehlen. Im Herbst 1987 mußte Nordkorea bei einem Schul- denstand von 4 Mrd. $ (davon 2,23 Mrd. $ im Westen) erneut einseitig seinen Schuldendienst aufkündigen, was die Erfüllung des gerade angelaufenen 3. Siebenjahresplanes (1987-1993), der durch die Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zu "freundlichen kapitalisti- schen Ländern" eine Steigerung des Exportvolumens auf das 3,2-fache vorsieht, mehr als fraglich erscheinen Iäßt.

Trotz der systemimmanenten Schwierig- keiten konnte Nordkoreas Wirtschaft durch die totale Unterwerfung der Bevöl-

kerung unter das Diktat einer extrem zentralistischen Planungsbürokratie und durch die Mobilisierung aller inneren Kräfte (H.W. MAULL U. I.M. MAULL 1987, 150) bislang ein im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern erstaunli- ches Wachstum aufweisen. Obwohl die Angaben über das Pro-Kopf-Einkommen Nordkoreas beträchtlich schwanken (zwischen 750 $ nach südkoreanischen Schätzungen und 1 920 $ nach Kim Il- sungs eigener Angabe für 1980), dürfte es nach Schätzungen westlicher Experten 1980 die 1 000 $-Marke überschritten haben. Es lag damit allerdings bereits 33 % unter dem südkoreanischen Pro- Kopf-Einkommen; inzwischen hat sich die Relation bei einem raschen Anwach- sen des Pro-Kopf-Einkommens im Süden und einer Stagnation im Norden aller- dings noch weiter verschoben, heute (1 990) erwirtschaftet Südkorea bereits ein Pro-Kopf-Einkommen, das gut 5 mal so groß ist, wie das nordkoreanische. Ohne eine grundlegende Erneuerung seiner Industriestruktur wird Nordkoreas Wirt- schaft nach vollständiger Ausschöpfung der menschlichen Arbeitskraftresemen auch nicht in der Lage sein, diesen Rückstand zur südkoreanischen Wirt- schaft wieder aufzuholen.

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Struktur und

Entwicklung der

Landwirtschaft

Durch die gebirgige Natur Nordkoreas ist die landwirtschaftliche Nutzfläche hier noch stärker als in Südkorea, nämlich auf 17,s % der Gesamtfläche, eingeschränkt. Außerdem wirkt sich auch das kontinen- talere Klima Nordkoreas mit seinen lan- gen, strengen Wintern stark auf die landwirtschaftlichen NutzungsmögIich- keiten aus. Eine Doppelnutzung der Naß- reisfelder ist gar nicht möglich, und auch auf den Trockenfeldern ist Wintergetrei- deanbau nur in den südlichen Provinzen

Hwanghae-namdo, Hwanghae-pukto und P'yiingan-namdo sowie in einem schma- len Streifen längs der Ostküste möglich. Deshalb wurde nach der Teilung die Nahrungsmittelversorgung Nordkoreas, das in japanischer Zeit Reis aus dem Süden und sonstiges Getreide aus der Mandschurei einführte, zu einem ernsten Problem. Nach den gmndiegenden Umgestaltungen der Agrarstmktur und gewaltigen landeskulturellen Maßnahmen ist Nordkorea heute jedoch, im Gegen- satz zu Südkorea, in der Lage, in normalen Erntejahren seine Bevölkemng aus eigener Ernte zu ernähren. In un- günstigen Erntejahren ist jedoch auch Nordkorea auf Getreideimporte angwie- sen, die sich in den letzten Jahren infolge der chronischen Devisenknappheit zuneh- mend schwieriger gestalten, so daß in der

Tab. 6 Nordkorea - Kollektivierung der Landwirtschaft

kollektivierte Bauern

%

1,2 31,8 49,O 80,9 95,6

100,o 100.0

kollektivierte Zahl der Haushaltungen Fläche pro Fläche Kollektive pro Kollektiv Kollektiv

% ha

0,6 30,9 48,6 77,9 93,7 16 032 64 104

100,O 3 843 275 462 100.0 3 736 297 464

Quelle: nach R.S. SHINN 1969 und J. SURET-CANALE 1972

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Nahrungsmittelversorgung Nordkoreas in der jüngsten Zeit deutliche Engpässe auftreten.

Den stärksten Einfluß auf die Umstruk- turierung der Landwirtschaft hatte die Kollektivierung der kleinen Einzelwirt- schaften. Obwohl sie nicht ganz ohne Widerstand verlief, da zahlreiche Bauern ihr Land, das sie vielfach erst mit der Bodenreform des Jahres 1946 erhalten hatten, nicht abgeben wollten, konnte die Kollektivierung im August 1958 abge- schlossen werden. Noch im gleichen Jahr erfolgte der Zusammenschluß der zahlrei- chen kleinen Kooperativwirtschaften zu landwirtschaftlichen Produktionsgenos- senschaften auf Großgemeinde-(ri-) Ebe- ne, in denen jeweils etwa 300 landwirt- schaftliche Familien mit 450 bis 500 ha Nutzfläche zusammengefaßt sind (siehe Tab. 6).

Die Bodenreform und die anschließende Kollektivierung haben die traditionelle ländliche Sozialstruktur grundlegend verändert. Besonders durch die Zusam- menfassung der halbsozialistischen Ko- operativen zu großen vollsozialistischen landwirtschaftlichen Produktionsgenos- senschaften auf Großgemeindeebene verloren die Dörfer mit ihrer traditionel- len Einbindung des Einzelnen in konfuzi- anisch geprägte Familienverbände an Bedeutung, während sich die Arbeitsbri- gaden der LPGs zu neuen Zellen der ländlichen Gesellschaft entwickelten.

Im Gegensatz zu sowjetischen Kolchosen und chinesischen Volkskommunen zeich- nen sich die nordkoreanischen Produkti- onsgenossenschaften durch einen hohen Grad der Integration aus. Sie kontrol- lieren und leiten nicht nur die gesamte landwirtschaftliche Produktion, sondern ebenso den Handel und die Versorgung, das Finanzwesen, die Schulen und Gesundheitseinrichtungen der Gemeinde und bilden damit praktisch die gesell- schaftliche Basisorganisation auf dem Lande. Die einzelnen landwirtschaftli- chen Familien sind zu Arbeitsbrigaden zusammengefaßt, die täglich von der Genossenschaftsleitung, deren Vorsitzen- der gleichzeitig Leiter des dörflichen Volkskomitees ist, ihre Instruktionen empfangen.

Bei allen agrartechnischen Fragen, der Aufstellung von Anbauplänen, der Anla- ge von Bewässerungseinrichtungen sowie dem Einsatz von Maschinen, Kunstdün- ger und Pestiziden, werden die Genos- senschaftsleitungen von staatlichen Agrotechnikern unterstützt, wodurch eine rasche und wirkungsvolle Umsetzung agrartechnischer Innovationen in die Praxis gewährleistet ist. Die Zusammen- arbeit zwischen den Funktionären und Genossenschaftsbauern wird seit 1960 nach der "Ch'ongsan-ri-Methode" orga- nisiert, benannt nach einem Dorf in der Provinz P'y6ngan-namdo das Kim 11- sung im Februar 1959 für 14 Tage besuchte, um Methoden zu entwickeln, mit denen die krassen Fehlplanungen

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vermieden werden können, die dadurch entstanden, daß die Regierungskader den Genossenschaftsbauern von oben herab Weisungen .erteilten, ohne mit den Problemen an der Basis vertraut zu sein. Die "Ch'6ngsan-ri-Methode" verpflichtet die Funktionäre, in gemeinsamer Arbeit mit den Genossenschaftsbauern diese anzuleiten; andererseits werden die Genossenschaftsbauern stärker am Ent- scheidungsprozeß beteiligt (I.S. KIM: Für die richtige Verwaltung der sozialisti- schen Landwirtschaft, Wien 1970).

Größere Investitionen wie der Bau der Bewässemngsaniagen, die Errichtung von Wohnhäusern und kommunalen Einrich- tungen und die Ausstattung der Genos- senschaften mit landwirtschaftlichen Maschinen werden vom Staat vorgenom- men. Andererseits sind die landwirt- schaftlichen Produktionsgenossenschaft- en verpflichtet, jährlich festgelegte Produktionsquoten an den Staat abzulie- fern. Lediglich die Überschüsse können zur Bezahlung der Genossenschaftsbauern verwendet werden. Durch dieses System verfügt die Regiemng über eine direkte Kontrolle des ländlichen Einkommens und Verbrauchs und ist in der Lage, ausreichend Nahmngsmittel zur Versor- gung der städtischen Bevölkemng bereit- zustellen.

Die Kollektiviemng schaffte die Voraus- setzung für umfangreiche agrartechnische Innovationen. Die Arilage ausgedehnter Bewässerungseinrichtungen erlaubte die

Ausdehnung der künstlich bewässerten Fläche auf 1,07 Mio. ha (1985, d. h. fast das Zehnfache derjenigen des Jahres 1944). Bis 1982 wurden über 1 700 Stau- becken, 15 800 Pumpwerke und über 40 000 km Bewässerungskanäle angelegt (H.-U. PEWS 1987, 135). Aus orographi- schen Gründen konzentrieren sich die neuen großen Bewässemngssysteme auf das Schwemmland der Westküste (siehe Abb. 24).

Neben dem Ausbau der Bewässerungs- anlagen tmg ein massiver Einsatz von Kunstdünger wesentlich zur Steigemng der landwirtschaftlichen Produktion bei. Nach der Wiederherstellung der großen Kunstdüngerwerke von HSingnarn steht ausreichend Kunstdünger zur Verfügung. Allein zwischen 1960 und 1985186 wurde der Kunstdüngerverbrauch von 160 kglha auf 844 kglha (Nährstoffgewicht) gestei- gert.

Seit der Zusammenfassung der kleinen Kooperativen zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wurden auch auf dem Gebiet der landwirtschaftli- chen Mechanisierung große Fortschritte erzielt. 1965 standen der nordkoreani- schen Landwirtschaft bereits 21 800 Traktoren (auf 15 PS-Einheiten berech- net) zur Verfügung, d.h. einer für je 100 ha; für 1970 waren 70 000 Traktoren im Wirtschaftsplan vorgesehen. Für 1982 wird ein Traktorenbesatz von 7 Einheiten 2 28 PS auf 100 ha irn Flachland und 6 Einheiten1100 ha im Bergland angegeben

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Abb. 24 Bewässerungssysteme in der Provinz P'ytingan-narndo P

Die Küstenebene der Provinz P'ydngan-namdo, die das Zentrum des Reisbaus Nordkoreas bildet, wird von zwei großen Bewässerungssystemen mit Wasser versorgt, der Norden durch das P'ydngnam-Bewässerungs- system und der Süden durch das Kiyang-Bewässerungssystem.

Das P'ydngnam-Bewässerungssystem entnimmt sein Wasser über einen 4 km langen Stollen dem Mittellauf des Taedong-gang oberhalb von Sunch'dn. Der Bewässerungsstoiien füllt den Ydnp'ung-Stausee (I), den größten der 10 Stauseen dieses Systems. Von hier aus wird das Wasser über einen Hauptkanal und 10 Zweigkanäle mit einer Gesamtlänge von 2 000 km über die Ydldulsamch'dlli-Ebene im Norden der Provinz verteilt. Durch eine Pumpstation (2) bei Anju kann zusätzlich Ch'dngch'dn-gang-Wasser in das System eingespeist werden. Einige abgedämmte Buchten des Gelben Meeres, wie die Haech'ang-Bucht (3), dienen als zusätzliche Speicherbecken, aus denen Wasser durch Pumpstationen entnommen werden kann. Der Hauptkanal endet im P'ydngwdn-Stausee (4). Insgesamt versorgt das P'ydngnam-Bewässerungssystem eine landwirtschaftlichen Nutzfläche von 100 000 ha (in 100 landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und Staatsgütern) mit Wasser.

Die Anbauflächen am Oberlauf des Pot'ong-gang werden durch ein eigenes Bewässerungssystem, das sein Wasser dem Kydllyong-Stausee (5) und einer Reihe kleinerer Reservoire entnimmt, versorgt.

Der Süden der Provinz P'ydngan-namdo wird durch das Kiyang-Bewässerungssystern mit Wasser versorgt. Die Pumpstation "Taedong 1" (6) entnimmt das Wasser dem aufgestauten Sunhwa-gang, einem Nebenfluß des Taedong-gang, und fordert es in den T'aesdng-Stausee (IO), während die Pumpstation "Taedong" (7) Sunhwa-gang-Wasser in den P'ydngwdn-Stausee (4) des P'yOngnam-Systems einspeist. Über diese beiden Pumpstationen und den P'ydngwdn-Stausee ist ein Wasseraustausch zwischen beiden Bewässerungssystemen möglich. Der T'aesdng-Stausee (10) kann zusätzlich durch die beiden Pumpstationen "Kiyang 1" (8) und "Kiyang 2" (9), die dem Taedong-gang bei KangsOn Wasser entnehmen, aufgefüllt werden. Vom T'aesdng- Stausee aus wird das Wasser über 6 Hauptkanäle und zahlreiche Zweigkanäle mit einer Gesamtlänge von 1 800 km auf eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 65 000 ha im Südwesten der Provinz verteilt.

Mit der Abdämmung der Taedong-gang-Mündung durch den Westmeerstaudamm (1986) entstand ein gewal- tiges Süßwasserreservoir (2,7 Mia. m3 Inhalt), aus dem in den Provinzen P'ydngan-namdo und Hwanghae- namdo 100 000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche zusätzlich bewässert werden sollen. Ein erster Hauptkanal wurde 1990 fertiggestellt. Er beginnt direkt am Nordende des Westmeerstaudammes ( I I), unterquert die Kwangyang-Bucht in einem Düker und fuhrt in die eingedeichten Polderflächen an der Südwestküste P'ydngan-namdos.

Staustufen im Taedong-gang: (1 1) Westmeerstaudamm (12) Staustufe Mirim (13) Staustufe Ponghwa (14) Staustufe Hadan (15) Staustufe Tongam

Entwurf: E. DEGE

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(H.-U. PEWS 1987, 137). Der überwie- gende Teil der größeren Landmaschinen ist in 163 staatlichen Landmaschinensta- tionen konzentriert, die mit gut ausge- bildetem Bedienungspersonal die Flächen der umliegenden landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bearbeiten. Zumindest in den fruchtbaren Reisebenen der Westküste wird das Bild der Agrar- landschaft heute von schweren Traktoren beherrscht, die auf großen, nach der Kollektiviemng umgelegten Schlägen die Arbeit verrichten. Allerdings beschränkt sich der Maschineneinsatz weitgehend auf landwirtschaftliche Transporte und Pflugarbeiten. Reissetz- und Reisrnähma- schinen, oder gar Mähdrescher sind erst in so geringer Zahl irn Einsatz, daß die nordkoreanische Landwirtschaft auch heute noch extrem arbeitsextensiv ist.Das zeigt sich auch daran, daß nicht nur ein mit 42,s % überproportional starker Anteil der Erwerbspersonen noch in der Landwirtschaft tätig ist, sondern daß zu den Arbeitsspitzen (Reisumsetzen mit der Hand, Reisernte mit der Sichel) zusätz- lich städtische Bevölkemng und Militär- einheiten für landwirtschaftliche Arbeits- einsätze mobilisiert werden müssen.

Hauptwirtschaftsziel der nordkoreani- schen Landwirtschaft ist, wie auch im Süden, der Getreideanbau, 1984 nahm er 71 % der Anbaufläche ein. Davon waren infolge der orographischen und klimati- schen Einschränkungen jedoch nur 35,2 % mit Reis bebaut, der infolge seiner hohen Hektarerträge allerdings

etwa die Hälfte der Gesamternte von Gmndnahmngsmittein liefert. (STATISTI- SCHES BUNDESAMT: Länderbericht Korea, Demokratische Volksrepublik 1986). Der Reisanbau hat seinen Schwerpunkt in der westlichen Küsten- ebene, in der die Provinzen Hwanghae- namdo sowie P'ybngan-namdo und P'ybngan-pukto annähernd 70 % der Gesamtproduktion des Landes liefern. Die Anbaufläche von Reis wurde durch Ausdehnung der Bewässemngsaniagen erheblich erweitert (von 385 000 ha im Jahre 1946 auf 840 000 ha im Jahre 1985), die Produktion stieg von 1 Mio. t im Jahr 1946 auf 6,2 Mio. t im Jahre 1987 (STATISTISCHES BUNDESAMT: Län- derbericht Korea, Demokratische Volks- republik 1989). Diese Angaben sind allerdings sehr unsicher; H. MARETZKI (199 I) beziffert die Reisernte Nordkoreas für 1989 auf 4,2 Mio. t, das südkorean- ische NATIONAL UNIFICATION BOARD (1991) kommt in einer Emteabschätzung für das Jahr 1990 bei einer Anbaufläche von 645 000 ha und einem Hektarertrag von 30,6 dz nur auf 1,9 Mio. t.

Durch die enorme Ausweitung des Reis- anbaus sind Mais und Hirse, die früher die wichtigsten Gmndnahmngsmittei Nordkoreas darstellten, auf Platz zwei und drei verdrängt worden. Der Anbau- schwerpunkt fiir Mais, der heute (1984) allerdings nur noch 18 % der Getreide- anbaufläche einnimmt, liegt im Nord- westen, wo er im Gebirge bis 800 m hinaufreicht. Im Hügelland' der West-

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küste, speziell in der Provinz Hwanghae- namdo stellt Weizen die wichtigste Trockenfeldfrucht. Auf den inselhaft in das Bergland eingesprengten Ackerflä- chen der Nordprovinzen beschränkt sich der Anbau aus klimatischen Gründen zumeist auf Hirse und Kauliang. Zusammen nahmen Hirse und Kauliang 1984 noch 23,5 % der Getreideanbauflä- che ein.

Eine starke Ausweitung, besonders durch die Einrichtung künstlicher Beregnungs- anlagen und die Verwendung folienüber- spannter Gewächshäuser, erfuhr auch der Gemüseanbau, der 1960 bereits 13,4 % der Anbaufläche einnahm. Kampagnen zur Nutzung des Hügellandes, das infolge seiner Reliefenergie nicht unter den Pflug genommen werden kann, ließen den Obstbau und Maulbeerkulturen zur Seidenraupenzucht, die 1960 2 ,7 % bzw. 1,4 % der L N umfaßten, stark an Bedeu- tung gewinnen. Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzung auf ehemals mit Sekundärwald bestandene Hanglagen

hat andererseits allerdings die Erosion stark angeregt, die mit der Überfrachtung der Flüsse letztlich zum Auslöser für verheerende Überschwemmungskatastro- phen in den Reisanbauebenen und damit für große Ernteausfalle im Reisbau ge- worden ist.

Die Viehwirtschaft ist auch in Nordkorea noch unzureichend entwickelt, 1960 trug sie lediglich mit 17,3 % zum Wert der landwirtschaftlichen Produktion bei. Sie wird in erster Linie von den 39 zentral und 130 regional geleiteten Staatsgütern getragen, die 1960 16, l % der LN Nord- koreas bewirtschafteten. Stadtnahe Staats- güter sind auf Milchviehhaltung oder in der Form fabrikähnlicher Geflügelfarmen auf die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Eiern und Schlachtge- flügel spezialisiert, während die Staatsgüter in entlegenen Gebieten, wie am Unterlauf des Tuman-gang, vorwie- gend Fleischviehhaltung betreiben. Darüber hinaus dienen sie der Erprobung und Einführung moderner Agrotechnik.

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Bodenschätze, Energie

und Industrie

Das industrielle Potential Nordkoreas beruht in erster Linie auf seiner reichen Ausstattung mit Wasserkräften und Bo- denschätzen wie Kohle, Eisenerz, Blei, Zink, Kupfer, Wolfram, Nickel, Mangan und Graphit.

Die Gewinnung von elektrischer Energie aus Wasserkräften und heimischer Kohle bildete den Motor der industriellen Entwicklung Nordkoreas und wurde des- halb entsprechend ausgebaut: 1949: 4,3 Mrd. kWh; 1970: 16,6 Mrd. kWh; 1978: 35 Mrd. kWh und 1984: 60 Mrd. kWh (H.-U. PEWS 1987, 113). Die größten Wasserkraftwerke wurden bereits in japanischer Zeit errichtet: der 94 m hohe Sup'ung-Staudamm in Amnok-kang mit 700 MW installierter Leistung sowie das H6ch16n-gang- (338 MW), das Changjin- gang- (326 MW) und das Pujbn-gang- Werk (207 MW), die das Wasser dreier Nebenflüsse des Amnok-kang mit Druck- stollen über den Steilabfall des Kaema- Plateaus zum Japanmeer hin ableiten. Nach der Befreiung wurden noch zahl- reiche weitere Wasserkraftwerke ange- legt, von denen allerdings viele kleinere Anlagen nur der lokalen Versorgung dienen. In T'aech'6n am Taerydng-gang befindet sich ein Großkraftwerk, das nach seiner Fertigstellung das größte Wasserkraftwerk Nordkoreas sein wird,

noch im Bau. Ein weiterer großer Stau- damm entsteht z. Zt. nur 10 km nördlich der Demarkationslinie am Oberlauf des Pukhan-gang. Das hinter ihm gestaute Wasser soll in einen Druckstollen durch die T'aebaek-Kette zum Japanrneer abge- leitet werden und dabei mit einer Fall- höhe von 300 m Turbinen mit einer installierten Leistung von zusammen 800 MW antreiben. Südkorea befürchtet im Bau dieses 200 m hohen und 1 100 m langen Kiimgang-Dammes das Entstehen einer gefährlichen "Wasserwaffe", mit der Nordkorea in die Lage versetzt würde, durch Sprengung des Dammes sämtliche Verkehrsverbindungen irn Norden Südkoreas zu unterbrechen und noch große Teile Seouls unter Wasser zu setzen, und antwortete deshalb auf dieses Bauprojekt mit der Errichtung eines Pufferdammes ("Friedens-Damm") südlich der Demarkationslinie.

Neben der Wiederinbetriebnahrne und Neuerrichtung von Wasserkraftwerken legte Nordkorea besonderes Gewicht auf den Bau von Wärmekraftwerken, um die Energiegewinnung auf eine von den jahreszeitlichen Schwankungen der Wasserführung unabhängige Basis zu stellen. So wurde allein zwischen 1970 und 1979 die Kapazität der Wärmekraft- werke auf das Doppelte ausgebaut; ihr Anteil an der Gesamterzeugung elektri- scher Energie wurde dadurch auf gut 40 % gesteigert. Da sie heimische Kohle verfeuern, nehmen die Wärmekraftwerke Standorte in den Kohlenbecken im Um-

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land von P'yongyang und im Tal des Ch'ongch'on-gang ein; die größten unter ihnen sind die Kraftwerke P'yongyang, Ch'6ngch'on-gang und Pukch'ang. Das Wärmekraftwerk Pukch'ang, 80 km nordöstlich von P'yongyang, wurde in den 70er Jahren mit sowjetischer Hilfe errichtet und seither ständig erweitert. Heute stellt es mit 16 von der Sowjet- union gelieferten 100 MW-Turbinen das größte Kraftwerk Nordkoreas dar. Für 1990 wird die installierte Kapazität sämtlicher Kraftwerke Nordkoreas mit 7 142 MW angegeben, davon 2 850 MW in Wärmekraftwerken. Trotz des forcierten Ausbaus der Wärmekraft- werkskapazität leidet die nordkoreanische Industrie an einem ernsten Energieman- gel, da immer noch 60,l % der Elektrizi- tätserzeugungskapazität in Wasserkraft- werken installiert sind, die aufgrund der großen jahreszeitlichen Niederschlags- schwankungen immer nur für kurze Zeit (während des Sommers) mit voller Lei- stung betrieben werden können. Deshalb wurde 1987 mit der Sowjetunion der Bau eines ersten Kernkraftwerkes vereinbart; seire Fertigstellung erscheint nach den politischen Umwälzungen in der Sowjet- union heute jedoch zweifelhaft.

Erdöllagerstätten förderwürdigen Umfangs wurden in Nordkorea, wie auch in Südkorea, bislang trotz intensiver Explorationsarbeiten nicht gefunden. Deshalb ist auch Nordkorea auf die Einfuhr von Rohöl angewiesen. Es wurde bislang vorwiegend auf dem Bahnwege

aus der Sowjetunion bezogen und in der Raffinerie von Sonbong (dem früheren Unggi) im äußersten Nordosten aufberei- tet. Seit Janaur 1976 wird Nordkorea über eine neue Pipeline von rlen nordost- chinesischen Ölfeldern beliefert. Das Erdöl dient in Nordkorea in stärkerem Maße der Erzeugung petrochemischer Grundstoffe, da die Energiegewinnung auf Wasserkräften und einheimischer Kohle basiert und dem Schienenverkehr der Vorrang vor dem Straßenverkehr eingeräumt wird. Die Erdölversorgung verschlechterte sich drastisch, als die Sowjetunion ab Januar 1991 die Bezah- lung seiner Erdölexporte mit konvertier- barer Währung verlangte. Dadurch schrumpften die Erdöllieferungen aus der Sowjetunion auf knapp 10 % der Vorjah- resmenge (1990: 440 000 t), und die Raffinerie Sbnbong mußte stillgelegt werden. Im Januar 1992 folgte auch China dem sowjetischen Vorbild. Dieser Schritt traf nicht nur den Straßenverkehr, für den heute nur noch in stark einge- schränktem Maße Kraftstoff zur Verfü- gung steht, sondern auch die petrochemi- sche Industrie.

Der Abbau von Steinkohle, die in den permischen Ablagerungen des P'yongan- Systems auftritt, konzentriert sich auf das Umland der Stadt P'yongyang und ein Feld zwischen Tokch'on am mittleren Taedong-gang und Kaech'on am Unter- lauf des Ch'ongch'on-gang. Ein kleineres Steinkohlenfeld wird an der Ostküste zwischen Kowan und Munch'on nördlich

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von Wdnsan abgebaut. Insgesamt werden die Steinkohlenvorräte Nordkoreas auf über 5 Mrd. t geschätzt; 1983 wurden 37,l Mio. t abgebaut. Zusätzlich wurden 10,s Mio. t Braunkohle gefördert; Ab- bauschwerpunkte für Braunkohle sind der Tuman-Bogen bei Aoji, der Kilchu- Mybngch'bn-Graben und in letzter Zeit verstärkt das Vorkommen von Anju an der Mündung des Ch'dngch'bn-gang. Die Steinkohle wird zu einem bedeutenden Teil zur Stromgewinnung verwandt, aus der Braunkohle werden z. T. in einer Kohlenverflüssigungsanlage in Aoji Treibstoffe hergestellt.

Neben den Energiequellen trugen die Eisenerzvorkommen Nordkoreas, deren Umfang auf 2,4 Mrd. t geschätzt wird, und die mit ihnen verbundenen Verhüt- tungszentren wesentlich zur Entwicklung der nordkoreanischen Industriegebiete bei. An der Westküste werden im Berg- werk von Üllyul und anderen Gruben der Provinz Hwanghae-namdo Haematiterze abgebaut, die im Eisen- und Stahlkom- binat von Songnim am Unterlauf des Taedong-gang verhüttet werden. Das Eisen- und Stahlkombinat von Songnim entstdnd aus der alten Hwanghae- Eisenhütte, die 19 19 von der japanischen Firma Mitsubishi als erster Standort der Eisen- und Stahlerzeugung in Korea errichtet worden war. Es wird heute durch die Eisenhütte "13. April" und das Spezialstahlwerk von Kangsd auf der gegenüberliegenden Taedong-gang-Seite ergänzt. In der Nachbarschaft dieser

Zentren der Eisen- und Stahlerzeugung konzentrieren sich zahlreiche metallver- arbeitende Industrien, das Röhrenwerk von Kangs6, das Traktorenwerk von Kiyang, der Schwermaschinenbau in Taean sowie Getriebe- und Schiffsbau in Namp'o. Das Industriegebiet an der Westküste zieht sich über P'ydngyang mit seinen großen Textil- und Maschi- nenbauwerken, damnter dem Elektrolo- komotivenwerk "Kim Jong-Tae", Anju mit seinem noch im Aufbau befindlichen Chemiekombinat "Jugend", Tdkch'dn (Automobilbau), Hüich'bn und Kusöng (Werkzeugmaschinenbau) bis Sinüiju (Textilindustrie) an der chinesischen Grenze hin.

Die Industriezone der Ostküste entstand ebenfalls bereits in japanischer Zeit mit der Erschließung des großen Erzlagers von Musan am Tuman-gang, dessen Reserven auf 1 Mrd. t hochwertigen Magnetits mit 40 % Fe-Gehalt geschätzt werden, und der Errichtung des Eisen- und Stahlkominats von Ch'dngjin. Ch'ongjin wird mit Erzkonzentraten aus Musan (seit 1975 durch eine Pipeline) versorgt und verfügt neben einem gut ausgebauten Hafen über eine direkte Bahnverbindung mit der VR China, aus der die Kokskohle bezogen wurde, bevor ein Verfahren zur Verkokung der einhei- mischen Kohle entwickelt wurde. Das heutige Eisen- und Stahlkombinat "Kim Ch'aek" verfügt mit Koksbatterien, einem großen Hochofenkomplex, Kon- verterstahlwerk, Elektrostahlwerk, Kalt-

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und Warmwalzwerk und Stranggußanlage über eine Kapazität von 3,5 Mio. t Roheisen und 4 Mio. t Stahl. Es bildet damit das größte metallurgische Zentrum Nordkoreas (H.-U. PEWS 1987, 117). Daneben ist Ch'ongjin der Standort einer bedeutenden Maschinenbau- (Lokomoti- ven) und Schiffsbauindustrie, Gummi-, Kunstfaser- und Textilindustrie. Ein zweites Zentrum der Stahlerzeugung an der Ostküste befindet sich in Kimch'aek, dem früheren Songjin, in dem bereits in japanischer Zeit auf der Grundlage der Elektroenergie der Wasserkraftwerke am Rande des Kaema-Plateaus ein Elektro- stahlwerk errichtet wurde. Hier werden heute Erze aus drei kleineren Gruben des Kaema-Plateaus verhüttet und zusammen mit Roheisen aus Ch'ongjin zu Spezial- stählen weitewerarbeitet. In der Doppel- stadt Hamhüng-Hüngnam entstand, eben- falls bereits in japanischer Zeit, anknüpfend an die großen Wasserkraft- werke des Kaema-Plateaus ein Zentrum der Buntmetallverhüttung und Kunstdün- gerindustrie, des Werkzeugmaschinen- und Turbinenbaus. Von besonderer Bedeutung und ein Paradebeispiel der "Chuch'e~ldeologie ist hier jedoch das 1960161 von Soldaten der Volksarmee errichtete Vinalonwerk "8. Februar". Es produziert nach einem von dem koreani- schen Wissenschaftler Dr. Ri Sung Gi entwickelten Verfahren auf der Basis ausschließlich einheimischer Rohstoffe (Kalkstein und Anthrazit) jährlich 5 0 000 t der Kunstfaser Vinalon und bildet damit die Basis der nordkoreani-

schen Textilindustrie (H.-U. PEWS 1987, 125). Wonsan, schon von den Japanem zu einem wichtigen Flottenstützpunkt und dem Standort einer Raffinerie zur Verarbeitung importierten Rohöls ausgebaut, ist heute neben Flotten- stützpunkt auch ein bedeutender Fischereihafen sowie ein Schwerpunkt des Schiffs-, Waggon- und allgemeinen Maschinenbaus; die Raffinerie wurde nach den Zerstörungen des Koreakrieges nicht wieder aufgebaut.

Immer wiederkehrende Aufrufe in den Reden Kim 11-sungs und Massenkampag- nen, wie die "200-tägige Transport- schlacht", deuten darauf hin, daß das Transportsystem Nordkoreas nicht mit der raschen industriellen Entwicklung Schritt halten konnte und damit zumin- dest teilweise die Verzögerungen in der Erfüllung der hochgesteckten Wirt- schaftspläne mit verschuldete. Das Rückgrat des Transportsystems bilden die Eisenbahnen, die annähernd 9 0 % des Frachtaufkommens befördern. Für 1990 wird die Gesamtlänge des Streckennetzes (ohne Schmalspurbahnen) mit 5 045 km angegeben, davon sind 3 194 km, d. h. alle Hauptstrecken und die wichtigsten Stichbahnen zu den Kohle- und Erzgm- ben und den Industriezentren, elektri- fiziert. Das Eisenbahnnetz stammt in seinen Grundzügen noch aus der japani- schen Zeit und besteht aus zwei Stamm- bahnen, je einer an der West- und an der Ostküste, die u r s p ~ n g l i c h über den Eisenbahnknotenpunkt Seoul miteinander

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verbunden waren. Nach der Teilung des Landes verfügte Nordkorea nur über eine Querverbindung, die P'yong-W6n- Strecke zwischen P'yongyang und Wonsan. Über diese einzige Bahnverbin- dung, die in starken Steigungen und mit zahlreichen Kunstbauten das Gebirgs- rückgrat des Landes überwindet, mußte der gesamte Güteraustausch zwischen den beiden räumlich getrennten Industrie- gebieten Nordkoreas abgewickelt werden: Steinkohle, Salz, Getreide und Maschi- nen von Westen nach Osten, Braunkohle, Stahl, Kunstdünger, Fischereiprodukte und Rundholz in der Gegenrichtung. Erst 1972, nach 14-jähriger Bauzeit, konnte eine südlichere Entlastungsstrecke in Betrieb genommen werden, die in P'yongch'dn von der Westkiistenbahn abzweigt und über Sep'o nach Wdnsan an die Ostküste führt. Sie ist allerdings nicht elektrifiziert und scheint relativ gering ausgelastet zu sein. Eine nördliche Querverbindung durch schwierigstes Gebirgsland zwischen Kanggye, Hyesan und Musan ist seit vielen Jahren im Bau, konnte aber bis heute nicht fertiggestellt werden.

Deshalb kommt einem anderen Großpro- jekt, speziell für den Massengüter- transport, eine erstrangige Bedeutung zu, dem West-Ost-Schiffahrtskanal, der in einer Kaskade von 11 Staustufen den Taedong-gang aufwärts, in einem 25 km langen Tunnel durch die Puktaebong- Kette und dann mit vier Staustufen den Yonghüng-gang abwärts führen und so in

einem durchgehenden Bimenschiffahrts- weg f i r Frachtschiffe von 1000 t (in der Tunnelstrecke allerdings nur 200 t) das Gelbe Meer mit dem Japanmeer verbin- den soll. Die ersten vier Staustufen im Taedong-gang sind bereits in Betrieb genommen worde, damnter auch der 8 km lange Westküstendamm, der 25 km westlich von Namp'o den Mündungs- trichter des Taedong-gang abriegelt und auf einer Länge von 120 km bis zur nächsten Staustufe, dem Mirim-Damm im nordöstlichen Stadtgebiet von P'yong- yang, aufstaut. Seit Fertigstellung des Westküstendammes kann Namp'o, Nord- koreas wichtigster Westküstenhafen, tideunabhängig von großen Seeschiffen angelaufen werden. Darüber hinaus bildet der Stausee ein gewaltiges Reservoir für die Bewässerung der Reisfelder in den Provinzen P'yongan-namdo und Hwang- hae-namdo.

Im Vergleich zum Schienenverkehr ist die Bedeutung des Straßenverkehrs, speziell für Gütertransporte, noch gering; der Ausbauzustand des Straßennetzes ist deshalb auch noch relativ schlecht. Der in den 70er Jahren begonnene Bau eines Autobahnnetzes lißt jedoch erkennen, daß die nordkoreanische Wirtschaftspla- nung auch diesem Verkehrsträger in Zukunft verstärkte Bedeutung beimißt. Bereits 1978 wurden die ersten beiden Autobahnstrecken, zwischen P'yongyang und Namp'o (50 km) sowie zwischen P'yongyang und Wonsan (200 km), ein- geweiht. Eine weitere Autobahnstrecke,

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,ODENSCHÄTZE, ENERGIE, INDUSTRIE 139

die P'yongyang mit Kaesong (mit einer Verlängerung bis zur Waffenstillstands- linie bei Panmunjom) verbindet, wurde zu Kim 11-sungs 77. Geburtstag (15. April 1989) eingeweiht, kann aber bislang noch nicht befahren werden, da die Fahrbahndecke aus (importiertem) Asphalt noch nicht durchgehend aufge- bracht ist. Der Bau einer weiteren Autobahnstrecke, die P'yongyang mit Anju verbinden und am Ch'ongch'bn- gang aufwärts bis Hüich'on führen soll, wurde 1991 wieder eingestellt.

Die rasche Industrialisierung Nordkoreas zeigt sich deutlich an der wachsenden Bedeutung des industriellen Sektors in der Zusammensetzung des Bruttosozial- produktes des Landes. Bei einer Steige- rung der industriellen Produktion vom Index 100 des Jahres 1946 auf 3200 im Jahre 1963 stieg ihr Beitrag an der gemeinsamen Wertschöpfung von Land- wirtschaft und Industrie in der gleichen Zeit von 23,2 % auf 76,3 % und bis 1980 schließlich auf über 90 % an. Gleichzeitig änderte sich die industrielle Struktur grundlegend: Hatte in japani- scher Zeit die Versorgung des japani- schen Mutterlandes mit Rohstoffen und Halbfertigwaren im Vordergrund gestan- den, so wurde nach der Unabhängigkeit der Aufbau einer vom Ausland unabhän- gigen Industrie zur wichtigsten Aufgabe. Dadurch ging der Anteil des Bergbaus, der Metallverhüttung, der Holzwirtschaft und fischerverarbeitenden Industrie, der 1944 zusammengenommen 60 % der in-

dustriellen Bruttoproduktion umfaßt hatte, auf 15 % im Jahre 1960 zurück, während der Anteil des Metall- und Maschinenbaus zwischen 1944 und 1967 von 17,3 % auf 31,4 % zunahm. Diese Entwicklung zeigt sich auch deutlich am Außenhandel Nordkoreas, der zum über- wiegenden Teil mit der Sowjetunion und der VR China abgewickelt wird, während unter den kapitalistischen Ländern Japan der wichtigste Handelspartner Nordkore- as ist. 1956 machten unaufbereitete Erze noch 54,3 % des nordkoreanischen Ex- ports aus, aufbereitete Erze und chemi- sche Grundstoffe hingegen nur 36,8 % und Fertigwaren gar nur 0,3 %. 1963 jedoch trugen unaufbereitete Erze nur noch zu 12,4 % zum Exportwert bei, aufbereitetere Rohstoffe wie Roheisen, Stahl, verhüttetes Blei und Zink, Magne- sit, Karbit, Zement und Kunstdünger bereits zu 53,5 % und Fertigwaren, spe- ziell Maschinen zu 4,6 % (R.S. SHINN 1969, 374).

Mit einer weitgehend autozentrischen, dem "Chuch 'e "-Prinzip folgenden Wirt- schaftspolitik ist es Nordkorea nicht nur gelungen, den Agrarsektor zu einer, zumindest in normalen Erntejahren, ausreichenden Basis für die Ernährung seiner Bevölkerung auszubauen, sondern - gemessen an der relativen industriellen Produktionskapazität - zum am stärksten industrialisierten Land unter des soziali- stischen Volkswirtschaften Asiens zu werden. Allerdings ist nicht zu überse- hen, daß einzelne Industriezweige auf

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Kosten anderer gewachsen sind. So konzentrierte Nordkorea anfangs, dem Beispiel der Sowjetunion folgend, seine Anstrengungen einseitig auf die Entwick- lung von Bergbau und Schwerindustrie. Die Vernachlässigung der Leicht- und Konsumgüterindustrie ließ nicht nur immer wieder Versorgungsengpässe auf dem Binnenmarkt auftreten, sondern führte auch dazu, daß Nordkorea, verglichen mit Südkorea, nur ein äußerst bescheidenes Exportvolumen erwirtschaf- ten kann. Auf Exporterlöse zur Finanzie- rung des Imports technischen Know-hows und moderner Industrieausrüstungen ist das Land heute jedoch, nach weitgehen- der Ausschöpfung der eigenen menschli- chen Ressourcen, dringend angewiesen, da seine veraltete Industrie einen ernsten

Mangel an moderner, Arbeitskräfte frei- setzender Technologie aufweist. Darüber hinaus zeigten besonders in den 70er Jahren krasse Fehlplanungen im Bereich des Maschinenbaus und der Infrastruktur, die speziell irn Bergbau und in der Ener- giewirtschaft das Wachstum hemmten, daß die noch stalinistisch anmutende zentrale Planungsbürokratie nicht flexibel genug ist, die Anforderungen einer immer komplexer werdenden Volkswirt- schaft zu erfüllen. Grundlegende Reformen der Industriestruktur und der Planungsmechanismen sind deshalb neben der Überwindung der internationalen Isolation Aufgaben, denen sich die nordkoreanischen Führer nach Kim Il- sung werden stellen müssen.

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Statistischer Vergleich Nordkorea - Südkorea 1990

Wirtschaftliche Grunddaten Fläche Bevölkemng Wachstumsrate der Bevölkerung Bevölkerungsdichte Bruttosozialprodukt Pro-Kopf-Einkommen Wirtschaftswachstum Anteil Militärausgaben am BSP

Einheit N-Korea S-Korea

1 000 km2 1000

% Ew / km2

Mrd. $

$ % %

P- P -

Energie Kohlenproduktion Mio. t Kapazität der Elektrizitätserzeugung MW

davon in: Wasserkraftwerken % Wärmekraftwerken % Kernkraftwerken %

Elektrizitätserzeugung Mrd. kWh Kapazität der Ölraffinerien 1 000 BPSD Rohölimporte Mio. t

- - --

Transport- und Nachrichtenwesen Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes km

davon: elektrifiziert km Gesamtlänge des Straßennetzes km

davon: geteert km Autobahnen km

zugelassene Kraftfahrzeuge 1 000 Umschlagskapazität der Häfen Mio. t I Jahr Telephonanschlüsse Mio.

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Einheit N-Korea S-Korea

Außenhandel und Verschuldung Außenhandelsvolumen Mrd. $

davon: Exporte Mrd. $ Importe Mrd. $

Auslandsverschuldung Mrd. $

davon: Nettoverschuldung Mrd. $

Landwirtschaft und Fischerei Landwirtschaftliche Nutzfläche

Anteil an der Gesamtfläche davon: Naßreisfelder

Getreideproduktion davon: Reis

Mais Reiserträge Fischereiproduktion

1 000 ha % %

Mio. t Mio. t Mio. t

dz I ha Mio. t

Bergbau- und Industrieproduktion Eisenerz Mio. t Roheisen Mio. t Stahl Mio. t Walzstahl Mio. t Blei 1 000 t Zink 1 000 t Kupfer 1 0 0 0 1 Aluminium 1 000 t Kraftfahrzeuge 1 000 Schiffe 1 000 BRT Werkzeugmaschinen 1 000 Kunstdünger Mio. t Fernsehgeräte 1 000 Textilfasern l 0 0 0 t Textilien Mrd. m Zement Mio. t

Quelle: zuammengesrellr nach NATIONAL UNIFICAT~ON BOARD: A Comprehemive .Analysis of rhe Norrh Korean Economy, 1990. Seoul 1991.

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Amnok-kang (Yalu) 7 , 26, 134 Andong 75, 80 Anju 130, 136, 139 Anju-Pakch'on-Ebene 14 Ansan 4 1, 42 Anyang 41, 42, 78 Aoji 136 Asan-Bucht 78

Index

Chagang-do 120 Chamsil 107 Changjin-gang-Kraftwerk 134 Changsan-got 14 Ch'angwbn 41, 42, 80 Ch'aryong-Kette 14, 46 Chech'On 81 Cheju-do 7 , 11, 20, 74, 76 Chinju 41, 42, 72 Chiri-san 14 Choch'iwon 69 Chogyuryong-Kette 14 Chblla-do 24 Cholla-namdo 20, 77 Cholla-pukto 67, 73, 75 Ch'önan 73 Ch'ongch'on-gang 10, 22, 135, 130,

136, 139 Ch'6nggye-ch'on 93, 108 Ch'ongjin 26, 120. 121, 136, 137 Chongju 82 Ch'ongju 41, 42 Ch'llngnyang-ch'on 93 Ch'ongnyang-ni 100

Ch'ongsan-ri 128 Chonju 41, 42, 73, 82 Ch'ugaryong-Graben 1 1, 120 Ch'ungch'ong-do 22 Ch'ungch'ong-namdo 22, 69, 73 Ch'ungch'ong-pukto 8, 14, 73 Chunggangjin 16

Haech'ang-Bucht 130 Halla-san 11 Hamgyong-do 24-26 Hamgyong-Kette 14 Hamgyong-namdo 120 Hamgyong-pukto 7 , 120 Hamhiing 26, 120, 121, 137 Hanam 82 Han-gang 16, 21, 73, 93, 98, 100, 107,

110, 112 an-1mjin-Ästuar 14 Hoch'on-gang-Kraftwerk 134 Honam-Ebene 24, 67 Hiiich'on 136, 139 Hiingnam 26, 121, 129, 137 Hwanghae-do 22 Hwanghae-namdo 14, 22, 120, 127,

130, 132, 136, 138 Hwanghae-pukto 120, 127 Hyesan 138

Page 151: Eckart Dege: Korea. Eine landeskundliche Einführung. Kiel 1992

Iri 67, 82

Kaech'bn 135 Kaema-Plateau 14, 20, 26, 134, 137 Kaesdng 21, 22, 120, 121, 139 Kanggye 138 Kanghwa-do 2 1, 73 Kangnam-Kette 14 Kangsb 136 Kangsbn 130 Kangwdn-do 18,24,25, 68,72, 75,76,

120 Kilchu-Mybngch'bn-Graben 1 1, 136 Kimch'aek (Sbngjin) 121, 137 Kimhae-Ebene 73 Kimp'o 112 Kimp'o-Ebene 2 1 Kiyang 136 Käje-do 80 Kori 80 Kowbn 135 Küm-gang 16, 75 Kümgang-Damm 134 Kümgang-san 25 Kumi 41 Kümsan 22, 73 Kunsan 82 Kusbng 136 Kwanak-san 93 Kwangju 36, 38, 41, 42, 73, 82 Kwangju-Kette 14, 93 Kwangmybng 4 1, 42 Kwangyang 80 Kwangyang-Bucht (Chblla-namdo) 80 Kwangyang-Bucht (P'ybngan-namdo)

130 Kwanmo-bong 14 Kybllyong-Stausee 130

Ky6nggi-do 14, 18, 21, 72, 73, 85, 86 Kyonggi-Ebene 14 Kyongju 10,22, 29 Kybngp'odae 25 Kybngsang-do 22 Kydngsang-pukto 29, 75

Man'gybngdae 1 15 Mara-do 7 Masan 41, 42, 80 Mirim-Damm 138 Mokp'o 8, 41, 42, 76, 82 Mugyo-dong 94 Mukho 68, 72 Munch'än 135 Musan 26, 136, 138 Myohyang-Kette 14 Mybng-dong 108 Mybrak-Kette 14

Naepo-Honam-Ebene 14 Naju 73 Naju-Ebene 14 Nakta-san 93 Naktong-gang 11, 14, 20, 22, 24, 41,

43, 46, 72, 73, 75, 80 Nam-san 93, 98, 1 10 Namp'o 118, 120, 136, 138 Nangnim-Kette 14 Nonsan 73 Norybng-Kette 14

Okku-gun 75 Okp'o 80 Ongjin-Kette 14 Onsan 80 Osan 78

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Paektu-san 1 1, 14, 1 17 Panrnunjom 139 P'ohang 11, 41, 42, 68, 76, 79 Pot'ong-gang 121, 130 Puch'on 41, 42, 78 Pugak-san 93, 94 Pujon-gang-Kraftwerk 134 Pukch'ang 135 Pukhan-gang 134 Pukp'yting 81 Puktaebong-Kette 138 Pulguksa 10 Pulgwang-dong 103 Pup'ybng 78 Pusan 11, 16, 24, 38, 41, 42, 73, 76,

78, 80, 98 P'yongan-do 22, 24 P'yongan-namdo 120, 127, 128, 130,

132, 138 P'yongan-pukto 20, 24, 120, 132 P'yongch'6n 138 P'yongt'aek 72, 73, 78 P'yongt'aek-gun 86 P'yongwon-Stausee 130 P'yongyang 22, 25, 32, 115, 119-121,

135, 136, 138, 139 P'y6ngyang-Ebene 14

Sach'bn 80 Samch'ok 81 Sangdong 10 Sariw6n 121 Seoul 1 1, 14, 16, 17, 21, 37, 38, 40-43,

68, 73, 78, 81, 82, 90, 93, 94, 96, 98, 100. 101, 102-105, 107, 109-112. 118, 120, 134, 137

Sep'o 138 Sihwa 82 Sinüiju 24, 136 Sinüiju-Ebene 14 Sint'anjin 73 Sobaek-Kette 14, 16, 43, 68, 72 Sbhan-man 7 Sokch'o 76 S6nbong (Unggi) 135 Songnarn 41, 42, 112 Songnirn 136 Songni-san 14 Sorak-san 25 Sunch'bn 130 Sunhwa-gang 130 Sup'ung-Staudamm 26, 134 Suwbn 41, 42, 64, 73, 78, 110

Taean 136 T'aebaek-Kette 10, 12, 14, 20, 43, 68,

72, 81, 134 Taebul 82 T'aech'i3n 134 Taech'6n 72 Taedok 81 Taedong-gang 10, 16, 22, 121, 130,

135, 136, 138 Taegu 38, 41, 42, 73, 78 Taegwally6ng 25 Taej6n 38, 41, 42, 73, 81, 82 Taeryong-gang 134 T'aesong-Stausee 130 Tangjin 82 Tanyang 81 T6kch'on 135, 136 Tonghan-man 7 Tongnae 24 Tuman-Delta 1 18

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152 INDEX

Tuman-gang (Turnen) 7, 11, 26, 133, 136

Turnen siehe Tuman-gang Turyu-san 14

Üiju 24, Ü i ~ o n ~ - ~ u n 75 Ullüng-do 11 Üllyul 136 Ulsan 41, 42, 79, 80

Westrneerstaudarnrn 130 Wolgyong-dong 86 Wols6ng 80 Wlinsan 11, 120, 121, 136-138

Yalu siehe Arnnok-kang Yesan 73 Y6ldulsamch'6lli-Ebene 130 Yi5nbaek-Ebene 14 Yongdong 107, 109 Ytingdüngp'o 78, 100, 109 Yonghüng-gang 138 Yongin 81 Yongsan 98, 100 Ytingsan-Ebene 24 Yongsan-gang 16 Y6ngsan-gang-Graben 1 1 Yonp'ung-Stausee 130 YEIngwbl 81 Ytisu 41, 80 Y6üido 107, 109

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