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EDITION ANTIKEVON DIOKLETIAN BIS KONSTANTIN Lateinisch und deutsch Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Brigitte Müller-Rettig Verantwortlicher Bandherausgeber: Kai Brodersen

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EDITION ANTIKE

Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen

und Martin Hose

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PANEGYRICI LATINI

LOBREDENAUF RÖMISCHE KAISER

BAND IVON DIOKLETIAN BIS KONSTANTIN

Lateinisch und deutsch

Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Brigitte Müller-Rettig

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Verantwortlicher Bandherausgeber: Kai Brodersen

Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch denWilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft

Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung:Federica Casolari (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografi e;

detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in

und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2008 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durch

die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Satz: COMPUTUS Druck Satz & Verlag, 55595 GutenbergGedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier

Printed in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN 978-3-534-18136-0

Gesamtnummer Band I–II:ISBN 978-3-534-20586-8

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

Panegyrici LatiniLobreden auf römische Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Panegyricus des Jahres 289 (X/II)Lobrede [des Mamertinus] zu Ehren des Maximianus Augustus .. 2

Panegyricus des Jahres 291 (XI/III)Geburtstagsrede zu Ehren des Maximianus Augustus . . . . . . . . . . . . . 24

Panegyricus des Jahres 297 (VIII/V)Lobrede zu Ehren des Constantius Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Panegyricus des Jahres 297/98 (IX/IV)Rede des Eumenius zur Wiederherstellung der Schulen . . . . . . . . . . . 76

Panegyricus des Jahres 307 (VII/VI)Lobrede zu Ehren von Maximian und Konstantin . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Panegyricus des Jahres 310 (VI/VII)Lobrede zu Ehren des Constantinus Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Panegyricus des Jahres 311/12 (V/VIII)Dankrede für Constantinus Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Panegyricus des Jahres 313 (XII/IX) Lobrede zu Ehren Konstantins, des Sohnes des Constantius . . . 180

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Zur Textgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

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Einleitung

Das Corpus der Panegyrici Latini

Zwölf Lobreden auf römische Kaiser sind im so genannten Corpus der Panegyrici Latini überliefert, einer in der Spätantike zusammengestellten Sammlung. An deren Spitze steht die älteste und auch längste Lobrede: der Panegyricus des jüngeren Plinius, eine erweiterte Umarbeitung der Dank-rede an Kaiser Trajan zur Konsulatsverleihung (100 n. Chr.). Diese Rede ist in vielen Ausgaben der Werke Plinius’ des Jüngeren und in Einzelausgaben greifbar, nicht aber die im Corpus auf sie folgenden elf Lobreden auf rö-mische Kaiser der Spätantike, die im Jahrhundert von 289 bis 389 n. Chr. verschiedene Autoren zu unterschiedlichen Anlässen verfasst haben. Diese elf Lobreden auf römische Kaiser sollen in der Edition Antike in der Rei-henfolge ihrer Entstehung zweisprachig zugänglich gemacht werden.

Im überlieferten Corpus ist eine andere Anordnung gewählt. Auf den Panegyricus des Plinius aus dem Jahr 100 folgen zehn Lobreden in prin-zipiell zeitlich rückläufi ger Abfolge, zunächst drei größere, deren Verfas-ser bekannt sind: die Rede des Pacatus auf Kaiser Theodosius (389), des Cl. Mamertinus auf Julian (362) und des Nazarius auf Konstantin und Söh-ne (321). Die nächsten sieben Reden stammen aus den Jahren 311/12, 310, 307, 297, 297/98, 289 und 291; diese sieben Reden, deren Thematik einen Akzent auf Gallien (Autun, Trier) legt und deren Urheber nur zum Teil bekannt sind, lassen sich auch durch ihre interne Zählung von I bis VII als Hinzufügung einer älteren Sammlung erkennen. Am Schluss des Corpus steht als Nr. 12 eine Rede aus dem Jahr 313, die mit der Nazarius-Rede von 321 das Binnencorpus der sieben Reden umrahmt und wie jene zentral den Sieg Konstantins über Maxentius am 28. Oktober 312 behandelt. In der vorliegenden Edition Antike werden die elf spätantiken Lobreden in der historischen Reihenfolge präsentiert; der vorliegende erste von zwei Bänden stellt daher acht Lobreden auf römische Kaiser von Diokletian bis Konstantin vor, der zweite Band drei große Reden auf Kaiser Konstantin, Julian und Theodosius.

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EinleitungVIII

Zur antiken Panegyrik

Der Begriff Panegyrik hat heute eine Bedeutung, wie sie sich in der rö-mischen Kaiserzeit allmählich herausbildet und seit der frühen Spätanti-ke im lateinischen Sprachraum etabliert ist. Etwas allgemeiner formuliert, ist das festliche Rühmen einer herausgehobenen Persönlichkeit zu einem besonderen, feierlichen Anlass und vor einer ausgewählten Öffentlichkeit gemeint. Die Hörer sollen einen nach Form und Inhalt schön und richtig gestalteten Vortrag genießen. Das Herz soll hoch gestimmt, die Seele be-fl ügelt, der Erdenschwere des Alltags enthoben sein. Ernstere Themen er-scheinen in panegyrischer Rede in positivem Licht, Probleme sind bereits gelöst oder in naher Zukunft zu meistern.

Der Redner fungiert dabei als Künstler der Sprache, mit der er dem In-halt strahlenden Glanz zu verleihen hat. Dabei tritt er manchmal als Artist in Sachen Wahrheit auf, denn der Umgang mit derselben ist mitunter der eigentliche Balanceakt seiner Arbeit am Text: Der Grundauftrag solcher Rede lautet, das wahrhaft Lobenswerte und unstrittig Gute in angemessen gesteigerter Weise zu rühmen. Die formale Befähigung dazu vermittelt der Rhetorikunterricht; zur Ausbildung des Studierenden gehört dabei, im Rah-men weiterer Bildungsinhalte, prinzipiell auch die Vermittlung ethischen Wissens. Aber bei jeder einzelnen Realisierung eines Redevorhabens ist der Kompositeur von Gedanke und Wort auch Einfl üssen, Interessen und Ansprüchen aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt. So betrifft der Grundsatz, seine Worte an die jeweilige Redesituation anzupassen, auch die Frage, wie weit der Wahrheit Raum gegeben wird; die Bandbreite reicht dann von der Präsentation der Wahrheit mit den gattungsspezifi schen Mit-teln rhetorischer Steigerung über Modifi kation, Verschleierung, Weglassen bis hin zu purer Schmeichelei, ja Lüge, die laut propagiertem Berufsethos des Redners eigentlich verpönt ist. Es kann schließlich zum Gegenteil des anvisierten Redeziels kommen: Das Publikum empfi ndet statt Bewunde-rung eher Belustigung oder Spott und Abscheu, Reaktionen, die in Ge-genwart des so Geehrten freilich kaum direkt und offen bekundet werden können.

In der Kaiserzeit nahm die Produktion der panegyrischen Rede in Prosa und Poesie enormen Aufschwung. Die Wiederentdeckung der vorliegenden Prosa-Sammlung in Mainz (1433; siehe unten) führte mit Abschriften und Editionen zu rascher Verbreitung der antiken Reden im Europa der Re-naissance. Vers-Panegyrik als Festadresse an den Herrscher gelangte ge-rade in der Barockzeit zu neuzeitlicher Blüte. Es folgten etwa 150 Jahre grundsätzlicher Distanzierung zu dieser als allzu artifi ziell erstarrt empfun-

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IXZur antiken Panegyrik

denen literarischen Form. Die Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts wandte sich der Erschließung und Sichtung anderer großer Quellengruppen mit antiquarisch-materiell orientiertem Sammlerfl eiß zu. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts hat die Forschung begonnen, vom Generalvorwurf wu-chernden Stilexzesses und ahistorischer Verlogenheit Abstand zu nehmen und sich dem Genre antiker Panegyrik neu zu nähern. Von mehreren großen Themenfeldern her sucht man ein vertieftes Verständnis der Gattung zu gewinnen: Zum einen ist man bestrebt, panegyrische Reden und Gedichte als sprachliche Kunstwerke zu untersuchen, in ihrer allmählichen Gene-sis, ihren Vorbildern, ihrer spätantiken Blüte und ihrem Nachleben, und dazu ihre Rolle in Schule und öffentlichem Leben genauer zu ermitteln; zum anderen ihre Präsentation im ritualisierten Gesamtrahmen grundsätz-lich wie auch individuell als Inszenierung in besonderen Kommunikations-situationen mit besonderen Wirkungsmöglichkeiten zu würdigen; des wei-teren ihre Relevanz als historische Quelle für die Geschichte von Reich und Region zu prüfen, in Bereichen wie Politik, Militärwesen, Wirtschaft und kulturellem Leben, und besonders in Fragen der Herrschaftsideologie. Dieses ganze Gebiet ist, eben aus Gründen der Gattung, mit besonderer Vorsicht zu bewerten; soweit nur immer möglich, sind Intention und Wahr-heit des Gesagten abzugleichen mit den sonstigen Hinterlassenschaften der Überlieferung in Literatur, Münzen und Inschriften, Werken der Kunst und Architektur. Wichtiges Beispiel mit zum Teil einziger zeitgenössischer Überlieferung ist das Corpus der Panegyrici Latini.

Die elf hier präsentierten Reden sind Produkte der Präsentations- und Fest rhetorik. Nichts widerspricht grundsätzlicher Annahme, sie seien am jeweils anvisierten Ort zum Vortrag gekommen und dann aufgehoben wor-den. Für die Publikation ist redaktionelle Abänderung in Maßen denkbar. Sie sind nicht als offi zielles Zeitarchiv zusammengetragen, sondern zu pri-mär rhetorischen Demonstrations-, Studien- und Referenzzwecken vereint. Gerade die älteren Reden zeigen zudem, wie viel Takt und Diplomatie über das rhetorische Vermögen hinaus im prekären Auf und Ab der Politik mit-unter erforderlich sind; an eine frühe Veröffentlichung außerhalb schulin-terner Studien kann man da kaum glauben. Die drei jüngsten Reden sind gedanklich und stilistisch breiter entfaltet, auf sichererem Grund kann alle Sprachkunst und Bildung einheimischer Hochschule vorgeführt werden.

Zunächst versammelt das ältere Corpus der VII Reden, die man als gelun-gen aufbewahrt hat (Residenzstadt Trier, Rhetorenschule Autun, mit Ruf und Tradition); dann wird, mit räumlich weiter ausgreifendem und zeitlich „saecular“ gerundetem Bezugsrahmen, die Ausgabe um 389 arrangiert und als gallisches Opus magnum (mixtum) publiziert. Das geschieht, so glaubt

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EinleitungX

man heute, wohl im Wirkungsbereich des Pacatus, eines namhaften Vertre-ters aus der gallischen Bildungsmetropole Burdigala (Bordeaux): Sie hatte im Zuge des 4. Jahrhunderts zunehmend die Position eines principatus to-tius Galliae in Sachen Bildung inne. Die Rede des Pacatus steht als Pendant zum römischen Panegyricus des Plinius, quasi in Augenhöhe, an der Spitze der gallischen Kollektion, und so fi nden sich Trajan und Theodosius als ideale Herrscher / principes optimi in würdiger Nachbarschaft.

PACATUS, der gedanklich und stilistisch Kenntnis und Bezüge zur ganzen Sammlung zeigt, auch zur letzten Rede des Corpus, anno 313 (anders als Nazarius 321), hat mit seiner Rede zum Sieg über den Usurpator Maximus (Sommer 388) ein entscheidendes Ereignis auf dem Weg zur Alleinherr-schaft des Theodosius gefeiert; der Kaiser wiederum war ein Freund und engagierter Förderer des ungemein produktiven Dichters und Prinzenerzie-hers AUSONIUS von Burdigala, dieser wiederum mit dem Redner und Dich-ter Pacatus befreundet – in diesem zeitlichen und persönlichen Umfeld mag Anfang der 90er Jahre die Idee zu einer solchen Kollektion zusammen mit den schon vorhandenen Reden entstanden sein: 100 Jahre lateinische Rede-kunst der Galliae (Provinciae), die stets mit der gebührenden Reverenz an die Meister, doch selbstbewusst, in den Spuren Roms ihre traditionsreiche gallische Romanitas präsentieren.

Höheren Unterricht beim Rhetor konnte man in den Zentren der Provinz grundsätzlich nach Art der Ausbildung in Rom (mit deren griechischen Vorbildern) erhalten. Man studierte parallel Theorie und Praxis: Man las Fachbücher, paukte Systematik, studierte (Cicero-)Reden, analysierte und interpretierte sie, lernte auswendig; man erwarb sich Allgemeinbildung und betrieb Exempla-Lektüre (Valerius Maximus), um stets einen Fundus an „Denkwürdigen Taten und Worten“ verfügbar zu haben; stilbildend las man Prosa und Dichtung (Vergil), viel klassisches Latein und daran orientierte Autoren der Kaiserzeit; Übung war das A und O: Es wurden Teil- und Kurz-Aufsätze zu verschiedenen, in allen Redeformen wieder-kehrenden Strukturen verfasst (Progymnasmata), dann ganze Reden; man hörte den Lehrer vortrag und übte selbst das Deklamieren in allen Redege-nera, zunächst in begrenzter Öffentlichkeit. Vielleicht brachte man es mit Talent, Fleiß und Interesse zu höheren Weihen öffentlicher Auftritte oder gar zum publikumsumschwirrten Sprach- und Vortragskünstler der ganz großen Hallen und Plätze. Oder man frönte fürs Leben bildungsgesättigtem Hörgenuss als privater Connaisseur und war einfach Publikum. Oder man wendete sein Können in Beruf und Politik an, und schließlich gab es noch die Rede vor Kaiser und Hof als möglichen Glanzpunkt für das eigene Auf-treten: den Panegyricus.

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XIDie Panegyrici Latini

Die Panegyrici Latini

Neun der elf hier wiedergegebenen Panegyrici stammen aus diokletia-nisch-konstantinischer Zeit; sie gehören also in eine besonders wichtige Zeit rasch wechselnder Phasen vielfältigen und zentralen Umbruchs in Po-litik, Herrschaft und Religion. Es bieten sich gerade hier Möglichkeiten, den Wechsel der politischen Konstellationen, also auch der Anforderungen an den Redner, gleichsam im Jahresrhythmus nachzuverfolgen. Das zen-trale Interesse dieser Reden liegt im Westen des Imperium Romanum, sie betrachten Regiment und Reich, den ganzen Weltkreis, aus gallischer Per-spektive, sie argumentieren mit Engagement von hier aus und für hier. Der Adressat ist in der Regel der Kaiser. Vornehmster Inhalt ist das Lob sei-ner Herrscherpersönlichkeit, der Vorzüge seines Wesens, seine Tugenden und Taten, gestaffelt nach Leistungen in Krieg und Frieden, und dies al-les angepasst an die jeweilige konkrete Redesituation. Anlässe sind meist Regierungsjubiläen, Familienfeierlichkeiten im Kaiserhaus (Geburtstag, Hochzeit), Siege über Usurpatoren oder Feinde von außen, Reden anläss-lich eines Konsulatsantritts, aber auch Bitte oder Dank für erwiesene Hilfe; in den frühen Reden geht es dazu oft um Legitimationsfragen dynastischer oder religionspolitischer Art. Der Vortrag fi ndet üblicherweise in höfi schem Ambiente, vor dem Kaiser, Mitgliedern seiner Familie, Funktionsträgern (auch im Senat), geladenen Gästen und weiterem sachkundigen, gebildeten Publikum aus Residenz, Region und Reich statt: Sie sollten also in der Re-gel Form und Inhalt zu goutieren wissen. Die Hörer können auch als Multi-plikatoren von Inhalt und Tenor des Gesagten nach außen wirken, in der Führungsschicht, bei Volk und Heer.

Der Redner selbst ist meist ein Funktionsträger in Politik und öffent-lichem Leben (Gemeinde, Staat, Hof) oder Rhetoriklehrer und Rhetor, de-bütierend, versiert oder reaktiviert; sein öffentlicher Auftritt bedarf einer Form der Zulassung und vorheriger Absprache, kann im Auftrag des Hofes oder seiner Heimatstadt oder bestimmter Interessengruppen erfolgen. Seine Rede kann auch innerhalb der Fachwelt Resonanz fi nden, in der Rhetoren-schule, zumal wenn der Redner selbst ein so hochkarätig engagierter Ver-treter ist wie Eumenius von Autun.

Einzelpublikationen und Corpora sichern künftiges Studium, Lektüre in-teressierter Laien und Nachruhm (wie bei den separat publizierten Reden des jüngeren Plinius sowie im 4. Jahrhundert eines Symmachus und Au-so nius). Was schließlich die Quelle der Beherrschung der Kunst angeht, so zahlt sich hier kaiserliches Bildungsengagement mehrfach aus: Das Stu-dium in der Rhetorenschule vermittelt der künftigen intellektuellen Elite

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EinleitungXII

ein erwünschtes Bild von der imperialen Größe Roms; hier wird vielsei-tiger und weiterqualifi zierbarer Nachwuchs für alle möglichen Ämter und Aufgaben herangebildet, und dazu gehören auch die Meister und Künstler der Sprache, die das Lob von Herrscher und Reich öffentlichkeitswirksam und perfekt präsentieren, für Gegenwart und Nachwelt, in Vers und Prosa.

Der Text der Panegyrici Latini geriet nach der Spätantike in Vergessen-heit. Ihre Wiederentdeckung ist Giovanni Aurispa (1369/76–1459) zu ver-danken: Er war gelehrter Humanist, unterrichtete Griechisch in Bologna, Florenz, Ferrara und stand als Sekretär in päpstlichen Diensten; in den Jahr-zehnten vor dem Zusammenbruch des byzantinischen Reiches unternahm er weite Reisen zu Forscher- und Händlerzwecken. Seine üppigsten Erwer-bungen stammen von zwei Reisen in den Osten, und im Jahr 1423 hatte er eine legendäre, exzellente Schiffsladung mit 238 griechischen Hand-schriften von Konstantinopel glücklich nach Italien gebracht. 1432 beglei-tete er den Bischof von Ferrara zum Konzil von Basel; im Sommer 1433, auf einer Rheinreise mit den Hauptstationen Mainz, Köln und Aachen, ent-deckte er in der Dombibliothek von St. Martin zu Mainz eine Handschrift, die zwölf bis dahin gänzlich unbekannte Texte enthielt: „einen“ Panegyri-cus des Plinius, der ihn besonders begeisterte, und elf weitere Reden der-selben Art. Dieser Codex Maguntinus verblieb in Mainz, ging aber in der Folge verloren; die von Aurispa nach Italien gebrachte Kopie ebenso, doch waren rasch schon viele weitere Abschriften angefertigt. Weitere Codices deutscher Hand haben sich für die Textkonstitution als sehr bedeutsam er-wiesen. An die 35 Handschriften stammen aus dem 15. Jahrhundert: Das Interesse der Renaissance für den idealen Herrscher hat ja vielleicht das eifrige Bemühen um die opulente Neuentdeckung zusätzlich entfacht.

Die erste Druckausgabe stammt von Fr. Puteolanus, Mailand 1476 oder 1482; nach der ersten kritischen Ausgabe von Ioh. Livineius, Antwerpen 1599 folgen zahlreiche Gesamt-Editionen (17.–19. Jh.); bis heute zählt man ca. 25. Mit den Ausgaben von Emil Bährens (Leipzig 1874) und Sohn Wil-helm (1912) setzt die methodische Untersuchung der Überlieferung ein, auch mit neuen Textzeugen. É. Galletier (Paris 1949–55) hat erstmals eine dreibändige lateinisch-französische Ausgabe mit ausführlicher Einleitung zu Text und Hintergrund sowie Bibliographie und Anmerkungen publiziert (2–12). Die drei letzten Text-Ausgaben stammen von R. A. B. Mynors, Ox-ford 1964 (1–12), meistverbreitete Referenzausgabe (Konjekturalkritik, Prosarhythmus), mit stets weiter verfeinerter Untersuchung von Hand-schriften und Text die Ausgaben von V. Paladini/P. Fedeli, Rom 1976 (2–12) und die von D. Lassandro, Turin 1992 (1–12; Similienapparat), alle mit wichtigen Einleitungen zu Überlieferung und Bibliographien (und Ein-

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XIIIDie Panegyrici Latini

zelstudien). Ältere Editionen tragen den Titel Panegyrici Veteres (z. T. mit eigener Anführung der Pliniusrede); seit E. Bährens 1874 spricht man von (XII) Panegyrici Latini.

An Gesamtübersetzungen der elf Reden (289–389) gibt es, soweit ich sehe, bisher drei, stets in chronologischer Reihenfolge: Galletier, latei-nisch-französisch (s. o.); D. Lassandro/G. Micunco, Turin 2000, lateinisch-italienisch; die englische Übersetzung (Mynors-Text im Anhang), dazu der detaillierte historische Kommentar von C. E. V. Nixon/B. Saylor Rodgers, Berkeley 1994. Die Pliniusrede ist mehrfach separat ediert, übersetzt und kommentiert, so von M. Durry, Paris 1947, B. Radice, London 1969, F. Trisoglio, Turin 1973 und W. Kühn, Darmstadt ²2008.

Panegyrici sind Produkte der epideiktischen Rhetorik. Die lateinische Sprache ist staunenswert begabt zu Ökonomie und Modulation in Syntax und Ausdruck; die deutsche Sprache unterscheidet sich etwa in Verbal-fl exion, Partikeln, Wortarten, Konstruktion erheblich von ihr. Dennoch vom einstigen Klang, von der Atmosphäre jenes Ortes der Rhetorik etwas zu erhalten, der gerade in den Einleitungskapiteln komplexeren Form des lateinischen Satzes im Deutschen nachzuspüren, dem höfi schen Ton und dem Alltagsklang, der ruhigen Erzählung und den Affekten: auch solchen Dingen galt das Unterfangen dieser ersten Gesamtübersetzung der Elf – quantulumcumque illud. Sie ist also durchaus konservativ dem Prinzip der Nähe zum lateinischen Original verpfl ichtet, verzichtet auf prinzipiell kleinteilige Struktur und betonte Modernität des Ausdrucks.

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PANEGYRICI LATINI

LOBREDEN AUF RÖMISCHE KAISER

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PANEGYRICUS LATINUS X (II)<MAMERTINI (?) PANEGYRICUS MAXIMIANO AUGUSTO

DICTUS>

1 (1) Cum omnibus festis diebus, sacratissime imperator, debeat honos vester divinis rebus aequari, tum praecipue celeberrimo isto et imperantibus vobis laetissimo die veneratio numinis tui cum sollemni sacrae urbis religione iungenda est. (2) Verum est enim profecto quod de origine illius civitatis accepimus, primam in ea sedem numinis vestri, sanctum illud venerandumque palatium, regem advenam condidisse sed Herculem hospitem consecrasse. (3) Neque enim fabula est de licentia poetarum nec opinio de fama veterum saeculorum, sed manifesta res et probata, sicut hodieque testatur Herculis ara maxima et Herculei sacri custos familia Pinaria, principem illum tui generis ac nominis Pallantea moenia adisse victorem et, parva tunc licet regia, summa tamen religione susceptum futurae maiestatis dedisse primordia, ut esse posset domus Caesarum quae Herculis fuisset hospitium. (4) Iure igitur hoc die quo immortalis ortus dominae gentium civitatis vestra pietate celebratur, tibi potissimum, imperator invicte, laudes canimus et gratias agimus, quem similitudo ipsa stirpis tuae ac vis tacita naturae ad honorandum natalem Romae diem tam liberalem facit, ut urbem illam sic colas conditam, quasi ipse condideris. (5) Re vera enim, sacratissime imperator, merito quivis te tuumque fratrem Romani imperii dixerit conditores: estis enim, quod est proximum, restitutores et, sit licet hic illi urbi natalis dies, quod pertinet ad originem populi Romani, vestri imperii primi dies sunt principes ad salutem.

2 (1) Quare si nunc Romae omnes magistratus et pontifi ces et sacerdotes iuxta parentes urbis et statores deos Herculis templa venerantur, quia par -tam aliquando ex victoria praedam a fl umine Hibero et conscio occidui

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PANEGYRICUS DES JAHRES 289LOBREDE [DES MAMERTINUS] ZU EHREN DES MAXIMIANUS

AUGUSTUS

1 (1) Obschon es sich zu allen Festtagen, heiligster Imperator, gebührt, euch Ehre zu erweisen, wie sie dem Dienst an Göttern gleichkommt, so ist es doch an diesem höchst feierlichen und angesichts eurer Herrschaft so beglücken-den Tag in besonderer Weise angebracht, die Verehrung deiner göttlichen Ho-heit mit dem Jahresfest zu Ehren der heiligen Stadt zu verbinden. (2) Denn es ist tatsächlich eine wahre Überlieferung, die über den Ursprung jener Stadt auf uns gekommen ist: den ersten Wohnsitz eurer göttlichen Hoheit, jenes erhabene und ehrwürdige Palatium, hat ein König aus der Fremde in ihr gegründet, doch Herkules hat, als Gast dort zugegen, ihm heilige Weihe verliehen. (3) Denn weder ist es eine erdichtete Erzählung auf der Grundla-ge poetischer Freiheit noch eine Vorstellung, die ihren Ursprung in der Sage vergangener Jahrhunderte hat, sondern eine klare und anerkannte Tatsache, wie es auch heute noch die Ara Maxima des Herkules und die Familie Pinaria als Hüterin des Herkules-Kultes bezeugen: dass eben jener Begründer deines Geschlechtes und Namens nach siegreich vollbrachter Tat zu den Mauern von Pallanteum gekommen ist und dass er, bei aller Bescheidenheit des könig-lichen Sitzes zur damaligen Zeit dennoch mit höchster Verehrung empfangen, ihm die ersten Anfänge künftiger Größe verliehen hat, auf dass jene Stätte einmal Wohnsitz von Caesaren sein konnte, die einst den Herkules gastlich aufgenommen hatte. (4) Zu Recht lassen wir also eben an dem Tag, da ihr in treuer Verbundenheit die Geburt der unvergänglichen Stadt, der Herrin der Völker, feiert, namentlich dein Lob erklingen, unbesiegbarer Imperator, und sagen dir Dank: denn dir verleiht gerade die Wesensähnlichkeit, die in deiner Abkunft ihre Wurzeln hat, und eine insgeheim wirksame Macht der Natur so edlen Sinn, den Geburtstag Roms zu ehren, dass du die Gründung jener Stadt so feierlich begehst, als habest du selbst sie gegründet. (5) Denn in der Tat kann, heiligster Imperator, jeder dich und deinen Bruder verdienterma-ßen als Gründer des Römischen Reiches bezeichnen: ihr seid ja, was dem so ganz nahe kommt, die Wiederbegründer und, mag auch der heutige Tag für jene Stadt ihr Geburtstag sein, sofern es den Ursprung des römischen Volkes betrifft, so sind doch die ersten Tage eurer Herrschaft der Beginn sicheren Wohlergehens.

2 (1) Wenn also heute in Rom alle Magistrate, Pontifi ces und (anderen) Priester in gleicher Weise wie den Gottheiten, welche die Väter und Erhalter der Stadt sind, ihre Verehrung auch den Heiligtümern des Herkules erweisen, weil er die einst im Sieg errungene Beute vom Ebro her und vom Ozean, dem

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Panegyricus Latinus X/II4

solis Oceano ad pabula Tyrrhena compulerit et in Palatino iugo venturo tibi reliquerit vestigia, quanto tandem studio nos hic convenit, qui te praesentem intuemur deum toto quidem orbe victorem, sed nunc cum maxime in eadem occidentis plaga non pastorem trino capite deformem sed prodigium multo taetrius opprimentem, quidquid spiritus et vocis habeamus, omne id in laudibus tuis non occupare modo sed, si res poscat, absumere! (2) Unde igitur ordiar? Commemorabo nimirum patriae tuae in rem publicam merita? Quis enim dubitat quin multis iam saeculis, ex quo vires illius ad Romanum nomen accesserint, Italia quidem sit gentium domina gloriae vetustate, sed Pannonia virtute? (3) An divinam generis tui originem recensebo, quam tu non modo factis immortalibus sed etiam nominis successione testaris? (4) An quemadmodum educatus institutusque sis praedicabo in illo limite, illa fortissimarum sede legionum, inter discursus strenuae iuventutis et armorum sonitus tuis vagitibus obstrepentes? (5) Finguntur haec de Iove, sed de te vera sunt, imperator. An tuas res gestas enumerare conabor, quae te prima signa imperatoriis auspiciis inaugurarint, quae castra dominum habitura susceperint, quae bella diduxerint, quae victoriae auxerint? (6) Ibo scilicet virtutis tuae vestigiis colligendis per totum Histri limitem perque omnem qua tendit Eufraten et ripas peragrabo Rheni et litus Oceani? (7) Sed qui velit omnia ista complecti, saecula sibi optare debet et innumerabiles annos et quantam tu mereris aetatem.

3 (1) Faciam igitur compendio orationis meae, sed damno voluntatis, quod huic tempori maxime congruit: omittam cetera, et potissimum illud arripiam quod multis fortasse mirum videbitur et tamen <re> ipsa verissimum est: te, cum ad restituendam rem publicam a cognato tibi Diocletiani numine

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5Panegyricus des Jahres 289

vertrauten Zeugen des Sonnenuntergangs, bis zu den Weiden Tyrrheniens ge-trieben und auf der Höhe des Palatin dir zu einstiger Ankunft seine Spuren hinterlassen hat: wie eifrig müssen wir dann gerade an diesem Ort hier an-gemessenerweise bestrebt sein – wir, die wir dich als Gottheit gegenwärtig schauen, der du, obschon auf dem ganzen Erdkreis siegreich, doch gerade eben jetzt in derselben Region des Westens nicht die Missgestalt eines Hirten mit drei Köpfen, sondern ein viel scheußlicheres Ungeheuer niedergedrückt hältst –, zu deinem Lob und Preis also nicht allein alles, was wir nur an Atem und an Stimme haben, einzusetzen, sondern sie, wenn die Sache es verlangt, ganz und gar aufzubrauchen? (2) Womit soll ich also beginnen? Werde ich, wie es üblich, die Verdienste deines Vaterlandes um den Staat in Erinnerung rufen? Denn wer zweifelt daran, dass schon seit vielen Jahrhunderten, seit sich seine Macht dem Namen Roms angeschlossen hat, Italien zwar durch das hohe Alter seines Ruhmes Herrin der Völker ist, Pannonien jedoch durch sei-ne Tapferkeit? (3) Oder werde ich vom göttlichen Ursprung deiner Familie erzählen, für den du nicht nur mit deinen unsterblichen Taten, sondern auch mit deinem Namen, in dem du ihr nachfolgst, Zeugnis ablegst? (4) Oder wer-de ich rühmen, wie du an jener Grenze, an jenem Sitz tapferster Legionen, erzogen und unterwiesen worden bist, mitten unter den Streifzügen ihrer tat-kräftigen jungen Mannschaft und ihrem Waffenlärm, der dein kindliches Ge-schrei übertönte? (5) Dichtung sind derlei Dinge, so es Jupiter betrifft, doch Wahrheit, wenn es dich angeht, o Imperator! Oder werde ich versuchen, deine Taten aufzuzählen – welches die ersten Feldzeichen gewesen sind, die dich mit eigenem kaiserlichem Oberbefehl in dein Amt eingeführt haben, welche Lager dich als ihren nunmehrigen Herrn empfangen, welche Kriege dich hier-hin und dorthin geführt haben, welche Siege deinen Ruhm haben wachsen lassen? (6) Werde ich, die Spuren deiner Tapferkeit verfolgend, natürlich die ganze Grenzlinie des Hister (Donau) entlang ziehen und auch den gesamten Lauf des Euphrat, soweit er sich erstreckt, werde ich an den Ufern des Rheins und an der Küste des Ozeans entlang meinen Weg nehmen? (7) Doch wer all dies umfassend schildern wollte, müsste sich Jahrhunderte wünschen, Jahre ohne Zahl, eine Lebenszeit von solcher Dauer, wie sie dir gebührt.

3 (1) So will ich, meine Rede kürzer zu gestalten, doch zum Nachteil für die eigentliche Absicht, das tun, was der jetzigen Stunde am ehesten angemessen ist: ich will alle übrigen Dinge auslassen und vorzugsweise jenes Ereignis mit Eifer aufgreifen, das vielen vielleicht wundersam erscheinen wird und dennoch von der Sache her die reine Wahrheit ist: dass du in dem Moment, da du seitens der dir verwandten göttlichen Majestät des Diokletian zur Wie-derherstellung des Staates berufen wurdest, mehr Gunst erwiesen als empfan-

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Panegyricus Latinus X/II6

fueris invocatus, plus tribuisse benefi cii quam acceperis. Neque enim specie tenus ac nomine fortuna imperii consideranda est. (2) Trabeae vestrae triumphales et fasces consulares et sellae curules et haec obsequiorum stipatio et fulgor, et illa lux divinum verticem claro orbe complectens, vestrorum sunt ornamenta meritorum, pulcherrima quidem et augustissima; (3) sed longe illa maiora sunt quae tu impartito tibi imperio vice gratiae rettulisti: admittere in animum tantae rei publicae curam et totius orbis fata suscipere et oblitum quodammodo sui gentibus vivere et in tam arduo humanarum rerum stare fastigio, ex quo veluti terras omnes et maria despicias vicissimque oculis ac mente conlustres ubi sit certa serenitas, ubi dubia tempestas, qui iustitiam vestram iudices aemulentur, qui virtutis vestrae gloriam duces servent, (4) accipere innumerabiles undique nuntios, totidem mandata dimittere, de tot urbibus et nationibus et provinciis cogitare, noctes omnes diesque perpeti sollicitudine pro omnium salute transigere.

4 (1) Haec omnia cum a fratre optimo oblata susceperis, tu fecisti fortiter ille sapienter. (2) Neque enim cum rei publicae navem secundus a puppi fl atus impelleret, salutarem manum gubernaculis addidisti, sed cum ad restituendam eam post priorum temporum labem divinum modo ac ne id quidem unicum suffi ceret auxilium, praecipitanti Romano nomini iuxta principem subisti eadem scilicet auxilii opportunitate qua tuus Hercules Iovem vestrum quondam Terrigenarum bello laborantem magna victoriae parte iuvit probavitque se non magis a dis accepisse caelum quam eisdem reddidisse. (3) An non illud malum simile monstrorum biformium in hisce terris fuit quod tua, Caesar, nescio utrum magis fortitudine repressum sit an clementia mitigatum, cum militaris habitus ignari agricolae appetiverunt, cum arator peditem, cum pastor equitem, cum hostem barbarum suorum cultorum rusticus vastator imitatus est? (4) Quod ego cursim praetereo;

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7Panegyricus des Jahres 289

gen hast. Denn die Stellung des Kaisertums ist nicht von der äußeren Gestalt und dem Titel her nur zu bewerten. (2) Eure triumphalen Purpurtogen, eure konsularischen Rutenbündel, eure kurulischen Sessel, dieses Gefolge der Ergebenheit, dichtgedrängt in seinem Glanz, und jenes Licht, welches das göttliche Haupt in strahlendem Nimbus umgibt, sind die Ehrenzeichen eurer Verdienste, gewiss von größter Schönheit und Erhabenheit. (3) Bei weitem großartiger sind jedoch jene Leistungen, die du, da dir die Herrschaft zuerteilt war, an Dankes Statt vollbracht hast: der Sorge für ein Staatswesen von sol-cher Größe zu seinem Innern Zutritt zu gewähren, die (Last der) Geschicke des ganzen Erdkreises auf sich zu nehmen, gewissermaßen seiner selbst ver-gessend, das Leben im Dienst seiner Völker zu führen und seinen Standpunkt in solcher Höhe auf dem Gipfel des Menschlichen einzunehmen, dass man von ihm gleichsam alle Länder, alle Meere überblickt, mit den Augen und mit dem Geist abwechselnd danach Ausschau hält, wo zuverlässig heitrer Glanz, wo das Wetter zweifelhaft ist, welche Richter eurer Gerechtigkeit nacheifern, welche Führer den Ruhm eurer Tapferkeit bewahren; (4) Boten ohne Zahl aus aller Welt zu empfangen und ebenso viele Weisungen zu entsenden, über so viele Städte, Völker und Provinzen nachzudenken und es durchzustehen, alle Nächte und Tage in der Sorge für das Wohlergehen aller zu verbringen.

4 (1) Da du alle diese Aufgaben, wie sie dir von deinem Bruder, dem besten, angeboten wurden, annahmst, handeltest du tapfer, jener weise. (2) Denn du legtest deine rettende Hand nicht an das Steuer, als ein günstiger Wind vom Heck her das Staatsschiff vorwärtstrieb, sondern als zu seiner Wiederaufrich-tung nach dem Zusammenbruch in den voraufgegangenen Zeiten nur noch göttliche Hilfe ausreichte, und diese nicht einmal von einer Gottheit allein: da hast du dem schon auf seinen Untergang zustürzenden Namen Roms Seite an Seite mit dem Herrscher Halt gewährt, mit demselben glücklichen Erfolg der Hilfeleistung offenbar, wie einst dein Herkules euren Jupiter in seinem mühe-vollen Kampf gegen die Erdgeborenen mit einem großen Anteil des Siegs un-terstützt und somit bewiesen hat, dass er nicht so sehr von den Göttern Zutritt zum Himmel erlangt als ihn denselben vielmehr wiedergegeben hat. (3) War nicht von gleicher Art wie die zwiegestaltigen Ungeheuer jenes Unheil hier in unserem Land, von dem ich nicht weiß, Caesar, ob es eher von deiner Tapfer-keit bezwungen oder von deiner Milde gezähmt ist? Damals, als die Bauern, die doch keinerlei Kenntnis von soldatischer Lebensform hatten, eben danach verlangten, als der Mann am Pfl ug den Fußsoldaten, als der Hirte den Reiter, als der Mann vom Land den feindlichen Barbaren mit der Verwüstung der eigenen bestellten Felder nachgeahmt hat? (4) In Eile gehe ich über diesen

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Panegyricus Latinus X/II8

video enim te, qua pietate es, oblivionem illius victoriae malle quam gloriam.

5 (1) Quid vero? Statim, vixdum misero illo furore sopito, cum omnes barbarae nationes excidium universae Galliae minarentur, neque solum Burgundiones et Alamanni sed etiam Chaibones Erulique, viribus primi barbarorum, locis ultimi, praecipiti impetu in has provincias inruissent, quis deus tam insperatam salutem nobis attulisset, nisi tu adfuisses? (2) Tu enim divinae providentiae, imperator, consilio prius quam vi bellum gerendum ratus ceteros quidem perduelles, quibus ipsa multitudo pestifera <era>t, ire passus es in profundam famem et ex fame <in> pestilentiam, mox <ad> triumphi ornamenta capienda militum manibus usurus; Chaibonas tamen Erulosque non dignatus pari astu perdere atque ut interim divina virtus tua exercitatione solita non careret aperto Marte atque uno impetu perculisti, non universo ad id proelium usus exercitu sed paucis cohortibus. (3) Quid enim opus erat multitudine cum ipse pugnares, ipse omnibus locis totaque acie dimicares, ipse hosti undique et qua resisteret et qua cederet et qua fugeret occurreres, erroremque adversariis pariter ac tuis faceres, cum neque te barbari unum putarent neque milites, non dico stipatione atque comitatu sed saltem oculis sequi possent? Toto quippe proelio ferebare, non aliter quam magnus amnis solet hibernis imbribus auctus et nivibus passim fl uere qua campus est. (4) Ita cuncti Chaibones Erulique cuncti tanta internecione caesi interfectique sunt ut exstinctos eos relictis domi coniugibus ac matribus non profugus aliquis e proelio sed victoriae tuae gloria adnuntiaret.

6 (1) Transeo innumerabiles tuas tota Gallia pugnas atque victorias. Quae enim tot tantisque rebus suffi ciat oratio? (2) Illum tamen primum consulatus

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9Panegyricus des Jahres 289

Punkt hinweg: denn ich sehe, du in deiner Herzensgüte ziehst es vor, jenen Sieg zu vergessen, statt dafür Ruhm zu ernten.

5 (1) Wie aber? Kaum war jenes elende Wüten zur Ruhe gebracht, als so-gleich alle Barbarenvölker das gesamte Gallien mit Untergang bedrohten, als nicht nur Burgunder und Alamannen, sondern auch Chaibonen und Heruler, an Stärke die ersten unter den Barbaren, dem Wohnsitz nach am weitesten entfernt, in unaufhaltsamem Ansturm in diese Provinzen eingefallen waren, – welcher Gott hätte uns da so unverhoffte Rettung gebracht, wärest du nicht zugegen gewesen? (2) Denn du, Imperator, warst der Ansicht, der Krieg sei eher nach dem Plan göttlicher Weitsicht als mit Waffengewalt zu führen und ließest ja die anderen Feinde alle, für die gerade ihre große Zahl verderben-bringend war, in unermessliche Hungersnot und von der Hungersnot in eine Epidemie geraten, um dich alsbald des Arms deiner Soldaten zu bedienen, die Siegeszeichen des Triumphes zu gewinnen; was jedoch die Chaibonen und Heruler angeht, so hieltest du es nicht für angemessen, sie mit der gleichen List zu vernichten, und hast sie, damit unterdessen deine göttliche Tapferkeit nicht auf ihre gewohnte Übung verzichten müsse, in offener Schlacht und mit einem einzigen Angriff niedergeschmettert, und du hast für diesen Kampf nicht das Heer insgesamt eingesetzt, sondern nur wenige Kohorten. (3) Wozu hätte es denn einer großen Zahl bedurft, da du in eigener Person am Kampf teilnahmst, da du persönlich an allen Orten und in der gesamten Schlacht-ordnung im Einsatz warst, da du selbst den Feind überall attackiertest – dort, wo er Widerstand leistete, wo er sich zurückzog und wo er zu fl iehen suchte, und so die Gegner gleichermaßen in Verwirrung stürztest wie deine eigenen Leute? Da zum einen die Barbaren nicht glaubten, bei dir handele es sich nur um eine einzige Person, noch die Soldaten imstande waren, dir – ich sage nicht: in dichtgedrängter Menge und als dein Geleit, aber doch wenigstens mit den Augen zu folgen! Du stürmtest ja in der Schlacht überall einher, nicht anders als ein mächtiger Strom es gewöhnlich tut, wenn er, von winterlichen Regengüssen und Schneefällen angestiegen, sich ringsumher ins offene Land ergießt. (4) So wurden dann alle Chaibonen und die Heruler alle in einem so gewaltigen Gemetzel niedergehauen und getötet, dass den Frauen und Müt-tern, die zu Hause geblieben waren, nicht jemand, dem die Flucht aus der Schlacht gelungen war, die Kunde von ihrem Untergang überbrachte, sondern der Ruhm deines Sieges.

6 (1) Ich lasse deine zahllosen Kämpfe und Siege in ganz Gallien außer Be-tracht: denn welche Rede dürfte Taten von solcher Vielzahl und Bedeutung gerecht werden? (2) Doch jenen vorbedeutungsreichen ersten Tag deines Kon-

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Panegyricus Latinus X/II10

tui auspicalem diem tacitus praeterire nullo modo possum, quo tu solus omnium consecutus es ut, quod tempus antea incipiendis tantummodo rebus aptum videbatur, tunc primum potuerit suffi cere peragendis, unoque sol curriculo suo eoque brevissimo et offi cia te consulis inchoantem videret et opera imperatoris implentem. (3) Vidimus te, Caesar, eodem die pro re publica et vota suscipere et convicta debere. Quod enim optaveras in futurum, fecisti continuo transactum, ut mihi ipsa deorum auxilia quae precatus eras praevenisse videaris et, quidquid illi promiserant, ante fecisse. Vidimus te, Caesar, eodem die et in clarissimo pacis habitu et in pulcherrimo virtutis ornatu. (4) Bona venia deum dixerim, ne Iuppiter quidem ipse tanta celeritate faciem caeli sui variat quam facile tu, imperator, togam praetextam sumpto thorace mutasti, hastam posito scipione rapuisti, a tribunali temet in campum, a curuli in equum transtulisti et rursus ex acie cum triumpho redisti, totamque hanc urbem repentina tua in hostes eruptione sollicitam laetitia et exsultatione et aris fl agrantibus et sacrifi cis odoribus accensis numini tuo implesti. (5) Ita utroque illius diei supremo tempore bis divina res pari religione celebrata est: Iovi dum pro futuris vovetur, tibi dum pro victoria solvitur.

7 (1) Tale igitur auspicium illius anni quid sequebatur, nisi novum aliquid et ingens miraculum? (2) Quod autem maius evenire potuit illa tua in Germaniam transgressione, qua tu primus omnium, imperator, probasti Romani imperii nullum esse terminum nisi qui tuorum esset armorum? (3) Atqui Rhenum antea videbatur ipsa sic Natura duxisse, ut eo limite Romanae provinciae ab immanitate barbariae vindicarentur. (4) Ecquis umquam ante vos principes non gratulatus est Gallias illo amne muniri? Quando non cum summo metu nostro Rheni alveum minuit diu

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11Panegyricus des Jahres 289

sulats kann ich keinesfalls stillschweigend übergehen, den Tag, an dem du al-lein von allen es vollbracht hast, dass die Spanne Zeit, die zuvor für gewöhn-lich nur zum Beginn von Taten geeignet schien, nun zum ersten Mal genügen konnte, sie auch zu vollenden; dass die Sonne bei einem einzigen Umlauf, der zudem von ganz kurzer Dauer war, ansehen konnte, wie du die Geschäfte des Konsuls angetreten und die Aufgaben eines Imperators ausgeführt hast. (3) Wir haben gesehen, dass du, Caesar, an ein und demselben Tage deine Ge-lübde für den Staat abgelegt hast und in gleichem Zug verpfl ichtet warst, sie einzulösen. Denn den Wunsch, den du für die Zukunft ausgesprochen hattest, hast du auf der Stelle in die Tat umgesetzt, derart, dass du (so schien es mir) eben der Hilfe der Götter, die du im Gebet erfl eht hattest, zuvorgekommen bist und das, was dir jene zugesichert hatten, mit eigener Tat vorweggenom-men hast. Wir haben dich, Caesar, an ein und demselben Tag im strahlendsten Gewand des Friedens und im schönsten Schmuck der Tapferkeit gesehen. (4) Mögen die Götter meinen Worten Vergebung schenken: nicht einmal Jupiter selbst verwandelt das Antlitz seines Himmels so rasch, wie du, Imperator, im Tausch mit der Toga praetexta geschwind zum Harnisch gegriffen, wie du, deinen Herrscherstab beiseite legend, schnell die Lanze gepackt hast, wie du vom Tribunal aus ins Feld geeilt bist, vom kurulischen Stuhl auf das Pferd, wie du aus der Schlacht wiederum im Triumph zurückgekehrt, und wie du dann diese ganze Stadt, die wegen deines plötzlichen Vorstoßes gegen den Feind in ängstlicher Sorge war, mit Freude und ausgelassenem Jubel, mit lo-dernden Altären und dem rauchenden Duft der Opfergaben erfüllt hast, die zu Ehren deiner göttlichen Hoheit entzündet wurden. (5) Also fand, zu Beginn wie auch am Ende jenes Tages, zweimal die Feier einer heiligen Handlung in gleicher frommer Verehrung statt: einmal für Jupiter, da das feierliche Gelüb-de für die Zukunft geleistet wurde, einmal dir zu Ehren, da es zum Dank für den Sieg eingelöst wurde.

7 (1) Was konnte also anderes auf einen solchen Auftakt jenes Jahres folgen als eine unerhörte, außerordentliche Wundertat? (2) Welch bedeutendere Tat hätte aber nun erfolgen können als dein ruhmreicher Zug hinüber nach Ger-manien, mit dem du als erster unter allen, Imperator, den Beweis erbracht hast, dass es für das römische Reich keinerlei Grenze gibt außer der deiner Waffen. (3) Zuvor hatte es nun stets den Anschein, als habe die Natur den Rhein in seinem Lauf selber so gelenkt, dass die römischen Provinzen durch die Grenze, die er bildet, vor der Rohheit des Barbarenlandes geschützt wa-ren. (4) Und gab es denn jemals, ehe ihr Herrscher wart, jemanden, der sich nicht beglückwünscht hätte, dass die gallischen Länder durch jenen Strom gesichert waren? Wann hat es uns nicht mit höchster Besorgnis erfüllt, wenn

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Panegyricus Latinus X/II12

serena tempestas? Quando non cum securitate nostra illius diluvia cre-verunt? (5) Credo, itidem opimam illam fertilemque Syriam velut am-ple xu suo tegebat Eufrates, antequam Diocletiano sponte se dederent regna Persarum. Verum hoc Iovis sui more nutu illo patrio, quo omnia contremescunt, et maiestate vestri nominis consecutus est; (6) tu autem, imperator invicte, feras illas indomitasque gentes vastatione, proeliis, caedibus, ferro ignique domuisti. Herculei generis hoc fatum est, virtuti tuae debere quod vindicas. Exinde igitur soluto animo ac libero sumus. (7) Licet Rhenus arescat tenuique lapsu vix leves calculos perspicuo vado pellat, nullus inde metus est: quidquid ultra Rhenum prospicio, Romanum est.

8 (1) Sic illa quondam Romanae potentiae diu aemula et inimica Carthago a P. Scipione devicta est, cum is traiecto in Africam exercitu Hannibalem ab Italiae vastatione revocavit. (2) Audieras hoc, imperator, an ipse per te divina tua mente perspexeras ita demum hostes funditus posse subverti, si in propriis sedibus vincerentur nec praedam modo quam cepissent amitterent, sed ipsi coniuges et liberos et parentes suos et carissima omnia capta maererent? (3) Hoc tu sive cognitum secutus es seu te auctore fecisti, utrumque pulcherrimum est; (4) neque enim minorem laudem magnarum rerum aemuli quam ipsi merentur auctores. (5) Quin immo, quamvis optimum, intemptatae rei consilium Fortunae committitur; iteratum vero idem atque repetitum ad certam iudicii gloriam pertinet. (6) Ideoque hoc nunc ambo, sacratissime imperator, ipso estis Scipione potiores, quod et tu Africanum et te Diocletianus imitatus est.

9 (1) Ingressus est nuper illam quae Raetiae est obiecta Germaniam similique virtute Romanum limitem victoria protulit: adeo numini illius simpliciter amanterque, quidquid pro hisce terris feceras, rettulisti, cum ex

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13Panegyricus des Jahres 289

eine längere Phase guten Wetters den Wasserstand des Rheinbettes hat sin-ken lassen? Wann hat es nicht in uns das Bewusstsein sorgloser Sicherheit entstehen lassen, wenn seine Fluten angestiegen sind? (5) Ebenso, glaube ich, hat der Euphrat jenes reiche und fruchtbare Syrien gleichsam mit seiner Umarmung in Schutz genommen, bevor die Reiche der Perser sich Diokletian freiwillig unterwarfen. Das hat er aber nach Art seines Jupiters mit jenem vä-terlichen Wink, unter dem alle Welt erzittert, und durch die Majestät eures Na-mens erreicht; (6) du aber, unbesiegbarer Imperator, hast jene wilden, unbe-zwungenen Stämme durch Verwüstung, Kampf, Blutbad, Feuer und Schwert bezwungen. Das ist die Bestimmung des Herkulischen Geschlechtes: deiner eigenen Tapferkeit zu verdanken, worauf du Anspruch erhebst. Seit dieser Zeit ist also unser Sinn von Sorgen frei und ungebunden. (7) Mag der Rhein versiegen und mit dünnem Rinnsal kaum noch leichte Steinchen im schon durchsichtigen seichten Wasser fortbewegen, daraus erwächst uns keine Furcht mehr: alles, was ich jenseits des Rheins erblicke, ist römisches Land.

8 (1) So wurde einst jene Stadt, die so lange Rivalin der römischen Macht und ihre Widersacherin gewesen war, Karthago, von P. Scipio gänzlich be-siegt, als dieser durch die Überfahrt seiner Armee nach Afrika Hannibal ver-anlasst hat, die Verwüstung Italiens aufzugeben. (2) Hattest du von dieser Tat gehört, Imperator? Oder hattest du selber für dich alleine kraft des dir eigenen göttlichen Verstandes erkannt, dass die Feinde so erst von Grund auf vernich-tet werden könnten, wenn sie an ihren eigenen Wohnsitzen überwunden wür-den und nicht nur die errungene Beute verlieren würden, sondern wenn sie den Verlust ihrer eigenen Frauen, Kinder, Eltern und all ihrer liebsten Güter zu beklagen hätten? (3) Ob du nun dieses Beispiel gekannt und, ihm nachfol-gend, deine Tat ausgeführt oder nach eigener Initiative gehandelt hast, jedes Vorgehen ist, für sich genommen, ganz und gar vortreffl ich. (4) Nicht min-deres Lob steht ja denen zu, die großen Taten nacheifern, als ihren Erfi ndern selbst. (5) Es ist vielmehr so: wie treffl ich er auch sein mag – der Plan einer bisher unerprobten Tat ist (in seinem Erfolg) der Fortuna überlassen; doch die Wiederholung und erneute Durchführung derselben Planung liefert das Maß für unstrittigen Ruhm der Urteilskraft. (6) Und also seid ihr beide nun, heiligster Imperator, deshalb noch vortreffl icher als Scipio selbst, weil du den Africanus und dich wiederum Diokletian nachgeahmt hat.

9 (1) Vor kurzem ist er in jenen Teil Germaniens gezogen, der Raetien gegenüberliegt, und hat durch seine Tapferkeit, die der deinen gleicht, die Grenze Roms siegreich vorrücken lassen: so ganz aufrichtig und liebevoll zugetan hast du seiner göttlichen Hoheit von deinen Leistungen für dieses

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Panegyricus Latinus X/II14

diversa orbis parte coeuntes invictas dexteras contulistis, adeo fi dum illud fuit fraternumque conloquium. (2) In quo vobis mutua praebuistis omnium exempla virtutum atque invicem vos, quod fi eri iam posse non videbatur, auxistis, ille tibi ostendendo dona Persica, tu illi spolia Germanica. (3) Sed neque illum virtutes tuae bellicae <a> liberalitate <neque te> illius opes a bellica virtute revocarunt: ambo nunc estis largissimi, ambo fortissimi atque hac ipsa vestri similitudine magis magisque concordes et, quod omni consanguinitate certius est, virtutibus fratres. (4) Sic fi t ut vobis tantum imperium sine ulla aemulatione commune sit neque ullum inter vos discrimen esse patiamini, sed plane ut gemini illi reges Lacedaemones Heraclidae rem publicam pari sorte teneatis. (5) Quamquam hoc vos meliores et iustiores, quod illos mater astu coegit, cum nemini fateretur quem prius edidisset in lucem, pari aetatis auctoritate regnare, vos hoc sponte facitis, quos in summis rebus aequavit non vultuum similitudo sed morum.

10 (1) Attamen illos, si discrimen sui scire potuissent, minus mirum fuisset exiguam sibi communicasse regionem, quam saepe uno die impiger viator emensus est. Vos vero, qui imperium non terrae sed caeli regionibus terminatis, tantam vim tantam potestatem mutuo vobis impartire divinae profecto immortalisque fi duciae est, quam cupiditas nulla perturbet. (2) Et tamen vides, imperator, non invenire me ex omni antiquitate quod comparem vobis, nisi Herculeae gentis exemplum. (3) Nam ille quidem magnus Alexander iam mihi humilis videtur Indo regi sua regna reddendo, cum tam multi reges, imperator, vestri clientes sint, cum per te regnum receperit Gennoboudes, a te vero munus acceperit. (4) Quid enim ille aliud expetivit ad conspectum <tuum> cum omni sua gente veniendo, nisi ut tunc demum

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15Panegyricus des Jahres 289

Land hier Bericht erstattet (an dem Tag), da ihr, aus entgegengesetzten Tei-len des Erdkreises zusammengekommen, einander die unbesiegbaren Hände reichtet, so ganz vertrauensvoll und brüderlich war da eure Unterredung! (2) Hierbei habt ihr euch wechselseitig Beispiele aller Tugenden vorgeführt und, was schon nicht mehr möglich schien, euch noch gegenseitig in eurem Rang erhöht, indem jener dir die Geschenke Persiens präsentierte, du ihm deine Beutestücke aus Germanien. (3) Doch sowenig ihn deine kriegerischen Tu-genden von seiner edlen Großzügigkeit abbrachten, ebenso wenig hielten dich seine Schätze von der dir eigenen kriegerischen Tugend fern: nunmehr seid ihr beide die freigebigsten, beide die tapfersten, und eben durch diese Über-einstimmung zwischen euch seid ihr mehr und mehr eines Herzens und Sinns, und, was zuverlässiger als jede Blutsverwandtschaft ist, in euren Tugenden einander brüderlich verwandt. (4) So kommt es, dass ihr eine derart gewaltig ausgedehnte Herrschaft ohne jegliches Rivalentum gemeinschaftlich besitzt und dass ihr nicht das Bestehen irgendeines Unterschiedes zwischen euch duldet, sondern das Staatswesen ganz wie jene Zwillingskönige von Lakedai-mon, die Herakliden, zu gleichem Anteil innehabt. (5) Indessen seid ihr (im Vergleich zu jenen) insofern vortreffl icher und gerechter, als jene ihre Mutter ja mittels einer List dazu gezwungen hat (denn sie hat niemandem eingestan-den, wer der erste war, den sie zur Welt gebracht hatte), ihre Herrschaft in Ebenbürtigkeit des Ranges ihres Lebensalters auszuüben – ihr dagegen tut dies aus freiem Antrieb: euch hat nicht eine Ähnlichkeit des Antlitzes Gleich-rangigkeit in den höchsten Aufgaben verliehen, sondern die Entsprechung eurer Wesensart.

10 (1) Jedoch selbst wenn jene hätten wissen können, was den Unterschied zwischen ihnen bildete, wäre es weniger staunenswert gewesen, dass sie eine kleine Region der Erde miteinander teilten, die ein rüstiger Wanderer oft an einem einzigen Tag durchmessen hat. Was aber euch angeht, die ihr die Gren-zen eurer Herrschaft nicht nach den Räumen auf der Erde, sondern an den Regionen des Himmels bemesst, so beweist es wahrhaft göttliches und unver-gängliches Vertrauen zueinander, das keine Begehrlichkeit stören kann, dass ihr so große Macht, so große Amtsgewalt miteinander teilt. (2) Und dennoch siehst du, Imperator, dass ich aus der ganzen alten Zeit kein Beispiel fi nde, das ich zum Vergleich mit euch anführen kann außer dem des Geschlechts des Herkules. (3) Denn jener Große Alexander jedenfalls erscheint mir jetzt unbedeutend, wenn er dem indischen König seine Reiche zurückgab, da so zahlreiche Könige, Imperator, eurer Klientel angehören, da Gennoboudes sein Reich durch dich zurückerhalten, von dir wahrhaft als Geschenk emp-fangen hat. (4) Welch anderes Ziel hatte jener denn vor Augen, da er mit sei-

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Panegyricus Latinus X/II16

integra auctoritate regnaret, cum te, Maximiane, placasset? (5) Ostendit ille te identidem, ut audio, popularibus suis et intueri diu iussit et obsequia discere, cum tibi ipse serviret. (6) Hoc eodem modo rex ille Persarum, numquam se ante dignatus hominem confi teri, fratri tuo supplicat totumque, si ingredi ille dignetur, regnum suum pandit. (7) Offert interim varia miracula, eximiae pulchritudinis feras mittit, amicitiae nomen impetrare contentus promeretur obsequio.

11 (1) Vestra hoc concordia facit, invictissimi principes, ut vobis tanta aequalitate successuum etiam fortuna respondeat. Rem publicam enim una mente regitis, neque vobis tanta locorum diversitas obest quominus etiam veluti iunctis dexteris gubernetis. (2) Ita, quamvis maiestatem regiam geminato numine augeatis, utilitatem imperii singularis consentiendo retinetis. (3) Quare, si non frustra Graeci poetae hominibus iustitiam colentibus repromittunt binos gregum fetus et duplices arborum fructus, nunc omnia gentibus universis gemina debentur, quarum vos domini tam sancte iustitiam et concordiam colitis. (4) Tu quidem certe, imperator, tantum esse in concordia bonum statuis, ut etiam eos qui circa te potissimo funguntur offi cio necessitudine tibi et adfi nitate devinxeris, id pulcherrimum arbitratus adhaerere lateri tuo non timoris obsequia sed vota pietatis. Quorum ductu proxime, cum felicissimis vestris auspiciis uterentur, lubrica illa fallaxque gens barbarorum ut merebatur adfecta est. (5) Vestra haec, imperator, vestra laus est; a vobis profi ciscitur etiam quod per alios administratur. (6) Ut enim omnia commoda caelo terraque parta, licet diversorum numinum ope nobis provenire videantur, a summis tamen auctoribus manant, Iove rectore caeli et Hercule pacatore terrarum, sic omnibus pulcherrimis rebus, etiam quae aliorum ductu geruntur, Diocletianus †facit, tu tribuis effectum.