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184 Urs Boller/Frank R. Primozic AJP/PJA 2/2016 Eigentumsvorbehalt im internationalen Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz Während nach deutschem Recht ein Eigentumsvorbehalt ohne Beach- tung von Formvorschriften errichtet werden kann, ist nach Schweizer Recht die Eintragung des Eigentumsvorbehalts im Eigentumsvorbe- haltsregister erforderlich. Behält sich der deutsche Verkäufer das Ei- gentum an der Kaufsache nach deutschem Recht gültig vor, so ist der Eigentumsvorbehalt im Konkurs des Schweizer Käufers wirkungslos, wenn er in der Schweiz nicht ins Eigentumsvorbehaltsregister eingetra- gen wurde. Dagegen wird ein nach schweizerischem Recht vereinbar- ter Eigentumsvorbehalt an einer nach Deutschland verbrachten Sache in der Insolvenz des deutschen Käufers ohne weiteres anerkannt. Der vorliegende Beitrag beleuchtet verschiedene Szenarien im grenzüber- schreitenden Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz. Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Grundlagen 1. Eigentumsübergang und Eigentumsvorbehalt nach schweizerischem Recht a. Eigentumsübergang b. Eigentumsvorbehalt und Eigentumsvorbehaltsregister 2. Eigentumsübergang und Eigentumsvorbehalt nach deut- schem Recht a. Eigentumsübergang b. Eigentumsvorbehalt 3. Wirkungen der Konkurseröffnung nach schweizerischem Recht 4. Wirkungen der Insolvenz nach deutschem Recht III. Warenlieferung von Deutschland in die Schweiz 1. Ausgangslage 2. Szenario A: Keine Konkurseröffnung 3. Szenario B: Über den Käufer wird der Konkurs eröffnet a. Verfahrensfragen b. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachen c. Geltung des unter deutschem Recht vereinbarten Eigentumsvorbehalts in der Schweiz 4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt vor der Vollstreckung des Urteils in Konkurs 5. Zwischenergebnis IV. Warenlieferung von der Schweiz nach Deutschland 1. Geänderte Ausgangslage 2. Szenario A: Keine Insolvenzeröffnung 3. Szenario B: Über das Vermögen des Käufers wird Insolvenz eröffnet a. Verfahrensfragen b. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachen c. Geltung des unter Schweizer Recht vereinbarten Eigen- tumsvorbehalts in Deutschland 4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt vor Vollstreckung des Urteils in Insolvenz 5. Zwischenergebnis V. Fazit I. Problemstellung Liefert der Verkäufer seine Ware ohne Vorkasse gegen Rechnung aus, so läuft er das Risiko, dass der Käufer die Ware nicht bezahlt. In diesem Fall muss sich der Verkäu- fer um die Eintreibung seiner Kaufpreisforderung oder, falls er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, um die Rückforderung der gelieferten Ware bemühen. Gera- de im internationalen Geschäftsverkehr ist dies – sofern der Verkäufer nicht durch ein Akkreditiv gesichert ist 1 oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und kostet Zeit und Geld. Wird über den Käufer gar der Konkurs eröffnet, er- scheint die Durchsetzung der Kaufpreisforderung für den Verkäufer in der Regel wenig attraktiv, da die blosse Kaufpreisforderung im Konkurs nicht privilegiert ist und der Verkäufer deshalb nur eine – regelmässig geringe – Konkursdividende erwarten darf. Vorteilhafter erscheint dagegen die Rücknahme des gelieferten Kaufgegenstan- des, da dessen Wert die zu erwartende Konkursdividende oftmals übersteigen dürfte. Um sich diese Möglichkeit of- URS BOLLER, lic. iur., LL.M., MCIArb, ist Rechtsanwalt bei Meyerlustenberger Lachenal, Zürich. FRANK R. PRIMOZIC ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht bei Bei- ten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft, Frankfurt am Main. 1 MATHIAS HABERSACK, in: Münchener Kommentar zum Bürgerli- chen Gesetzbuch BGB, 6. A., München 2012 ff, § 783, Rn. 39 bis 50 (nachfolgend «MüKo BGB»). Alors que le droit allemand permet de constituer une réserve de pro- priété sans avoir à observer de prescriptions de forme, le droit suisse exige l’inscription de la réserve de propriété au registre des pactes de réserve de propriété. Si le vendeur allemand se réserve la propriété de la chose vendue de manière valable selon le droit allemand, la réserve de propriété est sans effet en cas de faillite de l’acheteur suisse, si elle n’a pas été inscrite en Suisse au registre des pactes de réserve de pro- priété. En revanche, une réserve de propriété qui a été convenue selon le droit suisse sur une chose acheminée vers l’Allemagne sera reconnue sans autres en cas d’insolvabilité de l’acheteur allemand. Le présent article met en évidence différents scénarios lors d’échanges transfron- taliers de marchandises entre l’Allemagne et la Suisse. URS BOLLER FRANK R. PRIMOZIC

Eigentumsvorbehalt im internationalen Warenverkehr der … · 2017-05-18 · ordnungen miteinander kollidieren. Hier kann es vorkom - men, dass ein Eigentumsvorbehalt, der im einen

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Eigentumsvorbehalt im internationalen Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz

Während nach deutschem Recht ein Eigentumsvorbehalt ohne Beach-tung von Formvorschriften errichtet werden kann, ist nach Schweizer Recht die Eintragung des Eigentumsvorbehalts im Eigentumsvorbe-haltsregister erforderlich. Behält sich der deutsche Verkäufer das Ei-gentum an der Kaufsache nach deutschem Recht gültig vor, so ist der Eigentumsvorbehalt im Konkurs des Schweizer Käufers wirkungslos, wenn er in der Schweiz nicht ins Eigentumsvorbehaltsregister eingetra-gen wurde. Dagegen wird ein nach schweizerischem Recht vereinbar-ter Eigentumsvorbehalt an einer nach Deutschland verbrachten Sache in der Insolvenz des deutschen Käufers ohne weiteres anerkannt. Der vorliegende Beitrag beleuchtet verschiedene Szenarien im grenzüber-schreitenden Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz.

Inhaltsübersicht

I. ProblemstellungII. Grundlagen

1. Eigentumsübergang und Eigentumsvorbehalt nach schweizerischem Recht a. Eigentumsübergangb. Eigentumsvorbehalt und Eigentumsvorbehaltsregister

2. Eigentumsübergang und Eigentumsvorbehalt nach deut-schem Rechta. Eigentumsübergangb. Eigentumsvorbehalt

3. Wirkungen der Konkurseröffnung nach schweizerischem Recht

4. Wirkungen der Insolvenz nach deutschem RechtIII. Warenlieferung von Deutschland in die Schweiz

1. Ausgangslage2. Szenario A: Keine Konkurseröffnung3. Szenario B: Über den Käufer wird der Konkurs eröffnet

a. Verfahrensfragenb. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachenc. Geltung des unter deutschem Recht vereinbarten

Eigentumsvorbehalts in der Schweiz4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt

vor der Vollstreckung des Urteils in Konkurs5. Zwischenergebnis

IV. Warenlieferung von der Schweiz nach Deutschland1. Geänderte Ausgangslage 2. Szenario A: Keine Insolvenzeröffnung3. Szenario B: Über das Vermögen des Käufers wird Insolvenz

eröffneta. Verfahrensfragenb. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachenc. Geltung des unter Schweizer Recht vereinbarten Eigen-

tumsvorbehalts in Deutschland4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt

vor Vollstreckung des Urteils in Insolvenz5. Zwischenergebnis

V. Fazit

I. Problemstellung

Liefert der Verkäufer seine Ware ohne Vorkasse gegen Rechnung aus, so läuft er das Risiko, dass der Käufer die Ware nicht bezahlt. In diesem Fall muss sich der Verkäu-fer um die Eintreibung seiner Kaufpreisforderung oder, falls er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, um die Rückforderung der gelieferten Ware bemühen. Gera-de im internationalen Geschäftsverkehr ist dies – sofern der Verkäufer nicht durch ein Akkreditiv gesichert ist1 – oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und kostet Zeit und Geld.

Wird über den Käufer gar der Konkurs eröffnet, er-scheint die Durchsetzung der Kaufpreisforderung für den Verkäufer in der Regel wenig attraktiv, da die blosse Kaufpreisforderung im Konkurs nicht privilegiert ist und der Verkäufer deshalb nur eine – regelmässig geringe – Konkursdividende erwarten darf. Vorteilhafter erscheint dagegen die Rücknahme des gelieferten Kaufgegenstan-des, da dessen Wert die zu erwartende Konkursdividende oftmals übersteigen dürfte. Um sich diese Möglichkeit of-

Urs Boller, lic. iur., LL.M., MCIArb, ist Rechtsanwalt bei Meyerlustenberger Lachenal, Zürich.

Frank r. Primozic ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Steuerrecht bei Bei-ten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft, Frankfurt am Main.

1 mathias haBersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerli-chen Gesetzbuch BGB, 6. A., München 2012 ff, § 783, Rn. 39 bis 50 (nachfolgend «MüKo BGB»).

Alors que le droit allemand permet de constituer une réserve de pro-priété sans avoir à observer de prescriptions de forme, le droit suisse exige l’inscription de la réserve de propriété au registre des pactes de réserve de propriété. Si le vendeur allemand se réserve la propriété de la chose vendue de manière valable selon le droit allemand, la réserve de propriété est sans effet en cas de faillite de l’acheteur suisse, si elle n’a pas été inscrite en Suisse au registre des pactes de réserve de pro-priété. En revanche, une réserve de propriété qui a été convenue selon le droit suisse sur une chose acheminée vers l’Allemagne sera reconnue sans autres en cas d’insolvabilité de l’acheteur allemand. Le présent article met en évidence différents scénarios lors d’échanges transfron-taliers de marchandises entre l’Allemagne et la Suisse.

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nes Kaufvertrags) erforderlich (sog. Kausalitätsprinzip). Als dritte (nicht im Gesetz erwähnte) Voraussetzung wird von einem Teil der Lehre zudem das Vorliegen eines ding-lichen Vertrags gefordert, womit sich die Parteien über den Eigentumsübergang einigen.5

Schliessen die Parteien somit einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache und wird diese nicht sogleich dem Käufer übergeben, so bleibt der Verkäufer vorerst weiter-hin Eigentümer der Sache. Erst in dem Zeitpunkt, in dem der Käufer Besitz an der Sache erlangt, erwirbt dieser Ei-gentum daran. Ist der Kaufpreis im Zeitpunkt der Über-gabe noch nicht vollständig bezahlt worden, so erwirbt der Käufer mit der Übergabe gleichwohl Eigentum. Hier manifestiert sich denn auch das Risiko, das der Verkäufer bei einem Kreditkauf eingeht: Wird über den Käufer nach der Übergabe der Sache, aber noch vor der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises der Konkurs eröffnet, so fällt der Kaufgegenstand in die Konkursmasse. Dem Verkäu-fer verbleibt bloss die Möglichkeit, seine Kaufpreisforde-rung im Konkurs anzumelden, mit der Aussicht auf eine bescheidene Konkursdividende (vgl. hierzu näher hinten, Ziff. II.3.).

Um diesem Risiko zu entgehen, kann sich der Verkäu-fer das Eigentum an der verkauften Sache bis zur voll-ständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehalten.

b. Eigentumsvorbehalt und Eigentums­vorbehaltsregister

Für die Begründung des Eigentumsvorbehalts ist zunächst erforderlich, dass dieser zwischen Verkäufer und Käufer vertraglich vereinbart wird. Dies erfolgt in der Regel in Form einer Abrede innerhalb des Kaufvertrags.6 Der In-halt einer solchen Abrede lautet dahingehend, dass das Eigentum an der verkauften Sachen nicht mit der Überga-be der Sache an den Käufer übergehen soll, sondern erst dann, wenn der gesamte Kaufpreis bezahlt ist (oder der Käufer eine andere Bedingung für den Übergang des Ei-gentums erfüllt hat).7 Die Vereinbarung eines Eigentums-

5 Statt vieler: ivo schwander, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetz-buch II, 5. A., Basel 2015, Art. 714 N 2 ff. (nachfolgend «BSK-ZGB»). Die Kontroverse zur Frage, ob es eines solchen dinglichen Vertrags bedarf, ist jedoch nicht von praktischer Relevanz, son-dern dogmatischer Natur (thomas sUtter-somm, Eigentum und Besitz, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, 2. A., Basel 2014, N 945).

6 Ist die Abrede betreffend den Eigentumsvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten, so ist zu prüfen, ob diese AGB gültig miteinbezogen wurden.

7 Peter Breitschmid/adrian heBerlein, in: Peter Breitschmid/Alexandra Rumo-Jungo (Hrsg.), CHK – Handkommentar zum

fenzuhalten, wird der Verkäufer im Kaufvertrag ein Rück-trittsrecht und einen Eigentumsvorbehalt vorsehen.

In der Praxis zeigt sich aber, dass ein vertraglich vereinbarter Eigentumsvorbehalt nicht immer wirksam durchgesetzt werden kann. Dies gilt insbesondere im grenzüberschreitenden Handel, bei dem mehrere Rechts-ordnungen miteinander kollidieren. Hier kann es vorkom-men, dass ein Eigentumsvorbehalt, der im einen Land gültig vereinbart wurde, ausgerechnet in jenem Land, in dem er geltend gemacht werden soll, keine Wirkungen entfaltet. Der vorliegende Beitrag zeigt diese Problema-tik anhand von grenzüberschreitenden Warenlieferungen zwischen Deutschland und der Schweiz auf.2

II. Grundlagen

1. Eigentumsübergang und Eigentums­vorbehalt nach schweizerischem Recht

a. Eigentumsübergang

Gemäss Art. 714 Abs. 1 ZGB3 ist nach Schweizer Recht für die Übertragung von Eigentum an beweglichen Sa-chen der Übergang des Besitzes auf den Erwerber erfor-derlich. Die Übertragung des Besitzes erfolgt in der Regel mittels körperlicher Übergabe der Sache.4 Gemäss Recht-sprechung und nahezu einhelliger Lehre ist darüber hin-aus jedoch das Vorliegen eines Rechtsgrundes (bspw. ei-

2 Sowohl Deutschland als auch die Schweiz sind Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG). Sofern die Parteien dessen An-wendbarkeit nicht ausschliessen (Art. 6 CISG), unterstehen Kauf-verträge zwischen Parteien mit Sitz in der Schweiz und in Deutsch-land regelmässig diesem Übereinkommen (Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG). Das Übereinkommen regelt aber nicht auch den sachen-rechtlichen Vollzug der Übereignungsverpflichtung (vgl. Art. 4 S. 2 lit. b CISG); hierfür bleibt es bei dem nach dem jeweiligen IPR zur Anwendung kommenden nationalen Sachenrecht (BUrghard Piltz, UN-Kaufrecht, Heidelberg 2001, Rn. 189; anja Fenge, in: Hans-Theodor Soergel [Begr.], Bürgerliches Gesetzbuch mit Ein-führungsgesetz und Nebengesetzen [BGB], Stuttgart 2000, Art. 4, Rn. 3; Franco Ferrari, in: Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], Kom-mentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. A., München 2013, Art. 4, Rn. 29; rolF herBer/Beate czerwenka, Internationales Kaufrecht, München 1991, Art. 4, Rn. 7). Dementsprechend regelt das Übereinkommen auch nicht die Rechtswirksamkeit des Eigen-tumsvorbehalts (OLG Koblenz Urteil v. 16.1. 1992 – 5 U 534/91, CISG-online 47 = RIW 1992, 1019; Ulrich magnUs, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Ein-führungsgesetz und Nebengesetzen, Berlin 2002, BGB Art. 30, Rn. 12).

3 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) vom 10. Dezember 1907 (SR 210).

4 Art. 922 Abs. 1 ZGB.

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schützt: Da der Kaufgegenstand mangels Registereintrag ins Eigentum des Käufers übergegangen ist, fällt er in die Konkursmasse. Zumindest ausserhalb des Konkurses ist der nicht eingetragene Eigentumsvorbehalt jedoch nicht gänzlich wirkungslos: In diesem Fall verfügt der Verkäu-fer wenigstens über ein vertragliches Rücktrittsrecht, das er bei Zahlungsverzug des Käufers ausüben kann.

Eine Frist zur Eintragung des Eigentumsvorbehalts besteht nicht. Erfolgt die Eintragung erst nach der Über-gabe des Kaufgegenstandes, geht das Eigentum vorerst mit der Übergabe auf den Käufer über, fällt dann aber mit dem später erfolgten Registereintrag wieder auf den Verkäufer zurück.17 Gerät der Käufer in dieser Zwischen-phase in Konkurs, ist der Verkäufer nicht geschützt. Ein nach Konkurseröffnung vorgenommener Eintrag des Ei-gentumsvorbehalts ist wirkungslos.18

Hinzuweisen ist aber darauf, dass auch ein eingetrage-ner Eigentumsvorbehalt dem Verkäufer keinen absoluten Schutz bietet: So wird etwa nicht fingiert, dass jedermann Kenntnis des Registereintrags habe. Dementsprechend kann ein gutgläubiger Dritter vom Käufer gültig Eigen-tum am Kaufgegenstand erwerben, selbst wenn der Eigen-tumsvorbehalt im Register eingetragen wurde, das Eigen-tum an der Kaufsache somit beim Verkäufer verblieben ist.19 Mit anderen Worten vermag auch ein eingetragener Eigentumsvorbehalt nicht zu verhindern, dass der Käufer die Sache gültig weiterverkauft.

Ebenso wenig vermag der Registereintrag einen Man-gel der Eigentumsvorbehaltsvereinbarung zu heilen.20 Stellt sich bspw. heraus, dass die AGB, welche den Eigen-tumsvorbehalt vorsehen, von den Parteien nicht wirksam miteinbezogen wurden, so besteht der Eigentumsvorbe-halt auch dann nicht, wenn er im Register eingetragen ist.

Sodann ist anzumerken, dass der Eigentumsvorbehalt im Falle eines Wohnsitzwechsels bzw. einer Sitzverle-gung des Käufers innert drei Monate am neuen Ort ins entsprechende Register einzutragen ist, damit er weiterhin Bestand hat. Wird diese Frist nicht eingehalten, so ver-liert der Eigentumsvorbehalt seine Wirkung. Er lebt erst wieder auf, wenn die Eintragung im Register am neuen Wohnort/Sitz vorgenommen wird.21 Hat der Verkäufer keine Kenntnis vom Wohnortswechsel bzw. der Sitzver-änderung des Käufers, riskiert er somit, den Eigentums-vorbehalt zu verlieren.

17 BGE 93 III 96, 104.18 BGE 93 III 96, 105.19 Entsprechend der allgemeinen Regel von Art. 714 Abs. 2 in Ver-

bindung mit Art. 933 ZGB (schwander, BSK-ZGB II [FN 5], Art. 715 N 6).

20 schwander, BSK-ZGB II (FN 5), Art. 715 N 6.21 Art. 3 Abs. 3 EigVV.

vorbehalts beinhaltet stets auch das Recht des Verkäufers, beim Zahlungsverzug des Käufers vom Vertrag zurückzu-treten, selbst wenn dies nicht explizit festgehalten wird.8 Die Zulässigkeit der im deutschen Recht bekannten For-men des erweiterten und des verlängerten Eigentumsvor-behalts9 wird für das schweizerische Recht überwiegend abgelehnt.10

Die vertragliche Vereinbarung allein genügt jedoch für die gültige Begründung des Eigentumsvorbehalts nicht: Zusätzlich ist erforderlich, das der Eigentumsvor-behalt am Wohnort bzw. Sitz des Käufers in einem staat-lich geführten Register, dem sogenannten Eigentumsvor-behaltsregister, eingetragen wird.11 Die Eintragung ins Eigentumsvorbehaltsregister kann von beiden Parteien gemeinsam oder auch nur von einer Partei allein ange-meldet werden.12 Bei nur einseitiger Anmeldung muss das schriftliche Einverständnis der Gegenpartei beigebracht werden, wobei auch bereits der Kaufvertrag eine entspre-chende Erklärung enthalten kann.13 Die für den Eintrag erhobenen Gebühren sind abhängig von der Forderungs-höhe, betragen aber maximal CHF 150.14

Wurde der Eigentumsvorbehalt gültig vereinbart und im Register eingetragen, so verbleibt der Verkäufer auch nach der Übertragung der Sache deren Eigentümer. Kommt der Käufer seiner Zahlungspflicht nicht nach, kann der Verkäufer entweder am Vertrag festhalten und auf der Bezahlung des Kaufpreises bestehen, oder aber vom Vertrag zurücktreten und den Kaufgegenstand als sein Eigentum zurückverlangen. Im Falle des Konkurses des Käufers kann der Verkäufer den Kaufgegenstand zu Eigentum beanspruchen.15 Allfällige bereits erfolgte Teil-zahlungen hat er dabei zurückzuerstatten.16

Wurde der Eigentumsvorbehalt dagegen bloss ver-traglich vereinbart, aber nicht im Register eingetragen, so ist der Verkäufer im Konkurs des Käufers nicht ge-

Schweizer Privatrecht, Sachenrecht (Art. 641-977 ZGB), 2. A., Zü-rich 2012, Art. 715 N 11 (nachfolgend «CHK-Sachenrecht»).

8 BGE 90 II 285, 292.9 Siehe hierzu hinten, Ziff. II.2.b.10 jürg schmid/Bettina hürlimann-kaUP, Sachenrecht, 4. A.,

Zürich 2012, Rn. 1987 f., 1991; sUtter-somm (FN 5), Fn. 2908, 2910; schwander, BSK-ZGB II (FN 5), Art. 726 N 7; BGE 102 III 150 E. 2.

11 Art. 715 Abs. 1 ZGB.12 Art. 4 Abs. 1 der Verordnung betreffend die Eintragung der Eigen-

tumsvorbehalte vom 19. Dezember 1910 (EigVV), SR 211.413.1.13 Art. 4 Abs. 4 EigVV.14 Art. 37 Abs. 1 der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über

Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. September 1996 (GebV SchKG), SR 281.35.

15 Vgl. hierzu im Einzelnen hinten, Ziff. II.3.; Breitschmid/heBer-lein, CHK-Sachenrecht (FN 7), Art. 715 N 17.

16 Art. 716 ZGB.

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zip untersteht, geht das deutsche Sachenrecht von der Ab-straktheit der Verfügung aus.26

Grundsätzlich geht die Pflicht des Verkäufers auf un-bedingte Übereignung.27 Ein Vorbehalt des Eigentums ist daher auch in Deutschland nur dann vertragsgemäss, wenn sie im Kaufvertrag vereinbart ist.28 Ein Rücktritts-recht steht dem Verkäufer allerdings in jedem Fall, d.h. unabhängig von der Vereinbarung eines Eigentumsvor-behalts zu. Der Verkäufer kann die Kaufsache bei Verzug des Käufers und angemessener Nachfristsetzung also in jedem Fall zurückverlangen (§§ 323, 346 BGB). Ohne ei-nen Eigentumsvorbehalt ist der Verkäufer mit diesen An-sprüchen in der Insolvenz des Käufers aber nur Insolvenz-gläubiger (vgl. hierzu näher hinten, Ziff. II.4).

Wie in der Schweiz kann der Verkäufer auch in Deutschland diesem Risiko entgehen, indem er sich das Eigentum an der verkauften Sache bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält.

b. Eigentumsvorbehalt

Im deutschen Recht unterscheidet man den einfachen Eigentumsvorbehalt und bestimmte Sonder- bzw. Er-weiterungsformen.29 Die Vereinbarung eines Eigentums-vorbehalts nach § 449 Abs. 1 BGB ist regelmässig dahin auszulegen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung übertragen wird. Der einfache Eigentumsvorbehalt erlischt damit durch Zah-lung des Kaufpreises für die gelieferte Sache.30 Soll der Eigentumsübergang (auch) von anderen Voraussetzungen abhängen, muss dies explizit vereinbart sein. So liegt ein erweiterter Eigentumsvorbehalt vor, wenn der Eigen-tumsübergang über die eigentliche Kaufpreisforderung hinaus auch von der Tilgung anderer Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer abhängt.31 Der verlänger-te Eigentumsvorbehalt besteht darin, dass der Verkäufer dem Käufer gestattet, die Kaufsache im Rahmen seines gewöhnlichen Geschäftsbetriebs zu verarbeiten oder die-

26 jürgen oechsler, in: MüKo BGB (FN 1), § 929, Rn. 8 bis 11; sUtter-somm (FN 5) N 62; wolFgang wiegand, BSK-ZGB II (FN 5), vor Art. 641 ff. N 68.

27 § 433 I 1 BGB.28 harm Peter westermann, in: MüKo BGB (FN 1), § 449,

Rn. 13.29 walter weidenkaFF, in: Peter Bassenge (Bearb.), Bürgerliches

Gesetzbuch (Palandt BGB), 75. A., München 2015, § 449 Rn. 3 (nachfolgend «Palandt BGB»).

30 weidenkaFF, in: Palandt BGB (FN 29), § 449 Rn. 12.31 westermann, in: MüKo BGB (FN 28), § 449 Rn. 81. Von der Er-

füllung von Forderungen Dritter darf der Eigentumsübergang aber nicht abhängig gemacht werden; § 449 Abs. 3 BGB.

Schliesslich zeigt sich in Zusammenhang mit der Ein-tragungspflicht am Wohnort des Erwerbers eine weitere Unzulänglichkeit des schweizerischen Eigentumsvorbe-halts: Hat der Erwerber in der Schweiz weder Wohnsitz/Sitz noch eine Geschäftsniederlassung,22 kann der Eigen-tumsvorbehalt gar nicht erst eingetragen werden. Von der Lehre wird zwar gefordert, in einem solchen Fall müsse die Eintragung im Register am tatsächlichen Belegen-heitsort der Sache in der Schweiz möglich sein – ob ein solches Vorgehen geschützt würde, müsste sich indessen erst noch zeigen.23

Aufgrund der soeben dargestellten, mit dem Register-eintrag verbundenen Nachteile kommt dem Eigentums-vorbehalt in der Schweiz bloss eine geringe praktische Bedeutung zu.24

2. Eigentumsübergang und Eigentums­vorbehalt nach deutschem Recht

a. Eigentumsübergang

Im deutschen Recht wird nach dem sog. Trennungs- bzw. Abstraktionsprinzip zwischen dem Kaufvertrag als Ver-pflichtungsgeschäft und der Eigentumsübertragung als Verfügungsgeschäft unterschieden. Das Eigentum an der Kaufsache geht nicht bereits durch den Kaufvertrag über, sondern erst durch eine zum Kaufvertrag hinzu tretende dingliche Einigung über den Eigentumserwerb und die Übertragung des Besitzes an der Sache vom Veräusserer an den Erwerber.25 Anders als im schweizerischen Recht ist ein gültiges Verpflichtungsgeschäft jedoch nicht Vor-aussetzung für den Eigentumsübergang; während in der Schweiz die Eigentumsübertragung dem Kausalitätsprin-

22 Art. 715 Abs. 1 ZGB; Art. 1 Abs. 1 EigVV.23 anton heini, in: Daniel Girsberger et al. (Hrsg.), Zürcher Kom-

mentar zum IPRG, 2. A., Zürich 2004, Art. 102 N 12 (nachfol-gend «ZK-IPRG»); BGE 131 III 595 E. 2.3.2.; martin menne, Der Eigentumsvorbehalt bei Warenlieferungen in die Schweiz, ZVglRWiss 98 (1999), 284, 290 f. Dieser Lösungsvorschlag macht selbstredend nur Sinn, wenn die verkaufte Sache in der Schweiz verbleibt. Ist sie zur Ausfuhr bestimmt, so kommt ohnehin Art. 103 IPRG zur Anwendung, wonach der Eigentumsvorbehalt an einer zur Ausfuhr aus der Schweiz bestimmten Sache dem Recht des Be-stimmungsstaates untersteht (vgl. hierzu näher hinten, Ziff. IV.3.c). Sieht dieses ausländische Recht keine besonderen Formvorschrif-ten vor, so kann der Eigentumsvorbehalt trotz fehlendem Register-eintrag Wirkung entfalten.

24 schmid/hürlimann-kaUP (FN 10), Rn. 1111a; Breitschmid/heBerlein, CHK-Sachenrecht (FN 7), Art. 715 N 5.

25 §§ 929 bis 931 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

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dem Weg der Betreibung auf Pfändung (Spezialexeku-tion) vorzugehen ist,38 wird im Folgenden ausgeklammert.

Gemäss Art. 197 Abs. 1 SchKG fällt sämtliches Ver-mögen, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröff-nung gehört, in die Konkursmasse. Die Konkursmasse stellt dabei die Gesamtheit der schuldnerischen Aktiven dar, die zur Befriedigung aller bekannter Gläubiger des Gemeinschuldners dient.39

Befindet sich eine bewegliche Sache – vorliegend die Kaufsache – in der Verfügungsgewalt des Schuldners, so fällt diese in einem ersten Schritt in die Konkursmasse. Beansprucht jedoch ein Dritter Eigentum an dieser Sa-che, kann er deren Herausgabe verlangen. Wenn sein Ei-gentumsanspruch von der Konkursverwaltung bestritten wird, muss er seinen Anspruch mittels einer Aussonde-rungsklage gerichtlich geltend machen.40 Unterliegt er mit seiner Klage, verbleibt die Sache in der Konkursmasse und wird zu Gunsten aller Gläubiger verwertet.

Der Verkäufer, der die Kaufsache dem Käufer vor der Konkurseröffnung zu Eigentum übertragen hat, kann nach der Konkurseröffnung nicht mehr vom Vertrag zurücktre-ten und die Sache zurückfordern, auch wenn er sich dies ausdrücklich vorbehalten hat.41 Der Verkäufer kann daher bloss die Kaufpreisforderung im Konkurs anmelden, mit der Aussicht auf eine geringe Konkursdividende. Ist er bereits vor der Konkurseröffnung gültig vom Vertrag zu-rückgetreten, so ist der Rücktritt zwar auch gegenüber der Konkursverwaltung wirksam. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Verkäufer einen dinglichen Aussonderungsan-spruch bezüglich des Kaufgegenstands geltend machen könnte. Es steht ihm lediglich ein obligatorischer Heraus-gabeanspruch zu, der gemäss Art. 211 Abs. 1 SchKG in eine Geldforderung von entsprechendem Wert umgewan-delt wird.42 Auch in diesem Fall darf der Verkäufer bloss eine bescheidene Konkursdividende erwarten.

Vorbehalten ist indes der Fall, dass die Kaufsache un-ter einem gültigen Eigentumsvorbehalt übertragen wur-de.43 Hier steht dem Verkäufer auch im Konkurs des Käu-fers das Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten und den

38 Dies ist etwa dann der Fall, wenn es sich beim Käufer um eine na-türliche Person handelt, die weder als Inhaberin eines Einzelunter-nehmens noch als Gesellschafterin einer Personengesellschaft im Handelsregister eingetragen ist (Art. 42 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 SchKG).

39 Statt vieler: lUkas handschin/daniel hUnkeler, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Basler Kom-mentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. A., Basel 2010, Art. 197 N 5 (nachfolgend «BSK-SchKG»).

40 Art. 242 Abs. 1 und 2 SchKG.41 Art. 212 SchKG.42 renate schwoB, BSK-SchKG II (FN 39), Art. 212 N 2.43 Art. 211 Abs. 3 SchKG.

se weiter zu veräussern32; an Stelle des durch Veräusse-rung oder Verarbeitung der Kaufsache erloschenen Eigen-tums an der Kaufsache stehen dem Verkäufer dann das Eigentum an der neu hergestellten Sache bzw. die aus der Veräusserung erhaltene Weiterveräusserungsforderung zu. Diese Form des Eigentumsvorbehalts kommt vor al-lem im kaufmännischen Verkehr vor.33

Auch nach deutschem Recht kann die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts problematisch sein, wenn sich die Verkaufsbedingungen des Verkäufers und Einkaufsbe-dingungen in diesem Punkt widersprechen. Die deutschen Gerichte judizieren aber meist «eigentumsvorbehalts-freundlich», soweit der Käufer mit einem Eigentumsvor-behalt rechnen musste, was im Handelsverkehr zwischen Unternehmen regelmässig der Fall ist.

Der wesentliche Unterschied zur Rechtslage in der Schweiz besteht darin, dass der Eigentumsvorbehalt in Deutschland in kein Eigentumsvorbehaltsregister oder ein ähnliches Verzeichnis einzutragen ist.

Allerdings besteht auch unter deutschem Recht das Risiko, dass der Käufer die dem Eigentumsvorbehalt un-terstehende Sache an einen Dritten veräussert und über-gibt, welchem der Eigentumsvorbehalt nicht bekannt und auch nicht grobfahrlässig unbekannt ist,34 und der Eigen-tumsvorbehalt hierdurch untergeht.35

3. Wirkungen der Konkurseröffnung nach schweizerischem Recht

Hat der Schuldner seinen Sitz in der Schweiz, so zieht die Insolvenz des Schuldners die Anwendung des schweize-risches Konkursrechts nach sich.36 Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Schweizer Käufer der Kon-kursbetreibung (Generalexekution) unterliegt, was unter anderem dann der Fall ist, wenn es sich beim Käufer um eine in der Schweiz domizilierte AG oder GmbH han-delt.37 Das Szenario, in welchem gegen den Käufer auf

32 § 185 BGB.33 westermann, in: MüKo BGB (FN 1), § 449 Rn. 87; Frank R.

Primozic, Cash-Pooling versus Forderungsverkauf?, NZI 2005, 358, 360 f.

34 § 932 Abs. 2 BGB.35 §§ 932 bis 935 BGB, 366 Handelsgesetzbuch (HGB).36 Art. 46 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und

Konkurs vom 11. April 1889 (SR 281.1; SchKG). Im Gegensatz zur Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenz-verfahren (EuInsVO), welche für die Schweiz nicht anwendbar ist, kommt es für die Bestimmung der schweizerischen insolvenz-rechtlichen Zuständigkeit nicht darauf an, wo der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat.

37 Art. 39 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 SchKG.

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Eigentumsvorbehalt im internationalen Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz

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Hat der Verkäufer die Kaufsache dem Käufer überge-ben und übereignet, steht also nur noch der Kaufpreis of-fen, kann der Verkäufer in der Insolvenz des Käufers auch in Deutschland seinen Kaufpreisanspruch allenfalls als sog. Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden,50 verbunden mit der unsicheren Aussicht, nach Abschluss meist langjähriger Verwertungsmassnahmen im Rahmen der sog. Schlussverteilung eine Insolvenzquote zu erhal-ten. Typischerweise liegt diese im maximal einstelligen Prozentbereich. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag, der zu einem Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache führt,51 ist zwar möglich. Wenn sich der Ver-käufer das Eigentum an der Kaufsache nicht vorbehalten hat, handelt es sich bei dem Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache allerdings gleichermas-sen nur um eine Insolvenzforderung, die nach § 45 S. 1 InsO mit ihrem Geldwert zur Insolvenztabelle angemel-det werden kann. Eine Verbesserung der Rechtsposition des Verkäufers ist damit regelmässig nicht verbunden.

Hat sich der Verkäufer das Eigentum an der Kaufsache hingegen vorbehalten, handelt es sich bei Insolvenzeröff-nung um einen beiderseits noch nicht vollständig erfüll-ten Kaufvertrag, so dass der deutsche Insolvenzverwalter nach § 103 Abs. 1 InsO wählen kann, ob er den Vertrag erfüllen und das Eigentum an der Kaufsache für die In-solvenzmasse erwerben will.52 Entscheidet sich der Insol-venzverwalter nicht für die Zahlung des Kaufpreises, kann der Verkäufer vom Kaufvertrag ohne weiteres zurücktre-ten und die Kaufsache aussondern, d.h. zurückverlan-gen.53 Entscheidet sich der Insolvenzverwalter hingegen

ter Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 5. A., München 2015, § 43 Rn. 31 f. Lässt sich der Vorbehaltsverkäufer vorab auch die Kaufpreisforderungen des Käufers aus einer Weiterveräusse-rung der Sache abtreten (sog. «verlängerter Eigentumsvorbehalt») oder bedingt sich für den Verarbeitungsfall das Eigentum an der vom Käufer neu hergestellten Sache aus (sog. «Herstellerklausel»), kann der Verkäufer zwar die eigentliche Kaufsache in der Insolvenz des Käufers aussondern; ist diese jedoch infolge Weiterveräusse-rung oder Verarbeitung nicht mehr vorhanden, besteht an der For-derung aus dem Weiterverkauf bzw. der neu hergestellten Sache nur ein Absonderungsrecht; vgl. adolPhsen, a.a.O., Rn. 37 und 53; Brinkmann, a.a.O., Rn. 38.

50 §§ 38, 174 InsO.51 §§ 323, 346 BGB.52 Bertold riering, in: Jörg Nerlich/Georg Kreplin (Hrsg.), Mün-

chener Anwaltshandbuch Insolvenz und Sanierung, 2. A., München 2012, § 31 Rn. 83; alexandra schlUck-amend, in: Gerhard Pape/Christoph Uhländer, NWB Kommentar zum Insolvenzrecht, Berlin 2013, § 107 Rn. 86. Diese Entscheidung braucht der Insol-venzverwalter nach § 107 Abs. 2 InsO aber nicht vor der ersten Gläubigerversammlung, dem sog. Berichtstermin zu treffen. Vgl. hierzu auch hinten, Ziff. IV.3.

53 michael hUBer, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (FN 49), § 36, Rn. 21, 28 f.

Kaufgegenstand auszusondern.44 Der Konkursverwaltung steht es jedoch frei, den Vertrag zu erfüllen und die noch offene Kaufpreisforderung zu begleichen, und damit den Eigentumsvorbehalt untergehen zu lassen.45

4. Wirkungen der Insolvenz nach deutschem Recht

Befindet sich der wirtschaftliche Interessenschwerpunkt in Deutschland, findet ein deutsches Insolvenzverfahren statt (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO). Auch in diesem Verfahren umfasst die sog. Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, welches dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört. Das wird für sämtliche Gegenstände vermutet, welche sich bei Verfahrenseröffnung im Besitz, d.h. in der tatsächlichen Gewalt des Schuldners befinden.46 Solche Gegenstände nimmt der Insolvenzverwalter mit Verfahrenseröffnung daher zunächst in Besitz und Verwahrung.47 Das gilt auch für eine etwa bereits ausgelieferte Kaufsache.

Steht das Eigentum hieran allerdings einem Dritten zu, muss sich dieser wegen seiner Ansprüche aus dem Eigen-tum auch in Deutschland nicht auf die insolvenzrechtli-che Befriedigungsordnung verweisen lassen. Er kann den betroffenen Gegenstand vielmehr aussondern, d.h. vom Insolvenzverwalter «nach den Gesetzen, die ausserhalb des Insolvenzverfahrens gelten», Herausgabe verlangen.48 Das gilt, von bestimmten Konstellationen beim erwei-terten bzw. verlängerten Eigentumsvorbehalt abgesehen, auch für das Eigentum des Vorbehaltsverkäufers.49

44 schwoB, BSK-SchKG II (FN 39), Art. 212 N 4.45 Art. 211 Abs. 2 SchKG; schwoB, BSK-SchKG II (FN 39), Art. 212

N 4.46 § 1006 BGB.47 ralF sinz, in: Wilhelm Uhlenbruck (Hrsg.), Insolvenzordnung,

14. A., München 2015, § 60 Rn. 30 (nachfolgend «Uhlenbruck, InsO»).

48 §§ 47 Insolvenzordnung (InsO), 985 BGB.49 moritz Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 47 Rn. 25;

michael Bremen, in: Marie Luise Graf-Schlicker (Hrsg.), Insolvenzordnung, 4. A., Köln 2014, § 47, Rn. 12. Blosse Siche-rungsrechte (sog. «Absonderungsrechte») fallen hingegen in die Insolvenzmasse und werden zugunsten des gesicherten Gläubigers verwertet. Führt der Insolvenzverwalter die Verwertung durch, sind aus dem Verwertungserlös bestimmte Massekostenpauschalen ab-zuführen (§§ 49 ff. und 165 ff. InsO). Das gilt auch für die unter Ziff. II.2.b. dargestellten Formen des Eigentumsvorbehalts: Sichert der Eigentumsvorbehalt nebst der unmittelbaren Kaufpreisforde-rung für die betreffende Sache auch sonstige Forderungen (sog. «erweiterter Eigentumsvorbehalt»), besteht anstelle des Aussonde-rungsrechts nur ein Absonderungsrecht, sobald der Kaufpreis für den betreffenden Gegenstand bezahlt ist und das Vorbehaltseigen-tum nur noch sonstige Forderungen sichert; vgl. Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 47 Rn. 34; jens adolPhsen in: Pe-

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Anträge auch verbinden, indem er Zahlungsklage erhebt und beantragt, dem Käufer nach § 255 Abs. 1 ZPO60 eine Zahlungsfrist zu setzen, nach deren Ablauf der Verkäufer berechtigt ist, vom Kaufvertrag zurückzutreten und dem-entsprechend Rückgabe der Kaufsache zu verlangen.61 Das deutsche Gericht wird den Käufer, je nach Antrag, entweder zur Zahlung oder/und Herausgabe der Kaufsa-che an den Verkäufer verurteilen (§ 883 Abs. 1 ZPO). Das Urteil kann in der Schweiz gestützt auf das Lugano-Über-einkommen anerkannt und gegen den Käufer vollstreckt werden.62

Ein Herausgabeurteil wird auch dann in der Schweiz anerkannt und vollstreckt werden können, wenn der Ei-gentumsvorbehalt in der Schweiz nicht im Eigentumsvor-behaltsregister eingetragen wurde. Insbesondere gibt es keinen Grund, dem Urteil die Anerkennung gestützt auf Ordre public-Überlegungen63 die Anerkennung zu versa-gen, denn wie vorne (Ziff. II.1.b) gezeigt wurde, ist ein nicht im Register eingetragener Eigentumsvorbehalt zwi-schen den Vertragsparteien gleichwohl wirksam; zudem kann sich der Verkäufer auch auf einen vertraglichen He-rausgabeanspruch stützen. Zu beachten ist jedoch Folgen-des:

Lautet das Urteil auf Rückgabe der Kaufsache, so kann das Urteil nur dann erfolgreich vollstreckt werden, wenn der Schweizer Käufer tatsächlich noch im Besitz der Kaufsache ist. Hat er die Sache inzwischen (wenn auch unbefugt) weiterverkauft und nach Schweizer Recht als der lex rei sitae wirksam übereignet, so läuft die Voll-streckung ins Leere: Die Vollstreckung des Urteils gegen den Schweizer Käufer ist aus tatsächlichen Gründen un-möglich, und eine Vollstreckung des Urteils gegen den Dritterwerber scheitert daran, dass das Urteil grundsätz-lich nicht gegenüber einer Drittpartei vollstreckt wer-den kann.64 Es wird dem Verkäufer nichts anderes übrig bleiben, als den Käufer vor dem vereinbarten deutschen Gericht erneut, dieses Mal auf «Leistung des Interesses»,

60 Zivilprozessordnung (ZPO).61 §§ 323, 346, 449 Abs. 2, 985 BGB; vgl. hierzu wolFgang ernst,

in: MüKo BGB (FN 1), § 323 Rn. 270 f. Zur Möglichkeit, beide Anträge zu verbinden vgl. ernst, a.a.O., § 281 Rn. 179 f. und § 323 Rn. 274a f.

62 Gemäss Titel III des LugÜ.63 Vgl. Art. 34 Ziff. 1 LugÜ; Ordre public-Überlegungen spielen hin-

gegen eine Rolle, wenn zu beurteilen ist, ob ein Herausgabeurteil in der Schweiz gegenüber Dritten (namentlich im Konkurs des Käufers) wirksam sein soll, wenn der Eigentumsvorbehalt nicht im Register eingetragen worden war (vgl. hierzu hinten, Ziff. III.4).

64 lorenz droese, in: Karl Spühler/Luca Tenchio/Dominik Infanger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A., Basel 2013, Art. 341 N 4, 24.

für die Durchführung des vorinsolvenzlich abgeschlos-senen Vorbehaltskaufs, erwächst die Kaufpreisschuld als sog. Masseverbindlichkeit, d.h. sie ist vorrangig vor den Insolvenzforderungen aus der dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehenden Masse zu begleichen, wodurch der Eigentumsvorbehalt untergeht.54

III. Warenlieferung von Deutschland in die Schweiz

1. Ausgangslage

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass ein Verkäu-fer mit Sitz in Deutschland einem Käufer mit Sitz in der Schweiz Waren verkauft. Der Kaufvertrag enthält eine Eigentumsvorbehaltsklausel. In dem Kaufvertrag haben die Parteien nach Art. 116 IPRG55 bzw. Art. 3 Abs. 1 der Rom I VO56 die Anwendbarkeit materiellen deutschen Rechts vereinbart und sich nach Art. 23 des Lugano-Übereinkommens57 auf die Zuständigkeit der deutschen Gerichte verständigt. Die Ware wird nach Vertragsschluss in die Schweiz geliefert. Der Käufer bezahlt den ausste-henden Restkaufpreis nicht. Die Handlungsmöglichkei-ten des Verkäufers hängen davon ab, ob über den in der Schweiz ansässigen Käufer der Konkurs eröffnet wurde.

2. Szenario A: Keine Konkurseröffnung

Ist der Schweizer Käufer (noch) nicht in Konkurs gefal-len, so kann der Verkäufer vor dem nach der Gerichts-tandsvereinbarung zuständigen (deutschen) Gericht nach dem vereinbarten deutschen Recht auf Zahlung des (Rest)Kaufpreises58 oder – falls er dem Käufer die nach § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Nachfrist gesetzt und von sei-nem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat – auf Rückga-be der Kaufsache59 klagen. Der Verkäufer kann die beiden

54 § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Für diesen Fall wird der Kaufvertrag mit dem Insolvenzverwalter nach den allgemeinen Regelungen abge-wickelt, d.h. der Verkäufer kann nach Fristsetzung zurücktreten und die Kaufsache zurückfordern (aussondern), sollte der Insol-venzverwalter den Kaufpreis trotz der Erfüllungswahl nicht zahlen (§§ 323 Abs. 1, 346, 985 BGB).

55 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987, SR 291.

56 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldver-hältnisse anzuwendende Recht (Rom I).

57 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Aner-kennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Han-delssachen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ).

58 § 433 Abs. 2 BGB.59 §§ 323, 346, 449 Abs. 2, 985 BGB.

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Konkursort72 die Aussonderungsklage einzureichen. Hält der Verkäufer diese Frist nicht ein oder dringt er mit sei-ner Klage nicht durch, so verbleibt der Kaufgegenstand in der Konkursmasse und wird zu Gunsten der Gläubigerge-samtheit verwertet.73 Der Verkäufer kann die Aussonde-rung daher nur dann erfolgreich verlangen, wenn er nach-weisen kann, dass er im Zeitpunkt der Konkurseröffnung Eigentümer der Kaufsache war. Da die Eigentumsfrage einen internationalen Bezug hat, greift der schweizeri-sche Konkursverwalter bzw. das schweizerische Gericht am Konkursort zur Klärung dieser Frage auf das schwei-zerische Kollisionsrecht74 zurück (siehe nachfolgend, Ziff. III.3.b und III.3.c).

Hat der Verkäufer im Zeitpunkt der Konkurseröffnung den Rücktritt vom Vertrag noch nicht erklärt, so hat die Konkursverwaltung das Recht, den Kaufvertrag anstelle des Käufers zu erfüllen, wobei der Verkäufer Sicherstel-lung der Erfüllung verlangen kann.75 Der (Rest-)Kauf-preisanspruch wird damit zu einer Masseverbindlichkeit. Leistet die Konkursverwaltung wie verlangt Sicherheit, so ist der Rücktritt des Verkäufers ausgeschlossen.76 Will die Konkursverwaltung den Vertrag jedoch nicht erfüllen, so kann der Verkäufer entweder den Restkaufpreis als Kon-kursforderung anmelden oder vom Vertrag zurücktreten und die Aussonderung der Kaufsache verlangen.77 Eine gesetzliche Frist, innert welcher die Konkursverwaltung ihr Wahlrecht auszuüben hat, besteht nicht. Je länger sie mit der Abgabe einer Erklärung zuwartet, desto eher ist zu vermuten, dass sie auf ihr Erfüllungsrecht verzichtet. 78 Spätestens dann, wenn sie über Herausgabeansprüche zu befinden hat, muss sie ihr Recht jedoch ausgeübt haben.79

72 Das gilt ungeachtet der im Kaufvertrag vereinbarten Wahl eines deutschen Gerichtsstandes. Je nach vertretener Ansicht fällt die Aussonderungsklage gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ gar nicht in den Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens, oder aber sie wird von Art. 22 Ziff. 5 LugÜ erfasst, welche Bestimmung eine zwingende Zuständigkeit des Staates vorsieht, in dem die Zwangs-vollstreckung durchgeführt wird (matthias staehelin, BSK-SchKG I [FN 39], Art. 30a N 16a).

73 hans Fritzsche/hans Ulrich walder-Bohner, Schuldbetrei-bung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, 3. A., Zü-rich 1993, § 48 N 20.

74 IPRG.75 Art. 211 Abs. 2 SchKG.76 schwoB, BSK-SchKG II (FN 42), Art. 211 N 11.77 schwoB, BSK-SchKG II (FN 42), Art. 212 N 5.78 Urs Bürgi, in: Daniel Hunkeler (Hrsg.), Kurzkommentar SchKG,

2. A., Basel 2014, Art. 211 N 4 (nachfolgend «KUKO SchKG»).79 Peter Pirkl, KUKO SchKG (FN 78), Art. 212 N 4.

d.h. auf Schadenersatz zu verklagen.65 Dabei handelt es sich freilich um einen neuen Rechtsstreit.66 Eine Heraus-gabeklage gegen den Dritterwerber wird jedenfalls dann erfolglos bleiben, wenn der Dritte beim Erwerb der Sache gutgläubig war, denn in diesem Fall hat der Dritte wirk-sam Eigentum an der Sache erworben.67

Das Szenario, in dem der Käufer nach Erlass des Ur-teils, aber noch vor dessen Vollstreckung in Konkurs ge-rät, wird später speziell noch angesprochen.68

3. Szenario B: Über den Käufer wird der Konkurs eröffnet

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass über den Käufer in der Schweiz der Konkurs eröffnet wird, bevor der Verkäufer seine Zahlungsansprüche gerichtlich gel-tend gemacht hat.

a. Verfahrensfragen

Sowohl nach Schweizer als auch nach deutschem Recht scheidet eine Zahlungsklage gegen den Gemeinschuldner nach Eröffnung des Konkurses bzw. des Insolvenzverfah-rens aus.69 Verlangt der Verkäufer Bezahlung des Kauf-preises, so hat er seine Forderung im Konkurs des Käufers entsprechend Art. 232 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG anzumelden, mit der Aussicht auf eine bescheidene Konkursdividende. Der deutsche Verkäufer steht daher regelmässig günstiger, wenn er sich nach §§ 323, 346 BGB nach angemessener (Nach)Fristsetzung vom Kaufgeschäft löst und sich auf den Eigentumsvorbehalt beruft.

Ist der Verkäufer vor Konkurseröffnung vom Kauf-vertrag zurückgetreten, so hat er bei der Konkursver-waltung nach dem anwendbaren Schweizer Konkurs-recht unter Berufung auf seinen Eigentumsvorbehalt die Aussonderung des Kaufgegenstands zu verlangen.70 Die Konkursverwaltung prüft sodann den geltend gemachten Eigentumsanspruch und trifft eine Verfügung darüber, ob sie ihn anerkennt oder nicht.71 Hält sie den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Verkäufer eine Frist von zwanzig Tagen an, um beim Richter am schweizerischen

65 § 893 Abs. 1 ZPO.66 § 893 Abs. 2 ZPO.67 Art. 714 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 933 ZGB.68 Siehe hinten, Ziff. III.4.69 dieter hierholzer, BSK-SchKG II (FN 39), Art. 250 N 10; § 87

InsO.70 Art. 232 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.71 Art. 242 Abs. 1 SchKG.

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getragen wurde.82 Art. 102 Abs. 2 IPRG bestimmt, dass der fremde Eigentumsvorbehalt in der Schweiz noch drei Monate gültig bleibt.

Diese scheinbare Weitergeltung des im Ausland be-gründeten Eigentumsvorbehalts ist jedoch in mehrfacher Hinsicht zu relativieren. Gemäss Art. 102 Abs. 3 IPRG kann der Bestand eines solchen Eigentumsvorbehalts ei-nem gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden. Ein Dritter, der den Eigentumsvorbehalt nicht kennt, kann somit vom Käufer Eigentum erwerben.83 Gravierender ist jedoch, dass dem Verkäufer im Konkurs des Käufers kein Aussonderungsrecht zusteht.84 Solange der ausländische Eigentumsvorbehalt nicht im schweizerischen Register eingetragen ist, kommt ihm daher keinerlei dingliche Wir-kung zu; er wirkt nur zwischen den beiden Vertragspartei-en und gegenüber einem bösgläubigen Dritten.85

Bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist bleibt der im Aus-land gültig begründete Eigentumsvorbehalt bestehen, wenn auch – wie gesagt – bloss zwischen den Parteien und gegenüber einem bösgläubigen Dritten. Der ausländische Eigentumsvorbehalt wirkt direkt, und zwar auch in den nach deutschem Recht begründeten Verlängerungs- und Erweiterungsformen;86 es findet keine Transposition ins schweizerische Rechtssystem statt.87 Die Eintragung von Verlängerungs- und Erweiterungsformen eines auslän-dischen Eigentumsvorbehalts ist jedoch ausgeschlossen, d.h. ein nach deutschem Recht in einer Verlängerungs- oder Erweiterungsform vereinbarter Eigentumsvorbehalt gilt im Falle einer Eintragung in das Eigentumsvorbe-haltsregister in der Schweiz als einfacher Eigentumsvor-behalt fort.88 Unklar ist, ob der Eigentumsvorbehalt mit unbenutztem Fristablauf seine Wirkung gänzlich verliert. Zumindest wird die Meinung vertreten, eine Eintragung im Register müsse auch noch nach Ablauf der Dreimo-natsfrist möglich sein, da auch nach materiellem schwei-zerischem Recht keine Frist besteht, innert welcher ein Eigentumsvorbehalt einzutragen ist.89

82 Vgl. Art. 715 Abs. 1 ZGB.83 Dies gilt allerdings auch dann, wenn der Eigentumsvorbehalt gültig

im Register eingetragen ist, vgl. vorne, Ziff. II.1.b.84 Fisch, BSK-IPRG (FN 80), Art. 102 N 25 und 32.85 Fisch, BSK-IPRG (FN 80), Art. 102 N 25 und 32; menne (FN 23),

309.86 Siehe hierzu vorne, Ziff. II.2.b.87 Fisch, BSK-IPRG (FN 80), Art. 102 N 32; heini, ZK-IPRG

(FN 23), Art. 102 N 10.88 heini, ZK-IPRG (FN 23), Art. 102 N 10; Fisch, BSK-IPRG

(FN 80), Art. 102 N 26.89 Fisch, BSK-IPRG (FN 80), Art. 102 N 26; tarkan göksU/ oscar

olano in: Andreas Furrer/Daniel Girsberger/Markus Müller-Chen (Hrsg.), CHK – Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, In-

b. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachen

Gemäss Art. 100 Abs. 1 IPRG unterstehen Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Staates, in dem die Sache im Zeitpunkt des Vor-gangs, aus dem der Erwerb oder der Verlust hergeleitet wird, liegt (lex rei sitae). Die für den Eigentumsübergang relevanten Vorgänge sind der Abschluss des Kaufver-trags, die Übergabe der Sache an den Käufer und gegebe-nenfalls die Registereintragung des Eigentumsvorbehalts.

Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses lag die Sache noch beim Verkäufer im Deutschland. Abhängig davon, ob der Käufer die Sache selbst bzw. durch eine Hilfsper-son abholen lässt oder der Verkäufer diese zum Käufer in die Schweiz verbringt, findet die Übergabe entweder noch in Deutschland oder aber erst in der Schweiz statt. So oder anders hat der Eigentumsübergang mangels Kaufpreis-zahlung bei Eintritt der Sache in die Schweiz jedenfalls noch nicht stattgefunden, da ein nach deutschem Recht gültiger Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde.

Sobald die Sache in die Schweiz gelangt, kommt Art. 102 Abs. 1 IPRG zur Anwendung. Nach dieser Be-stimmung gelten alle im Ausland eingetretenen Vorgän-ge als in der Schweiz erfolgt, mit der Folge, dass auf den gesamten Tatbestand schweizerisches Recht zur Anwen-dung gelangt.80 Da ein gültiger Kaufvertrag besteht und der Kaufgegenstand (entweder bereits in Deutschland oder aber erst in der Schweiz) an den Käufer übergeben wurde, hat der Käufer nach Schweizer Recht grundsätz-lich Eigentum erworben,81 sofern nicht der vereinbarte Eigentumsvorbehalt in der Schweiz Bestand hat und dem Eigentumsübergang entgegensteht (hierzu nachfolgend Ziff. III.3.c).

c. Geltung des unter deutschem Recht verein­barten Eigentumsvorbehalts in der Schweiz

Das IPRG enthält mit Art. 102 Abs. 2 eine besondere Bestimmung für in die Schweiz importierte Sachen, an denen im Ausland ein wirksamer Eigentumsvorbehalt begründet wurde, der den Anforderungen des schwei-zerischen Rechts nicht genügt. Dies trifft namentlich in den Fällen zu, in denen der Eigentumsvorbehalt nicht ins Eigentumsvorbehaltsregister am Sitz des Käufers ein-

80 PiUs Fisch, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar, Interna-tionales Privatrecht, 3. A., Basel 2013, Art. 102 N 12 (nachfolgend «BSK-IPRG»).

81 Vorne, Ziff. II.1.a.

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Wer Eigentümer der Sache ist, bildet somit zwar nicht den Verfahrensgegenstand, ist aber eine für den Verfah-rensausgang relevante Vorfrage.90 Das in Deutschland er-gangene Herausgabeurteil bildet demnach für eine in der Schweiz einzuleitende Aussonderungsklage zwar kein Hindernis der res iudicata. Gleichwohl ist fraglich, ob die durch das deutsche Gericht festgestellten Eigentumsver-hältnisse im schweizerischen Aussonderungsverfahren verbindlich zu berücksichtigen sind.

Soweit ersichtlich haben sich schweizerische Lehre und Rechtsprechung bis anhin nicht mit dieser Frage aus-einandergesetzt. In jüngster Zeit hatte das Schweizerische Bundesgericht indessen mehrmals Gelegenheit, sich dazu zu äussern, ob ein im Ausland gegen den Gemeinschuld-ner ergangenes Urteil im schweizerischen Kollokations-verfahren91 anzuerkennen ist. Hierbei entschied es, dass ein (grundsätzlich anerkennungsfähiges) ausländisches Urteil dann im schweizerischen Kollokationsverfahren zu berücksichtigen ist, wenn es vor der Konkurseröff-nung rechtskräftig wurde.92 Hingegen schliesst das Bun-desgericht die Anerkennung aus, wenn das ausländische Verfahren in einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, in dem bereits absehbar war, dass das Urteil ausschliesslich im schweizerischen Konkursverfahren würde vollstreckt werden können; denn diesfalls handle es sich beim aus-ländischen Urteil funktional betrachtet um ein insolvenz-rechtliches Urteil, das gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ vom sachlichen Anwendungsbereich des Lugano-Über-einkommens ausgeschlossen sei und demzufolge nicht nach diesem Übereinkommen anerkannt werden könne.93

Da sowohl die Kollokationsklage als auch die Aus-sonderungsklage vollstreckungsrechtliche Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle Recht darstellen94, er-scheint naheliegend, dass die vom Bundesgericht zur Kollokationsklage angestellten Überlegungen auf die Aussonderungsklage entsprechend übertragen werden können. Eine weitergehende Behandlung dieser Sonder-problematik würde indessen den Rahmen des vorliegen-den Beitrags sprengen.

90 isaak meier/carlo hamBUrger, Vollstreckungsrechtliche Kla-ge mit Reflexwirkung auf das materielle Recht – ein exportwürdi-ges Institut der schweizerischen Verfahrensdogmatik? in: BlSchK 2014 201 f.

91 Im Kollokationsverfahren geht es darum, den Bestand der von den Gläubigern angemeldeten Forderungen zu prüfen. Von der Kon-kursverwaltung abgewiesene Forderungen hat der betreffende Gläubiger im sogenannten Kollokationsprozess gerichtlich geltend zu machen (Art. 250 Abs. 1 SchKG).

92 BGE 140 III 320 E. 8.3.1.; BGer, Urteil 5A_491/2013 E. 4 vom 29. Mai 2015 (zur Publikation vorgesehen).

93 BGE 140 III 320 E. 9.4.94 meier/hamBUrger (FN 90), 202 f.

Der schweizerische Konkursverwalter bzw. das mit der Aussonderungsklage befasste Gericht am Konkurs-ort wird somit den vom deutschen Verkäufer geltend ge-machten Aussonderungsanspruch nur dann anerkennen, wenn der Eigentumsvorbehalt vor Konkurseröffnung im Eigentumsvorbehaltsregister am Sitz des Käufers einge-tragen wurde.

4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt vor der Vollstreckung des Urteils in Konkurs

Angenommen, der Käufer zahlt den Restkaufpreis nicht, der Verkäufer geht an dem vereinbarten Gerichtsstand in Deutschland gegen ihn vor und erstreitet ein Urteil gegen den Käufer. Noch bevor der Verkäufer das Urteil gegen den Käufer erfolgreich vollstrecken kann, wird über den Käufer der Konkurs eröffnet.

Lautet das Urteil des deutschen Gerichts auf Bezah-lung des Restkaufpreises, kann der Verkäufer hiermit le-diglich die Urteilsforderung im Konkurs anmelden und muss sich mit einer Konkursdividende zufrieden geben. Lautet das Urteil hingegen auf Herausgabe des Kaufge-genstandes, so ist danach zu differenzieren, ob es sich bei dem vom Verkäufer geltend gemachten Herausgabean-spruch um einen obligatorischen Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung oder um einen dinglichen Heraus-gabeanspruch des Verkäufers als Eigentümer handelt. Im ersteren Fall wäre dieser Anspruch des Verkäufers, auch wenn er durch ein Urteil ausgewiesen ist, gemäss Art. 211 Abs. 1 SchKG in eine Geldforderung umzuwandeln und als gewöhnliche Konkursforderung anzumelden. Nur wenn sich der Verkäufer auf einen dinglichen Anspruch stützen kann, kann er im Schweizer Konkursverfah-ren Aussonderung verlangen. Nimmt man somit an, das deutsche Urteil verpflichte den Käufer zur Rückgabe des Kaufgegenstandes, weil sich der Verkäufer – aus Sicht des deutschen Gerichts – das Eigentum daran gültig vorbehal-ten hatte (§ 986 BGB), so stellt sich die Frage, wie der Verkäufer sein Aussonderungsrecht im Konkurs des Käu-fers geltend machen kann.

Bei der Aussonderungsklage gemäss Art. 242 Abs. 2 SchKG handelt es sich nach herrschender Meinung nicht um eine gewöhnliche Vindikationsklage, sondern um eine sogenannte vollstreckungsrechtliche Klage mit Reflex-wirkung auf das materielle Recht: Streitgegenstand ist da-bei eine rein vollstreckungsrechtliche Frage, nämlich ob die fragliche Sache zur Konkursmasse gehört oder nicht.

ternationales Privatrecht, Art. 1-200 IPRG, 2. A., Zürich 2012, Art. 102 N 8 (nachfolgend «CHK-IPRG»).

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IV. Warenlieferung von der Schweiz nach Deutschland

1. Geänderte Ausgangslage

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass ein Ver-käufer mit Sitz in der Schweiz einem Käufer mit Sitz in Deutschland Waren verkauft. Der Kaufvertrag enthält eine Eigentumsvorbehaltsklausel; zudem wird die An-wendbarkeit des Schweizer materiellen Rechts sowie die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte vereinbart. Die-se Rechtswahl und die Vereinbarung über den Gerichts-stand werden sowohl von den deutschen als auch von den schweizerischen Gerichten anerkannt.97

Die Ware wird nach Vertragsschluss nach Deutschland geliefert. Der Käufer bezahlt den ausstehenden Restkauf-preis nicht. Die Handlungsmöglichkeiten des Verkäufers hängen davon ab, ob über das Vermögen des Käufers am Ort seines wirtschaftlichen Interessenschwerpunkts in Deutschland98 ein Insolvenzverfahren beantragt (oder schon eröffnet) wurde.

2. Szenario A: Keine Insolvenzeröffnung

Ist über das Vermögen des Käufers (noch) kein Insolven-zverfahren beantragt worden, so kann der Verkäufer den Käufer vor dem vereinbarten Schweizer Gericht entweder auf Bezahlung des ausstehenden Restkaufpreises oder, falls er von seinem Rücktrittrecht Gebrauch gemacht hat, auf Rückgabe der Kaufsache klagen. Das Schweizer Ur-teil kann – gestützt auf das Lugano-Übereinkommen – in Deutschland anerkannt und gegen den Käufer vollstreckt werden, wenn es in Deutschland auf Antrag des Verkäu-fers für vollstreckbar erklärt worden ist.99

Ist der Käufer auf Herausgabe der Kaufsache verur-teilt worden, so kann das Urteil nur erfolgreich vollstreckt werden, wenn der Käufer sich auch tatsächlich im Be-sitz der Sache befindet. Der Gerichtsvollzieher wird dem Käufer die Kaufsache dann wegnehmen und dem Vorbe-haltsverkäufer zurückgeben.100 Hat der Käufer die Sache bereits an einen gutgläubigen Dritten weiterverkauft, der hieran ohne Rücksicht auf den etwa noch bestehenden Eigentumsvorbehalt Eigentum erworben hat,101 so kann

97 Vgl. hierzu vorne, Ziff. III.1.98 Vgl. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, § 3 InsO. 99 Art. 31 Abs. 1 LugÜ.100 § 883 Abs. 1 ZPO. Wird die herauszugebende Sache nicht vorge-

funden, kann der Gläubiger beantragen, den Schuldner an Eides Statt über deren Verbleib zu vernehmen; vgl. § 883 Abs. 2 S. 1 ZPO.

101 §§ 161 Abs. 3, 932 ff. BGB.

Überträgt man die soeben dargestellten Grundsätze auf die vorliegende Konstellation, so ist das vom deut-schen Verkäufer gestützt auf seinen Eigentumsvorbehalt ergangene Urteil auf Herausgabe des Kaufgegenstandes jedenfalls dann im schweizerischen Konkursverfahren zu anerkennen, wenn es vor Konkurseröffnung rechtskräftig geworden ist. Der Verkäufer kann in diesem Fall gestützt auf das deutsche Urteil erfolgreich die Aussonderung ver-langen. Hinzuweisen ist jedoch auf das Risiko, dass dem deutschen Urteil die Anerkennung in der Schweiz aus Gründen des Ordre public verweigert werden könnte,95 wenn das deutsche Gericht den Eigentumsvorbehalt be-jaht hat, obgleich dieser nicht in das Schweizer Eigen-tumsvorbehaltsregister eingetragen worden ist. Denn das Schweizerische Bundesgericht sprach dem Eintragungs-zwang des Eigentumsvorbehalts wiederholt Ordre public-Charakter zu.96

5. Zwischenergebnis

Im Konkurs des schweizerischen Käufers ist der bloss vertraglich vereinbarte Eigentumsvorbehalt des deut-schen Verkäufers als solcher weitgehend nutzlos. Will sich der Verkäufer auf den Eigentumsvorbehalt berufen können, so hat er ihn rechtzeitig, jedenfalls vor der Kon-kurseröffnung, im Eigentumsvorbehaltsregister am Sitz des Käufers eintragen zu lassen.

Hat der Verkäufer in Deutschland ein Herausgabeur-teil erwirkt, so kann er dieses in der Schweiz gegen den Käufer vollstrecken, auch wenn der Eigentumsvorbehalt nicht eingetragen wurde, zumindest solange über den Käufer nicht der Konkurs eröffnet wurde. Wurde über den Käufer der Konkurs eröffnet, so hat der Verkäufer seinen Herausgabeanspruch im Aussonderungsprozess geltend zu machen. Bislang ungeklärt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Verkäufer dabei auf ein in Deutschland ergangenes Herausgabeurteil berufen kann. Nach Meinung der Verfasser ist ein solches Urteil im Aus-sonderungsprozess jedenfalls dann bindend, wenn ihm ein dinglicher (und nicht bloss ein obligatorischer) Rück-gabeanspruch des Verkäufers zu Grunde liegt und wenn es vor der Konkurseröffnung rechtskräftig wurde.

95 Vgl. Art. 34 Ziff. 1 LugÜ.96 BGE 131 III 595 E. 2.3.2; kritisch hierzu Fisch, BSK-IPRG

(FN 80), Art. 102 N 27 m.w.H.; menne (FN 23), 308.

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resultiert für die Rechte des Vorbehaltsverkäufers de facto regelmässig eine bis zu dreimonatige Ausübungssperre.109

Möchte der Verkäufer den ausstehenden Kaufpreis er-halten, muss er den Insolvenzverwalter auffordern, über die Durchführung des Vorbehaltskaufs zu entscheiden. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter nach Durchfüh-rung des Berichtstermins für den Kauf, wird der Kauf-vertrag wie vereinbart abgewickelt und der Insolvenz-verwalter ist verpflichtet, den Kaufpreis aus der von ihm verwalteten Masse zu zahlen.110

Tritt der Verkäufer jedoch von dem Kaufvertrag zu-rück und macht seinen Eigentumsvorbehalt geltend, so kann er aufgrund seines Eigentums die Aussonderung des Kaufgegenstands verlangen.111 Wird ein Aussonderungs-recht festgestellt, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, dieses anzuerkennen.112 Erfüllt der Insolvenzverwalter diesen Aussonderungsanspruch nicht, kann der Verkäufer eine Aussonderungsklage einreichen.113 Weil die Ausson-derung nach der expliziten Regelung in § 47 S. 2 InsO nicht insolvenzrechtlicher Natur ist,114 dürfte sich die in-ternationale Zuständigkeit – zumindest nach deutschem Rechtsverständnis – zwar nach dem LugÜ richten.115 Ob der Verkäufer in dieser Situation den Insolvenzverwalter vor dem nach Art. 23 LugÜ vereinbarten Schweizer Ge-richtsstand verklagen kann, ist aber gleichwohl zweifel-haft, denn nachdem der Insolvenzverwalter die Durchfüh-rung des Kaufvertrages abgelehnt hat, ist er an die darin enthaltenen Vereinbarungen gerade nicht gebunden.116 Der Verkäufer kann die gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Aussonderungsklage nach deutscher Rechts-auffassung daher ungeachtet der vertraglichen Vereinba-rung eines Schweizer Gerichtsstands vor den deutschen Gerichten117 am Sitz des Insolvenzgerichts118 verfolgen.

«MüKo InsO») ; michael hUBer, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (FN 49), § 36 Rn. 26.

109 helmUt Balthasar, in: Jörg Nehrlich/Volker Römermann, Insolvenzordnung, Stand: 28. Ergänzungslieferung Januar 2015, München, § 197 Rn. 15; ott/vUia, in: MüKo InsO (FN 108), § 107 Rn. 17a f.; hUBer, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch (FN 49), § 36 Rn. 26.

110 Siehe § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO sowie vorne, Ziff. II.4.111 § 47 InsO.112 Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47) , § 47 Rn. 127 ff.113 gerhard PaPe/wilhelm UhlenBrUck/joachim voigt-salUs,

Insolvenzrecht, 2. A., München 2010, Kap. 23 Rn. 10.114 Der Ausschlusstatbestand Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ ist damit nicht ge-

geben; vgl. Peter mankowski, Insolvenznahe Verfahren im Grenz-bereich zwischen EuInsVO und EuGVVO, NZI 2010, 508, 512.

115 Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 47 Rn. 138.116 Ähnlich LG Kleve Urt. v. 13.12.2000, 7 O 75/00 und seBastian

mock, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 80 Rn. 178 für Absonde-rungsrechte.

117 Art. 2 LugÜ.118 § 19a InsO.

aus dem Herausgabeurteil nicht vollstreckt werden. Die Vollstreckung des Urteils gegen den Dritten ist unwirk-sam.102 Der Verkäufer könnte gegen den Käufer allenfalls erneut – nunmehr auf Schadenersatz – klagen.103

3. Szenario B: Über das Vermögen des Käufers wird Insolvenz eröffnet

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass über das Vermögen des Käufers in Deutschland Insolvenz bean-tragt wird, bevor der Verkäufer seine Zahlungsansprüche gerichtlich geltend gemacht hat.

a. Verfahrensfragen

Nach einem Insolvenzantrag über das Vermögen des deutschen Käufers ordnet das Insolvenzgericht zunächst ein sogenanntes vorläufiges Insolvenzverfahren an und bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter.104 Das In-solvenzgericht kann dabei anordnen, dass für die Dauer des vorläufigen Insolvenzverfahrens keine Aussonderung verlangt werden kann, soweit die betroffenen Gegenstän-de zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden können und hierfür von erheblicher Bedeutung sind.105 Die Entscheidung, ob der Vorbehaltskauf mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse durchgeführt wird, muss der Insolvenzverwalter erst treffen, wenn das Insolvenz-verfahren eröffnet worden ist und die erste Gläubigerver-sammlung (Berichtstermin) stattgefunden hat.106 Damit der Insolvenzverwalter dieses Wahlrecht ausüben kann, wird eine Rücktrittsperre angenommen;107 soweit der Rücktritt vom Kaufvertrag eine (Nach)Fristsetzung vor-aussetzt, darf diese nicht kürzer bemessen sein.108 Daraus

102 Das rechtskräftige Urteil wirkt nur für und gegen die Parteien (§ 325 Abs. 1 ZPO). Vollstreckungsschuldner ist demnach nur der-jenige, der so im Titel bezeichnet ist (christian seiler, in: Heinz Thomas/Hans Putzo, Zivilprozessordnung [ZPO], 36. A., München 2015, Vorbem IV § 704 Rn. 11). Nach § 886 ZPO käme allenfalls eine Überweisung etwaiger Herausgabeansprüche des Käufers ge-gen den Dritten in Betracht, wobei solche Herausgabeansprüche nach einem gutgläubigen Erwerb regelmässig gerade nicht beste-hen werden.

103 Sofern der Käufer die Sache erst nach Erlass des Herausgabeur-teils weiterverkauft hat, steht die Rechtskraftwirkung des früheren Herausgabeurteils der späteren Schadenersatzklage nicht entgegen. (vgl. BGE 139 III 126 E. 3.2.1).

104 §§ 21 f. InsO.105 § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO.106 Siehe §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO sowie oben II.4. Der Be-

richtstermin soll nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht später als sechs Wochen nach der Insolvenzeröffnung stattfinden.

107 adolPhsen (FN 49), § 43 Rn. 16; mit dogmatisch anderer Begrün-dung dirk wegener, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 107 Rn. 17.

108 claUs ott/mihai vUia, in: Münchener Kommentar zur Insol-venzordnung, 3. A., München 2014, § 107 Rn. 17a f. (nachfolgend

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Wird die Sache hingegen dem Käufer nach Deutsch-land geliefert, so hat in der Schweiz mangels Besitzüber-tragung noch kein Eigentumsübergang stattgefunden. Gelangt die Sache sodann nach Deutschland, so folgt aus Art. 43 Abs. 3 EGBGB, dass die noch vor Grenzübertritt geschlossene Einigung über den Eigentumsübergang mit der Erlangung des Besitzes durch den Käufer in Deutsch-land zu einem Eigentumserwerb nach deutschem Recht, d. h. nach § 929 BGB führt.125

Nachfolgend ist zu prüfen, wie sich ein zwischen den Parteien vereinbarter Eigentumsvorbehalt auf den Eigen-tumsübergang auswirkt.

c. Geltung des unter Schweizer Recht verein­barten Eigentumsvorbehalts in Deutschland

Das deutsche Recht stellt vergleichsweise geringe An-forderungen an die Wirksamkeit des Eigentumsvorbe-halts, weswegen ein im Ausland wirksam begründeter Eigentumsvorbehalt gestützt auf § 43 Abs. 3 EGBGB in Deutschland regelmässig anerkannt wird.126 Wird im Aus-land ein Eigentumsvorbehalt wirksam begründet, so wan-delt er sich in einen dem deutschen Recht entsprechenden Eigentumsvorbehalt um.127 Dem im Ausland vereinbarten Eigentumsvorbehalt wird seine Wirksamkeit nach Art. 43 Abs. 2 EGBGB nur zuerkannt, wenn er mit der deutschen Sachenrechtsordnung vereinbar ist und in einen den deut-schen Voraussetzungen und Ausgestaltungen genügenden Eigentumsvorbehalt umgewandelt werden kann.128

Um nach schweizerischem materiellen Recht wirksam einen Eigentumsvorbehalt zu errichten, ist dieser wie ge-zeigt in ein staatlich geführtes Register am Wohnort des Käufers einzutragen.129 Beim Verkauf einer Sache an ei-nen ausländischen Käufer stellt sich jedoch das Problem, dass der Eigentumsvorbehalt mangels Sitzes des Käufers in der Schweiz gar nicht in ein dafür vorgesehenes Re-gister eingetragen werden kann.130 Aus schweizerischer internationalprivatrechtlicher Sicht ist dies aber auch nicht erforderlich, denn Art. 103 IPRG sieht vor, dass der Eigentumsvorbehalt an zur Ausfuhr bestimmten Sachen dem Recht des Bestimmungslandes untersteht, im vorlie-

125 karsten thorn, in: Palandt BGB (FN 29), Art. 43 EGBGB Rn. 11.126 arnd goldt, Sachenrechtliche Fragen des grenzüberschreitenden

Versendungskaufs aus international-privatrechtlicher Sicht, Berlin 2002, 222; allgemein zur Transpositionslehre heinrich dörner, in: Reiner Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 8. A., Baden-Baden 2014, Art. 43 EGBGB, Rn. 4 bis 7.

127 Vgl. vorne, Ziff. III.1., sowie thorn in: Palandt BGB (FN 29), Art. 43 EGBGB Rn. 10.

128 goldt (FN 127), 220.129 Vorne, Ziff. II.1.b.130 Fisch, BSK-IPRG (FN 80), Art. 103 N 1.

Auch aus Schweizer Sicht wäre eine Klage gegen den deutschen Insolvenzverwalter am vereinbarten schwei-zerischen Gerichtsstand zumindest mit gewissen Risiken behaftet: So ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, ob einem ausländischen Konkursverwalter in der Schweiz die passive Prozessführungsbefugnis zukommt.119 Zudem wird die Aussonderungsklage nach schweizerischem Ver-ständnis – anders als in Deutschland – nicht als rein zi-vilrechtliche, sondern als vollstreckungsrechtliche Klage mit Reflexwirkung auf das materielle Recht betrachtet,120 weshalb Schweizer Gerichte eher geneigt sein dürften, die Aussonderungsklage vom Anwendungsbereich des LugÜ auszuschliessen;121 auch eine Berücksichtigung der Gerichtsstandsvereinbarung gestützt auf Art. 5 IPRG erscheint angesichts der vollstreckungsrechtlichen Natur der Klage ausgeschlossen.122

Im Folgenden wird deshalb davon ausgegangen, dass der schweizerische Verkäufer seinen Aussonderungsan-spruch vor den deutschen Gerichten geltend macht. Diese gehen bei der Prüfung der Eigentumsfrage vom deutschen Kollisionsrecht aus.

b. Eigentumsübergang bezüglich importierter Sachen

Aus deutscher Sicht bestimmen sich die Rechte an Sachen gemäss Art. 43 Abs. 1 EGBGB123 nach dem Recht des Staates, in welchem sich die Sache befindet. Um an einer beweglichen Sache wirksam Eigentum zu erlangen, ist neben der entsprechenden Einigung nach deutschem wie nach Schweizer Recht stets auch die Übertragung des un-mittelbaren oder mittelbaren Besitzes an der Sache vom Veräusserer an den Erwerber erforderlich.124

Wenn der Käufer die Sache vorliegend selbst bzw. durch eine Hilfsperson vor Ort in der Schweiz abholen lässt, findet diese Übergabe noch in der Schweiz statt. Damit hat der Käufer nach dem anwendbaren Schweizer Recht bereits Eigentum erworben.

119 Diese Frage wurde vom Bundesgericht im Urteil 4A_380/2012 vom 18. Februar 2013 offen gelassen (E. 4.5), wobei die beiden unteren Gerichtsinstanzen die passive Prozessführungsbefugnis verneint hatten (E. 3).

120 Siehe vorne, Ziff. III.4.121 Vgl. BGer Urteil 4A_380/2012 vom 18. Februar 2013 E. 5.2, wo

allerdings zur Aussonderung noch weitere Umstände hinzutraten, welche dafür sprachen, die Klage vom Anwendungsbereich des LugÜ auszunehmen.

122 Vgl. hierzu BGer Urteil 4A_380/2012 vom 18. Februar 2013 E. 5.3, wonach die allgemeinen Bestimmungen des IPRG auf die Zuständigkeits- und Anerkennungsordnung für vollstreckungs-rechtliche Streitigkeiten keine Anwendung finden.

123 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB).124 Vgl. vorne, Ziff. II.1.a.

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teilt, den Kaufpreis zu bezahlen, kann der Verkäufer die-sen titulierten Anspruch daher nur als Insolvenzgläubiger geltend machen und ihn zur Insolvenztabelle anmelden.135 Ist diese Forderung streitig, obliegt es wegen der bereits erfolgten Titulierung dem Bestreitenden, seinen Wider-spruch gerichtlich durchzusetzen,136 d.h. die Forderung wird im Prüfungsverfahren bis auf Weiteres als berech-tigt angesehen. Das gilt auch für ausländische Zahlungs-titel.137

Anders wäre es, lautete das Schweizer Urteil nicht auf Kaufpreiszahlung, sondern auf Herausgabe des Kaufge-genstandes. Für diesen Fall kommt es wiederum darauf an, welcher Art der titulierte Herausgabeanspruch ist. Hat sich der Verkäufer das Eigentum an der Kaufsache nicht vorbehalten, stellt sein Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache ebenfalls um eine mit ihrem Geldwert zur Insolvenztabelle anmeldbare In-solvenzforderung dar.138 Beruht der von dem Schweizer Gericht ausgeurteilte Rückgabeanspruch des Verkäufers hingegen auf seinem Eigentumsvorbehalt,139 steht dem Verkäufer im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers hingegen ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu. Dieses Aussonderungsrecht hat der Insolvenzverwal-ter im Rahmen der insolvenzrechtlichen Verfahrensvor-schriften zu beachten.

Hat der Vorbehaltsverkäufer seinen Rücktritt bereits vorinsolvenzlich erklärt, ist der Kaufvertrag rückabzu-wickeln. Dem Insolvenzverwalter steht demzufolge auch kein Wahlrecht mehr zu, so dass der Vorbehaltsverkäufer in diesem Fall nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung (Berichtstermin) zuwarten muss, um seinen Rückforde-rungsanspruch durchzusetzen bzw. zu vollstrecken. Da-für kann der Vorbehaltsverkäufer das vor den Schweizer Gerichten erwirkte Herausgabeurteil nach den Vorschrif-ten des LugÜ sowie § 727 ZPO anerkennen, gegen den Insolvenzverwalter umschreiben und ihm zustellen las-sen (§ 750 Abs. 2 ZPO).140 Einer gesonderten «Ausson-

135 §§ 87, 174 ff. InsO.136 §§ 179 Abs. 2 InsO, 184 Abs. 2 InsO.137 roBert schUmacher in: MüKo InsO (FN 108), § 179 Rn. 23 f.138 § 45 S. 1 InsO.139 Für das Schweizer Gericht beurteilt sich die Gültigkeit des Eigen-

tumsvorbehalts an der zur Ausfuhr nach Deutschland bestimmten Kaufsache nach deutschem Recht (Art. 103 IPRG). Da der Eigen-tumsvorbehalt nach deutschem Recht formlos gültig ist, wird das Schweizer Gericht den Eigentumsanspruch des Schweizer Verkäu-fers bejahen, auch wenn der Eigentumsvorbehalt nicht im Eigen-tumsvorbehaltsregister eingetragen wurde.

140 Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO (FN 47), § 47 Rn. 25; lUd-wig häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. A., Köln 2007, Rn. 11.28; Brigitte steder, Einzelzwangsvollstreckung und Konkurs, ZIP 1996, 1072, 1079.

genden Fall also deutschem Recht. Damit entfällt vorlie-gend das formelle Erfordernis des Registereintrags nach Art. 715 ZGB, und es liegt aus schweizerischer interna-tionalprivatrechtlicher Sicht ein wirksamer Eigentums-vorbehalt vor.

Nichts anderes gilt nach deutschem Kollisionsrecht, welches das zur Entscheidung angerufene deutsche Ge-richt im Falle einer Belegenheit der Sache in Deutschland anwenden wird. Denn hiernach wird der in der Schweiz nach Art. 103 IPRG wirksam begründete Eigentums-vorbehalt in Deutschland als Rechtsposition anerkannt (Art. 43 Abs. 2 EGBGB)131 mit der Folge, dass der schweizerische Verkäufer trotz Übertragung des Besitzes (vorerst) Eigentum an der Sache behält. Nach vollständi-ger Bezahlung des Kaufpreises erwirbt der Käufer das Ei-gentum nach deutschen sachenrechtlichen Grundsätzen, wobei die in der Schweiz verwirklichten Erwerbstatbe-stände «angerechnet» werden (Art. 43 Abs. 3 EGBGB).

4. Szenario C: Verkäufer klagt gegen den Käufer, der Käufer fällt vor Voll­streckung des Urteils in Insolvenz

Zahlt der Käufer den Kaufpreis nicht und erstreitet der Verkäufer gegen ihn daher in der Schweiz ein Urteil, so fragt sich, ob der Verkäufer hieraus auch noch vorgehen kann, wenn der Käufer nach Abschluss des Schweizer Klageverfahrens in die Insolvenz fällt.

Mit Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfah-rens132 ordnet das Insolvenzgericht regelmässig ein Voll-streckungsverbot an,133 welches mit Eröffnung des ei-gentlichen Insolvenzverfahrens sodann kraft Gesetzes eintritt.134 Hat das Schweizer Gericht den Käufer verur-

131 Das deutsche Gericht wendet zwar grundsätzlich sein eigenes Kol-lisionsrecht (lex fori processus), d.h. Art. 43 EGBGB, an («Kolli-sionsgrundnorm»; BGH v. 27.06.1984 Az. IVb ZR 2/83; BGH v. 6.1.1991 Az. XII ZR 240/90; gerhard kegel/klaUs schUrig, Internationales Privatrecht, 9. A., München 2004, § 22 III; chri-stian von Bar/Peter mankowski, Internationales Privatrecht Band 1, 2. A., München 2003, § 5 Rn. 75). Art. 43 Abs. 1 EGBGB stellt allerdings eine Gesamtverweisung dar, so dass auch das am Lageort geltende Kollisionsrecht gilt (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB; BGH Urt. v. 25. Sept. 1996 Az. VIII ZR 76/95; m. christiane wendehorst, in: MüKo BGB (FN 1), Art. 43 Rn. 113; dörner (FN 126), Art. 43 EGBGB, Rn. 3; andreas sPickhoFF, in: Georg Bamberger/Herbert Roth (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), 3. Auflage, München 2012, Art. 43 Rn. 20. Aus diesem Grunde richtet sich das anwendbare Recht vorliegend auch bei einer Entscheidung eines deutschen Gerichts im Ergebnis nach den Regelungen des IPRG.

132 Vgl. zu diesem Verfahrensschritt bereits vorne, Ziff. IV.3.a.133 § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO.134 § 89 InsO.

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zungen kollisionsrechtlich nach deutschem Recht richten. Eine Registrierung des Eigentumsvorbehalts ist hiernach nicht notwendig. Einschränkungen für die Rechtsposi tion des Vorbehaltsverkäufers können sich aber aus dem in Deutschland durchzuführenden Insolvenzverfahren erge-ben. Dies gilt vor allem dann, wenn der Verkäufer bei Ein-tritt des Insolvenzereignisses noch nicht von dem Kauf-vertrag zurückgetreten ist, so dass der Insolvenzverwalter im Rahmen seines gesetzlichen Wahlrechts entscheiden kann, ob der Kaufvertrag durchgeführt wird. Hat der Vor-behaltsverkäufer vor der Insolvenz bereits ein Schweizer Herausgabeurteil erlangt, kann er hieraus auch gegen den Insolvenzverwalter vollstrecken.

V. Fazit

Ein markanter Unterschied zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Recht besteht darin, dass nach deut-schem Recht ein wirksamer Eigentumsvorbehalt formlos vereinbart werden kann, während es nach schweizeri-schem Recht nebst einer entsprechender Vereinbarung stets auch einer Eintragung in das Eigentumsvorbehalts-register am Sitz des Erwerbers bedarf, damit der Eigen-tumsvorbehalt volle Wirkung entfaltet.

In der Praxis zeigt sich denn auch oft, dass dem deut-schen Verkäufer, der Ware in die Schweiz liefert, die schweizerischen Formerfordernisse nicht bekannt sind und er im Konkurs des Käufers die unangenehme Über-raschung erlebt, dass sein Eigentumsvorbehalt «wertlos» bzw. unwirksam ist. Anders dagegen der Schweizer Ex-port-Verkäufer: Liegt ein vertraglich vereinbarter Eigen-tumsvorbehalt vor, so kann er diesen in der Insolvenz des deutschen Käufers erfolgreich geltend machen, ohne dass er besondere Formerfordernisse zu erfüllen hätte.

Der deutsche Export-Verkäufer hat daher bei einem Verkauf in die Schweiz genau zu prüfen, wie und mit welchen Rechtswirkungen er seinen Kaufpreisanspruch absichern kann. Die Eintragung des Eigentumsvorbehalts im schweizerischen Register ist zwar eine Möglichkeit – sie versagt jedoch da, wo der deutsche Verkäufer auf die besonderen Verlängerungs- und Erweiterungsformen des deutschen Eigentumsvorbehalts angewiesen ist: Diese sind im schweizerischen Eigentumsvorbehaltsregister nicht eintragungsfähig; der Eigentumsvorbehalt wirkt stets nur in seiner einfachen Form. Dies wirkt sich nach-teilig für den Verkäufer aus, wenn dieser Waren liefert, die der Käufer umgehend verarbeitet oder weiterverkauft. In einer solchen Konstellation ist der deutsche Verkäufer gut beraten, ergänzende Sicherheiten auszuhandeln.

derungsklage» gegen den Insolvenzverwalter bedarf es nicht.141 Ausnahmsweise bestehende materielle Einwen-dungen des Insolvenzverwalters gegen den titulierten Herausgabenspruch kann der Insolvenzverwalter nach den allgemeinen Grundsätzen im Rahmen einer Vollstre-ckungsgegenklage geltend machen, für die nach Art. 22 Nr. 5 LugÜ grundsätzlich die deutschen Gerichte zustän-dig wären,142 und damit z.B. einwenden, dass die Sache bereits zurückgegeben worden oder das Aussonderungs-recht nach Massgabe der §§ 129 ff., 339 InsO anfechtbar sei.

Wie bereits ausgeführt, verlangt das deutsche Insol-venzrecht, dass der Vorbehaltsverkäufer mit der Durch-setzung seiner Ansprüche bestimmte Verfahrensschritte abwartet.143 War der Vorbehaltsverkäufer bereits vorin-solvenzlich vom Kaufvertrag zurückgetreten, steht dem Insolvenzverwalter aber ohnehin kein Wahlrecht nach §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO mehr zu, dessen Aus-übung im Berichtstermin abgewartet werden müsste. Retardierend wirken können jedoch die bereits erwähn-ten (nur) für die Zeit des vorläufigen Insolvenzverfahrens zulässigen Anordnungen, mit welchen das Insolvenzge-richt die Zwangsvollstreckung und Geltendmachung von Aussonderungsrechten bis zur Entscheidung über die In-solvenzeröffnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 InsO untersagen kann.144 Ab Eröffnung des Insolvenzverfah-rens, d.h. in der Regel spätestens drei Monate nach dem Insolvenzantrag, ist dann jedoch die Vollstreckung des vorinsolvenzlich titulierten Herausgabeanspruchs gegen den Insolvenzverwalter möglich.

5. Zwischenergebnis

Die Vereinbarung eines wirksamen Eigentumsvorbehalts einer zur Ausfuhr nach Deutschland bestimmten Sache ist regelmässig unproblematisch, weil sich dessen Vorausset-

141 Anders im Schweizer Konkursverfahren, siehe hierzu vorne, Ziff. III.4.

142 EuGH Urt. v. 4. Juli 1985, Az. Rs 220/84, Rn. 12, 19; BGH, Beschl. vom 3. April 2014, Az. IX ZB 88/12 Tz. 16. Zur internationalen Zuständigkeit für Vollstreckungsgegenklagen aufgrund einer Auf-rechnung mit Gegenforderungen vgl. EuGH a.a.O. Tz. 19 sowie EuGH Urt. v. 13. Oktober 2005, Az. C-73/04 Tz. 15; BGH a.a.O., Tz. 16; karsten schmidt/moritz Brinkmann, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (ZPO), 4. A., München 2012, § 767 Rn. 53; kritisch Peter mankowski, in: Entscheidungs-sammlung zum Wirtschafts- und Bankenrecht WUB VII C. Art. 22 LugÜ 1.14 (409-412) = WM 2014, 1003.

143 Ausführlicher hierzu vorne, Ziff. IV.3.a.144 BGH Urt. v. 3. Dez. 2009, Az IX ZR 7/09; hans gerhard gan-

ter, in: MüKo InsO (FN 108), § 47 Rn. 493; UlF gUndlach/ andré schirrmeister, Die aus- und absonderungsfähigen Ge-genstände in der vorläufigen Verwaltung, NZI 2010, 176 f.